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UTB L (Large-Format) 8381 Germanistische Sprachwissenschaft Deutsch als Erst-, Zweit- oder Fremdsprache Bearbeitet von Gabriele Graefen, Martina Liedke 1. Auflage 2008. Taschenbuch. 313 S. Paperback ISBN 978 3 8252 8381 0 Gewicht: 567 g Weitere Fachgebiete > Literatur, Sprache > Angewandte Sprachwissenschaft > Deutsch als Fremdsprache (DaF) Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

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UTB L (Large-Format) 8381

Germanistische Sprachwissenschaft

Deutsch als Erst-, Zweit- oder Fremdsprache

Bearbeitet vonGabriele Graefen, Martina Liedke

1. Auflage 2008. Taschenbuch. 313 S. PaperbackISBN 978 3 8252 8381 0

Gewicht: 567 g

Weitere Fachgebiete > Literatur, Sprache > Angewandte Sprachwissenschaft >Deutsch als Fremdsprache (DaF)

Zu Inhaltsverzeichnis

schnell und portofrei erhältlich bei

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Grundlagen

1 Sprache — Sprachen — Sprachgeschichte

1.1 Präliminarien Sprachen können sich ähneln, in bestimmten Wörtern wie in grammatischen Merkmalen, sie können aber auch sehr unterschiedlich sein. Um über die Ähnlichkeit oder Unter-schiedlichkeit sprechen und um den Reichtum an konkreten Merkmalen beurteilen zu können, ist es hilfreich, schon zu Beginn dieses Grundkurses einige Grundbegriffe einzu-führen, die im Folgenden durchgängig gebraucht werden und dadurch inhaltlich besser und genauer gefüllt werden können. Ein einfaches Grundmodell1 der Teil- oder Sub-systeme von Sprachen, die auch Schriftsprachen sind, sieht so aus:

Abb. 1: Sprachliche Ebenen

Die Buchstaben P/M/S stehen für drei Teilbereiche der Sprache und zugleich Teilgebiete der Sprachwissenschaft: Phonetik/Phonologie (Lautlehre), Morphologie (Formenlehre), Syntax (Satzbau, Satzlehre). Alle drei Bereiche gemeinsam werden als Grammatik be-zeichnet. Sie stehen im Zentrum des Modells, weil sie viel weniger als die anderen „Schichten“ durch äußere Einflüsse veränderbar sind. Phonetik, Morphologie und Syntax bilden also gemeinsam den relativ stabilen, sprachhistorisch überdauernden Kern einer bestimmten Sprache.

Kulturell oder sprachpolitisch beeinflussbar sind dagegen die beiden äußeren Schich-ten der Graphie und der Lexik. Von der Graphie einer Sprache spricht man dann, wenn man die im Laufe der Zeit durch den Schreibgebrauch entwickelte Art der Verschriftung dieser Sprache meint. Die Graphie ist Basis der Orthographie, die eine geregelte, verein-heitlichte und als Norm fixierte Vorgabe für die Schreiber ist. Lexik ist ein zusammen-fassender Begriff für den gesamten Wortschatz einer Sprache oder überhaupt für Wörter einer Sprache, egal welchen Typs.

1 Die Graphik orientiert sich an Nübling et al. (2006, S. 2).

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14 Grundlagen: 1 Sprache — Sprachen — Sprachgeschichte

Auf die genannten Bereiche der Sprache sind bestimmte Teilgebiete der Linguistik bezogen. Sie sollen hier nur sehr knapp einführend beschrieben werden. Beginnen wir mit der Phonologie als derjenigen Disziplin, die sich mit den kleinsten Bestandteilen von Sprache beschäftigt, den einzelnen Lauten. Jede Sprache hat ein besonderes Lautsystem, dessen Bestandteile in immer wieder neuen Kombinationen zu bedeutungstragenden Zeichen, d.h. zu Wörtern oder anderen sprachlichen Äußerungen, zusammengesetzt werden. Zu einem solchen Lautsystem gehören zunächst einmal einzelne Laute, die man konventionell mit Hilfe der internationalen phonetischen Umschrift (IPA) erfasst, z.B. so:

[ʃ] ist ein Konsonant der deutschen Sprache, der in dem Wort Schule Anlaut ist, [ҫ] ist ein Konsonant des Deutschen, der in ich und echt vorkommt.

Darüber hinaus haben Sprachen auch charakteristische Silben und Lautkombinationen, welche die Phonologie untersucht. Kenntnisse der Phonologie sind notwendig, um Sprachvergleiche durchzuführen. Beispielsweise lässt man sich leicht von der unter-schiedlichen Graphie bzw. Orthographie zweier Sprachen täuschen und bemerkt die Ähnlichkeit von Silben und Wörtern nicht. So entspricht das englische Wort night lautlich dem deutschen Wort Neid. Erst die Lautschrift zeigt die Gleichheit.

Die Morphologie, die Formenlehre, untersucht die sinntragenden Formeinheiten einer Sprache. Ein Morphem kann ein Wort sein, aber auch eine Silbe, die die Bedeutung eines Wortes ändert, ist ein Morphem. Zum Beispiel lässt sich das Wort Sprachen in zwei Mor-pheme zerlegen: in den Wortstamm sprach- und das Pluralmorphem -en.

Die Syntaxlehre, abkürzend auch oft Syntax genannt. beschreibt die Strukturen sprachlicher Äußerungen, soweit sie nach grammatischen Prinzipien gebaut sind. Die wichtigste syntaktische Form ist der Satz, aber auch Wortgruppen unterliegen syntak-tischen Gesetzen, etwa eine Substantivgruppe wie: das zum Verkauf angebotene Haus in der Bahnhofstraße.

Die Lexik oder auch das Lexikon, also der Wortschatz einer Sprache, wird von min-destens drei Disziplinen, der Lexikologie, der Lexikographie und der Semantik, unter-sucht. Semantische und lexikologische Untersuchungen betreffen die Natur von Bedeutungen, auch das Verhältnis von Wörtern untereinander, etwa das gegensätzliche Verhältnis von groß und klein, oder die Frage nach dem Bedeutungsumfang und der Hierarchie von Begriffen. Das deutsche Wort Bruder hat z.B. einen anderen Umfang als die türkische Entsprechung, denn im Türkischen stehen zwei Übersetzungsmöglich-keiten zur Auswahl: abi (= großer Bruder) und kardeş (= kleiner Bruder). Während die Semantik eher exemplarisch vorgeht, will die Lexikologie den gesamten Wortschatz einer Sprache erschließen, auch in historischer Hinsicht. Lexikographie ist ebenfalls auf den Wortschatz insgesamt gerichtet, ist aber ein anwendungsbezogenes Fach. Es geht ihr um die Aufbereitung und Darstellung semantischer und lexikologischer Ergebnisse für die Präsentation im Wörterbuch.

1.2 Die Sprachenvielfalt Die Anzahl der Sprachen, die es weltweit gibt, geht in die Tausende; oft liest man die Zahl 4.000, manche Nachschlagewerke sprechen von rund 5.000, andere sogar von 6.500 Sprachen.2 Nur knapp 300 davon haben mehr als eine Million Sprecher, und nur 100

2 Haarmann (2001).

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1.2 Die Sprachenvielfalt 15

davon haben einen offiziellen Status. Alle anderen gelten heute in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht als mehr oder weniger bedeutungslos.

Die Schwierigkeit einer exakten Zählung resultiert daraus, dass man mit guten Gründen verschiedene Kriterien zugrunde legen kann:

a) Außer einigen alten, längst ‚ausgestorbenen’ Sprachen (wie Tocharisch) gibt es andere, bei denen nicht klar ist, ob sie heute noch als ‚lebende Sprachen’ gelten können, da sie nur von wenigen beherrscht und kaum gesprochen werden. Seit dem 20. Jh. gibt es einen sehr massiven Prozess des ‚Sprachensterbens’. Zum Bei-spiel schätzt man, dass es im 19. Jh. in Brasilien noch über 1.000 Indianersprachen gab, heute sind es nur noch unter 200.3

b) Nicht immer ist die Einheit einer Sprache in einer bestimmten Nation oder Region und einer Sprechergemeinschaft klar erkennbar. Regionale Unterschiede in Wort-schatz und Aussprache, meist als Dialekte bezeichnet, werden soziolinguistisch als Varietäten oder Varianten einer Sprache aufgefasst, werden aber manchmal aus politischen und historischen Gründen zu unterschiedlichen Sprachen. Schwedisch, Dänisch und Norwegisch sind solche Sprachen, die auf verschiedene Dialekte zu-rückgeführt werden können. Umgekehrt ist die Verschiedenheit chinesischer Dia-lekte mindestens ebenso groß wie die der romanischen Sprachen. Zudem zeigt sich, dass Sprachen sich aufspalten können. So existiert das Serbokroatische heute nicht mehr als eine Sprache, ebenfalls aus politischen Gründen: Serbisch und Kroatisch werden mit mehr oder weniger nationalistischen Motiven zu selbstständigen Natio-nalsprachen gemacht.4

c) Bei weniger gut erforschten Sprachen, deren Sprecher sich regional nahe sind, ist ihre tatsächliche Differenz oft schlecht erfasst worden, weil sie aufgrund von Entlehnung (dazu Kap. 3) starke Überschneidungen im Wortschatz aufweisen. Das betrifft vor allem Sprachen in Afrika, Südamerika und Südostasien. Zudem kann ein Dialekt einer Sprache sich fast unmerklich zu dem einer anderen Sprache ent-wickeln, was der amerikanische Linguist JOHN LYONS im deutsch-niederländischen Grenzraum gegeben sieht.5

d) Hinzu kommt das Problem, dass Sprachen und Dialekte oft viele Namen haben, manchmal aus der Volksbezeichnung abgeleitet, oft aber auch aus äußeren Grün-den. Unterschiedliche Verschriftung oder Übertragung von Namensschreibungen in ganz anders geartete Schriftsysteme haben zu einer Reihe von international ne-beneinander gebräuchlichen Sprachnamen geführt. Linguisten kommen aufgrund von sachlichen, systematischen Kriterien oft zu neuen Namen. Das Handbuch „Classification and Index of the World´s Languages“ von VOEGELIN / VOEGELIN (1977) hat 4.500 verschiedene Sprachen erfasst, für die insgesamt ca. 20.000 (!) verschiedene Namen existieren.

Allgemein sind zwei Kriterien zur Abgrenzung von Dialekten bzw. Mundarten von Sprachen zu nennen:

a) Dialekte / Mundarten sind regional beschränkt vorkommende Sprachformen, die von der Mehrzahl der Einheimischen im Alltagsleben gebraucht werden;

3 Die Rede vom „Sprachensterben“ hat zwar eine Motivation im Gedanken an die immer weniger werden-

den Sprecher mancher Sprachen, ist aber in der Übertragung auf Sprache eine Metapher. 4 Crystal (1995) nennt als weitere Sprachen, die linguistisch keine eigenen Sprachen sind: Hindi / Urdu,

Bengali / Assamesisch, Flämisch / Niederländisch, Twi / Fante, Xhosa / Zulu. 5 Lyons, John (61984, S. 36).

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16 Grundlagen: 1 Sprache — Sprachen — Sprachgeschichte

b) sie gehören zur gesprochenen Sprache und haben keine standardisierte Verschrift-lichung. So kommt es dazu, dass mehrere Dialekte von einer gemeinsamen Schrift-sprache sozusagen „überdacht“ werden. Das Schweizerische Deutsch ((T1) ) ist ein Beispiel für einen Dialekt, der den Sprechern der Hochsprache sehr fremdartig erscheint.

Sprachen sind also sehr oft keine klar abgegrenzten und zählbaren „Größen“. Tab. 1 gibt eine Übersicht über einige der derzeit gesprochenen Sprachen und die ge-schätzte Zahl ihrer Sprecher sowie einige Tonbeispiele (Zahlen und Wörter des Grund-wortschatzes) dazu.

Tab. 1: Einige ausgewählte Sprachen, Sprecher und Vorkommen

Sprache Sprecherzahl Vorkommen Tonbeispiele Arabisch 180 Mio. Nordafrika, Naher Osten,

Arabische Halbinsel (T2) einsprachig (T3) zweisprachig

Chinesisch (Mandarin)

731 Mio. China, Taiwan, Südostasien (T4) einsprachig (T5) zweisprachig

Deutsch 123 Mio. Deutschland, Österreich, Schweiz

(T6) einsprachig

Englisch 400 Mio. (900–1.500

Mio.)

USA, UK, Kanada, Irland, Australien / Neuseeland, Südafrika

(T7) einsprachig (T8) zweisprachig

Ewe 2 Mio. Ghana, Togo (T9) einsprachig (T10) zweisprachig

Italienisch 60 Mio. Italien, Argentinien, Frankreich, USA, Kanada...

(T11) einsprachig (T12) zweisprachig

Japanisch 126 Mio. Japan, Brasilien, USA (T13) einsprachig (T14) zweisprachig

Koreanisch 60 Mio. Nord-, Südkorea, Japan (T15) einsprachig (T16) zweisprachig

Russisch 155–300 Mio. Russland und Nachbarstaaten

(T17) einsprachig (T18) zweisprachig

Tschechisch 11,7 Mio. Tschechische Republik (T19) einsprachig (T20) zweisprachig

Türkisch 50 Mio. Türkei, Europa (T21) einsprachig (T22) zweisprachig

Den ca. 194 größeren und kleineren Staaten der Welt stehen rund 5.000 Sprachen gegen-über. Der einfache Fall, dass eine Sprachgemeinschaft mit einer Nation zusammenfällt, ist, wie die obige Tabelle zeigt, selbst innerhalb Europas mit seinen relativ homogenen Sprachgemeinschaften keineswegs die Regel:

„Sprachgrenzen und Staatsgrenzen waren in Europa zu keiner Zeit synchronisiert. Nur in wenigen Gebieten des europäischen Kontinents decken sich sprachgeographische und terri-toriale Grenzen, und zwar dort, wo die geopolitischen Verhältnisse naturgegeben sind. Das

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1.2 Die Sprachenvielfalt 17

einzige klassische Beispiel in Europa ist der Inselstaat Island mit seiner sprachlich homo-genen Bevölkerung.“6

Es wird deutlich, dass sich nicht nur die Zahl der Sprachen, sondern auch die Zahl der Sprecher einer Sprache oft nur schwer angeben lässt. So erkennt etwa CRYSTAL (1997, 445) für das Deutsche und das Französische „widespread second language use“ und für das Englische „worldwide second language usage“, d.h. eine sehr häufige Verwendung als Zweitsprache. Dabei führt er allerdings zahlreiche Länder, in denen Englisch oder Französisch Amtssprache (Staatssprache, Verwaltungssprache) ist, in seiner Übersicht nicht auf. Amtssprache ist Englisch z.B. in Ghana, Liberia, Nigeria; Französisch z.B. in Kamerun, Togo oder der Republik Niger. Tatsächlich ist es in vielen Fällen so, dass die Sprache, die im jeweiligen Staat als Amtssprache verwendet wird, nicht dieselbe ist wie die, die in Familie und alltäglichem Umfeld von der Bevölkerung verwendet wird. Im Zuge der Kolonialisierung wurden viele Sprachen durch die europäischen, besonders Englisch, Spanisch, Französisch, ganz oder teilweise verdrängt und bedeutungslos ge-macht. Nach dem Ende der Kolonialherrschaft konnten die Sprachen der Kolonialherren aus verschiedenen Gründen meist nicht durch eine landeseigene Sprache als Amts-sprache ersetzt werden. Die landeseigenen Sprachen – häufig waren es mehrere – wur-den allmählich sog. „Heimsprachen“ oder „Familiensprachen“, d.h. sie verloren an „kommunikativer Reichweite“.

KS, Student aus Togo, ist mit einer solchen Sprachkonstellation der Sprachen Ewe (in Togo und Ghana) und Französisch aufgewachsen:

Tonbeispiel: (T23) Sprachkonstellation in Togo

Für Sprachkonstellationen, in denen verschiedene Sprachen oder Sprachvarietäten für unterschiedliche Lebensbereiche verwendet werden, wird in der Linguistik im Anschluss an CHARLES FERGUSON der Ausdruck Diglossie verwendet. Der Ausdruck wird in einem spezielleren Sinn benutzt als seine deutsche Übersetzung „Zweisprachigkeit“ und als der andere Terminus „Bilingualismus“.

Gegenwärtig ist zu beobachten, dass immer mehr Sprachen „aussterben“, einige Sprachforscher sehen sogar die Hälfte der noch existierenden Sprachen davon bedroht. Ca. 50 Sprachen sind derzeit nur noch einem einzigen Sprecher bekannt, werden also nicht mehr aktiv praktiziert. Die Sprachenvielfalt wurde in den vergangenen Jahrhunder-ten reduziert, besonders durch die Kolonialisierung.

Viele Sprachwissenschaftler und Ethnologen engagieren sich seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts für die Untersuchung und z.T. auch für den Erhalt von bedrohten Spra-chen. Die Sprachenvielfalt hat für sie wissenschaftlichen Wert, sie offenbart den Reich-tum an grammatischen und lexikalischen Formen. Gerade in den „kleinen“, gefährdeten Sprachen findet sich oft Überraschendes. Zum Beispiel gibt es im Kaukasus Sprachen, die deutlich mehr Kasusformen haben als die anderen: Das Lesgische liegt mit 18 Kasusfor-men an der unteren Grenze, das Tabasaranische hat sogar 47 Kasusformen. Diese Kasus-zahl hielten viele für das Maximum, tatsächlich gibt es aber eine Sprache mit 126 Kasus-formen.7 Ein Beispiel für ein aktuelles Forschungsvorhaben ist der „Weltatlas der Sprach-strukturen“, der zur Zeit am Max-Planck-Institut in Leipzig entsteht.

6 Angaben zu Sprecherzahlen und Vorkommen nach Crystal (1995) und Haarmann (1993, S. 30). 7 Die Erklärung für eine große Anzahl von Kasus ist, dass Kasusformen die Aufgaben übernehmen, die

Präpositionen im Deutschen innehaben.

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18 Grundlagen: 1 Sprache — Sprachen — Sprachgeschichte

Darüber hinaus ist der Spracherhalt eine politische Frage, er hängt von gesetzlichen und finanziellen Maßnahmen der Förderung und Aufrechterhaltung ab. Solche gezielte Beein-flussung heißt Sprachplanung, sie findet meist im Rahmen einer Sprachpolitik statt. Einige wenige Sprachen sind vollständig durch Sprachplanung entstanden; die bekann-teste ist das Esperanto, als europäische Verständigungssprache und moderne lingua franca gedacht.8

1.3 Sprachvergleich und Kontrastive Linguistik Grundsätzlich gilt: Alle Sprachen der Welt ‚arbeiten’ mit physikalisch-akustischen Mit-teln einerseits, die in einem spezifischen Verhältnis zu Bedeutungen andererseits stehen.9 In jeder Sprache geschieht erstens eine Materialisierung gedanklicher Einheiten durch physikalisch-akustische Mittel, also durch Laute, Töne, Intonation, Modulation der Stimme.10 In jeder Sprache wird zweitens die Gleichzeitigkeit gedanklicher Einheiten in ein Nacheinander umgesetzt. Die sprachlichen Mittel selbst und die Art der Verknüp-fung der Elemente unterscheiden sich von Sprache zu Sprache.

Die Unterschiede zwischen Sprachen, bezogen auf Lautstrukturen, Lexik und Syntax (Sprachbau), sind wichtig für verschiedene theoretische und praktisch-methodische Fra-gen:

– Welche Merkmale haben alle Sprachen gemeinsam (sog. Universalien)? – Welche Merkmale sind variabel, bis zu welchem Grad, mit welchen Extremen? – Mit welchen grundlegenden Kategorien im Bereich der Grammatik der Wortarten

kann man alle Sprachen beschreiben? – Wann kann man sagen, dass zwei Lexeme oder Strukturen aus zwei verschiedenen

Sprachen semantisch äquivalent sind? Fragen dieser Art werden auf verschiedene Weise von mehreren Disziplinen der Sprach-wissenschaft untersucht. Neben der Allgemeinen Sprachwissenschaft ist die Universa-lienforschung daran interessiert. Sie ist besonders darauf angewiesen, dass möglichst viele der existierenden Sprachen erforscht werden.

Die Kontrastive Linguistik befasst sich mit dem Sprachvergleich und geht einer abge-leiteten Frage genauer nach: Was lässt sich aus den Unterschieden bestimmter Sprachen für die Prozesse und Schwierigkeiten des Fremdspracherwerbs ableiten?

Manchmal ist auch von kontrastiver Grammatik, Kontrastivik, komparativer Lingu-istik o. Ä. die Rede. Ihre historische Wurzel ist die Vergleichende Philologie (Kap. 2). Die Kontrastive Linguistik gilt als angewandte Forschung. Sie stellt sich primär die Aufgabe, vorhandene Ähnlichkeiten und Unterschiede der Sprachen zu beschreiben. Wegen ihres Bezugs auf eine vorhandene, stark heterogene Lehr-Lern-Praxis sind die Themen und Methoden sehr vielfältig und von außerwissenschaftlichen Fakten und Interessen be-stimmt. Eine systematische Untersuchung aller Sprachen der Welt hinsichtlich ihrer Merkmale und Unterschiede – WILHELM VON HUMBOLDT propagierte sie – hat bisher noch nicht stattgefunden.

Spontan vergleichen alle Menschen, die eine fremde Sprache lernen, die Mutterspra-che und die Fremdsprache miteinander. Bei einem solchen ‚naiven’ Vergleich wird die

8 Zur Funktion einer (europäischen) „lingua franca“ vgl. Weinrich (2003). 9 Sprachvarianten wie die Gebärdensprache für Taubstumme sind abgeleitete Sonderformen. 10 Mit „Töne“ ist dabei etwas gemeint, was in der deutschen Sprache nur in einem sehr speziellen Bereich

auftritt, nämlich bei Interjektionen wie oh, ah, hm.

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1.4 Die Einteilung von Sprachen 19

Muttersprache zum Maßstab gemacht, die fremde in ihren Abweichungen davon be-trachtet. Ein Deutscher stellt dann z.B. fest, dass der russischen Sprache der Artikel „fehlt“. Ein russischer Deutschlerner mag sich umgekehrt wundern, wieso die deutsche Sprache grammatische Einheiten wie den Artikel hat, die man (= der russische Sprecher) nach seiner Erfahrung gar nicht braucht. Ein Linguist versucht, an solchen Differenzen einzelsprachliche oder auch übereinzelsprachliche Funktionen zu ermitteln, die mit diesem oder jenem Mittel realisiert werden können.

Linguistische Beobachtungen fließen ein in monolaterale, bilaterale und multilaterale Vergleiche. So unterscheidet man verschiedene Forschungsorientierungen, die für den Sprachvergleich wichtig sind: Konzentration auf eine Sprache (monolateral), Vergleich zweier Sprachen, wobei eine als Ausgangspunkt dient (bilateral), Vergleich mehrerer Sprachen (multilateral). Immer wieder ist dabei die Frage der Übersetzung oder Über-setzbarkeit bestimmter Ausdrücke oder grammatischer Mittel eine wichtige Motivation.

Als „Tertium comparationis“11, also als wesentlicher Bezugspunkt des Vergleichs, dienen nicht die einzelsprachlich verschiedenen formalen Eigenschaften, sondern vor allem die Funktionen der sprachlichen Elemente. Bei einem bilateralen oder multilate-ralen Vergleich ergibt sich ein Geflecht von Beziehungen zwischen den jeweiligen einzel-sprachlichen Formen und ihren Funktionen.

1.4 Die Einteilung von Sprachen Ausgehend von kontrastiven Beschreibungen sowie von sprachgeschichtlichen Doku-menten werden die Sprachen der Welt üblicherweise in verschiedene Gruppen eingeteilt, die untereinander bestimmte Merkmale gemeinsam haben. Der bekannteste Ausdruck für eine solche Sprachgruppe stammt aus der Sprachwissenschaft des 18. und 19. Jahr-hunderts: Sprachfamilie. Als anschauliches Bild wurde meist die Metapher des Baumes (Wurzeln, Stämme, Zweige) verwendet. Man nahm also an, dass zwischen bestimmten Sprachen eine Art genetische Verwandtschaft besteht. Heute spricht man von einer genealogischen Beziehung.

Die Feststellung der Zusammengehörigkeit für die einzelnen „Familien“, „Stämme“ oder „Zweige“ ist unterschiedlich gesichert. Zum einen gibt es Sprachen, deren Heraus-bildung aus einer gemeinsamen Grundsprache aufgrund vieler schriftlicher Belege nach-gewiesen werden kann. Dies gilt z.B. für die Entstehung der so genannten „romanischen“ Sprachen aus dem Lateinischen. In anderen Fällen ist eine gemeinsame Ursprache nicht lückenlos belegt, kann jedoch aufgrund vieler Indizien erschlossen werden. Dies gilt z.B. für die historisch angenommene Grundsprache „Indoeuropäisch“. Die dritte Art der Zusammenfassung zu einer „Familie“ ist eine eher lockere, geographisch begründete. Das ist beispielsweise bei den so genannten „Indianersprachen“ oder bei den afrikani-schen Sprachen der Fall. Häufig wird auch eine bestimmte Sprache in verschiedenen Klassifikationen unterschiedlich zugeordnet. So ist z.B. die Verwandtschaft von Finnisch und Ungarisch weniger offensichtlich als die von Finnisch und Estnisch; uralische und altaische Sprachen werden manchmal zusammengefasst, manchmal nicht. Abb. 2 enthält einige Beispiele für als gesichert geltende Sprachfamilien, um die Einteilung der Welt-sprachen in Sprachfamilien zu zeigen.

11 Wörtlich übersetzt: Drittes des Vergleichs.

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20 Grundlagen: 1 Sprache — Sprachen — Sprachgeschichte

Abb. 2: Verschiedene Sprachfamilien

Die Gruppe der indoeuropäischen Sprachen wird in Kap. 1.7 und Kap. 2 genauer dar-gestellt.

1.5 Sprachkontakt Der Begriff des Sprachkontakts liefert ein weiteres Stichwort für ein linguistisches The-ma, das ebenfalls mit der Verschiedenheit der Sprachen zu tun hat. Im „Linguistischen Wörterbuch“ von LEWANDOWSKI12 wird Sprachkontakt so erklärt:

„Sprachberührung oder gegenseitiges Aufeinanderwirken von Sprachen aufgrund kommu-nikativer Interaktionen von Sprechern unterschiedlicher Sprachen unter besonderen geo-graphischen, historisch-politischen, kulturellen und sozialen Gegebenheiten mit erkennba-ren Einflüssen von Sprachen aufeinander, die als Sprechgewohnheiten und u.U. bleibende Sprachveränderungen manifest werden.“ (Bd. 3, S. 1027)

Solche besonderen Gegebenheiten bestehen häufig in Grenzgebieten mit vielfältigen Kontakten der Bevölkerungen. Als frühes Beispiel kann man die Kontakte zwischen Römern und Germanen nennen, die in der Vorgeschichte der deutschen Sprache für eine Vielzahl lexikalischer Übernahmen aus dem Lateinischen in die deutsche Sprache gesorgt haben. Wörter wie Kopf (lat. caput), Fenster (lat. fenestra), Becher (lat. bicarius) oder Münze (lat. moneta) sind nur für Eingeweihte noch als ursprünglich lateinische zu erkennen.13 Wörter wie Keller, Wein und Kaiser haben mit der Übernahme politischer Praktiken und Kulturtechniken zu tun. Manche Wörter wurden in verschiedenen Phasen mehrfach entlehnt. Das lateinische Wort cellarium (Vorratskammer) wurde z.B. in der „ersten 12 Lewandowski, Theodor (1994). 13 Weitere Beispiele bietet Riehl (2004).

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1.5 Sprachkontakt 21

lateinischen Welle“ zu ahd. kellari, später Keller; in der „zweiten lateinischen Welle“, nach der Lautverschiebung (s.u.), wurde es noch einmal übernommen zu Zelle. In dieser Phase (frühes Mittelalter) war Latein besonders im christlichen Sprachgebrauch einflussreich. Darüber hinaus ist Latein bis in die heutige Zeit hinein wesentlich für die Terminologie der wissenschaftlichen Fächer.

Ein anderes Beispiel für Sprachkontakt: Bei den Sprachen der Balkanregion gibt es – obwohl keine Sprachfamilie vorliegt – so viele Ähnlichkeiten, dass man diese Sprach-gruppe als „Sprachbund“ bezeichnet. Solche Sprachbeziehungen werden aktuell genauer erforscht.

Verschiedene sprachliche Phänomene des Deutschen lassen sich durch Sprachkontakt erklären. Die typische Anfangsbetonung des Deutschen ist nach HAARMANN14 ein Reflex früher Kontakte von germanischen zu finnisch-ugrischen Sprachen im Ostseeraum; diese Sprachen haben durchgängig Anfangsbetonung (siehe unten). Abweichungen von dieser Grundregel gibt es wiederum im Deutschen, besonders auffällig bei Entlehnungen aus dem Französischen wie reparieren. Das Saarländische ((T24) ) bietet ein anderes Beispiel für französischen Einfluss auf den Wortschatz.

Die meisten Untersuchungen gibt es naturgemäß über solche Sprachen, zwischen de-nen Sprachkontakt besteht, denn bei deren Sprechern gibt es im Allgemeinen auch ein Interesse an Pflege und Ausbau der Beziehungen. Die Sprachkontaktforschung ergänzt die kontrastiven Untersuchungen, indem sie zeigt, wo und welche wechselseitigen Beein-flussungen von Sprachen stattgefunden haben und aktuell stattfinden. HARALD HAAR-MANN (1993) stellt das „Sprachengewirr“ in Europa in seinem Buch mit dem Untertitel „Geschichte und Zukunft der Sprachnationen zwischen Atlantik und Ural“ ausführlich dar.

Parallel zu dem oben beschriebenen Verschwinden von Sprachen in den ehemaligen Kolonialstaaten sind durch Sprachkontakt auch Sprachmischungen entstanden, von de-nen sich einige zu eigenen Sprachen verfestigt haben. Die Bevölkerung des kolonisierten Landes musste sich für den Handel und im amtlichen Verkehr der Kolonialsprache be-dienen, oft ohne sie in Schulen oder Sprachkursen lernen zu können. Das Ergebnis war zunächst eine in jeder Hinsicht stark reduzierte Verkehrssprache auf Basis der dominan-ten „Spendersprache“: Ein Teil von deren Wortschatz wurde lautlich angepasst an die Landessprache (indigene Sprache), auch ein Teil der Grammatik der europäischen Spra-che wurde adaptiert, d.h. oft stark vereinfacht und mit Elementen einer oder mehrerer lokaler Sprachen vermischt. Man nennt eine solche Mischsprache Pidgin oder Pidgin-sprache.15 Einige dieser Pidginsprachen wurden im Laufe der Zeit auf Kosten der ur-sprünglichen Muttersprachen in Wortschatz und Grammatik ausgebaut und teilweise oder ganz standardisiert, d.h. zu Amtssprachen erhoben (z.B. im westindischen Bereich). Man spricht dann von Kreolsprachen. Das ansonsten ungewöhnliche Aufgeben der Muttersprache ist daraus erklärbar, dass viele Sprecher aus ihren angestammten sozialen Zusammenhängen herausgerissen wurden. Die Weiterentwicklung eines Pidgins zu einer „vollwertigen“ Sprache, die auch in den Schulen gelehrt wird, zieht sich über einen größeren Zeitraum hin.

14 Haarmann (2001) Stichwort: Deutsch. 15 Der Ausdruck wird als eine chinesische ‚Verfremdung’ des englischen Wort business angesehen, vgl.

Adamzik (22004, 3f).

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22 Grundlagen: 1 Sprache — Sprachen — Sprachgeschichte

Ein frühes Beispiel für eine Pidginisierung und anschließende Entwicklung zu Kreol-sprachen bieten die romanischen Sprachen. Grundlage war das in den römischen Kolo-nien gesprochene Volkslatein der ersten Jahrhunderte n.Chr. Prozesse des Ausgleichs und der Assimilation dieses Lateins an germanische Gegebenheiten führten, kurz zusam-mengefasst, zu den später als Italienisch, Spanisch, Französisch etc. standardisierten Sprachen.16 Mit solchen Vorgängen beschäftigt sich außer der Sprachkontaktforschung und der Sprachgeschichtsforschung auch die Kreolistik.

1.6 Deutsch in Europa Das Deutsche ist nicht einfach die Sprache, die in Deutschland gesprochen wird, sondern es ist die Sprache von ca. 101 Millionen Menschen, teilweise außerhalb von Deutschland, und damit die „größte“ Sprache im westlichen Europa.17 Als Standardvarietät des Deut-schen gilt neben dem Deutschen und Österreichischen auch die Sprache der deutsch-sprachigen Schweiz. Einen amtlichen Status hat sie außer in diesen Ländern auch noch in Italien (Südtirol) und in Belgien. Ein Varianten-Wörterbuch ermöglicht den Vergleich und das Nachschlagen eines unbekannten Wortes wie „Paradeiser“ für Tomate, das in Teilen von Österreich in Gebrauch ist.18 Außerdem wird Deutsch von verschieden großen Minderheiten in ca. 14 europäischen Staaten gesprochen. Die folgende Tabelle nennt die wichtigsten Länder, deren Bevölkerung Deutsch als Primär- oder Zweitsprache spricht:

Tab. 2: Deutschsprachige Länder (Zahlen nach Haarmann 2000)

Deutschland 81,5 Mio. Sprecher Österreich 7,6 Mio. Schweiz 4,2 Mio. USA 1,2 Mio. Frankreich 1,2 Mio. (Elsass-Lothringen) Kasachstan 0,95 Mio. Russland 0,84 Mio. (vor allem in Sibirien) Luxemburg 0,37 Mio. Italien 0,28 Mio. (Südtirol) Ungarn 0,25 Mio. Tschechien 0,15 Mio.

Die regionale Verbreitung hat wiederum zu einer inneren Vielfalt und regionalen Diffe-renzierung der Sprache geführt, die sich vor allem im Wortschatz zeigt. Im „Wortatlas der deutschen Umgangssprache“ von JÜRGEN EICHHOFF werden Unterschiede in der Um-gangssprache aller Regionen in Deutschland und Österreich und darüber hinaus auch von Südtirol berücksichtigt. Schon innerhalb von Deutschland sind die sprachlichen Differenzen groß genug, dass ein Hamburger, ein Schwabe und ein Bayer sich gegen-seitig oft nur mühsam und unvollständig verstehen würden, wenn sie unverfälschten Dialekt miteinander sprechen würden. Das gilt noch mehr für das „Schwyzerdütsch“,

16 Vgl. dazu Schmidt (2000, S. 36 und 40). 17 Crystal (1995) spricht von 123 Mio. Sprechern des Deutschen, inkl. Deutsch als Zweitsprache. Kontinental

betrachtet, ist das Russische natürlich die Sprache mit den meisten Sprechern. Zum Vergleich können auch Zahlen für die englische Sprache herangezogen werden: ca. 570 Mio. sprechen Englisch, davon 337 als Primärsprache, die anderen als Zweitsprache.

18 Variantenwörterbuch des Deutschen (2004).