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Geschichte der Mathematik SS 2016, K. Baur

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Geschichte der Mathematik

SS 2016, K. Baur

I. Elemente der Algebra im antiken Babylon

II. Geometrische Algebra im antiken Griechenland

III. Symbole und Variablen

IV. Algebra im Mittelalter in Arabien und in Europa

V. Erste Errungenschaften der Algebra in Europa

VI. Algebra im 17. und 18. Jahrhundert

VII. Die Theorie der algebraischen Gleichungen im 19. JH.

VIII. Zahlentheorie & die Anfänge der kommutativen Algebra

IX. Lineare und nicht kommutative Algebra

1

I. Elemente der Algebra im antiken Babylon

(Mesopotamien)

2

Mesopotamien

3

Mesopotamien, 2 !  Hammurapi (König

1792-1750): Gesetze

!  Schrift: seit 4. Jahrtausend v. Chr.

!  Tontafeln mit Zahlen, ev. Piktogramme: Tempel der Göttin Inana (Uruk) & ältestes Bsp Schulmathematik (Tafel W 19408,78)

4

Zahlsystem !  Auf Tafeln: 1 grosse Einheit = 60 kleine Einheiten

!  Mesopotamien: Sexagesimal- (Hexagesimalsystem).

!  Warum? Astronomie? Teilbarkeit?

5

Weitere Systeme !  Wie zählen?

!  60er, 20er, 10er Systeme

6

Babylonische numerische Algebra

!  Elemente der Algebra: begründet 2 JT v. Chr.

!  Quelle: Tontafeln (entdeckt im 19. JH)

!  Übersetzung der Tontafeln schwierig

!  Methode: Stein von Rosette

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8

•  ab ca. 1929 entschlüsselt.

•  O. Neugebauer (1899, Innsbruck, 1990 Princeton)

•  Buchbesprechung zum Papyrus Rhind (1550 v.Chr.)

Stein von Rosette (Hieroglyphen, Demotisch, Altgriechisch)

Mathematische Tafeln:

!  2 Arten von math. Tafeln: Tabellentexte und Aufgabentexte

!  Tabellentexte: Multiplikationstafeln, Tabellen mit Quadratzahlen, Kubikzahlen, etc.

!  Aufgabentexte: Aufgaben und Lösungen dazu

!  Altbabylonische Tafeln (Hammurapi-Dynastie) und Seleukidische (3.-2. JH v.Chr.)

Seleukidenreich

9

Mathematische Tafeln

!  Quadratische Gleichungen, 2. JT v. Chr.

!  Basis 60 Stellenhaltersystem

!  Zwei Symbole verwendet: Keile, horizontal/vertikal

!  3,42,09

!  vertikaler Keil: 1 horizontaler Keil: 10

10

Stellensystem !  Symbol für 0: keines. Manchmal Platz ausgelassen.

!  Ende der Zahl: nicht eindeutig.

!  3,42 wo hören die Stellen auf ?

!  “3,42 Sechzig” für 3 × 60 + 42 × 1

!  “3,42 sechsunddreissig Hundert”: 3 × 602 + 42 × 60

!  Basis 60: riesige Multiplikationstafel!

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Multiplikationstafeln

!  Multiplikationstafeln sehr gross:

!  1 × 9, 2 × 9, … , 20 × 9. 30 × 9, 40 × 9, 50 × 9

!  Damit 34 × 9 = 36 + 4,30 = 5,06

!  Multiplikation von 2 oder 3stelligen Zahlen?

!  Mult.-tafeln (1,15 – 3,45 – 44,26,40) – reguläre Zahlen

!  regulär: Kehrwert ist endlicher Bruch im 60er System

12

2  30 16 3,45 48 1,15

3 20 25 2,25 1,04 56,15

10  6 40 1,30 1,21 44,26,40

Kehrwertspaare

13

Aufgaben

!  Aufgabentypen auf den Keilschrifttafeln, heutige Notation:

{ (1)

{ (2)

(3)

x ± y = axy = b

x ± y =a

x2 + y2 = b

ax2 ± by2 = c

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Beispiel

!  « Ein Faktor und sein Inverses 2;30 »

!  In unserer Notation: { (4)

!  Hier ist x der « Faktor », y das « Inverse »,

!  a= 2;30 ist gegeben

!  In Dezimalzahlen: a=2.5

x + y = axy =1

15

Lösungsweg Faktor und Inverses 2;30

1. Mit 0;30 multipliziere: 1;15

2. Multipliziere 1;15 mit 1;15: 1;33,45

3. 1 subtrahiere davon: 0;33;45

4. was muss man mit was multi-plizieren, um 0;33,45 zu erhalten? 0;45

5. 0;45 zu 1;15 addiere: 2-Faktor

6. 0;45 von 1;15 subtrahiere: 0;30-Inverses

x + y = 2.5xy =1

x + y = axy =1

2.5 ⋅ 12=1.25

1.25 ⋅1.25=1.5625 a2⋅a2= (a2)2

a2

(a2)2 − b

(a2)2 − b0.5625 = 0.75

1.5625−1= 0.5625

1.25+ 0.75= 2[= x]

1.25− 0.75= 0.5[= y]

a2+ (a

2)2 − b = x

a2− (a

2)2 − b = y

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Lösungsweg, übersetzt

!  System (4) ist äquivalent zur Gleichung –z2+az-b=0

!  Letzteres algebraisch umformen zu z2-B=0

!  1. Lösungsansatz: x=y=a/2. Dann x=a/2+t, y=a/2-t mit xy=(a/2)2-t2=b, d.h. man bestimmt t2=(a/2)2-b.

!  Damit wohl bekannt: (a+b)(a-b)=a2-b2

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Zweites Beispiel

!  « Length, width. Length and width I multiplied and obtained area. Then I added the excess of length over width to the area: I got 3,3. Then I added length and width: 27. One asks: length, width and area »

!  In heutiger mathematischer Schreibweise:

!  mit a=183 und b=27

xy+(x − y) = a

x +y = b{ (5)

18

xy+(x − y) = a x +y = b

!  für a=183 und b=27

!  Lösungsbeschrieb im Text: „You will do thus“:

!  Dann kommt die Lösung zum System

27+3,3= 3,302+27 = 29

uv = 3,30u+v = 29{ (6)

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Zusammenhang (5), (6)?

!  Substitution x mit u und y mit v-2 liefert (6) aus (5)

!  Berechnung liefert x=u=15, y=v-2=14-2=12

!  Also bekannt: algebraische Operationen, Substitutionen, Lösungen für quadratische Gleichungen.

!  Formeln wie (a+b)(a-b)=a2-b2 benutzt beim Lösen, aber nicht allgemein als Formel bekannt.

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Unbestimmte Gleichungen

!  Pythagoräische Tripel

!  Gleichungen wie u2+v2=2w2

!  Geometrisch: Trapez mit S1=S2,

!  Also h1/h2=(w+v)/(u+w)

!  S1+S2=S liefert h1/h2=(u-w)/(w-v) und beide zusammen die Gleichung

w

u

vS2

S1

C

N

BA

M

D

h1

h2

21

22

In a scribal school in Larsa [Mesopotamia] some 3800 years ago, a teacher is trying to develop mathematics problems to assign to his students so they can practice the ideas just introduced on the relationship among the sides of a right triangle. The teacher not only wants the computations to be difficult enough to show him who really understands the material but also wants the answers to come out as whole numbers so the students will not be frustrated. After playing for several hours with the few triples (a, b, c) of numbers he knows that satisfy a2 + b2 = c2, a new idea occurs to him. With a few deft strokes of his stylus, he quickly does some calculations on a moist clay tablet and convinces himself that he has discovered how to generate as many of these triples as necessary. After organizing his thoughts a bit longer, he takes a fresh tablet and carefully records a table listing not only 15 such triples but also a brief indication of some of the preliminary calculations. He does not, however, record the details of his new method. Those will be saved for his lecture to his colleagues. They will then be forced to acknowledge his abilities, and his reputation as one of the best teachers of mathematics will spread throughout the entire kingdom.

Ursprung von algebraischen Aufgabenstellungen

!  Geometrie motivierte die Problemstellungen von unbestimmten Gleichungen

!  Ursprung der Aufgaben, die zu quadratischen Gleichungen führen?

!  Inverse Probleme?

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Ägypten !  Hauptquellen: Papyrus Rhind, Moskauer Papyrus

!  Schreibschulen

!  Architektur

!  Hierogplyphen:10er und Zeichen für 10er Potenzen

!  Hieratisch: Ziffernsystem

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Ägypten, Forts. !  Multiplikationen, Verdoppelung, Division

!  Geometrie (Kreis, Oberfläche Halbkugel, Volumen Pyramide)

“If someone says to you: a truncated pyramid of 6 for the height by 4 on the base by 2 on the top, you are to square this 4; the result is 16. You are to double 4; the result is 8. You are to square this 2; the result is 4. You are to add the 16 and the 8 and the 4; the result is 28. You are to take 1/3 of 6; the result is 2. You are to take 28 two times; the result is 56. Behold, the volume is 56. You will find that this is correct.”

25

Rückblick !  Tafeln (und Papyri) mit mathematischen Inhalten

enthalten v.a. Unterrichtsmaterial.

!  Was hiess lernen?

!  Erklärungen zu Algorithmen: mündlich überliefert?

!  Quadratwurzeln?

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Aufgaben ([K]) !  375 und 4856 in babylonischer Keilschrift;

!  7/5 13/15 11/24 33/50 im 60er System;

!  0;22,30 0;08,06 0;04,10 0;05,33,20 in gewöhnlichen Brüche;

!  Kehrwerte zu 18,32,54 und zu 1,04 - wann ist eine Zahl regulär?

!  25×1,04 18×1,21 und 50/18 1,21/32 (alles im 60er System, Kehrwerte benutzen bei Division)

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Aufgabe aus Tafeln ([K])

!  30 „Eines von 2 Feldern liefert 2/3 Sila pro Sar. Das zweite ½ Sila pro Sar. Die Summe der Ernten der beiden Felder ist 1100 Sila, die Differenz der Flächen der beiden Feldern ist 600 Sar. Wie gross ist jedes Feld?“ (aus VAT 8391)

!  38 „Gegeben ein Kreis mit Umfang 60, eine Sehne der Länge 12, was ist die rechtwinklige Distanz von der Sehne zum Umfang?“ (Tafel BM 85194)

!  31 & 39

28

II. « Geometrische Algebra » im antiken

Griechenland

29

30

Hin zu abstrakt, deduktiv

!  5.-2. JH v.Chr.: klassische griechische Mathematik

!  Propositionen mit Beweisen

!  Abstrakte Objekte: Punkte („ohne Dimension“), Geraden („mit Länge, ohne Breite“), etc.

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Rolle von Beweisen

!  (1) Wahrheit einer Aussage (Proposition) etablieren

(Axiomensysteme)

!  (2) Zusammenhänge zwischen Propositionen aufzeigen

„Zu wissen, was ist und zu wissen, warum etwas ist, sind zwei verschiedene Arten von Wissen“ „Die, die Erfahrung haben, kennen das `Was‘, aber nicht das `Warum‘, während die, die eine Kunst meistern, das `Warum‘ kennen, d.h. den Grund.“ (Aristoteles 1,2)

Zwei Beispiele (nächste Seite)

32

Rolle von Beweisen, Forts.

Satz: Die Summe der Winkel in einem Dreieck ist gleich zwei rechten Winkeln.

Satz: Ein äusserer Winkel in einem Dreieck ist grösser als ein nicht anliegender innerer Winkel.

!  (3) Entdeckung neuer Propositionen

Hier als Beispiel: Die Entdeckung der Unvergleichbarkeit von Länge und Diagonale eines Quadrates.

33

Wandlung des math. Wissens

!  Gründe für diese fundamentale Transformation des Systems des mathematischen Wissens: wird hier nicht behandelt.

!  Was man sagen kann: diese Wandlung ging einher mit einer allgemeinen Veränderung im kulturellen und politischen Leben in Griechenland.

34

Beginn der Abstraktion

!  Wo, wann?

!  Thales von Milet (624-547 v.Chr.)

!  Hippokrates

von Chios (470-410 v.Chr.)

35

Pythagoräische Schule

!  Pythagoras (572-497 v.Chr.)

!  Schule: 6. JH v.Chr. bis einige Jahrzehnte nach dem Tod von Pytagoras

!  Legenden

!  4 Standbeine: Arithmetik, Geometrie, Harmonielehre, Astronomie

36

Arithmetik !  Zahl: eine Sammlung von Einheiten

!  gerade, ungerade Zahlen. Teilbarkeit

!  Perfekte Zahlen

!  Verhältnisse von positiven Zahlen

37

Arithmetik, Forts.

!  Verhältnisse von Strecken via Zahlen?

!  Pythagoras: Verhältnisse von zwei konsonanten Intervallen sind einfache Zahlverhältnisse, 1:2 (Oktave), 2:3 (Quinte), 3:4 (Quarte).

!  „Alles ist Zahl“

!  Diagonale im Quadrat, Unvergleichbarkeit

38

Arithmetik "# Geometrie

„Alle nämlich beginnen, wie gesagt, mit der Verwunderung, dass die Dinge so sind, wie sie sind, wie zum Beispiel angesichts sich selbst bewegender Marionetten, der Sonnenwende oder der Inkommensurabilität der Diagonale. Bei letzterem Problem scheint es etwa allen verwunderlich, die noch nicht 'die Ursache' betrachtet haben, dass es etwas gibt, das nicht mit dem kleinsten Mass gemessen werden kann.“

(Aristoteles, Metaphysik 983a)

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Geometrische Algebra !  Ende 5.JH v.Chr.: Algebra mit Geometrie umgeben

!  Arithmetische Operationen in geometrische Sprache

!  Quellen: hellenistische Periode (3.-1. JH v.Chr.)

!  Alexandrien: Zentrum des Wissens.

!  Museion, Bibliothek

!  Archimedes, Apollonius, Eratosthenes, Hipparchus.

40

41

Propositionen

!  Euklids Elemente: Grundlagen und Propositionen: Bücher II, auch VI, XIII, etwa Proposition 1, Buch II

„Hat man zwei Geraden und wird eine in eine beliebige Anzahl Strecken geteilt, so ist das Rechteck, das in den zwei Geraden enthalten ist gleich den Rechtecken, die in der ungeteilten Gerade und jedem der Strecken enthalten sind.“

42

a1 a2 a3

b

a

Beweise algebraischer Identitäten

!  Längen a, b: beliebig

!  (*)

43

a2

b2ab

aba

b A C B D

A′ C ′ B′ F

D′H

ab = (a+ b2)2 − (a− b

2)2

(a+ b)2 = a2 + 2ab+ b2

Quadratische Gleichungen

!  x2=ab

!  x(a-x)=S1 elliptischer Aufgabentyp

!  x(a+x)=S2 hyperbolischer Aufgabentyp

44

S1 S2

A C B CBA

Lösungsansatz

A B0 Γ

a+b2

a−b2

45

Strecke AB der Länge a+b, Mittelpunkt O, Kreis mir Radius AO, Senkrechte am Punkt � mit A�=a. �sei der Schnittpunkt mit dem Halbkreis. Seiten im rechtwinkligen Dreieck: (a+b)/2 bzw. (a-b)/2. (und Formel (*))

Art von Problemstellungen?

!  Zirkel und Lineal Konstruktionen zur Lösung

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a5 = R52−

52

Irrationalitäten

!  Klassifikation von quadratischen Irrationalitäten

!  „Das Ungerade wäre gleich dem Geraden“:

Es sei √2= m/n, m und n nicht beide gerade, dann ist 2n=m, etc.

!  Die Zahlen 3,5,6,...,15 sind unvergleichbar mit der Seitenlänge eines Einheitsquadrates.

!  Ist N ≠ �2 (� ganze Zahl), so ist √N nicht rational.

!  Klassen von quadratischen Irrationalitäten.

47

Erste unlösbare Probleme

!  Verdoppelung des Würfels

!  Dreiteilung des Winkels

!  Quadratur des Kreise

„Man konstruiere einen Würfel dessen Volumen doppelt so gross ist wie das Volumen eines gegebenen Würfels“ (Delisches Problem)

!  Koniken (Kegelschnitte)

48

Dreiteilung des Winkels

!  „neusis“-Konstruktion (Einschiebelineal)

49

OB

A

D

C

α

α = 3β

ββ

R

Quadratur des Kreises, Polygone

!  Hippokrates (Möndchen)

!  Reguläre Polygone: Konstruktion? n=3,4,5 (und Vielfache davon, durch Halbieren)

50

B

AO

D

Kubische Gleichungen !  Kugelsegmente: V1:V2=m:n mit m>n

!  Lösung: Schnittpunkte Parabel und Hyperbel

51

Lösen kubischer Gleichungen

!  Nullstellen von kubischen Gleichungen: mittels Schnittpunkten von Parabeln und Hyperbeln.

!  Keine Radikale vom dritten Grad (höheren Grad)

52

Unbestimmte Gleichungen

! 

! 

Frühe Lösungen

wobei a ungerade ist. Bsp: (3,4,5)

Plato (mit a gerade):

53

x = a z = a2+12

x2 + y2 = z2

y2 − ax2 = ±1 a ≠α 2mit

x = a y = ( a2 )2 −1 z = ( a2 )

2 +1

y = a2−12

Aufgaben ([K]) Auswahl von Aufgaben

!  Kapitel 2: 5 (Abstandmessung Schiff-Ufer), 7 (Bestimmung der Höhe einer Pyramide), 9 (Quadratzahl als Summe von Dreieckszahlen)

!  Kapitel 3: 7 (Rechteck gegebener Fläche und Seite),12 (Durchmesser und Sehne im Kreis), 14 (Satz von Thales)

!  Kapitel 4: 2 (Hebel und Gewichte)

54

III. Symbole und Variablen « literal algebra » - Buchstaben-Algebra

55

56

Richtungswechsel !  Satz von Heron

!  Claudius Ptolemäus (Almagest): Verhältnisse von Grössen werden als Zahlen aufgefasst.

!  Diophant von Alexandrien: Algebra und diophantische Analysis

57

S = p(p− a)(p− b)(p− c)

Epigramm

„Hier dies Grabmal deckt Diophant. Schauet des Wunder! Durch des Entschlafenen Kunst lehret sein Alter der Stein. Knabe zu sein, gewährt im Gott ein Sechstel des Lebens. Noch ein Zwölfte dazu, spross auf der Wange der Bart. Dazu ein Siebentel noch, da schloss er den Bund der Ehe. Nach fünf Jahren entspross der Verbindung ein Sohn. Wehe, das vielgeliebte Kind, die Hälfte der Jahre Hatt' es des Vaters erreicht, als dem Schicksal erlag. Darauf vier Jahre hin durch Betrachtung der Zahlen den Kummer. Von sich scheuchend, kam auch er an das irdische Ziel.“

58

Arithmetica !  13 Bände, 10 davon erhalten.

!  1. Band enthält eine Einführung mit den Grundlagen der Algebra (Bsp Körper der rationalen Zahlen)

!  Axiomatische Einführung von Q, negative:

!  Beispiel (III8)

!  Beispiel (IV14)

!  Regel

59

x2 + 4x +1 x2 + 2x − 6−(2x + 7) =

−(−a) = a

−(90−15x2 )54 =15x2 −36

Variable(n), Potenzen

60

61

„Alle Zahlen sind zusammengesetzt aus Vielfachen von Einheiten. Darunter:

Quadrate, die gebildet werden, wenn eine Zahl mit sich selbst multipliziert wird. Die Zahl heisst dann die Seite des Quadrates.

Kuben, die gebildet werden, wenn Quadrate mit ihren Seiten multipliziert werden.

Quadrat-Quadrate, die gebildet werden, wenn Quadrate mit sich selbst multipliziert werden.

Quadrat-Kuben, die gebildet werden, wenn Quadrate mit Kuben zur gleichen Seite multipliziert werden.

Kubus-Kuben, die gebildet werden, wenn Kuben mit sich selbst multipliziert werden.“

Notationen

62

x6x4!  { , , , , , }= { , , , , , }

!  die Unbekannte ( )

!  Nullte Potenz der Unbekannten:

!  Negative Potenzen: im Exponenten �am Ende.

!  Bsp ist

x x2 x3 x5

x

x−2

ΔνΔ

Δνχ

Δν ΚΔνΚνς ΚνΚ

ς

Μο

Multiplikation, Regeln !  Multiplikationstabelle

(für )

! 

!  Gleichheit `�'� . � für ein unbestimmtes Quadrat

!  Skalare: =1 =2 =5 =10

63

xnxm = xn+m

xn ⋅1= xn xmx−m =1

−6 ≤m+ n ≤ 6

α__

β__

ι__

ε__

Umwandlung von Gleichungen

!  Regel 1: Verschiebung von Termen auf andere Seite von = (Vorzeichenwechsel), al-muqabala (balancieren)

!  Regel 2: Reduktion von ähnlichen Termen auf beiden Seiten, al-jabr (Reduktion)

!  Substitionsregel: implizit

64

Reichweite der Notation !  Beispiel (Problem II8): x2+y2=a2

!  Ansatz: rechte Seite = konkrete Zahl (16). Linke Seite: x als Unbekannte t, y als „Anzahl von t‘s minus soviele Vielfache der Einheit wie die Seite des Quadrates 16 enthält“

!  Damit:

!  Lösung:

!  „Ein Quadrat hat viele Zerlegungen in 2 Quadrate“

65

t2 + (2t − 4)2 =16

x = t =16 5 y = 2t − 4 =12 5

Beispiel !  Problem VI8 lässt sich so als System schreiben:

!  Hier wählt Diophant mit

!  Damit und

!  Da �=2 ist, ist , also nicht rational.

!  Rationale Lösung? Untersucht Ausdruck für

!  Findet: �

66

x13 + x2 = y

3 x1 + x2 = y

x2 = t x1 = βt β = 2

y = (β +1)t t2 = 1(β +1)3 −β 3

t2 =1/19 t

t2

(β +1)3 −β 3 =

Beispiel, Forts.

!  Nun nimmt man als neue Unbekannte

!  Gleichung �

!  Damit

!  Der Parameter muss also von der obigen Form sein

!  Diophant wählt und erhält

(und kehrt mit diesem Wert zur Aufgabe zurück).

67

β = τ

3τ 2 +3τ +1=

τ =3+ 2λλ 2 −3

β

λ = 2 β = 7

Übersicht

!  Rolle von Zahlen: konkret oder als Parameter

!  Diophant führte Aufgabenstellungen (bestimmt, unbestimmt) auf Gleichungen zurück.

!  Analog wie später Descartes für Geometrie: Diophant für Arithmetik: algebraische Gleichungen.

!  Umformungen von Gleichungen.

68

Satz (Diophant) !  Problem: Finde rationale Lösungen der quadratischen

Gleichung

!  Satz: Hat diese Gleichung eine rationale Lösung (x0,y0) dann hat sie unendlich viele Lösungen (x,y) und x,y sind rationale Funktionen eines einzelnen Parameters:

!  Lösungsansatz: quadratische Gleichungen

(mit a,b,c in Q )

69

F2 (x, y) = 0

x =ϕ(k) y =ψ(k)

y2 = ax2 + bx + c

Lösungsweg !  Ansatz:

!  Rationale Lösungen: und

!  Substitution

!  Lösungen:

!  Auch Fall, wo nicht ein Quadrat ist.

70

c =m2

(0,m) (0,−m)

y = kx ±m

x = b± 2kmk2 − a

y = b ∓ 2kmk2 − a

±m

c

Algebra nach Diophant !  Niedergang der antiken Gesellschaft in Alexandrien

!  Vertreibung der Wissenschaftler nach Athen

!  Dann von Athen nach Persien

!  Weitere Entwicklung im arabischen Raum (Übersetzung von Arithmetica ins Arabische)

71

Aufgaben aus [K] !  14 (S. 191): Problem D12 von Diophant: Man dividiere

ein Quadrat in zwei Teile, so dass, wenn je eines von ihnen vom Quadrat abgezogen wird, ein Quadrat übrig bleibt. (Lösung folgt direkt aus II8)

!  Problem I5: Teile eine gegebene Zahl in zwei Zahlen so, dass gegebene (verschiedene) Anteile von beiden zu einer gegebenen Zahl summieren. (S. 178). Gegeben mit : man finde mit und . Man arbeite mit .

!  Problem II11 auf Seiten 180/181 in [K]

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a,b, r, s r < su,v u+ v = a 1

ru+ 1

sv = b

a =100,b = 30, r = 3, s = 5

Literatur:

I. Bashmakova, G. Smirnova, The Beginnings & Evolution of Algebra Dolciani Mathematical Expositions, 23, The Mathematical Association of America, 2000

V. J. Katz, A History of Mathematics. An Introduction, 3rd Edition, Addison-Wesley, 2008

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