Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere · Ärzte der Welt e. V. – Doctors of the World...

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Arbeitspapier der Bundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität Aktuelle Herausforderungen und Lösungsansätze April 2017 Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere

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Arbeitspapier der Bundesarbeitsgruppe GesundheitIllegalitaumlt

Aktuelle Herausforderungen und Loumlsungsansaumltze

April 2017

Gesundheitsversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere

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Inhaltsverzeichnis

3 1 Einleitung Dringlicher Handlungsbedarf fuumlr Menschen ohne Papiere

4 2 Rechtliche Ausgangslage Faktische Einschraumlnkungen des Rechts auf Gesundheit

5 3 Humanitaumlre Problembeschreibung Strukturell bedingte medizinische Unterversorgung

6 4 Uumlberblick Loumlsungsansaumltze Bundesweite Loumlsung oder lokale bdquoFlickenteppicheldquo

10 5 Resuumlmee und Ausblick Bundesweite Sicher stellung einer bedarfs gerechten Versorgung fuumlr Menschen ohne Papiere

11 Literatur und weiterfuumlhrende Links

Unterzeichnende Organisationen und Personen

Aumlrzte der Welt e V ndash Doctors of the World Germany

Deutsche AIDS-Hilfe e V

Deutsches Institut fuumlr Menschenrechte

Diakonie Deutschland

Gesundheit fuumlr Gefluumlchtete Kampagne von Medi buumlrosMedinetzen

IBIS Interkulturelle Arbeitsstelle e V Medizinische Fluumlchtlingshilfe Oldenburg

Jesuiten-Fluumlchtlingsdienst Deutschland

Katholisches Forum Leben in der Illegalitaumlt

Medibuumlro Berlin ndash Netzwerk fuumlr das Recht auf Gesundheitsversorgung aller Migrantinnen

MediNetz Bremen

Medinetz Essen e V

Medinetz Hannover e V

Medinetz Hamburg e V

Medinetz Mainz e V

Medinetz Marburg e V

MediNetzBonn e V

Medinetz Rostock e V

Medinetz Ulm e V

Medizinische Fluumlchtlingshilfe bzw das MediNetz Bielefeld

Dr Thomas Buhk Facharzt fuumlr Innere Medizin Infektio-loge ICH Hamburg

Dr med Ulrich Clever Menschenrechtsbeauftragter der Bundesaumlrztekammer

Prof Dr Christoph Heintze MA MPH Charite ndash Univer-sitaumltsmedizin Berlin Institut fuumlr Allgemeinmedizin

Dr Gerd Pflaumer

Peggy Ziethen

Dieses Papier wurde fuumlr die BAG GesundheitIllegalitaumlt von folgenden Mitgliedern im Rahmen einer Arbeitsgruppe erstellt und in der Gesamtgruppe abgestimmt

Mirjam Schuumllle M Sc PH MediNetz BielefeldKampagne Gesundheit fuumlr Gefluumlchtete

Dr med Anna Kuumlhne MPH Medibuumlro Berlin ndash Netzwerk fuumlr das Recht auf Gesundheits-versorgung aller Migrantinnen

Dr med Thea Jordan

Marleen Jacobs Kampagne Gesundheit fuumlr Gefluumlchtete

Dr med Anja Dieterich MPH Diakonie Deutschland

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Ich werde mich bei der Erfuumlllung meiner aumlrztlichen Pflichten meiner Patientin oder meinem Patienten gegenuumlber nicht durch Alter Krankheit oder Behinderung Glaube ethnische Herkunft Geschlecht Staatsangehoumlrigkeit politische Zugehoumlrigkeit Rasse sexu-elle Orientierung soziale Stellung oder durch andere Faktoren beeinflussen lassen Genfer Geloumlbnis ndash in Anlehnung an den Hippokratischen Eid vom Weltaumlrztebund 1948 beschlossene Neufassung der aumlrztliche Berufspflichten

1 Einleitung Dringlicher Handlungsbedarf fuumlr Menschen ohne Papiere

Das deutsche Grundgesetz mit seinem Bekenntnis zu unver-letzlichen und unveraumluszligerlichen Menschenrechten verpflichtet Staat und Gesellschaft einen ungehinderten Zugang zu einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung fuumlr die gesamte Bevoumllkerung sicherzustellen einschlieszliglich sozialer Gruppen in besonders prekaumlren Lebenslagen

Fuumlr Menschen ohne Papiere ist dieser ungehinderte Zugang zu medizinischer Versorgung de facto nicht gewaumlhrleistet Ins-besondere ist die Finanzierung ihrer Gesundheitsversorgung ungesichert Bei Inanspruchnahme von Sozialleistungen dro-hen die Meldung an die Auslaumlnderbehoumlrde und die Abschie-bung Der Staat wird diesen Personen gegenuumlber seiner Pflicht nicht gerecht mit aktiven Maszlignahmen sicherzustellen dass alle Menschen sanktionslos von ihren grundlegenden Rech-ten insbesondere dem Menschenrecht auf Gesundheit Gebrauch machen koumlnnen

Vor diesem Hintergrund ist im Maumlrz 2006 die Bundesarbeits-gruppe GesundheitIllegalitaumlt (BAG) ins Leben gerufen worden In ihr haben sich Sachverstaumlndige aus der Wissenschaft der medizinischen Praxis aus Kirchen Wohlfahrtsverbaumlnden Kom-munen und nichtstaatlichen Organisationen zusammen gefunden Die BAG hat sich zur Aufgabe gemacht in der Oumlffentlichkeit und in der politischen Diskussion fuumlr einen diskriminierungs-freien Zugang zum Gesundheitssystem im Umfang des Leis-tungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V) fuumlr Menschen ohne Papiere einzutreten

Dieses Anliegen und das zugrundeliegende humanitaumlre Prob-lem sind nicht neu Bereits vor zehn Jahren hat die BAG Gesund-heitIllegalitaumlt hier dringlichen Handlungsbedarf gesehen und im Jahr 2007 in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut fuumlr Menschenrechte mit dem Bericht bdquoFrauen Maumlnner und Kin-der ohne Papiere in Deutschland ndash Ihr Recht auf Gesundheitldquo eine Problembeschreibung und moumlgliche Loumlsungsansaumltze for-muliert und oumlffentlich diskutiert1

Seither sind in einigen wenigen Lebensbereichen der Betroffenen rechtliche und strukturelle Aumlnderungen vorgenommen worden die es Menschen ohne Papiere etwas erleichtern ihr Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu verwirklichen In einigen Regionen gab es erste positive Veraumlnderungen in Bezug auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung Im Bildungs bereich fuumlhrte die Aufhebung der Uumlbermittlungspflicht fuumlr Schulen und Erziehungseinrichtun gen zu einer substantiellen Verbesserung der Lebenssituation von Menschen ohne Papiere Letzteres laumlsst hof-fen dass per spektivisch auch im Gesundheitsbereich Aumlhnliches erreicht werden kann Insgesamt hat der gesellschafts politische Diskurs um Menschen ohne Papiere in den letz ten Jahren zuge-nommen nicht zuletzt weil sich zivilgesell schaftliche Initiativen Wohlfahrts- und Fachverbaumlnde die Politik die Wissenschaft und die Medien des Themas verstaumlrkt angenommen haben

Trotz dieser partiell positiven Entwicklungen ist es fuumlr Men-schen ohne Papiere in Deutschland weiterhin schwierig ihren Rechtsanspruch auf Zugang zur Gesundheitsversorgung umzu-setzen Die faktischen Einschraumlnkungen des Rechts reichen dabei von eklatanten Defiziten in der ambulanten Versorgung bis zur Verweigerung von stationaumlrer und Notfallversorgung aus Kostengruumlnden Die in 2007 identifizierte bdquostrukturell bedingte medizinische Unterversorgungldquo hat also nach wie vor Bestand In der Fachoumlffentlichkeit wird weiterhin dringlicher Handlungs-bedarf gesehen Die aktuell vorgenommenen Restriktionen der Asylgesetze werden aller Voraussicht nach zu einer weiteren Zunahme von Menschen ohne Papiere in Deutschland fuumlhren

Vor diesem Hintergrund nimmt die BAG GesundheitIllegalitaumlt mit dem vorliegenden Arbeitspapier eine aktualisierte Bestands-aufnahme der rechtlichen Ausgangslage (Kap 2) des vorlie-genden humanitaumlren Problems (Kap 3) und moumlglicher Loumlsungs-ansaumltze (Kap 4) vor

1 httpwwwinstitut-fuer-menschenrechtedepublikationenshowfrauen-maenner-und-kinder-ohne-papiere-in-deutschland-ihr-recht-auf-gesundheit

Auch in Deutschland leben Menschen die keinen oder einen erschwerten Zugang zum Gesundheitssystem haben Betrof-fen sind Menschen ohne Papiere aber auch Deutsche ohne Krankenversicherung Asylsuchende und in zunehmendem Maszlige EU-Buumlrgerinnen die keinen Krankenversicherungs-schutz nachweisen koumlnnen Diese Menschen werden im Moment unvollstaumlndig ndash und meist unentgeltlich ndash in huma-nitaumlren Parallelstrukturen zum Gesundheitssystem versorgt obwohl sie uumlber rechtliche Leistungsanspruumlche verfuumlgen Die BAG GesundheitIllegalitaumlt konzentriert sich in diesem Arbeitspapier insbesondere auf die Problemstellungen und Loumlsungsansaumltze fuumlr Menschen ohne Papiere Von den vor-geschlagenen Maszlignahmen wuumlrden alle genannten Perso-nengruppen profitieren Ziel muss es sein den Zugang zur medizinischen Versorgung fuumlr alle Menschen in Deutschland zu verbessern ndash ohne Ruumlcksicht auf ihren Aufenthaltsstatus oder ihr Einkommen

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Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf das fuumlr ihn erreichbare Houmlchstmaszlig an koumlrperlicher und geistiger Gesund-heit an Die von den Vertragsstaaten zu unternehmenden Schritte zur vollen Verwirklichung dieses Rechts umfassen die erfor-derlichen Maszlignahmen (hellip) zur Schaffung der Voraussetzungen die fuumlr jedermann im Krankheitsfall den Genuss medizinischer Einrichtungen und aumlrztlicher Betreuung sicherstellen Artikel 12 UN-Sozialpakt

2 Rechtliche Ausgangslage Faktische Einschraumlnkungen des Rechts auf Gesundheit

Die Bundesrepublik Deutschland hat eine Vielzahl internatio-naler Abkommen unterzeichnet mit denen die Sicherstellung des Rechts auf Gesundheit und des Zugangs zum Gesund-heitssystem fuumlr alle Menschen ndash unabhaumlngig von ihrem Aufent-haltsstatus ndash anerkannt wird Zu nennen sind u a der Interna-tionale Pakt uumlber wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte (sog UN-Sozialpakt) die Kinderrechtskonvention die UN- Frauen rechtskonvention sowie die UN-Behindertenrechts-konvention Nicht zuletzt ergibt sich ein Anspruch auf eine medi-zinische Grundversorgung aus der Verfassung mit der Gewaumlhrleistung eines menschenwuumlrdigen Existenzminimums und dem Recht auf Leben und koumlrperliche Unversehrtheit Diese rechtlichen Verankerungen gelten fuumlr alle Menschen keine ent-haumllt eine Einschraumlnkung der Personengruppe z B nach Sta-tus Aufenthaltsgenehmigung oder Migrationshintergrund

In Deutschland ist die Versorgung fuumlr Menschen ohne recht-lichen Aufenthaltsstatus dennoch beschraumlnkt auf die Behand-lung akuter Erkrankungen und Schmerzzustaumlnde sowie die Ver-sorgung bei Schwangerschaft (sect 1 Abs 1 Nr 5 i V m sectsect 1a und 4 AsylbLG 2) Fuumlr die Inanspruchnahme der Leistung ist ein Antrag auf Ausgabe eines Krankenscheines bei der zustaumln-digen Sozialbehoumlrde zu stellen

Eine weitere zentrale Huumlrde in dem Verfahren ist die sog Beduumlrf-tigkeitspruumlfung durch die Sozialaumlmter Es muumlssen umfangrei-che Papiere aufgebracht werden was fuumlr Menschen ohne recht-lichen Aufenthaltsstatus meist nicht moumlglich ist bspw Kontoauszuumlge Mietvertragskopien Kopien des Passes Zudem ist mit dem Verfahren ein hoher Verwaltungsaufwand fuumlr die Krankenhausverwaltung Sozial- und Auslaumlnderbehoumlrde ver-bunden der mit einer hohen erforderlichen Sachkenntnis ein-hergeht Aus den humanitaumlren Parallelstrukturen zum Gesund-heitssystem ist bekannt dass die Umsetzung dieses Anspruchs sehr schwerfaumlllig ist Es bestehen rechtliche Unsicherheiten

2 Grundsaumltzlich ist kritisch zu hinterfragen inwiefern die Minimalver-sorgung laut den sectsect 4 und 6 des AsylbLG dem verfassungsrechtlichen Schutzstandard generell entspricht Eine im Wesentlichen auf medizinische Versorgung von Notfaumlllen reduzierte Krankenversorgung steht nicht im Einklang mit der vom Bundesverfassungsgericht benannten Pflicht sich schuumltzend und foumlrdernd vor die Rechtsguumlter auf Leben und koumlrper liche Unversehrtheit eines jeden Menschen (Art 1 I Art 2 II 1 GG) zu stellen Die Forderung des BverfG (vom 18072012 Az 1 BVerfG 1010) besagt dass geringere Leistungen nur durch einen geringeren Bedarf zu rechtfer-tigen sind Es ist empirisch nicht begruumlndbar weshalb Menschen die Asyl suchen und die ihnen gleich gestellten Menschen ohne Papiere per se gerin-gerer gesundheitlicher Versorgung beduumlrfen sollten als andere Menschen

Erfaumlhrt das Sozialamt in dem Zusammenhang dass kein erfor-derlicher Aufenthaltstitel besteht ist es nach sect 87 Abs 2 Nr 1 AufenthG verpflichtet die Auslaumlnderbehoumlrde zu informieren Dies verhindert insbesondere eine ambulante Versorgung Im medizinischen Eilfall soll die Versorgung sichergestellt sein ohne das zuvor ein Krankenschein beantragt werden muss Die Kosten werden vom Sozialamt an das Krankenhaus nach sect 6 a AsylbLG ruumlckwirkend erstattet In diesem Fall gilt ein bdquoverlaumln-gerter Geheimnisschutzldquo uumlber die aumlrztliche Schweigepflicht hin-aus nicht nur fuumlr medizinisches Personal sondern auch fuumlr Ver-waltungsmitarbeitende im Krankenhaus und fuumlr Angestellte der Sozialaumlmter Es duumlrfen keine Informationen uumlber die Person an die Auslaumlnderbehoumlrde oder Polizei gemeldet werden Was als medizinischer Eilfall definiert wird ist jedoch je nach Bundes-land und Kommune sehr unterschiedlich Hinzu kommt dass die zugehoumlrige Verwaltungsvorschrift die die Uumlbermittlungs-pflichten eingrenzt (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Auf-enthG GMBL Nr 42ndash61 vom 30102009) unzureichend bekannt ist Die Durchsetzung des Anspruchs der Krankenhaumluser auf Ruumlckerstattung der Kosten gelingt haumlufig nicht Krankenhaus-verwaltungen uumlben daher teilweise Druck auf die Patientinnen und Angehoumlrigen aus die Behandlungskosten privat zu tragen

Es bleibt festzuhalten dass lediglich derjenige Anspruch auf Kran kenbehandlung als medizinisch geboten gelten kann der notwendig ist um eine Krankheit zu erkennen zu heilen ihre Ver-schlimmerung zu verhuumlten oder Krankheitsbeschwerden zu lin-dern (vgl sect 27 SGB V) Entsprechend ist auch fuumlr Menschen ohne Papiere ein ungehinderter Leistungsanspruch im Umfang des das medizinisch Notwendige definierenden Leistungs katalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung zu gewaumlhr leisten

Quellen und weiterfuumlhrende Literatur Eichenhofer Eberhard (2013) Gesundheitsleistungen fuumlr Fluumlchtlinge In Zeit-schrift fuumlr Auslaumlnderrecht und Auslaumlnderpolitik 33 (56) 169ndash174

Frerichs Konrad (2014) sect 4 AsylbLG Leistungen bei Krankheit Schwangerschaft und Geburt In Coseriu Pablo Eicher Wolfgang Schlegel Rainer Voelzke Tho-mas (Hg) Juris Praxis Kommentar SGB XII Sozialhilfemit AsylbLG 2 Auflage Saarbruumlcken Juris Saarbruumlcken

Gerdsmeier Katrin (2011) Gesundheitsversorgung statusloser Auslaumlnder In Barwig Klaus Beichel-Benedetti Stephan Brinkmann Gisbert (Hg) Hohen-heimer Tage zum Auslaumlnderrecht 2010 1 Auflage Baden-Baden Nomos Ver-lagsgesellschaft 163ndash186

Kaltenborn Markus (2015) Die Neufassung des Asylbewerberleistungsgesetzes und das Recht auf Gesundheit Neue Zeitschrift fuumlr Sozialrecht 24 (5) 161ndash165

Schuumllle Mirjam (2014) (K)eine gesundheitlich-medizinische Versorgung fuumlr Men-schen ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus In Soziale Sicherheit 2014 (10) 363ndash367

Wahrendorf Volker (2014) sect 4 AsylbLG In Grube Christian et al (Hg) SGB XII Sozialhilfe mit Asylbewerberleistungsgesetz Kommentar Muumlnchen Beck

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Aumlrztinnen und Aumlrzte uumlben ihren Beruf nach ihrem Gewissen den Geboten der aumlrztlichen Ethik und der Menschlichkeit aus Sie duumlrfen keine Grundsaumltze anerkennen und keine Vorschriften oder Anweisungen beachten die mit ihren Aufgaben nicht verein-bar sind oder deren Befolgung sie nicht verantworten koumlnnen Musterberufsordnung der Bundesaumlrztekammer

3 Humanitaumlre Problembeschreibung Strukturell bedingte medizinische Unterversorgung

Aufgrund ihres fehlenden aufenthaltsrechtlichen Status leben Menschen ohne Papiere in meist prekaumlren Situationen Die Schwierigkeit Rechte in Anspruch zu nehmen bedeutet einen Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe und hat Auswirkun-gen auf alle Bereiche des Lebens Leben ohne Rechte heiszligt Arbeitsbedingungen und -loumlhne koumlnnen schlecht verhandelt Wohnraum kann nicht offiziell gemietet Kinder nicht einfach in der Schule angemeldet und Gewalttaten nicht angezeigt wer-den Hinzu kommt der eingeschraumlnkte Zugang zur Gesund-heitsversorgung

Gesundheitsleistungen koumlnnen nur im Notfall und mit Hinder-nissen in Anspruch genommen werden Der Kontakt zum pro-fessionellen Gesundheitswesen wird nach Moumlglichkeit vermie-den Aumlrztliche Behandlung wird erst dann in Betracht gezogen wenn die Arbeitsfaumlhigkeit gravierend eingeschraumlnkt ist oder die Erkrankung lebensbedrohliche Ausmaszlige annimmt Das Auftre-ten gesundheitlicher Probleme bedeutet fuumlr Menschen ohne Papiere eine existenzbedrohende Situation in der es abzuwaumlgen gilt ob die gesundheitlichen Problemlagen es notwendig machen das Risiko der Statusaufdeckung und damit der Abschiebung einzugehen Kosten der Behandlung Unsicherheit daruumlber wo die notwendige Behandlung zu finden ist und Sprachbarrieren sind weitere Gruumlnde warum Hilfe nicht oder haumlufig zu spaumlt in Anspruch genommen wird Die Chronifizierung einer rechtzeitig heilbaren Behandlung wird damit in Kauf genommen

Findet eine medizinische Behandlung statt berichten Betrof-fene Aumlrztinnen und Unterstuumltzungs-Organisationen von Pro-blemen in der Kontinuitaumlt durch das Fehlen von Vorbefunden und unzureichende Uumlberweisungsmoumlglichkeiten Die Schwie-rigkeiten Krankheiten adaumlquat auszukurieren etwa durch unge-regelte Arbeitsverhaumlltnisse erschweren die Behandlung zusaumltz-

lich Nicht zuletzt ist die Versorgung von Spenden und ehrenamtlicher Taumltigkeit abhaumlngig Oft bleibt eine medizinische Versorgung ganz aus insbesondere notwendige langfristige Behandlungen bei chronischen Erkrankungen Auch Struktur-probleme wie Unsicherheiten hinsichtlich der Kostenuumlbernahme von Behandlungen etwa im Krankenhaus wirken sich negativ auf die Betroffenen aus

Im Uumlberblick ist davon auszugehen dass die Gruppe der Men-schen ohne Papiere im Prinzip das gleiche Krankheitsspektrum aufweist wie die Gesamtbevoumllkerung in Deutschland ndash jedoch bei einer signifikant schlechteren Lebenslage schlechteren Ver-sorgung und entsprechenden gesundheit lichen Konsequenzen Quantitative und qualitative Forschungsergebnisse legen eine Verschlechterung der Gesundheit durch ein Zusammenspiel von negativen sozialen Determinanten unsicherer Lebenssituation und schwierigem Zugang zur Gesundheitsversorgung nahe

Quellen und weiterfuumlhrende LiteraturBommes Michael Wilmes Maren (2007) Menschen ohne Papiere in Koumlln httpwwwstadt-koelndemediaassetcontentpdf56202pdf Koumlln

Borde Theda David Matthias Papies-Winkler Ingrid (Hg) (2009) Lebenslage und gesellschafltiche Versorgung von Menschen ohne Papiere Frankfurt am Main Mabuse

Castantildeeda Heide (2009) Illegality as risk factor A survey of unauthorized mig-rant patients in a Berlin clinic In Social Science amp Medicine 2009 (68) 1552ndash1560

Cavazos-Regh Patricia A Zayas Luis H Spitznagel Edward L (2007) Legal Sta-tus Emotional Well-Being and Subjective Health Status of Latino Immigrants Journal of the National Medical Association 2007 99 1126ndash1131

Huschke Susann (2013) Kranksein in der Illegalitaumlt Bielefeld Transcript-Verlag

Kuehne Anna (2014) Gesundheit und Gesundheitsversorgung von Migranten ohne Aufenthaltsstatus Dissertation httpd-nbinfo106048455234 Hamburg

Kuehne Anna Huschke Susann (2015) Subjective health of undocumented migrants in Germany ndash a mixed methods approach BMC Public Health 2015 15 926

Mylius Maren Bornschlegl Wiebke Frewer Andreas (Hg) (2011) Medizin fuumlr bdquoMenschen ohne Papiereldquo ndash Menschenrechte in der Praxis des Gesundheits-systems Goumlttingen V+R unipress

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Die medizinische Versorgung der Menschen ohne Papiere muss ohne das Risiko einer Meldung an die Auslaumlnderbehoumlrde moumlglich gemacht werden Entschlieszligung des 119 Deutschen Aumlrztetages Mai 2016

4 Uumlberblick Loumlsungsansaumltze Bundesweite Loumlsung oder lokale bdquoFlickenteppicheldquo

Die gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne Papiere findet derzeit zu groszligen Teilen kompensatorisch im Bereich des freiwilligen Engagements statt Konkrete Hilfeleistungen erfol-gen meist unentgeltlich innerhalb von Parallelstrukturen zum regulaumlren Gesundheitssystem Teils erfolgt medizinische Hilfe direkt in humanitaumlren Sprechstunden und Ambulanzen meist auf Spendenbasis oft ehrenamtlich oder durch Verbaumlnde bzw Kommunen organisiert (z B Malteser Migranten Medizin Aumlrzte der Welt Praxis ohne Grenzen) Teils werden Patientinnen infor-mell in ein lokal aufgebautes Netzwerk engagierter Praxen Krankenhaumluser etc vermittelt welche bereit sind unentgeltlich zu behandeln (z B durch Medi buumlrosMedinetze)

Diese jeweils lokal initiierten Parallelstrukturen sind uumlberregional weitgehend unkoordiniert und konzeptionell unterschiedlich Sie koumlnnen weder eine flaumlchendeckende noch eine gesicherte Ver-sorgung im Umfang des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Kran-kenversicherung anbieten und stellen somit keine strukturellen Loumlsungsansaumltze dar Es ist davon auszu gehen dass ein Groszligteil der Betroffenen in Deutschland weitgehend unversorgt ist

Mittel- und langfristiges Ziel muss es daher sein rechtlich kon-zeptionell strukturell und organisatorisch dafuumlr zu sorgen dass Menschen ohne Papiere einen ungehinderten und diskriminie-rungsfreien Zugang zum Gesundheitssystem erhalten Sie sollten im Umfang des GKV-Leistungskatalogs moumlglichst niedrigschwel-lig und wohnortnah versorgt werden Dazu ist es neben der Auf-hebung von Zugangsbarrieren fachlich notwendig dass sich das Gesundheitswesen insgesamt auf die Herausforderungen der Mig-ration einstellt z B durch Maszlig nahmen der interkulturellen Orga-nisationsentwicklung (Anti rassismus trainings in den Einrichtungen etc) Spezialisierte Zentren koumlnnen im Einzelfall sinnvoll sein z B fuumlr die Traumabehandlung sollten aber v a ebenfalls die Funktion haben ins Regelsystem zu vermitteln Der Aufbau paralleler Son-derstrukturen ist zu vermeiden Ergaumlnzende soziale und rechtliche Beratungsangebote sollten verbindlich zur Verfuumlgung stehen

Im Folgenden stellt die BAG das Spektrum gegenwaumlrtig diskutierter und umgesetzter Loumlsungsansaumltze vor Zunaumlchst wird eroumlrtert was auf rechtlicher Ebene moumlglich ist Anschlie-szligend werden in der Praxis bereits bestehende regionale Ansaumltze portraitiert und deren Vor- und Nachteile dargestellt

a) Rechtliche Moumlglichkeiten Der Gesetzgeber hat im Leistungsrecht (AsylbLG) den Rahmen der medizinischen Behandlungsmoumlglichkeiten fuumlr Menschen ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus festgelegt Eine entschei-

dende rechtliche Huumlrde des Zugangs zur Behandlung ist jedoch die behoumlrdliche Uumlbermittlungspflicht personenbezogener Daten des Sozialamtes an die Auslaumlnderbehoumlrde (sect 87 AufenthG) Damit eine humanitaumlr vertretbare Inanspruchnahme der Ver-sorgung sichergestellt wird ist eine grundsaumltzliche Einschraumln-kung dieser Uumlbermittlungspflichten geboten

Rechtlich werden dafuumlr zwei Moumlglichkeiten diskutiert Entwe-der werden einzelne Behoumlrden (u a Sozialbehoumlrden) aus der Uumlbermittlungspflicht herausgenommen ndash so der Gesetzentwurf aus dem Jahr 2006 von Buumlndnis 90Die Gruumlnen Oder der sect 87 wird grundlegend neu gefasst und die Uumlbermittlungspflicht auf solche Behoumlrden beschraumlnkt die die Aufgabe der Gefahren-abwehr Strafverfolgung oder Strafvollstreckung wahrnehmen ndash so der Gesetzesentwurf der SPD-Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2009

Zusaumltzlich dazu ist eine praxistaugliche und diskriminierungs-freie Loumlsung zur Verwirklichung des Menschen rechts auf Gesund-heit fuumlr alle Menschen zu suchen die gegenwaumlrtig eingeschraumlnkte Leistungen nach dem AsylbLG erhalten Eine Regelversorgung im vollen Umfang des Leistungskatalogs der gesetzlichen Kran-kenversicherung ist sicherzustellen Denn dieser definiert die medizinisch notwendigen Leistungen Das auch fuumlr Menschen ohne Papiere geltende Sondergesetz fuumlr Asylsuchende Gefluumlch-tete und Geduldete erfuumlllt diese Bedingung nicht Die viel fachen Verpflichtungen aus dem Sozialpakt und weiteren UN-Konventi-onen sind ins innerdeutsche Recht zu verankern

b) Regionale Ansaumltze Im Folgenden werden einige in der Praxis vorzufindende regi-onale Ansaumltze fuumlr eine verbesserte Gesundheitsversorgung skizziert (Ziel Konzept Umsetzungsstand Finanzierung) und jeweils daraufhin bewertet

ob sie konzeptionell darauf abzielen einen Zugang zum regu-laumlren Gesundheitssystem herzustellen bzw dies erreichen oder eine Sonderversorgung darstellen

ob sie das fachlich wuumlnschenswerte Kriterium eines flankie-renden sozialen und rechtlichen Beratungsangebots im Sinne einer freiwilligen und klientenorientierten Unterstuumltzungsleis-tung im geschuumltzten Rahmen erfuumlllen

inwieweit sie einen bedarfsgerechten Leistungsumfang nach dem GKV-Leistungskatalog ermoumlglichen und

ob sie langfristig und stabil etabliert sind

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Die folgenden unterschiedlichen Ansaumltze existieren in der Praxis teils in Kombination bzw ergaumlnzen sich

Der Anonymisierte Krankenschein (AK)

Ziel Ziel des Konzepts Anonymisierter Krankenschein ist es Menschen ohne Papiere ohne Angst vor Datenweitergabe an die Auslaumlnderbehoumlrde den regulaumlren Zugang zum Gesundheits-system zu ermoumlglichen so dass sie zu frei waumlhlbaren Aumlrztinnen gehen koumlnnen

Konzept Die derzeitige Praxis einer Krankenschein-Vergabe durch Mitarbeiterinnen des Sozialamts wird ersetzt Durch eine Vergabestelle die einen geschuumltzten Rahmen der Kranken-schein-Ausgabe ermoumlglicht d h vertraulich aufgesucht wer-den kann wird die Weitergabe der Daten unterbunden Zusaumltz-lich erhalten die Betroffenen die Moumlglichkeit zur Sozial- und Rechtsberatung um etwaige Legalisierungswege aufzuzeigen Nach diesem persoumlnlichen Erstkontakt erhalten die hilfesu-chenden Menschen wenn sie keinen rechtlichen Aufenthalts-titel haben und mittellos sind einen sogenannten Anonymisier-ten Krankenschein mit dem sie freien Zugang zu Arztpraxen des regulaumlren Gesundheitssystems erhalten

Umsetzungsstand Eine Umsetzung dieses Ansatzes findet in GoumlttingenHannover seit Anfang 2016 statt in Thuumlringen ist dies in Planung Hier sollen die Anonymisierten Krankenscheine evtl nicht nur von einer Vergabestelle ausgehaumlndigt werden koumlnnen sondern auch von Aumlrztinnen vor Ort um eine flaumlchendeckende Versorgung zu erreichen In beiden Regionen handelt es sich um zeitlich befristete Modellprojekte die in Abhaumlngigkeit von den aktuellen Haushaltsplaumlnen auf ein bis drei Jahre angesetzt sind und wissenschaftlich begleitet werden Initiator und Ver-handlungspartner der jeweiligen Landesregierungen und loka-len Akteure (u a Kassenaumlrztliche Vereinigungen) sind die loka-len NGOs die hier bisher unentgeltlich kompensatorisch taumltig sind und die noumltige Fachkompetenz aufweisen (Medinetze GoumlttingenHannover bzw Jena) Auch in Berlin ist im aktuellen Koalitionsvertrag der Landesregierung die Absichtserklaumlrung verankert einen Anonymisierten Krankenschein einzufuumlhren

In Hannover koumlnnen zurzeit uumlber den Anonymisierten Kranken-schein nur Behandlungen nach sect 4 AsylbLG abgerechnet werden In Thuumlringen wurde gerade der Leistungskatalog fuumlr die elektronische Gesundheitskarte festgelegt Der mit der elektronischen Gesundheitskarte abgerechnete Leistungsum-fang fuumlr Leistungsempfaumlngerinnen nach AsylbLG soll hier weit-gehend dem Leistungskatalog der GKV entsprechen Ob dies auch fuumlr den Anonymisierten Krankenschein gelten soll bleibt abzuwarten

Finanzierung Es sind grundsaumltzlich verschiedene Finanzie-rungsmoumlglichkeiten dieses Konzepts denkbar In den beiden genannten Regionen erfolgt sie gegenwaumlrtig durch einen Fonds (500000 EuroJahr in Goumlttingen Hannover 250000 EuroJahr in Thuumlringen) der vom jeweiligen Bundesland bereitgestellt und

durch die Vergabestelle verwaltet wird Ebenso moumlglich und wuumlnschenswerter waumlre eine dauerhafte Finanzierung uumlber einen festen Etat ohne Deckelung

Vor- und Nachteile

Zusammenfassend erscheint das Modell des Anonymisierten Krankenscheins unter den regionalen Ansaumltzen als bisher weit-reichendste Moumlglichkeit Menschen ohne Papiere den regulauml-ren Zugang zur medizinischen Versorgung in Deutschland zu ermoumlglichen

Zugang zum regulaumlren GesundheitssystemDas Konzept sieht die direkte Vermittlung in das regulaumlre Gesundheitssystem zu niedergelassenen Aumlrztinnen und dor-tiger Behandlung vor

Begleitende soziale und rechtliche BeratungDas fachlich unstrittige Kriterium flankierend zur medizinischen Behandlung routinemaumlszligig eine soziale und rechtliche Beratung anzubieten ist gegeben

LeistungsumfangIn der Praxis bestehen Begrenzungen des Anonymisierten Kran-kenscheins Die Modellprojekte sind auf begrenzte Personen-gruppen ausgerichtet sie bieten keinen umfassenden Zugang fuumlr alle vor Ort unterversorgten nicht versicherten Personen-gruppen (z B EU-Buumlrgerinnen) Zusaumltzlich bestehen bei eini-gen Modellprojekten Leistungseinschraumlnkungen im Sinne des sect 4 AsylbLG und aufgrund der gewaumlhlten Fondsfinanzierung deren Mittel beschraumlnkt sind

Humanitaumlre Sprechstunden

Ziel Humanitaumlre Sprechstunden werden in mehreren Staumldten angeboten (Bremen Bremerhaven Frankfurt a M Oldenburg Wies baden) um Menschen ohne Papiere Zugang zur Gesund-heitsversorgung zu ermoumlglichen Diese Sprechstunden sind Anlaufstellen die meist selbst eingeschraumlnkte medizinische Versorgung anbieten und an andere (Fach)aumlrztinnen weiter-vermitteln

Konzept Die anonyme und unentgeltliche allgemeinaumlrztliche Basisversorgung wird im oumlrtlichen Gesundheitsamt ange boten Zusaumltzlich kann an kooperierende Fachaumlrztinnen und in die stationaumlre Versorgung unentgeltlich oder kostenguumlnstig vermit-telt werden In Bremen kooperiert die Humanitaumlre Sprechstunde mit einer Clearingstelle der Inneren Mission die soziale aufent-haltsrechtliche Beratung anbietet In Frankfurt uumlbernimmt diese Aufgabe ein gemeinnuumltziger Verein

Quellenhttpswwwaerzteblattdenachrichten73069Modellprojekt-zur-medizinischen-Versorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

httpwwwmedinetz-hannoverdeindexphpnewsarchivanonymer-kranken-schein-ein-erster-schritthtml

httpmfhblogsportdeprojekteanonymisierter-krankenschein

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Umsetzungsstand Die Humanitaumlren Sprechstunden als direkte medizinische Versorgung und Vermittlung nichtversicherter Migrantinnen im Gesundheitsamt existieren seit 2001 in Frank-furt a M und seit 2009 in Bremen wo das Konzept uumlbernom-men und weiterentwickelt wurde

Es existieren auszligerdem in Wiesbaden und Oldenburg Huma-nitaumlre Sprechstunden die vorrangig Vermittlung zur medi-zinischen Behandlung anbieten und nicht in oumlffentlicher Trauml-gerschaft sind In Wiesbaden wird sie von pro familia der Diakonie und der Stadt Wiesbaden getragen wobei die Kos-ten in einem gewissen Umfang von Spenden finanziert wer-den und die Aumlrztinnen entweder ehrenamtlich oder zu einem geringeren Honorar arbeiten In Oldenburg kooperiert ein frei-gemeinuumltziger Traumlger mit dem oumlrtlichen Klinikum einer Apo-theke und ehrenamtlichen Aumlrztinnen Pflegerinnen und Unter-stuumltzerinnen

Finanzierung Die Humanitaumlren Sprechstunden werden teilweise oder vollstaumlndig mit oumlffentlichen Mitteln finanziert Fuumlr die in die-sen Sprechstunden arbeitenden Aumlrztinnen ist in der Regel eine Behandlungskostenabrechnung der Basisversorgung moumlglich wobei die Konzepte unterschiedlich sind Es steht jeweils ein gedeckelter Betrag fuumlr die Medikamentenversorgung und Kran-kenbehandlung auszligerhalb der Sprechstunde zur Verfuumlgung z B in Krankenhaumlusern

Vor- und Nachteile

Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem Humanitaumlre Sprechstunden ermoumlglichen fuumlr Menschen ohne Papiere einen niedrigschwelligen Zugang zu einer gesundheit-lichen Grundversorgung im Sinne einer Sonderversorgung Nicht zuletzt wird mit von oumlffentlicher Hand gefoumlrderten Ein-richtungen dieser Art von Seiten der Politik anerkannt dass es einen dringlichen Versorgungsbedarf gibt der eigentlich uumlber die Regelversorgung gedeckt werden muss Ein Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem kann mit diesen Sprechstunden nicht eroumlffnet werden

Begleitende soziale und rechtliche Beratung Der fachliche Standard einer flankierenden sozialrechtlichen Beratung wird teilweise erfuumlllt

Leistungsumfang und Langfristigkeit Es findet eine medizinisch eingeschraumlnkte Sonderversorgung statt Chronische Erkrankungen lassen sich oft nicht behan-deln Damit bleibt auch die Arbeit von ehrenamtlich kompen-sierenden Parallelstrukturen weiter notwendig

Es existieren in der Praxis finanzielle und personelle Einschraumln-kungen so dass die Humanitaumlren Sprechstunden gegenwaumlr-tig nur als Einstieg in eine zu entwickelnde Versorgungsstruk-tur aufgefasst werden koumlnnen

Exkurs Perspektiven des Oumlffentlichen Gesundheits-dienstes (OumlGD)

Die in die jeweiligen Gesundheitsaumlmter eingegliederten Huma-nitaumlren Sprechstunden in Bremen und Frankfurt a M sind derzeit kommunale Ausnahmen Sie verweisen auf die Rolle die der OumlGD bei der Versorgung von Menschen ohne Papiere angesichts seines gesetzlichen Auftrags flaumlchendeckend zu uumlbernehmen hat Neben dem GKV- und dem privataumlrztlich finanzierten ambulanten und stationaumlren Versorgungssystem werden dem OumlGD uumlber die entsprechenden Bundes- und Laumln-dergesetze spezifische Aufgaben zugewiesen insbesondere die Zustaumlndigkeit fuumlr die Gesundheit schlecht- bzw nichtver-sorgter Menschen3

Bereits jetzt ist der OumlGD komplementaumlr taumltig Durch das Infek-tionsschutzgesetz sind die Gesundheitsaumlmter nach sect 19 lfSG mit der Beratung Diag nostik und ambulanten Therapie bei sexuell uumlbertragbaren Krankheiten sowie Tuberkulose beauf-tragt Dies kann auch von Menschen ohne rechtlichen Auf-ent haltstitel in Anspruch genommen werden Zusaumltzlich koumlnnen nach sect 20 Abs 5 lfSG die obersten Landesgesundheitsbe-houmlrden bestimmen bdquodass die Gesundheitsaumlmter unentgeltlich Schutzimpfungen oder andere Maszlignahmen der spezi fischen Prophylaxe gegen bestimmte uumlbertragbare Krankheiten durch-fuumlhrenldquo In der Praxis exis tieren in einigen Gesundheits-aumlmtern Angebote bspw zur Schwangerenvorsorge oder Vor sorge untersuchungen von Kindern (z B Zentren fuumlr sexu-elle Gesundheit und Familien planung in den bezirk lichen Gesundheits aumlmtern in Berlin)

Als Moumlglichkeit einer bundesweiten Loumlsung koumlnnte ein Aus-bau dieser schon vorhandenen Strukturen gesehen werden indem die Gesundheitsaumlmter ihre Aufgaben systematisch auf die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere ausweiten Im Rahmen einer dafuumlr notwendigen umfassen-den Strukturreform ist der OumlGD als zentraler kommunaler Akteur fuumlr die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere zu staumlrken Er braucht Ressourcen und neue Kom-petenzen um einen aktuellen Uumlberblick uumlber lokal vorhan-dene ungedeckte Versorgungsbedarfe (systematische regi-onale Gesundheitsberichterstattung) und direkte Versorgung fuumlr de facto unversorgte Personen ggf auch aufsuchend bereitstellen zu koumlnnen Vor allem kann der OumlGD seiner Ver-antwortung durch die Koordination der lokalen Versorgung und die Vermittlung unversicherter Personen ins regulaumlre Gesundheitssystem nachkommen

3 Exemplarisch sei das OumlGD-Gesetz NRW zitiert (sect 4 Allgemeine Grundsaumltze der Leistungserbringung) bdquo(1) Soweit und solange die mediz-inisch-soziale Versorgung erforderlich jedoch nicht oder nicht rechtzeitig gewaumlhrleistet ist kann sie die untere Gesundheitsbehoumlrde im Benehmen mit primaumlr zustaumlndigen Handlungstraumlgern im Rahmen eigener Dienste und Einrichtungen erbringen Dies gilt insbesondere wenn Personen wegen ihres koumlrperlichen geistigen oder seelischen Zustandes oder aufgrund sozialer Umstaumlnde besonderer gesundheitlicher Fuumlrsorge beduumlrfen und diesem Bedarf nicht im Rahmen der uumlblichen Einrichtungen der gesund-heitlichen Versorgung entsprochen wirdldquo

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Clearingstellen

Ziel In verschiedenen Regionen existieren sogenannte Clea-ringstellen die offene Rechtsanspruchsfragen klaumlren und wenn moumlglich bei einer Vermittlung in das regulaumlre Gesundheitssys-tem helfen Dazu gehoumlren auch Fragen einer aufenthaltsrecht-lichen Legalisierung in Deutschland und der Sicherung der Finanzierung etwaiger Gesundheitsleistungen Sollte eine Ein-bindung nicht moumlglich sein wird an Stellen vermittelt die fuumlr Menschen ohne Papiere medizinische Versorgung unentgelt-lich anbieten koumlnnen

Konzept Die Clearingstellen stellen eine Kooperation zwischen Gesundheitsaumlmtern und unterschiedlichen freien Traumlgern dar Sie unterliegen der Schweigepflicht sodass eine Weitergabe der Daten nicht befuumlrchtet werden muss

Umsetzungsstand Bereits seit 1998 besteht in Muumlnchen eine Clearingstelle in enger Zusammenarbeit zwischen Stadt und freien Traumlgern (Malteser Migrantenmedizin Cafeacute 104 und Aumlrzte der Welt) Diese bereits laumlngerfristige Kooperation ermoumlglicht vor Ort bspw eine unkomplizierte Duldung schwangerer Frauen drei Monate vor und nach Geburt sodass neben der Versor-gung auch die Ausstellung der Geburtsurkunden fuumlr Kinder pro-blemlos durchgefuumlhrt werden kann In Hamburg wird seit 2015 eine Clearingstelle als dauerhaftes Projekt durch die Behoumlrde fuumlr Arbeit Soziales Familie und Integration gefoumlrdert In Duumls-seldorf wurde ebenfalls 2015 von der Stadt ein fuumlr drei Jahre finanziertes Modellprojekt bei einer lokalen NGO (MediNetz Stay Duumlsseldorfer Fluumlchtlingsinitiative) eingerichtet In Nord-rhein-Westfalen wurden seit Mitte 2016 fuumlnf Clearingstellen eroumlffnet (Koumlln Duisburg Dortmund Muumlnster Gelsenkirchen) die als Modellprojekte uumlber drei Jahre laufen und mit 25 Milli-onen Euro vom Land gefoumlrdert werden

Finanzierung Die Finanzierung der Clearingstellen erfolgt uumlber regional unterschiedliche (Notfalls-)Fonds teils (z B in Duumlssel-

dorf und Muumlnchen) werden weiterhin ehrenamtliche Leistungen von Aumlrztinnen erbracht Der von den Clearingstellen uumlbernom-mene Leistungsumfang bezieht sich in der Regel auf aumlrztliche und zahnaumlrztliche Leistungen gemaumlszlig sectsect 4 und 6 AsylbLG Teils z B in Hamburg werden Notfaumllle entsprechend der moumlglichen Finanzierung nach sect 25 SGB XII nicht uumlbernommen

Vor- und Nachteile

Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem und begleitende soziale und recht liche BeratungDie Staumlrke regionaler Clearingstellen liegt in der umfassenden sozialen und rechtlichen Beratung und dem Bemuumlhen einen Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem herzustellen Dies ist einer kompensatorischen Sonderversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere systematisch vorgeschaltet

LeistungsumfangDer Erfolg des Clearings ist jedoch daran zu messen ob fuumlr alle aufsuchenden Menschen eine adaumlquate Versorgung sicher-gestellt werden kann Dies ist jedoch in der Praxis z T nicht gegeben Fuumlr Menschen die nicht in die Regelversorgung ein-gegliedert werden koumlnnen kann im Rahmen von Notfallfonds oft eine Basisversorgung zur Verfuumlgung gestellt werden doch die Einschraumlnkungen nach AsylbLG bleiben bestehen Aufgrund der gedeckelten Fondsfinanzierung gelingt die Finanzierung kostspieliger Leistungen nur im Ausnahmefall Der Aufgaben-bereich ehrenamtlicher Arbeit in und mit Parallelstrukturen bleibt deshalb von groszliger Bedeutung

LangfristigkeitAuch die Clearingstellen sind oft Modellprojekte ihr Bestand ist nicht auf mehrere Jahre zugesichert Auch dieser Loumlsungs-ansatz erscheint gegenwaumlrtig eher als zoumlgerlich und instabil und stellt keine umfassende Problemloumlsung fuumlr die jeweilige Region dar

QuellenTiarks-Jungk Petra (oJ) Humanitaumlre Sprechstunde Medizinische Versorgung von Menschen mit ungeklaumlrtem Aufenthaltsstatus httpswwwjurauni-frank-furtde48622522Tjarks-Jungk_Humanitaere-Sprech-stunde-Mai-2013-1pdf

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httpwwwinneremission-bremendemigration_und_fluechtlingshilfehumani-taere_sprechstunde_clearing

httpswwwfrankfurtdesixcmsdetailphpid=2996amp_ffmpar[_id_inhalt]=6327770

QuellenAnderson Philip et al (2010) bdquoWir haben Sie nicht vergessen hellipldquo 10 Jahre Umgang mit Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus in der Landes-hauptstadt Muumlnchen Das Muumlnchner Modell httpwwwforum-illegalitaetdemediapool99993476dataMuenchen_Ergebnisse_2010pdf

Fluumlchtlingszentrum Hamburg (2015) Evaluationsbericht Clearingstelle Gesund-heitsversorgung Auslaumlnder httpwwwfz-hhdedownloadclearingstelle-mvClearingstelle_2015_Evaluationsbericht_Web_neupdf

httpwwwstadt-koelndeleben-in-koelngesundheitmigration-und-gesund-heit-clearingstelle

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5 Resuumlmee und Ausblick Bundesweite Sicher stellung einer bedarfs gerechten Versorgung fuumlr Menschen ohne Papiere

Die vorgestellten rechtlichen Optionen und regionalen Ansaumltze zeigen verschiedene moumlgliche Interventionen auf um die Gesundheitsversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere zu verbes-sern Seit der Bestandsaufnahme der BAG vor gut 10 Jahren hat sich weder die rechtliche Ausgangslage noch das humani-taumlre Problem wesentlich geaumlndert Ansaumltze zur verbesserten Gesundheitsversorgung sind insbesondere auf regionaler Ebene mit entsprechend begrenzter Reichweite entstanden Nach wie vor ist ein Groszligteil der Betroffenen gaumlnzlich unversorgt

Aus Sicht der BAG GesundheitIllegalitaumlt bedarf es einer bun-desweiten Loumlsung mit der umfassend die bedarfsgerechte Ver-sorgung von Menschen ohne Papiere sichergestellt wird Ohne eine rechtliche Nachjustierung und Aufhebung bundesrecht-licher Restriktionen auf Bundesebene koumlnnen die regionalen Interventionen nur Ausgleichsversuche darstellen Andererseits obliegt in Deutschland die konkrete Ausgestaltung der Gesund-heitsversorgung d h die Feststellung ungedeckter Bedarfe die Identifizierung von unversorgten Personengruppen und von Versorgungsluumlcken im Gesundheitssystem sowie eine entspre-chende integrierte Planung auch den regionalen politischen und fachlichen Akteuren auf Kommunen- und Laumlnderebene Diese sind durch den Verweis auf ndash im Sinne der Betroffenen ndash sicher notwendige Gesetzesaumlnderungen nicht aus ihrer Verant-wortung zu entlassen Gegenseitige Zustaumlndigkeitsverweise sind inakzeptabel

In der Uumlbersicht des sbquoFlickenteppichslsquo gegenwaumlrtiger regiona-ler Ansaumltze sieht die BAG GesundheitIllegalitaumlt vielverspre-chendes Potential fuumlr zukuumlnftige flaumlchendeckende Loumlsungen Fachlich sinnvoll ndash und gegenwaumlrtig bereits fachoumlffentlich diskutiert ndash scheint die Einfuumlhrung eines krankheitsunabhaumlngi-gen Anonymisierten Krankenscheins oder auch einer Anony-misierten Gesundheitskarte Wuumlnschenswert waumlren ebenfalls bundesweit flaumlchendeckend lokale Anlaufstellen durch den OumlGD oder freie Traumlger organisiert die diese Krankenscheine bzw Karten ausgeben vermittelnd ins regulaumlre Gesundheits-system taumltig sind und flankierend sozial und rechtlich beraten

Abschlieszligend weist die BAG darauf hin dass die skizzierte kom-pensierende Versorgung in Parallelstrukturen laumlngst nicht mehr nur die Menschen ohne Papiere betrifft Viele im Feld taumltige Ini-tiativen berichten seit Jahren dass ihre lokalen Anlaufstellen auch von anderen Personengruppen wachsenden Zulauf erhal-ten wie etwa von jenen EU-Buumlrgerinnen die trotz Freizuumlgig-keitsberechtigung keinen Krankenversicherungsschutz nach-weisen koumlnnen von Asylsuchenden im Zeitraum der Leistungsrestriktion der ersten 15 Monate des Aufenthalts und auch von Nicht-Versicherten ohne Migrationshintergrund Auch fuumlr diese Gruppen besteht dringender Handlungsbedarf Es gilt ein breites Spektrum unterschiedlicher Rechtslagen im Hinblick auf bestehende und nicht umgesetzte Leistungsanspruumlche in den Blick zu nehmen und ebenfalls durch bundesweite Loumlsun-gen zu verbessern ndash um das fuumlr alle Menschen gleichermaszligen geltende Recht auf eine regulaumlre Gesundheitsversorgung end-lich umzusetzen

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Literatur und weiterfuumlhrende Links

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Bundesaumlrztekammer (2016) Entschlieszligungen bdquoFluumlchtlinge in der medizinischen Versorgungldquo In 119 Deutscher Aumlrztetag 2016 Berlin 15ndash33

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Falge Christine Fischer-Lescano Andreas Sieveking Klaus (Hg) (2009) Gesundheit in der Illegalitaumlt Baden-Baden Nomos

Fluumlchtlingsrat Berlin (oJ) Medi zinische Versorgung httpwwwfluechtlingsrat-berlindegesetzgebungphpMed

Fuumlhrer Amand Eichner Friederike (2015) Verloren im Raumlder-werk Eine interdisziplinaumlre Studie zur Gesundheit und medizi-nischer Versorgung von Asylsuchenden in Halle (Saale) httpwebuk-halledefileadminBereichsordnerVeranstaltungen2016Verloren-im-Raumlderwerk-1pdf

Katholisches Forum Leben in der Illegalitaumlt (2017) Positions-papier Forderung der Gewaumlhrleistung der Gesundheitsversor-gung fuumlr Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalitaumlt in Deutschland

Koumlszligler Melanie Mohr Tobias Habbe Heiko (2013) Aufenthalts-rechtliche Ille galitaumlt Beratungshandbuch 2013 3 aktualisierte und vollstaumlndig uumlberarbeitete Auflage Berlin Freiburg

Medizinische Fluumlchtlingshilfe Goumlttingen e V (oJ) Gesundheit fuumlr Gefluumlchtete Informationsportal von Medibuumlros Medinetzen httpgesundheit-gefluechteteinfo

Mylius Maren (2016) Die medizinische Versorgung von Men-schen ohne Papiere in Deutschland Studien zur Praxis in Gesund-heitsaumlmtern und Krankenhaumlusern Bielefeld Transcript

UN-Behindertenrechtskonvention httpswwwbehinderten-rechtskonventioninfo

UN-Frauenrechtskonvention httpswwwfrauenrechtskonven-tionde

UN-Kinderrechtskonvention httpswwwkinderrechtskonven-tioninfo

alle Internetquellen Stand 30032017

Kontakt Die Koordination der Bundesarbeitsgruppe GesundheitIllegalitaumlt liegt derzeit bei der Diakonie Deutschland

Ansprechperson Dr med Anja Dieterich MPH Grundsatzfragen der gesundheitlichen Versorgung Zentrum Gesundheit Rehabilitation und Pflege Telefon +49 (0)30 65211 1664 E-Mail anjadieterichdiakoniede

Diakonie Deutschland ndash Evangelischer Bundesverband Evangelisches Werk fuumlr Diakonie und Entwicklung e V Caroline-Michaelis-Str1 10115 Berlin wwwdiakoniede

Das vorliegende Arbeitspapier ist elektronisch abrufbar unter infodiakoniedegesundheitsversorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

Jesuit Refugee Service

Jesuiten Fluumlchtlingsdienst

Kampagne von MedibuumlrosMedinetzen

Gesundheitfuumlr Gefluumlchtete

Medizinische Fluumlchtlingshilfe fuumlr Menschen ohne Krankenversicherungsschutz

MediNetz Bielefeld

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Inhaltsverzeichnis

3 1 Einleitung Dringlicher Handlungsbedarf fuumlr Menschen ohne Papiere

4 2 Rechtliche Ausgangslage Faktische Einschraumlnkungen des Rechts auf Gesundheit

5 3 Humanitaumlre Problembeschreibung Strukturell bedingte medizinische Unterversorgung

6 4 Uumlberblick Loumlsungsansaumltze Bundesweite Loumlsung oder lokale bdquoFlickenteppicheldquo

10 5 Resuumlmee und Ausblick Bundesweite Sicher stellung einer bedarfs gerechten Versorgung fuumlr Menschen ohne Papiere

11 Literatur und weiterfuumlhrende Links

Unterzeichnende Organisationen und Personen

Aumlrzte der Welt e V ndash Doctors of the World Germany

Deutsche AIDS-Hilfe e V

Deutsches Institut fuumlr Menschenrechte

Diakonie Deutschland

Gesundheit fuumlr Gefluumlchtete Kampagne von Medi buumlrosMedinetzen

IBIS Interkulturelle Arbeitsstelle e V Medizinische Fluumlchtlingshilfe Oldenburg

Jesuiten-Fluumlchtlingsdienst Deutschland

Katholisches Forum Leben in der Illegalitaumlt

Medibuumlro Berlin ndash Netzwerk fuumlr das Recht auf Gesundheitsversorgung aller Migrantinnen

MediNetz Bremen

Medinetz Essen e V

Medinetz Hannover e V

Medinetz Hamburg e V

Medinetz Mainz e V

Medinetz Marburg e V

MediNetzBonn e V

Medinetz Rostock e V

Medinetz Ulm e V

Medizinische Fluumlchtlingshilfe bzw das MediNetz Bielefeld

Dr Thomas Buhk Facharzt fuumlr Innere Medizin Infektio-loge ICH Hamburg

Dr med Ulrich Clever Menschenrechtsbeauftragter der Bundesaumlrztekammer

Prof Dr Christoph Heintze MA MPH Charite ndash Univer-sitaumltsmedizin Berlin Institut fuumlr Allgemeinmedizin

Dr Gerd Pflaumer

Peggy Ziethen

Dieses Papier wurde fuumlr die BAG GesundheitIllegalitaumlt von folgenden Mitgliedern im Rahmen einer Arbeitsgruppe erstellt und in der Gesamtgruppe abgestimmt

Mirjam Schuumllle M Sc PH MediNetz BielefeldKampagne Gesundheit fuumlr Gefluumlchtete

Dr med Anna Kuumlhne MPH Medibuumlro Berlin ndash Netzwerk fuumlr das Recht auf Gesundheits-versorgung aller Migrantinnen

Dr med Thea Jordan

Marleen Jacobs Kampagne Gesundheit fuumlr Gefluumlchtete

Dr med Anja Dieterich MPH Diakonie Deutschland

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Ich werde mich bei der Erfuumlllung meiner aumlrztlichen Pflichten meiner Patientin oder meinem Patienten gegenuumlber nicht durch Alter Krankheit oder Behinderung Glaube ethnische Herkunft Geschlecht Staatsangehoumlrigkeit politische Zugehoumlrigkeit Rasse sexu-elle Orientierung soziale Stellung oder durch andere Faktoren beeinflussen lassen Genfer Geloumlbnis ndash in Anlehnung an den Hippokratischen Eid vom Weltaumlrztebund 1948 beschlossene Neufassung der aumlrztliche Berufspflichten

1 Einleitung Dringlicher Handlungsbedarf fuumlr Menschen ohne Papiere

Das deutsche Grundgesetz mit seinem Bekenntnis zu unver-letzlichen und unveraumluszligerlichen Menschenrechten verpflichtet Staat und Gesellschaft einen ungehinderten Zugang zu einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung fuumlr die gesamte Bevoumllkerung sicherzustellen einschlieszliglich sozialer Gruppen in besonders prekaumlren Lebenslagen

Fuumlr Menschen ohne Papiere ist dieser ungehinderte Zugang zu medizinischer Versorgung de facto nicht gewaumlhrleistet Ins-besondere ist die Finanzierung ihrer Gesundheitsversorgung ungesichert Bei Inanspruchnahme von Sozialleistungen dro-hen die Meldung an die Auslaumlnderbehoumlrde und die Abschie-bung Der Staat wird diesen Personen gegenuumlber seiner Pflicht nicht gerecht mit aktiven Maszlignahmen sicherzustellen dass alle Menschen sanktionslos von ihren grundlegenden Rech-ten insbesondere dem Menschenrecht auf Gesundheit Gebrauch machen koumlnnen

Vor diesem Hintergrund ist im Maumlrz 2006 die Bundesarbeits-gruppe GesundheitIllegalitaumlt (BAG) ins Leben gerufen worden In ihr haben sich Sachverstaumlndige aus der Wissenschaft der medizinischen Praxis aus Kirchen Wohlfahrtsverbaumlnden Kom-munen und nichtstaatlichen Organisationen zusammen gefunden Die BAG hat sich zur Aufgabe gemacht in der Oumlffentlichkeit und in der politischen Diskussion fuumlr einen diskriminierungs-freien Zugang zum Gesundheitssystem im Umfang des Leis-tungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V) fuumlr Menschen ohne Papiere einzutreten

Dieses Anliegen und das zugrundeliegende humanitaumlre Prob-lem sind nicht neu Bereits vor zehn Jahren hat die BAG Gesund-heitIllegalitaumlt hier dringlichen Handlungsbedarf gesehen und im Jahr 2007 in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut fuumlr Menschenrechte mit dem Bericht bdquoFrauen Maumlnner und Kin-der ohne Papiere in Deutschland ndash Ihr Recht auf Gesundheitldquo eine Problembeschreibung und moumlgliche Loumlsungsansaumltze for-muliert und oumlffentlich diskutiert1

Seither sind in einigen wenigen Lebensbereichen der Betroffenen rechtliche und strukturelle Aumlnderungen vorgenommen worden die es Menschen ohne Papiere etwas erleichtern ihr Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu verwirklichen In einigen Regionen gab es erste positive Veraumlnderungen in Bezug auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung Im Bildungs bereich fuumlhrte die Aufhebung der Uumlbermittlungspflicht fuumlr Schulen und Erziehungseinrichtun gen zu einer substantiellen Verbesserung der Lebenssituation von Menschen ohne Papiere Letzteres laumlsst hof-fen dass per spektivisch auch im Gesundheitsbereich Aumlhnliches erreicht werden kann Insgesamt hat der gesellschafts politische Diskurs um Menschen ohne Papiere in den letz ten Jahren zuge-nommen nicht zuletzt weil sich zivilgesell schaftliche Initiativen Wohlfahrts- und Fachverbaumlnde die Politik die Wissenschaft und die Medien des Themas verstaumlrkt angenommen haben

Trotz dieser partiell positiven Entwicklungen ist es fuumlr Men-schen ohne Papiere in Deutschland weiterhin schwierig ihren Rechtsanspruch auf Zugang zur Gesundheitsversorgung umzu-setzen Die faktischen Einschraumlnkungen des Rechts reichen dabei von eklatanten Defiziten in der ambulanten Versorgung bis zur Verweigerung von stationaumlrer und Notfallversorgung aus Kostengruumlnden Die in 2007 identifizierte bdquostrukturell bedingte medizinische Unterversorgungldquo hat also nach wie vor Bestand In der Fachoumlffentlichkeit wird weiterhin dringlicher Handlungs-bedarf gesehen Die aktuell vorgenommenen Restriktionen der Asylgesetze werden aller Voraussicht nach zu einer weiteren Zunahme von Menschen ohne Papiere in Deutschland fuumlhren

Vor diesem Hintergrund nimmt die BAG GesundheitIllegalitaumlt mit dem vorliegenden Arbeitspapier eine aktualisierte Bestands-aufnahme der rechtlichen Ausgangslage (Kap 2) des vorlie-genden humanitaumlren Problems (Kap 3) und moumlglicher Loumlsungs-ansaumltze (Kap 4) vor

1 httpwwwinstitut-fuer-menschenrechtedepublikationenshowfrauen-maenner-und-kinder-ohne-papiere-in-deutschland-ihr-recht-auf-gesundheit

Auch in Deutschland leben Menschen die keinen oder einen erschwerten Zugang zum Gesundheitssystem haben Betrof-fen sind Menschen ohne Papiere aber auch Deutsche ohne Krankenversicherung Asylsuchende und in zunehmendem Maszlige EU-Buumlrgerinnen die keinen Krankenversicherungs-schutz nachweisen koumlnnen Diese Menschen werden im Moment unvollstaumlndig ndash und meist unentgeltlich ndash in huma-nitaumlren Parallelstrukturen zum Gesundheitssystem versorgt obwohl sie uumlber rechtliche Leistungsanspruumlche verfuumlgen Die BAG GesundheitIllegalitaumlt konzentriert sich in diesem Arbeitspapier insbesondere auf die Problemstellungen und Loumlsungsansaumltze fuumlr Menschen ohne Papiere Von den vor-geschlagenen Maszlignahmen wuumlrden alle genannten Perso-nengruppen profitieren Ziel muss es sein den Zugang zur medizinischen Versorgung fuumlr alle Menschen in Deutschland zu verbessern ndash ohne Ruumlcksicht auf ihren Aufenthaltsstatus oder ihr Einkommen

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Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf das fuumlr ihn erreichbare Houmlchstmaszlig an koumlrperlicher und geistiger Gesund-heit an Die von den Vertragsstaaten zu unternehmenden Schritte zur vollen Verwirklichung dieses Rechts umfassen die erfor-derlichen Maszlignahmen (hellip) zur Schaffung der Voraussetzungen die fuumlr jedermann im Krankheitsfall den Genuss medizinischer Einrichtungen und aumlrztlicher Betreuung sicherstellen Artikel 12 UN-Sozialpakt

2 Rechtliche Ausgangslage Faktische Einschraumlnkungen des Rechts auf Gesundheit

Die Bundesrepublik Deutschland hat eine Vielzahl internatio-naler Abkommen unterzeichnet mit denen die Sicherstellung des Rechts auf Gesundheit und des Zugangs zum Gesund-heitssystem fuumlr alle Menschen ndash unabhaumlngig von ihrem Aufent-haltsstatus ndash anerkannt wird Zu nennen sind u a der Interna-tionale Pakt uumlber wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte (sog UN-Sozialpakt) die Kinderrechtskonvention die UN- Frauen rechtskonvention sowie die UN-Behindertenrechts-konvention Nicht zuletzt ergibt sich ein Anspruch auf eine medi-zinische Grundversorgung aus der Verfassung mit der Gewaumlhrleistung eines menschenwuumlrdigen Existenzminimums und dem Recht auf Leben und koumlrperliche Unversehrtheit Diese rechtlichen Verankerungen gelten fuumlr alle Menschen keine ent-haumllt eine Einschraumlnkung der Personengruppe z B nach Sta-tus Aufenthaltsgenehmigung oder Migrationshintergrund

In Deutschland ist die Versorgung fuumlr Menschen ohne recht-lichen Aufenthaltsstatus dennoch beschraumlnkt auf die Behand-lung akuter Erkrankungen und Schmerzzustaumlnde sowie die Ver-sorgung bei Schwangerschaft (sect 1 Abs 1 Nr 5 i V m sectsect 1a und 4 AsylbLG 2) Fuumlr die Inanspruchnahme der Leistung ist ein Antrag auf Ausgabe eines Krankenscheines bei der zustaumln-digen Sozialbehoumlrde zu stellen

Eine weitere zentrale Huumlrde in dem Verfahren ist die sog Beduumlrf-tigkeitspruumlfung durch die Sozialaumlmter Es muumlssen umfangrei-che Papiere aufgebracht werden was fuumlr Menschen ohne recht-lichen Aufenthaltsstatus meist nicht moumlglich ist bspw Kontoauszuumlge Mietvertragskopien Kopien des Passes Zudem ist mit dem Verfahren ein hoher Verwaltungsaufwand fuumlr die Krankenhausverwaltung Sozial- und Auslaumlnderbehoumlrde ver-bunden der mit einer hohen erforderlichen Sachkenntnis ein-hergeht Aus den humanitaumlren Parallelstrukturen zum Gesund-heitssystem ist bekannt dass die Umsetzung dieses Anspruchs sehr schwerfaumlllig ist Es bestehen rechtliche Unsicherheiten

2 Grundsaumltzlich ist kritisch zu hinterfragen inwiefern die Minimalver-sorgung laut den sectsect 4 und 6 des AsylbLG dem verfassungsrechtlichen Schutzstandard generell entspricht Eine im Wesentlichen auf medizinische Versorgung von Notfaumlllen reduzierte Krankenversorgung steht nicht im Einklang mit der vom Bundesverfassungsgericht benannten Pflicht sich schuumltzend und foumlrdernd vor die Rechtsguumlter auf Leben und koumlrper liche Unversehrtheit eines jeden Menschen (Art 1 I Art 2 II 1 GG) zu stellen Die Forderung des BverfG (vom 18072012 Az 1 BVerfG 1010) besagt dass geringere Leistungen nur durch einen geringeren Bedarf zu rechtfer-tigen sind Es ist empirisch nicht begruumlndbar weshalb Menschen die Asyl suchen und die ihnen gleich gestellten Menschen ohne Papiere per se gerin-gerer gesundheitlicher Versorgung beduumlrfen sollten als andere Menschen

Erfaumlhrt das Sozialamt in dem Zusammenhang dass kein erfor-derlicher Aufenthaltstitel besteht ist es nach sect 87 Abs 2 Nr 1 AufenthG verpflichtet die Auslaumlnderbehoumlrde zu informieren Dies verhindert insbesondere eine ambulante Versorgung Im medizinischen Eilfall soll die Versorgung sichergestellt sein ohne das zuvor ein Krankenschein beantragt werden muss Die Kosten werden vom Sozialamt an das Krankenhaus nach sect 6 a AsylbLG ruumlckwirkend erstattet In diesem Fall gilt ein bdquoverlaumln-gerter Geheimnisschutzldquo uumlber die aumlrztliche Schweigepflicht hin-aus nicht nur fuumlr medizinisches Personal sondern auch fuumlr Ver-waltungsmitarbeitende im Krankenhaus und fuumlr Angestellte der Sozialaumlmter Es duumlrfen keine Informationen uumlber die Person an die Auslaumlnderbehoumlrde oder Polizei gemeldet werden Was als medizinischer Eilfall definiert wird ist jedoch je nach Bundes-land und Kommune sehr unterschiedlich Hinzu kommt dass die zugehoumlrige Verwaltungsvorschrift die die Uumlbermittlungs-pflichten eingrenzt (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Auf-enthG GMBL Nr 42ndash61 vom 30102009) unzureichend bekannt ist Die Durchsetzung des Anspruchs der Krankenhaumluser auf Ruumlckerstattung der Kosten gelingt haumlufig nicht Krankenhaus-verwaltungen uumlben daher teilweise Druck auf die Patientinnen und Angehoumlrigen aus die Behandlungskosten privat zu tragen

Es bleibt festzuhalten dass lediglich derjenige Anspruch auf Kran kenbehandlung als medizinisch geboten gelten kann der notwendig ist um eine Krankheit zu erkennen zu heilen ihre Ver-schlimmerung zu verhuumlten oder Krankheitsbeschwerden zu lin-dern (vgl sect 27 SGB V) Entsprechend ist auch fuumlr Menschen ohne Papiere ein ungehinderter Leistungsanspruch im Umfang des das medizinisch Notwendige definierenden Leistungs katalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung zu gewaumlhr leisten

Quellen und weiterfuumlhrende Literatur Eichenhofer Eberhard (2013) Gesundheitsleistungen fuumlr Fluumlchtlinge In Zeit-schrift fuumlr Auslaumlnderrecht und Auslaumlnderpolitik 33 (56) 169ndash174

Frerichs Konrad (2014) sect 4 AsylbLG Leistungen bei Krankheit Schwangerschaft und Geburt In Coseriu Pablo Eicher Wolfgang Schlegel Rainer Voelzke Tho-mas (Hg) Juris Praxis Kommentar SGB XII Sozialhilfemit AsylbLG 2 Auflage Saarbruumlcken Juris Saarbruumlcken

Gerdsmeier Katrin (2011) Gesundheitsversorgung statusloser Auslaumlnder In Barwig Klaus Beichel-Benedetti Stephan Brinkmann Gisbert (Hg) Hohen-heimer Tage zum Auslaumlnderrecht 2010 1 Auflage Baden-Baden Nomos Ver-lagsgesellschaft 163ndash186

Kaltenborn Markus (2015) Die Neufassung des Asylbewerberleistungsgesetzes und das Recht auf Gesundheit Neue Zeitschrift fuumlr Sozialrecht 24 (5) 161ndash165

Schuumllle Mirjam (2014) (K)eine gesundheitlich-medizinische Versorgung fuumlr Men-schen ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus In Soziale Sicherheit 2014 (10) 363ndash367

Wahrendorf Volker (2014) sect 4 AsylbLG In Grube Christian et al (Hg) SGB XII Sozialhilfe mit Asylbewerberleistungsgesetz Kommentar Muumlnchen Beck

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Aumlrztinnen und Aumlrzte uumlben ihren Beruf nach ihrem Gewissen den Geboten der aumlrztlichen Ethik und der Menschlichkeit aus Sie duumlrfen keine Grundsaumltze anerkennen und keine Vorschriften oder Anweisungen beachten die mit ihren Aufgaben nicht verein-bar sind oder deren Befolgung sie nicht verantworten koumlnnen Musterberufsordnung der Bundesaumlrztekammer

3 Humanitaumlre Problembeschreibung Strukturell bedingte medizinische Unterversorgung

Aufgrund ihres fehlenden aufenthaltsrechtlichen Status leben Menschen ohne Papiere in meist prekaumlren Situationen Die Schwierigkeit Rechte in Anspruch zu nehmen bedeutet einen Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe und hat Auswirkun-gen auf alle Bereiche des Lebens Leben ohne Rechte heiszligt Arbeitsbedingungen und -loumlhne koumlnnen schlecht verhandelt Wohnraum kann nicht offiziell gemietet Kinder nicht einfach in der Schule angemeldet und Gewalttaten nicht angezeigt wer-den Hinzu kommt der eingeschraumlnkte Zugang zur Gesund-heitsversorgung

Gesundheitsleistungen koumlnnen nur im Notfall und mit Hinder-nissen in Anspruch genommen werden Der Kontakt zum pro-fessionellen Gesundheitswesen wird nach Moumlglichkeit vermie-den Aumlrztliche Behandlung wird erst dann in Betracht gezogen wenn die Arbeitsfaumlhigkeit gravierend eingeschraumlnkt ist oder die Erkrankung lebensbedrohliche Ausmaszlige annimmt Das Auftre-ten gesundheitlicher Probleme bedeutet fuumlr Menschen ohne Papiere eine existenzbedrohende Situation in der es abzuwaumlgen gilt ob die gesundheitlichen Problemlagen es notwendig machen das Risiko der Statusaufdeckung und damit der Abschiebung einzugehen Kosten der Behandlung Unsicherheit daruumlber wo die notwendige Behandlung zu finden ist und Sprachbarrieren sind weitere Gruumlnde warum Hilfe nicht oder haumlufig zu spaumlt in Anspruch genommen wird Die Chronifizierung einer rechtzeitig heilbaren Behandlung wird damit in Kauf genommen

Findet eine medizinische Behandlung statt berichten Betrof-fene Aumlrztinnen und Unterstuumltzungs-Organisationen von Pro-blemen in der Kontinuitaumlt durch das Fehlen von Vorbefunden und unzureichende Uumlberweisungsmoumlglichkeiten Die Schwie-rigkeiten Krankheiten adaumlquat auszukurieren etwa durch unge-regelte Arbeitsverhaumlltnisse erschweren die Behandlung zusaumltz-

lich Nicht zuletzt ist die Versorgung von Spenden und ehrenamtlicher Taumltigkeit abhaumlngig Oft bleibt eine medizinische Versorgung ganz aus insbesondere notwendige langfristige Behandlungen bei chronischen Erkrankungen Auch Struktur-probleme wie Unsicherheiten hinsichtlich der Kostenuumlbernahme von Behandlungen etwa im Krankenhaus wirken sich negativ auf die Betroffenen aus

Im Uumlberblick ist davon auszugehen dass die Gruppe der Men-schen ohne Papiere im Prinzip das gleiche Krankheitsspektrum aufweist wie die Gesamtbevoumllkerung in Deutschland ndash jedoch bei einer signifikant schlechteren Lebenslage schlechteren Ver-sorgung und entsprechenden gesundheit lichen Konsequenzen Quantitative und qualitative Forschungsergebnisse legen eine Verschlechterung der Gesundheit durch ein Zusammenspiel von negativen sozialen Determinanten unsicherer Lebenssituation und schwierigem Zugang zur Gesundheitsversorgung nahe

Quellen und weiterfuumlhrende LiteraturBommes Michael Wilmes Maren (2007) Menschen ohne Papiere in Koumlln httpwwwstadt-koelndemediaassetcontentpdf56202pdf Koumlln

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Mylius Maren Bornschlegl Wiebke Frewer Andreas (Hg) (2011) Medizin fuumlr bdquoMenschen ohne Papiereldquo ndash Menschenrechte in der Praxis des Gesundheits-systems Goumlttingen V+R unipress

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Die medizinische Versorgung der Menschen ohne Papiere muss ohne das Risiko einer Meldung an die Auslaumlnderbehoumlrde moumlglich gemacht werden Entschlieszligung des 119 Deutschen Aumlrztetages Mai 2016

4 Uumlberblick Loumlsungsansaumltze Bundesweite Loumlsung oder lokale bdquoFlickenteppicheldquo

Die gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne Papiere findet derzeit zu groszligen Teilen kompensatorisch im Bereich des freiwilligen Engagements statt Konkrete Hilfeleistungen erfol-gen meist unentgeltlich innerhalb von Parallelstrukturen zum regulaumlren Gesundheitssystem Teils erfolgt medizinische Hilfe direkt in humanitaumlren Sprechstunden und Ambulanzen meist auf Spendenbasis oft ehrenamtlich oder durch Verbaumlnde bzw Kommunen organisiert (z B Malteser Migranten Medizin Aumlrzte der Welt Praxis ohne Grenzen) Teils werden Patientinnen infor-mell in ein lokal aufgebautes Netzwerk engagierter Praxen Krankenhaumluser etc vermittelt welche bereit sind unentgeltlich zu behandeln (z B durch Medi buumlrosMedinetze)

Diese jeweils lokal initiierten Parallelstrukturen sind uumlberregional weitgehend unkoordiniert und konzeptionell unterschiedlich Sie koumlnnen weder eine flaumlchendeckende noch eine gesicherte Ver-sorgung im Umfang des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Kran-kenversicherung anbieten und stellen somit keine strukturellen Loumlsungsansaumltze dar Es ist davon auszu gehen dass ein Groszligteil der Betroffenen in Deutschland weitgehend unversorgt ist

Mittel- und langfristiges Ziel muss es daher sein rechtlich kon-zeptionell strukturell und organisatorisch dafuumlr zu sorgen dass Menschen ohne Papiere einen ungehinderten und diskriminie-rungsfreien Zugang zum Gesundheitssystem erhalten Sie sollten im Umfang des GKV-Leistungskatalogs moumlglichst niedrigschwel-lig und wohnortnah versorgt werden Dazu ist es neben der Auf-hebung von Zugangsbarrieren fachlich notwendig dass sich das Gesundheitswesen insgesamt auf die Herausforderungen der Mig-ration einstellt z B durch Maszlig nahmen der interkulturellen Orga-nisationsentwicklung (Anti rassismus trainings in den Einrichtungen etc) Spezialisierte Zentren koumlnnen im Einzelfall sinnvoll sein z B fuumlr die Traumabehandlung sollten aber v a ebenfalls die Funktion haben ins Regelsystem zu vermitteln Der Aufbau paralleler Son-derstrukturen ist zu vermeiden Ergaumlnzende soziale und rechtliche Beratungsangebote sollten verbindlich zur Verfuumlgung stehen

Im Folgenden stellt die BAG das Spektrum gegenwaumlrtig diskutierter und umgesetzter Loumlsungsansaumltze vor Zunaumlchst wird eroumlrtert was auf rechtlicher Ebene moumlglich ist Anschlie-szligend werden in der Praxis bereits bestehende regionale Ansaumltze portraitiert und deren Vor- und Nachteile dargestellt

a) Rechtliche Moumlglichkeiten Der Gesetzgeber hat im Leistungsrecht (AsylbLG) den Rahmen der medizinischen Behandlungsmoumlglichkeiten fuumlr Menschen ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus festgelegt Eine entschei-

dende rechtliche Huumlrde des Zugangs zur Behandlung ist jedoch die behoumlrdliche Uumlbermittlungspflicht personenbezogener Daten des Sozialamtes an die Auslaumlnderbehoumlrde (sect 87 AufenthG) Damit eine humanitaumlr vertretbare Inanspruchnahme der Ver-sorgung sichergestellt wird ist eine grundsaumltzliche Einschraumln-kung dieser Uumlbermittlungspflichten geboten

Rechtlich werden dafuumlr zwei Moumlglichkeiten diskutiert Entwe-der werden einzelne Behoumlrden (u a Sozialbehoumlrden) aus der Uumlbermittlungspflicht herausgenommen ndash so der Gesetzentwurf aus dem Jahr 2006 von Buumlndnis 90Die Gruumlnen Oder der sect 87 wird grundlegend neu gefasst und die Uumlbermittlungspflicht auf solche Behoumlrden beschraumlnkt die die Aufgabe der Gefahren-abwehr Strafverfolgung oder Strafvollstreckung wahrnehmen ndash so der Gesetzesentwurf der SPD-Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2009

Zusaumltzlich dazu ist eine praxistaugliche und diskriminierungs-freie Loumlsung zur Verwirklichung des Menschen rechts auf Gesund-heit fuumlr alle Menschen zu suchen die gegenwaumlrtig eingeschraumlnkte Leistungen nach dem AsylbLG erhalten Eine Regelversorgung im vollen Umfang des Leistungskatalogs der gesetzlichen Kran-kenversicherung ist sicherzustellen Denn dieser definiert die medizinisch notwendigen Leistungen Das auch fuumlr Menschen ohne Papiere geltende Sondergesetz fuumlr Asylsuchende Gefluumlch-tete und Geduldete erfuumlllt diese Bedingung nicht Die viel fachen Verpflichtungen aus dem Sozialpakt und weiteren UN-Konventi-onen sind ins innerdeutsche Recht zu verankern

b) Regionale Ansaumltze Im Folgenden werden einige in der Praxis vorzufindende regi-onale Ansaumltze fuumlr eine verbesserte Gesundheitsversorgung skizziert (Ziel Konzept Umsetzungsstand Finanzierung) und jeweils daraufhin bewertet

ob sie konzeptionell darauf abzielen einen Zugang zum regu-laumlren Gesundheitssystem herzustellen bzw dies erreichen oder eine Sonderversorgung darstellen

ob sie das fachlich wuumlnschenswerte Kriterium eines flankie-renden sozialen und rechtlichen Beratungsangebots im Sinne einer freiwilligen und klientenorientierten Unterstuumltzungsleis-tung im geschuumltzten Rahmen erfuumlllen

inwieweit sie einen bedarfsgerechten Leistungsumfang nach dem GKV-Leistungskatalog ermoumlglichen und

ob sie langfristig und stabil etabliert sind

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Die folgenden unterschiedlichen Ansaumltze existieren in der Praxis teils in Kombination bzw ergaumlnzen sich

Der Anonymisierte Krankenschein (AK)

Ziel Ziel des Konzepts Anonymisierter Krankenschein ist es Menschen ohne Papiere ohne Angst vor Datenweitergabe an die Auslaumlnderbehoumlrde den regulaumlren Zugang zum Gesundheits-system zu ermoumlglichen so dass sie zu frei waumlhlbaren Aumlrztinnen gehen koumlnnen

Konzept Die derzeitige Praxis einer Krankenschein-Vergabe durch Mitarbeiterinnen des Sozialamts wird ersetzt Durch eine Vergabestelle die einen geschuumltzten Rahmen der Kranken-schein-Ausgabe ermoumlglicht d h vertraulich aufgesucht wer-den kann wird die Weitergabe der Daten unterbunden Zusaumltz-lich erhalten die Betroffenen die Moumlglichkeit zur Sozial- und Rechtsberatung um etwaige Legalisierungswege aufzuzeigen Nach diesem persoumlnlichen Erstkontakt erhalten die hilfesu-chenden Menschen wenn sie keinen rechtlichen Aufenthalts-titel haben und mittellos sind einen sogenannten Anonymisier-ten Krankenschein mit dem sie freien Zugang zu Arztpraxen des regulaumlren Gesundheitssystems erhalten

Umsetzungsstand Eine Umsetzung dieses Ansatzes findet in GoumlttingenHannover seit Anfang 2016 statt in Thuumlringen ist dies in Planung Hier sollen die Anonymisierten Krankenscheine evtl nicht nur von einer Vergabestelle ausgehaumlndigt werden koumlnnen sondern auch von Aumlrztinnen vor Ort um eine flaumlchendeckende Versorgung zu erreichen In beiden Regionen handelt es sich um zeitlich befristete Modellprojekte die in Abhaumlngigkeit von den aktuellen Haushaltsplaumlnen auf ein bis drei Jahre angesetzt sind und wissenschaftlich begleitet werden Initiator und Ver-handlungspartner der jeweiligen Landesregierungen und loka-len Akteure (u a Kassenaumlrztliche Vereinigungen) sind die loka-len NGOs die hier bisher unentgeltlich kompensatorisch taumltig sind und die noumltige Fachkompetenz aufweisen (Medinetze GoumlttingenHannover bzw Jena) Auch in Berlin ist im aktuellen Koalitionsvertrag der Landesregierung die Absichtserklaumlrung verankert einen Anonymisierten Krankenschein einzufuumlhren

In Hannover koumlnnen zurzeit uumlber den Anonymisierten Kranken-schein nur Behandlungen nach sect 4 AsylbLG abgerechnet werden In Thuumlringen wurde gerade der Leistungskatalog fuumlr die elektronische Gesundheitskarte festgelegt Der mit der elektronischen Gesundheitskarte abgerechnete Leistungsum-fang fuumlr Leistungsempfaumlngerinnen nach AsylbLG soll hier weit-gehend dem Leistungskatalog der GKV entsprechen Ob dies auch fuumlr den Anonymisierten Krankenschein gelten soll bleibt abzuwarten

Finanzierung Es sind grundsaumltzlich verschiedene Finanzie-rungsmoumlglichkeiten dieses Konzepts denkbar In den beiden genannten Regionen erfolgt sie gegenwaumlrtig durch einen Fonds (500000 EuroJahr in Goumlttingen Hannover 250000 EuroJahr in Thuumlringen) der vom jeweiligen Bundesland bereitgestellt und

durch die Vergabestelle verwaltet wird Ebenso moumlglich und wuumlnschenswerter waumlre eine dauerhafte Finanzierung uumlber einen festen Etat ohne Deckelung

Vor- und Nachteile

Zusammenfassend erscheint das Modell des Anonymisierten Krankenscheins unter den regionalen Ansaumltzen als bisher weit-reichendste Moumlglichkeit Menschen ohne Papiere den regulauml-ren Zugang zur medizinischen Versorgung in Deutschland zu ermoumlglichen

Zugang zum regulaumlren GesundheitssystemDas Konzept sieht die direkte Vermittlung in das regulaumlre Gesundheitssystem zu niedergelassenen Aumlrztinnen und dor-tiger Behandlung vor

Begleitende soziale und rechtliche BeratungDas fachlich unstrittige Kriterium flankierend zur medizinischen Behandlung routinemaumlszligig eine soziale und rechtliche Beratung anzubieten ist gegeben

LeistungsumfangIn der Praxis bestehen Begrenzungen des Anonymisierten Kran-kenscheins Die Modellprojekte sind auf begrenzte Personen-gruppen ausgerichtet sie bieten keinen umfassenden Zugang fuumlr alle vor Ort unterversorgten nicht versicherten Personen-gruppen (z B EU-Buumlrgerinnen) Zusaumltzlich bestehen bei eini-gen Modellprojekten Leistungseinschraumlnkungen im Sinne des sect 4 AsylbLG und aufgrund der gewaumlhlten Fondsfinanzierung deren Mittel beschraumlnkt sind

Humanitaumlre Sprechstunden

Ziel Humanitaumlre Sprechstunden werden in mehreren Staumldten angeboten (Bremen Bremerhaven Frankfurt a M Oldenburg Wies baden) um Menschen ohne Papiere Zugang zur Gesund-heitsversorgung zu ermoumlglichen Diese Sprechstunden sind Anlaufstellen die meist selbst eingeschraumlnkte medizinische Versorgung anbieten und an andere (Fach)aumlrztinnen weiter-vermitteln

Konzept Die anonyme und unentgeltliche allgemeinaumlrztliche Basisversorgung wird im oumlrtlichen Gesundheitsamt ange boten Zusaumltzlich kann an kooperierende Fachaumlrztinnen und in die stationaumlre Versorgung unentgeltlich oder kostenguumlnstig vermit-telt werden In Bremen kooperiert die Humanitaumlre Sprechstunde mit einer Clearingstelle der Inneren Mission die soziale aufent-haltsrechtliche Beratung anbietet In Frankfurt uumlbernimmt diese Aufgabe ein gemeinnuumltziger Verein

Quellenhttpswwwaerzteblattdenachrichten73069Modellprojekt-zur-medizinischen-Versorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

httpwwwmedinetz-hannoverdeindexphpnewsarchivanonymer-kranken-schein-ein-erster-schritthtml

httpmfhblogsportdeprojekteanonymisierter-krankenschein

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Umsetzungsstand Die Humanitaumlren Sprechstunden als direkte medizinische Versorgung und Vermittlung nichtversicherter Migrantinnen im Gesundheitsamt existieren seit 2001 in Frank-furt a M und seit 2009 in Bremen wo das Konzept uumlbernom-men und weiterentwickelt wurde

Es existieren auszligerdem in Wiesbaden und Oldenburg Huma-nitaumlre Sprechstunden die vorrangig Vermittlung zur medi-zinischen Behandlung anbieten und nicht in oumlffentlicher Trauml-gerschaft sind In Wiesbaden wird sie von pro familia der Diakonie und der Stadt Wiesbaden getragen wobei die Kos-ten in einem gewissen Umfang von Spenden finanziert wer-den und die Aumlrztinnen entweder ehrenamtlich oder zu einem geringeren Honorar arbeiten In Oldenburg kooperiert ein frei-gemeinuumltziger Traumlger mit dem oumlrtlichen Klinikum einer Apo-theke und ehrenamtlichen Aumlrztinnen Pflegerinnen und Unter-stuumltzerinnen

Finanzierung Die Humanitaumlren Sprechstunden werden teilweise oder vollstaumlndig mit oumlffentlichen Mitteln finanziert Fuumlr die in die-sen Sprechstunden arbeitenden Aumlrztinnen ist in der Regel eine Behandlungskostenabrechnung der Basisversorgung moumlglich wobei die Konzepte unterschiedlich sind Es steht jeweils ein gedeckelter Betrag fuumlr die Medikamentenversorgung und Kran-kenbehandlung auszligerhalb der Sprechstunde zur Verfuumlgung z B in Krankenhaumlusern

Vor- und Nachteile

Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem Humanitaumlre Sprechstunden ermoumlglichen fuumlr Menschen ohne Papiere einen niedrigschwelligen Zugang zu einer gesundheit-lichen Grundversorgung im Sinne einer Sonderversorgung Nicht zuletzt wird mit von oumlffentlicher Hand gefoumlrderten Ein-richtungen dieser Art von Seiten der Politik anerkannt dass es einen dringlichen Versorgungsbedarf gibt der eigentlich uumlber die Regelversorgung gedeckt werden muss Ein Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem kann mit diesen Sprechstunden nicht eroumlffnet werden

Begleitende soziale und rechtliche Beratung Der fachliche Standard einer flankierenden sozialrechtlichen Beratung wird teilweise erfuumlllt

Leistungsumfang und Langfristigkeit Es findet eine medizinisch eingeschraumlnkte Sonderversorgung statt Chronische Erkrankungen lassen sich oft nicht behan-deln Damit bleibt auch die Arbeit von ehrenamtlich kompen-sierenden Parallelstrukturen weiter notwendig

Es existieren in der Praxis finanzielle und personelle Einschraumln-kungen so dass die Humanitaumlren Sprechstunden gegenwaumlr-tig nur als Einstieg in eine zu entwickelnde Versorgungsstruk-tur aufgefasst werden koumlnnen

Exkurs Perspektiven des Oumlffentlichen Gesundheits-dienstes (OumlGD)

Die in die jeweiligen Gesundheitsaumlmter eingegliederten Huma-nitaumlren Sprechstunden in Bremen und Frankfurt a M sind derzeit kommunale Ausnahmen Sie verweisen auf die Rolle die der OumlGD bei der Versorgung von Menschen ohne Papiere angesichts seines gesetzlichen Auftrags flaumlchendeckend zu uumlbernehmen hat Neben dem GKV- und dem privataumlrztlich finanzierten ambulanten und stationaumlren Versorgungssystem werden dem OumlGD uumlber die entsprechenden Bundes- und Laumln-dergesetze spezifische Aufgaben zugewiesen insbesondere die Zustaumlndigkeit fuumlr die Gesundheit schlecht- bzw nichtver-sorgter Menschen3

Bereits jetzt ist der OumlGD komplementaumlr taumltig Durch das Infek-tionsschutzgesetz sind die Gesundheitsaumlmter nach sect 19 lfSG mit der Beratung Diag nostik und ambulanten Therapie bei sexuell uumlbertragbaren Krankheiten sowie Tuberkulose beauf-tragt Dies kann auch von Menschen ohne rechtlichen Auf-ent haltstitel in Anspruch genommen werden Zusaumltzlich koumlnnen nach sect 20 Abs 5 lfSG die obersten Landesgesundheitsbe-houmlrden bestimmen bdquodass die Gesundheitsaumlmter unentgeltlich Schutzimpfungen oder andere Maszlignahmen der spezi fischen Prophylaxe gegen bestimmte uumlbertragbare Krankheiten durch-fuumlhrenldquo In der Praxis exis tieren in einigen Gesundheits-aumlmtern Angebote bspw zur Schwangerenvorsorge oder Vor sorge untersuchungen von Kindern (z B Zentren fuumlr sexu-elle Gesundheit und Familien planung in den bezirk lichen Gesundheits aumlmtern in Berlin)

Als Moumlglichkeit einer bundesweiten Loumlsung koumlnnte ein Aus-bau dieser schon vorhandenen Strukturen gesehen werden indem die Gesundheitsaumlmter ihre Aufgaben systematisch auf die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere ausweiten Im Rahmen einer dafuumlr notwendigen umfassen-den Strukturreform ist der OumlGD als zentraler kommunaler Akteur fuumlr die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere zu staumlrken Er braucht Ressourcen und neue Kom-petenzen um einen aktuellen Uumlberblick uumlber lokal vorhan-dene ungedeckte Versorgungsbedarfe (systematische regi-onale Gesundheitsberichterstattung) und direkte Versorgung fuumlr de facto unversorgte Personen ggf auch aufsuchend bereitstellen zu koumlnnen Vor allem kann der OumlGD seiner Ver-antwortung durch die Koordination der lokalen Versorgung und die Vermittlung unversicherter Personen ins regulaumlre Gesundheitssystem nachkommen

3 Exemplarisch sei das OumlGD-Gesetz NRW zitiert (sect 4 Allgemeine Grundsaumltze der Leistungserbringung) bdquo(1) Soweit und solange die mediz-inisch-soziale Versorgung erforderlich jedoch nicht oder nicht rechtzeitig gewaumlhrleistet ist kann sie die untere Gesundheitsbehoumlrde im Benehmen mit primaumlr zustaumlndigen Handlungstraumlgern im Rahmen eigener Dienste und Einrichtungen erbringen Dies gilt insbesondere wenn Personen wegen ihres koumlrperlichen geistigen oder seelischen Zustandes oder aufgrund sozialer Umstaumlnde besonderer gesundheitlicher Fuumlrsorge beduumlrfen und diesem Bedarf nicht im Rahmen der uumlblichen Einrichtungen der gesund-heitlichen Versorgung entsprochen wirdldquo

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Clearingstellen

Ziel In verschiedenen Regionen existieren sogenannte Clea-ringstellen die offene Rechtsanspruchsfragen klaumlren und wenn moumlglich bei einer Vermittlung in das regulaumlre Gesundheitssys-tem helfen Dazu gehoumlren auch Fragen einer aufenthaltsrecht-lichen Legalisierung in Deutschland und der Sicherung der Finanzierung etwaiger Gesundheitsleistungen Sollte eine Ein-bindung nicht moumlglich sein wird an Stellen vermittelt die fuumlr Menschen ohne Papiere medizinische Versorgung unentgelt-lich anbieten koumlnnen

Konzept Die Clearingstellen stellen eine Kooperation zwischen Gesundheitsaumlmtern und unterschiedlichen freien Traumlgern dar Sie unterliegen der Schweigepflicht sodass eine Weitergabe der Daten nicht befuumlrchtet werden muss

Umsetzungsstand Bereits seit 1998 besteht in Muumlnchen eine Clearingstelle in enger Zusammenarbeit zwischen Stadt und freien Traumlgern (Malteser Migrantenmedizin Cafeacute 104 und Aumlrzte der Welt) Diese bereits laumlngerfristige Kooperation ermoumlglicht vor Ort bspw eine unkomplizierte Duldung schwangerer Frauen drei Monate vor und nach Geburt sodass neben der Versor-gung auch die Ausstellung der Geburtsurkunden fuumlr Kinder pro-blemlos durchgefuumlhrt werden kann In Hamburg wird seit 2015 eine Clearingstelle als dauerhaftes Projekt durch die Behoumlrde fuumlr Arbeit Soziales Familie und Integration gefoumlrdert In Duumls-seldorf wurde ebenfalls 2015 von der Stadt ein fuumlr drei Jahre finanziertes Modellprojekt bei einer lokalen NGO (MediNetz Stay Duumlsseldorfer Fluumlchtlingsinitiative) eingerichtet In Nord-rhein-Westfalen wurden seit Mitte 2016 fuumlnf Clearingstellen eroumlffnet (Koumlln Duisburg Dortmund Muumlnster Gelsenkirchen) die als Modellprojekte uumlber drei Jahre laufen und mit 25 Milli-onen Euro vom Land gefoumlrdert werden

Finanzierung Die Finanzierung der Clearingstellen erfolgt uumlber regional unterschiedliche (Notfalls-)Fonds teils (z B in Duumlssel-

dorf und Muumlnchen) werden weiterhin ehrenamtliche Leistungen von Aumlrztinnen erbracht Der von den Clearingstellen uumlbernom-mene Leistungsumfang bezieht sich in der Regel auf aumlrztliche und zahnaumlrztliche Leistungen gemaumlszlig sectsect 4 und 6 AsylbLG Teils z B in Hamburg werden Notfaumllle entsprechend der moumlglichen Finanzierung nach sect 25 SGB XII nicht uumlbernommen

Vor- und Nachteile

Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem und begleitende soziale und recht liche BeratungDie Staumlrke regionaler Clearingstellen liegt in der umfassenden sozialen und rechtlichen Beratung und dem Bemuumlhen einen Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem herzustellen Dies ist einer kompensatorischen Sonderversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere systematisch vorgeschaltet

LeistungsumfangDer Erfolg des Clearings ist jedoch daran zu messen ob fuumlr alle aufsuchenden Menschen eine adaumlquate Versorgung sicher-gestellt werden kann Dies ist jedoch in der Praxis z T nicht gegeben Fuumlr Menschen die nicht in die Regelversorgung ein-gegliedert werden koumlnnen kann im Rahmen von Notfallfonds oft eine Basisversorgung zur Verfuumlgung gestellt werden doch die Einschraumlnkungen nach AsylbLG bleiben bestehen Aufgrund der gedeckelten Fondsfinanzierung gelingt die Finanzierung kostspieliger Leistungen nur im Ausnahmefall Der Aufgaben-bereich ehrenamtlicher Arbeit in und mit Parallelstrukturen bleibt deshalb von groszliger Bedeutung

LangfristigkeitAuch die Clearingstellen sind oft Modellprojekte ihr Bestand ist nicht auf mehrere Jahre zugesichert Auch dieser Loumlsungs-ansatz erscheint gegenwaumlrtig eher als zoumlgerlich und instabil und stellt keine umfassende Problemloumlsung fuumlr die jeweilige Region dar

QuellenTiarks-Jungk Petra (oJ) Humanitaumlre Sprechstunde Medizinische Versorgung von Menschen mit ungeklaumlrtem Aufenthaltsstatus httpswwwjurauni-frank-furtde48622522Tjarks-Jungk_Humanitaere-Sprech-stunde-Mai-2013-1pdf

httpwwwgesundheitsamtbremendehumanitaere_sprechstunde-3655

httpwwwinneremission-bremendemigration_und_fluechtlingshilfehumani-taere_sprechstunde_clearing

httpswwwfrankfurtdesixcmsdetailphpid=2996amp_ffmpar[_id_inhalt]=6327770

QuellenAnderson Philip et al (2010) bdquoWir haben Sie nicht vergessen hellipldquo 10 Jahre Umgang mit Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus in der Landes-hauptstadt Muumlnchen Das Muumlnchner Modell httpwwwforum-illegalitaetdemediapool99993476dataMuenchen_Ergebnisse_2010pdf

Fluumlchtlingszentrum Hamburg (2015) Evaluationsbericht Clearingstelle Gesund-heitsversorgung Auslaumlnder httpwwwfz-hhdedownloadclearingstelle-mvClearingstelle_2015_Evaluationsbericht_Web_neupdf

httpwwwstadt-koelndeleben-in-koelngesundheitmigration-und-gesund-heit-clearingstelle

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5 Resuumlmee und Ausblick Bundesweite Sicher stellung einer bedarfs gerechten Versorgung fuumlr Menschen ohne Papiere

Die vorgestellten rechtlichen Optionen und regionalen Ansaumltze zeigen verschiedene moumlgliche Interventionen auf um die Gesundheitsversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere zu verbes-sern Seit der Bestandsaufnahme der BAG vor gut 10 Jahren hat sich weder die rechtliche Ausgangslage noch das humani-taumlre Problem wesentlich geaumlndert Ansaumltze zur verbesserten Gesundheitsversorgung sind insbesondere auf regionaler Ebene mit entsprechend begrenzter Reichweite entstanden Nach wie vor ist ein Groszligteil der Betroffenen gaumlnzlich unversorgt

Aus Sicht der BAG GesundheitIllegalitaumlt bedarf es einer bun-desweiten Loumlsung mit der umfassend die bedarfsgerechte Ver-sorgung von Menschen ohne Papiere sichergestellt wird Ohne eine rechtliche Nachjustierung und Aufhebung bundesrecht-licher Restriktionen auf Bundesebene koumlnnen die regionalen Interventionen nur Ausgleichsversuche darstellen Andererseits obliegt in Deutschland die konkrete Ausgestaltung der Gesund-heitsversorgung d h die Feststellung ungedeckter Bedarfe die Identifizierung von unversorgten Personengruppen und von Versorgungsluumlcken im Gesundheitssystem sowie eine entspre-chende integrierte Planung auch den regionalen politischen und fachlichen Akteuren auf Kommunen- und Laumlnderebene Diese sind durch den Verweis auf ndash im Sinne der Betroffenen ndash sicher notwendige Gesetzesaumlnderungen nicht aus ihrer Verant-wortung zu entlassen Gegenseitige Zustaumlndigkeitsverweise sind inakzeptabel

In der Uumlbersicht des sbquoFlickenteppichslsquo gegenwaumlrtiger regiona-ler Ansaumltze sieht die BAG GesundheitIllegalitaumlt vielverspre-chendes Potential fuumlr zukuumlnftige flaumlchendeckende Loumlsungen Fachlich sinnvoll ndash und gegenwaumlrtig bereits fachoumlffentlich diskutiert ndash scheint die Einfuumlhrung eines krankheitsunabhaumlngi-gen Anonymisierten Krankenscheins oder auch einer Anony-misierten Gesundheitskarte Wuumlnschenswert waumlren ebenfalls bundesweit flaumlchendeckend lokale Anlaufstellen durch den OumlGD oder freie Traumlger organisiert die diese Krankenscheine bzw Karten ausgeben vermittelnd ins regulaumlre Gesundheits-system taumltig sind und flankierend sozial und rechtlich beraten

Abschlieszligend weist die BAG darauf hin dass die skizzierte kom-pensierende Versorgung in Parallelstrukturen laumlngst nicht mehr nur die Menschen ohne Papiere betrifft Viele im Feld taumltige Ini-tiativen berichten seit Jahren dass ihre lokalen Anlaufstellen auch von anderen Personengruppen wachsenden Zulauf erhal-ten wie etwa von jenen EU-Buumlrgerinnen die trotz Freizuumlgig-keitsberechtigung keinen Krankenversicherungsschutz nach-weisen koumlnnen von Asylsuchenden im Zeitraum der Leistungsrestriktion der ersten 15 Monate des Aufenthalts und auch von Nicht-Versicherten ohne Migrationshintergrund Auch fuumlr diese Gruppen besteht dringender Handlungsbedarf Es gilt ein breites Spektrum unterschiedlicher Rechtslagen im Hinblick auf bestehende und nicht umgesetzte Leistungsanspruumlche in den Blick zu nehmen und ebenfalls durch bundesweite Loumlsun-gen zu verbessern ndash um das fuumlr alle Menschen gleichermaszligen geltende Recht auf eine regulaumlre Gesundheitsversorgung end-lich umzusetzen

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Literatur und weiterfuumlhrende Links

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Bundesaumlrztekammer (2016) Entschlieszligungen bdquoFluumlchtlinge in der medizinischen Versorgungldquo In 119 Deutscher Aumlrztetag 2016 Berlin 15ndash33

Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) (2015) Hinweise zur medi zinischen Versorgung von Fluumlchtlingen und Asylsuchenden in Krankenhaumlusern Stand November 2015 httpwwwdkgevdemediafile22105RS463-2015_Anlage_Gesundheitsversor-gung_von_Fluechtlingen_und_Asylsuchendenpdf

Falge Christine Fischer-Lescano Andreas Sieveking Klaus (Hg) (2009) Gesundheit in der Illegalitaumlt Baden-Baden Nomos

Fluumlchtlingsrat Berlin (oJ) Medi zinische Versorgung httpwwwfluechtlingsrat-berlindegesetzgebungphpMed

Fuumlhrer Amand Eichner Friederike (2015) Verloren im Raumlder-werk Eine interdisziplinaumlre Studie zur Gesundheit und medizi-nischer Versorgung von Asylsuchenden in Halle (Saale) httpwebuk-halledefileadminBereichsordnerVeranstaltungen2016Verloren-im-Raumlderwerk-1pdf

Katholisches Forum Leben in der Illegalitaumlt (2017) Positions-papier Forderung der Gewaumlhrleistung der Gesundheitsversor-gung fuumlr Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalitaumlt in Deutschland

Koumlszligler Melanie Mohr Tobias Habbe Heiko (2013) Aufenthalts-rechtliche Ille galitaumlt Beratungshandbuch 2013 3 aktualisierte und vollstaumlndig uumlberarbeitete Auflage Berlin Freiburg

Medizinische Fluumlchtlingshilfe Goumlttingen e V (oJ) Gesundheit fuumlr Gefluumlchtete Informationsportal von Medibuumlros Medinetzen httpgesundheit-gefluechteteinfo

Mylius Maren (2016) Die medizinische Versorgung von Men-schen ohne Papiere in Deutschland Studien zur Praxis in Gesund-heitsaumlmtern und Krankenhaumlusern Bielefeld Transcript

UN-Behindertenrechtskonvention httpswwwbehinderten-rechtskonventioninfo

UN-Frauenrechtskonvention httpswwwfrauenrechtskonven-tionde

UN-Kinderrechtskonvention httpswwwkinderrechtskonven-tioninfo

alle Internetquellen Stand 30032017

Kontakt Die Koordination der Bundesarbeitsgruppe GesundheitIllegalitaumlt liegt derzeit bei der Diakonie Deutschland

Ansprechperson Dr med Anja Dieterich MPH Grundsatzfragen der gesundheitlichen Versorgung Zentrum Gesundheit Rehabilitation und Pflege Telefon +49 (0)30 65211 1664 E-Mail anjadieterichdiakoniede

Diakonie Deutschland ndash Evangelischer Bundesverband Evangelisches Werk fuumlr Diakonie und Entwicklung e V Caroline-Michaelis-Str1 10115 Berlin wwwdiakoniede

Das vorliegende Arbeitspapier ist elektronisch abrufbar unter infodiakoniedegesundheitsversorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

Jesuit Refugee Service

Jesuiten Fluumlchtlingsdienst

Kampagne von MedibuumlrosMedinetzen

Gesundheitfuumlr Gefluumlchtete

Medizinische Fluumlchtlingshilfe fuumlr Menschen ohne Krankenversicherungsschutz

MediNetz Bielefeld

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Ich werde mich bei der Erfuumlllung meiner aumlrztlichen Pflichten meiner Patientin oder meinem Patienten gegenuumlber nicht durch Alter Krankheit oder Behinderung Glaube ethnische Herkunft Geschlecht Staatsangehoumlrigkeit politische Zugehoumlrigkeit Rasse sexu-elle Orientierung soziale Stellung oder durch andere Faktoren beeinflussen lassen Genfer Geloumlbnis ndash in Anlehnung an den Hippokratischen Eid vom Weltaumlrztebund 1948 beschlossene Neufassung der aumlrztliche Berufspflichten

1 Einleitung Dringlicher Handlungsbedarf fuumlr Menschen ohne Papiere

Das deutsche Grundgesetz mit seinem Bekenntnis zu unver-letzlichen und unveraumluszligerlichen Menschenrechten verpflichtet Staat und Gesellschaft einen ungehinderten Zugang zu einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung fuumlr die gesamte Bevoumllkerung sicherzustellen einschlieszliglich sozialer Gruppen in besonders prekaumlren Lebenslagen

Fuumlr Menschen ohne Papiere ist dieser ungehinderte Zugang zu medizinischer Versorgung de facto nicht gewaumlhrleistet Ins-besondere ist die Finanzierung ihrer Gesundheitsversorgung ungesichert Bei Inanspruchnahme von Sozialleistungen dro-hen die Meldung an die Auslaumlnderbehoumlrde und die Abschie-bung Der Staat wird diesen Personen gegenuumlber seiner Pflicht nicht gerecht mit aktiven Maszlignahmen sicherzustellen dass alle Menschen sanktionslos von ihren grundlegenden Rech-ten insbesondere dem Menschenrecht auf Gesundheit Gebrauch machen koumlnnen

Vor diesem Hintergrund ist im Maumlrz 2006 die Bundesarbeits-gruppe GesundheitIllegalitaumlt (BAG) ins Leben gerufen worden In ihr haben sich Sachverstaumlndige aus der Wissenschaft der medizinischen Praxis aus Kirchen Wohlfahrtsverbaumlnden Kom-munen und nichtstaatlichen Organisationen zusammen gefunden Die BAG hat sich zur Aufgabe gemacht in der Oumlffentlichkeit und in der politischen Diskussion fuumlr einen diskriminierungs-freien Zugang zum Gesundheitssystem im Umfang des Leis-tungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V) fuumlr Menschen ohne Papiere einzutreten

Dieses Anliegen und das zugrundeliegende humanitaumlre Prob-lem sind nicht neu Bereits vor zehn Jahren hat die BAG Gesund-heitIllegalitaumlt hier dringlichen Handlungsbedarf gesehen und im Jahr 2007 in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut fuumlr Menschenrechte mit dem Bericht bdquoFrauen Maumlnner und Kin-der ohne Papiere in Deutschland ndash Ihr Recht auf Gesundheitldquo eine Problembeschreibung und moumlgliche Loumlsungsansaumltze for-muliert und oumlffentlich diskutiert1

Seither sind in einigen wenigen Lebensbereichen der Betroffenen rechtliche und strukturelle Aumlnderungen vorgenommen worden die es Menschen ohne Papiere etwas erleichtern ihr Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu verwirklichen In einigen Regionen gab es erste positive Veraumlnderungen in Bezug auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung Im Bildungs bereich fuumlhrte die Aufhebung der Uumlbermittlungspflicht fuumlr Schulen und Erziehungseinrichtun gen zu einer substantiellen Verbesserung der Lebenssituation von Menschen ohne Papiere Letzteres laumlsst hof-fen dass per spektivisch auch im Gesundheitsbereich Aumlhnliches erreicht werden kann Insgesamt hat der gesellschafts politische Diskurs um Menschen ohne Papiere in den letz ten Jahren zuge-nommen nicht zuletzt weil sich zivilgesell schaftliche Initiativen Wohlfahrts- und Fachverbaumlnde die Politik die Wissenschaft und die Medien des Themas verstaumlrkt angenommen haben

Trotz dieser partiell positiven Entwicklungen ist es fuumlr Men-schen ohne Papiere in Deutschland weiterhin schwierig ihren Rechtsanspruch auf Zugang zur Gesundheitsversorgung umzu-setzen Die faktischen Einschraumlnkungen des Rechts reichen dabei von eklatanten Defiziten in der ambulanten Versorgung bis zur Verweigerung von stationaumlrer und Notfallversorgung aus Kostengruumlnden Die in 2007 identifizierte bdquostrukturell bedingte medizinische Unterversorgungldquo hat also nach wie vor Bestand In der Fachoumlffentlichkeit wird weiterhin dringlicher Handlungs-bedarf gesehen Die aktuell vorgenommenen Restriktionen der Asylgesetze werden aller Voraussicht nach zu einer weiteren Zunahme von Menschen ohne Papiere in Deutschland fuumlhren

Vor diesem Hintergrund nimmt die BAG GesundheitIllegalitaumlt mit dem vorliegenden Arbeitspapier eine aktualisierte Bestands-aufnahme der rechtlichen Ausgangslage (Kap 2) des vorlie-genden humanitaumlren Problems (Kap 3) und moumlglicher Loumlsungs-ansaumltze (Kap 4) vor

1 httpwwwinstitut-fuer-menschenrechtedepublikationenshowfrauen-maenner-und-kinder-ohne-papiere-in-deutschland-ihr-recht-auf-gesundheit

Auch in Deutschland leben Menschen die keinen oder einen erschwerten Zugang zum Gesundheitssystem haben Betrof-fen sind Menschen ohne Papiere aber auch Deutsche ohne Krankenversicherung Asylsuchende und in zunehmendem Maszlige EU-Buumlrgerinnen die keinen Krankenversicherungs-schutz nachweisen koumlnnen Diese Menschen werden im Moment unvollstaumlndig ndash und meist unentgeltlich ndash in huma-nitaumlren Parallelstrukturen zum Gesundheitssystem versorgt obwohl sie uumlber rechtliche Leistungsanspruumlche verfuumlgen Die BAG GesundheitIllegalitaumlt konzentriert sich in diesem Arbeitspapier insbesondere auf die Problemstellungen und Loumlsungsansaumltze fuumlr Menschen ohne Papiere Von den vor-geschlagenen Maszlignahmen wuumlrden alle genannten Perso-nengruppen profitieren Ziel muss es sein den Zugang zur medizinischen Versorgung fuumlr alle Menschen in Deutschland zu verbessern ndash ohne Ruumlcksicht auf ihren Aufenthaltsstatus oder ihr Einkommen

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Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf das fuumlr ihn erreichbare Houmlchstmaszlig an koumlrperlicher und geistiger Gesund-heit an Die von den Vertragsstaaten zu unternehmenden Schritte zur vollen Verwirklichung dieses Rechts umfassen die erfor-derlichen Maszlignahmen (hellip) zur Schaffung der Voraussetzungen die fuumlr jedermann im Krankheitsfall den Genuss medizinischer Einrichtungen und aumlrztlicher Betreuung sicherstellen Artikel 12 UN-Sozialpakt

2 Rechtliche Ausgangslage Faktische Einschraumlnkungen des Rechts auf Gesundheit

Die Bundesrepublik Deutschland hat eine Vielzahl internatio-naler Abkommen unterzeichnet mit denen die Sicherstellung des Rechts auf Gesundheit und des Zugangs zum Gesund-heitssystem fuumlr alle Menschen ndash unabhaumlngig von ihrem Aufent-haltsstatus ndash anerkannt wird Zu nennen sind u a der Interna-tionale Pakt uumlber wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte (sog UN-Sozialpakt) die Kinderrechtskonvention die UN- Frauen rechtskonvention sowie die UN-Behindertenrechts-konvention Nicht zuletzt ergibt sich ein Anspruch auf eine medi-zinische Grundversorgung aus der Verfassung mit der Gewaumlhrleistung eines menschenwuumlrdigen Existenzminimums und dem Recht auf Leben und koumlrperliche Unversehrtheit Diese rechtlichen Verankerungen gelten fuumlr alle Menschen keine ent-haumllt eine Einschraumlnkung der Personengruppe z B nach Sta-tus Aufenthaltsgenehmigung oder Migrationshintergrund

In Deutschland ist die Versorgung fuumlr Menschen ohne recht-lichen Aufenthaltsstatus dennoch beschraumlnkt auf die Behand-lung akuter Erkrankungen und Schmerzzustaumlnde sowie die Ver-sorgung bei Schwangerschaft (sect 1 Abs 1 Nr 5 i V m sectsect 1a und 4 AsylbLG 2) Fuumlr die Inanspruchnahme der Leistung ist ein Antrag auf Ausgabe eines Krankenscheines bei der zustaumln-digen Sozialbehoumlrde zu stellen

Eine weitere zentrale Huumlrde in dem Verfahren ist die sog Beduumlrf-tigkeitspruumlfung durch die Sozialaumlmter Es muumlssen umfangrei-che Papiere aufgebracht werden was fuumlr Menschen ohne recht-lichen Aufenthaltsstatus meist nicht moumlglich ist bspw Kontoauszuumlge Mietvertragskopien Kopien des Passes Zudem ist mit dem Verfahren ein hoher Verwaltungsaufwand fuumlr die Krankenhausverwaltung Sozial- und Auslaumlnderbehoumlrde ver-bunden der mit einer hohen erforderlichen Sachkenntnis ein-hergeht Aus den humanitaumlren Parallelstrukturen zum Gesund-heitssystem ist bekannt dass die Umsetzung dieses Anspruchs sehr schwerfaumlllig ist Es bestehen rechtliche Unsicherheiten

2 Grundsaumltzlich ist kritisch zu hinterfragen inwiefern die Minimalver-sorgung laut den sectsect 4 und 6 des AsylbLG dem verfassungsrechtlichen Schutzstandard generell entspricht Eine im Wesentlichen auf medizinische Versorgung von Notfaumlllen reduzierte Krankenversorgung steht nicht im Einklang mit der vom Bundesverfassungsgericht benannten Pflicht sich schuumltzend und foumlrdernd vor die Rechtsguumlter auf Leben und koumlrper liche Unversehrtheit eines jeden Menschen (Art 1 I Art 2 II 1 GG) zu stellen Die Forderung des BverfG (vom 18072012 Az 1 BVerfG 1010) besagt dass geringere Leistungen nur durch einen geringeren Bedarf zu rechtfer-tigen sind Es ist empirisch nicht begruumlndbar weshalb Menschen die Asyl suchen und die ihnen gleich gestellten Menschen ohne Papiere per se gerin-gerer gesundheitlicher Versorgung beduumlrfen sollten als andere Menschen

Erfaumlhrt das Sozialamt in dem Zusammenhang dass kein erfor-derlicher Aufenthaltstitel besteht ist es nach sect 87 Abs 2 Nr 1 AufenthG verpflichtet die Auslaumlnderbehoumlrde zu informieren Dies verhindert insbesondere eine ambulante Versorgung Im medizinischen Eilfall soll die Versorgung sichergestellt sein ohne das zuvor ein Krankenschein beantragt werden muss Die Kosten werden vom Sozialamt an das Krankenhaus nach sect 6 a AsylbLG ruumlckwirkend erstattet In diesem Fall gilt ein bdquoverlaumln-gerter Geheimnisschutzldquo uumlber die aumlrztliche Schweigepflicht hin-aus nicht nur fuumlr medizinisches Personal sondern auch fuumlr Ver-waltungsmitarbeitende im Krankenhaus und fuumlr Angestellte der Sozialaumlmter Es duumlrfen keine Informationen uumlber die Person an die Auslaumlnderbehoumlrde oder Polizei gemeldet werden Was als medizinischer Eilfall definiert wird ist jedoch je nach Bundes-land und Kommune sehr unterschiedlich Hinzu kommt dass die zugehoumlrige Verwaltungsvorschrift die die Uumlbermittlungs-pflichten eingrenzt (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Auf-enthG GMBL Nr 42ndash61 vom 30102009) unzureichend bekannt ist Die Durchsetzung des Anspruchs der Krankenhaumluser auf Ruumlckerstattung der Kosten gelingt haumlufig nicht Krankenhaus-verwaltungen uumlben daher teilweise Druck auf die Patientinnen und Angehoumlrigen aus die Behandlungskosten privat zu tragen

Es bleibt festzuhalten dass lediglich derjenige Anspruch auf Kran kenbehandlung als medizinisch geboten gelten kann der notwendig ist um eine Krankheit zu erkennen zu heilen ihre Ver-schlimmerung zu verhuumlten oder Krankheitsbeschwerden zu lin-dern (vgl sect 27 SGB V) Entsprechend ist auch fuumlr Menschen ohne Papiere ein ungehinderter Leistungsanspruch im Umfang des das medizinisch Notwendige definierenden Leistungs katalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung zu gewaumlhr leisten

Quellen und weiterfuumlhrende Literatur Eichenhofer Eberhard (2013) Gesundheitsleistungen fuumlr Fluumlchtlinge In Zeit-schrift fuumlr Auslaumlnderrecht und Auslaumlnderpolitik 33 (56) 169ndash174

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Wahrendorf Volker (2014) sect 4 AsylbLG In Grube Christian et al (Hg) SGB XII Sozialhilfe mit Asylbewerberleistungsgesetz Kommentar Muumlnchen Beck

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Aumlrztinnen und Aumlrzte uumlben ihren Beruf nach ihrem Gewissen den Geboten der aumlrztlichen Ethik und der Menschlichkeit aus Sie duumlrfen keine Grundsaumltze anerkennen und keine Vorschriften oder Anweisungen beachten die mit ihren Aufgaben nicht verein-bar sind oder deren Befolgung sie nicht verantworten koumlnnen Musterberufsordnung der Bundesaumlrztekammer

3 Humanitaumlre Problembeschreibung Strukturell bedingte medizinische Unterversorgung

Aufgrund ihres fehlenden aufenthaltsrechtlichen Status leben Menschen ohne Papiere in meist prekaumlren Situationen Die Schwierigkeit Rechte in Anspruch zu nehmen bedeutet einen Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe und hat Auswirkun-gen auf alle Bereiche des Lebens Leben ohne Rechte heiszligt Arbeitsbedingungen und -loumlhne koumlnnen schlecht verhandelt Wohnraum kann nicht offiziell gemietet Kinder nicht einfach in der Schule angemeldet und Gewalttaten nicht angezeigt wer-den Hinzu kommt der eingeschraumlnkte Zugang zur Gesund-heitsversorgung

Gesundheitsleistungen koumlnnen nur im Notfall und mit Hinder-nissen in Anspruch genommen werden Der Kontakt zum pro-fessionellen Gesundheitswesen wird nach Moumlglichkeit vermie-den Aumlrztliche Behandlung wird erst dann in Betracht gezogen wenn die Arbeitsfaumlhigkeit gravierend eingeschraumlnkt ist oder die Erkrankung lebensbedrohliche Ausmaszlige annimmt Das Auftre-ten gesundheitlicher Probleme bedeutet fuumlr Menschen ohne Papiere eine existenzbedrohende Situation in der es abzuwaumlgen gilt ob die gesundheitlichen Problemlagen es notwendig machen das Risiko der Statusaufdeckung und damit der Abschiebung einzugehen Kosten der Behandlung Unsicherheit daruumlber wo die notwendige Behandlung zu finden ist und Sprachbarrieren sind weitere Gruumlnde warum Hilfe nicht oder haumlufig zu spaumlt in Anspruch genommen wird Die Chronifizierung einer rechtzeitig heilbaren Behandlung wird damit in Kauf genommen

Findet eine medizinische Behandlung statt berichten Betrof-fene Aumlrztinnen und Unterstuumltzungs-Organisationen von Pro-blemen in der Kontinuitaumlt durch das Fehlen von Vorbefunden und unzureichende Uumlberweisungsmoumlglichkeiten Die Schwie-rigkeiten Krankheiten adaumlquat auszukurieren etwa durch unge-regelte Arbeitsverhaumlltnisse erschweren die Behandlung zusaumltz-

lich Nicht zuletzt ist die Versorgung von Spenden und ehrenamtlicher Taumltigkeit abhaumlngig Oft bleibt eine medizinische Versorgung ganz aus insbesondere notwendige langfristige Behandlungen bei chronischen Erkrankungen Auch Struktur-probleme wie Unsicherheiten hinsichtlich der Kostenuumlbernahme von Behandlungen etwa im Krankenhaus wirken sich negativ auf die Betroffenen aus

Im Uumlberblick ist davon auszugehen dass die Gruppe der Men-schen ohne Papiere im Prinzip das gleiche Krankheitsspektrum aufweist wie die Gesamtbevoumllkerung in Deutschland ndash jedoch bei einer signifikant schlechteren Lebenslage schlechteren Ver-sorgung und entsprechenden gesundheit lichen Konsequenzen Quantitative und qualitative Forschungsergebnisse legen eine Verschlechterung der Gesundheit durch ein Zusammenspiel von negativen sozialen Determinanten unsicherer Lebenssituation und schwierigem Zugang zur Gesundheitsversorgung nahe

Quellen und weiterfuumlhrende LiteraturBommes Michael Wilmes Maren (2007) Menschen ohne Papiere in Koumlln httpwwwstadt-koelndemediaassetcontentpdf56202pdf Koumlln

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Die medizinische Versorgung der Menschen ohne Papiere muss ohne das Risiko einer Meldung an die Auslaumlnderbehoumlrde moumlglich gemacht werden Entschlieszligung des 119 Deutschen Aumlrztetages Mai 2016

4 Uumlberblick Loumlsungsansaumltze Bundesweite Loumlsung oder lokale bdquoFlickenteppicheldquo

Die gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne Papiere findet derzeit zu groszligen Teilen kompensatorisch im Bereich des freiwilligen Engagements statt Konkrete Hilfeleistungen erfol-gen meist unentgeltlich innerhalb von Parallelstrukturen zum regulaumlren Gesundheitssystem Teils erfolgt medizinische Hilfe direkt in humanitaumlren Sprechstunden und Ambulanzen meist auf Spendenbasis oft ehrenamtlich oder durch Verbaumlnde bzw Kommunen organisiert (z B Malteser Migranten Medizin Aumlrzte der Welt Praxis ohne Grenzen) Teils werden Patientinnen infor-mell in ein lokal aufgebautes Netzwerk engagierter Praxen Krankenhaumluser etc vermittelt welche bereit sind unentgeltlich zu behandeln (z B durch Medi buumlrosMedinetze)

Diese jeweils lokal initiierten Parallelstrukturen sind uumlberregional weitgehend unkoordiniert und konzeptionell unterschiedlich Sie koumlnnen weder eine flaumlchendeckende noch eine gesicherte Ver-sorgung im Umfang des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Kran-kenversicherung anbieten und stellen somit keine strukturellen Loumlsungsansaumltze dar Es ist davon auszu gehen dass ein Groszligteil der Betroffenen in Deutschland weitgehend unversorgt ist

Mittel- und langfristiges Ziel muss es daher sein rechtlich kon-zeptionell strukturell und organisatorisch dafuumlr zu sorgen dass Menschen ohne Papiere einen ungehinderten und diskriminie-rungsfreien Zugang zum Gesundheitssystem erhalten Sie sollten im Umfang des GKV-Leistungskatalogs moumlglichst niedrigschwel-lig und wohnortnah versorgt werden Dazu ist es neben der Auf-hebung von Zugangsbarrieren fachlich notwendig dass sich das Gesundheitswesen insgesamt auf die Herausforderungen der Mig-ration einstellt z B durch Maszlig nahmen der interkulturellen Orga-nisationsentwicklung (Anti rassismus trainings in den Einrichtungen etc) Spezialisierte Zentren koumlnnen im Einzelfall sinnvoll sein z B fuumlr die Traumabehandlung sollten aber v a ebenfalls die Funktion haben ins Regelsystem zu vermitteln Der Aufbau paralleler Son-derstrukturen ist zu vermeiden Ergaumlnzende soziale und rechtliche Beratungsangebote sollten verbindlich zur Verfuumlgung stehen

Im Folgenden stellt die BAG das Spektrum gegenwaumlrtig diskutierter und umgesetzter Loumlsungsansaumltze vor Zunaumlchst wird eroumlrtert was auf rechtlicher Ebene moumlglich ist Anschlie-szligend werden in der Praxis bereits bestehende regionale Ansaumltze portraitiert und deren Vor- und Nachteile dargestellt

a) Rechtliche Moumlglichkeiten Der Gesetzgeber hat im Leistungsrecht (AsylbLG) den Rahmen der medizinischen Behandlungsmoumlglichkeiten fuumlr Menschen ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus festgelegt Eine entschei-

dende rechtliche Huumlrde des Zugangs zur Behandlung ist jedoch die behoumlrdliche Uumlbermittlungspflicht personenbezogener Daten des Sozialamtes an die Auslaumlnderbehoumlrde (sect 87 AufenthG) Damit eine humanitaumlr vertretbare Inanspruchnahme der Ver-sorgung sichergestellt wird ist eine grundsaumltzliche Einschraumln-kung dieser Uumlbermittlungspflichten geboten

Rechtlich werden dafuumlr zwei Moumlglichkeiten diskutiert Entwe-der werden einzelne Behoumlrden (u a Sozialbehoumlrden) aus der Uumlbermittlungspflicht herausgenommen ndash so der Gesetzentwurf aus dem Jahr 2006 von Buumlndnis 90Die Gruumlnen Oder der sect 87 wird grundlegend neu gefasst und die Uumlbermittlungspflicht auf solche Behoumlrden beschraumlnkt die die Aufgabe der Gefahren-abwehr Strafverfolgung oder Strafvollstreckung wahrnehmen ndash so der Gesetzesentwurf der SPD-Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2009

Zusaumltzlich dazu ist eine praxistaugliche und diskriminierungs-freie Loumlsung zur Verwirklichung des Menschen rechts auf Gesund-heit fuumlr alle Menschen zu suchen die gegenwaumlrtig eingeschraumlnkte Leistungen nach dem AsylbLG erhalten Eine Regelversorgung im vollen Umfang des Leistungskatalogs der gesetzlichen Kran-kenversicherung ist sicherzustellen Denn dieser definiert die medizinisch notwendigen Leistungen Das auch fuumlr Menschen ohne Papiere geltende Sondergesetz fuumlr Asylsuchende Gefluumlch-tete und Geduldete erfuumlllt diese Bedingung nicht Die viel fachen Verpflichtungen aus dem Sozialpakt und weiteren UN-Konventi-onen sind ins innerdeutsche Recht zu verankern

b) Regionale Ansaumltze Im Folgenden werden einige in der Praxis vorzufindende regi-onale Ansaumltze fuumlr eine verbesserte Gesundheitsversorgung skizziert (Ziel Konzept Umsetzungsstand Finanzierung) und jeweils daraufhin bewertet

ob sie konzeptionell darauf abzielen einen Zugang zum regu-laumlren Gesundheitssystem herzustellen bzw dies erreichen oder eine Sonderversorgung darstellen

ob sie das fachlich wuumlnschenswerte Kriterium eines flankie-renden sozialen und rechtlichen Beratungsangebots im Sinne einer freiwilligen und klientenorientierten Unterstuumltzungsleis-tung im geschuumltzten Rahmen erfuumlllen

inwieweit sie einen bedarfsgerechten Leistungsumfang nach dem GKV-Leistungskatalog ermoumlglichen und

ob sie langfristig und stabil etabliert sind

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Die folgenden unterschiedlichen Ansaumltze existieren in der Praxis teils in Kombination bzw ergaumlnzen sich

Der Anonymisierte Krankenschein (AK)

Ziel Ziel des Konzepts Anonymisierter Krankenschein ist es Menschen ohne Papiere ohne Angst vor Datenweitergabe an die Auslaumlnderbehoumlrde den regulaumlren Zugang zum Gesundheits-system zu ermoumlglichen so dass sie zu frei waumlhlbaren Aumlrztinnen gehen koumlnnen

Konzept Die derzeitige Praxis einer Krankenschein-Vergabe durch Mitarbeiterinnen des Sozialamts wird ersetzt Durch eine Vergabestelle die einen geschuumltzten Rahmen der Kranken-schein-Ausgabe ermoumlglicht d h vertraulich aufgesucht wer-den kann wird die Weitergabe der Daten unterbunden Zusaumltz-lich erhalten die Betroffenen die Moumlglichkeit zur Sozial- und Rechtsberatung um etwaige Legalisierungswege aufzuzeigen Nach diesem persoumlnlichen Erstkontakt erhalten die hilfesu-chenden Menschen wenn sie keinen rechtlichen Aufenthalts-titel haben und mittellos sind einen sogenannten Anonymisier-ten Krankenschein mit dem sie freien Zugang zu Arztpraxen des regulaumlren Gesundheitssystems erhalten

Umsetzungsstand Eine Umsetzung dieses Ansatzes findet in GoumlttingenHannover seit Anfang 2016 statt in Thuumlringen ist dies in Planung Hier sollen die Anonymisierten Krankenscheine evtl nicht nur von einer Vergabestelle ausgehaumlndigt werden koumlnnen sondern auch von Aumlrztinnen vor Ort um eine flaumlchendeckende Versorgung zu erreichen In beiden Regionen handelt es sich um zeitlich befristete Modellprojekte die in Abhaumlngigkeit von den aktuellen Haushaltsplaumlnen auf ein bis drei Jahre angesetzt sind und wissenschaftlich begleitet werden Initiator und Ver-handlungspartner der jeweiligen Landesregierungen und loka-len Akteure (u a Kassenaumlrztliche Vereinigungen) sind die loka-len NGOs die hier bisher unentgeltlich kompensatorisch taumltig sind und die noumltige Fachkompetenz aufweisen (Medinetze GoumlttingenHannover bzw Jena) Auch in Berlin ist im aktuellen Koalitionsvertrag der Landesregierung die Absichtserklaumlrung verankert einen Anonymisierten Krankenschein einzufuumlhren

In Hannover koumlnnen zurzeit uumlber den Anonymisierten Kranken-schein nur Behandlungen nach sect 4 AsylbLG abgerechnet werden In Thuumlringen wurde gerade der Leistungskatalog fuumlr die elektronische Gesundheitskarte festgelegt Der mit der elektronischen Gesundheitskarte abgerechnete Leistungsum-fang fuumlr Leistungsempfaumlngerinnen nach AsylbLG soll hier weit-gehend dem Leistungskatalog der GKV entsprechen Ob dies auch fuumlr den Anonymisierten Krankenschein gelten soll bleibt abzuwarten

Finanzierung Es sind grundsaumltzlich verschiedene Finanzie-rungsmoumlglichkeiten dieses Konzepts denkbar In den beiden genannten Regionen erfolgt sie gegenwaumlrtig durch einen Fonds (500000 EuroJahr in Goumlttingen Hannover 250000 EuroJahr in Thuumlringen) der vom jeweiligen Bundesland bereitgestellt und

durch die Vergabestelle verwaltet wird Ebenso moumlglich und wuumlnschenswerter waumlre eine dauerhafte Finanzierung uumlber einen festen Etat ohne Deckelung

Vor- und Nachteile

Zusammenfassend erscheint das Modell des Anonymisierten Krankenscheins unter den regionalen Ansaumltzen als bisher weit-reichendste Moumlglichkeit Menschen ohne Papiere den regulauml-ren Zugang zur medizinischen Versorgung in Deutschland zu ermoumlglichen

Zugang zum regulaumlren GesundheitssystemDas Konzept sieht die direkte Vermittlung in das regulaumlre Gesundheitssystem zu niedergelassenen Aumlrztinnen und dor-tiger Behandlung vor

Begleitende soziale und rechtliche BeratungDas fachlich unstrittige Kriterium flankierend zur medizinischen Behandlung routinemaumlszligig eine soziale und rechtliche Beratung anzubieten ist gegeben

LeistungsumfangIn der Praxis bestehen Begrenzungen des Anonymisierten Kran-kenscheins Die Modellprojekte sind auf begrenzte Personen-gruppen ausgerichtet sie bieten keinen umfassenden Zugang fuumlr alle vor Ort unterversorgten nicht versicherten Personen-gruppen (z B EU-Buumlrgerinnen) Zusaumltzlich bestehen bei eini-gen Modellprojekten Leistungseinschraumlnkungen im Sinne des sect 4 AsylbLG und aufgrund der gewaumlhlten Fondsfinanzierung deren Mittel beschraumlnkt sind

Humanitaumlre Sprechstunden

Ziel Humanitaumlre Sprechstunden werden in mehreren Staumldten angeboten (Bremen Bremerhaven Frankfurt a M Oldenburg Wies baden) um Menschen ohne Papiere Zugang zur Gesund-heitsversorgung zu ermoumlglichen Diese Sprechstunden sind Anlaufstellen die meist selbst eingeschraumlnkte medizinische Versorgung anbieten und an andere (Fach)aumlrztinnen weiter-vermitteln

Konzept Die anonyme und unentgeltliche allgemeinaumlrztliche Basisversorgung wird im oumlrtlichen Gesundheitsamt ange boten Zusaumltzlich kann an kooperierende Fachaumlrztinnen und in die stationaumlre Versorgung unentgeltlich oder kostenguumlnstig vermit-telt werden In Bremen kooperiert die Humanitaumlre Sprechstunde mit einer Clearingstelle der Inneren Mission die soziale aufent-haltsrechtliche Beratung anbietet In Frankfurt uumlbernimmt diese Aufgabe ein gemeinnuumltziger Verein

Quellenhttpswwwaerzteblattdenachrichten73069Modellprojekt-zur-medizinischen-Versorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

httpwwwmedinetz-hannoverdeindexphpnewsarchivanonymer-kranken-schein-ein-erster-schritthtml

httpmfhblogsportdeprojekteanonymisierter-krankenschein

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Umsetzungsstand Die Humanitaumlren Sprechstunden als direkte medizinische Versorgung und Vermittlung nichtversicherter Migrantinnen im Gesundheitsamt existieren seit 2001 in Frank-furt a M und seit 2009 in Bremen wo das Konzept uumlbernom-men und weiterentwickelt wurde

Es existieren auszligerdem in Wiesbaden und Oldenburg Huma-nitaumlre Sprechstunden die vorrangig Vermittlung zur medi-zinischen Behandlung anbieten und nicht in oumlffentlicher Trauml-gerschaft sind In Wiesbaden wird sie von pro familia der Diakonie und der Stadt Wiesbaden getragen wobei die Kos-ten in einem gewissen Umfang von Spenden finanziert wer-den und die Aumlrztinnen entweder ehrenamtlich oder zu einem geringeren Honorar arbeiten In Oldenburg kooperiert ein frei-gemeinuumltziger Traumlger mit dem oumlrtlichen Klinikum einer Apo-theke und ehrenamtlichen Aumlrztinnen Pflegerinnen und Unter-stuumltzerinnen

Finanzierung Die Humanitaumlren Sprechstunden werden teilweise oder vollstaumlndig mit oumlffentlichen Mitteln finanziert Fuumlr die in die-sen Sprechstunden arbeitenden Aumlrztinnen ist in der Regel eine Behandlungskostenabrechnung der Basisversorgung moumlglich wobei die Konzepte unterschiedlich sind Es steht jeweils ein gedeckelter Betrag fuumlr die Medikamentenversorgung und Kran-kenbehandlung auszligerhalb der Sprechstunde zur Verfuumlgung z B in Krankenhaumlusern

Vor- und Nachteile

Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem Humanitaumlre Sprechstunden ermoumlglichen fuumlr Menschen ohne Papiere einen niedrigschwelligen Zugang zu einer gesundheit-lichen Grundversorgung im Sinne einer Sonderversorgung Nicht zuletzt wird mit von oumlffentlicher Hand gefoumlrderten Ein-richtungen dieser Art von Seiten der Politik anerkannt dass es einen dringlichen Versorgungsbedarf gibt der eigentlich uumlber die Regelversorgung gedeckt werden muss Ein Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem kann mit diesen Sprechstunden nicht eroumlffnet werden

Begleitende soziale und rechtliche Beratung Der fachliche Standard einer flankierenden sozialrechtlichen Beratung wird teilweise erfuumlllt

Leistungsumfang und Langfristigkeit Es findet eine medizinisch eingeschraumlnkte Sonderversorgung statt Chronische Erkrankungen lassen sich oft nicht behan-deln Damit bleibt auch die Arbeit von ehrenamtlich kompen-sierenden Parallelstrukturen weiter notwendig

Es existieren in der Praxis finanzielle und personelle Einschraumln-kungen so dass die Humanitaumlren Sprechstunden gegenwaumlr-tig nur als Einstieg in eine zu entwickelnde Versorgungsstruk-tur aufgefasst werden koumlnnen

Exkurs Perspektiven des Oumlffentlichen Gesundheits-dienstes (OumlGD)

Die in die jeweiligen Gesundheitsaumlmter eingegliederten Huma-nitaumlren Sprechstunden in Bremen und Frankfurt a M sind derzeit kommunale Ausnahmen Sie verweisen auf die Rolle die der OumlGD bei der Versorgung von Menschen ohne Papiere angesichts seines gesetzlichen Auftrags flaumlchendeckend zu uumlbernehmen hat Neben dem GKV- und dem privataumlrztlich finanzierten ambulanten und stationaumlren Versorgungssystem werden dem OumlGD uumlber die entsprechenden Bundes- und Laumln-dergesetze spezifische Aufgaben zugewiesen insbesondere die Zustaumlndigkeit fuumlr die Gesundheit schlecht- bzw nichtver-sorgter Menschen3

Bereits jetzt ist der OumlGD komplementaumlr taumltig Durch das Infek-tionsschutzgesetz sind die Gesundheitsaumlmter nach sect 19 lfSG mit der Beratung Diag nostik und ambulanten Therapie bei sexuell uumlbertragbaren Krankheiten sowie Tuberkulose beauf-tragt Dies kann auch von Menschen ohne rechtlichen Auf-ent haltstitel in Anspruch genommen werden Zusaumltzlich koumlnnen nach sect 20 Abs 5 lfSG die obersten Landesgesundheitsbe-houmlrden bestimmen bdquodass die Gesundheitsaumlmter unentgeltlich Schutzimpfungen oder andere Maszlignahmen der spezi fischen Prophylaxe gegen bestimmte uumlbertragbare Krankheiten durch-fuumlhrenldquo In der Praxis exis tieren in einigen Gesundheits-aumlmtern Angebote bspw zur Schwangerenvorsorge oder Vor sorge untersuchungen von Kindern (z B Zentren fuumlr sexu-elle Gesundheit und Familien planung in den bezirk lichen Gesundheits aumlmtern in Berlin)

Als Moumlglichkeit einer bundesweiten Loumlsung koumlnnte ein Aus-bau dieser schon vorhandenen Strukturen gesehen werden indem die Gesundheitsaumlmter ihre Aufgaben systematisch auf die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere ausweiten Im Rahmen einer dafuumlr notwendigen umfassen-den Strukturreform ist der OumlGD als zentraler kommunaler Akteur fuumlr die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere zu staumlrken Er braucht Ressourcen und neue Kom-petenzen um einen aktuellen Uumlberblick uumlber lokal vorhan-dene ungedeckte Versorgungsbedarfe (systematische regi-onale Gesundheitsberichterstattung) und direkte Versorgung fuumlr de facto unversorgte Personen ggf auch aufsuchend bereitstellen zu koumlnnen Vor allem kann der OumlGD seiner Ver-antwortung durch die Koordination der lokalen Versorgung und die Vermittlung unversicherter Personen ins regulaumlre Gesundheitssystem nachkommen

3 Exemplarisch sei das OumlGD-Gesetz NRW zitiert (sect 4 Allgemeine Grundsaumltze der Leistungserbringung) bdquo(1) Soweit und solange die mediz-inisch-soziale Versorgung erforderlich jedoch nicht oder nicht rechtzeitig gewaumlhrleistet ist kann sie die untere Gesundheitsbehoumlrde im Benehmen mit primaumlr zustaumlndigen Handlungstraumlgern im Rahmen eigener Dienste und Einrichtungen erbringen Dies gilt insbesondere wenn Personen wegen ihres koumlrperlichen geistigen oder seelischen Zustandes oder aufgrund sozialer Umstaumlnde besonderer gesundheitlicher Fuumlrsorge beduumlrfen und diesem Bedarf nicht im Rahmen der uumlblichen Einrichtungen der gesund-heitlichen Versorgung entsprochen wirdldquo

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Clearingstellen

Ziel In verschiedenen Regionen existieren sogenannte Clea-ringstellen die offene Rechtsanspruchsfragen klaumlren und wenn moumlglich bei einer Vermittlung in das regulaumlre Gesundheitssys-tem helfen Dazu gehoumlren auch Fragen einer aufenthaltsrecht-lichen Legalisierung in Deutschland und der Sicherung der Finanzierung etwaiger Gesundheitsleistungen Sollte eine Ein-bindung nicht moumlglich sein wird an Stellen vermittelt die fuumlr Menschen ohne Papiere medizinische Versorgung unentgelt-lich anbieten koumlnnen

Konzept Die Clearingstellen stellen eine Kooperation zwischen Gesundheitsaumlmtern und unterschiedlichen freien Traumlgern dar Sie unterliegen der Schweigepflicht sodass eine Weitergabe der Daten nicht befuumlrchtet werden muss

Umsetzungsstand Bereits seit 1998 besteht in Muumlnchen eine Clearingstelle in enger Zusammenarbeit zwischen Stadt und freien Traumlgern (Malteser Migrantenmedizin Cafeacute 104 und Aumlrzte der Welt) Diese bereits laumlngerfristige Kooperation ermoumlglicht vor Ort bspw eine unkomplizierte Duldung schwangerer Frauen drei Monate vor und nach Geburt sodass neben der Versor-gung auch die Ausstellung der Geburtsurkunden fuumlr Kinder pro-blemlos durchgefuumlhrt werden kann In Hamburg wird seit 2015 eine Clearingstelle als dauerhaftes Projekt durch die Behoumlrde fuumlr Arbeit Soziales Familie und Integration gefoumlrdert In Duumls-seldorf wurde ebenfalls 2015 von der Stadt ein fuumlr drei Jahre finanziertes Modellprojekt bei einer lokalen NGO (MediNetz Stay Duumlsseldorfer Fluumlchtlingsinitiative) eingerichtet In Nord-rhein-Westfalen wurden seit Mitte 2016 fuumlnf Clearingstellen eroumlffnet (Koumlln Duisburg Dortmund Muumlnster Gelsenkirchen) die als Modellprojekte uumlber drei Jahre laufen und mit 25 Milli-onen Euro vom Land gefoumlrdert werden

Finanzierung Die Finanzierung der Clearingstellen erfolgt uumlber regional unterschiedliche (Notfalls-)Fonds teils (z B in Duumlssel-

dorf und Muumlnchen) werden weiterhin ehrenamtliche Leistungen von Aumlrztinnen erbracht Der von den Clearingstellen uumlbernom-mene Leistungsumfang bezieht sich in der Regel auf aumlrztliche und zahnaumlrztliche Leistungen gemaumlszlig sectsect 4 und 6 AsylbLG Teils z B in Hamburg werden Notfaumllle entsprechend der moumlglichen Finanzierung nach sect 25 SGB XII nicht uumlbernommen

Vor- und Nachteile

Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem und begleitende soziale und recht liche BeratungDie Staumlrke regionaler Clearingstellen liegt in der umfassenden sozialen und rechtlichen Beratung und dem Bemuumlhen einen Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem herzustellen Dies ist einer kompensatorischen Sonderversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere systematisch vorgeschaltet

LeistungsumfangDer Erfolg des Clearings ist jedoch daran zu messen ob fuumlr alle aufsuchenden Menschen eine adaumlquate Versorgung sicher-gestellt werden kann Dies ist jedoch in der Praxis z T nicht gegeben Fuumlr Menschen die nicht in die Regelversorgung ein-gegliedert werden koumlnnen kann im Rahmen von Notfallfonds oft eine Basisversorgung zur Verfuumlgung gestellt werden doch die Einschraumlnkungen nach AsylbLG bleiben bestehen Aufgrund der gedeckelten Fondsfinanzierung gelingt die Finanzierung kostspieliger Leistungen nur im Ausnahmefall Der Aufgaben-bereich ehrenamtlicher Arbeit in und mit Parallelstrukturen bleibt deshalb von groszliger Bedeutung

LangfristigkeitAuch die Clearingstellen sind oft Modellprojekte ihr Bestand ist nicht auf mehrere Jahre zugesichert Auch dieser Loumlsungs-ansatz erscheint gegenwaumlrtig eher als zoumlgerlich und instabil und stellt keine umfassende Problemloumlsung fuumlr die jeweilige Region dar

QuellenTiarks-Jungk Petra (oJ) Humanitaumlre Sprechstunde Medizinische Versorgung von Menschen mit ungeklaumlrtem Aufenthaltsstatus httpswwwjurauni-frank-furtde48622522Tjarks-Jungk_Humanitaere-Sprech-stunde-Mai-2013-1pdf

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Fluumlchtlingszentrum Hamburg (2015) Evaluationsbericht Clearingstelle Gesund-heitsversorgung Auslaumlnder httpwwwfz-hhdedownloadclearingstelle-mvClearingstelle_2015_Evaluationsbericht_Web_neupdf

httpwwwstadt-koelndeleben-in-koelngesundheitmigration-und-gesund-heit-clearingstelle

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5 Resuumlmee und Ausblick Bundesweite Sicher stellung einer bedarfs gerechten Versorgung fuumlr Menschen ohne Papiere

Die vorgestellten rechtlichen Optionen und regionalen Ansaumltze zeigen verschiedene moumlgliche Interventionen auf um die Gesundheitsversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere zu verbes-sern Seit der Bestandsaufnahme der BAG vor gut 10 Jahren hat sich weder die rechtliche Ausgangslage noch das humani-taumlre Problem wesentlich geaumlndert Ansaumltze zur verbesserten Gesundheitsversorgung sind insbesondere auf regionaler Ebene mit entsprechend begrenzter Reichweite entstanden Nach wie vor ist ein Groszligteil der Betroffenen gaumlnzlich unversorgt

Aus Sicht der BAG GesundheitIllegalitaumlt bedarf es einer bun-desweiten Loumlsung mit der umfassend die bedarfsgerechte Ver-sorgung von Menschen ohne Papiere sichergestellt wird Ohne eine rechtliche Nachjustierung und Aufhebung bundesrecht-licher Restriktionen auf Bundesebene koumlnnen die regionalen Interventionen nur Ausgleichsversuche darstellen Andererseits obliegt in Deutschland die konkrete Ausgestaltung der Gesund-heitsversorgung d h die Feststellung ungedeckter Bedarfe die Identifizierung von unversorgten Personengruppen und von Versorgungsluumlcken im Gesundheitssystem sowie eine entspre-chende integrierte Planung auch den regionalen politischen und fachlichen Akteuren auf Kommunen- und Laumlnderebene Diese sind durch den Verweis auf ndash im Sinne der Betroffenen ndash sicher notwendige Gesetzesaumlnderungen nicht aus ihrer Verant-wortung zu entlassen Gegenseitige Zustaumlndigkeitsverweise sind inakzeptabel

In der Uumlbersicht des sbquoFlickenteppichslsquo gegenwaumlrtiger regiona-ler Ansaumltze sieht die BAG GesundheitIllegalitaumlt vielverspre-chendes Potential fuumlr zukuumlnftige flaumlchendeckende Loumlsungen Fachlich sinnvoll ndash und gegenwaumlrtig bereits fachoumlffentlich diskutiert ndash scheint die Einfuumlhrung eines krankheitsunabhaumlngi-gen Anonymisierten Krankenscheins oder auch einer Anony-misierten Gesundheitskarte Wuumlnschenswert waumlren ebenfalls bundesweit flaumlchendeckend lokale Anlaufstellen durch den OumlGD oder freie Traumlger organisiert die diese Krankenscheine bzw Karten ausgeben vermittelnd ins regulaumlre Gesundheits-system taumltig sind und flankierend sozial und rechtlich beraten

Abschlieszligend weist die BAG darauf hin dass die skizzierte kom-pensierende Versorgung in Parallelstrukturen laumlngst nicht mehr nur die Menschen ohne Papiere betrifft Viele im Feld taumltige Ini-tiativen berichten seit Jahren dass ihre lokalen Anlaufstellen auch von anderen Personengruppen wachsenden Zulauf erhal-ten wie etwa von jenen EU-Buumlrgerinnen die trotz Freizuumlgig-keitsberechtigung keinen Krankenversicherungsschutz nach-weisen koumlnnen von Asylsuchenden im Zeitraum der Leistungsrestriktion der ersten 15 Monate des Aufenthalts und auch von Nicht-Versicherten ohne Migrationshintergrund Auch fuumlr diese Gruppen besteht dringender Handlungsbedarf Es gilt ein breites Spektrum unterschiedlicher Rechtslagen im Hinblick auf bestehende und nicht umgesetzte Leistungsanspruumlche in den Blick zu nehmen und ebenfalls durch bundesweite Loumlsun-gen zu verbessern ndash um das fuumlr alle Menschen gleichermaszligen geltende Recht auf eine regulaumlre Gesundheitsversorgung end-lich umzusetzen

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UN-Frauenrechtskonvention httpswwwfrauenrechtskonven-tionde

UN-Kinderrechtskonvention httpswwwkinderrechtskonven-tioninfo

alle Internetquellen Stand 30032017

Kontakt Die Koordination der Bundesarbeitsgruppe GesundheitIllegalitaumlt liegt derzeit bei der Diakonie Deutschland

Ansprechperson Dr med Anja Dieterich MPH Grundsatzfragen der gesundheitlichen Versorgung Zentrum Gesundheit Rehabilitation und Pflege Telefon +49 (0)30 65211 1664 E-Mail anjadieterichdiakoniede

Diakonie Deutschland ndash Evangelischer Bundesverband Evangelisches Werk fuumlr Diakonie und Entwicklung e V Caroline-Michaelis-Str1 10115 Berlin wwwdiakoniede

Das vorliegende Arbeitspapier ist elektronisch abrufbar unter infodiakoniedegesundheitsversorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

Jesuit Refugee Service

Jesuiten Fluumlchtlingsdienst

Kampagne von MedibuumlrosMedinetzen

Gesundheitfuumlr Gefluumlchtete

Medizinische Fluumlchtlingshilfe fuumlr Menschen ohne Krankenversicherungsschutz

MediNetz Bielefeld

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Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf das fuumlr ihn erreichbare Houmlchstmaszlig an koumlrperlicher und geistiger Gesund-heit an Die von den Vertragsstaaten zu unternehmenden Schritte zur vollen Verwirklichung dieses Rechts umfassen die erfor-derlichen Maszlignahmen (hellip) zur Schaffung der Voraussetzungen die fuumlr jedermann im Krankheitsfall den Genuss medizinischer Einrichtungen und aumlrztlicher Betreuung sicherstellen Artikel 12 UN-Sozialpakt

2 Rechtliche Ausgangslage Faktische Einschraumlnkungen des Rechts auf Gesundheit

Die Bundesrepublik Deutschland hat eine Vielzahl internatio-naler Abkommen unterzeichnet mit denen die Sicherstellung des Rechts auf Gesundheit und des Zugangs zum Gesund-heitssystem fuumlr alle Menschen ndash unabhaumlngig von ihrem Aufent-haltsstatus ndash anerkannt wird Zu nennen sind u a der Interna-tionale Pakt uumlber wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte (sog UN-Sozialpakt) die Kinderrechtskonvention die UN- Frauen rechtskonvention sowie die UN-Behindertenrechts-konvention Nicht zuletzt ergibt sich ein Anspruch auf eine medi-zinische Grundversorgung aus der Verfassung mit der Gewaumlhrleistung eines menschenwuumlrdigen Existenzminimums und dem Recht auf Leben und koumlrperliche Unversehrtheit Diese rechtlichen Verankerungen gelten fuumlr alle Menschen keine ent-haumllt eine Einschraumlnkung der Personengruppe z B nach Sta-tus Aufenthaltsgenehmigung oder Migrationshintergrund

In Deutschland ist die Versorgung fuumlr Menschen ohne recht-lichen Aufenthaltsstatus dennoch beschraumlnkt auf die Behand-lung akuter Erkrankungen und Schmerzzustaumlnde sowie die Ver-sorgung bei Schwangerschaft (sect 1 Abs 1 Nr 5 i V m sectsect 1a und 4 AsylbLG 2) Fuumlr die Inanspruchnahme der Leistung ist ein Antrag auf Ausgabe eines Krankenscheines bei der zustaumln-digen Sozialbehoumlrde zu stellen

Eine weitere zentrale Huumlrde in dem Verfahren ist die sog Beduumlrf-tigkeitspruumlfung durch die Sozialaumlmter Es muumlssen umfangrei-che Papiere aufgebracht werden was fuumlr Menschen ohne recht-lichen Aufenthaltsstatus meist nicht moumlglich ist bspw Kontoauszuumlge Mietvertragskopien Kopien des Passes Zudem ist mit dem Verfahren ein hoher Verwaltungsaufwand fuumlr die Krankenhausverwaltung Sozial- und Auslaumlnderbehoumlrde ver-bunden der mit einer hohen erforderlichen Sachkenntnis ein-hergeht Aus den humanitaumlren Parallelstrukturen zum Gesund-heitssystem ist bekannt dass die Umsetzung dieses Anspruchs sehr schwerfaumlllig ist Es bestehen rechtliche Unsicherheiten

2 Grundsaumltzlich ist kritisch zu hinterfragen inwiefern die Minimalver-sorgung laut den sectsect 4 und 6 des AsylbLG dem verfassungsrechtlichen Schutzstandard generell entspricht Eine im Wesentlichen auf medizinische Versorgung von Notfaumlllen reduzierte Krankenversorgung steht nicht im Einklang mit der vom Bundesverfassungsgericht benannten Pflicht sich schuumltzend und foumlrdernd vor die Rechtsguumlter auf Leben und koumlrper liche Unversehrtheit eines jeden Menschen (Art 1 I Art 2 II 1 GG) zu stellen Die Forderung des BverfG (vom 18072012 Az 1 BVerfG 1010) besagt dass geringere Leistungen nur durch einen geringeren Bedarf zu rechtfer-tigen sind Es ist empirisch nicht begruumlndbar weshalb Menschen die Asyl suchen und die ihnen gleich gestellten Menschen ohne Papiere per se gerin-gerer gesundheitlicher Versorgung beduumlrfen sollten als andere Menschen

Erfaumlhrt das Sozialamt in dem Zusammenhang dass kein erfor-derlicher Aufenthaltstitel besteht ist es nach sect 87 Abs 2 Nr 1 AufenthG verpflichtet die Auslaumlnderbehoumlrde zu informieren Dies verhindert insbesondere eine ambulante Versorgung Im medizinischen Eilfall soll die Versorgung sichergestellt sein ohne das zuvor ein Krankenschein beantragt werden muss Die Kosten werden vom Sozialamt an das Krankenhaus nach sect 6 a AsylbLG ruumlckwirkend erstattet In diesem Fall gilt ein bdquoverlaumln-gerter Geheimnisschutzldquo uumlber die aumlrztliche Schweigepflicht hin-aus nicht nur fuumlr medizinisches Personal sondern auch fuumlr Ver-waltungsmitarbeitende im Krankenhaus und fuumlr Angestellte der Sozialaumlmter Es duumlrfen keine Informationen uumlber die Person an die Auslaumlnderbehoumlrde oder Polizei gemeldet werden Was als medizinischer Eilfall definiert wird ist jedoch je nach Bundes-land und Kommune sehr unterschiedlich Hinzu kommt dass die zugehoumlrige Verwaltungsvorschrift die die Uumlbermittlungs-pflichten eingrenzt (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Auf-enthG GMBL Nr 42ndash61 vom 30102009) unzureichend bekannt ist Die Durchsetzung des Anspruchs der Krankenhaumluser auf Ruumlckerstattung der Kosten gelingt haumlufig nicht Krankenhaus-verwaltungen uumlben daher teilweise Druck auf die Patientinnen und Angehoumlrigen aus die Behandlungskosten privat zu tragen

Es bleibt festzuhalten dass lediglich derjenige Anspruch auf Kran kenbehandlung als medizinisch geboten gelten kann der notwendig ist um eine Krankheit zu erkennen zu heilen ihre Ver-schlimmerung zu verhuumlten oder Krankheitsbeschwerden zu lin-dern (vgl sect 27 SGB V) Entsprechend ist auch fuumlr Menschen ohne Papiere ein ungehinderter Leistungsanspruch im Umfang des das medizinisch Notwendige definierenden Leistungs katalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung zu gewaumlhr leisten

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Aumlrztinnen und Aumlrzte uumlben ihren Beruf nach ihrem Gewissen den Geboten der aumlrztlichen Ethik und der Menschlichkeit aus Sie duumlrfen keine Grundsaumltze anerkennen und keine Vorschriften oder Anweisungen beachten die mit ihren Aufgaben nicht verein-bar sind oder deren Befolgung sie nicht verantworten koumlnnen Musterberufsordnung der Bundesaumlrztekammer

3 Humanitaumlre Problembeschreibung Strukturell bedingte medizinische Unterversorgung

Aufgrund ihres fehlenden aufenthaltsrechtlichen Status leben Menschen ohne Papiere in meist prekaumlren Situationen Die Schwierigkeit Rechte in Anspruch zu nehmen bedeutet einen Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe und hat Auswirkun-gen auf alle Bereiche des Lebens Leben ohne Rechte heiszligt Arbeitsbedingungen und -loumlhne koumlnnen schlecht verhandelt Wohnraum kann nicht offiziell gemietet Kinder nicht einfach in der Schule angemeldet und Gewalttaten nicht angezeigt wer-den Hinzu kommt der eingeschraumlnkte Zugang zur Gesund-heitsversorgung

Gesundheitsleistungen koumlnnen nur im Notfall und mit Hinder-nissen in Anspruch genommen werden Der Kontakt zum pro-fessionellen Gesundheitswesen wird nach Moumlglichkeit vermie-den Aumlrztliche Behandlung wird erst dann in Betracht gezogen wenn die Arbeitsfaumlhigkeit gravierend eingeschraumlnkt ist oder die Erkrankung lebensbedrohliche Ausmaszlige annimmt Das Auftre-ten gesundheitlicher Probleme bedeutet fuumlr Menschen ohne Papiere eine existenzbedrohende Situation in der es abzuwaumlgen gilt ob die gesundheitlichen Problemlagen es notwendig machen das Risiko der Statusaufdeckung und damit der Abschiebung einzugehen Kosten der Behandlung Unsicherheit daruumlber wo die notwendige Behandlung zu finden ist und Sprachbarrieren sind weitere Gruumlnde warum Hilfe nicht oder haumlufig zu spaumlt in Anspruch genommen wird Die Chronifizierung einer rechtzeitig heilbaren Behandlung wird damit in Kauf genommen

Findet eine medizinische Behandlung statt berichten Betrof-fene Aumlrztinnen und Unterstuumltzungs-Organisationen von Pro-blemen in der Kontinuitaumlt durch das Fehlen von Vorbefunden und unzureichende Uumlberweisungsmoumlglichkeiten Die Schwie-rigkeiten Krankheiten adaumlquat auszukurieren etwa durch unge-regelte Arbeitsverhaumlltnisse erschweren die Behandlung zusaumltz-

lich Nicht zuletzt ist die Versorgung von Spenden und ehrenamtlicher Taumltigkeit abhaumlngig Oft bleibt eine medizinische Versorgung ganz aus insbesondere notwendige langfristige Behandlungen bei chronischen Erkrankungen Auch Struktur-probleme wie Unsicherheiten hinsichtlich der Kostenuumlbernahme von Behandlungen etwa im Krankenhaus wirken sich negativ auf die Betroffenen aus

Im Uumlberblick ist davon auszugehen dass die Gruppe der Men-schen ohne Papiere im Prinzip das gleiche Krankheitsspektrum aufweist wie die Gesamtbevoumllkerung in Deutschland ndash jedoch bei einer signifikant schlechteren Lebenslage schlechteren Ver-sorgung und entsprechenden gesundheit lichen Konsequenzen Quantitative und qualitative Forschungsergebnisse legen eine Verschlechterung der Gesundheit durch ein Zusammenspiel von negativen sozialen Determinanten unsicherer Lebenssituation und schwierigem Zugang zur Gesundheitsversorgung nahe

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Die medizinische Versorgung der Menschen ohne Papiere muss ohne das Risiko einer Meldung an die Auslaumlnderbehoumlrde moumlglich gemacht werden Entschlieszligung des 119 Deutschen Aumlrztetages Mai 2016

4 Uumlberblick Loumlsungsansaumltze Bundesweite Loumlsung oder lokale bdquoFlickenteppicheldquo

Die gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne Papiere findet derzeit zu groszligen Teilen kompensatorisch im Bereich des freiwilligen Engagements statt Konkrete Hilfeleistungen erfol-gen meist unentgeltlich innerhalb von Parallelstrukturen zum regulaumlren Gesundheitssystem Teils erfolgt medizinische Hilfe direkt in humanitaumlren Sprechstunden und Ambulanzen meist auf Spendenbasis oft ehrenamtlich oder durch Verbaumlnde bzw Kommunen organisiert (z B Malteser Migranten Medizin Aumlrzte der Welt Praxis ohne Grenzen) Teils werden Patientinnen infor-mell in ein lokal aufgebautes Netzwerk engagierter Praxen Krankenhaumluser etc vermittelt welche bereit sind unentgeltlich zu behandeln (z B durch Medi buumlrosMedinetze)

Diese jeweils lokal initiierten Parallelstrukturen sind uumlberregional weitgehend unkoordiniert und konzeptionell unterschiedlich Sie koumlnnen weder eine flaumlchendeckende noch eine gesicherte Ver-sorgung im Umfang des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Kran-kenversicherung anbieten und stellen somit keine strukturellen Loumlsungsansaumltze dar Es ist davon auszu gehen dass ein Groszligteil der Betroffenen in Deutschland weitgehend unversorgt ist

Mittel- und langfristiges Ziel muss es daher sein rechtlich kon-zeptionell strukturell und organisatorisch dafuumlr zu sorgen dass Menschen ohne Papiere einen ungehinderten und diskriminie-rungsfreien Zugang zum Gesundheitssystem erhalten Sie sollten im Umfang des GKV-Leistungskatalogs moumlglichst niedrigschwel-lig und wohnortnah versorgt werden Dazu ist es neben der Auf-hebung von Zugangsbarrieren fachlich notwendig dass sich das Gesundheitswesen insgesamt auf die Herausforderungen der Mig-ration einstellt z B durch Maszlig nahmen der interkulturellen Orga-nisationsentwicklung (Anti rassismus trainings in den Einrichtungen etc) Spezialisierte Zentren koumlnnen im Einzelfall sinnvoll sein z B fuumlr die Traumabehandlung sollten aber v a ebenfalls die Funktion haben ins Regelsystem zu vermitteln Der Aufbau paralleler Son-derstrukturen ist zu vermeiden Ergaumlnzende soziale und rechtliche Beratungsangebote sollten verbindlich zur Verfuumlgung stehen

Im Folgenden stellt die BAG das Spektrum gegenwaumlrtig diskutierter und umgesetzter Loumlsungsansaumltze vor Zunaumlchst wird eroumlrtert was auf rechtlicher Ebene moumlglich ist Anschlie-szligend werden in der Praxis bereits bestehende regionale Ansaumltze portraitiert und deren Vor- und Nachteile dargestellt

a) Rechtliche Moumlglichkeiten Der Gesetzgeber hat im Leistungsrecht (AsylbLG) den Rahmen der medizinischen Behandlungsmoumlglichkeiten fuumlr Menschen ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus festgelegt Eine entschei-

dende rechtliche Huumlrde des Zugangs zur Behandlung ist jedoch die behoumlrdliche Uumlbermittlungspflicht personenbezogener Daten des Sozialamtes an die Auslaumlnderbehoumlrde (sect 87 AufenthG) Damit eine humanitaumlr vertretbare Inanspruchnahme der Ver-sorgung sichergestellt wird ist eine grundsaumltzliche Einschraumln-kung dieser Uumlbermittlungspflichten geboten

Rechtlich werden dafuumlr zwei Moumlglichkeiten diskutiert Entwe-der werden einzelne Behoumlrden (u a Sozialbehoumlrden) aus der Uumlbermittlungspflicht herausgenommen ndash so der Gesetzentwurf aus dem Jahr 2006 von Buumlndnis 90Die Gruumlnen Oder der sect 87 wird grundlegend neu gefasst und die Uumlbermittlungspflicht auf solche Behoumlrden beschraumlnkt die die Aufgabe der Gefahren-abwehr Strafverfolgung oder Strafvollstreckung wahrnehmen ndash so der Gesetzesentwurf der SPD-Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2009

Zusaumltzlich dazu ist eine praxistaugliche und diskriminierungs-freie Loumlsung zur Verwirklichung des Menschen rechts auf Gesund-heit fuumlr alle Menschen zu suchen die gegenwaumlrtig eingeschraumlnkte Leistungen nach dem AsylbLG erhalten Eine Regelversorgung im vollen Umfang des Leistungskatalogs der gesetzlichen Kran-kenversicherung ist sicherzustellen Denn dieser definiert die medizinisch notwendigen Leistungen Das auch fuumlr Menschen ohne Papiere geltende Sondergesetz fuumlr Asylsuchende Gefluumlch-tete und Geduldete erfuumlllt diese Bedingung nicht Die viel fachen Verpflichtungen aus dem Sozialpakt und weiteren UN-Konventi-onen sind ins innerdeutsche Recht zu verankern

b) Regionale Ansaumltze Im Folgenden werden einige in der Praxis vorzufindende regi-onale Ansaumltze fuumlr eine verbesserte Gesundheitsversorgung skizziert (Ziel Konzept Umsetzungsstand Finanzierung) und jeweils daraufhin bewertet

ob sie konzeptionell darauf abzielen einen Zugang zum regu-laumlren Gesundheitssystem herzustellen bzw dies erreichen oder eine Sonderversorgung darstellen

ob sie das fachlich wuumlnschenswerte Kriterium eines flankie-renden sozialen und rechtlichen Beratungsangebots im Sinne einer freiwilligen und klientenorientierten Unterstuumltzungsleis-tung im geschuumltzten Rahmen erfuumlllen

inwieweit sie einen bedarfsgerechten Leistungsumfang nach dem GKV-Leistungskatalog ermoumlglichen und

ob sie langfristig und stabil etabliert sind

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Die folgenden unterschiedlichen Ansaumltze existieren in der Praxis teils in Kombination bzw ergaumlnzen sich

Der Anonymisierte Krankenschein (AK)

Ziel Ziel des Konzepts Anonymisierter Krankenschein ist es Menschen ohne Papiere ohne Angst vor Datenweitergabe an die Auslaumlnderbehoumlrde den regulaumlren Zugang zum Gesundheits-system zu ermoumlglichen so dass sie zu frei waumlhlbaren Aumlrztinnen gehen koumlnnen

Konzept Die derzeitige Praxis einer Krankenschein-Vergabe durch Mitarbeiterinnen des Sozialamts wird ersetzt Durch eine Vergabestelle die einen geschuumltzten Rahmen der Kranken-schein-Ausgabe ermoumlglicht d h vertraulich aufgesucht wer-den kann wird die Weitergabe der Daten unterbunden Zusaumltz-lich erhalten die Betroffenen die Moumlglichkeit zur Sozial- und Rechtsberatung um etwaige Legalisierungswege aufzuzeigen Nach diesem persoumlnlichen Erstkontakt erhalten die hilfesu-chenden Menschen wenn sie keinen rechtlichen Aufenthalts-titel haben und mittellos sind einen sogenannten Anonymisier-ten Krankenschein mit dem sie freien Zugang zu Arztpraxen des regulaumlren Gesundheitssystems erhalten

Umsetzungsstand Eine Umsetzung dieses Ansatzes findet in GoumlttingenHannover seit Anfang 2016 statt in Thuumlringen ist dies in Planung Hier sollen die Anonymisierten Krankenscheine evtl nicht nur von einer Vergabestelle ausgehaumlndigt werden koumlnnen sondern auch von Aumlrztinnen vor Ort um eine flaumlchendeckende Versorgung zu erreichen In beiden Regionen handelt es sich um zeitlich befristete Modellprojekte die in Abhaumlngigkeit von den aktuellen Haushaltsplaumlnen auf ein bis drei Jahre angesetzt sind und wissenschaftlich begleitet werden Initiator und Ver-handlungspartner der jeweiligen Landesregierungen und loka-len Akteure (u a Kassenaumlrztliche Vereinigungen) sind die loka-len NGOs die hier bisher unentgeltlich kompensatorisch taumltig sind und die noumltige Fachkompetenz aufweisen (Medinetze GoumlttingenHannover bzw Jena) Auch in Berlin ist im aktuellen Koalitionsvertrag der Landesregierung die Absichtserklaumlrung verankert einen Anonymisierten Krankenschein einzufuumlhren

In Hannover koumlnnen zurzeit uumlber den Anonymisierten Kranken-schein nur Behandlungen nach sect 4 AsylbLG abgerechnet werden In Thuumlringen wurde gerade der Leistungskatalog fuumlr die elektronische Gesundheitskarte festgelegt Der mit der elektronischen Gesundheitskarte abgerechnete Leistungsum-fang fuumlr Leistungsempfaumlngerinnen nach AsylbLG soll hier weit-gehend dem Leistungskatalog der GKV entsprechen Ob dies auch fuumlr den Anonymisierten Krankenschein gelten soll bleibt abzuwarten

Finanzierung Es sind grundsaumltzlich verschiedene Finanzie-rungsmoumlglichkeiten dieses Konzepts denkbar In den beiden genannten Regionen erfolgt sie gegenwaumlrtig durch einen Fonds (500000 EuroJahr in Goumlttingen Hannover 250000 EuroJahr in Thuumlringen) der vom jeweiligen Bundesland bereitgestellt und

durch die Vergabestelle verwaltet wird Ebenso moumlglich und wuumlnschenswerter waumlre eine dauerhafte Finanzierung uumlber einen festen Etat ohne Deckelung

Vor- und Nachteile

Zusammenfassend erscheint das Modell des Anonymisierten Krankenscheins unter den regionalen Ansaumltzen als bisher weit-reichendste Moumlglichkeit Menschen ohne Papiere den regulauml-ren Zugang zur medizinischen Versorgung in Deutschland zu ermoumlglichen

Zugang zum regulaumlren GesundheitssystemDas Konzept sieht die direkte Vermittlung in das regulaumlre Gesundheitssystem zu niedergelassenen Aumlrztinnen und dor-tiger Behandlung vor

Begleitende soziale und rechtliche BeratungDas fachlich unstrittige Kriterium flankierend zur medizinischen Behandlung routinemaumlszligig eine soziale und rechtliche Beratung anzubieten ist gegeben

LeistungsumfangIn der Praxis bestehen Begrenzungen des Anonymisierten Kran-kenscheins Die Modellprojekte sind auf begrenzte Personen-gruppen ausgerichtet sie bieten keinen umfassenden Zugang fuumlr alle vor Ort unterversorgten nicht versicherten Personen-gruppen (z B EU-Buumlrgerinnen) Zusaumltzlich bestehen bei eini-gen Modellprojekten Leistungseinschraumlnkungen im Sinne des sect 4 AsylbLG und aufgrund der gewaumlhlten Fondsfinanzierung deren Mittel beschraumlnkt sind

Humanitaumlre Sprechstunden

Ziel Humanitaumlre Sprechstunden werden in mehreren Staumldten angeboten (Bremen Bremerhaven Frankfurt a M Oldenburg Wies baden) um Menschen ohne Papiere Zugang zur Gesund-heitsversorgung zu ermoumlglichen Diese Sprechstunden sind Anlaufstellen die meist selbst eingeschraumlnkte medizinische Versorgung anbieten und an andere (Fach)aumlrztinnen weiter-vermitteln

Konzept Die anonyme und unentgeltliche allgemeinaumlrztliche Basisversorgung wird im oumlrtlichen Gesundheitsamt ange boten Zusaumltzlich kann an kooperierende Fachaumlrztinnen und in die stationaumlre Versorgung unentgeltlich oder kostenguumlnstig vermit-telt werden In Bremen kooperiert die Humanitaumlre Sprechstunde mit einer Clearingstelle der Inneren Mission die soziale aufent-haltsrechtliche Beratung anbietet In Frankfurt uumlbernimmt diese Aufgabe ein gemeinnuumltziger Verein

Quellenhttpswwwaerzteblattdenachrichten73069Modellprojekt-zur-medizinischen-Versorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

httpwwwmedinetz-hannoverdeindexphpnewsarchivanonymer-kranken-schein-ein-erster-schritthtml

httpmfhblogsportdeprojekteanonymisierter-krankenschein

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Umsetzungsstand Die Humanitaumlren Sprechstunden als direkte medizinische Versorgung und Vermittlung nichtversicherter Migrantinnen im Gesundheitsamt existieren seit 2001 in Frank-furt a M und seit 2009 in Bremen wo das Konzept uumlbernom-men und weiterentwickelt wurde

Es existieren auszligerdem in Wiesbaden und Oldenburg Huma-nitaumlre Sprechstunden die vorrangig Vermittlung zur medi-zinischen Behandlung anbieten und nicht in oumlffentlicher Trauml-gerschaft sind In Wiesbaden wird sie von pro familia der Diakonie und der Stadt Wiesbaden getragen wobei die Kos-ten in einem gewissen Umfang von Spenden finanziert wer-den und die Aumlrztinnen entweder ehrenamtlich oder zu einem geringeren Honorar arbeiten In Oldenburg kooperiert ein frei-gemeinuumltziger Traumlger mit dem oumlrtlichen Klinikum einer Apo-theke und ehrenamtlichen Aumlrztinnen Pflegerinnen und Unter-stuumltzerinnen

Finanzierung Die Humanitaumlren Sprechstunden werden teilweise oder vollstaumlndig mit oumlffentlichen Mitteln finanziert Fuumlr die in die-sen Sprechstunden arbeitenden Aumlrztinnen ist in der Regel eine Behandlungskostenabrechnung der Basisversorgung moumlglich wobei die Konzepte unterschiedlich sind Es steht jeweils ein gedeckelter Betrag fuumlr die Medikamentenversorgung und Kran-kenbehandlung auszligerhalb der Sprechstunde zur Verfuumlgung z B in Krankenhaumlusern

Vor- und Nachteile

Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem Humanitaumlre Sprechstunden ermoumlglichen fuumlr Menschen ohne Papiere einen niedrigschwelligen Zugang zu einer gesundheit-lichen Grundversorgung im Sinne einer Sonderversorgung Nicht zuletzt wird mit von oumlffentlicher Hand gefoumlrderten Ein-richtungen dieser Art von Seiten der Politik anerkannt dass es einen dringlichen Versorgungsbedarf gibt der eigentlich uumlber die Regelversorgung gedeckt werden muss Ein Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem kann mit diesen Sprechstunden nicht eroumlffnet werden

Begleitende soziale und rechtliche Beratung Der fachliche Standard einer flankierenden sozialrechtlichen Beratung wird teilweise erfuumlllt

Leistungsumfang und Langfristigkeit Es findet eine medizinisch eingeschraumlnkte Sonderversorgung statt Chronische Erkrankungen lassen sich oft nicht behan-deln Damit bleibt auch die Arbeit von ehrenamtlich kompen-sierenden Parallelstrukturen weiter notwendig

Es existieren in der Praxis finanzielle und personelle Einschraumln-kungen so dass die Humanitaumlren Sprechstunden gegenwaumlr-tig nur als Einstieg in eine zu entwickelnde Versorgungsstruk-tur aufgefasst werden koumlnnen

Exkurs Perspektiven des Oumlffentlichen Gesundheits-dienstes (OumlGD)

Die in die jeweiligen Gesundheitsaumlmter eingegliederten Huma-nitaumlren Sprechstunden in Bremen und Frankfurt a M sind derzeit kommunale Ausnahmen Sie verweisen auf die Rolle die der OumlGD bei der Versorgung von Menschen ohne Papiere angesichts seines gesetzlichen Auftrags flaumlchendeckend zu uumlbernehmen hat Neben dem GKV- und dem privataumlrztlich finanzierten ambulanten und stationaumlren Versorgungssystem werden dem OumlGD uumlber die entsprechenden Bundes- und Laumln-dergesetze spezifische Aufgaben zugewiesen insbesondere die Zustaumlndigkeit fuumlr die Gesundheit schlecht- bzw nichtver-sorgter Menschen3

Bereits jetzt ist der OumlGD komplementaumlr taumltig Durch das Infek-tionsschutzgesetz sind die Gesundheitsaumlmter nach sect 19 lfSG mit der Beratung Diag nostik und ambulanten Therapie bei sexuell uumlbertragbaren Krankheiten sowie Tuberkulose beauf-tragt Dies kann auch von Menschen ohne rechtlichen Auf-ent haltstitel in Anspruch genommen werden Zusaumltzlich koumlnnen nach sect 20 Abs 5 lfSG die obersten Landesgesundheitsbe-houmlrden bestimmen bdquodass die Gesundheitsaumlmter unentgeltlich Schutzimpfungen oder andere Maszlignahmen der spezi fischen Prophylaxe gegen bestimmte uumlbertragbare Krankheiten durch-fuumlhrenldquo In der Praxis exis tieren in einigen Gesundheits-aumlmtern Angebote bspw zur Schwangerenvorsorge oder Vor sorge untersuchungen von Kindern (z B Zentren fuumlr sexu-elle Gesundheit und Familien planung in den bezirk lichen Gesundheits aumlmtern in Berlin)

Als Moumlglichkeit einer bundesweiten Loumlsung koumlnnte ein Aus-bau dieser schon vorhandenen Strukturen gesehen werden indem die Gesundheitsaumlmter ihre Aufgaben systematisch auf die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere ausweiten Im Rahmen einer dafuumlr notwendigen umfassen-den Strukturreform ist der OumlGD als zentraler kommunaler Akteur fuumlr die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere zu staumlrken Er braucht Ressourcen und neue Kom-petenzen um einen aktuellen Uumlberblick uumlber lokal vorhan-dene ungedeckte Versorgungsbedarfe (systematische regi-onale Gesundheitsberichterstattung) und direkte Versorgung fuumlr de facto unversorgte Personen ggf auch aufsuchend bereitstellen zu koumlnnen Vor allem kann der OumlGD seiner Ver-antwortung durch die Koordination der lokalen Versorgung und die Vermittlung unversicherter Personen ins regulaumlre Gesundheitssystem nachkommen

3 Exemplarisch sei das OumlGD-Gesetz NRW zitiert (sect 4 Allgemeine Grundsaumltze der Leistungserbringung) bdquo(1) Soweit und solange die mediz-inisch-soziale Versorgung erforderlich jedoch nicht oder nicht rechtzeitig gewaumlhrleistet ist kann sie die untere Gesundheitsbehoumlrde im Benehmen mit primaumlr zustaumlndigen Handlungstraumlgern im Rahmen eigener Dienste und Einrichtungen erbringen Dies gilt insbesondere wenn Personen wegen ihres koumlrperlichen geistigen oder seelischen Zustandes oder aufgrund sozialer Umstaumlnde besonderer gesundheitlicher Fuumlrsorge beduumlrfen und diesem Bedarf nicht im Rahmen der uumlblichen Einrichtungen der gesund-heitlichen Versorgung entsprochen wirdldquo

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Clearingstellen

Ziel In verschiedenen Regionen existieren sogenannte Clea-ringstellen die offene Rechtsanspruchsfragen klaumlren und wenn moumlglich bei einer Vermittlung in das regulaumlre Gesundheitssys-tem helfen Dazu gehoumlren auch Fragen einer aufenthaltsrecht-lichen Legalisierung in Deutschland und der Sicherung der Finanzierung etwaiger Gesundheitsleistungen Sollte eine Ein-bindung nicht moumlglich sein wird an Stellen vermittelt die fuumlr Menschen ohne Papiere medizinische Versorgung unentgelt-lich anbieten koumlnnen

Konzept Die Clearingstellen stellen eine Kooperation zwischen Gesundheitsaumlmtern und unterschiedlichen freien Traumlgern dar Sie unterliegen der Schweigepflicht sodass eine Weitergabe der Daten nicht befuumlrchtet werden muss

Umsetzungsstand Bereits seit 1998 besteht in Muumlnchen eine Clearingstelle in enger Zusammenarbeit zwischen Stadt und freien Traumlgern (Malteser Migrantenmedizin Cafeacute 104 und Aumlrzte der Welt) Diese bereits laumlngerfristige Kooperation ermoumlglicht vor Ort bspw eine unkomplizierte Duldung schwangerer Frauen drei Monate vor und nach Geburt sodass neben der Versor-gung auch die Ausstellung der Geburtsurkunden fuumlr Kinder pro-blemlos durchgefuumlhrt werden kann In Hamburg wird seit 2015 eine Clearingstelle als dauerhaftes Projekt durch die Behoumlrde fuumlr Arbeit Soziales Familie und Integration gefoumlrdert In Duumls-seldorf wurde ebenfalls 2015 von der Stadt ein fuumlr drei Jahre finanziertes Modellprojekt bei einer lokalen NGO (MediNetz Stay Duumlsseldorfer Fluumlchtlingsinitiative) eingerichtet In Nord-rhein-Westfalen wurden seit Mitte 2016 fuumlnf Clearingstellen eroumlffnet (Koumlln Duisburg Dortmund Muumlnster Gelsenkirchen) die als Modellprojekte uumlber drei Jahre laufen und mit 25 Milli-onen Euro vom Land gefoumlrdert werden

Finanzierung Die Finanzierung der Clearingstellen erfolgt uumlber regional unterschiedliche (Notfalls-)Fonds teils (z B in Duumlssel-

dorf und Muumlnchen) werden weiterhin ehrenamtliche Leistungen von Aumlrztinnen erbracht Der von den Clearingstellen uumlbernom-mene Leistungsumfang bezieht sich in der Regel auf aumlrztliche und zahnaumlrztliche Leistungen gemaumlszlig sectsect 4 und 6 AsylbLG Teils z B in Hamburg werden Notfaumllle entsprechend der moumlglichen Finanzierung nach sect 25 SGB XII nicht uumlbernommen

Vor- und Nachteile

Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem und begleitende soziale und recht liche BeratungDie Staumlrke regionaler Clearingstellen liegt in der umfassenden sozialen und rechtlichen Beratung und dem Bemuumlhen einen Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem herzustellen Dies ist einer kompensatorischen Sonderversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere systematisch vorgeschaltet

LeistungsumfangDer Erfolg des Clearings ist jedoch daran zu messen ob fuumlr alle aufsuchenden Menschen eine adaumlquate Versorgung sicher-gestellt werden kann Dies ist jedoch in der Praxis z T nicht gegeben Fuumlr Menschen die nicht in die Regelversorgung ein-gegliedert werden koumlnnen kann im Rahmen von Notfallfonds oft eine Basisversorgung zur Verfuumlgung gestellt werden doch die Einschraumlnkungen nach AsylbLG bleiben bestehen Aufgrund der gedeckelten Fondsfinanzierung gelingt die Finanzierung kostspieliger Leistungen nur im Ausnahmefall Der Aufgaben-bereich ehrenamtlicher Arbeit in und mit Parallelstrukturen bleibt deshalb von groszliger Bedeutung

LangfristigkeitAuch die Clearingstellen sind oft Modellprojekte ihr Bestand ist nicht auf mehrere Jahre zugesichert Auch dieser Loumlsungs-ansatz erscheint gegenwaumlrtig eher als zoumlgerlich und instabil und stellt keine umfassende Problemloumlsung fuumlr die jeweilige Region dar

QuellenTiarks-Jungk Petra (oJ) Humanitaumlre Sprechstunde Medizinische Versorgung von Menschen mit ungeklaumlrtem Aufenthaltsstatus httpswwwjurauni-frank-furtde48622522Tjarks-Jungk_Humanitaere-Sprech-stunde-Mai-2013-1pdf

httpwwwgesundheitsamtbremendehumanitaere_sprechstunde-3655

httpwwwinneremission-bremendemigration_und_fluechtlingshilfehumani-taere_sprechstunde_clearing

httpswwwfrankfurtdesixcmsdetailphpid=2996amp_ffmpar[_id_inhalt]=6327770

QuellenAnderson Philip et al (2010) bdquoWir haben Sie nicht vergessen hellipldquo 10 Jahre Umgang mit Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus in der Landes-hauptstadt Muumlnchen Das Muumlnchner Modell httpwwwforum-illegalitaetdemediapool99993476dataMuenchen_Ergebnisse_2010pdf

Fluumlchtlingszentrum Hamburg (2015) Evaluationsbericht Clearingstelle Gesund-heitsversorgung Auslaumlnder httpwwwfz-hhdedownloadclearingstelle-mvClearingstelle_2015_Evaluationsbericht_Web_neupdf

httpwwwstadt-koelndeleben-in-koelngesundheitmigration-und-gesund-heit-clearingstelle

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5 Resuumlmee und Ausblick Bundesweite Sicher stellung einer bedarfs gerechten Versorgung fuumlr Menschen ohne Papiere

Die vorgestellten rechtlichen Optionen und regionalen Ansaumltze zeigen verschiedene moumlgliche Interventionen auf um die Gesundheitsversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere zu verbes-sern Seit der Bestandsaufnahme der BAG vor gut 10 Jahren hat sich weder die rechtliche Ausgangslage noch das humani-taumlre Problem wesentlich geaumlndert Ansaumltze zur verbesserten Gesundheitsversorgung sind insbesondere auf regionaler Ebene mit entsprechend begrenzter Reichweite entstanden Nach wie vor ist ein Groszligteil der Betroffenen gaumlnzlich unversorgt

Aus Sicht der BAG GesundheitIllegalitaumlt bedarf es einer bun-desweiten Loumlsung mit der umfassend die bedarfsgerechte Ver-sorgung von Menschen ohne Papiere sichergestellt wird Ohne eine rechtliche Nachjustierung und Aufhebung bundesrecht-licher Restriktionen auf Bundesebene koumlnnen die regionalen Interventionen nur Ausgleichsversuche darstellen Andererseits obliegt in Deutschland die konkrete Ausgestaltung der Gesund-heitsversorgung d h die Feststellung ungedeckter Bedarfe die Identifizierung von unversorgten Personengruppen und von Versorgungsluumlcken im Gesundheitssystem sowie eine entspre-chende integrierte Planung auch den regionalen politischen und fachlichen Akteuren auf Kommunen- und Laumlnderebene Diese sind durch den Verweis auf ndash im Sinne der Betroffenen ndash sicher notwendige Gesetzesaumlnderungen nicht aus ihrer Verant-wortung zu entlassen Gegenseitige Zustaumlndigkeitsverweise sind inakzeptabel

In der Uumlbersicht des sbquoFlickenteppichslsquo gegenwaumlrtiger regiona-ler Ansaumltze sieht die BAG GesundheitIllegalitaumlt vielverspre-chendes Potential fuumlr zukuumlnftige flaumlchendeckende Loumlsungen Fachlich sinnvoll ndash und gegenwaumlrtig bereits fachoumlffentlich diskutiert ndash scheint die Einfuumlhrung eines krankheitsunabhaumlngi-gen Anonymisierten Krankenscheins oder auch einer Anony-misierten Gesundheitskarte Wuumlnschenswert waumlren ebenfalls bundesweit flaumlchendeckend lokale Anlaufstellen durch den OumlGD oder freie Traumlger organisiert die diese Krankenscheine bzw Karten ausgeben vermittelnd ins regulaumlre Gesundheits-system taumltig sind und flankierend sozial und rechtlich beraten

Abschlieszligend weist die BAG darauf hin dass die skizzierte kom-pensierende Versorgung in Parallelstrukturen laumlngst nicht mehr nur die Menschen ohne Papiere betrifft Viele im Feld taumltige Ini-tiativen berichten seit Jahren dass ihre lokalen Anlaufstellen auch von anderen Personengruppen wachsenden Zulauf erhal-ten wie etwa von jenen EU-Buumlrgerinnen die trotz Freizuumlgig-keitsberechtigung keinen Krankenversicherungsschutz nach-weisen koumlnnen von Asylsuchenden im Zeitraum der Leistungsrestriktion der ersten 15 Monate des Aufenthalts und auch von Nicht-Versicherten ohne Migrationshintergrund Auch fuumlr diese Gruppen besteht dringender Handlungsbedarf Es gilt ein breites Spektrum unterschiedlicher Rechtslagen im Hinblick auf bestehende und nicht umgesetzte Leistungsanspruumlche in den Blick zu nehmen und ebenfalls durch bundesweite Loumlsun-gen zu verbessern ndash um das fuumlr alle Menschen gleichermaszligen geltende Recht auf eine regulaumlre Gesundheitsversorgung end-lich umzusetzen

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Literatur und weiterfuumlhrende Links

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Bundesaumlrztekammer (2016) Entschlieszligungen bdquoFluumlchtlinge in der medizinischen Versorgungldquo In 119 Deutscher Aumlrztetag 2016 Berlin 15ndash33

Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) (2015) Hinweise zur medi zinischen Versorgung von Fluumlchtlingen und Asylsuchenden in Krankenhaumlusern Stand November 2015 httpwwwdkgevdemediafile22105RS463-2015_Anlage_Gesundheitsversor-gung_von_Fluechtlingen_und_Asylsuchendenpdf

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Fluumlchtlingsrat Berlin (oJ) Medi zinische Versorgung httpwwwfluechtlingsrat-berlindegesetzgebungphpMed

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Katholisches Forum Leben in der Illegalitaumlt (2017) Positions-papier Forderung der Gewaumlhrleistung der Gesundheitsversor-gung fuumlr Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalitaumlt in Deutschland

Koumlszligler Melanie Mohr Tobias Habbe Heiko (2013) Aufenthalts-rechtliche Ille galitaumlt Beratungshandbuch 2013 3 aktualisierte und vollstaumlndig uumlberarbeitete Auflage Berlin Freiburg

Medizinische Fluumlchtlingshilfe Goumlttingen e V (oJ) Gesundheit fuumlr Gefluumlchtete Informationsportal von Medibuumlros Medinetzen httpgesundheit-gefluechteteinfo

Mylius Maren (2016) Die medizinische Versorgung von Men-schen ohne Papiere in Deutschland Studien zur Praxis in Gesund-heitsaumlmtern und Krankenhaumlusern Bielefeld Transcript

UN-Behindertenrechtskonvention httpswwwbehinderten-rechtskonventioninfo

UN-Frauenrechtskonvention httpswwwfrauenrechtskonven-tionde

UN-Kinderrechtskonvention httpswwwkinderrechtskonven-tioninfo

alle Internetquellen Stand 30032017

Kontakt Die Koordination der Bundesarbeitsgruppe GesundheitIllegalitaumlt liegt derzeit bei der Diakonie Deutschland

Ansprechperson Dr med Anja Dieterich MPH Grundsatzfragen der gesundheitlichen Versorgung Zentrum Gesundheit Rehabilitation und Pflege Telefon +49 (0)30 65211 1664 E-Mail anjadieterichdiakoniede

Diakonie Deutschland ndash Evangelischer Bundesverband Evangelisches Werk fuumlr Diakonie und Entwicklung e V Caroline-Michaelis-Str1 10115 Berlin wwwdiakoniede

Das vorliegende Arbeitspapier ist elektronisch abrufbar unter infodiakoniedegesundheitsversorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

Jesuit Refugee Service

Jesuiten Fluumlchtlingsdienst

Kampagne von MedibuumlrosMedinetzen

Gesundheitfuumlr Gefluumlchtete

Medizinische Fluumlchtlingshilfe fuumlr Menschen ohne Krankenversicherungsschutz

MediNetz Bielefeld

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Aumlrztinnen und Aumlrzte uumlben ihren Beruf nach ihrem Gewissen den Geboten der aumlrztlichen Ethik und der Menschlichkeit aus Sie duumlrfen keine Grundsaumltze anerkennen und keine Vorschriften oder Anweisungen beachten die mit ihren Aufgaben nicht verein-bar sind oder deren Befolgung sie nicht verantworten koumlnnen Musterberufsordnung der Bundesaumlrztekammer

3 Humanitaumlre Problembeschreibung Strukturell bedingte medizinische Unterversorgung

Aufgrund ihres fehlenden aufenthaltsrechtlichen Status leben Menschen ohne Papiere in meist prekaumlren Situationen Die Schwierigkeit Rechte in Anspruch zu nehmen bedeutet einen Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe und hat Auswirkun-gen auf alle Bereiche des Lebens Leben ohne Rechte heiszligt Arbeitsbedingungen und -loumlhne koumlnnen schlecht verhandelt Wohnraum kann nicht offiziell gemietet Kinder nicht einfach in der Schule angemeldet und Gewalttaten nicht angezeigt wer-den Hinzu kommt der eingeschraumlnkte Zugang zur Gesund-heitsversorgung

Gesundheitsleistungen koumlnnen nur im Notfall und mit Hinder-nissen in Anspruch genommen werden Der Kontakt zum pro-fessionellen Gesundheitswesen wird nach Moumlglichkeit vermie-den Aumlrztliche Behandlung wird erst dann in Betracht gezogen wenn die Arbeitsfaumlhigkeit gravierend eingeschraumlnkt ist oder die Erkrankung lebensbedrohliche Ausmaszlige annimmt Das Auftre-ten gesundheitlicher Probleme bedeutet fuumlr Menschen ohne Papiere eine existenzbedrohende Situation in der es abzuwaumlgen gilt ob die gesundheitlichen Problemlagen es notwendig machen das Risiko der Statusaufdeckung und damit der Abschiebung einzugehen Kosten der Behandlung Unsicherheit daruumlber wo die notwendige Behandlung zu finden ist und Sprachbarrieren sind weitere Gruumlnde warum Hilfe nicht oder haumlufig zu spaumlt in Anspruch genommen wird Die Chronifizierung einer rechtzeitig heilbaren Behandlung wird damit in Kauf genommen

Findet eine medizinische Behandlung statt berichten Betrof-fene Aumlrztinnen und Unterstuumltzungs-Organisationen von Pro-blemen in der Kontinuitaumlt durch das Fehlen von Vorbefunden und unzureichende Uumlberweisungsmoumlglichkeiten Die Schwie-rigkeiten Krankheiten adaumlquat auszukurieren etwa durch unge-regelte Arbeitsverhaumlltnisse erschweren die Behandlung zusaumltz-

lich Nicht zuletzt ist die Versorgung von Spenden und ehrenamtlicher Taumltigkeit abhaumlngig Oft bleibt eine medizinische Versorgung ganz aus insbesondere notwendige langfristige Behandlungen bei chronischen Erkrankungen Auch Struktur-probleme wie Unsicherheiten hinsichtlich der Kostenuumlbernahme von Behandlungen etwa im Krankenhaus wirken sich negativ auf die Betroffenen aus

Im Uumlberblick ist davon auszugehen dass die Gruppe der Men-schen ohne Papiere im Prinzip das gleiche Krankheitsspektrum aufweist wie die Gesamtbevoumllkerung in Deutschland ndash jedoch bei einer signifikant schlechteren Lebenslage schlechteren Ver-sorgung und entsprechenden gesundheit lichen Konsequenzen Quantitative und qualitative Forschungsergebnisse legen eine Verschlechterung der Gesundheit durch ein Zusammenspiel von negativen sozialen Determinanten unsicherer Lebenssituation und schwierigem Zugang zur Gesundheitsversorgung nahe

Quellen und weiterfuumlhrende LiteraturBommes Michael Wilmes Maren (2007) Menschen ohne Papiere in Koumlln httpwwwstadt-koelndemediaassetcontentpdf56202pdf Koumlln

Borde Theda David Matthias Papies-Winkler Ingrid (Hg) (2009) Lebenslage und gesellschafltiche Versorgung von Menschen ohne Papiere Frankfurt am Main Mabuse

Castantildeeda Heide (2009) Illegality as risk factor A survey of unauthorized mig-rant patients in a Berlin clinic In Social Science amp Medicine 2009 (68) 1552ndash1560

Cavazos-Regh Patricia A Zayas Luis H Spitznagel Edward L (2007) Legal Sta-tus Emotional Well-Being and Subjective Health Status of Latino Immigrants Journal of the National Medical Association 2007 99 1126ndash1131

Huschke Susann (2013) Kranksein in der Illegalitaumlt Bielefeld Transcript-Verlag

Kuehne Anna (2014) Gesundheit und Gesundheitsversorgung von Migranten ohne Aufenthaltsstatus Dissertation httpd-nbinfo106048455234 Hamburg

Kuehne Anna Huschke Susann (2015) Subjective health of undocumented migrants in Germany ndash a mixed methods approach BMC Public Health 2015 15 926

Mylius Maren Bornschlegl Wiebke Frewer Andreas (Hg) (2011) Medizin fuumlr bdquoMenschen ohne Papiereldquo ndash Menschenrechte in der Praxis des Gesundheits-systems Goumlttingen V+R unipress

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Die medizinische Versorgung der Menschen ohne Papiere muss ohne das Risiko einer Meldung an die Auslaumlnderbehoumlrde moumlglich gemacht werden Entschlieszligung des 119 Deutschen Aumlrztetages Mai 2016

4 Uumlberblick Loumlsungsansaumltze Bundesweite Loumlsung oder lokale bdquoFlickenteppicheldquo

Die gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne Papiere findet derzeit zu groszligen Teilen kompensatorisch im Bereich des freiwilligen Engagements statt Konkrete Hilfeleistungen erfol-gen meist unentgeltlich innerhalb von Parallelstrukturen zum regulaumlren Gesundheitssystem Teils erfolgt medizinische Hilfe direkt in humanitaumlren Sprechstunden und Ambulanzen meist auf Spendenbasis oft ehrenamtlich oder durch Verbaumlnde bzw Kommunen organisiert (z B Malteser Migranten Medizin Aumlrzte der Welt Praxis ohne Grenzen) Teils werden Patientinnen infor-mell in ein lokal aufgebautes Netzwerk engagierter Praxen Krankenhaumluser etc vermittelt welche bereit sind unentgeltlich zu behandeln (z B durch Medi buumlrosMedinetze)

Diese jeweils lokal initiierten Parallelstrukturen sind uumlberregional weitgehend unkoordiniert und konzeptionell unterschiedlich Sie koumlnnen weder eine flaumlchendeckende noch eine gesicherte Ver-sorgung im Umfang des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Kran-kenversicherung anbieten und stellen somit keine strukturellen Loumlsungsansaumltze dar Es ist davon auszu gehen dass ein Groszligteil der Betroffenen in Deutschland weitgehend unversorgt ist

Mittel- und langfristiges Ziel muss es daher sein rechtlich kon-zeptionell strukturell und organisatorisch dafuumlr zu sorgen dass Menschen ohne Papiere einen ungehinderten und diskriminie-rungsfreien Zugang zum Gesundheitssystem erhalten Sie sollten im Umfang des GKV-Leistungskatalogs moumlglichst niedrigschwel-lig und wohnortnah versorgt werden Dazu ist es neben der Auf-hebung von Zugangsbarrieren fachlich notwendig dass sich das Gesundheitswesen insgesamt auf die Herausforderungen der Mig-ration einstellt z B durch Maszlig nahmen der interkulturellen Orga-nisationsentwicklung (Anti rassismus trainings in den Einrichtungen etc) Spezialisierte Zentren koumlnnen im Einzelfall sinnvoll sein z B fuumlr die Traumabehandlung sollten aber v a ebenfalls die Funktion haben ins Regelsystem zu vermitteln Der Aufbau paralleler Son-derstrukturen ist zu vermeiden Ergaumlnzende soziale und rechtliche Beratungsangebote sollten verbindlich zur Verfuumlgung stehen

Im Folgenden stellt die BAG das Spektrum gegenwaumlrtig diskutierter und umgesetzter Loumlsungsansaumltze vor Zunaumlchst wird eroumlrtert was auf rechtlicher Ebene moumlglich ist Anschlie-szligend werden in der Praxis bereits bestehende regionale Ansaumltze portraitiert und deren Vor- und Nachteile dargestellt

a) Rechtliche Moumlglichkeiten Der Gesetzgeber hat im Leistungsrecht (AsylbLG) den Rahmen der medizinischen Behandlungsmoumlglichkeiten fuumlr Menschen ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus festgelegt Eine entschei-

dende rechtliche Huumlrde des Zugangs zur Behandlung ist jedoch die behoumlrdliche Uumlbermittlungspflicht personenbezogener Daten des Sozialamtes an die Auslaumlnderbehoumlrde (sect 87 AufenthG) Damit eine humanitaumlr vertretbare Inanspruchnahme der Ver-sorgung sichergestellt wird ist eine grundsaumltzliche Einschraumln-kung dieser Uumlbermittlungspflichten geboten

Rechtlich werden dafuumlr zwei Moumlglichkeiten diskutiert Entwe-der werden einzelne Behoumlrden (u a Sozialbehoumlrden) aus der Uumlbermittlungspflicht herausgenommen ndash so der Gesetzentwurf aus dem Jahr 2006 von Buumlndnis 90Die Gruumlnen Oder der sect 87 wird grundlegend neu gefasst und die Uumlbermittlungspflicht auf solche Behoumlrden beschraumlnkt die die Aufgabe der Gefahren-abwehr Strafverfolgung oder Strafvollstreckung wahrnehmen ndash so der Gesetzesentwurf der SPD-Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2009

Zusaumltzlich dazu ist eine praxistaugliche und diskriminierungs-freie Loumlsung zur Verwirklichung des Menschen rechts auf Gesund-heit fuumlr alle Menschen zu suchen die gegenwaumlrtig eingeschraumlnkte Leistungen nach dem AsylbLG erhalten Eine Regelversorgung im vollen Umfang des Leistungskatalogs der gesetzlichen Kran-kenversicherung ist sicherzustellen Denn dieser definiert die medizinisch notwendigen Leistungen Das auch fuumlr Menschen ohne Papiere geltende Sondergesetz fuumlr Asylsuchende Gefluumlch-tete und Geduldete erfuumlllt diese Bedingung nicht Die viel fachen Verpflichtungen aus dem Sozialpakt und weiteren UN-Konventi-onen sind ins innerdeutsche Recht zu verankern

b) Regionale Ansaumltze Im Folgenden werden einige in der Praxis vorzufindende regi-onale Ansaumltze fuumlr eine verbesserte Gesundheitsversorgung skizziert (Ziel Konzept Umsetzungsstand Finanzierung) und jeweils daraufhin bewertet

ob sie konzeptionell darauf abzielen einen Zugang zum regu-laumlren Gesundheitssystem herzustellen bzw dies erreichen oder eine Sonderversorgung darstellen

ob sie das fachlich wuumlnschenswerte Kriterium eines flankie-renden sozialen und rechtlichen Beratungsangebots im Sinne einer freiwilligen und klientenorientierten Unterstuumltzungsleis-tung im geschuumltzten Rahmen erfuumlllen

inwieweit sie einen bedarfsgerechten Leistungsumfang nach dem GKV-Leistungskatalog ermoumlglichen und

ob sie langfristig und stabil etabliert sind

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Die folgenden unterschiedlichen Ansaumltze existieren in der Praxis teils in Kombination bzw ergaumlnzen sich

Der Anonymisierte Krankenschein (AK)

Ziel Ziel des Konzepts Anonymisierter Krankenschein ist es Menschen ohne Papiere ohne Angst vor Datenweitergabe an die Auslaumlnderbehoumlrde den regulaumlren Zugang zum Gesundheits-system zu ermoumlglichen so dass sie zu frei waumlhlbaren Aumlrztinnen gehen koumlnnen

Konzept Die derzeitige Praxis einer Krankenschein-Vergabe durch Mitarbeiterinnen des Sozialamts wird ersetzt Durch eine Vergabestelle die einen geschuumltzten Rahmen der Kranken-schein-Ausgabe ermoumlglicht d h vertraulich aufgesucht wer-den kann wird die Weitergabe der Daten unterbunden Zusaumltz-lich erhalten die Betroffenen die Moumlglichkeit zur Sozial- und Rechtsberatung um etwaige Legalisierungswege aufzuzeigen Nach diesem persoumlnlichen Erstkontakt erhalten die hilfesu-chenden Menschen wenn sie keinen rechtlichen Aufenthalts-titel haben und mittellos sind einen sogenannten Anonymisier-ten Krankenschein mit dem sie freien Zugang zu Arztpraxen des regulaumlren Gesundheitssystems erhalten

Umsetzungsstand Eine Umsetzung dieses Ansatzes findet in GoumlttingenHannover seit Anfang 2016 statt in Thuumlringen ist dies in Planung Hier sollen die Anonymisierten Krankenscheine evtl nicht nur von einer Vergabestelle ausgehaumlndigt werden koumlnnen sondern auch von Aumlrztinnen vor Ort um eine flaumlchendeckende Versorgung zu erreichen In beiden Regionen handelt es sich um zeitlich befristete Modellprojekte die in Abhaumlngigkeit von den aktuellen Haushaltsplaumlnen auf ein bis drei Jahre angesetzt sind und wissenschaftlich begleitet werden Initiator und Ver-handlungspartner der jeweiligen Landesregierungen und loka-len Akteure (u a Kassenaumlrztliche Vereinigungen) sind die loka-len NGOs die hier bisher unentgeltlich kompensatorisch taumltig sind und die noumltige Fachkompetenz aufweisen (Medinetze GoumlttingenHannover bzw Jena) Auch in Berlin ist im aktuellen Koalitionsvertrag der Landesregierung die Absichtserklaumlrung verankert einen Anonymisierten Krankenschein einzufuumlhren

In Hannover koumlnnen zurzeit uumlber den Anonymisierten Kranken-schein nur Behandlungen nach sect 4 AsylbLG abgerechnet werden In Thuumlringen wurde gerade der Leistungskatalog fuumlr die elektronische Gesundheitskarte festgelegt Der mit der elektronischen Gesundheitskarte abgerechnete Leistungsum-fang fuumlr Leistungsempfaumlngerinnen nach AsylbLG soll hier weit-gehend dem Leistungskatalog der GKV entsprechen Ob dies auch fuumlr den Anonymisierten Krankenschein gelten soll bleibt abzuwarten

Finanzierung Es sind grundsaumltzlich verschiedene Finanzie-rungsmoumlglichkeiten dieses Konzepts denkbar In den beiden genannten Regionen erfolgt sie gegenwaumlrtig durch einen Fonds (500000 EuroJahr in Goumlttingen Hannover 250000 EuroJahr in Thuumlringen) der vom jeweiligen Bundesland bereitgestellt und

durch die Vergabestelle verwaltet wird Ebenso moumlglich und wuumlnschenswerter waumlre eine dauerhafte Finanzierung uumlber einen festen Etat ohne Deckelung

Vor- und Nachteile

Zusammenfassend erscheint das Modell des Anonymisierten Krankenscheins unter den regionalen Ansaumltzen als bisher weit-reichendste Moumlglichkeit Menschen ohne Papiere den regulauml-ren Zugang zur medizinischen Versorgung in Deutschland zu ermoumlglichen

Zugang zum regulaumlren GesundheitssystemDas Konzept sieht die direkte Vermittlung in das regulaumlre Gesundheitssystem zu niedergelassenen Aumlrztinnen und dor-tiger Behandlung vor

Begleitende soziale und rechtliche BeratungDas fachlich unstrittige Kriterium flankierend zur medizinischen Behandlung routinemaumlszligig eine soziale und rechtliche Beratung anzubieten ist gegeben

LeistungsumfangIn der Praxis bestehen Begrenzungen des Anonymisierten Kran-kenscheins Die Modellprojekte sind auf begrenzte Personen-gruppen ausgerichtet sie bieten keinen umfassenden Zugang fuumlr alle vor Ort unterversorgten nicht versicherten Personen-gruppen (z B EU-Buumlrgerinnen) Zusaumltzlich bestehen bei eini-gen Modellprojekten Leistungseinschraumlnkungen im Sinne des sect 4 AsylbLG und aufgrund der gewaumlhlten Fondsfinanzierung deren Mittel beschraumlnkt sind

Humanitaumlre Sprechstunden

Ziel Humanitaumlre Sprechstunden werden in mehreren Staumldten angeboten (Bremen Bremerhaven Frankfurt a M Oldenburg Wies baden) um Menschen ohne Papiere Zugang zur Gesund-heitsversorgung zu ermoumlglichen Diese Sprechstunden sind Anlaufstellen die meist selbst eingeschraumlnkte medizinische Versorgung anbieten und an andere (Fach)aumlrztinnen weiter-vermitteln

Konzept Die anonyme und unentgeltliche allgemeinaumlrztliche Basisversorgung wird im oumlrtlichen Gesundheitsamt ange boten Zusaumltzlich kann an kooperierende Fachaumlrztinnen und in die stationaumlre Versorgung unentgeltlich oder kostenguumlnstig vermit-telt werden In Bremen kooperiert die Humanitaumlre Sprechstunde mit einer Clearingstelle der Inneren Mission die soziale aufent-haltsrechtliche Beratung anbietet In Frankfurt uumlbernimmt diese Aufgabe ein gemeinnuumltziger Verein

Quellenhttpswwwaerzteblattdenachrichten73069Modellprojekt-zur-medizinischen-Versorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

httpwwwmedinetz-hannoverdeindexphpnewsarchivanonymer-kranken-schein-ein-erster-schritthtml

httpmfhblogsportdeprojekteanonymisierter-krankenschein

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Umsetzungsstand Die Humanitaumlren Sprechstunden als direkte medizinische Versorgung und Vermittlung nichtversicherter Migrantinnen im Gesundheitsamt existieren seit 2001 in Frank-furt a M und seit 2009 in Bremen wo das Konzept uumlbernom-men und weiterentwickelt wurde

Es existieren auszligerdem in Wiesbaden und Oldenburg Huma-nitaumlre Sprechstunden die vorrangig Vermittlung zur medi-zinischen Behandlung anbieten und nicht in oumlffentlicher Trauml-gerschaft sind In Wiesbaden wird sie von pro familia der Diakonie und der Stadt Wiesbaden getragen wobei die Kos-ten in einem gewissen Umfang von Spenden finanziert wer-den und die Aumlrztinnen entweder ehrenamtlich oder zu einem geringeren Honorar arbeiten In Oldenburg kooperiert ein frei-gemeinuumltziger Traumlger mit dem oumlrtlichen Klinikum einer Apo-theke und ehrenamtlichen Aumlrztinnen Pflegerinnen und Unter-stuumltzerinnen

Finanzierung Die Humanitaumlren Sprechstunden werden teilweise oder vollstaumlndig mit oumlffentlichen Mitteln finanziert Fuumlr die in die-sen Sprechstunden arbeitenden Aumlrztinnen ist in der Regel eine Behandlungskostenabrechnung der Basisversorgung moumlglich wobei die Konzepte unterschiedlich sind Es steht jeweils ein gedeckelter Betrag fuumlr die Medikamentenversorgung und Kran-kenbehandlung auszligerhalb der Sprechstunde zur Verfuumlgung z B in Krankenhaumlusern

Vor- und Nachteile

Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem Humanitaumlre Sprechstunden ermoumlglichen fuumlr Menschen ohne Papiere einen niedrigschwelligen Zugang zu einer gesundheit-lichen Grundversorgung im Sinne einer Sonderversorgung Nicht zuletzt wird mit von oumlffentlicher Hand gefoumlrderten Ein-richtungen dieser Art von Seiten der Politik anerkannt dass es einen dringlichen Versorgungsbedarf gibt der eigentlich uumlber die Regelversorgung gedeckt werden muss Ein Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem kann mit diesen Sprechstunden nicht eroumlffnet werden

Begleitende soziale und rechtliche Beratung Der fachliche Standard einer flankierenden sozialrechtlichen Beratung wird teilweise erfuumlllt

Leistungsumfang und Langfristigkeit Es findet eine medizinisch eingeschraumlnkte Sonderversorgung statt Chronische Erkrankungen lassen sich oft nicht behan-deln Damit bleibt auch die Arbeit von ehrenamtlich kompen-sierenden Parallelstrukturen weiter notwendig

Es existieren in der Praxis finanzielle und personelle Einschraumln-kungen so dass die Humanitaumlren Sprechstunden gegenwaumlr-tig nur als Einstieg in eine zu entwickelnde Versorgungsstruk-tur aufgefasst werden koumlnnen

Exkurs Perspektiven des Oumlffentlichen Gesundheits-dienstes (OumlGD)

Die in die jeweiligen Gesundheitsaumlmter eingegliederten Huma-nitaumlren Sprechstunden in Bremen und Frankfurt a M sind derzeit kommunale Ausnahmen Sie verweisen auf die Rolle die der OumlGD bei der Versorgung von Menschen ohne Papiere angesichts seines gesetzlichen Auftrags flaumlchendeckend zu uumlbernehmen hat Neben dem GKV- und dem privataumlrztlich finanzierten ambulanten und stationaumlren Versorgungssystem werden dem OumlGD uumlber die entsprechenden Bundes- und Laumln-dergesetze spezifische Aufgaben zugewiesen insbesondere die Zustaumlndigkeit fuumlr die Gesundheit schlecht- bzw nichtver-sorgter Menschen3

Bereits jetzt ist der OumlGD komplementaumlr taumltig Durch das Infek-tionsschutzgesetz sind die Gesundheitsaumlmter nach sect 19 lfSG mit der Beratung Diag nostik und ambulanten Therapie bei sexuell uumlbertragbaren Krankheiten sowie Tuberkulose beauf-tragt Dies kann auch von Menschen ohne rechtlichen Auf-ent haltstitel in Anspruch genommen werden Zusaumltzlich koumlnnen nach sect 20 Abs 5 lfSG die obersten Landesgesundheitsbe-houmlrden bestimmen bdquodass die Gesundheitsaumlmter unentgeltlich Schutzimpfungen oder andere Maszlignahmen der spezi fischen Prophylaxe gegen bestimmte uumlbertragbare Krankheiten durch-fuumlhrenldquo In der Praxis exis tieren in einigen Gesundheits-aumlmtern Angebote bspw zur Schwangerenvorsorge oder Vor sorge untersuchungen von Kindern (z B Zentren fuumlr sexu-elle Gesundheit und Familien planung in den bezirk lichen Gesundheits aumlmtern in Berlin)

Als Moumlglichkeit einer bundesweiten Loumlsung koumlnnte ein Aus-bau dieser schon vorhandenen Strukturen gesehen werden indem die Gesundheitsaumlmter ihre Aufgaben systematisch auf die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere ausweiten Im Rahmen einer dafuumlr notwendigen umfassen-den Strukturreform ist der OumlGD als zentraler kommunaler Akteur fuumlr die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere zu staumlrken Er braucht Ressourcen und neue Kom-petenzen um einen aktuellen Uumlberblick uumlber lokal vorhan-dene ungedeckte Versorgungsbedarfe (systematische regi-onale Gesundheitsberichterstattung) und direkte Versorgung fuumlr de facto unversorgte Personen ggf auch aufsuchend bereitstellen zu koumlnnen Vor allem kann der OumlGD seiner Ver-antwortung durch die Koordination der lokalen Versorgung und die Vermittlung unversicherter Personen ins regulaumlre Gesundheitssystem nachkommen

3 Exemplarisch sei das OumlGD-Gesetz NRW zitiert (sect 4 Allgemeine Grundsaumltze der Leistungserbringung) bdquo(1) Soweit und solange die mediz-inisch-soziale Versorgung erforderlich jedoch nicht oder nicht rechtzeitig gewaumlhrleistet ist kann sie die untere Gesundheitsbehoumlrde im Benehmen mit primaumlr zustaumlndigen Handlungstraumlgern im Rahmen eigener Dienste und Einrichtungen erbringen Dies gilt insbesondere wenn Personen wegen ihres koumlrperlichen geistigen oder seelischen Zustandes oder aufgrund sozialer Umstaumlnde besonderer gesundheitlicher Fuumlrsorge beduumlrfen und diesem Bedarf nicht im Rahmen der uumlblichen Einrichtungen der gesund-heitlichen Versorgung entsprochen wirdldquo

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Clearingstellen

Ziel In verschiedenen Regionen existieren sogenannte Clea-ringstellen die offene Rechtsanspruchsfragen klaumlren und wenn moumlglich bei einer Vermittlung in das regulaumlre Gesundheitssys-tem helfen Dazu gehoumlren auch Fragen einer aufenthaltsrecht-lichen Legalisierung in Deutschland und der Sicherung der Finanzierung etwaiger Gesundheitsleistungen Sollte eine Ein-bindung nicht moumlglich sein wird an Stellen vermittelt die fuumlr Menschen ohne Papiere medizinische Versorgung unentgelt-lich anbieten koumlnnen

Konzept Die Clearingstellen stellen eine Kooperation zwischen Gesundheitsaumlmtern und unterschiedlichen freien Traumlgern dar Sie unterliegen der Schweigepflicht sodass eine Weitergabe der Daten nicht befuumlrchtet werden muss

Umsetzungsstand Bereits seit 1998 besteht in Muumlnchen eine Clearingstelle in enger Zusammenarbeit zwischen Stadt und freien Traumlgern (Malteser Migrantenmedizin Cafeacute 104 und Aumlrzte der Welt) Diese bereits laumlngerfristige Kooperation ermoumlglicht vor Ort bspw eine unkomplizierte Duldung schwangerer Frauen drei Monate vor und nach Geburt sodass neben der Versor-gung auch die Ausstellung der Geburtsurkunden fuumlr Kinder pro-blemlos durchgefuumlhrt werden kann In Hamburg wird seit 2015 eine Clearingstelle als dauerhaftes Projekt durch die Behoumlrde fuumlr Arbeit Soziales Familie und Integration gefoumlrdert In Duumls-seldorf wurde ebenfalls 2015 von der Stadt ein fuumlr drei Jahre finanziertes Modellprojekt bei einer lokalen NGO (MediNetz Stay Duumlsseldorfer Fluumlchtlingsinitiative) eingerichtet In Nord-rhein-Westfalen wurden seit Mitte 2016 fuumlnf Clearingstellen eroumlffnet (Koumlln Duisburg Dortmund Muumlnster Gelsenkirchen) die als Modellprojekte uumlber drei Jahre laufen und mit 25 Milli-onen Euro vom Land gefoumlrdert werden

Finanzierung Die Finanzierung der Clearingstellen erfolgt uumlber regional unterschiedliche (Notfalls-)Fonds teils (z B in Duumlssel-

dorf und Muumlnchen) werden weiterhin ehrenamtliche Leistungen von Aumlrztinnen erbracht Der von den Clearingstellen uumlbernom-mene Leistungsumfang bezieht sich in der Regel auf aumlrztliche und zahnaumlrztliche Leistungen gemaumlszlig sectsect 4 und 6 AsylbLG Teils z B in Hamburg werden Notfaumllle entsprechend der moumlglichen Finanzierung nach sect 25 SGB XII nicht uumlbernommen

Vor- und Nachteile

Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem und begleitende soziale und recht liche BeratungDie Staumlrke regionaler Clearingstellen liegt in der umfassenden sozialen und rechtlichen Beratung und dem Bemuumlhen einen Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem herzustellen Dies ist einer kompensatorischen Sonderversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere systematisch vorgeschaltet

LeistungsumfangDer Erfolg des Clearings ist jedoch daran zu messen ob fuumlr alle aufsuchenden Menschen eine adaumlquate Versorgung sicher-gestellt werden kann Dies ist jedoch in der Praxis z T nicht gegeben Fuumlr Menschen die nicht in die Regelversorgung ein-gegliedert werden koumlnnen kann im Rahmen von Notfallfonds oft eine Basisversorgung zur Verfuumlgung gestellt werden doch die Einschraumlnkungen nach AsylbLG bleiben bestehen Aufgrund der gedeckelten Fondsfinanzierung gelingt die Finanzierung kostspieliger Leistungen nur im Ausnahmefall Der Aufgaben-bereich ehrenamtlicher Arbeit in und mit Parallelstrukturen bleibt deshalb von groszliger Bedeutung

LangfristigkeitAuch die Clearingstellen sind oft Modellprojekte ihr Bestand ist nicht auf mehrere Jahre zugesichert Auch dieser Loumlsungs-ansatz erscheint gegenwaumlrtig eher als zoumlgerlich und instabil und stellt keine umfassende Problemloumlsung fuumlr die jeweilige Region dar

QuellenTiarks-Jungk Petra (oJ) Humanitaumlre Sprechstunde Medizinische Versorgung von Menschen mit ungeklaumlrtem Aufenthaltsstatus httpswwwjurauni-frank-furtde48622522Tjarks-Jungk_Humanitaere-Sprech-stunde-Mai-2013-1pdf

httpwwwgesundheitsamtbremendehumanitaere_sprechstunde-3655

httpwwwinneremission-bremendemigration_und_fluechtlingshilfehumani-taere_sprechstunde_clearing

httpswwwfrankfurtdesixcmsdetailphpid=2996amp_ffmpar[_id_inhalt]=6327770

QuellenAnderson Philip et al (2010) bdquoWir haben Sie nicht vergessen hellipldquo 10 Jahre Umgang mit Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus in der Landes-hauptstadt Muumlnchen Das Muumlnchner Modell httpwwwforum-illegalitaetdemediapool99993476dataMuenchen_Ergebnisse_2010pdf

Fluumlchtlingszentrum Hamburg (2015) Evaluationsbericht Clearingstelle Gesund-heitsversorgung Auslaumlnder httpwwwfz-hhdedownloadclearingstelle-mvClearingstelle_2015_Evaluationsbericht_Web_neupdf

httpwwwstadt-koelndeleben-in-koelngesundheitmigration-und-gesund-heit-clearingstelle

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5 Resuumlmee und Ausblick Bundesweite Sicher stellung einer bedarfs gerechten Versorgung fuumlr Menschen ohne Papiere

Die vorgestellten rechtlichen Optionen und regionalen Ansaumltze zeigen verschiedene moumlgliche Interventionen auf um die Gesundheitsversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere zu verbes-sern Seit der Bestandsaufnahme der BAG vor gut 10 Jahren hat sich weder die rechtliche Ausgangslage noch das humani-taumlre Problem wesentlich geaumlndert Ansaumltze zur verbesserten Gesundheitsversorgung sind insbesondere auf regionaler Ebene mit entsprechend begrenzter Reichweite entstanden Nach wie vor ist ein Groszligteil der Betroffenen gaumlnzlich unversorgt

Aus Sicht der BAG GesundheitIllegalitaumlt bedarf es einer bun-desweiten Loumlsung mit der umfassend die bedarfsgerechte Ver-sorgung von Menschen ohne Papiere sichergestellt wird Ohne eine rechtliche Nachjustierung und Aufhebung bundesrecht-licher Restriktionen auf Bundesebene koumlnnen die regionalen Interventionen nur Ausgleichsversuche darstellen Andererseits obliegt in Deutschland die konkrete Ausgestaltung der Gesund-heitsversorgung d h die Feststellung ungedeckter Bedarfe die Identifizierung von unversorgten Personengruppen und von Versorgungsluumlcken im Gesundheitssystem sowie eine entspre-chende integrierte Planung auch den regionalen politischen und fachlichen Akteuren auf Kommunen- und Laumlnderebene Diese sind durch den Verweis auf ndash im Sinne der Betroffenen ndash sicher notwendige Gesetzesaumlnderungen nicht aus ihrer Verant-wortung zu entlassen Gegenseitige Zustaumlndigkeitsverweise sind inakzeptabel

In der Uumlbersicht des sbquoFlickenteppichslsquo gegenwaumlrtiger regiona-ler Ansaumltze sieht die BAG GesundheitIllegalitaumlt vielverspre-chendes Potential fuumlr zukuumlnftige flaumlchendeckende Loumlsungen Fachlich sinnvoll ndash und gegenwaumlrtig bereits fachoumlffentlich diskutiert ndash scheint die Einfuumlhrung eines krankheitsunabhaumlngi-gen Anonymisierten Krankenscheins oder auch einer Anony-misierten Gesundheitskarte Wuumlnschenswert waumlren ebenfalls bundesweit flaumlchendeckend lokale Anlaufstellen durch den OumlGD oder freie Traumlger organisiert die diese Krankenscheine bzw Karten ausgeben vermittelnd ins regulaumlre Gesundheits-system taumltig sind und flankierend sozial und rechtlich beraten

Abschlieszligend weist die BAG darauf hin dass die skizzierte kom-pensierende Versorgung in Parallelstrukturen laumlngst nicht mehr nur die Menschen ohne Papiere betrifft Viele im Feld taumltige Ini-tiativen berichten seit Jahren dass ihre lokalen Anlaufstellen auch von anderen Personengruppen wachsenden Zulauf erhal-ten wie etwa von jenen EU-Buumlrgerinnen die trotz Freizuumlgig-keitsberechtigung keinen Krankenversicherungsschutz nach-weisen koumlnnen von Asylsuchenden im Zeitraum der Leistungsrestriktion der ersten 15 Monate des Aufenthalts und auch von Nicht-Versicherten ohne Migrationshintergrund Auch fuumlr diese Gruppen besteht dringender Handlungsbedarf Es gilt ein breites Spektrum unterschiedlicher Rechtslagen im Hinblick auf bestehende und nicht umgesetzte Leistungsanspruumlche in den Blick zu nehmen und ebenfalls durch bundesweite Loumlsun-gen zu verbessern ndash um das fuumlr alle Menschen gleichermaszligen geltende Recht auf eine regulaumlre Gesundheitsversorgung end-lich umzusetzen

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Literatur und weiterfuumlhrende Links

Bundesaumlrztekammer (2013) Patientinnen und Patienten ohne legalen Aufenthaltsstatus in Krankenhaus und Praxis httpwwwbundesaerztekammerdefileadminuser_uploaddown-loadsFaltblatt_Patienten-ohne-Aufenthaltsstatus_30112013pdf 3 aktualisierte Auflage 112013 Berlin

Bundesaumlrztekammer (2016) Entschlieszligungen bdquoFluumlchtlinge in der medizinischen Versorgungldquo In 119 Deutscher Aumlrztetag 2016 Berlin 15ndash33

Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) (2015) Hinweise zur medi zinischen Versorgung von Fluumlchtlingen und Asylsuchenden in Krankenhaumlusern Stand November 2015 httpwwwdkgevdemediafile22105RS463-2015_Anlage_Gesundheitsversor-gung_von_Fluechtlingen_und_Asylsuchendenpdf

Falge Christine Fischer-Lescano Andreas Sieveking Klaus (Hg) (2009) Gesundheit in der Illegalitaumlt Baden-Baden Nomos

Fluumlchtlingsrat Berlin (oJ) Medi zinische Versorgung httpwwwfluechtlingsrat-berlindegesetzgebungphpMed

Fuumlhrer Amand Eichner Friederike (2015) Verloren im Raumlder-werk Eine interdisziplinaumlre Studie zur Gesundheit und medizi-nischer Versorgung von Asylsuchenden in Halle (Saale) httpwebuk-halledefileadminBereichsordnerVeranstaltungen2016Verloren-im-Raumlderwerk-1pdf

Katholisches Forum Leben in der Illegalitaumlt (2017) Positions-papier Forderung der Gewaumlhrleistung der Gesundheitsversor-gung fuumlr Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalitaumlt in Deutschland

Koumlszligler Melanie Mohr Tobias Habbe Heiko (2013) Aufenthalts-rechtliche Ille galitaumlt Beratungshandbuch 2013 3 aktualisierte und vollstaumlndig uumlberarbeitete Auflage Berlin Freiburg

Medizinische Fluumlchtlingshilfe Goumlttingen e V (oJ) Gesundheit fuumlr Gefluumlchtete Informationsportal von Medibuumlros Medinetzen httpgesundheit-gefluechteteinfo

Mylius Maren (2016) Die medizinische Versorgung von Men-schen ohne Papiere in Deutschland Studien zur Praxis in Gesund-heitsaumlmtern und Krankenhaumlusern Bielefeld Transcript

UN-Behindertenrechtskonvention httpswwwbehinderten-rechtskonventioninfo

UN-Frauenrechtskonvention httpswwwfrauenrechtskonven-tionde

UN-Kinderrechtskonvention httpswwwkinderrechtskonven-tioninfo

alle Internetquellen Stand 30032017

Kontakt Die Koordination der Bundesarbeitsgruppe GesundheitIllegalitaumlt liegt derzeit bei der Diakonie Deutschland

Ansprechperson Dr med Anja Dieterich MPH Grundsatzfragen der gesundheitlichen Versorgung Zentrum Gesundheit Rehabilitation und Pflege Telefon +49 (0)30 65211 1664 E-Mail anjadieterichdiakoniede

Diakonie Deutschland ndash Evangelischer Bundesverband Evangelisches Werk fuumlr Diakonie und Entwicklung e V Caroline-Michaelis-Str1 10115 Berlin wwwdiakoniede

Das vorliegende Arbeitspapier ist elektronisch abrufbar unter infodiakoniedegesundheitsversorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

Jesuit Refugee Service

Jesuiten Fluumlchtlingsdienst

Kampagne von MedibuumlrosMedinetzen

Gesundheitfuumlr Gefluumlchtete

Medizinische Fluumlchtlingshilfe fuumlr Menschen ohne Krankenversicherungsschutz

MediNetz Bielefeld

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Die medizinische Versorgung der Menschen ohne Papiere muss ohne das Risiko einer Meldung an die Auslaumlnderbehoumlrde moumlglich gemacht werden Entschlieszligung des 119 Deutschen Aumlrztetages Mai 2016

4 Uumlberblick Loumlsungsansaumltze Bundesweite Loumlsung oder lokale bdquoFlickenteppicheldquo

Die gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne Papiere findet derzeit zu groszligen Teilen kompensatorisch im Bereich des freiwilligen Engagements statt Konkrete Hilfeleistungen erfol-gen meist unentgeltlich innerhalb von Parallelstrukturen zum regulaumlren Gesundheitssystem Teils erfolgt medizinische Hilfe direkt in humanitaumlren Sprechstunden und Ambulanzen meist auf Spendenbasis oft ehrenamtlich oder durch Verbaumlnde bzw Kommunen organisiert (z B Malteser Migranten Medizin Aumlrzte der Welt Praxis ohne Grenzen) Teils werden Patientinnen infor-mell in ein lokal aufgebautes Netzwerk engagierter Praxen Krankenhaumluser etc vermittelt welche bereit sind unentgeltlich zu behandeln (z B durch Medi buumlrosMedinetze)

Diese jeweils lokal initiierten Parallelstrukturen sind uumlberregional weitgehend unkoordiniert und konzeptionell unterschiedlich Sie koumlnnen weder eine flaumlchendeckende noch eine gesicherte Ver-sorgung im Umfang des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Kran-kenversicherung anbieten und stellen somit keine strukturellen Loumlsungsansaumltze dar Es ist davon auszu gehen dass ein Groszligteil der Betroffenen in Deutschland weitgehend unversorgt ist

Mittel- und langfristiges Ziel muss es daher sein rechtlich kon-zeptionell strukturell und organisatorisch dafuumlr zu sorgen dass Menschen ohne Papiere einen ungehinderten und diskriminie-rungsfreien Zugang zum Gesundheitssystem erhalten Sie sollten im Umfang des GKV-Leistungskatalogs moumlglichst niedrigschwel-lig und wohnortnah versorgt werden Dazu ist es neben der Auf-hebung von Zugangsbarrieren fachlich notwendig dass sich das Gesundheitswesen insgesamt auf die Herausforderungen der Mig-ration einstellt z B durch Maszlig nahmen der interkulturellen Orga-nisationsentwicklung (Anti rassismus trainings in den Einrichtungen etc) Spezialisierte Zentren koumlnnen im Einzelfall sinnvoll sein z B fuumlr die Traumabehandlung sollten aber v a ebenfalls die Funktion haben ins Regelsystem zu vermitteln Der Aufbau paralleler Son-derstrukturen ist zu vermeiden Ergaumlnzende soziale und rechtliche Beratungsangebote sollten verbindlich zur Verfuumlgung stehen

Im Folgenden stellt die BAG das Spektrum gegenwaumlrtig diskutierter und umgesetzter Loumlsungsansaumltze vor Zunaumlchst wird eroumlrtert was auf rechtlicher Ebene moumlglich ist Anschlie-szligend werden in der Praxis bereits bestehende regionale Ansaumltze portraitiert und deren Vor- und Nachteile dargestellt

a) Rechtliche Moumlglichkeiten Der Gesetzgeber hat im Leistungsrecht (AsylbLG) den Rahmen der medizinischen Behandlungsmoumlglichkeiten fuumlr Menschen ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus festgelegt Eine entschei-

dende rechtliche Huumlrde des Zugangs zur Behandlung ist jedoch die behoumlrdliche Uumlbermittlungspflicht personenbezogener Daten des Sozialamtes an die Auslaumlnderbehoumlrde (sect 87 AufenthG) Damit eine humanitaumlr vertretbare Inanspruchnahme der Ver-sorgung sichergestellt wird ist eine grundsaumltzliche Einschraumln-kung dieser Uumlbermittlungspflichten geboten

Rechtlich werden dafuumlr zwei Moumlglichkeiten diskutiert Entwe-der werden einzelne Behoumlrden (u a Sozialbehoumlrden) aus der Uumlbermittlungspflicht herausgenommen ndash so der Gesetzentwurf aus dem Jahr 2006 von Buumlndnis 90Die Gruumlnen Oder der sect 87 wird grundlegend neu gefasst und die Uumlbermittlungspflicht auf solche Behoumlrden beschraumlnkt die die Aufgabe der Gefahren-abwehr Strafverfolgung oder Strafvollstreckung wahrnehmen ndash so der Gesetzesentwurf der SPD-Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2009

Zusaumltzlich dazu ist eine praxistaugliche und diskriminierungs-freie Loumlsung zur Verwirklichung des Menschen rechts auf Gesund-heit fuumlr alle Menschen zu suchen die gegenwaumlrtig eingeschraumlnkte Leistungen nach dem AsylbLG erhalten Eine Regelversorgung im vollen Umfang des Leistungskatalogs der gesetzlichen Kran-kenversicherung ist sicherzustellen Denn dieser definiert die medizinisch notwendigen Leistungen Das auch fuumlr Menschen ohne Papiere geltende Sondergesetz fuumlr Asylsuchende Gefluumlch-tete und Geduldete erfuumlllt diese Bedingung nicht Die viel fachen Verpflichtungen aus dem Sozialpakt und weiteren UN-Konventi-onen sind ins innerdeutsche Recht zu verankern

b) Regionale Ansaumltze Im Folgenden werden einige in der Praxis vorzufindende regi-onale Ansaumltze fuumlr eine verbesserte Gesundheitsversorgung skizziert (Ziel Konzept Umsetzungsstand Finanzierung) und jeweils daraufhin bewertet

ob sie konzeptionell darauf abzielen einen Zugang zum regu-laumlren Gesundheitssystem herzustellen bzw dies erreichen oder eine Sonderversorgung darstellen

ob sie das fachlich wuumlnschenswerte Kriterium eines flankie-renden sozialen und rechtlichen Beratungsangebots im Sinne einer freiwilligen und klientenorientierten Unterstuumltzungsleis-tung im geschuumltzten Rahmen erfuumlllen

inwieweit sie einen bedarfsgerechten Leistungsumfang nach dem GKV-Leistungskatalog ermoumlglichen und

ob sie langfristig und stabil etabliert sind

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Die folgenden unterschiedlichen Ansaumltze existieren in der Praxis teils in Kombination bzw ergaumlnzen sich

Der Anonymisierte Krankenschein (AK)

Ziel Ziel des Konzepts Anonymisierter Krankenschein ist es Menschen ohne Papiere ohne Angst vor Datenweitergabe an die Auslaumlnderbehoumlrde den regulaumlren Zugang zum Gesundheits-system zu ermoumlglichen so dass sie zu frei waumlhlbaren Aumlrztinnen gehen koumlnnen

Konzept Die derzeitige Praxis einer Krankenschein-Vergabe durch Mitarbeiterinnen des Sozialamts wird ersetzt Durch eine Vergabestelle die einen geschuumltzten Rahmen der Kranken-schein-Ausgabe ermoumlglicht d h vertraulich aufgesucht wer-den kann wird die Weitergabe der Daten unterbunden Zusaumltz-lich erhalten die Betroffenen die Moumlglichkeit zur Sozial- und Rechtsberatung um etwaige Legalisierungswege aufzuzeigen Nach diesem persoumlnlichen Erstkontakt erhalten die hilfesu-chenden Menschen wenn sie keinen rechtlichen Aufenthalts-titel haben und mittellos sind einen sogenannten Anonymisier-ten Krankenschein mit dem sie freien Zugang zu Arztpraxen des regulaumlren Gesundheitssystems erhalten

Umsetzungsstand Eine Umsetzung dieses Ansatzes findet in GoumlttingenHannover seit Anfang 2016 statt in Thuumlringen ist dies in Planung Hier sollen die Anonymisierten Krankenscheine evtl nicht nur von einer Vergabestelle ausgehaumlndigt werden koumlnnen sondern auch von Aumlrztinnen vor Ort um eine flaumlchendeckende Versorgung zu erreichen In beiden Regionen handelt es sich um zeitlich befristete Modellprojekte die in Abhaumlngigkeit von den aktuellen Haushaltsplaumlnen auf ein bis drei Jahre angesetzt sind und wissenschaftlich begleitet werden Initiator und Ver-handlungspartner der jeweiligen Landesregierungen und loka-len Akteure (u a Kassenaumlrztliche Vereinigungen) sind die loka-len NGOs die hier bisher unentgeltlich kompensatorisch taumltig sind und die noumltige Fachkompetenz aufweisen (Medinetze GoumlttingenHannover bzw Jena) Auch in Berlin ist im aktuellen Koalitionsvertrag der Landesregierung die Absichtserklaumlrung verankert einen Anonymisierten Krankenschein einzufuumlhren

In Hannover koumlnnen zurzeit uumlber den Anonymisierten Kranken-schein nur Behandlungen nach sect 4 AsylbLG abgerechnet werden In Thuumlringen wurde gerade der Leistungskatalog fuumlr die elektronische Gesundheitskarte festgelegt Der mit der elektronischen Gesundheitskarte abgerechnete Leistungsum-fang fuumlr Leistungsempfaumlngerinnen nach AsylbLG soll hier weit-gehend dem Leistungskatalog der GKV entsprechen Ob dies auch fuumlr den Anonymisierten Krankenschein gelten soll bleibt abzuwarten

Finanzierung Es sind grundsaumltzlich verschiedene Finanzie-rungsmoumlglichkeiten dieses Konzepts denkbar In den beiden genannten Regionen erfolgt sie gegenwaumlrtig durch einen Fonds (500000 EuroJahr in Goumlttingen Hannover 250000 EuroJahr in Thuumlringen) der vom jeweiligen Bundesland bereitgestellt und

durch die Vergabestelle verwaltet wird Ebenso moumlglich und wuumlnschenswerter waumlre eine dauerhafte Finanzierung uumlber einen festen Etat ohne Deckelung

Vor- und Nachteile

Zusammenfassend erscheint das Modell des Anonymisierten Krankenscheins unter den regionalen Ansaumltzen als bisher weit-reichendste Moumlglichkeit Menschen ohne Papiere den regulauml-ren Zugang zur medizinischen Versorgung in Deutschland zu ermoumlglichen

Zugang zum regulaumlren GesundheitssystemDas Konzept sieht die direkte Vermittlung in das regulaumlre Gesundheitssystem zu niedergelassenen Aumlrztinnen und dor-tiger Behandlung vor

Begleitende soziale und rechtliche BeratungDas fachlich unstrittige Kriterium flankierend zur medizinischen Behandlung routinemaumlszligig eine soziale und rechtliche Beratung anzubieten ist gegeben

LeistungsumfangIn der Praxis bestehen Begrenzungen des Anonymisierten Kran-kenscheins Die Modellprojekte sind auf begrenzte Personen-gruppen ausgerichtet sie bieten keinen umfassenden Zugang fuumlr alle vor Ort unterversorgten nicht versicherten Personen-gruppen (z B EU-Buumlrgerinnen) Zusaumltzlich bestehen bei eini-gen Modellprojekten Leistungseinschraumlnkungen im Sinne des sect 4 AsylbLG und aufgrund der gewaumlhlten Fondsfinanzierung deren Mittel beschraumlnkt sind

Humanitaumlre Sprechstunden

Ziel Humanitaumlre Sprechstunden werden in mehreren Staumldten angeboten (Bremen Bremerhaven Frankfurt a M Oldenburg Wies baden) um Menschen ohne Papiere Zugang zur Gesund-heitsversorgung zu ermoumlglichen Diese Sprechstunden sind Anlaufstellen die meist selbst eingeschraumlnkte medizinische Versorgung anbieten und an andere (Fach)aumlrztinnen weiter-vermitteln

Konzept Die anonyme und unentgeltliche allgemeinaumlrztliche Basisversorgung wird im oumlrtlichen Gesundheitsamt ange boten Zusaumltzlich kann an kooperierende Fachaumlrztinnen und in die stationaumlre Versorgung unentgeltlich oder kostenguumlnstig vermit-telt werden In Bremen kooperiert die Humanitaumlre Sprechstunde mit einer Clearingstelle der Inneren Mission die soziale aufent-haltsrechtliche Beratung anbietet In Frankfurt uumlbernimmt diese Aufgabe ein gemeinnuumltziger Verein

Quellenhttpswwwaerzteblattdenachrichten73069Modellprojekt-zur-medizinischen-Versorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

httpwwwmedinetz-hannoverdeindexphpnewsarchivanonymer-kranken-schein-ein-erster-schritthtml

httpmfhblogsportdeprojekteanonymisierter-krankenschein

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Umsetzungsstand Die Humanitaumlren Sprechstunden als direkte medizinische Versorgung und Vermittlung nichtversicherter Migrantinnen im Gesundheitsamt existieren seit 2001 in Frank-furt a M und seit 2009 in Bremen wo das Konzept uumlbernom-men und weiterentwickelt wurde

Es existieren auszligerdem in Wiesbaden und Oldenburg Huma-nitaumlre Sprechstunden die vorrangig Vermittlung zur medi-zinischen Behandlung anbieten und nicht in oumlffentlicher Trauml-gerschaft sind In Wiesbaden wird sie von pro familia der Diakonie und der Stadt Wiesbaden getragen wobei die Kos-ten in einem gewissen Umfang von Spenden finanziert wer-den und die Aumlrztinnen entweder ehrenamtlich oder zu einem geringeren Honorar arbeiten In Oldenburg kooperiert ein frei-gemeinuumltziger Traumlger mit dem oumlrtlichen Klinikum einer Apo-theke und ehrenamtlichen Aumlrztinnen Pflegerinnen und Unter-stuumltzerinnen

Finanzierung Die Humanitaumlren Sprechstunden werden teilweise oder vollstaumlndig mit oumlffentlichen Mitteln finanziert Fuumlr die in die-sen Sprechstunden arbeitenden Aumlrztinnen ist in der Regel eine Behandlungskostenabrechnung der Basisversorgung moumlglich wobei die Konzepte unterschiedlich sind Es steht jeweils ein gedeckelter Betrag fuumlr die Medikamentenversorgung und Kran-kenbehandlung auszligerhalb der Sprechstunde zur Verfuumlgung z B in Krankenhaumlusern

Vor- und Nachteile

Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem Humanitaumlre Sprechstunden ermoumlglichen fuumlr Menschen ohne Papiere einen niedrigschwelligen Zugang zu einer gesundheit-lichen Grundversorgung im Sinne einer Sonderversorgung Nicht zuletzt wird mit von oumlffentlicher Hand gefoumlrderten Ein-richtungen dieser Art von Seiten der Politik anerkannt dass es einen dringlichen Versorgungsbedarf gibt der eigentlich uumlber die Regelversorgung gedeckt werden muss Ein Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem kann mit diesen Sprechstunden nicht eroumlffnet werden

Begleitende soziale und rechtliche Beratung Der fachliche Standard einer flankierenden sozialrechtlichen Beratung wird teilweise erfuumlllt

Leistungsumfang und Langfristigkeit Es findet eine medizinisch eingeschraumlnkte Sonderversorgung statt Chronische Erkrankungen lassen sich oft nicht behan-deln Damit bleibt auch die Arbeit von ehrenamtlich kompen-sierenden Parallelstrukturen weiter notwendig

Es existieren in der Praxis finanzielle und personelle Einschraumln-kungen so dass die Humanitaumlren Sprechstunden gegenwaumlr-tig nur als Einstieg in eine zu entwickelnde Versorgungsstruk-tur aufgefasst werden koumlnnen

Exkurs Perspektiven des Oumlffentlichen Gesundheits-dienstes (OumlGD)

Die in die jeweiligen Gesundheitsaumlmter eingegliederten Huma-nitaumlren Sprechstunden in Bremen und Frankfurt a M sind derzeit kommunale Ausnahmen Sie verweisen auf die Rolle die der OumlGD bei der Versorgung von Menschen ohne Papiere angesichts seines gesetzlichen Auftrags flaumlchendeckend zu uumlbernehmen hat Neben dem GKV- und dem privataumlrztlich finanzierten ambulanten und stationaumlren Versorgungssystem werden dem OumlGD uumlber die entsprechenden Bundes- und Laumln-dergesetze spezifische Aufgaben zugewiesen insbesondere die Zustaumlndigkeit fuumlr die Gesundheit schlecht- bzw nichtver-sorgter Menschen3

Bereits jetzt ist der OumlGD komplementaumlr taumltig Durch das Infek-tionsschutzgesetz sind die Gesundheitsaumlmter nach sect 19 lfSG mit der Beratung Diag nostik und ambulanten Therapie bei sexuell uumlbertragbaren Krankheiten sowie Tuberkulose beauf-tragt Dies kann auch von Menschen ohne rechtlichen Auf-ent haltstitel in Anspruch genommen werden Zusaumltzlich koumlnnen nach sect 20 Abs 5 lfSG die obersten Landesgesundheitsbe-houmlrden bestimmen bdquodass die Gesundheitsaumlmter unentgeltlich Schutzimpfungen oder andere Maszlignahmen der spezi fischen Prophylaxe gegen bestimmte uumlbertragbare Krankheiten durch-fuumlhrenldquo In der Praxis exis tieren in einigen Gesundheits-aumlmtern Angebote bspw zur Schwangerenvorsorge oder Vor sorge untersuchungen von Kindern (z B Zentren fuumlr sexu-elle Gesundheit und Familien planung in den bezirk lichen Gesundheits aumlmtern in Berlin)

Als Moumlglichkeit einer bundesweiten Loumlsung koumlnnte ein Aus-bau dieser schon vorhandenen Strukturen gesehen werden indem die Gesundheitsaumlmter ihre Aufgaben systematisch auf die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere ausweiten Im Rahmen einer dafuumlr notwendigen umfassen-den Strukturreform ist der OumlGD als zentraler kommunaler Akteur fuumlr die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere zu staumlrken Er braucht Ressourcen und neue Kom-petenzen um einen aktuellen Uumlberblick uumlber lokal vorhan-dene ungedeckte Versorgungsbedarfe (systematische regi-onale Gesundheitsberichterstattung) und direkte Versorgung fuumlr de facto unversorgte Personen ggf auch aufsuchend bereitstellen zu koumlnnen Vor allem kann der OumlGD seiner Ver-antwortung durch die Koordination der lokalen Versorgung und die Vermittlung unversicherter Personen ins regulaumlre Gesundheitssystem nachkommen

3 Exemplarisch sei das OumlGD-Gesetz NRW zitiert (sect 4 Allgemeine Grundsaumltze der Leistungserbringung) bdquo(1) Soweit und solange die mediz-inisch-soziale Versorgung erforderlich jedoch nicht oder nicht rechtzeitig gewaumlhrleistet ist kann sie die untere Gesundheitsbehoumlrde im Benehmen mit primaumlr zustaumlndigen Handlungstraumlgern im Rahmen eigener Dienste und Einrichtungen erbringen Dies gilt insbesondere wenn Personen wegen ihres koumlrperlichen geistigen oder seelischen Zustandes oder aufgrund sozialer Umstaumlnde besonderer gesundheitlicher Fuumlrsorge beduumlrfen und diesem Bedarf nicht im Rahmen der uumlblichen Einrichtungen der gesund-heitlichen Versorgung entsprochen wirdldquo

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Clearingstellen

Ziel In verschiedenen Regionen existieren sogenannte Clea-ringstellen die offene Rechtsanspruchsfragen klaumlren und wenn moumlglich bei einer Vermittlung in das regulaumlre Gesundheitssys-tem helfen Dazu gehoumlren auch Fragen einer aufenthaltsrecht-lichen Legalisierung in Deutschland und der Sicherung der Finanzierung etwaiger Gesundheitsleistungen Sollte eine Ein-bindung nicht moumlglich sein wird an Stellen vermittelt die fuumlr Menschen ohne Papiere medizinische Versorgung unentgelt-lich anbieten koumlnnen

Konzept Die Clearingstellen stellen eine Kooperation zwischen Gesundheitsaumlmtern und unterschiedlichen freien Traumlgern dar Sie unterliegen der Schweigepflicht sodass eine Weitergabe der Daten nicht befuumlrchtet werden muss

Umsetzungsstand Bereits seit 1998 besteht in Muumlnchen eine Clearingstelle in enger Zusammenarbeit zwischen Stadt und freien Traumlgern (Malteser Migrantenmedizin Cafeacute 104 und Aumlrzte der Welt) Diese bereits laumlngerfristige Kooperation ermoumlglicht vor Ort bspw eine unkomplizierte Duldung schwangerer Frauen drei Monate vor und nach Geburt sodass neben der Versor-gung auch die Ausstellung der Geburtsurkunden fuumlr Kinder pro-blemlos durchgefuumlhrt werden kann In Hamburg wird seit 2015 eine Clearingstelle als dauerhaftes Projekt durch die Behoumlrde fuumlr Arbeit Soziales Familie und Integration gefoumlrdert In Duumls-seldorf wurde ebenfalls 2015 von der Stadt ein fuumlr drei Jahre finanziertes Modellprojekt bei einer lokalen NGO (MediNetz Stay Duumlsseldorfer Fluumlchtlingsinitiative) eingerichtet In Nord-rhein-Westfalen wurden seit Mitte 2016 fuumlnf Clearingstellen eroumlffnet (Koumlln Duisburg Dortmund Muumlnster Gelsenkirchen) die als Modellprojekte uumlber drei Jahre laufen und mit 25 Milli-onen Euro vom Land gefoumlrdert werden

Finanzierung Die Finanzierung der Clearingstellen erfolgt uumlber regional unterschiedliche (Notfalls-)Fonds teils (z B in Duumlssel-

dorf und Muumlnchen) werden weiterhin ehrenamtliche Leistungen von Aumlrztinnen erbracht Der von den Clearingstellen uumlbernom-mene Leistungsumfang bezieht sich in der Regel auf aumlrztliche und zahnaumlrztliche Leistungen gemaumlszlig sectsect 4 und 6 AsylbLG Teils z B in Hamburg werden Notfaumllle entsprechend der moumlglichen Finanzierung nach sect 25 SGB XII nicht uumlbernommen

Vor- und Nachteile

Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem und begleitende soziale und recht liche BeratungDie Staumlrke regionaler Clearingstellen liegt in der umfassenden sozialen und rechtlichen Beratung und dem Bemuumlhen einen Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem herzustellen Dies ist einer kompensatorischen Sonderversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere systematisch vorgeschaltet

LeistungsumfangDer Erfolg des Clearings ist jedoch daran zu messen ob fuumlr alle aufsuchenden Menschen eine adaumlquate Versorgung sicher-gestellt werden kann Dies ist jedoch in der Praxis z T nicht gegeben Fuumlr Menschen die nicht in die Regelversorgung ein-gegliedert werden koumlnnen kann im Rahmen von Notfallfonds oft eine Basisversorgung zur Verfuumlgung gestellt werden doch die Einschraumlnkungen nach AsylbLG bleiben bestehen Aufgrund der gedeckelten Fondsfinanzierung gelingt die Finanzierung kostspieliger Leistungen nur im Ausnahmefall Der Aufgaben-bereich ehrenamtlicher Arbeit in und mit Parallelstrukturen bleibt deshalb von groszliger Bedeutung

LangfristigkeitAuch die Clearingstellen sind oft Modellprojekte ihr Bestand ist nicht auf mehrere Jahre zugesichert Auch dieser Loumlsungs-ansatz erscheint gegenwaumlrtig eher als zoumlgerlich und instabil und stellt keine umfassende Problemloumlsung fuumlr die jeweilige Region dar

QuellenTiarks-Jungk Petra (oJ) Humanitaumlre Sprechstunde Medizinische Versorgung von Menschen mit ungeklaumlrtem Aufenthaltsstatus httpswwwjurauni-frank-furtde48622522Tjarks-Jungk_Humanitaere-Sprech-stunde-Mai-2013-1pdf

httpwwwgesundheitsamtbremendehumanitaere_sprechstunde-3655

httpwwwinneremission-bremendemigration_und_fluechtlingshilfehumani-taere_sprechstunde_clearing

httpswwwfrankfurtdesixcmsdetailphpid=2996amp_ffmpar[_id_inhalt]=6327770

QuellenAnderson Philip et al (2010) bdquoWir haben Sie nicht vergessen hellipldquo 10 Jahre Umgang mit Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus in der Landes-hauptstadt Muumlnchen Das Muumlnchner Modell httpwwwforum-illegalitaetdemediapool99993476dataMuenchen_Ergebnisse_2010pdf

Fluumlchtlingszentrum Hamburg (2015) Evaluationsbericht Clearingstelle Gesund-heitsversorgung Auslaumlnder httpwwwfz-hhdedownloadclearingstelle-mvClearingstelle_2015_Evaluationsbericht_Web_neupdf

httpwwwstadt-koelndeleben-in-koelngesundheitmigration-und-gesund-heit-clearingstelle

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5 Resuumlmee und Ausblick Bundesweite Sicher stellung einer bedarfs gerechten Versorgung fuumlr Menschen ohne Papiere

Die vorgestellten rechtlichen Optionen und regionalen Ansaumltze zeigen verschiedene moumlgliche Interventionen auf um die Gesundheitsversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere zu verbes-sern Seit der Bestandsaufnahme der BAG vor gut 10 Jahren hat sich weder die rechtliche Ausgangslage noch das humani-taumlre Problem wesentlich geaumlndert Ansaumltze zur verbesserten Gesundheitsversorgung sind insbesondere auf regionaler Ebene mit entsprechend begrenzter Reichweite entstanden Nach wie vor ist ein Groszligteil der Betroffenen gaumlnzlich unversorgt

Aus Sicht der BAG GesundheitIllegalitaumlt bedarf es einer bun-desweiten Loumlsung mit der umfassend die bedarfsgerechte Ver-sorgung von Menschen ohne Papiere sichergestellt wird Ohne eine rechtliche Nachjustierung und Aufhebung bundesrecht-licher Restriktionen auf Bundesebene koumlnnen die regionalen Interventionen nur Ausgleichsversuche darstellen Andererseits obliegt in Deutschland die konkrete Ausgestaltung der Gesund-heitsversorgung d h die Feststellung ungedeckter Bedarfe die Identifizierung von unversorgten Personengruppen und von Versorgungsluumlcken im Gesundheitssystem sowie eine entspre-chende integrierte Planung auch den regionalen politischen und fachlichen Akteuren auf Kommunen- und Laumlnderebene Diese sind durch den Verweis auf ndash im Sinne der Betroffenen ndash sicher notwendige Gesetzesaumlnderungen nicht aus ihrer Verant-wortung zu entlassen Gegenseitige Zustaumlndigkeitsverweise sind inakzeptabel

In der Uumlbersicht des sbquoFlickenteppichslsquo gegenwaumlrtiger regiona-ler Ansaumltze sieht die BAG GesundheitIllegalitaumlt vielverspre-chendes Potential fuumlr zukuumlnftige flaumlchendeckende Loumlsungen Fachlich sinnvoll ndash und gegenwaumlrtig bereits fachoumlffentlich diskutiert ndash scheint die Einfuumlhrung eines krankheitsunabhaumlngi-gen Anonymisierten Krankenscheins oder auch einer Anony-misierten Gesundheitskarte Wuumlnschenswert waumlren ebenfalls bundesweit flaumlchendeckend lokale Anlaufstellen durch den OumlGD oder freie Traumlger organisiert die diese Krankenscheine bzw Karten ausgeben vermittelnd ins regulaumlre Gesundheits-system taumltig sind und flankierend sozial und rechtlich beraten

Abschlieszligend weist die BAG darauf hin dass die skizzierte kom-pensierende Versorgung in Parallelstrukturen laumlngst nicht mehr nur die Menschen ohne Papiere betrifft Viele im Feld taumltige Ini-tiativen berichten seit Jahren dass ihre lokalen Anlaufstellen auch von anderen Personengruppen wachsenden Zulauf erhal-ten wie etwa von jenen EU-Buumlrgerinnen die trotz Freizuumlgig-keitsberechtigung keinen Krankenversicherungsschutz nach-weisen koumlnnen von Asylsuchenden im Zeitraum der Leistungsrestriktion der ersten 15 Monate des Aufenthalts und auch von Nicht-Versicherten ohne Migrationshintergrund Auch fuumlr diese Gruppen besteht dringender Handlungsbedarf Es gilt ein breites Spektrum unterschiedlicher Rechtslagen im Hinblick auf bestehende und nicht umgesetzte Leistungsanspruumlche in den Blick zu nehmen und ebenfalls durch bundesweite Loumlsun-gen zu verbessern ndash um das fuumlr alle Menschen gleichermaszligen geltende Recht auf eine regulaumlre Gesundheitsversorgung end-lich umzusetzen

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Literatur und weiterfuumlhrende Links

Bundesaumlrztekammer (2013) Patientinnen und Patienten ohne legalen Aufenthaltsstatus in Krankenhaus und Praxis httpwwwbundesaerztekammerdefileadminuser_uploaddown-loadsFaltblatt_Patienten-ohne-Aufenthaltsstatus_30112013pdf 3 aktualisierte Auflage 112013 Berlin

Bundesaumlrztekammer (2016) Entschlieszligungen bdquoFluumlchtlinge in der medizinischen Versorgungldquo In 119 Deutscher Aumlrztetag 2016 Berlin 15ndash33

Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) (2015) Hinweise zur medi zinischen Versorgung von Fluumlchtlingen und Asylsuchenden in Krankenhaumlusern Stand November 2015 httpwwwdkgevdemediafile22105RS463-2015_Anlage_Gesundheitsversor-gung_von_Fluechtlingen_und_Asylsuchendenpdf

Falge Christine Fischer-Lescano Andreas Sieveking Klaus (Hg) (2009) Gesundheit in der Illegalitaumlt Baden-Baden Nomos

Fluumlchtlingsrat Berlin (oJ) Medi zinische Versorgung httpwwwfluechtlingsrat-berlindegesetzgebungphpMed

Fuumlhrer Amand Eichner Friederike (2015) Verloren im Raumlder-werk Eine interdisziplinaumlre Studie zur Gesundheit und medizi-nischer Versorgung von Asylsuchenden in Halle (Saale) httpwebuk-halledefileadminBereichsordnerVeranstaltungen2016Verloren-im-Raumlderwerk-1pdf

Katholisches Forum Leben in der Illegalitaumlt (2017) Positions-papier Forderung der Gewaumlhrleistung der Gesundheitsversor-gung fuumlr Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalitaumlt in Deutschland

Koumlszligler Melanie Mohr Tobias Habbe Heiko (2013) Aufenthalts-rechtliche Ille galitaumlt Beratungshandbuch 2013 3 aktualisierte und vollstaumlndig uumlberarbeitete Auflage Berlin Freiburg

Medizinische Fluumlchtlingshilfe Goumlttingen e V (oJ) Gesundheit fuumlr Gefluumlchtete Informationsportal von Medibuumlros Medinetzen httpgesundheit-gefluechteteinfo

Mylius Maren (2016) Die medizinische Versorgung von Men-schen ohne Papiere in Deutschland Studien zur Praxis in Gesund-heitsaumlmtern und Krankenhaumlusern Bielefeld Transcript

UN-Behindertenrechtskonvention httpswwwbehinderten-rechtskonventioninfo

UN-Frauenrechtskonvention httpswwwfrauenrechtskonven-tionde

UN-Kinderrechtskonvention httpswwwkinderrechtskonven-tioninfo

alle Internetquellen Stand 30032017

Kontakt Die Koordination der Bundesarbeitsgruppe GesundheitIllegalitaumlt liegt derzeit bei der Diakonie Deutschland

Ansprechperson Dr med Anja Dieterich MPH Grundsatzfragen der gesundheitlichen Versorgung Zentrum Gesundheit Rehabilitation und Pflege Telefon +49 (0)30 65211 1664 E-Mail anjadieterichdiakoniede

Diakonie Deutschland ndash Evangelischer Bundesverband Evangelisches Werk fuumlr Diakonie und Entwicklung e V Caroline-Michaelis-Str1 10115 Berlin wwwdiakoniede

Das vorliegende Arbeitspapier ist elektronisch abrufbar unter infodiakoniedegesundheitsversorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

Jesuit Refugee Service

Jesuiten Fluumlchtlingsdienst

Kampagne von MedibuumlrosMedinetzen

Gesundheitfuumlr Gefluumlchtete

Medizinische Fluumlchtlingshilfe fuumlr Menschen ohne Krankenversicherungsschutz

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Die folgenden unterschiedlichen Ansaumltze existieren in der Praxis teils in Kombination bzw ergaumlnzen sich

Der Anonymisierte Krankenschein (AK)

Ziel Ziel des Konzepts Anonymisierter Krankenschein ist es Menschen ohne Papiere ohne Angst vor Datenweitergabe an die Auslaumlnderbehoumlrde den regulaumlren Zugang zum Gesundheits-system zu ermoumlglichen so dass sie zu frei waumlhlbaren Aumlrztinnen gehen koumlnnen

Konzept Die derzeitige Praxis einer Krankenschein-Vergabe durch Mitarbeiterinnen des Sozialamts wird ersetzt Durch eine Vergabestelle die einen geschuumltzten Rahmen der Kranken-schein-Ausgabe ermoumlglicht d h vertraulich aufgesucht wer-den kann wird die Weitergabe der Daten unterbunden Zusaumltz-lich erhalten die Betroffenen die Moumlglichkeit zur Sozial- und Rechtsberatung um etwaige Legalisierungswege aufzuzeigen Nach diesem persoumlnlichen Erstkontakt erhalten die hilfesu-chenden Menschen wenn sie keinen rechtlichen Aufenthalts-titel haben und mittellos sind einen sogenannten Anonymisier-ten Krankenschein mit dem sie freien Zugang zu Arztpraxen des regulaumlren Gesundheitssystems erhalten

Umsetzungsstand Eine Umsetzung dieses Ansatzes findet in GoumlttingenHannover seit Anfang 2016 statt in Thuumlringen ist dies in Planung Hier sollen die Anonymisierten Krankenscheine evtl nicht nur von einer Vergabestelle ausgehaumlndigt werden koumlnnen sondern auch von Aumlrztinnen vor Ort um eine flaumlchendeckende Versorgung zu erreichen In beiden Regionen handelt es sich um zeitlich befristete Modellprojekte die in Abhaumlngigkeit von den aktuellen Haushaltsplaumlnen auf ein bis drei Jahre angesetzt sind und wissenschaftlich begleitet werden Initiator und Ver-handlungspartner der jeweiligen Landesregierungen und loka-len Akteure (u a Kassenaumlrztliche Vereinigungen) sind die loka-len NGOs die hier bisher unentgeltlich kompensatorisch taumltig sind und die noumltige Fachkompetenz aufweisen (Medinetze GoumlttingenHannover bzw Jena) Auch in Berlin ist im aktuellen Koalitionsvertrag der Landesregierung die Absichtserklaumlrung verankert einen Anonymisierten Krankenschein einzufuumlhren

In Hannover koumlnnen zurzeit uumlber den Anonymisierten Kranken-schein nur Behandlungen nach sect 4 AsylbLG abgerechnet werden In Thuumlringen wurde gerade der Leistungskatalog fuumlr die elektronische Gesundheitskarte festgelegt Der mit der elektronischen Gesundheitskarte abgerechnete Leistungsum-fang fuumlr Leistungsempfaumlngerinnen nach AsylbLG soll hier weit-gehend dem Leistungskatalog der GKV entsprechen Ob dies auch fuumlr den Anonymisierten Krankenschein gelten soll bleibt abzuwarten

Finanzierung Es sind grundsaumltzlich verschiedene Finanzie-rungsmoumlglichkeiten dieses Konzepts denkbar In den beiden genannten Regionen erfolgt sie gegenwaumlrtig durch einen Fonds (500000 EuroJahr in Goumlttingen Hannover 250000 EuroJahr in Thuumlringen) der vom jeweiligen Bundesland bereitgestellt und

durch die Vergabestelle verwaltet wird Ebenso moumlglich und wuumlnschenswerter waumlre eine dauerhafte Finanzierung uumlber einen festen Etat ohne Deckelung

Vor- und Nachteile

Zusammenfassend erscheint das Modell des Anonymisierten Krankenscheins unter den regionalen Ansaumltzen als bisher weit-reichendste Moumlglichkeit Menschen ohne Papiere den regulauml-ren Zugang zur medizinischen Versorgung in Deutschland zu ermoumlglichen

Zugang zum regulaumlren GesundheitssystemDas Konzept sieht die direkte Vermittlung in das regulaumlre Gesundheitssystem zu niedergelassenen Aumlrztinnen und dor-tiger Behandlung vor

Begleitende soziale und rechtliche BeratungDas fachlich unstrittige Kriterium flankierend zur medizinischen Behandlung routinemaumlszligig eine soziale und rechtliche Beratung anzubieten ist gegeben

LeistungsumfangIn der Praxis bestehen Begrenzungen des Anonymisierten Kran-kenscheins Die Modellprojekte sind auf begrenzte Personen-gruppen ausgerichtet sie bieten keinen umfassenden Zugang fuumlr alle vor Ort unterversorgten nicht versicherten Personen-gruppen (z B EU-Buumlrgerinnen) Zusaumltzlich bestehen bei eini-gen Modellprojekten Leistungseinschraumlnkungen im Sinne des sect 4 AsylbLG und aufgrund der gewaumlhlten Fondsfinanzierung deren Mittel beschraumlnkt sind

Humanitaumlre Sprechstunden

Ziel Humanitaumlre Sprechstunden werden in mehreren Staumldten angeboten (Bremen Bremerhaven Frankfurt a M Oldenburg Wies baden) um Menschen ohne Papiere Zugang zur Gesund-heitsversorgung zu ermoumlglichen Diese Sprechstunden sind Anlaufstellen die meist selbst eingeschraumlnkte medizinische Versorgung anbieten und an andere (Fach)aumlrztinnen weiter-vermitteln

Konzept Die anonyme und unentgeltliche allgemeinaumlrztliche Basisversorgung wird im oumlrtlichen Gesundheitsamt ange boten Zusaumltzlich kann an kooperierende Fachaumlrztinnen und in die stationaumlre Versorgung unentgeltlich oder kostenguumlnstig vermit-telt werden In Bremen kooperiert die Humanitaumlre Sprechstunde mit einer Clearingstelle der Inneren Mission die soziale aufent-haltsrechtliche Beratung anbietet In Frankfurt uumlbernimmt diese Aufgabe ein gemeinnuumltziger Verein

Quellenhttpswwwaerzteblattdenachrichten73069Modellprojekt-zur-medizinischen-Versorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

httpwwwmedinetz-hannoverdeindexphpnewsarchivanonymer-kranken-schein-ein-erster-schritthtml

httpmfhblogsportdeprojekteanonymisierter-krankenschein

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Umsetzungsstand Die Humanitaumlren Sprechstunden als direkte medizinische Versorgung und Vermittlung nichtversicherter Migrantinnen im Gesundheitsamt existieren seit 2001 in Frank-furt a M und seit 2009 in Bremen wo das Konzept uumlbernom-men und weiterentwickelt wurde

Es existieren auszligerdem in Wiesbaden und Oldenburg Huma-nitaumlre Sprechstunden die vorrangig Vermittlung zur medi-zinischen Behandlung anbieten und nicht in oumlffentlicher Trauml-gerschaft sind In Wiesbaden wird sie von pro familia der Diakonie und der Stadt Wiesbaden getragen wobei die Kos-ten in einem gewissen Umfang von Spenden finanziert wer-den und die Aumlrztinnen entweder ehrenamtlich oder zu einem geringeren Honorar arbeiten In Oldenburg kooperiert ein frei-gemeinuumltziger Traumlger mit dem oumlrtlichen Klinikum einer Apo-theke und ehrenamtlichen Aumlrztinnen Pflegerinnen und Unter-stuumltzerinnen

Finanzierung Die Humanitaumlren Sprechstunden werden teilweise oder vollstaumlndig mit oumlffentlichen Mitteln finanziert Fuumlr die in die-sen Sprechstunden arbeitenden Aumlrztinnen ist in der Regel eine Behandlungskostenabrechnung der Basisversorgung moumlglich wobei die Konzepte unterschiedlich sind Es steht jeweils ein gedeckelter Betrag fuumlr die Medikamentenversorgung und Kran-kenbehandlung auszligerhalb der Sprechstunde zur Verfuumlgung z B in Krankenhaumlusern

Vor- und Nachteile

Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem Humanitaumlre Sprechstunden ermoumlglichen fuumlr Menschen ohne Papiere einen niedrigschwelligen Zugang zu einer gesundheit-lichen Grundversorgung im Sinne einer Sonderversorgung Nicht zuletzt wird mit von oumlffentlicher Hand gefoumlrderten Ein-richtungen dieser Art von Seiten der Politik anerkannt dass es einen dringlichen Versorgungsbedarf gibt der eigentlich uumlber die Regelversorgung gedeckt werden muss Ein Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem kann mit diesen Sprechstunden nicht eroumlffnet werden

Begleitende soziale und rechtliche Beratung Der fachliche Standard einer flankierenden sozialrechtlichen Beratung wird teilweise erfuumlllt

Leistungsumfang und Langfristigkeit Es findet eine medizinisch eingeschraumlnkte Sonderversorgung statt Chronische Erkrankungen lassen sich oft nicht behan-deln Damit bleibt auch die Arbeit von ehrenamtlich kompen-sierenden Parallelstrukturen weiter notwendig

Es existieren in der Praxis finanzielle und personelle Einschraumln-kungen so dass die Humanitaumlren Sprechstunden gegenwaumlr-tig nur als Einstieg in eine zu entwickelnde Versorgungsstruk-tur aufgefasst werden koumlnnen

Exkurs Perspektiven des Oumlffentlichen Gesundheits-dienstes (OumlGD)

Die in die jeweiligen Gesundheitsaumlmter eingegliederten Huma-nitaumlren Sprechstunden in Bremen und Frankfurt a M sind derzeit kommunale Ausnahmen Sie verweisen auf die Rolle die der OumlGD bei der Versorgung von Menschen ohne Papiere angesichts seines gesetzlichen Auftrags flaumlchendeckend zu uumlbernehmen hat Neben dem GKV- und dem privataumlrztlich finanzierten ambulanten und stationaumlren Versorgungssystem werden dem OumlGD uumlber die entsprechenden Bundes- und Laumln-dergesetze spezifische Aufgaben zugewiesen insbesondere die Zustaumlndigkeit fuumlr die Gesundheit schlecht- bzw nichtver-sorgter Menschen3

Bereits jetzt ist der OumlGD komplementaumlr taumltig Durch das Infek-tionsschutzgesetz sind die Gesundheitsaumlmter nach sect 19 lfSG mit der Beratung Diag nostik und ambulanten Therapie bei sexuell uumlbertragbaren Krankheiten sowie Tuberkulose beauf-tragt Dies kann auch von Menschen ohne rechtlichen Auf-ent haltstitel in Anspruch genommen werden Zusaumltzlich koumlnnen nach sect 20 Abs 5 lfSG die obersten Landesgesundheitsbe-houmlrden bestimmen bdquodass die Gesundheitsaumlmter unentgeltlich Schutzimpfungen oder andere Maszlignahmen der spezi fischen Prophylaxe gegen bestimmte uumlbertragbare Krankheiten durch-fuumlhrenldquo In der Praxis exis tieren in einigen Gesundheits-aumlmtern Angebote bspw zur Schwangerenvorsorge oder Vor sorge untersuchungen von Kindern (z B Zentren fuumlr sexu-elle Gesundheit und Familien planung in den bezirk lichen Gesundheits aumlmtern in Berlin)

Als Moumlglichkeit einer bundesweiten Loumlsung koumlnnte ein Aus-bau dieser schon vorhandenen Strukturen gesehen werden indem die Gesundheitsaumlmter ihre Aufgaben systematisch auf die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere ausweiten Im Rahmen einer dafuumlr notwendigen umfassen-den Strukturreform ist der OumlGD als zentraler kommunaler Akteur fuumlr die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere zu staumlrken Er braucht Ressourcen und neue Kom-petenzen um einen aktuellen Uumlberblick uumlber lokal vorhan-dene ungedeckte Versorgungsbedarfe (systematische regi-onale Gesundheitsberichterstattung) und direkte Versorgung fuumlr de facto unversorgte Personen ggf auch aufsuchend bereitstellen zu koumlnnen Vor allem kann der OumlGD seiner Ver-antwortung durch die Koordination der lokalen Versorgung und die Vermittlung unversicherter Personen ins regulaumlre Gesundheitssystem nachkommen

3 Exemplarisch sei das OumlGD-Gesetz NRW zitiert (sect 4 Allgemeine Grundsaumltze der Leistungserbringung) bdquo(1) Soweit und solange die mediz-inisch-soziale Versorgung erforderlich jedoch nicht oder nicht rechtzeitig gewaumlhrleistet ist kann sie die untere Gesundheitsbehoumlrde im Benehmen mit primaumlr zustaumlndigen Handlungstraumlgern im Rahmen eigener Dienste und Einrichtungen erbringen Dies gilt insbesondere wenn Personen wegen ihres koumlrperlichen geistigen oder seelischen Zustandes oder aufgrund sozialer Umstaumlnde besonderer gesundheitlicher Fuumlrsorge beduumlrfen und diesem Bedarf nicht im Rahmen der uumlblichen Einrichtungen der gesund-heitlichen Versorgung entsprochen wirdldquo

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Clearingstellen

Ziel In verschiedenen Regionen existieren sogenannte Clea-ringstellen die offene Rechtsanspruchsfragen klaumlren und wenn moumlglich bei einer Vermittlung in das regulaumlre Gesundheitssys-tem helfen Dazu gehoumlren auch Fragen einer aufenthaltsrecht-lichen Legalisierung in Deutschland und der Sicherung der Finanzierung etwaiger Gesundheitsleistungen Sollte eine Ein-bindung nicht moumlglich sein wird an Stellen vermittelt die fuumlr Menschen ohne Papiere medizinische Versorgung unentgelt-lich anbieten koumlnnen

Konzept Die Clearingstellen stellen eine Kooperation zwischen Gesundheitsaumlmtern und unterschiedlichen freien Traumlgern dar Sie unterliegen der Schweigepflicht sodass eine Weitergabe der Daten nicht befuumlrchtet werden muss

Umsetzungsstand Bereits seit 1998 besteht in Muumlnchen eine Clearingstelle in enger Zusammenarbeit zwischen Stadt und freien Traumlgern (Malteser Migrantenmedizin Cafeacute 104 und Aumlrzte der Welt) Diese bereits laumlngerfristige Kooperation ermoumlglicht vor Ort bspw eine unkomplizierte Duldung schwangerer Frauen drei Monate vor und nach Geburt sodass neben der Versor-gung auch die Ausstellung der Geburtsurkunden fuumlr Kinder pro-blemlos durchgefuumlhrt werden kann In Hamburg wird seit 2015 eine Clearingstelle als dauerhaftes Projekt durch die Behoumlrde fuumlr Arbeit Soziales Familie und Integration gefoumlrdert In Duumls-seldorf wurde ebenfalls 2015 von der Stadt ein fuumlr drei Jahre finanziertes Modellprojekt bei einer lokalen NGO (MediNetz Stay Duumlsseldorfer Fluumlchtlingsinitiative) eingerichtet In Nord-rhein-Westfalen wurden seit Mitte 2016 fuumlnf Clearingstellen eroumlffnet (Koumlln Duisburg Dortmund Muumlnster Gelsenkirchen) die als Modellprojekte uumlber drei Jahre laufen und mit 25 Milli-onen Euro vom Land gefoumlrdert werden

Finanzierung Die Finanzierung der Clearingstellen erfolgt uumlber regional unterschiedliche (Notfalls-)Fonds teils (z B in Duumlssel-

dorf und Muumlnchen) werden weiterhin ehrenamtliche Leistungen von Aumlrztinnen erbracht Der von den Clearingstellen uumlbernom-mene Leistungsumfang bezieht sich in der Regel auf aumlrztliche und zahnaumlrztliche Leistungen gemaumlszlig sectsect 4 und 6 AsylbLG Teils z B in Hamburg werden Notfaumllle entsprechend der moumlglichen Finanzierung nach sect 25 SGB XII nicht uumlbernommen

Vor- und Nachteile

Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem und begleitende soziale und recht liche BeratungDie Staumlrke regionaler Clearingstellen liegt in der umfassenden sozialen und rechtlichen Beratung und dem Bemuumlhen einen Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem herzustellen Dies ist einer kompensatorischen Sonderversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere systematisch vorgeschaltet

LeistungsumfangDer Erfolg des Clearings ist jedoch daran zu messen ob fuumlr alle aufsuchenden Menschen eine adaumlquate Versorgung sicher-gestellt werden kann Dies ist jedoch in der Praxis z T nicht gegeben Fuumlr Menschen die nicht in die Regelversorgung ein-gegliedert werden koumlnnen kann im Rahmen von Notfallfonds oft eine Basisversorgung zur Verfuumlgung gestellt werden doch die Einschraumlnkungen nach AsylbLG bleiben bestehen Aufgrund der gedeckelten Fondsfinanzierung gelingt die Finanzierung kostspieliger Leistungen nur im Ausnahmefall Der Aufgaben-bereich ehrenamtlicher Arbeit in und mit Parallelstrukturen bleibt deshalb von groszliger Bedeutung

LangfristigkeitAuch die Clearingstellen sind oft Modellprojekte ihr Bestand ist nicht auf mehrere Jahre zugesichert Auch dieser Loumlsungs-ansatz erscheint gegenwaumlrtig eher als zoumlgerlich und instabil und stellt keine umfassende Problemloumlsung fuumlr die jeweilige Region dar

QuellenTiarks-Jungk Petra (oJ) Humanitaumlre Sprechstunde Medizinische Versorgung von Menschen mit ungeklaumlrtem Aufenthaltsstatus httpswwwjurauni-frank-furtde48622522Tjarks-Jungk_Humanitaere-Sprech-stunde-Mai-2013-1pdf

httpwwwgesundheitsamtbremendehumanitaere_sprechstunde-3655

httpwwwinneremission-bremendemigration_und_fluechtlingshilfehumani-taere_sprechstunde_clearing

httpswwwfrankfurtdesixcmsdetailphpid=2996amp_ffmpar[_id_inhalt]=6327770

QuellenAnderson Philip et al (2010) bdquoWir haben Sie nicht vergessen hellipldquo 10 Jahre Umgang mit Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus in der Landes-hauptstadt Muumlnchen Das Muumlnchner Modell httpwwwforum-illegalitaetdemediapool99993476dataMuenchen_Ergebnisse_2010pdf

Fluumlchtlingszentrum Hamburg (2015) Evaluationsbericht Clearingstelle Gesund-heitsversorgung Auslaumlnder httpwwwfz-hhdedownloadclearingstelle-mvClearingstelle_2015_Evaluationsbericht_Web_neupdf

httpwwwstadt-koelndeleben-in-koelngesundheitmigration-und-gesund-heit-clearingstelle

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5 Resuumlmee und Ausblick Bundesweite Sicher stellung einer bedarfs gerechten Versorgung fuumlr Menschen ohne Papiere

Die vorgestellten rechtlichen Optionen und regionalen Ansaumltze zeigen verschiedene moumlgliche Interventionen auf um die Gesundheitsversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere zu verbes-sern Seit der Bestandsaufnahme der BAG vor gut 10 Jahren hat sich weder die rechtliche Ausgangslage noch das humani-taumlre Problem wesentlich geaumlndert Ansaumltze zur verbesserten Gesundheitsversorgung sind insbesondere auf regionaler Ebene mit entsprechend begrenzter Reichweite entstanden Nach wie vor ist ein Groszligteil der Betroffenen gaumlnzlich unversorgt

Aus Sicht der BAG GesundheitIllegalitaumlt bedarf es einer bun-desweiten Loumlsung mit der umfassend die bedarfsgerechte Ver-sorgung von Menschen ohne Papiere sichergestellt wird Ohne eine rechtliche Nachjustierung und Aufhebung bundesrecht-licher Restriktionen auf Bundesebene koumlnnen die regionalen Interventionen nur Ausgleichsversuche darstellen Andererseits obliegt in Deutschland die konkrete Ausgestaltung der Gesund-heitsversorgung d h die Feststellung ungedeckter Bedarfe die Identifizierung von unversorgten Personengruppen und von Versorgungsluumlcken im Gesundheitssystem sowie eine entspre-chende integrierte Planung auch den regionalen politischen und fachlichen Akteuren auf Kommunen- und Laumlnderebene Diese sind durch den Verweis auf ndash im Sinne der Betroffenen ndash sicher notwendige Gesetzesaumlnderungen nicht aus ihrer Verant-wortung zu entlassen Gegenseitige Zustaumlndigkeitsverweise sind inakzeptabel

In der Uumlbersicht des sbquoFlickenteppichslsquo gegenwaumlrtiger regiona-ler Ansaumltze sieht die BAG GesundheitIllegalitaumlt vielverspre-chendes Potential fuumlr zukuumlnftige flaumlchendeckende Loumlsungen Fachlich sinnvoll ndash und gegenwaumlrtig bereits fachoumlffentlich diskutiert ndash scheint die Einfuumlhrung eines krankheitsunabhaumlngi-gen Anonymisierten Krankenscheins oder auch einer Anony-misierten Gesundheitskarte Wuumlnschenswert waumlren ebenfalls bundesweit flaumlchendeckend lokale Anlaufstellen durch den OumlGD oder freie Traumlger organisiert die diese Krankenscheine bzw Karten ausgeben vermittelnd ins regulaumlre Gesundheits-system taumltig sind und flankierend sozial und rechtlich beraten

Abschlieszligend weist die BAG darauf hin dass die skizzierte kom-pensierende Versorgung in Parallelstrukturen laumlngst nicht mehr nur die Menschen ohne Papiere betrifft Viele im Feld taumltige Ini-tiativen berichten seit Jahren dass ihre lokalen Anlaufstellen auch von anderen Personengruppen wachsenden Zulauf erhal-ten wie etwa von jenen EU-Buumlrgerinnen die trotz Freizuumlgig-keitsberechtigung keinen Krankenversicherungsschutz nach-weisen koumlnnen von Asylsuchenden im Zeitraum der Leistungsrestriktion der ersten 15 Monate des Aufenthalts und auch von Nicht-Versicherten ohne Migrationshintergrund Auch fuumlr diese Gruppen besteht dringender Handlungsbedarf Es gilt ein breites Spektrum unterschiedlicher Rechtslagen im Hinblick auf bestehende und nicht umgesetzte Leistungsanspruumlche in den Blick zu nehmen und ebenfalls durch bundesweite Loumlsun-gen zu verbessern ndash um das fuumlr alle Menschen gleichermaszligen geltende Recht auf eine regulaumlre Gesundheitsversorgung end-lich umzusetzen

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Literatur und weiterfuumlhrende Links

Bundesaumlrztekammer (2013) Patientinnen und Patienten ohne legalen Aufenthaltsstatus in Krankenhaus und Praxis httpwwwbundesaerztekammerdefileadminuser_uploaddown-loadsFaltblatt_Patienten-ohne-Aufenthaltsstatus_30112013pdf 3 aktualisierte Auflage 112013 Berlin

Bundesaumlrztekammer (2016) Entschlieszligungen bdquoFluumlchtlinge in der medizinischen Versorgungldquo In 119 Deutscher Aumlrztetag 2016 Berlin 15ndash33

Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) (2015) Hinweise zur medi zinischen Versorgung von Fluumlchtlingen und Asylsuchenden in Krankenhaumlusern Stand November 2015 httpwwwdkgevdemediafile22105RS463-2015_Anlage_Gesundheitsversor-gung_von_Fluechtlingen_und_Asylsuchendenpdf

Falge Christine Fischer-Lescano Andreas Sieveking Klaus (Hg) (2009) Gesundheit in der Illegalitaumlt Baden-Baden Nomos

Fluumlchtlingsrat Berlin (oJ) Medi zinische Versorgung httpwwwfluechtlingsrat-berlindegesetzgebungphpMed

Fuumlhrer Amand Eichner Friederike (2015) Verloren im Raumlder-werk Eine interdisziplinaumlre Studie zur Gesundheit und medizi-nischer Versorgung von Asylsuchenden in Halle (Saale) httpwebuk-halledefileadminBereichsordnerVeranstaltungen2016Verloren-im-Raumlderwerk-1pdf

Katholisches Forum Leben in der Illegalitaumlt (2017) Positions-papier Forderung der Gewaumlhrleistung der Gesundheitsversor-gung fuumlr Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalitaumlt in Deutschland

Koumlszligler Melanie Mohr Tobias Habbe Heiko (2013) Aufenthalts-rechtliche Ille galitaumlt Beratungshandbuch 2013 3 aktualisierte und vollstaumlndig uumlberarbeitete Auflage Berlin Freiburg

Medizinische Fluumlchtlingshilfe Goumlttingen e V (oJ) Gesundheit fuumlr Gefluumlchtete Informationsportal von Medibuumlros Medinetzen httpgesundheit-gefluechteteinfo

Mylius Maren (2016) Die medizinische Versorgung von Men-schen ohne Papiere in Deutschland Studien zur Praxis in Gesund-heitsaumlmtern und Krankenhaumlusern Bielefeld Transcript

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alle Internetquellen Stand 30032017

Kontakt Die Koordination der Bundesarbeitsgruppe GesundheitIllegalitaumlt liegt derzeit bei der Diakonie Deutschland

Ansprechperson Dr med Anja Dieterich MPH Grundsatzfragen der gesundheitlichen Versorgung Zentrum Gesundheit Rehabilitation und Pflege Telefon +49 (0)30 65211 1664 E-Mail anjadieterichdiakoniede

Diakonie Deutschland ndash Evangelischer Bundesverband Evangelisches Werk fuumlr Diakonie und Entwicklung e V Caroline-Michaelis-Str1 10115 Berlin wwwdiakoniede

Das vorliegende Arbeitspapier ist elektronisch abrufbar unter infodiakoniedegesundheitsversorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

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Medizinische Fluumlchtlingshilfe fuumlr Menschen ohne Krankenversicherungsschutz

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Umsetzungsstand Die Humanitaumlren Sprechstunden als direkte medizinische Versorgung und Vermittlung nichtversicherter Migrantinnen im Gesundheitsamt existieren seit 2001 in Frank-furt a M und seit 2009 in Bremen wo das Konzept uumlbernom-men und weiterentwickelt wurde

Es existieren auszligerdem in Wiesbaden und Oldenburg Huma-nitaumlre Sprechstunden die vorrangig Vermittlung zur medi-zinischen Behandlung anbieten und nicht in oumlffentlicher Trauml-gerschaft sind In Wiesbaden wird sie von pro familia der Diakonie und der Stadt Wiesbaden getragen wobei die Kos-ten in einem gewissen Umfang von Spenden finanziert wer-den und die Aumlrztinnen entweder ehrenamtlich oder zu einem geringeren Honorar arbeiten In Oldenburg kooperiert ein frei-gemeinuumltziger Traumlger mit dem oumlrtlichen Klinikum einer Apo-theke und ehrenamtlichen Aumlrztinnen Pflegerinnen und Unter-stuumltzerinnen

Finanzierung Die Humanitaumlren Sprechstunden werden teilweise oder vollstaumlndig mit oumlffentlichen Mitteln finanziert Fuumlr die in die-sen Sprechstunden arbeitenden Aumlrztinnen ist in der Regel eine Behandlungskostenabrechnung der Basisversorgung moumlglich wobei die Konzepte unterschiedlich sind Es steht jeweils ein gedeckelter Betrag fuumlr die Medikamentenversorgung und Kran-kenbehandlung auszligerhalb der Sprechstunde zur Verfuumlgung z B in Krankenhaumlusern

Vor- und Nachteile

Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem Humanitaumlre Sprechstunden ermoumlglichen fuumlr Menschen ohne Papiere einen niedrigschwelligen Zugang zu einer gesundheit-lichen Grundversorgung im Sinne einer Sonderversorgung Nicht zuletzt wird mit von oumlffentlicher Hand gefoumlrderten Ein-richtungen dieser Art von Seiten der Politik anerkannt dass es einen dringlichen Versorgungsbedarf gibt der eigentlich uumlber die Regelversorgung gedeckt werden muss Ein Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem kann mit diesen Sprechstunden nicht eroumlffnet werden

Begleitende soziale und rechtliche Beratung Der fachliche Standard einer flankierenden sozialrechtlichen Beratung wird teilweise erfuumlllt

Leistungsumfang und Langfristigkeit Es findet eine medizinisch eingeschraumlnkte Sonderversorgung statt Chronische Erkrankungen lassen sich oft nicht behan-deln Damit bleibt auch die Arbeit von ehrenamtlich kompen-sierenden Parallelstrukturen weiter notwendig

Es existieren in der Praxis finanzielle und personelle Einschraumln-kungen so dass die Humanitaumlren Sprechstunden gegenwaumlr-tig nur als Einstieg in eine zu entwickelnde Versorgungsstruk-tur aufgefasst werden koumlnnen

Exkurs Perspektiven des Oumlffentlichen Gesundheits-dienstes (OumlGD)

Die in die jeweiligen Gesundheitsaumlmter eingegliederten Huma-nitaumlren Sprechstunden in Bremen und Frankfurt a M sind derzeit kommunale Ausnahmen Sie verweisen auf die Rolle die der OumlGD bei der Versorgung von Menschen ohne Papiere angesichts seines gesetzlichen Auftrags flaumlchendeckend zu uumlbernehmen hat Neben dem GKV- und dem privataumlrztlich finanzierten ambulanten und stationaumlren Versorgungssystem werden dem OumlGD uumlber die entsprechenden Bundes- und Laumln-dergesetze spezifische Aufgaben zugewiesen insbesondere die Zustaumlndigkeit fuumlr die Gesundheit schlecht- bzw nichtver-sorgter Menschen3

Bereits jetzt ist der OumlGD komplementaumlr taumltig Durch das Infek-tionsschutzgesetz sind die Gesundheitsaumlmter nach sect 19 lfSG mit der Beratung Diag nostik und ambulanten Therapie bei sexuell uumlbertragbaren Krankheiten sowie Tuberkulose beauf-tragt Dies kann auch von Menschen ohne rechtlichen Auf-ent haltstitel in Anspruch genommen werden Zusaumltzlich koumlnnen nach sect 20 Abs 5 lfSG die obersten Landesgesundheitsbe-houmlrden bestimmen bdquodass die Gesundheitsaumlmter unentgeltlich Schutzimpfungen oder andere Maszlignahmen der spezi fischen Prophylaxe gegen bestimmte uumlbertragbare Krankheiten durch-fuumlhrenldquo In der Praxis exis tieren in einigen Gesundheits-aumlmtern Angebote bspw zur Schwangerenvorsorge oder Vor sorge untersuchungen von Kindern (z B Zentren fuumlr sexu-elle Gesundheit und Familien planung in den bezirk lichen Gesundheits aumlmtern in Berlin)

Als Moumlglichkeit einer bundesweiten Loumlsung koumlnnte ein Aus-bau dieser schon vorhandenen Strukturen gesehen werden indem die Gesundheitsaumlmter ihre Aufgaben systematisch auf die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere ausweiten Im Rahmen einer dafuumlr notwendigen umfassen-den Strukturreform ist der OumlGD als zentraler kommunaler Akteur fuumlr die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere zu staumlrken Er braucht Ressourcen und neue Kom-petenzen um einen aktuellen Uumlberblick uumlber lokal vorhan-dene ungedeckte Versorgungsbedarfe (systematische regi-onale Gesundheitsberichterstattung) und direkte Versorgung fuumlr de facto unversorgte Personen ggf auch aufsuchend bereitstellen zu koumlnnen Vor allem kann der OumlGD seiner Ver-antwortung durch die Koordination der lokalen Versorgung und die Vermittlung unversicherter Personen ins regulaumlre Gesundheitssystem nachkommen

3 Exemplarisch sei das OumlGD-Gesetz NRW zitiert (sect 4 Allgemeine Grundsaumltze der Leistungserbringung) bdquo(1) Soweit und solange die mediz-inisch-soziale Versorgung erforderlich jedoch nicht oder nicht rechtzeitig gewaumlhrleistet ist kann sie die untere Gesundheitsbehoumlrde im Benehmen mit primaumlr zustaumlndigen Handlungstraumlgern im Rahmen eigener Dienste und Einrichtungen erbringen Dies gilt insbesondere wenn Personen wegen ihres koumlrperlichen geistigen oder seelischen Zustandes oder aufgrund sozialer Umstaumlnde besonderer gesundheitlicher Fuumlrsorge beduumlrfen und diesem Bedarf nicht im Rahmen der uumlblichen Einrichtungen der gesund-heitlichen Versorgung entsprochen wirdldquo

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Clearingstellen

Ziel In verschiedenen Regionen existieren sogenannte Clea-ringstellen die offene Rechtsanspruchsfragen klaumlren und wenn moumlglich bei einer Vermittlung in das regulaumlre Gesundheitssys-tem helfen Dazu gehoumlren auch Fragen einer aufenthaltsrecht-lichen Legalisierung in Deutschland und der Sicherung der Finanzierung etwaiger Gesundheitsleistungen Sollte eine Ein-bindung nicht moumlglich sein wird an Stellen vermittelt die fuumlr Menschen ohne Papiere medizinische Versorgung unentgelt-lich anbieten koumlnnen

Konzept Die Clearingstellen stellen eine Kooperation zwischen Gesundheitsaumlmtern und unterschiedlichen freien Traumlgern dar Sie unterliegen der Schweigepflicht sodass eine Weitergabe der Daten nicht befuumlrchtet werden muss

Umsetzungsstand Bereits seit 1998 besteht in Muumlnchen eine Clearingstelle in enger Zusammenarbeit zwischen Stadt und freien Traumlgern (Malteser Migrantenmedizin Cafeacute 104 und Aumlrzte der Welt) Diese bereits laumlngerfristige Kooperation ermoumlglicht vor Ort bspw eine unkomplizierte Duldung schwangerer Frauen drei Monate vor und nach Geburt sodass neben der Versor-gung auch die Ausstellung der Geburtsurkunden fuumlr Kinder pro-blemlos durchgefuumlhrt werden kann In Hamburg wird seit 2015 eine Clearingstelle als dauerhaftes Projekt durch die Behoumlrde fuumlr Arbeit Soziales Familie und Integration gefoumlrdert In Duumls-seldorf wurde ebenfalls 2015 von der Stadt ein fuumlr drei Jahre finanziertes Modellprojekt bei einer lokalen NGO (MediNetz Stay Duumlsseldorfer Fluumlchtlingsinitiative) eingerichtet In Nord-rhein-Westfalen wurden seit Mitte 2016 fuumlnf Clearingstellen eroumlffnet (Koumlln Duisburg Dortmund Muumlnster Gelsenkirchen) die als Modellprojekte uumlber drei Jahre laufen und mit 25 Milli-onen Euro vom Land gefoumlrdert werden

Finanzierung Die Finanzierung der Clearingstellen erfolgt uumlber regional unterschiedliche (Notfalls-)Fonds teils (z B in Duumlssel-

dorf und Muumlnchen) werden weiterhin ehrenamtliche Leistungen von Aumlrztinnen erbracht Der von den Clearingstellen uumlbernom-mene Leistungsumfang bezieht sich in der Regel auf aumlrztliche und zahnaumlrztliche Leistungen gemaumlszlig sectsect 4 und 6 AsylbLG Teils z B in Hamburg werden Notfaumllle entsprechend der moumlglichen Finanzierung nach sect 25 SGB XII nicht uumlbernommen

Vor- und Nachteile

Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem und begleitende soziale und recht liche BeratungDie Staumlrke regionaler Clearingstellen liegt in der umfassenden sozialen und rechtlichen Beratung und dem Bemuumlhen einen Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem herzustellen Dies ist einer kompensatorischen Sonderversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere systematisch vorgeschaltet

LeistungsumfangDer Erfolg des Clearings ist jedoch daran zu messen ob fuumlr alle aufsuchenden Menschen eine adaumlquate Versorgung sicher-gestellt werden kann Dies ist jedoch in der Praxis z T nicht gegeben Fuumlr Menschen die nicht in die Regelversorgung ein-gegliedert werden koumlnnen kann im Rahmen von Notfallfonds oft eine Basisversorgung zur Verfuumlgung gestellt werden doch die Einschraumlnkungen nach AsylbLG bleiben bestehen Aufgrund der gedeckelten Fondsfinanzierung gelingt die Finanzierung kostspieliger Leistungen nur im Ausnahmefall Der Aufgaben-bereich ehrenamtlicher Arbeit in und mit Parallelstrukturen bleibt deshalb von groszliger Bedeutung

LangfristigkeitAuch die Clearingstellen sind oft Modellprojekte ihr Bestand ist nicht auf mehrere Jahre zugesichert Auch dieser Loumlsungs-ansatz erscheint gegenwaumlrtig eher als zoumlgerlich und instabil und stellt keine umfassende Problemloumlsung fuumlr die jeweilige Region dar

QuellenTiarks-Jungk Petra (oJ) Humanitaumlre Sprechstunde Medizinische Versorgung von Menschen mit ungeklaumlrtem Aufenthaltsstatus httpswwwjurauni-frank-furtde48622522Tjarks-Jungk_Humanitaere-Sprech-stunde-Mai-2013-1pdf

httpwwwgesundheitsamtbremendehumanitaere_sprechstunde-3655

httpwwwinneremission-bremendemigration_und_fluechtlingshilfehumani-taere_sprechstunde_clearing

httpswwwfrankfurtdesixcmsdetailphpid=2996amp_ffmpar[_id_inhalt]=6327770

QuellenAnderson Philip et al (2010) bdquoWir haben Sie nicht vergessen hellipldquo 10 Jahre Umgang mit Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus in der Landes-hauptstadt Muumlnchen Das Muumlnchner Modell httpwwwforum-illegalitaetdemediapool99993476dataMuenchen_Ergebnisse_2010pdf

Fluumlchtlingszentrum Hamburg (2015) Evaluationsbericht Clearingstelle Gesund-heitsversorgung Auslaumlnder httpwwwfz-hhdedownloadclearingstelle-mvClearingstelle_2015_Evaluationsbericht_Web_neupdf

httpwwwstadt-koelndeleben-in-koelngesundheitmigration-und-gesund-heit-clearingstelle

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5 Resuumlmee und Ausblick Bundesweite Sicher stellung einer bedarfs gerechten Versorgung fuumlr Menschen ohne Papiere

Die vorgestellten rechtlichen Optionen und regionalen Ansaumltze zeigen verschiedene moumlgliche Interventionen auf um die Gesundheitsversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere zu verbes-sern Seit der Bestandsaufnahme der BAG vor gut 10 Jahren hat sich weder die rechtliche Ausgangslage noch das humani-taumlre Problem wesentlich geaumlndert Ansaumltze zur verbesserten Gesundheitsversorgung sind insbesondere auf regionaler Ebene mit entsprechend begrenzter Reichweite entstanden Nach wie vor ist ein Groszligteil der Betroffenen gaumlnzlich unversorgt

Aus Sicht der BAG GesundheitIllegalitaumlt bedarf es einer bun-desweiten Loumlsung mit der umfassend die bedarfsgerechte Ver-sorgung von Menschen ohne Papiere sichergestellt wird Ohne eine rechtliche Nachjustierung und Aufhebung bundesrecht-licher Restriktionen auf Bundesebene koumlnnen die regionalen Interventionen nur Ausgleichsversuche darstellen Andererseits obliegt in Deutschland die konkrete Ausgestaltung der Gesund-heitsversorgung d h die Feststellung ungedeckter Bedarfe die Identifizierung von unversorgten Personengruppen und von Versorgungsluumlcken im Gesundheitssystem sowie eine entspre-chende integrierte Planung auch den regionalen politischen und fachlichen Akteuren auf Kommunen- und Laumlnderebene Diese sind durch den Verweis auf ndash im Sinne der Betroffenen ndash sicher notwendige Gesetzesaumlnderungen nicht aus ihrer Verant-wortung zu entlassen Gegenseitige Zustaumlndigkeitsverweise sind inakzeptabel

In der Uumlbersicht des sbquoFlickenteppichslsquo gegenwaumlrtiger regiona-ler Ansaumltze sieht die BAG GesundheitIllegalitaumlt vielverspre-chendes Potential fuumlr zukuumlnftige flaumlchendeckende Loumlsungen Fachlich sinnvoll ndash und gegenwaumlrtig bereits fachoumlffentlich diskutiert ndash scheint die Einfuumlhrung eines krankheitsunabhaumlngi-gen Anonymisierten Krankenscheins oder auch einer Anony-misierten Gesundheitskarte Wuumlnschenswert waumlren ebenfalls bundesweit flaumlchendeckend lokale Anlaufstellen durch den OumlGD oder freie Traumlger organisiert die diese Krankenscheine bzw Karten ausgeben vermittelnd ins regulaumlre Gesundheits-system taumltig sind und flankierend sozial und rechtlich beraten

Abschlieszligend weist die BAG darauf hin dass die skizzierte kom-pensierende Versorgung in Parallelstrukturen laumlngst nicht mehr nur die Menschen ohne Papiere betrifft Viele im Feld taumltige Ini-tiativen berichten seit Jahren dass ihre lokalen Anlaufstellen auch von anderen Personengruppen wachsenden Zulauf erhal-ten wie etwa von jenen EU-Buumlrgerinnen die trotz Freizuumlgig-keitsberechtigung keinen Krankenversicherungsschutz nach-weisen koumlnnen von Asylsuchenden im Zeitraum der Leistungsrestriktion der ersten 15 Monate des Aufenthalts und auch von Nicht-Versicherten ohne Migrationshintergrund Auch fuumlr diese Gruppen besteht dringender Handlungsbedarf Es gilt ein breites Spektrum unterschiedlicher Rechtslagen im Hinblick auf bestehende und nicht umgesetzte Leistungsanspruumlche in den Blick zu nehmen und ebenfalls durch bundesweite Loumlsun-gen zu verbessern ndash um das fuumlr alle Menschen gleichermaszligen geltende Recht auf eine regulaumlre Gesundheitsversorgung end-lich umzusetzen

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Literatur und weiterfuumlhrende Links

Bundesaumlrztekammer (2013) Patientinnen und Patienten ohne legalen Aufenthaltsstatus in Krankenhaus und Praxis httpwwwbundesaerztekammerdefileadminuser_uploaddown-loadsFaltblatt_Patienten-ohne-Aufenthaltsstatus_30112013pdf 3 aktualisierte Auflage 112013 Berlin

Bundesaumlrztekammer (2016) Entschlieszligungen bdquoFluumlchtlinge in der medizinischen Versorgungldquo In 119 Deutscher Aumlrztetag 2016 Berlin 15ndash33

Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) (2015) Hinweise zur medi zinischen Versorgung von Fluumlchtlingen und Asylsuchenden in Krankenhaumlusern Stand November 2015 httpwwwdkgevdemediafile22105RS463-2015_Anlage_Gesundheitsversor-gung_von_Fluechtlingen_und_Asylsuchendenpdf

Falge Christine Fischer-Lescano Andreas Sieveking Klaus (Hg) (2009) Gesundheit in der Illegalitaumlt Baden-Baden Nomos

Fluumlchtlingsrat Berlin (oJ) Medi zinische Versorgung httpwwwfluechtlingsrat-berlindegesetzgebungphpMed

Fuumlhrer Amand Eichner Friederike (2015) Verloren im Raumlder-werk Eine interdisziplinaumlre Studie zur Gesundheit und medizi-nischer Versorgung von Asylsuchenden in Halle (Saale) httpwebuk-halledefileadminBereichsordnerVeranstaltungen2016Verloren-im-Raumlderwerk-1pdf

Katholisches Forum Leben in der Illegalitaumlt (2017) Positions-papier Forderung der Gewaumlhrleistung der Gesundheitsversor-gung fuumlr Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalitaumlt in Deutschland

Koumlszligler Melanie Mohr Tobias Habbe Heiko (2013) Aufenthalts-rechtliche Ille galitaumlt Beratungshandbuch 2013 3 aktualisierte und vollstaumlndig uumlberarbeitete Auflage Berlin Freiburg

Medizinische Fluumlchtlingshilfe Goumlttingen e V (oJ) Gesundheit fuumlr Gefluumlchtete Informationsportal von Medibuumlros Medinetzen httpgesundheit-gefluechteteinfo

Mylius Maren (2016) Die medizinische Versorgung von Men-schen ohne Papiere in Deutschland Studien zur Praxis in Gesund-heitsaumlmtern und Krankenhaumlusern Bielefeld Transcript

UN-Behindertenrechtskonvention httpswwwbehinderten-rechtskonventioninfo

UN-Frauenrechtskonvention httpswwwfrauenrechtskonven-tionde

UN-Kinderrechtskonvention httpswwwkinderrechtskonven-tioninfo

alle Internetquellen Stand 30032017

Kontakt Die Koordination der Bundesarbeitsgruppe GesundheitIllegalitaumlt liegt derzeit bei der Diakonie Deutschland

Ansprechperson Dr med Anja Dieterich MPH Grundsatzfragen der gesundheitlichen Versorgung Zentrum Gesundheit Rehabilitation und Pflege Telefon +49 (0)30 65211 1664 E-Mail anjadieterichdiakoniede

Diakonie Deutschland ndash Evangelischer Bundesverband Evangelisches Werk fuumlr Diakonie und Entwicklung e V Caroline-Michaelis-Str1 10115 Berlin wwwdiakoniede

Das vorliegende Arbeitspapier ist elektronisch abrufbar unter infodiakoniedegesundheitsversorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

Jesuit Refugee Service

Jesuiten Fluumlchtlingsdienst

Kampagne von MedibuumlrosMedinetzen

Gesundheitfuumlr Gefluumlchtete

Medizinische Fluumlchtlingshilfe fuumlr Menschen ohne Krankenversicherungsschutz

MediNetz Bielefeld

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Clearingstellen

Ziel In verschiedenen Regionen existieren sogenannte Clea-ringstellen die offene Rechtsanspruchsfragen klaumlren und wenn moumlglich bei einer Vermittlung in das regulaumlre Gesundheitssys-tem helfen Dazu gehoumlren auch Fragen einer aufenthaltsrecht-lichen Legalisierung in Deutschland und der Sicherung der Finanzierung etwaiger Gesundheitsleistungen Sollte eine Ein-bindung nicht moumlglich sein wird an Stellen vermittelt die fuumlr Menschen ohne Papiere medizinische Versorgung unentgelt-lich anbieten koumlnnen

Konzept Die Clearingstellen stellen eine Kooperation zwischen Gesundheitsaumlmtern und unterschiedlichen freien Traumlgern dar Sie unterliegen der Schweigepflicht sodass eine Weitergabe der Daten nicht befuumlrchtet werden muss

Umsetzungsstand Bereits seit 1998 besteht in Muumlnchen eine Clearingstelle in enger Zusammenarbeit zwischen Stadt und freien Traumlgern (Malteser Migrantenmedizin Cafeacute 104 und Aumlrzte der Welt) Diese bereits laumlngerfristige Kooperation ermoumlglicht vor Ort bspw eine unkomplizierte Duldung schwangerer Frauen drei Monate vor und nach Geburt sodass neben der Versor-gung auch die Ausstellung der Geburtsurkunden fuumlr Kinder pro-blemlos durchgefuumlhrt werden kann In Hamburg wird seit 2015 eine Clearingstelle als dauerhaftes Projekt durch die Behoumlrde fuumlr Arbeit Soziales Familie und Integration gefoumlrdert In Duumls-seldorf wurde ebenfalls 2015 von der Stadt ein fuumlr drei Jahre finanziertes Modellprojekt bei einer lokalen NGO (MediNetz Stay Duumlsseldorfer Fluumlchtlingsinitiative) eingerichtet In Nord-rhein-Westfalen wurden seit Mitte 2016 fuumlnf Clearingstellen eroumlffnet (Koumlln Duisburg Dortmund Muumlnster Gelsenkirchen) die als Modellprojekte uumlber drei Jahre laufen und mit 25 Milli-onen Euro vom Land gefoumlrdert werden

Finanzierung Die Finanzierung der Clearingstellen erfolgt uumlber regional unterschiedliche (Notfalls-)Fonds teils (z B in Duumlssel-

dorf und Muumlnchen) werden weiterhin ehrenamtliche Leistungen von Aumlrztinnen erbracht Der von den Clearingstellen uumlbernom-mene Leistungsumfang bezieht sich in der Regel auf aumlrztliche und zahnaumlrztliche Leistungen gemaumlszlig sectsect 4 und 6 AsylbLG Teils z B in Hamburg werden Notfaumllle entsprechend der moumlglichen Finanzierung nach sect 25 SGB XII nicht uumlbernommen

Vor- und Nachteile

Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem und begleitende soziale und recht liche BeratungDie Staumlrke regionaler Clearingstellen liegt in der umfassenden sozialen und rechtlichen Beratung und dem Bemuumlhen einen Zugang zum regulaumlren Gesundheitssystem herzustellen Dies ist einer kompensatorischen Sonderversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere systematisch vorgeschaltet

LeistungsumfangDer Erfolg des Clearings ist jedoch daran zu messen ob fuumlr alle aufsuchenden Menschen eine adaumlquate Versorgung sicher-gestellt werden kann Dies ist jedoch in der Praxis z T nicht gegeben Fuumlr Menschen die nicht in die Regelversorgung ein-gegliedert werden koumlnnen kann im Rahmen von Notfallfonds oft eine Basisversorgung zur Verfuumlgung gestellt werden doch die Einschraumlnkungen nach AsylbLG bleiben bestehen Aufgrund der gedeckelten Fondsfinanzierung gelingt die Finanzierung kostspieliger Leistungen nur im Ausnahmefall Der Aufgaben-bereich ehrenamtlicher Arbeit in und mit Parallelstrukturen bleibt deshalb von groszliger Bedeutung

LangfristigkeitAuch die Clearingstellen sind oft Modellprojekte ihr Bestand ist nicht auf mehrere Jahre zugesichert Auch dieser Loumlsungs-ansatz erscheint gegenwaumlrtig eher als zoumlgerlich und instabil und stellt keine umfassende Problemloumlsung fuumlr die jeweilige Region dar

QuellenTiarks-Jungk Petra (oJ) Humanitaumlre Sprechstunde Medizinische Versorgung von Menschen mit ungeklaumlrtem Aufenthaltsstatus httpswwwjurauni-frank-furtde48622522Tjarks-Jungk_Humanitaere-Sprech-stunde-Mai-2013-1pdf

httpwwwgesundheitsamtbremendehumanitaere_sprechstunde-3655

httpwwwinneremission-bremendemigration_und_fluechtlingshilfehumani-taere_sprechstunde_clearing

httpswwwfrankfurtdesixcmsdetailphpid=2996amp_ffmpar[_id_inhalt]=6327770

QuellenAnderson Philip et al (2010) bdquoWir haben Sie nicht vergessen hellipldquo 10 Jahre Umgang mit Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus in der Landes-hauptstadt Muumlnchen Das Muumlnchner Modell httpwwwforum-illegalitaetdemediapool99993476dataMuenchen_Ergebnisse_2010pdf

Fluumlchtlingszentrum Hamburg (2015) Evaluationsbericht Clearingstelle Gesund-heitsversorgung Auslaumlnder httpwwwfz-hhdedownloadclearingstelle-mvClearingstelle_2015_Evaluationsbericht_Web_neupdf

httpwwwstadt-koelndeleben-in-koelngesundheitmigration-und-gesund-heit-clearingstelle

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5 Resuumlmee und Ausblick Bundesweite Sicher stellung einer bedarfs gerechten Versorgung fuumlr Menschen ohne Papiere

Die vorgestellten rechtlichen Optionen und regionalen Ansaumltze zeigen verschiedene moumlgliche Interventionen auf um die Gesundheitsversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere zu verbes-sern Seit der Bestandsaufnahme der BAG vor gut 10 Jahren hat sich weder die rechtliche Ausgangslage noch das humani-taumlre Problem wesentlich geaumlndert Ansaumltze zur verbesserten Gesundheitsversorgung sind insbesondere auf regionaler Ebene mit entsprechend begrenzter Reichweite entstanden Nach wie vor ist ein Groszligteil der Betroffenen gaumlnzlich unversorgt

Aus Sicht der BAG GesundheitIllegalitaumlt bedarf es einer bun-desweiten Loumlsung mit der umfassend die bedarfsgerechte Ver-sorgung von Menschen ohne Papiere sichergestellt wird Ohne eine rechtliche Nachjustierung und Aufhebung bundesrecht-licher Restriktionen auf Bundesebene koumlnnen die regionalen Interventionen nur Ausgleichsversuche darstellen Andererseits obliegt in Deutschland die konkrete Ausgestaltung der Gesund-heitsversorgung d h die Feststellung ungedeckter Bedarfe die Identifizierung von unversorgten Personengruppen und von Versorgungsluumlcken im Gesundheitssystem sowie eine entspre-chende integrierte Planung auch den regionalen politischen und fachlichen Akteuren auf Kommunen- und Laumlnderebene Diese sind durch den Verweis auf ndash im Sinne der Betroffenen ndash sicher notwendige Gesetzesaumlnderungen nicht aus ihrer Verant-wortung zu entlassen Gegenseitige Zustaumlndigkeitsverweise sind inakzeptabel

In der Uumlbersicht des sbquoFlickenteppichslsquo gegenwaumlrtiger regiona-ler Ansaumltze sieht die BAG GesundheitIllegalitaumlt vielverspre-chendes Potential fuumlr zukuumlnftige flaumlchendeckende Loumlsungen Fachlich sinnvoll ndash und gegenwaumlrtig bereits fachoumlffentlich diskutiert ndash scheint die Einfuumlhrung eines krankheitsunabhaumlngi-gen Anonymisierten Krankenscheins oder auch einer Anony-misierten Gesundheitskarte Wuumlnschenswert waumlren ebenfalls bundesweit flaumlchendeckend lokale Anlaufstellen durch den OumlGD oder freie Traumlger organisiert die diese Krankenscheine bzw Karten ausgeben vermittelnd ins regulaumlre Gesundheits-system taumltig sind und flankierend sozial und rechtlich beraten

Abschlieszligend weist die BAG darauf hin dass die skizzierte kom-pensierende Versorgung in Parallelstrukturen laumlngst nicht mehr nur die Menschen ohne Papiere betrifft Viele im Feld taumltige Ini-tiativen berichten seit Jahren dass ihre lokalen Anlaufstellen auch von anderen Personengruppen wachsenden Zulauf erhal-ten wie etwa von jenen EU-Buumlrgerinnen die trotz Freizuumlgig-keitsberechtigung keinen Krankenversicherungsschutz nach-weisen koumlnnen von Asylsuchenden im Zeitraum der Leistungsrestriktion der ersten 15 Monate des Aufenthalts und auch von Nicht-Versicherten ohne Migrationshintergrund Auch fuumlr diese Gruppen besteht dringender Handlungsbedarf Es gilt ein breites Spektrum unterschiedlicher Rechtslagen im Hinblick auf bestehende und nicht umgesetzte Leistungsanspruumlche in den Blick zu nehmen und ebenfalls durch bundesweite Loumlsun-gen zu verbessern ndash um das fuumlr alle Menschen gleichermaszligen geltende Recht auf eine regulaumlre Gesundheitsversorgung end-lich umzusetzen

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Literatur und weiterfuumlhrende Links

Bundesaumlrztekammer (2013) Patientinnen und Patienten ohne legalen Aufenthaltsstatus in Krankenhaus und Praxis httpwwwbundesaerztekammerdefileadminuser_uploaddown-loadsFaltblatt_Patienten-ohne-Aufenthaltsstatus_30112013pdf 3 aktualisierte Auflage 112013 Berlin

Bundesaumlrztekammer (2016) Entschlieszligungen bdquoFluumlchtlinge in der medizinischen Versorgungldquo In 119 Deutscher Aumlrztetag 2016 Berlin 15ndash33

Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) (2015) Hinweise zur medi zinischen Versorgung von Fluumlchtlingen und Asylsuchenden in Krankenhaumlusern Stand November 2015 httpwwwdkgevdemediafile22105RS463-2015_Anlage_Gesundheitsversor-gung_von_Fluechtlingen_und_Asylsuchendenpdf

Falge Christine Fischer-Lescano Andreas Sieveking Klaus (Hg) (2009) Gesundheit in der Illegalitaumlt Baden-Baden Nomos

Fluumlchtlingsrat Berlin (oJ) Medi zinische Versorgung httpwwwfluechtlingsrat-berlindegesetzgebungphpMed

Fuumlhrer Amand Eichner Friederike (2015) Verloren im Raumlder-werk Eine interdisziplinaumlre Studie zur Gesundheit und medizi-nischer Versorgung von Asylsuchenden in Halle (Saale) httpwebuk-halledefileadminBereichsordnerVeranstaltungen2016Verloren-im-Raumlderwerk-1pdf

Katholisches Forum Leben in der Illegalitaumlt (2017) Positions-papier Forderung der Gewaumlhrleistung der Gesundheitsversor-gung fuumlr Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalitaumlt in Deutschland

Koumlszligler Melanie Mohr Tobias Habbe Heiko (2013) Aufenthalts-rechtliche Ille galitaumlt Beratungshandbuch 2013 3 aktualisierte und vollstaumlndig uumlberarbeitete Auflage Berlin Freiburg

Medizinische Fluumlchtlingshilfe Goumlttingen e V (oJ) Gesundheit fuumlr Gefluumlchtete Informationsportal von Medibuumlros Medinetzen httpgesundheit-gefluechteteinfo

Mylius Maren (2016) Die medizinische Versorgung von Men-schen ohne Papiere in Deutschland Studien zur Praxis in Gesund-heitsaumlmtern und Krankenhaumlusern Bielefeld Transcript

UN-Behindertenrechtskonvention httpswwwbehinderten-rechtskonventioninfo

UN-Frauenrechtskonvention httpswwwfrauenrechtskonven-tionde

UN-Kinderrechtskonvention httpswwwkinderrechtskonven-tioninfo

alle Internetquellen Stand 30032017

Kontakt Die Koordination der Bundesarbeitsgruppe GesundheitIllegalitaumlt liegt derzeit bei der Diakonie Deutschland

Ansprechperson Dr med Anja Dieterich MPH Grundsatzfragen der gesundheitlichen Versorgung Zentrum Gesundheit Rehabilitation und Pflege Telefon +49 (0)30 65211 1664 E-Mail anjadieterichdiakoniede

Diakonie Deutschland ndash Evangelischer Bundesverband Evangelisches Werk fuumlr Diakonie und Entwicklung e V Caroline-Michaelis-Str1 10115 Berlin wwwdiakoniede

Das vorliegende Arbeitspapier ist elektronisch abrufbar unter infodiakoniedegesundheitsversorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

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Jesuiten Fluumlchtlingsdienst

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Medizinische Fluumlchtlingshilfe fuumlr Menschen ohne Krankenversicherungsschutz

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5 Resuumlmee und Ausblick Bundesweite Sicher stellung einer bedarfs gerechten Versorgung fuumlr Menschen ohne Papiere

Die vorgestellten rechtlichen Optionen und regionalen Ansaumltze zeigen verschiedene moumlgliche Interventionen auf um die Gesundheitsversorgung fuumlr Menschen ohne Papiere zu verbes-sern Seit der Bestandsaufnahme der BAG vor gut 10 Jahren hat sich weder die rechtliche Ausgangslage noch das humani-taumlre Problem wesentlich geaumlndert Ansaumltze zur verbesserten Gesundheitsversorgung sind insbesondere auf regionaler Ebene mit entsprechend begrenzter Reichweite entstanden Nach wie vor ist ein Groszligteil der Betroffenen gaumlnzlich unversorgt

Aus Sicht der BAG GesundheitIllegalitaumlt bedarf es einer bun-desweiten Loumlsung mit der umfassend die bedarfsgerechte Ver-sorgung von Menschen ohne Papiere sichergestellt wird Ohne eine rechtliche Nachjustierung und Aufhebung bundesrecht-licher Restriktionen auf Bundesebene koumlnnen die regionalen Interventionen nur Ausgleichsversuche darstellen Andererseits obliegt in Deutschland die konkrete Ausgestaltung der Gesund-heitsversorgung d h die Feststellung ungedeckter Bedarfe die Identifizierung von unversorgten Personengruppen und von Versorgungsluumlcken im Gesundheitssystem sowie eine entspre-chende integrierte Planung auch den regionalen politischen und fachlichen Akteuren auf Kommunen- und Laumlnderebene Diese sind durch den Verweis auf ndash im Sinne der Betroffenen ndash sicher notwendige Gesetzesaumlnderungen nicht aus ihrer Verant-wortung zu entlassen Gegenseitige Zustaumlndigkeitsverweise sind inakzeptabel

In der Uumlbersicht des sbquoFlickenteppichslsquo gegenwaumlrtiger regiona-ler Ansaumltze sieht die BAG GesundheitIllegalitaumlt vielverspre-chendes Potential fuumlr zukuumlnftige flaumlchendeckende Loumlsungen Fachlich sinnvoll ndash und gegenwaumlrtig bereits fachoumlffentlich diskutiert ndash scheint die Einfuumlhrung eines krankheitsunabhaumlngi-gen Anonymisierten Krankenscheins oder auch einer Anony-misierten Gesundheitskarte Wuumlnschenswert waumlren ebenfalls bundesweit flaumlchendeckend lokale Anlaufstellen durch den OumlGD oder freie Traumlger organisiert die diese Krankenscheine bzw Karten ausgeben vermittelnd ins regulaumlre Gesundheits-system taumltig sind und flankierend sozial und rechtlich beraten

Abschlieszligend weist die BAG darauf hin dass die skizzierte kom-pensierende Versorgung in Parallelstrukturen laumlngst nicht mehr nur die Menschen ohne Papiere betrifft Viele im Feld taumltige Ini-tiativen berichten seit Jahren dass ihre lokalen Anlaufstellen auch von anderen Personengruppen wachsenden Zulauf erhal-ten wie etwa von jenen EU-Buumlrgerinnen die trotz Freizuumlgig-keitsberechtigung keinen Krankenversicherungsschutz nach-weisen koumlnnen von Asylsuchenden im Zeitraum der Leistungsrestriktion der ersten 15 Monate des Aufenthalts und auch von Nicht-Versicherten ohne Migrationshintergrund Auch fuumlr diese Gruppen besteht dringender Handlungsbedarf Es gilt ein breites Spektrum unterschiedlicher Rechtslagen im Hinblick auf bestehende und nicht umgesetzte Leistungsanspruumlche in den Blick zu nehmen und ebenfalls durch bundesweite Loumlsun-gen zu verbessern ndash um das fuumlr alle Menschen gleichermaszligen geltende Recht auf eine regulaumlre Gesundheitsversorgung end-lich umzusetzen

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Literatur und weiterfuumlhrende Links

Bundesaumlrztekammer (2013) Patientinnen und Patienten ohne legalen Aufenthaltsstatus in Krankenhaus und Praxis httpwwwbundesaerztekammerdefileadminuser_uploaddown-loadsFaltblatt_Patienten-ohne-Aufenthaltsstatus_30112013pdf 3 aktualisierte Auflage 112013 Berlin

Bundesaumlrztekammer (2016) Entschlieszligungen bdquoFluumlchtlinge in der medizinischen Versorgungldquo In 119 Deutscher Aumlrztetag 2016 Berlin 15ndash33

Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) (2015) Hinweise zur medi zinischen Versorgung von Fluumlchtlingen und Asylsuchenden in Krankenhaumlusern Stand November 2015 httpwwwdkgevdemediafile22105RS463-2015_Anlage_Gesundheitsversor-gung_von_Fluechtlingen_und_Asylsuchendenpdf

Falge Christine Fischer-Lescano Andreas Sieveking Klaus (Hg) (2009) Gesundheit in der Illegalitaumlt Baden-Baden Nomos

Fluumlchtlingsrat Berlin (oJ) Medi zinische Versorgung httpwwwfluechtlingsrat-berlindegesetzgebungphpMed

Fuumlhrer Amand Eichner Friederike (2015) Verloren im Raumlder-werk Eine interdisziplinaumlre Studie zur Gesundheit und medizi-nischer Versorgung von Asylsuchenden in Halle (Saale) httpwebuk-halledefileadminBereichsordnerVeranstaltungen2016Verloren-im-Raumlderwerk-1pdf

Katholisches Forum Leben in der Illegalitaumlt (2017) Positions-papier Forderung der Gewaumlhrleistung der Gesundheitsversor-gung fuumlr Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalitaumlt in Deutschland

Koumlszligler Melanie Mohr Tobias Habbe Heiko (2013) Aufenthalts-rechtliche Ille galitaumlt Beratungshandbuch 2013 3 aktualisierte und vollstaumlndig uumlberarbeitete Auflage Berlin Freiburg

Medizinische Fluumlchtlingshilfe Goumlttingen e V (oJ) Gesundheit fuumlr Gefluumlchtete Informationsportal von Medibuumlros Medinetzen httpgesundheit-gefluechteteinfo

Mylius Maren (2016) Die medizinische Versorgung von Men-schen ohne Papiere in Deutschland Studien zur Praxis in Gesund-heitsaumlmtern und Krankenhaumlusern Bielefeld Transcript

UN-Behindertenrechtskonvention httpswwwbehinderten-rechtskonventioninfo

UN-Frauenrechtskonvention httpswwwfrauenrechtskonven-tionde

UN-Kinderrechtskonvention httpswwwkinderrechtskonven-tioninfo

alle Internetquellen Stand 30032017

Kontakt Die Koordination der Bundesarbeitsgruppe GesundheitIllegalitaumlt liegt derzeit bei der Diakonie Deutschland

Ansprechperson Dr med Anja Dieterich MPH Grundsatzfragen der gesundheitlichen Versorgung Zentrum Gesundheit Rehabilitation und Pflege Telefon +49 (0)30 65211 1664 E-Mail anjadieterichdiakoniede

Diakonie Deutschland ndash Evangelischer Bundesverband Evangelisches Werk fuumlr Diakonie und Entwicklung e V Caroline-Michaelis-Str1 10115 Berlin wwwdiakoniede

Das vorliegende Arbeitspapier ist elektronisch abrufbar unter infodiakoniedegesundheitsversorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

Jesuit Refugee Service

Jesuiten Fluumlchtlingsdienst

Kampagne von MedibuumlrosMedinetzen

Gesundheitfuumlr Gefluumlchtete

Medizinische Fluumlchtlingshilfe fuumlr Menschen ohne Krankenversicherungsschutz

MediNetz Bielefeld

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Literatur und weiterfuumlhrende Links

Bundesaumlrztekammer (2013) Patientinnen und Patienten ohne legalen Aufenthaltsstatus in Krankenhaus und Praxis httpwwwbundesaerztekammerdefileadminuser_uploaddown-loadsFaltblatt_Patienten-ohne-Aufenthaltsstatus_30112013pdf 3 aktualisierte Auflage 112013 Berlin

Bundesaumlrztekammer (2016) Entschlieszligungen bdquoFluumlchtlinge in der medizinischen Versorgungldquo In 119 Deutscher Aumlrztetag 2016 Berlin 15ndash33

Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) (2015) Hinweise zur medi zinischen Versorgung von Fluumlchtlingen und Asylsuchenden in Krankenhaumlusern Stand November 2015 httpwwwdkgevdemediafile22105RS463-2015_Anlage_Gesundheitsversor-gung_von_Fluechtlingen_und_Asylsuchendenpdf

Falge Christine Fischer-Lescano Andreas Sieveking Klaus (Hg) (2009) Gesundheit in der Illegalitaumlt Baden-Baden Nomos

Fluumlchtlingsrat Berlin (oJ) Medi zinische Versorgung httpwwwfluechtlingsrat-berlindegesetzgebungphpMed

Fuumlhrer Amand Eichner Friederike (2015) Verloren im Raumlder-werk Eine interdisziplinaumlre Studie zur Gesundheit und medizi-nischer Versorgung von Asylsuchenden in Halle (Saale) httpwebuk-halledefileadminBereichsordnerVeranstaltungen2016Verloren-im-Raumlderwerk-1pdf

Katholisches Forum Leben in der Illegalitaumlt (2017) Positions-papier Forderung der Gewaumlhrleistung der Gesundheitsversor-gung fuumlr Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalitaumlt in Deutschland

Koumlszligler Melanie Mohr Tobias Habbe Heiko (2013) Aufenthalts-rechtliche Ille galitaumlt Beratungshandbuch 2013 3 aktualisierte und vollstaumlndig uumlberarbeitete Auflage Berlin Freiburg

Medizinische Fluumlchtlingshilfe Goumlttingen e V (oJ) Gesundheit fuumlr Gefluumlchtete Informationsportal von Medibuumlros Medinetzen httpgesundheit-gefluechteteinfo

Mylius Maren (2016) Die medizinische Versorgung von Men-schen ohne Papiere in Deutschland Studien zur Praxis in Gesund-heitsaumlmtern und Krankenhaumlusern Bielefeld Transcript

UN-Behindertenrechtskonvention httpswwwbehinderten-rechtskonventioninfo

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alle Internetquellen Stand 30032017

Kontakt Die Koordination der Bundesarbeitsgruppe GesundheitIllegalitaumlt liegt derzeit bei der Diakonie Deutschland

Ansprechperson Dr med Anja Dieterich MPH Grundsatzfragen der gesundheitlichen Versorgung Zentrum Gesundheit Rehabilitation und Pflege Telefon +49 (0)30 65211 1664 E-Mail anjadieterichdiakoniede

Diakonie Deutschland ndash Evangelischer Bundesverband Evangelisches Werk fuumlr Diakonie und Entwicklung e V Caroline-Michaelis-Str1 10115 Berlin wwwdiakoniede

Das vorliegende Arbeitspapier ist elektronisch abrufbar unter infodiakoniedegesundheitsversorgung-fuer-Menschen-ohne-Papiere

Jesuit Refugee Service

Jesuiten Fluumlchtlingsdienst

Kampagne von MedibuumlrosMedinetzen

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Medizinische Fluumlchtlingshilfe fuumlr Menschen ohne Krankenversicherungsschutz

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