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Globalisierung und Soziale Gerechtigkeit Die Förderung von Gewerkschaften in der Internationalen Zusammenarbeit Globale Gewerkschaftspolitik

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Globalisierung undSoziale Gerechtigkeit

Die Förderung von Gewerkschaftenin der Internationalen Zusammenarbeit

GlobaleGewerkschaftspolitik

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Globalisierung undSoziale Gerechtigkeit

Die Förderung von Gewerkschaftenin der Internationalen Zusammenarbeit

GlobaleGewerkschaftspolitik

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G L O B A L E G E W E R K S C H A F T S P O L I T I K4

ISBN 3-89892-412-2 © Friedrich-Ebert-Stiftung

Herausgeber: Friedrich-Ebert-Stiftung Internationale Entwicklungszusammenarbeit Globale Gewerkschaftspolitik Erwin Schweisshelm 53170 Bonn

Redaktion: Severin Schmidt

Titelfotos: dpa, FES Layout: Pellens Kommunikationsdesign, Bonn Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei

Printed in Germany 2005

dpa

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INHALT

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Die Globalisierung der Arbeitsbeziehungen 6

Einführung in das Projekt 8 Internationale Gewerkschaftskooperation der FES 10 Kooperation IG Metall und FES in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit 12 Bericht des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (IBFG) 14

Bildung als Instrument für junge Gewerkschafter 16

GUF – Rahmenabkommen und Netzwerke 18

Regionale Gewerkschaftsnetzwerke 20

INFO ASIEN 21

Gewerkschaftskooperation auf den Philippinen 22

Gewerkschaften in Lateinamerika und der Karibik 24

Die gewerkschaftlichen Netzwerke der BASF-Standorte 29

Gender und Gewerkschaftsarbeit 30

INFO AFRIKA 32

Die Zusammenarbeit der FES mit SATUCC 33

INFO MITTEL- UND OSTEUROPA (MOE) 34

Netzwerk für mittel- und osteuropäische Arbeitnehmer bei GM 35

INFO WESTLICHE INDUSTRIELÄNDER 36

INFO MONA 38

Vom Niemandsland zur Kooperation 39

Adressen der Global Union Federations 41

Weltweites Netz von FES-Büros 42

Publikationen 43

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Im Jahr 2003 operierten rund 65.000 Unternehmen transnational, sie sind damit fl exibel bei der Wahl ihrer Investitionsstandorte. Länder, Regionen und Städte konkurrieren um die Investoren. Aber auch Standorte innerhalb eines einzigen Unternehmens stehen in einem direkten Wettbewerb. Das Lohnniveau und die soziale Sicherung sind in diesem Wettbewerb lediglich weitere Kostenfaktoren. In den Industrieländern geraten Löhne und Arbeits-bedingungen unter Druck, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen häufi g schmerzhafte Einschnitte ihrer Rechte mittragen, um scheinbar konkurrenzfähig zu bleiben. Arbeitende Menschen in ärmeren Ländern dagegen werden davon abgehalten, Forderungen durchzusetzen und ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die Verhandlungsposition der Gewerk-schaften ist schwächer geworden und nicht wenige sprechen von einer weltweiten Abwärtsspirale bei sozialen Rechten. Dies wird auch dadurch verstärkt, dass Unternehmensleitungen einen Informationsvorsprung vor den Arbeitnehmern haben und die Vor- und Nachteile einzelner Standorte vermeintlich besser abwägen – oder anders formuliert: Beschäftigte gegen-einander ausspielen können.

Die Globalisierung der Arbeitsbeziehungen

Die letzten Jahrzehnte

sind durch eine zunehmende

Vernetzung der Weltwirt-

schaft geprägt. Finanzmärk-

te, Handelsbeziehungen und

Produktionsabläufe sind

nicht mehr auf einzelne

Nationalstaaten begrenzt

und können von diesen nicht

allein reguliert werden.

Diese Entwicklung hat auch

Auswirkungen auf die

wirtschaftliche und soziale

Situation der Arbeitnehme-

rinnen und Arbeitnehmer

weltweit und auf das Kräfte-

verhältnis zwischen den

Sozialpartnern.

New YorkWashington D.C.

Mexiko CityKingston Santo Domingo

Guatemala

San Salvador Managua

San José

Tegucigalpa

PanamaCaracas

Bogotá

Quito

Lima

La Paz

Santiago

Buenos Aires

Montevideo

São Paulo

Dakar

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Erste Schritte auf einem langen WegUm dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen, müssen sich Gewerkschaf-ten global vernetzen und gemeinsame Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung fi nden. Bei dieser Aufgabe spielen die Weltverbände der Branchengewerkschaften – die Global Union Federations – eine zentrale Rolle. Diese „GUFs“ schließen Rahmenabkommen über soziale Mindeststandards mit dem Management multinationaler Konzerne und treiben die Vernetzung von Gewerkschaftern auf regionaler und globaler Ebene voran. Ebenso werden Kampagnen zu einzelnen Unternehmen oder Branchen durchgeführt. Neben diesen Aktivitäten gibt es in einigen Unternehmen bereits transnationale Netzwerke. In Konzernen wie der BASF, Nestlé, Coca-Cola oder Daimler- Chrysler arbeiten diese Netzwerke bereits seit Jahren oder befi nden sich ge-rade im Aufbau – mit oder ohne Unterstützung der Geschäftsleitung. Diese Maßnahmen sind nicht mehr als erste Schritte zu einer wirkungs vollen globalen Interessenvertretung von Beschäftigten. Spürbare Erfolge lassen sich bis lang nur vereinzelt feststellen, ein Paradigmenwechsel bei der Beziehung zwischen Kapital und Arbeit ist noch unwahrscheinlich. Es wird deshalb darauf ankom-men, der wirtschaftlichen Entwicklung ein soziales Antlitz abzutrotzen und den Wettbewerb auf eine gerechte Grundlage zu stellen. Nicht nur für das Manage-ment eines Konzerns, sondern auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Büros mit FES-AuslandsmitarbeiterInnen

FES-Zentralen in Bonn und Berlin

Büros mit FES-Ortskräften

Stand: Januar 2005

Moskau

St. PetersburgTallin

Riga

Vilnius

London Brüssel

Paris

Berlin

BonnPrag Warschau

Genf

Madrid

Lissabon

Zagreb

BratislavaBudapest

Banjaluka BelgradSarajevo

Rom

Pristina

TiranaAthen

Skopje

Bukarest

Chisonauc

c

Kiew

IstanbulAnkara

Tbilissi

Baku

Jerevan

BeirutAmman

Jerusalem (Ost)Tel Aviv

Kairo

SanaaKhartoum

MaltaTunis

AlgierRabat

Bamako

Abidjan

Accra

Cotonou

LagosYaoundé

Addis Abeba

Kampala

Nairobi

Daressalaam

Luanda

HarareAntananarivo

Lusaka

Windhuk

GabaroneMaputo

Johannesburg

Kabul

Islamabad

New DelhiKathmandu

Colombo

Bangkok

Phnom Penh

Manila

Kuala Lumpur

Singapur

Jakarta

Schanghai

SeoulTokio

Peking

Ulan Bator

Almaty

BischkekTaschkent

Duschanbe

Hanoi

Minsk

Temeswar

SofiaPodgorica

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Pelle

ns

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G L O B A L E G E W E R K S C H A F T S P O L I T I K8

Wie ist die internationalen Gewerkschaftsarbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung einzuordnen?Schweisshelm: „Die internationale Gewerkschaftsar-beit ist in die internationale Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung eingebettet. Kernziele der internatio-nalen Arbeit sind die Förderung von Demokratie, die Vermeidung von Konfl ikten und die Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit. Gewerkschaften sind zum Erreichen dieser Ziele unverzichtbar. Sie vertreten nicht nur die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern gehören in vielen Staaten zu den demokratischen, zivilgesellschaftlichen Organi-sationen.“

Ist dies nicht die Aufgabe der deutschen Gewerkschaf-ten selbst, sich um die internationale Gewerkschaftsar-beit zu kümmern?Schweisshelm: „Hier gibt es etwas Besonderes: Die Friedrich-Ebert-Stiftung ist mit dem expliziten Mandat des DGB ausgestattet, die deutschen Gewerkschaften im Ausland zu vertreten. Dies lässt sich mit der ge-meinsamen Geschichte von Gewerkschaften und Friedrich-Ebert-Stiftung wie auch mit unserer welt-weiten Infrastruktur erklären. Die Stiftung wird als glaubwürdiger und vertrauenswürdiger Partner wahr-genommen!“

Die Globale Gewerkschaftspolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

„Bei Wahrung der gegenseitigen Unabhängig-

keit von FES und deutschen Gewerkschaften,

kann man doch folgendes festhalten: Ihr habt

ein Mandat des DGB und seiner Mitgliedsge-

werkschaften, die deutschen Gewerkschaften

im Ausland zu vertreten“

(Dieter Schulte, DGB Vorsitzender 1994-2002 im Jahre 2001 auf einer Konferenz der

Auslandsmitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung)

Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn

Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin

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Wie sieht die Arbeit konkret aus? Schweisshelm: „Die internationale Gewerkschaftsar-beit der Friedrich-Ebert-Stiftung hat zwei zentrale Ebenen: Die Länderprogramme, in denen Arbeitneh-mervertretungen auf nationaler Ebene gefördert wer-den und das Projekt Globale Gewerkschaftspolitik, das eine soziale Gestaltung der Globalisierung zum Ziel hat und in der Bonner Zentrale koordiniert wird. Die Länderprogramme unterstützen Gewerkschaften sowohl als politische und zivilgesellschaftliche Akteu-re als auch in ihrer Funktion als Interessenvertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Länder-programme werden von den Auslandsvertretungen der Stiftung koordiniert. Themen sind etwa die Quali-fi zierung für den sozialen Dialog, Tarifpolitik, Privati-sierung und Fragen des Arbeitsrechts.“

Wie ist das zu verstehen und mit wem arbeitet ihr zusammen, um diese Projektziele zu verwirklichen?Schweisshelm: „Wie der Name schon vermuten lässt, konzentriert sich das Projekt Globale Gewerkschafts-politik auf die Stärkung der Gewerkschaften und die bessere Vertretung der Beschäftigten auf globaler Ebe ne. Die wichtigsten Partner in diesem Projekt sind die Global Union Federations (GUFs) und der Internationale Bund Freier Gewerkschaften (IBFG), aber auch Organisa-tionen wie die Internationale Arbeitsorganisation (IAO oder ILO), der gewerkschaftliche Beratungsausschuss der OECD (TUAC), regionale Gewerkschaftsstrukturen und Nichtregierungsorganisationen (NROs).“

Die Förderung durch das Projekt ist vielfältig. Im Jahre 2004 wurden mehr als 100 Einzelprojekte in 45 Ländern unterstützt. Dabei war die Stiftung in Viet-nam genauso vertreten wie etwa in Brasilien, Aser-baidschan oder dem afrikanischen Mali. In jedem dieser Länder existieren andere Bedingungen für die Gewerkschaftsarbeit.“

Wo setzt die Arbeit an?Schweisshelm: Bei der Förderung sind drei Ebenen von besonderer Bedeutung: Die gewerkschaftspoliti-sche, die Unternehmensebene und die entwicklungs-politische Ebene.

Auf gewerkschaftspolitischer Ebene werden Pub li -kationen zu sozialpolitischen Themen erstellt, Work-shops und Trainings für Gewerkschaftsmitglieder or ga-nisiert und die Verwirklichung von Menschen- und Gewerkschaftsrechten unterstützt.

Auf Unternehmensebene fördert die Stiftung die Vernetzung von Beschäftigteninteressen in multina-tionalen Unternehmen, die Vereinbarung von Rah-menabkommen oder die Anwendung von Verhaltens-kodizes in multinationalen Unternehmen.

Auf entwicklungspolitischer Ebene steht die Inte-gration von Sozialstandards in die deutsche und inter-nationale Entwicklungszusammenarbeit im Vorder-grund. Zudem unterstützt die Stiftung die Mitarbeit von Gewerkschaften in den sogenannten „Fairen Handel“, wie die Flower Label Campaign der NRO FIAN und die Clean Clothes Campaign. Seit Oktober des Jahres 2004 wird zudem ein Masterstudiengang zu Arbeitsmarkpolitik und Globalisierung gefördert, der an der Universität Kassel und der Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin durchgeführt wird und sich an junge Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter aus Entwicklungsländern richtet. International ist das Pro-jekt mit anderen Geberorganisationen in den USA und Europa vernetzt. Diese Verbindungen ermöglichen den Austausch und die Koordinierung der Arbeit. Die Un-ter stützung kann so zielgenauer und politisch effek-tiver gesteuert werden.“

Bei soviel Globalität, fi ndet denn beim „Exportwelt-meister“ Deutschland auch noch etwas statt?Schweisshelm: „Natürlich, in Deutschland ist das Pro-jekt in einer Vielzahl von Gremien eingebunden. Dazu gehören die internationalen Arbeitskreise beim DGB, der Runde Tisch für Verhaltenskodizes und das The-menteam WTO der Friedrich-Ebert-Stiftung.“

Ist es denn den Aufwand wert?Schweisshelm: „Ich denke schon. Gerade die aktuellen Diskussionen zeigen, dass soziale Gerechtigkeit in einem Land allein nicht mehr zu verwirklichen ist. Das gegenseitige Ausspielen der Belegschaften wird auch Dank der Arbeit der FES schwieriger.“

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Internationale Gewerkschaftskooperation der FES

Als sich Anfang der 60er Jahre die ersten Gewerk-schaftsberater im Auftrag der FES nach Mali und Japan auf den Weg machten, ahnte keiner der dama-ligen Pioniere, dass aus einer formlosen mündlichen Verabredung zwischen Dr. Günter Grunwald für die FES und Ludwig Rosenberg für den DGB ein nachhal-tiges und tragfähiges Projekt internationaler Gewerk-schaftskooperation hervorgehen würde. Was als einfache Arbeitsteilung beim Zugriff auf Mittel der Entwicklungszusammenarbeit begann, führte im Lauf der Jahrzehnte zu einem weltumspannenden Netz von bilateralen, regionalen und internationalen Ge-werkschaftsbeziehungen. Dieses stützt sich auf die Arbeit der Auslandsbüros der FES und wird zwischen den internationalen Abteilungen der deutschen Ge-werkschaften und den Gewerkschaftskoordinatoren der FES-Zentrale abgestimmt. Es wird getragen von gemeinsamen Wertvorstellungen und Zielbestimmun-gen: Die Förderung freier, autonomer, selbstbewuss-ter und handlungsfähiger Gewerkschaften als unver-zichtbare Säulen demokratischer Entwicklung.

Dieser gemeinsame Anspruch, unbeschadet gele-gentlicher Rückschläge, eröffnet ein weites und oft schwieriges Arbeitsfeld. Es reicht von der solidari schen Unterstützung beim Aufbau von Gewerkschaften – oft unter repressiven Bedingungen – bis hin zur sachkun-digen Beratung in komplexen Anpassungs- und Trans-formationsprozessen. Verantwortlich dafür sind auch und vor allem die Auslandsmitarbeiter und -mitar-beiterinnen der FES. Mit ihrer Professionalität, Welt-erfahrung und Kommunikationsfähigkeit und den einheimischen Gewerkschaftsexperten in den Stiftungs-büros, mit ihrer Loyalität, ihren operativen und ana-lytischen Fähigkeiten ist ein kompetentes Fundament gelegt.

50 Jahre Zusammenarbeit mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB)

Jürgen Eckl, DGB Bundesvorstand Abteilung für Internationale und

europäische Gewerkschaftsarbeit

Was als einfache Arbeitsteilung beim Zugriff auf Mittel der Entwicklungszusammenarbeit begann, führte im Lauf der Jahrzehnte zu einem weltumspannenden Netz von bilate-ralen, regionalen und internationalen Ge-werkschaftsbeziehungen.

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Der ständige Informationsfl uss aus dieser Arbeit ermöglicht dem DGB und seinen Gewerkschaften eine umfassende, von der traditionellen Gewerkschafts-diplomatie unverschattete Beurteilung der länder-spezifi schen, regionalen und internationalen Entwick-lungen. Im Umkehrschluss vermitteln die Auslandver-tretungen vor Ort in ihrer Arbeit ein Bild von der deutschen Gewerkschaftsbewegung, das wesentlich zum immer noch recht ungeschmälerten Ansehen der deutschen Gewerkschaften beigetragen hat.

Im Gegensatz zu Instituten anderer Gewerkschafts-verbände lässt die Arbeitsweise der FES sich nicht nur auf die Zusammenarbeit von Gewerkschaften einhegen. Im Gegenteil, sie verfügt je nach Land über ein breites Spektrum der Kooperation mit weiteren gesellschaftspolitischen Akteuren, den politischen Par-teien, Regierungen, der akademischen Welt, den Me-dien, den Frauenverbänden u.a.. Dies bietet unseren Gewerkschaftspartnern vor Ort neue Chancen der Kommunikation und des Dialogs mit anderen Sekto-ren der Gesellschaft, was in vielen Ländern keineswegs selbstverständlich ist.

l Die stetige Bekräftigung des Mandats der DGB-Spitze für die gewerkschaftliche Auslandsarbeit der Stiftung;

l die Einbindung des DGB und seiner Gewerkschaf-ten in die regelmäßigen Gewerkschaftsfachkonfe-renzen der Stiftung;

l das Einbeziehen in die Programmplanung und die Abstimmungsgespräche mit den FES-Mitarbeitern und -mitarbeiterinnen vor der Ausreise in ihr Ein-satzland;

l der gelegentliche Austausch von Mitarbeitern zwischen beiden Institutionen;

l die umfassende Unterstützung bei Auslandsmissio-nen der deutschen Gewerkschaften und bei Exper-teneinsätzen;

l die Mitwirkung von Gewerkschaftsvertretern bei Besuchsprogrammen, Diskussionsforen und Kon-ferenzen im Inland, die Mithilfe der Stiftung bei Kongressen der deutschen Gewerkschaften und des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften, um die Präsenz von GewerkschafterInnen aus dem Süden und aus Mittel- und Osteuropa zu gewähr-leisten.

Dies alles bildet einen unvollständigen Katalog der vielfältigen Anstrengungen, gerade auch in Zeiten der Globalisierung internationale Gewerkschaftskoopera-tion erfolgreich zu gestalten.

DGB

Im Gegensatz zu Instituten anderer Gewerk-schaftsverbände lässt die Arbeitsweise der FES sich nicht nur auf die Zusammenarbeit von Gewerkschaften einhegen. Im Gegenteil, sie verfügt je nach Land über ein breites Spektrum der Kooperation mit weiteren gesellschaftspoli-tischen Akteuren, den politischen Parteien, Regierungen, der akademischen Welt, den Medien, den Frauenverbänden u.a.. Dies bietet unseren Gewerkschaftspartnern vor Ort neue Chancen der Kommunikation und des Dialogs mit anderen Sek toren der Gesellschaft.

FES

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Kooperation IG Metall und FES in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit

Gewerkschaftsrechte sind Menschenrechte

Die Schwerpunkte, die die Friedrich-Ebert-Stiftung in ihrer globalen Gewerkschaftspolitik setzt, entsprechen exakt der internationalen Politik der IG Metall. Fried-rich-Ebert-Stiftung und IG Metall lassen sich bei ihrer internationalen Arbeit von dem Gedanken leiten, dass Gewerkschaftsrechte Menschenrechte sind und orien-tieren sich inhaltlich u.a. an der Erklärung der Inter-nationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu den „Grund-legenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit“ vom Juni 1998.

Neue Koalitionen suchen, neue Wege gehen

Um diesen Gedanken mit Leben zu erfüllen, gibt es klare Handlungsansätze:

Erstens, die Stärkung der Global Union Federa-tions voranzubringen, um weltweit zum Aufbau effi -zienter Gewerkschaftsstrukturen beizutragen. Zwei-tens, die Zusammenarbeit mit so genannten Nicht-Regierungsorganisationen (NRO) zu suchen. In der Praxis ergänzen sich diese Ansätze dann, wenn es beispielsweise im Bereich der IG Metall-Politik zu freiwilligen Vereinbarungen mit Unternehmen kommt. Hier werden mit Hilfe der Friedrich-Ebert-Stiftung Netzwerke zwischen Gewerkschaften und Nicht-Re-gierungsorganisationen aufgebaut, um internationale Rahmenvereinbarungen (IFA) auch wirksam kontrol-lieren zu können.

Dabei wissen IG Metall und Friedrich-Ebert-Stif-tung, dass solche IFA verbindliche internationale und europäische Rechtsvorschriften nicht ersetzen, aber sie sind ein Werkzeug, um der globalen Wirtschaft einen sozialen Rahmen zu setzen.

Aufgabe in der Zukunft muss es sein, ein gemein-sames Konzept zu entwickeln, um Entwicklungspolitik und internationale Sozialpolitik miteinander zu ver-knüpfen und soziale Menschenrechte auch in den „harten“ Politikbereichen – so zum Beispiel bei der Welthandelsorganisation – durchzusetzen. In diesem Kontext gilt es auch, gemeinsam eine verbesserte Ab-stimmung mit den verschiedenen in der internationa-len Arbeit tätigen Organisationen zu realisieren. Kon-kret geht es dabei darum, im Rahmen der Politik der Bundesregierung – Stichwort Millenniumsdebatte/Halbierung der Armut bis 2015 – eine Kongruenz der Politiken anzustreben, um einerseits Doppelarbeit zu vermeiden, aber um andererseits auch effi zient die weniger werdenden Drittmittel zu nutzen.

Diskurse setzen, auch international

Das, was die IG Metall national beispielsweise mit ihrem „Arbeitnehmerbegehren“ auf den Weg gebracht hat, nämlich den sozialen Ausgleich und den „Men-schen“ wieder mehr in den Mittelpunkt des Selbstver-ständnisses unserer Gesellschaft zu rücken, heißt auf die internationale Zusammenarbeit bezogen, dem internationalen Kapitalismus auch internationale so-ziale Spielregeln zu geben: Ist es nicht mehr als be-denklich, wenn heute Ehrenpreise verliehen werden müssen, weil Unternehmen die Kernarbeitsnormen der ILO weltweit einhalten und fördern?

FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG

Klaus Priegnitz, IG Metall Vorstand – Abteilung Internationales

Erstens, die Stärkung der Global Union Fede-rations voranzubringen, um weltweit zum Aufbau effi zienter Gewerkschaftsstrukturen beizutragen. Zweitens, die Zusammenarbeit mit so genannten Nicht-Regierungsorganisa-tionen (NGO) zu suchen.

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Übereinkommen 87 Vereinigungsfreiheit und Schutz des Vereinigungsrechtes, 1948

Übereinkommen 98 Vereinigungsrecht und Recht zu Kollektivverhandlungen, 1949

Übereinkommen 29 Zwangsarbeit, 1930

Übereinkommen 105 Abschaffung der Zwangsarbeit, 1957

Übereinkommen 100 Gleichheit des Entgelts, 1951

Übereinkommen 111 Diskriminierung (Beschäftigung und Beruf), 1958

Übereinkommen 138 Mindestalter, 1973

Übereinkommen 182 Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, 1999

Die Kern-Übereinkommen

Die vier Grundprinzipien beschränken sich nicht auf die acht Kern-Übereinkommen; als tragende Orien-tierungs- und Handlungsmaximen der ILO durchziehen sie eine Vielzahl anderer Übereinkommen und Emp-fehlungen. In den nachstehend aufgeführten Kern-Übereinkommen – gelegentlich auch Menschenrechts-übereinkommen genannt – haben die Grundprinzi pien jedoch ihre eigentliche Ausformung erfahren:

FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG

Bislang (Stand Mai 2005) haben 109 ILO-Mit-gliedsstaaten alle Kern- oder Menschenrechts-übereinkommen ratifi ziert. Zu ihnen ge hört auch Deutschland. 33 Staaten haben sieben der Kern- oder Menschenrechtsübereinkom-men, 14 Länder sechs und 10 Staaten insgesamt fünf der o.a. Übereinkommen rati fi ziert.

FES

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Weltweit wieder 129 ermordete Gewerkschafter, eine steigende Zahl an Morddrohungen, gewalttätigen Übergriffen und Gefängnisstrafen: Gewerkschafts-rechte werden nach wie vor in allen Teilen der Welt mit Füssen getreten. Ihre Verfechter werden mit Re-pressalien, Verfolgung, Haft und Schlimmerem mund-tot gemacht. Diese traurige Bilanz der Verfolgung von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern sowie die Verletzung international anerkannter gewerkschaft-licher Grundrechte in insgesamt 134 Ländern muss-te der Internationale Bund Freier Gewerkschaften (IBFG) auch in seinem Jahresbericht 2004 vermelden. Trauriger Spitzenreiter unter den Orten größter Gefahr für Gewerkschaftsaktivisten bleibt Kolumbien: Allein im Jahr 2003 starben 90 Menschen aufgrund ihrer Überzeugung und Aktivitäten! Dass wirtschaftliche Blüte nicht einhergehen muss mit einer Verbesserung der rechtlichen Situation für die Arbeitnehmerschaft, zeigte sich erneut in China. Der Bericht 2004 doku-mentiert zudem, dass zunehmend auch Frauen Opfer von Angriffen wurden.

Herausforderungen nicht nur in der Ferne

Eine Beschränkung gewerkschaftlicher Grundrechte geschieht aber auch vor unserer Haustür, in den neu-en EU-Ländern. In der Tschechischen Republik haben einige Arbeitgeber die Löhne von Gewerkschaftsfunk-tionären einbehalten. Und andere verhindern mit allen Mitteln, dass Tarifverträge gesetzlich bindend werden. In Litauen rief die Betriebsleitung die Be-schäftigten eines Autodepots einzeln zu sich, um sich ihren Gewerkschaftsaustritt schriftlich bestätigen zu lassen. Diejenigen, die dies verweigerten wurden entlassen. Auch in Polen berichteten die Gewerkschaf-

Gefahren für die leibliche und berufl iche ExistenzGEWERKSCHAF TL I CH ES ENGAGEMENT

14

Trauriger Spitzenreiter unter den Orten größ-ter Gefahr für Gewerkschaftsaktivisten bleibt Kolumbien: Allein im Jahr 2003 starben 90 Menschen aufgrund ihrer Überzeugung.

FES

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IBFG-Bericht

Das Recht, freie und unabhängige Gewerkschaf-ten zu gründen, ist in unserer Verfassung durch den Artikel 9 des Grundgesetzes geschützt. Es ist auch Bestandteil des internationalen Völkerrechtes auf Grund von einer entsprechenden Konvention der In-ter nationalen Arbeitsorganisation. Diesem Grundsatz auch in der Praxis weltweit Geltung zu verschaffen, betrachten die deutschen Gewerkschaften und die ihnen nahe stehende Friedrich-Ebert-Stiftung auch auf Grund der eigenen geschichtlichen Erfahrungen als eine ihrer zentralen Aufgaben. Die Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützt und fördert deshalb den Einsatz des IBFG für Menschen- und Gewerkschafts-rechte.

Der Bericht des IBFG trägt den Titel „Jährliche Übersicht über die Verletzungen von Gewerk-schaftsrechten“. Er wird leider jedes Jahr dicker, trotzdem wird in unseren Medien wenig dar-über berichtet

ten über zahlreiche Fälle, in denen aktive Gewerk-schafterinnen und Gewerkschafter entlassen wurden. Ebenso in den USA werden die Rahmenbedingungen immer schwieriger. Anwaltskanzleien, die organisier-te Betriebe „säubern“ oder sie gleich gewerkschaftsfrei halten, freuen sich über mehr Aufträge.

Bedrängnis und Solidarität: damals und heute

Unsere eigene Geschichte kennt viele bittere Erfah-rungen mit der Repression von Gewerkschaften. Seit ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert hatte die Ge-werkschaftsbewegung in Deutschland gegen solche Repressionen zu kämpfen, die ihren Höhepunkt in der Zeit des Nationalsozialismus fanden.

Wichtig war für den gewerkschaftlichen Wider-stand in dieser Zeit die internationale gewerkschaft-liche Zusammenarbeit. Die Vertretung der deutschen Gewerkschaften im Exil, zunächst in Prag und dann in Kopenhagen, wurde vom damaligen internationa-len Gewerkschaftsbund fi nanziell unterstützt. Aber auch die Einzelgewerkschaften, etwa die der Metaller oder der Transportarbeiter, konnten ihren Widerstand gegen Hitler nur mit der politischen und materiellen Unterstützung ihrer internationalen Verbände leisten.

15

dpa

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G L O B A L E G E W E R K S C H A F T S P O L I T I K16

Weltweit stehen die Gewerkschaften unter enormem Druck. Die Öffnung der Märkte, eine zunehmende Vernetzung der Produktionsabläufe und infolgedessen der Wettbewerb um niedrige Produktions-, insbeson-dere Arbeitskosten, stellen Arbeitnehmervertreter in fast allen Ländern vor die Frage, wie bereits erreichte Rechte geschützt und neue Rechte für die arbeitende Bevölkerung errungen werden können.

Die Autoindustrie macht es deutlich: Bis ein Fahr-zeug fertig ist, arbeiten unzählige Firmen in Dutzenden Ländern an dem Produkt und der Wettbewerb um niedrige Kosten wird nicht mehr nur zwischen Kon-zernen, sondern ebenso zwischen einzelnen Produk-tionsstätten des gleichen Konzerns und Staaten ausge-tragen. Diese so genannte „Globalisierung“ der Wirt-schaft wird von vielen Arbeitnehmervertretern als bedrohlich, ungerecht und unkontrollierbar empfun-den, obwohl eine differenzierte und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Entwicklungen nur selten stattfi ndet. Die meisten internationalen Finanz-organisationen wie etwa der Internationale Wäh-rungsfonds (IWF) oder die Weltbank sehen in der „Globalisierung“ keineswegs nur Nachteile, sondern überwiegend Vorteile – auch für breite Schichten der Bevölkerung.

Dieser offensichtliche Widerspruch in der Wahr-nehmung und Beurteilung, sowie ein gewisses Defi zit bei ökonomischen Kenntnissen unter Gewerkschaftern regten zum Nachdenken an. Als Konsequenz initi ierte die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) in enger Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung einen weltweit einmaligen Master-Studiengang. Ziel

Bildung als Instrument für junge Gewerkschafter

Dieser offensichtliche Widerspruch in der Wahrnehmung und Beurteilung der Globali-sierung sowie ein gewisses Defi zit bei öko-nomischen Kenntnissen unter Gewerkschaf-tern regte zum Nachdenken an.

Ber

hard

Ste

lzl

Der Master-Studiengang „Labour Policies and Globalisation“

Mein Name ist Mina Vukojicic und ich komme aus Belgrad, der

Hauptstadt von Serbien und Montene gro. Ich arbeite bei dem

Gewerkschaftsbund „Neza visnost“, der mit Unabhängigkeit

übersetzt werden kann. Meine Arbeit ist hauptsächlich mit den

Künsten und dem Kultursektor verbunden. Hier gilt es, die inter-

nationale Zusammenarbeit zu stärken und bestimmte Anliegen

unserer jungen Mitglieder zu transportieren. Als Teilnehmerin des

ersten Pilotkurses für Gewerkschafter aus aller Welt denke ich,

dass das Master-Programm für Arbeitspolitik und Globalisierung

eine großartige und wertvolle Er fahrung ist. Wir teilen Ideen,

bauen Wissen auf, betonen die internationale Gewerkschaftsbe-

wegung, erweitern unsere Sichtweisen, stellen uns glo balen

Herausforderungen und bringen die Welt in ein Klassenzimmer.

Das alles mit einem Ziel: In der Zukunft gewerkschaftliches Tun

zu verbessern.

FES

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ist es, ökonomisches und sozialwissenschaftliches Wis sen über den Globalisierungsprozess an junge Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter zu vermit-teln. Im Vordergrund stehen dabei Lehrveranstaltun-gen zu internationalen Arbeits- und Sozialstandards. Die neu erworbenen Kenntnisse sollen als Instrument für das gewerkschaftliche „Tagesgeschäft“ – wie Tarif-verhandlungen und Arbeitskonfl ikte – eingesetzt wer-den. Zudem sollen sie dazu beitragen, dass junge Ge-werkschafter in der Lage sind, kompetent und über-zeugend ihre Positionen gegenüber anderen Akteuren der Weltwirtschaft zu vertreten. Der Dialog mit diesen Akteuren wird gesucht und es gilt, sie für gewerk-schaftliche Forderungen zu sensibilisieren.

Nach drei Jahren Vorbereitungszeit wurde der Studiengang schließlich am 7. Oktober 2004 unter der Teilnahme der Bundesministerin für wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung Heidemarie Wieczorek-Zeul, der stellvertretenden Vorsitzenden des DGB, Ursula Engelen-Kefer, und des Vorsitzenden der Arbeitnehmergruppe in der IAO, Sir Leroy Trotman, an der Universität Kassel eröffnet.

Die teilnehmenden Studierenden sind so vielfältig wie die Welt selbst: Im Studienjahr 2004/2005 nehmen 25 Frauen und Männer aus vier Kontinenten und 20 Ländern teil, die sich in ihren Heimatländern bereits gewerkschaftlich engagiert haben und mindestens einen Bachelor-Abschluss vorweisen. Das erste Semes-ter verbrachten die Studierenden an der Universität Kassel, das zweite Semester wird an der Fachhoch-schule für Wirtschaft in Berlin absolviert. Neben den rein akademischen Aktivitäten beinhaltet das Pro-gramm auch zahlreiche Exkursionen und Praktika.

Berh

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Euan Gibb: Ich lebe mit meiner Partnerin Diana und unserem

7 Monate alten Baby Natalie in Deutschland. Ich bin ein aktives

Mitglied der kana dischen Automobilarbeiter Gewerkschaft

(Ca na dian Autoworkers Union (CAW). Seit 1996 habe ich in

einer Automobilfabrik gearbeitet. 1999 be gann ich meine Tätig-

keiten zu kombinieren: die akademischen wechselten sich mit

der Fließbandarbeit ab, das Lehren und die Gewerkschaftsarbeit

ergänzten sich. Ich hörte von dem Konzept der globalen Arbeits-

universität beim Arbeitsstudien-Programm an der McMaster-

Universität in Kanada. Als ein Arbeiter und Gewerkschafter in

einer globalisierten Industrie empfand ich die Idee, den Gewerk-

schaftsinternationalismus durch dieses Programm zu bereichern,

sehr anziehend. Das erste Jahr der globalen Arbeitsuniversität neigt

sich nun dem Ende zu. Bereits jetzt ist klar, dass sich einige dau-

erhafte Freundschaften entwickelt haben. Der Kursinhalt hat sich

als herausfordernd und relevant für unsere Widerstandsstrategi-

en erwiesen. Es herrscht eine bemerkenswert reiche Qualität an

Diskussionen und Debatten, die wir natürlich täglich in unserem

Klassenzimmern führen.

Somit lernen die Teilnehmer des Studienganges nicht nur die Theorie, sondern auch die Praxis des deutschen Modells der industriellen Beziehungen kennen.

Ohne Zweifel wird der Studiengang dazu beitragen, dass die fundierten Kenntnisse über wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge der Globalisierung stark zunehmen. Zusätzlich dazu werden wertvolle persön-liche Kontakte zwischen den Teilnehmern entstehen, wodurch ein internationales Netzwerk geschaffen wird, auf das die jungen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter auch noch Jahre später zurückgreifen können.

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„Die Konzernleitung sowie die nationalen und inter-nationalen Arbeitnehmervertretungen bekennen sich zu ihrer sozialen Verantwortung und zu den Grund-prinzipien des ‚Global Compact‘. Die BMW Group un-terstützt diese Initiative der Vereinten Nationen und setzt sich dafür ein, die Vision einer nachhaltigen und homogenen Weltwirtschaft zu verwirklichen.“ So steht es in der Präambel der Gemeinsamen Erklärung über Menschenrechte und Arbeitsbedingungen BMW Group zwischen dem bayerischen Automobilhersteller und Internationalen Metallgewerkschaftsbund (IMB). Im Mai 2005 ist die BMW Group das elfte Unternehmen, das eine entsprechende internationale Rahmenver-einbarung mit dem IMB abgeschlossen hat. Vergleich-bar mit den deutschen Branchengewerkschaften – zum Beispiel der IG Metall oder IG BCE – gibt es Gewerk-schaftsverbände, die auf globaler Ebene für die Inte-ressen der Arbeitnehmer in einem bestimmten Sektor kämpfen. Diese „Global Union Federations“ (GUFs) haben sich in den letzten Jahren organisatorisch und inhaltlich auf die starke internationale Vernetzung der Wirtschaft eingestellt. In ihrer Mitgliederstruktur unter-scheiden sich die GUFs erheblich. Während in eini gen

Instrumente internationaler Gegenmacht

Sektoren die europäischen Industriegewerkschaften besonders stark sind, vertreten andere GUFs vor allem die Interessen der Arbeitnehmer aus Entwicklungs-ländern.

Rahmenabkommen

Eine Priorität der internationalen Arbeitnehmerver-treter ist der Abschluss von Rahmenabkommen zwi-schen GUFs und multinationalen Konzernen. Diese Abkommen werden in aller Regel zwischen der Un-ternehmensleitung und den GUFs abgeschlossen und setzen soziale Standards weltweit für alle Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter des Konzerns. Im Gegensatz zu einseitigen „Codes of Conduct“ werden diese Ab-kommen bilateral vereinbart und kontrolliert. Pionier beim Abschluss dieses Instruments war die IUL, die im Jahr 1988 das erste Rahmenabkommen mit Da-none und im Jahr 1995 mit der Hotelkette Accor un-terzeichnete. Dem folgte das Abkommen des IBBH mit IKEA und das des norwegischen Energieriesen Statoil mit der internationalen Chemiegewerkschaft (ICEM).

DIE GLOBAL UNION FEDERAT IONS (GUFS )

BI (EI) Bildungsinternationale ICEM Internationale Föderation der Chemie-, Energie-, Bergbau- und Fabrikarbeiterverbände IBFG (ICFTU) Internationaler Bund Freier Gewerkschaften IBBH (IFBWW) Internationaler Bund der Bau- und Holzarbeiter IFJ Internationale Föderation der Journalisten IMB (IMF) Internationaler Metallgewerkschaftsbund ITBLAV (ITGLWF) Internationale Textil-, Bekleidungs- und Lederarbeiter-Vereinigung ITF Internationaler Bund der Transportarbeiter IUL (IUF) Internationale Union der Lebensmittel-, Landwirtschafts-, Hotel-, Restaurant-, Café- und Genussmittelarbeiter-Gewerkschaften IÖD (PSI) Internationale der öffentlichen Dienste UNI Union der Dienstleistungsgewerkschaften

Überblick der einzelnen „Global Unions“

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Seit dem Jahr 2002 hat der internationale Metallge-werkschaftsbund (IMB) über elf Abkommen mit trans-nationalen Unternehmen in seinem Sektor abgeschlos-sen, darunter mit DaimlerChrysler, Volkswagen, Bosch und zuletzt BMW.

Auf einer von der Friedrich-Ebert-Stiftung orga-nisierten Konferenz zu der Internationalisierung der Arbeitsbeziehungen im Oktober 2004 diskutierten Vertreterinnen und Vertreter der GUFs Chancen und Schwierigkeiten dieser Abkommen. Dabei wurde be-tont, dass die GUFs in vielen Unternehmen noch immer um Anerkennung als legitime Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmerinteressen kämpfen müs-sen. Die Arbeitgeberverbände sind bislang sogar nur national oder regional organisiert und können deshalb nicht mit den GUFs in einen Dialog treten. Die Vertre-terinnen und Vertreter der GUFs gaben ebenfalls zu bedenken, dass in einigen Ländern keine demokrati-schen Gewerkschaften arbeiten und deshalb die Kon-trolle der Rahmenabkommen schwierig sei. Die GUFs fürchten, dass sie dadurch von Entscheidungsprozes-sen innerhalb eines Unternehmens ausgeschlossen werden. Auffallend ist zudem, dass die Rahmenab-kommen fast ausschließlich von kontinentaleuropäi-schen Konzernen unterzeichnet wurden. Nur ein US-amerikanisches Unternehmen (Chiquita) hat eine Vereinbarung unterzeichnet, keines aus Asien.

Trotz dieser negativen Aspekte haben sich die Rahmenabkommen als effektives und innovatives Instrument der Arbeitnehmervertreter erwiesen. Da-bei ist nicht nur von Bedeutung, dass Rahmen und Standards für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mer gesetzt werden, sondern vor allem dass die GUFs als Partner anerkannt werden.

Dabei wurde betont, dass die GUFs in vielen Un-ternehmen noch immer um Anerkennung als legitime Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmerinter-essen kämpfen müssen. Die Arbeitgeberverbände sind bislang sogar nur national oder regional organisiert und können deshalb nicht mit den GUFs in einen Dialog treten.

Rahmenabkommen im Frühjahr 2005

GUF Unternehmen Land

ICEM Statoil Norwegen

ICEM Freudenberg Deutschland

ICEM Endesa Spanien

ICEM Norske Skog Norwegen

ICEM ENI Italien

ICEM SCA Schweden

ICEM Lukoil Russland

IBBH IKEA Schweden

IBBH Faber-Castell Deutschland

IBBH Hochtief Deutschland

IBBH Skanska Schweden

IBBH Ballast Nedam Niederlande

IBBH Impregilo Italien

IBBH Veidekke Norwegen

IMB Merloni Italien

IMB BMW Deutschland

IMB Volkswagen Deutschland

IMB DaimlerChrysler Deutschland

IMB Leoni Deutschland

IMB GEA Deutschland

IMB SKF Schweden

IMB Rheinmetall Deutschland

IMB Bosch Deutschland

IMB PRYM Deutschland

IMB Renault Frankreich

IUL ACCOR Frankreich

IUL Danone Frankreich

IUL Chiquita USA

IUL Fonterra Neuseeland

IUL Club Mediterranee Frankreich

UNI Telefonica Spanien

UNI Carrefour Frankreich

UNI OTE Griechenland

UNI ISS Dänemark

UNI H&M Schweden

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dpa

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Neben Rahmenabkommen unterstützt die Friedrich-Ebert-Stiftung Netzwerke der Arbeitnehmervertreter innerhalb multinationaler Konzerne. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Netzwerk der Gewerkschaften innerhalb des Chemieunternehmens BASF, das in dieser Bro-schüre beschrieben wird. Ein weiterer Schwerpunkt der Förderung von Gewerkschaftsnetzwerken liegt bei dem Lebensmittelkonzern Nestlé. Für die Gewerk-schaften hat dieses Unternehmen eine Leuchtturm-funktion. Nicht nur, weil es mit 253 Tausend Beschäf-tigten und 57 Milliarden Euro (2003) Umsatz der größ te Lebensmittelkonzern der Welt ist, sondern auch, weil Nestlé wie kaum eine andere Firma global agiert: Nur etwa 2 Prozent der jährlichen Produktion wird noch in dem Heimatland Schweiz hergestellt, der Rest wird in rund 500 Standorten produziert, die sich auf 84 Staaten verteilen.

Nestlé hat bis zum heutigen Zeitpunkt kein Rah-menabkommen unterzeichnet, doch die globale Koope-ration im Netzwerk der internationalen Gewerkschaft der Lebensmittelarbeiter (IUF) ist eng. Im Jahr 1999 wurden auf einem Weltgewerkschaftstreffen in Mani-la soziale Grundprinzipien vereinbart, die der Konzern weltweit einhalten soll. Diese sogenannte „Manila-Erklärung“ umfasst elementare Rechte der Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmer und dient als Identifi ka-tionspunkt sowie als Grundlage für die weitere Arbeit

des Netzwerkes. Zwischen den Jahren 2002 und 2004 wurden im Rahmen eines Projektes der IUF, der Ge-werkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und der Friedrich-Ebert-Stiftung vier regionale und ein globales Treffen von Gewerkschaftern aus dem Konzern veranstaltet, um einen Informationsaustausch zu ge-währleisten und weitere Strategien zu planen. Seit Herbst 2004 fi nanziert die Friedrich-Ebert-Stiftung vier regionale Koordinatoren der Netzwerke in Afrika, Asien-Pazifi k, Lateinamerika und Osteuropa. Mit die-sem Engagement soll eine Stabilisierung der Verbin-dungen und eine professionelle Koordination erreicht werden. Die Haltung der Konzernleitung bei diesem Prozess ist ambivalent. Auf der einen Seite wird die IUF grundsätzlich als Partner akzeptiert, es gibt einen europäischen Betriebsrat und Vertreter des Manage-ments waren 1999 in Manila anwesend, auf der ande-ren Seite stoßen Gewerkschaftsnetze außerhalb Eu-ropas auf wenig Gegenliebe in der Zentrale in Vevey.

Neben den Beispielen der BASF und Nestlé, fördert die Friedrich-Ebert-Stiftung weitere Gewerkschafts-netzwerke in Weltkonzernen wie General-Motors und Coca-Cola. Damit wird ein wichtiger Beitrag zum Aufbau eines globalen sozialen Dialoges geleistet und die internationale Solidarität praktisch gestärkt.

Regionale Gewerkschaftsnetzwerke

FES

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Gewerkschaften in Asien

Das Bild der Gewerkschaften in Asien ist sehr vielfältig. Es gibt starke Organisationen in Japan, Singapur, Australien und mit Ein-schränkungen auch in Malaysia und Korea. In vielen Ländern verhindern ein restriktives Arbeitsrecht und repressive Regierungen die Entste-hung wirklich starker und unab-hängiger Interessenvertretungen. Anderswo sind es aber auch die Gewerkschaftsführer selbst, die die Schwäche der Arbeiterbewegungen zu verantworten haben. Vor allem in Südasien haben sie sich an politi-sche Parteien gebunden, sind ent-lang von religiösen und ethnischen Grenzen gespalten. Frauen sind in den Führungsetagen dieser Orga-nisationen selten vertreten, junge Arbeitnehmer ebenfalls nicht. Und der informelle Sektor, der in Indien 90 Prozent der arbeitsfähigen Be-völkerung umfasst, wird durch die etablierten Gewerkschaften auch kaum repräsentiert. Eine besonde-re Situation ergibt sich in Vietnam und China. Die dortigen Gewerk-schaften sind weiterhin eng an die kommunistischen Parteien gebun-den und müssen ihre Rolle als In-teressenvertretung in einer Markt-wirtschaft erst noch fi nden.

Dennoch, angesichts der insge-samt schwachen Zivilgesellschaft bleiben die Gewerkschaften in den meisten Ländern eine der wenigen mobilisierbaren gesellschaftlichen Gruppen mit landesweiten Struk-turen. Angesichts wirtschaftlicher Dynamik im Industrie- und Dienst-leistungssektor in Asien und gleich-

INFO ASIEN

zeitiger Deregulierung und Infor-malisierung der Arbeitswelt sind die Sozialpartner, also Gewerkschaf-ten, Arbeitgeberorganisationen und staatliche Institutionen wichtige Trä-ger für den gesellschaftspolitischen Dialog mit Asien. Gewerkschaften in Asien sind ein zentraler Partner in der Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Die Arbeit der Stiftung in Asien und dem Pazifi k orientiert sich an dem Ziel, die Gewerkschaften als Interessenvertretung der arbeiten-den Menschen und als eine starke demokratische, gesellschaftliche Kraft zu fördern. Die Stiftung setzt sich dafür ein, Gewerkschaftsrech-te als Bestandteil der universellen Menschenrechte zu betrachten. Das beinhaltet ausdrücklich auch den kritischen und konstruktiven Dia -log mit denjenigen Regierungen in Asien, die im Kampf gegen die Arbeit der Auffassung sind, dass zumindest für Phasen der Entwicklung ihrer Länder die Entwicklung der Gemein-schaft den Rechten des Individuums übergeordnet ist.

Die Förderung von Frauen in Gewerkschaften bleibt angesichts ih rer weiter anhaltenden Diskrimi-nie rung am Arbeitsplatz ein Schwer-punkt. Sie ist darüber hinaus ein wichtiger Beitrag zum Aufbrechen von star ren innergewerkschaftlichen Struk turen. Gleiches gilt für die Not-wendigkeit, junge Menschen für die Arbeit in Gewerkschaften zu moti-vieren, auch wenn dies gerade in Asien auf starke kulturelle Barrieren stößt.

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Nur jeder 25. arbeitende Phillipino ist überhaupt Mit-

glied einer Gewerkschaft .Der Organisationsgrad auf

den Philippinen beträgt damit nur etwa vier Prozent

der Arbeitsbevölkerung im formellen Sektor. Es darf

natürlich nicht vergessen werden, dass neben cirka

15 Prozent Arbeitslosen die große Mehrzahl der Ar-

beitsbevölkerung als nicht permanente Kontraktar-

beiter, als Kleinstunternehmer im informellen Sektor

– vor allem Frauen – oder außerhalb des Landes als

Gastarbeiter – ca. 8 Mill. Menschen – tätig sind.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob

dreißig Jahre Gewerkschaftskooperation überhaupt

positive Entwicklungen gefördert hat. Zugespitzt for-

muliert: Hat die langjährige Gewerkschaftsförderung

auf den Philippinen zu einem besseren Ergebnis geführt

G L O B A L E G E W E R K S C H A F T S P O L I T I K22

Evaluierung der Gewerkschaftskooperation auf den Philippinen

Zwischen informellem Sektor und Gewerkschaftspluralismus

als eine angenommene Nicht-Intervention! In diesem

Kontext wurden die Kooperationsinstrumente der Zu-

sammenarbeit mit gewerkschaftlichen Dachverbänden

und Einzelgewerkschaften, aber auch mit sogenannten

„Labour NGOs“ untersucht.

Neugierig auf Antworten, beteiligten sich die

Fried rich-Ebert-Stiftung sowie die internationalen

ge werkschaftlichen Förderorganisationen LO-Nor-

wegen, LO-TCO Schweden, SASK Finnland und FNV

Niederlande an der Evaluierung. Im Mittelpunkt stand

die Effi zienz und Effektivität der Instrumente der

Zusammenarbeit. Ein Thema auch für die globalen

Gewerkschaftsföderationen („Global Union Federa-

tions“) und die asiatische Regionalorganisation des

IBFG, sie beteiligten bzw. unterstützten die Evaluie-

rung.

Die Ergebnisse dieser Evaluierung müssen natür-

lich in die sozio-politische Realität des Landes einge-

ordnet werden: Feudalistische Strukturen und Patron-

Klient-Verhältnisse bestimmen die Beziehungen der

Menschen zu – und untereinander. Gewerkschaftlich

organisierte Gruppen unterliegen in den Philippinen

denselben Zwängen wie alle anderen gesellschaftlichen

Organisationen. In diesem Zusammenhang überrascht

es nicht, dass die internationale externe Förderung

auch zu einer Verfestigung von innergewerkschaft-

lichen undemokratischen Entwicklungen sowie zur

Zersplitterung der Gewerkschaftsbewegung beigetra-

gen hat.

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Lokale Ansagen, internationales Geld: gemeinsame Themen!

„Die thematische Orientierung muss mehr auf die Interessen der philippinischen Partner ausgerichtet sein statt auf die der ‚Geldgeber‘!“, so die zentrale Emp fehlung für eine effektivere Kooperation. Dies er fordert einen gemeinsamen koordinierten Planungs-prozess der Partner, bei dem die externe Förderor-ganisation bereit sein muss, zuzuhören und zu lernen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung mit ihrem lokalen Büro hat hier bessere Voraussetzungen als nicht permanent vor Ort präsente Organisationen. In jedem Fall müssen Abhängigkeiten der lokalen gewerkschaftlichen Or-ganisationen von den externen Geldern verhindert werden, da sonst eine nachhaltige Entwicklung nicht erreicht werden kann.

Durch eine koordinierte Förderstrategie der ex-

ternen Organisationen kann die Einigkeit der lokalen

gewerkschaftlichen Organisationen – zumindest the-

menbezogen – erreicht werden. Ein Beispiel hierfür

ist die als Konsequenz der Evaluierung in den Philip-

pinen von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Zusammen-

arbeit mit den internationalen gewerkschaftlichen

Förderorganisationen LO Norwegen und ACILS Soli-

darity Center initiierte gewerkschaftliche Plattform

„Labour Agenda“. Eine gemeinsame Publikation und

Politikempfehlung mit dem Titel „Towards a Joint

Policy Agenda for Labour: Managing the Social Impact

of Globalisation through Stronger State Adherence to

Decent Work“ wurde im Rahmen dieser Plattform

erarbeitet und öffentlich vertreten. Ein gemeinsames

Produkt von fünf gewerkschaftlichen Dachverbänden,

vier Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, drei

anderen Dachverbänden, vier gewerkschaftlichen For-

schungszentren sowie den drei internationalen ge-

werkschaftlichen Förderorganisationen.

Diese Plattform ist nun als informelle Diskus-

sionsebene etabliert und wird je nach Thema von den

verschiedenen gewerkschaftlichen Organisationen in

den Philippinen genutzt. Es besteht Hoffnung, dass

diese Initiative zu einer größeren Einigkeit der Ge -

werk schaftsbewegung in den Philippinen beitragen

wird.

Durch eine koordinierte Förderstrategie der

externen Organisationen kann die Einigkeit

der lokalen gewerkschaftlichen Organisa-

tionen – zumindest themenbezogen – er-

reicht werden.

23 F R I E D R I C H - E B E R T - S T I F T U N G

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Wachstum ohne Effekte für den Arbeitsmarkt

Die positiven makroökonomischen Wirtschaftsdaten spiegeln sich auch nicht auf dem Arbeitsmarkt wider. Da das Wirtschaftswachstum in erster Linie in den Exportsektoren stattfi ndet, zeigt es auch nur geringe Wirkungen auf Beschäftigung, Arbeitsmarkt und Ein-kommensentwicklung. Weder konnte die Arbeitslosig-keit nachhaltig gesenkt noch der Trend des Anwach-sens informeller Beschäftigungsverhältnisse ge bremst werden. Im Schnitt fi ndet sich in Latein amerika und der Karibik die Hälfte aller Arbeitsplätze in der infor-mellen Wirtschaft, dort entsteht auch die große Mehr-heit neuer Arbeitsplätze.

Dies hat auch weitreichende Folgen für die Ge-werkschaften. Denn die bisherigen Erfahrungen zei -gen, dass eine nachhaltige gewerkschaftliche Organi-sie rung in der informellen Wirtschaft nur ansatzweise möglich ist. Die wenigen Organisationen, die sich dort entwickeln konnten, weisen im Allgemeinen rudimen-tä re Organisationsstrukturen, geringe fi nanzielle Aus stattung und hohe Mitgliederfl uktuation auf. Die Si tua tion für eine effektive Gewerkschaftsarbeit bleibt daher kritisch. In den 90er Jahren haben Deregu-lierung, Flexibilisierung und Privatisierung nicht nur den gewerkschaftlichen Organisationsgrad drastisch reduziert, sondern auch in vielen Ländern die Relevanz der Gewerkschaften in Politik und Gesellschaft deut -lich verringert.

Aus der Defensive heraus: Gewerkschaften in Lateinamerika und der Karibik vor neuen Herausforderungen

Im Durchschnitt fi ndet sich in Lateinamerika und der Karibik die Hälfte aller Arbeits plätze in der informellen Wirtschaft, dort wo auch die große Mehrheit neuer Arbeitsplätze entsteht.

Für die meisten Ökonomen besteht Anlass zu Hoffnung: Mit 5,2 Prozent Wirtschaftswachstum im Jahre 2004 erreichte die Region Lateinamerika die höchste Stei-gerungsrate seit 1997. Auch für das Jahr 2005 wird ein Wachstum von 3,6 Prozent vorhergesagt. Die Wirtschafts- und Finanzkrise, die 2001/2002 vor allem Argentinien, Uruguay und teilweise auch Brasilien durchlebte, scheint überwunden. Spitzenreiter waren 2004 Venezuela und Uruguay, deren Wirtschaften mit 17,8 Prozent bzw. 10 Prozent wuchsen. Doch gerade diese beiden Länder zeigen exemplarisch, dass sie ihr Wachstum in erster Linie den günstigen internatio -nalen Rahmenbedingungen, einer erhöhten Nach frage nach Primärgütern und Rohstoffen, wie Erdöl, land-wirtschaftlichen Produkten, Mineralien, etc., zu ver-danken haben. In Argentinien verhalf darüber hinaus die Abschaffung der Peso-Dollar-Anbindung zu güns-tigeren Exportbedingungen. Die strukturellen Proble-me der lateinamerikanischen Wirtschaft, die sich im letzten Jahrzehnt verschärft haben, bleiben jedoch bestehen.

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Das politische Koordinatensystem rückt nach links

Doch es gibt einige positive Signale für die lateiname-rikanische Gewerkschaftsszene. Neue politische Per-spektiven ergeben sich durch Veränderung der poli-tischen Landschaft in einer Reihe von Ländern. Mit den Wahlerfolgen von Mitte-Links-Regierungen in Brasilien, Panama und Uruguay, und bedingt auch in Argentinien, haben sich die politischen Rahmenbe-dingungen der Gewerkschaften in diesen Ländern verbessert und ihnen neue Chancen eröffnet. Es muss nur daran erinnert werden, dass der aktuelle brasili-anische Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva in den 70er Jahren die Symbolfi gur des gewerkschaftli-chen Widerstandes gegen die Militärdiktatur gewesen ist. Zudem waren die Gewerkschaften zumindest in Brasilien und Uruguay nicht ohne Bedeutung für den Wahlsieg der progressiven Präsidentschaftskandida-ten.

Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass nunmehr die Probleme der Gewerkschaften in diesen Ländern gelöst wären. Das Beispiel Chile zeigt, dass Gewerkschaften auch nach über zehn Jahren „Con-certacion“, d.h. einer Regierungskoalition aus Christ-demokraten, Sozialisten und Sozialdemokraten, weiterhin wichtige Rechte vorenthalten werden. Noch drastischer ist dies der Fall in Costa Rica, wo voran-gegangene sozialdemokratische Regierungen nichts unternommen haben, um das defacto Organisations-verbot in der Privatwirtschaft aufzuheben. Trotz dieser Einschränkung gilt, dass sich in Brasilien, Uruguay, Panama und eingeschränkt auch Argentini-en, die Stellung der Gewerkschaften beträchtlich verbessert hat und sie über ein gesteigertes Entwick-lungspotential verfügen.

Allerdings bleibt weiterhin in vielen Ländern Zentralamerikas, der Andenregion und auch in Mexi-ko ein gewerkschaftsfeindliches Klima bestimmend. Es reicht von der Ermordung und Verfolgung von Gewerkschaftern bis hin zu staatlichen Interventionen in gewerkschaftliche Kernbereiche, z.B. zu restriktiven Arbeitsgesetzen. In Mexiko konnte sich zwar 2000 eine neue politische Kraft gegen die über 70 Jahre regierende „Staatspartei“ PRI durchsetzen, aber die konservative Regierung von Präsident Vicente Fox sowie bedeutende Stimmen im Kongress zeigen sich unwillig, das mexikanische Arbeitsrecht im Interesse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu moder-nisieren und demokratisieren.

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Die Relevanz regionaler und internationaler Themen

Zunehmend wird den Gewerkschaften jedoch die Relevanz regionaler und globaler Themen für ihre Arbeit bewusst. Als Prioritäten haben sich in den letzen Jahren der Widerstand gegen das US-gespon-serte Konzept einer Gesamtamerikanischen Freihan-delszone (ALCA/FTTA), die damit in Zusammenhang stehende Diskussion über eine Reihe bilateraler Han-delsabkommen und die regionale Integration heraus-kristallisiert. Besonders für die Gewerkschaften des Cono Sur (Brasilien, Argentinien, Uruguay und Chile) bleiben Fortentwicklung und Vertiefung des regiona-len Integrationsprojektes, dem gemeinsamen Markt Mercosur, ein wesentliches strategisches Ziel. Für sie ist der Mercosur eine politische Alternative zu ALCA/FTAA und zu bilateralen Handelsverträgen, wie sie in Zentralamerika und der Andenregion von den USA angestrebt werden. Folgerichtig waren es vor allem die Gewerkschaften, die von Anfang an auf den poli-tischen und sozialen Ausbau des Mercosur gesetzt hatten, auch in Zeiten als dieser als wirtschaftliches Zweckinstrument angesehen wurde.

Permanente Aktualität für die Gewerkschafts-agenda haben die internationalen Sozialstandards und codes of conducts. Hier stellt sich für die Gewerkschaf-ten die komplexe Frage, welche Sozialstandards und welche codes of conducts wirklich in der Lage sind,

die sozialen Bedingungen in den Betrieben und auf den Arbeitsmarkt zu verbessern, welche im Bereich der Absichtserklärungen und unverbindlichen Emp-fehlungen verbleiben und welche letztlich nur dem Marketing von Unternehmen dienen? Ein zentrales Arbeitsfeld sind hier die transnationalen Unternehmen. Aus gewerkschaftlicher Sicht bildet der Abschluss eines Rahmenabkommens zwischen einem transna-tionalen Unternehmen und der zuständigen interna-tionalen Gewerkschaftsorganisation das wirksamste Instrument zur Einhaltung sozialer Normen. Allerdings stehen dem Abschluss solcher Abkommen oft zahlrei-che Hindernisse entgegen. So weigern sich vor allem die US-amerikanischen Unternehmen überhaupt in eine solche Diskussion einzutreten. Ebenfalls auf transnationale Unternehmen beziehen sich die OECD-Richtlinien, die auch von Brasilien, Mexiko, Chile und Argentinien ratifi ziert wurden. Zu ihrem Monitoring mussten die Regierungen so genannte Kontaktstellen einrichten. Etwas anders gelagert ist der Global Com-pact der Vereinten Nationen, der sich letztlich auf eine Selbstverpfl ichtung transnationaler Unternehmen bezüglich der Respektierung sozialer und ökologischer Standards begrenzt. Geringe Relevanz aus gewerk-schaftlicher Sicht haben dagegen die von Unternehmen unilateral ins Leben gerufenen betrieblichen codes of conduct, welche, wie die Erfahrung gezeigt hat, oft nur dazu dienen, das Image des Unternehmens auf-zupolieren.

Ein zentrales Arbeitsfeld sind hier die trans-nationalen Unternehmen. Aus gewerkschaft-licher Sicht bildet der Abschluss eines Rah-menabkommens zwischen einem transnatio-nalen Unternehmen und der zuständigen internationalen Gewerkschaftsorganisation das wirksamste Instrument zur Einhaltung sozialer Normen.

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Perspektiven

Die Situation der Gewerkschaften variiert von Land zu Land. Einige Probleme, teils historisch bedingt, teils durch die Globalisierungstendenzen akut geworden, gelten jedoch für die Mehrheit der Gewerkschaften. So sind in den meisten Ländern Lateinamerikas und der Karibik die Organisationsstrukturen obsolet. Und die Aufspaltung in diverse Dachverbände hat in einer Reihe von Ländern eher zu- als abgenommen. Viele Gewerkschaften verharren weiterhin in überholten Konzepten und traditionellen Mustern, wodurch die Einbeziehung anderer Sektoren und Gruppen wie Frauen, Jugendliche, technische Angestellte etc. er-schwert wird.

Insgesamt ist dies sicherlich kein erhellendes Panorama. Doch wenn man heute von den vielschich-tigen Problemen der Gewerkschaften in Lateinameri-ka und der Karibik spricht, muss berücksichtigt werden, dass Gewerkschaften in den meisten Ländern über ein Jahrzehnt neoliberal geprägten Wirtschafts-politiken ausgesetzt waren. Ihre zuvor oft durchset-zungsfähigen Organisationen wurden dadurch emp-fi ndlich geschwächt.

Jenseits dieser problematischen Situation gibt es in einer Reihe von Ländern durchaus hoffnungsvolle und innovative Ansätze, manchmal in kleinen, manch-mal in großen Organisationen und Gruppierungen. So konnten die Gewerkschaften in Brasilien und Uruguay durch den Aufbau von Allianzen mit anderen gesell-schaftlichen Akteuren wesentlich ihr gesellschaftspo-litisches Konfl iktpotential erhöhen. In Argentinien oder in der Andenregion gibt es innovative Ansätze der Organisierung von gesellschaftlichen Gruppen, die nicht der klassischen Gewerkschaftsklientel entspre-chen. In einer Reihe von transnationalen Unternehmen,

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die in Lateinamerika und der Karibik präsent sind, wie z.B. BASF oder Volkswagen, haben sich Gewerk-schaftsnetze gebildet – in der Regel mit Kontakten zur Konzernzentrale.

Vor allem ist Bewegung in die regionale Gewerk-schaftsszene gekommen. So wirft der Beschluss einer Fusion der beiden globalen Gewerkschaftsverbände IBFG (Internationaler Bund Freier Gewerkschaften) und WVA (Weltverband der Arbeitnehmer) gerade für Lateinamerika viele Fragen auf und eröffnet neue Perspektiven, vor allem für den IBFG-Regionalverband ORIT. Auch auf subregionaler Ebene (Anden/Zentral-amerika/südliches Lateinamerika) haben sich gewerk-schaftliche Organisationen entwickelt, von denen die Gewerkschaftskoordination des Cono Sur (CCSCS), deren Referenzrahmen der Mercosur ist, die größte Dynamik aufweist.

Die Gewerkschaften, z.B. in Brasilien und Uruguay, konnten durch den Aufbau von Allianzen mit anderen gesellschaftlichen Akteuren ihr gesellschaftspolitisches Potenzial erhöhen. In Argentinien oder in der Anden-region gibt es innovative Ansätze der Organisierung von gesellschaftlichen Gruppen, die nicht der klassi-schen Gewerkschaftsklientel entsprechen.

Die Gewerkschaften, z.B. in Brasilien und Uruguay, konnten durch den Aufbau von Allianzen mit anderen gesellschaftlichen Akteuren ihr gesellschaftspolitisches Poten-zial erhöhen. In Argentinien oder in der Andenregion gibt es innovative Ansätze der Organisierung von gesellschaftlichen Grup-pen, die nicht der klassischen Gewerkschafts-klientel entsprechen.

FES

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Die gewerkschaftlichen Netzwerke der BASF-Standorte in Südamerika und Asien und die Rolle der FES

Die Netzwerke von Gewerkschaftsvertretern der Stand-orte der BASF in Südamerika und Asien sind das Ergebnis einer beispielhaften gewerkschaftlichen Kooperation in der globalen Wirtschaft. Der Anstoß kam in Südamerika von den brasilianischen Kollegen, die seit den 90er Jahren einen regelmäßigen Infor-mations- und Erfahrungsaustausch mit den Gewerk-schaftsvertretern der Standorte in den Nachbarländern entwickelten. Mit den dabei entwickelten Initiativen zur Sicherung standort- und grenzüberschreitender sozialer Standards begründeten sie den Anspruch auf einen regionalen sozialen Dialog mit dem Manage-ment.

Etabliert und unterstützt wurde der Dialog von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und den Betriebsräten am Sitz des Konzerns in Ludwigshafen. Die Unterstützung konnte auf der Basis ihrer mitbestimmungspolitischen Einfl ussmög-lichkeiten aufgebracht werden. Einem weiteren Fak-tor für den Erfolg stellten die Begegnungen zwischen den Kollegen aus Südamerika und Deutschland dar. Diese haben zum gegenseitigen Vertrauen beigetragen und halfen, die Erfahrungen mit dem deutschen so-zialpartnerschaftlichen System der Sozialbeziehungen zu vermitteln.

Und genau dabei kam es auf die Hilfe der Fried-rich-Ebert-Stiftung an. Mit den Erfahrungen und Rat schlägen ihrer Mitarbeiter, ihren logistischen Möglichkeiten und ihrer Bereitschaft zur Anschub-fi nanzierung hat sie der Entwicklung des Netzwerk-projekts den notwendigen und passenden Rahmen gegeben. Und es war gut, dass sie diese wichtige Rol-le auch übernahm, als die südamerikanischen Erfah-rungen mit der Schaffung des dortigen Netzwerks auf Asien übertragen wurden. Die Netzwerke werden durch die BASF anerkannt. Dokumentiert wird dies sowohl im Geschäftsbericht des Unternehmens als auch durch die persönliche Beteiligung ihres stellver-

Manfred Warda, Abteilung Internationales Europa der IGBCE

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tretenden Vorstandsvorsitzenden an den zurücklie-genden Tagungen in Sao Paulo und Singapur. Mittler-weile sind die Netzwerke der BASF-Gewerkschaften ein Modell. Die Internationale Föderation von Che -mie-, Energie-, Bergbau- und Fabrikarbeitergewerk-schaften (ICEM), möchte auch mit anderen globalen Unternehmen zu vergleichbaren Vereinbarungen kommen. Somit ist dies auch ein Beleg für die Relevanz der FES bei der Entwicklung neuer Formen von So-zialbeziehungen in der globalen Welt.

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Schwesterlichkeit: Anliegen der KollegInnen in der lateinamerikanischen Gewerkschaftsbewegung

In Lateinamerika, wie in anderen Regionen der Welt, ist die Gewerkschaftslandschaft männlich geprägt. Dennoch: Lateinamerikas Gewerkschafterinnen sind sehr aktiv. Angesichts der prekären Lage vieler Arbei-terinnen und Arbeitnehmer im formalen wie infor-mellen Sektor ist dies auch sehr wichtig. Zudem nimmt der Anteil der Frauen im lateinamerikanischen Ar-beitsmarkt seit den 80er Jahren zu. In manchen Ländern, wie zum Beispiel Brasilien, liegt er bei über 40 Prozent. Beim Bildungsstand und dem Schulniveau liegen Frauen sogar deutlich vor den Männern. Trotz-dem werden sie weiterhin auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert. Tätigkeiten, die von Frauen ausgeübt werden, werden in der Gesellschaft deutlich geringer geschätzt, das heißt, sie werden schlechter bezahlt. Im Durchschnitt erhalten Männer weiterhin ein 40 bis 50 Prozent höheres Gehalt. Noch größere Chancenun-gleichheit im Arbeitsmarkt haben allerdings Frauen, die aufgrund ihres soziokulturellen Hintergrunds diskriminiert werden. Afro-lateinamerikanische Frau-en und Frauen indigener Abstammung haben folglich noch härtere Bedingungen.

Zwischen Quoten und betrieblicher Realität

Frauen zu fördern und in die Gewerkschaftsarbeit einzubinden, hat Priorität. Ähnlich wie in Europa ist eine breite Bewegung für die Gleichberechtigung der Geschlechter seit Mitte der 90er Jahre bemüht, die Gesellschaft zu verändern. Gleichermaßen war der erste Ansatz Gleichstellungsmaßnahmen sowie einge-führte Quoten zur Teilhabe von Frauen in der Gewerk-schaftsführung und den Gewerkschaftseinheiten – in der Regel cirka 30 Prozent für beide Geschlechter. Diese Quoten sind weiter gestiegen. Leider ist das aber kein Zeichen dafür, dass das politische und gewerk-schaftliche Umfeld mittlerweile frei von Vorurteilen und Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen ist. Männer dominieren die lateinamerikanische Ge-werkschaftsbewegung, ähnlich wie andere gesellschaft-

Tätigkeiten, die von Frauen ausgeübt werden, werden in der Gesellschaft deutlich geringer geschätzt, das heißt, sie werden schlechter bezahlt. Im Durchschnitt erhalten Männer weiterhin ein 40 bis 50 Prozent höheres Gehalt.

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Ein umfassender Ansatz: Gender-Mainstreaming

Der Verdrängungswettbewerb betrifft alle. Die Löhne und Arbeitsbedingungen haben sich in diesen Berufs-zweigen auch für die Männer nicht verbessert. Dieses Phänomen verdeutlicht die Zweidimensionalität einer gendersensiblen Projektarbeit. Deshalb arbeitet die FES in ihren Gewerkschaftsprojekten mit einer gen-dersensitiven Strategie. Sie versucht nicht nur über die Zusammenarbeit im Bereich der Frauenförderung spezielle Themen in die Gewerkschaftswelt einzubrin-gen. Nein, auch das Thema Gewalt gegen Frauen wird angepackt. Erste Erfolge gab es hier mit regionalen Kampagnen gegen Gewalt. Die rasanten Veränderun-gen in der Arbeitswelt werden refl ektiert und mit dem häuslichen Zusammenleben in Verbindung gebracht. Die Stiftung ist vor allem bemüht, Gender-Main-streaming zusammen mit den zentralen Gewerkschafts-verbänden als Querschnittsthema in der Durchsetzung wirtschafts- und sozialer Rechte zu verankern.

liche Bereiche. Frauen dagegen sind weiterhin in der Minderheit, vor allem in den Entscheidungs- und Machtinstanzen der Gewerkschaftsbewegung. Wenige Klauseln, die in die Agenda von Verhandlungen oder Kollektivvereinbarungen aufgenommen werden, be-ziehen sich überhaupt auf die Arbeit von Frauen. So weist die Realität am Arbeitsplatz schwerwiegende Probleme für Frauen auf. Tatsächlich zeigen sich aber Frauen teilweise ganz anders betroffen von den Ent-wicklungen des Arbeitsmarkts. Die Flexibilisierung führt beispielsweise in Mexiko dazu, dass Lohnunter-schiede zwischen Arbeitern und Arbeiterinnen im Industriesektor in einigen Fällen bis zu 90 Prozent betragen. Flexibilisierung der Arbeitswelt heißt für Frauen aber nicht nur, dass sie niedrigere Löhne oder schlechtere Arbeitsbedingungen akzeptieren müssen: Frauen werden darüber hinaus in einigen Fällen sogar aus traditionellen Berufszweigen verdrängt. In Mexi-ko belegen Daten, dass aufgrund der schwierigen Arbeitsmarktlage Männer zunehmend auch tradi-tionelle Frauenberufe übernehmen: Die Kranken-schwester wurd durch den Pfl eger ersetzt, selbst in Maquiladoras weicht die Bandarbeiterin dem Band-arbeiter.

Frauen werden darüber hinaus in einigen Fällen sogar aus traditionellen Berufszwei-gen verdrängt. In Mexiko belegen Daten, dass aufgrund der schwierigen Arbeitsmarkt-lage Männer zunehmend auch traditionelle Frauenberufe übernehmen.

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Totgesagte leben länger: Afrikas Gewerkschaften heute

Partei zugunsten der Arbeitgeberseite. Die anschließende politische Liberalisierung schuf allerdings neue Freiräume: Einige Gewerk-schaften nabelten sich von allzu großer Staats-nähe ab. Andere nutzten dies, um unabhän-gige Gewerkschaften aufzubauen. In einer ganzen Reihe von Ländern wirkten Gewerk-schaften bei der Ablösung autokratischer Regime an entscheidender Stelle mit. Anders als in den klassischen Feldern gewerkschaft-licher Interessenvertretung ist der Einfl uss der Gewerkschaften in der Politik bis heute bedeutsam geblieben. Entsprechend wäre es falsch, die afrikanischen Gewerkschaften als Relikt der Vergangenheit oder „Quantité né-gligeable“ abzuschreiben. Die aktuell wieder steigenden Investitionen in Afrika schaffen nach einer langen Durststrecke zudem neue gewerkschaftliche Organisationspotenziale. Vor allem aber bleiben die Gewerkschaften bis auf weiteres eine der wenigen mobilisier-baren gesellschaftlichen Gruppen mit landes-weiten Strukturen und sind daher in nicht wenigen afrikanischen Staaten ein politischer Machtfaktor.

Auf den ersten Blick sind Gewerkschaften in Afrika schwache Organisationen mit internen Problemen. Im Zangengriff von informeller Ökonomie und „neoliberaler Globalisierung“ werden ihnen nicht selten Zukunftschancen abgesprochen. Von Trägern des antikolonialen Befreiungskampfes in den 40er und 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mutier-ten die Gewerkschaften nach der Unabhän-gigkeit zunächst mehrheitlich zu abhängigen Staatsgewerkschaften mit gesichertem Status, Pfründen für die Führung und sicheren Jobs für Mitglieder.

Ein erstes unliebsames Erwachen brachte die durch die Schuldenkrise erzwungene wirtschaftliche Liberalisierung der 1980er Jahre, welche zu einem massiven Abbau von Arbeitsplätzen und starken Mitgliederverlus-ten führte. Erschwerend kam hinzu, dass viele Regierungen im Zuge von Strukturanpas-sungspolitiken ihre Arbeitsgesetzgebung zu Lasten der Beschäftigten reformierten. In Arbeitskonfl ikten ergriffen sie häufi g einseitig

INFO AFRIKA

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SATUCC hat hierbei Initiativen zur Demokrati-sierung in Sambia, Swasiland und Simbabwe gefördert. Es ist SATUCC zu verdanken, dass einige Verletzungen von Menschen- und Gewerkschaftsrechten überhaupt ans Licht kamen.

Die Chancen einer Einfl ussnahme auf die Richtung regionaler Integration, hängen vor allem von der Orga-nisationskapazität ab. Um eine schlagkräftige Orga ni-sationsstruktur zu bekommen, wird momentan eine Gewerkschaftsakademie (SATULA) für die Region auf-ge baut. Zusätzlich arbeitet die SATUCC mit dem neu gegrün deten Forschungsnetzwerk zu Gewerkschaftsfra-gen (African Labour Research Network, ALRN) zu sam-men.

Die Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stif-tung (FES) und SATUCC verbindet mehr als 10 Jahre Zusammenarbeit., Die Kooperation konzentriert sich auf folgende Themen: • Regionales Arbeitssymposium: Jährliches Forum

zu Fragen der regionalen Integration. Das Sym-posium dient dem Austausch von Gewerkschaftern und Wissenschaftlern. Meist nehmen SADC Vertre-ter am Dialog teil.

• SATUCC Frauenkomitee: Die FES unterstützt viel-fältige Aktivitäten des SATUCC Frauenkommites, das Fragen der Organisationsreform in SATUCC und SADC mit einer Genderperspektive verbindet. Als sichtbarer Erfolg des Komitees kann die Wahl der ersten weiblichen – und amtierenden – Präsiden-tin von SATUCC gewertet werden.

• Unterstützung anderer Aktivitäten: Weitere SATUCC Aktivitäten, die von der FES unterstützt wurden: Publikation von Geschichtsbüchern, die Ausrichtung von Workshops und die Erstellung von Leitlinien zum Umgang mit multinationalen Unternehmen im SADC-Raum.

Der südafrikanische Rat zur Koordinierung der Ge-werkschaften (SATUCC) ist der Dachverband aller Gewerkschaftsverbände des gemeinsamen Wirtschaf-raumes im südlichen Afrika SADC (Southern African Development Community). SATUCC wurde 1983 ge-gründet, um die Solidarität zwischen den Gewerk-schaften zu fördern und den regionalen Integrations-prozess aus einer gewerkschaftlichen Sicht zu beein-fl ussen. Seinen Sitz hat SATUCC, wie SADC, in Gabe-rone, Botswana, um die Entscheidungsprozesse des SADC besser zu beeinfl ussen.

Durch die schwache Wirtschaft der meisten SADC-Staaten sind auch die Gewerkschaftsverbände in ihren Ressourcen beschränkt. Südafrika darf als einzige Ausnahme mit einer relativ starken vielfältigen Wirt-schaft gelten. Dort sind auch starke, autonome und professionelle Gewerkschaften entstanden. Allein der südafrikanische Gewerkschaftsdachverband (COSATU) hat mehr Mitglieder als alle anderen Mitgliedsverbän-de von SATUCC zusammen. Durch die Stärke und Vitalität der südafrikanischen Gewerkschaften ist die Basis für eine Erneuerung der übrigen regionalen Gewerkschaften gegeben, damit diese effektive Part-ner der Politik und der Wirtschaft im regionalen In-tegrationsprozess werden.

Arbeitsschwerpunkte von SATUCC Ursprünglich hat sich die Organisation vor allem auf den Freiheitskampf konzentriert, richtet sein Augen-merk jedoch zunehmend auf die Begleitung des Pro-zesses der regionalen Integration im SADC Raum. SATUCC vertritt die Vorstellung einer regionalen Inte-gration, die eine gerechte Entwicklung fördert und fundamentale Menschen-, Gewerkschafts- und soziale Rechte respektiert. In der Verfolgung dieses Zieles er-stritt SATUCC die Aufnahme einer Charta über soziale Grundrechte in die Arbeit des SADC. Daneben interve-niert der regionale Dachverband, wenn in den Einzel-staaten Menschen- und Bürgerrechte bedroht sind.

Die Zusammenarbeit der FES mit SATUCC

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Gewerkschaften in Mittel- und Osteuropa

INFO MOE

chengewerkschaften. War es nach der politischen Wende verständlich, dass es Gewerkschaften und Dachverbände mit unterschiedlichen politischen Richtungen gab, trägt die noch immer vorhan-dene Fragmentierung erheblich zur Schwächung der Gewerkschaften bei. Im Bereich der Arbeits-beziehungen dominieren staatlich „verordnete“ soziale Dialoge das Verhältnis von Arbeitgebern und Gewerkschaften. Formen betrieblicher Mit be-stimmung existieren auf dem Papier, werden aller-dings nur unzureichend in die Praxis umgesetzt.

Die Förderung des sozialen Dialoges ist daher ein Hauptziel der Gewerkschaftsarbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung in Mittel- und Osteuro-pa. Zunehmend fi ndet dieser Dialog auch inter-national – im Rahmen europäischer Betriebs räte – statt. Deutschland gehört zu den größten In-vestoren in den neuen EU-Mitgliedsländern Mittel- und Osteuropas. Daher lassen sich häufi g europaweite Interessenvertretungsstrukturen aufbauen, wobei die guten Kontakte zu den deut-schen Gewerkschaften genutzt werden können. In den deutschen Grenzregionen zu Polen und Tschechien haben sich eine Reihe Interregionaler Gewerkschaftsräte (IGR) etabliert, die die grenz-überschreitende Kooperation von Gewerkschaf-ten koordinieren und deren Arbeit von der FES unterstützt wird.

Die Gewerkschaften in Mittel- und Osteuropa (MOE) haben seit den politischen Wenden der frühen 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts dramatische Veränderungen ihrer Umwelt erlebt. Die Transformation von sozialistischer Planwirt-schaft zu Marktwirtschaft, die für acht Länder MOEs in der Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU) mündete, bedeutete für Gewerkschaf-ten, dass sie ihr Rollenverständnis fundamental verändern mussten. Die zentrale Herausforde-rung lautete, sich zu reformieren: Von system-treuen „Gewerkschaften als verlängerter Arm der Partei“ hin zu modernen Interessenvertre-tungen der Beschäftigten.

Die wirtschaftliche Transformation bedeu-tete zum einen die Aufl ösung von Monostruktu-ren mit staatlichen Großunternehmen. Es ent-standen und entstehen zunehmend Klein- und Mittelbetriebe in Privatbesitz. Zum andern erlebt Mittel- und Osteuropa eine wachsende Bedeutung des Dienstleistungssektors und ein relatives Schrumpfen der traditionellen Industrien.

Die Gewerkschaften in Polen und den balti-schen Staaten, in Tschechien und der Slowakei, in Ungarn und Slowenien haben organisations-politisch und in ihren wirtschaftspolitischen Kon zepten mit diesen Entwicklungen kaum Schritt halten können. Vielfach gibt es eine Dominanz von Betriebsgewerkschaften gegenüber Bran-

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Regionalprojekt der FES organisiert Gründungskonferenz im polnischen Gliwice für das Netzwerk der mittel- und europäischen Arbeitnehmer von GM-Opel-Fabriken

„Die Gründung des Arbeitnehmernetzwerkes hat eine hohe strategische Bedeutung für alle General Motors Arbeitnehmer in Europa. Wir reagieren damit auf die Bestrebungen des Managements, neue Produktions-kapazitäten in den Ländern Ost- und Zentraleuropas aufzubauen und wollen verhindern, dass wir dabei gegeneinander ausgespielt werden”, bringt es der Vorsitzende des Europäischen General Motors Arbeit-nehmerforums, Klaus Franz, auf den Punkt. Denn dieser Einsicht folgend, gründeten die Arbeitnehmer-vertreter der General Motors Standorte aus Westeu-ropa, Russland (Kaliningrad und Togliatti), Ukraine, Polen und Ungarn ein gemeinsames Netzwerk. Auf Initiative des Europäischen General Motors Arbeit-nehmerforums sowie der Friedrich-Ebert-Stiftung nahm in Gliwice/Polen im November 2004 das Netz-werk Gestalt an. Ziel des Netzwerks ist es, den Infor-mations- und Konsultationsprozess der Arbeitneh-mervertreter auf die General Motors Standorte in Mittel- und Osteuropa auszudehnen. Dies entspricht dem Inhalt und Geist der entsprechenden EU-Richt-linien. Bedeutend ist die Unterstützung der Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer in Ost- und Zentra-leuropa durch das Netzwerk auch, um dort zu einer kontinuierlichen Verbesserung von Löhnen und Ar-beitsbedingungen beizutragen.

Ein Netzwerk mit neuen Knotenpunkten

„Diese Konferenz war für mich das wichtigste Ereig-nis des Jahres 2004” sagte Alexandr Schebalin, Vor-sitzender der Betriebsgewerkschaft im Montagewerk „Avtotor” in Kaliningrad. Die Metallgewerkschafter aus Rußland und der Ukraine wirkten erstmals mit. Ihr Einschluss in das Netzwerk war für sie eine völlig neue Erfahrung. Eine weitere Neuheit in der europä-ischen Gewerkschaftslandschaft ist, dass nicht nur hundertprozentige Tochtergesellschaften, sondern auch Fremdmontagewerke vertreten waren. Allerdings reagiert der Europäische Betriebsrat von General Motors damit auf die wachsende Tendenz im Auto-

mobilbau, Sonderserien oder die Versorgung von Märkten östlich der Europäischen Union in die Hän-de von örtlichen Privatproduzenten zu geben. Darauf eine Antwort zu fi nden ist nicht einfach. Gerade die fl exible Arbeit im Netzwerk braucht logistischen Bei-stand. Die Belegschaftsvertreter aller GM-Markenher-steller zusammen zu führen, war deshalb nur durch die Nutzung der Friedrich-Ebert-Stiftung und ihres Büronetzes in Mittel- und Osteuropa möglich.

Dass dabei die Mitglieder des Netzwerkes im Opel-Werk Gliwice von Jacek Zarnowiecki betreut wurden, Mitglied des Vorstands von GM Poland und Vizepräsident des polnischen Verbandes der privaten Arbeitgeber PKPP, steht ebenfalls für eine neue Praxis des Dialogs. Wie die Netzwerkkonferenz selbst, wur-de sie doch vom Regionalkoordinator der FES-Ge-werkschaftsprojekte gemeinsam mit der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc und dem örtlichen GM-Opel-Management vorbereitet. Diese dreiseitige Zu-sammenarbeit von Gewerkschaften, Management und Friedrich-Ebert-Stiftung ist in Zeiten von Standort-konkurrenz und angedrohten Betriebsverlagerungen eine Chance. Damit diese Chance genutzt wird, un-terstützt das mittelosteuropäische Regionalprojekt der FES weiterhin dieses bislang einzigartige Arbeitneh-mernetzwerk: Fortbildungsmaßnahmen und die Mithilfe der Organisation der Jahrestreffen stehen auf der Agenda.

Netzwerk für mittel- und osteuropäische Arbeitnehmer

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INFO WESTLICHE INDUSTRIELÄNDER

„Wir rennen, um still zu stehen“

Gewerkschaften in den westlichen Industrieländern gelten seit Jahren als unattraktiv, Mitgliederzahlen sinken ständig. Nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern kämpfen die Gewerkschaften mit ähnlichen Schwierigkeiten. „Das liegt daran, dass sich in den zurückliegenden Jahren die Arbeitsmarkts-trukturen deutlich verändert haben. Im Gegensatz zu früher fordern die Arbeitnehmer heutzutage andere Schwerpunkte der gewerkschaftlichen Arbeit. Sie wollen zum Beispiel weniger Ideologien und wünschen sich dafür mehr professionelle Hilfestellungen bei berufl ichen Fragen. Darauf müssen sich die Gewerk-schaften einstellen“, fasste TUC-Generalsekretär Bren-dan Barber es zusammen. In seinem Begrüßungsstate-ment zum dritten Deutsch-Britischen Gewerkschafts-forum im April 2004 referierte er den Bericht des britischen Gewerkschaftsdachverbandes „Die perfek-te Gewerkschaft. Was erwarten die Arbeitnehmer von einer Gewerkschaft“. Ein weiteres Fazit: Die Union Learning Representatives (gewerkschaftliche Vertreter in den Betrieben), gewinnen an Bedeutung. Sie küm-mern sich vor allem um die Fort- und Weiterbildung der Beschäftigten und bekommen darüber auch Zugang zu potenziell neuen Mitgliedern.

Analyse und Austausch

Dies sind Erfahrungen, die seit drei Jahren beim jährlichen Treffen der Gewerkschaftsvertreter aus Großbritannien und Deutschland einfl ießen. Abseits vom gewerkschaftlichen, europäischen Tagesgeschäft tauschen sie sich auf dem Deutsch-Britischen Gewerk-schaftsforum über gemeinsame Zukunftsherausfor-derungen aus.

„Die Gewerkschaften haben auf Veränderungen in der Arbeitswelt zu zögerlich reagiert“, meinte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer, der zusammen mit seinem britischen Kollegen das Forum eröffnete. Die Hans-Böckler-Stiftung, die Anglo-German Foun-dation und die Friedrich-Ebert-Stiftung veranstalten jährlich in London bzw. Berlin das Forum. Klar ist auch, wonach nun bei den Gewerkschaften gesucht wird: mehr Frauen, jüngere Arbeitnehmer/innen so-wie Angestellte aus neuen Industrie- und Dienstleis-tungsbranchen!

Folgerichtig standen nach gewerkschaftlichen Problemen mit den sich fl exibilisierenden Arbeits-märkten, der Zukunft des Sozialstaates beim dritten Mal die Initiativen zur Mitgliederwerbung zur Debat-te. Im Sommer 2005 folgt ein Dialog über die neuen EU-Richtlinie zur Information und Konsultation.

Inseln der Stabilität?

Es gibt indes auch Länder, in denen die Gewerkschaf-ten auf einem solideren Fundament stehen – zumindest Mitgliederschwund ist dort kein Thema. In den Nie-derlanden, Schweden, Finnland, Irland, jedoch auch Großbritannien, haben die Arbeitnehmer-Organi-sationen schon längst „das Tal der Tränen“ durch-schritten. Indes – seit 1980 bis Ende der 90er Jahre haben die im TUC zusammengeschlossen britischen Gewerkschaften fast ein Viertel ihrer Mitglieder ver-loren. Der Organisationsgrad fi el von fast 50 Prozent auf heute rund 29 Prozent. Seit ein paar Jahren legen die TUC-Gewerkschaften jedoch langsam wieder zu. Der ehemalige TUC- und heutige EGB-Generalsekre-tär John Monks hatte in einem Grußwort an die Forumsteilnehmer die britischen Kollegen jedoch vor Übermut gewarnt: Der Niedergang sei zwar aufge-halten, „but we are running to stand still“.

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Gewerkschaftspolitischer Dialog in den westlichen Industrieländer

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Die britischen Gewerkschaften profi tieren von einer – im kontinentaleuropäischen Vergleich – nied-rigen Arbeitslosenrate von 5 Prozent. Aber auch neue, von der Labour-Regierung eingeführte Rechte zur Anerkennung von Gewerkschaften in Betrieben sowie eine höhere Quote bei der Teilzeit- und Frauenarbeit trugen zu dieser Entwicklung bei. Letzteres hat vor allem die gewerkschaftliche Organisation von Frauen verstärkt.

Maßnahmen, um nicht zu erlahmen

Mit Interesse schauten die deutschen Gewerkschafts-kollegen deshalb auf praktische Erfahrungen, die der britische Dachverband mit seiner 1998 ins Leben gerufenen Organisationsakademie gemacht hat.

Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur gepaart mit Mitgliederschwund, hohen Personalkosten und Ebbe in den Gewerkschaftskassen hat in Deutschland wie in Großbritannien zu Gewerkschaftszusammen-schlüssen geführt – manchmal mit schwer verdauba-ren Anpassungsproblemen, wie viele Teilnehmer aus beiden Ländern meinten.

Der stellvertretende Generalsekretär von Connect – einer mit 20.000 Mitgliedern kleineren TUC-Gewerk-schaft in der Kommunikationsbranche – berichtete, dass seine Gewerkschaft vor ähnlichen Finanznöten stand, jedoch um ihre Identität in einem Gewerk-schaftsmerger fürchtete. Stattdessen entschloss sich die Gewerkschaft zu einigen unorthodoxen Schritten: Ein Gewerkschaftstag etwa fi ndet jetzt nur noch alle zwei Jahre statt. Radikal wurde das Gewerkschafts-budget zugunsten der Ausgaben für Mitgliederanwer-bung umgeschichtet und macht heute fast ein Viertel des Etats aus.

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Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur gepaart mit Mitgliederschwund, hohen Per sonalkosten und Ebbe in den Gewerk-schaftskassen hat in Deutschland wie in Groß britannien zu Gewerkschaftszu sam-men schlüs s en geführt – manchmal mit schwer verdaubaren Anpassungsproble-men, wie viele Teil nehmer aus beiden Ländern mein ten.

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Gewerkschaften im Mittleren und Nahen Osten

INFO MONA

Unter Druck: Akteure im Veränderungsprozess

Gewerkschaften gehören auch in Ländern der Re-gion des Nahen/Mittleren Ostens und Nordafrikas (MONA) zu den wichtigen innen- und gesellschafts-politischen Faktoren. Sie müssen sich den großen ökonomischen und sozialen Herausforderungen stellen, die im Zuge der Globalisierung und dem Anpassungsdruck durch die Assoziierungsverträge ihrer Länder mit der Europäischen Union erwach-sen. Fortschreitende Liberalisierung und Privatisie-rung des Wirtschafts- und öffentlichen Sektors bei gleichzeitigem Schrumpfen der Industrie sorgen für noch mehr Arbeitslosigkeit. Die soziale Schere klafft bei hohem Bevölkerungswachstum und mangelnder Zukunftsperspektive der vielen Jugendlichen immer weiter auseinander. Dies birgt einerseits reichlich Zündstoff. Andererseits sind es große Herausforde-rungen für Organisationen, die sich in der Vergangen-heit mehr sich selbst, als den Interessen ihrer Mit-glieder gewidmet haben.

Niemand bezweifelt heute ernsthaft den starken Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem und politischem Wandel. In diesem Veränderungsprozess kommt den Gewerkschaften als originärem Bestand-teil der Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle zu. Zwar unterliegen sie vielfach, wie die Mehrheit gesellschaft-licher Gruppen in der Region übrigens auch, der Kon trolle der Regierungen. Das heißt aber nicht, dass es keine Spielräume für politische und an sozia len Gesichtspunkten orientierte Gestaltung gäbe. Der Stärkung gesellschaftspolitischer und moralischer Kompetenz der Gewerkschaften zur Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder dient auch unsere För-derung der innergewerkschaftlichen Demokratie: Organisationsstrukturen, Hierarchien, Kommunika-tions- und Verwaltungsabläufe stehen auf dem Prüf-stand, sie werden im Binnenverhältnis breit disku-tiert und, wo notwendig, im Konsens verändert.

Internationale Wirkungszusammenhänge, lokale Kompetenz

Ursache- und Wirkungszusammenhänge werden zusehends internationalisiert, dem allein national ausgerichteten Verständnis und Gestaltungsrah men enthoben. Dies wiederum erfordert neue und erwei-terte wirtschafts- und sozialpolitische Kompetenz der Gewerkschaften zur wirkungsvollen Vertretung der Interessen ihrer MitgliederInnen. Konkret wird dies bei der Beteiligung an den Beratungen zum neuen Arbeitsgesetz in Marokko, wie auch für die fort lau-fende Gestaltung des Privatisierungsprozesses in Jordanien und Tunesien sichtbar. Ebenso von Be-deutung ist es, dass die aus Arbeitnehmersicht re-levanten, maßgeblichen und möglichst stichhal ti gen Argumente für den sozialen Dialog mit den Ar beit-gebern erarbeitet und in die Diskussion gebracht werden. Die FES unterstützt hierzu das ver stärkte Engagement der internationalen Gewerkschafts-organisationen in der Region und treibt die regio-nale wie internationale Netzwerkbildung voran.

Die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften in der Region MONA trägt schließlich zum Erfah-rungsaustausch und einer stärkeren Kooperation der Gewerkschaften untereinander bei. Die Stiftung unterstützt Bemühungen, durch Dialogplattformen einen verstärkten regionalen Informations- und Erfahrungsaustausch, etwa zu Fragen der Privatisie-rung oder Globalisierung, in Gang zu setzen. Allein schon die Anfänge einer Maghreb-Kooperation sind reichlich schwierig. Besser etabliert, aber einseitig ausgerichtet, sind bilaterale Beziehungen der Ge-werkschaften zu einzelnen europäischen Ländern. Diese durch intensive Arbeitsbeziehungen zur Euro-päischen Union zu ergänzen, ist angesichts der zu-nehmenden Bedeutung europäischer Mittelmeer-politik, ein weiterer Aspekt der gewerkschaftsorien-tierten Stiftungsaktivitäten in der Region.

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Gewerkschaftsarbeit an der Schnittstelle Europas zur arabischen Welt

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Die Situation bei der Internationale Transportföde-ration (ITF) war geradezu typisch: Gewerkschaften im Nahen/Mittleren Osten und Nordafrika existierten in einer Art Niemandsland außerhalb jeglicher ITF-Regionalstrukturen und -aktivitäten. Kein Forum, in dem sich Gewerkschaften der arabischen Welt hätten treffen können, kein Regionalvertreter oder zumindest jemand mit Arabischkenntnissen, geschweige denn arabischsprachige ITF-Materialien. Die Mitglieder zah-len in der Region waren erwartungsgemäß niedrig, die Beteiligung an unseren Maßnahmen verhalten. Wir ver fü gten schlichtweg kaum über Zugänge zum Verständnis dieser unbestreitbar strategisch wichti-gen Region.

Vom Niemandsland zur Kooperation –Die Internationale Transportarbeitergewerkschaft bewegt sich auf die Region Mittlerer und Naher Osten zu

Stuart Howard, Stellvertretender Generalsekretär, ITF

Die Wüste lebt

Dies sollte und musste – von Anfang an mit Unterstüt-zung der FES – schleunigst anders werden. Im Mai 2002 organisierten wir in Amman gemeinsam ein erstes Treffen aller ITF-Sektorgewerkschaften aus arabischen Staaten. In allen Ländern fi nden Prozesse wirtschaftlicher Liberalisierung und industrieller Restrukturierung statt, in deren Konsequenz auch Häfen, Eisenbahnen und Fluglinien zur Privatisierung anstehen. Für viele Gewerkschaften der Region be-deutete dies Neuland: neue Situationen mit neuartigen Konfl ikten, die neue Handlungsmuster erforderten. In einem nächsten Schritt organisierten ITF und FES

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daher sektorale Treffen in Algier, Tunis und Casablan-ca, um ganz spezifi sch auf die Bedürfnisse betroffener Gewerkschaften reagieren zu können. Dies führte zu intensivem Austausch und endlich auch Beteiligung der arabischen Gewerkschaften an ITF-Maßnahmen zum Thema Globalisierung. So wuchs tieferes Verständ-nis für das aktuelle Kräftespiel in unterschiedlichen Industriezweigen und möglichen gewerkschaftlichen Strategien. Nicht von ungefähr erreichten uns schon bald erste Anträge aus Algerien auf Mitgliedschaft in der ITF-Familie.

Im Oktober 2004 fand die erste ITF-Konferenz für Transportgewerkschaften der arabischen Welt statt, an der selbst Gewerkschaften aus Palästina und dem Irak teilnahmen. Gleichzeitig nahm der erste ITF-Beauftragte für die Region, Bilal Mal kawi, seine Arbeit im neuen Büro in Amman auf.

Fördernde und fordernde Partnerschaft

Die Unterstützung der FES beschränkt sich nicht allein auf fi nanzielle Zuwendungen: Das Vorhandensein von FES-MitarbeiterInnen in vielen Ländern der Region bedeutet einen ungeheuren Schatz an Erfahrungen und Kontakten und damit ein gewaltiges Potential an Beratungs- und Vernetzungskapazität. Bei unseren jährlichen Treffen mit Vertretern sämtlicher GUFs und den FES-Vertretern in der Region evaluieren wir die Aktivitäten und planen das weitere strategische Vor-gehen. Unsere programmatische Arbeit als interna-tionale Gewerkschaftsorganisation hat in der Region Mittlerer und Naher Osten (MONA) erst begonnen. Bereits jetzt lässt sich feststellen, dass eine wichtige Region der Welt, die im Brennpunkt global-politischer Spannung liegt und in der die Entwicklung der Zivil-gesellschaft von maßgeblicher Bedeutung sein wird, dank der Initiativen und des Engagements der FES ihren angestammten Stellenwert in unserer Organi-sations- und Aktivitätsstruktur gefunden hat.

Wir sind damit sehr viel zuversichtlicher, was unsere positive Rolle bei der Entwicklung in der Re-gion anbetrifft. Dies wäre ohne das beharrliche En-gagement der FES nicht denkbar gewesen, wofür ihr unser uneingeschränkter Dank gebührt.

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Adressen der Global Union Federations

EI Education International 5 boulevard du Roi Albert II 1210 Brüssel, Belgien Tel: +32 (0)2 22 40 611 Fax: +32 (0)2 22 40 606 E-Mail: [email protected]

ICEM Internationale Federation of Chemical, Energy, Mining and General Workers’ Union Avenue Emile de Béco, 109 1050 Brüssel, Belgien Tel.: +32.2.6262020 Fax +32.2.6484316 E-mail: [email protected]

ICFTU International Confederation of Free Trade Unions 5 Boulevard du Roi Albert II, Bte 1 1210 Brüssel, Belgien Tel.: +32 (0)2 224 0211 Fax: +32 (0)2 201 5815 E-mail: [email protected]

IFBWW Internationale Federation of Building and Wood Workers 54, rte des Acacias 1227 Carouge (GE) Schweiz Tel.: +41 22 827 37 77 Fax: +41 22 827 37 70

IFJ International Federation of Journalists IPC-Residence Palace, Bloc C Rue de la Loi 155 1040 Brussels Belgium Tel.: +32-2-235 22 00 Fax: +32-2-235 22 19 E-Mail: [email protected]

IMF International Metalworkers Federation 54bis, route des Acacias Case Postale 1516 1227 Geneva Switzerland Tel. + 41 22 308 5050 Fax: + 41 22 308 5055 E-mail: [email protected]

ITGLWF International Textile, Garment and Leather

Workers’ Federation 8 rue Joseph Stevens 1000 Brüssel, Belgien Tel: +32/2/512.2606 or 512.2833 Fax: 511.0904 E-mail: offi [email protected]

ITF International Transport Federation 49-60 Borough Road London SE1 1DR Großbritannien Tel.: +4420 7403 2733 Fax: +4420 7357 7871 Email: [email protected]

IUF International Union of Food, Agricultural,

Hotel, Restaurant, Catering, Tobacco and Allied Workers‘ Associations Rampe du Pont-Rouge 8 1213 Petit-Lancy Schweiz Tel.: + 41 22 793 22 33 Fax: + 41 22 793 22 38 E-mail: [email protected]

PSI Public Service International 45 Avenue Voltaire – Centre d’Aumard BP 9 01211 Ferney-Voltaire Cedex Frankreich Tel: +33 4 50 40 64 64 Fax: +33 4 50 40 73 20 E-mail: [email protected]

UNI Union Network International Avenue Reverdil 8-10 1260 Nyon Schweiz Tel: + 41 22 365 2100 Fax: + 41 22 365 2121 E-Mail: [email protected]

TUAC Trade Union Advisory Committee to the OECD 26, avenue de la Grande-Armée 75017 Paris Frankreich Tel : + 33 0155373737 Fax : + 33 0147549828

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G L O B A L E G E W E R K S C H A F T S P O L I T I K42

Erwin Schweisshelm,

Koordinator des Projekts

„Globale Gewerkschaftspolitik“

Ab Frühjahr 2006

übernimmt Heinz Bongartz

als Nachfolger von Erwin

Schweisshelm das Projekt.

Jedes der etwa 100 Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung

führt nationale Gewerkschaftsprogramme durch und

beteiligt sich bei der Umsetzung von regionalen und

globalen Aktivitäten, die durch ein Gewerkschaftsteam

in der FES-Zentrale gemeinsam mit den Partnern ent-

wickelt werden.

Mehr Informationen

Erwin Schweisshelm

Koordinator

Globale Gewerkschaftspolitik

Friedrich-Ebert-Stiftung

Godesberger Allee 149

53175 Bonn

Tel. +49 (0) 228 883-518

Fax +49 (0) 228 883-575

[email protected]

www.fes.de/gewerkschaften

Weltweites Netz von FES-Büros

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F R I E D R I C H - E B E R T - S T I F T U N G 43

• Globalisierung und Soziale Gerechtigkeit – Die Förderung von Gewerkschaften in der internationalen Zusammenarbeit. Faltblatt erhältlich in deutscher, englischer, franzö-sischer, spanischer, arabischer und russischer Sprache.

• Arbeitskreis Sozialstandards: Globalisierung sozial gestalten: Die Umsetzung der Kern-arbeitsnormen in ausgewählten Projekten der deutschen Entwicklungszusammen ar beit. Eschborn 2004. Diese Publikation ist zusätzlich in englischer Sprache erhältlich.

• Bendt, Heinz: Worldwide Solidarity – The Activities of the Global Unions in the Era of Globalisation. Bonn 2006. Diese Publikation ist ab dem Jahr 2006 auch in deutscher und französischer Sprache erhältlich.

• Ferenschild, Sabine; Wick, Ingeborg: Global Game for Cuffs and Collars. The phase-out of the WTO Agreement on The phase-out of the WTO Agreement on Textiles and Clothing aggravates social divisions. Siegburg 2004.

• Hamm, Brigitte: Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Ihr Einsatz durch zivilgesellschaftliche Organisationen in Deutschland. Bonn 2005.

• Küsters, Horst: Social Partnership: basic aspects of labour relations in Germany. Bonn 2006 (Neuaufl age).

• Paech, Norman: Die sozialen, ökonomischen und kulturellen Menschenrechte im Rechts-system der internationalen Wirtschafts- und Handelsordnung. Bonn 2003. Diese Publi-kation ist in englischer Sprache erhältlich.

• Rüb, Stefan: Die Entwicklung des globalen Gewerkschaftsnetzwerks im Nestlé-Konzern Gewerkschaftliche Gegenmacht in transnationalen Konzernen? Bonn 2004. Diese Publikation ist zusätzlich in englischer und spanischer Sprache erhältlich.

• Sengenberger, Werner: Globalization and Social Progress: The Role and Impact of In-ternational Labour Standards. Bonn 2005 (Neuaufl age). Die Zusammenfassung dieser Publikation ist in deutscher, französischer und arabischer Sprache erhältlich.

• Wick, Ingeborg: Workers, Tool or PR Ploy? A Guide to Codes of International Labour Practice. Bonn 2005 (Neuaufl age).

• Video: Globalisierung – Eine Herausforderung für die Gewerkschaftsbewegung (Video zusätzlich erhältlich in englischer und spanischer Sprache).

• Im Frühjahr 2006 erscheint eine DVD über die internationale Gewerkschaftsarbeit.

Die Publikationen und Materialien sind zu beziehen überLisette Klöppel [email protected] Friedrich-Ebert-Stiftung Referat Asien und Pazifi k Godesberger Allee 149 D- 53175 Bonn Tel.: +49 (0) 228 883-517 Fax: +49 (0) 228 883-575www.fes.de/gewerkschaften

Publikationen

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ISBN 3-89892-412-2

www.fes.de/gewerkschaften

Die Friedrich-Ebert-Stiftung als 1925 gegründete älteste politische Stiftung in Deutschland ist eine private und gemeinnützige Institution, die den Ideen der sozialen Demo kratie verpfl ichtet ist. Sie trägt den Namen des ers-ten demokratisch gewählten deutschen Staatspräsiden-ten, Friedrich Ebert, und führt sein Vermächtnis der politi-schen Gestaltung von Freiheit, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit fort. Diesem Auftrag entspricht die Stif-tung im In-und Ausland mit ihren Programmen zur politi-schen Bildung, internationalen Zusammenarbeit sowie zu Studien förderung und Forschung.