Gnomonik Deutsch

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G N O M O N I K Inhaltsverzeichnis 1. Vorwort 2. Grundlagen 2.1 Was ist eine Sonnenuhr ? 2.2 Zeitmessung mit einer Sonnenuhr 2.3 Die gnomonische Projektion 3. Zeitmasse 3.1 Antike- oder Temporalstunden 3.2 Wahre Sonnenzeit 3.3 Mittlere Sonnenzeit 4. Besondere Sonnenuhren und Sonnenuhr - Funktionen 4.1 Tages- und Nachtlängen 4.2 Sonnen- Auf- und Untergänge 4.3 Mittags- bzw. Mitternachtsanzeige für andere Orte 4.4 Monduhren 4.5 Analemmatische Sonnenuhren 1. VORWORT Dieser Artikel soll aufzeigen, wie eine Sonnenuhr im Prinzip funktioniert und welche Informationen sie dem Betrachter geben kann. Wenn Sie selbst eine Sonnenuhr bauen wollen, verweise ich Sie auf "Bücher/Links" in dieser Homepage. 2. GRUNDLAGEN 2.1 Was ist eine Sonnenuhr ? Der Begriff „Sonnenuhr“ wird in Lexiken in der Regel unvollständig definiert. In einem bekannten Lexikon liest man unter Sonnenuhr : "Ein Zeitmesser, der aus der Lage des Schattens eines von der Sonne beschienenen Stabes die wahre Ortszeit erkennen lässt. Der Stab muss parallel zur Erdachse liegen. Der Neigungswinkel gegen die Ebene des Horizonts ist demnach gleich der geographischen Breite des Aufstellungsortes." Darauf folgt eine Beschreibung einer Äquatorial-, einer Horizontal- und einer Vertikaluhr. Es gibt jedoch eine Unzahl von „Sonderformen“, welche die obige Definition nicht oder nur ungenau erfasst. In einem Sonnenuhren – Handbuch der DGC findet man sinngemäß folgende Definition : Diese Definition entspricht den tatsächlichen Verhältnissen besser. 2.2 Zeitmessung mittels einer Sonnenuhr Zur Zeitmessung kann jeder periodische Vorgang verwendet werden, zum Beispiel das Schwingen eines Pendels oder eines Quarzkristalles. Die Sonnenuhr nutzt als einziger „absoluter“ Zeitmesser die Bewegungen der Erde. In Abb. 1 ist eine Parallele zur Erdachse Gnomonik_d http://www.regiomontanus.at/gnomond.htm 1 von 11 18.08.2013 00:57

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G N O M O N I K

Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort2. Grundlagen 2.1 Was ist eine Sonnenuhr ? 2.2 Zeitmessung mit einer Sonnenuhr 2.3 Die gnomonische Projektion3. Zeitmasse 3.1 Antike- oder Temporalstunden 3.2 Wahre Sonnenzeit 3.3 Mittlere Sonnenzeit4. Besondere Sonnenuhren und Sonnenuhr - Funktionen 4.1 Tages- und Nachtlängen 4.2 Sonnen- Auf- und Untergänge 4.3 Mittags- bzw. Mitternachtsanzeige für andere Orte 4.4 Monduhren 4.5 Analemmatische Sonnenuhren

1. VORWORT

Dieser Artikel soll aufzeigen, wie eine Sonnenuhr im Prinzip funktioniert und welche Informationen sie demBetrachter geben kann. Wenn Sie selbst eine Sonnenuhr bauen wollen, verweise ich Sie auf "Bücher/Links" indieser Homepage.

2. GRUNDLAGEN

2.1 Was ist eine Sonnenuhr ?

Der Begriff „Sonnenuhr“ wird in Lexiken in der Regel unvollständig definiert. In einem bekannten Lexikon liestman unter Sonnenuhr :

"Ein Zeitmesser, der aus der Lage des Schattens eines von der Sonne beschienenen Stabes die wahre Ortszeiterkennen lässt. Der Stab muss parallel zur Erdachse liegen. Der Neigungswinkel gegen die Ebene desHorizonts ist demnach gleich der geographischen Breite des Aufstellungsortes."

Darauf folgt eine Beschreibung einer Äquatorial-, einer Horizontal- und einer Vertikaluhr. Es gibt jedoch eineUnzahl von „Sonderformen“, welche die obige Definition nicht oder nur ungenau erfasst.

In einem Sonnenuhren – Handbuch der DGC findet man sinngemäß folgende Definition :

Diese Definition entspricht den tatsächlichen Verhältnissen besser.

2.2 Zeitmessung mittels einer Sonnenuhr

Zur Zeitmessung kann jeder periodische Vorgangverwendet werden, zum Beispiel das Schwingen einesPendels oder eines Quarzkristalles. Die Sonnenuhr nutztals einziger „absoluter“ Zeitmesser die Bewegungen derErde. In Abb. 1 ist eine Parallele zur Erdachse

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dargestellt. Sie schließt mit der Horizontalebene denWinkel j (geographische Breite des Standortes) ein undzeigt zum Himmelsnordpol.

Im geozentrischen Weltsystem beschreibt die Sonne ineinem Sonnentag eine vollständige Kreisbahn um dieErde, also auch um eine Erdachsparallele.

Ein Teil der täglichen Sonnenbahn ist durch die„Momentaufnahme“ der Sonne zu vollen Stunden(WOZ) erkennbar. Die Ebenen durch dieseSonnenpositionen und die erdachsparallele Geradeergeben das Stundenebenenbündel. Infolge der ständigenÄnderung der Deklination der Sonne, also desEinfallswinkels der Sonne gegenüber der Äquatorebene,ist die Lage der Stundenebenen nur dann konstant, wenndie Schnittgerade des Ebenenbündels parallel zurErdachse liegt.Wird dieses Ebenenbündel durch eine Fläche

geschnitten, ergeben die Schnittlinien die Stundenlinien für das Zifferblatt und die erdachsparallele Gerade denSchattenstab.Das Lineament eines Zifferblattes einer Sonnenuhr ist somit abhängig von der geographischen Breite desStandortes und der räumlichen Lage des Zifferblattes.Theoretisch kann jede Fläche als Zifferblatt benützt werden, praktisch sind aber nur jene Flächen sinnvoll, auf dieim Laufe des Tages (bzw. im Laufe des Jahres) ein Schatten des Stabes fällt.Die meisten Sonnenuhren wurden auf ebenen Flächen konstruiert. Diese ebenen Flächen haben darüber hinausfast immer eine besondere Lage. Die Lage der ebenen Zifferblätter werden in Bezug auf den Horizont und dieOrtsmeridianebene angegeben. Da sich die weitaus größte Zahl der Sonnenuhren auf senkrechten Hauswändenbefindet, ist dieser Sonnenuhrentyp am häufigsten vertreten. (Österreich 98%, Deutschland ca. 80%).Mit der Bezeichnung „ebenes vertikales Zifferblatt“ ist die Lage des Zifferblattes im Raum noch nicht eindeutigfestgelegt. Zur exakten Lagebestimmung des Zifferblattes ist der Winkel, den die Normale auf dieZifferblattebene mit der Südrichtung einschließt, notwendig. In der Regel wird dieser Winkel mit d (Deklination)bezeichnet und von der Südrichtung gegen Westen positiv und gegen Osten negativ gezählt. InSonnenuhrenverzeichnissen wird die Deklination des Zifferblattes (Wandabweichung) meist nicht im Winkelmaß,sondern nach den Angaben der Windrose angegeben, je nachdem in welche Richtung die Zifferblattnormale zeigt.

2.3 Die gnomonische Projektion

Wie schon angedeutet wurde, kann dieSonnenuhr eine Vielzahl von Informationenliefern, die meisten davon jedoch nur miteinem punktförmigen Schattengeber.

In Abb. 2 ist ein ebenes, horizontalesZifferblatt dargestellt. Z ist der Fußpunktdes erdachsparallelen Schattenstabes Z-G.Wir wollen in der Folge G alspunktförmigen Schattengeber verwenden. Gist der Mittelpunkt des dargestelltensichtbaren Teiles der Himmelskugel. Imgeozentrischen Weltsystem bewegen sichalle Himmelskörper auf dieser gedachtenKugel. Die Sonne wird imOrtsäquatorsystem der ruhendenHimmelskugel, welches für die weiterenBetrachtungen verwendet wird, mit densphärischen Polarkoordinaten d =

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Deklination der Sonne (- e < d < e) und t =

Stundenwinkel (-180O < t <= 180O)

festgelegt. Dabei bedeutet e (ca. 23.44O) dieNeigung des Himmelsäquators zur Ekliptik.Die Deklination d wird vom Äquator ausnach Norden positiv gezählt. DerStundenwinkel t wird von jenemHimmelsmeridian aus gezählt, der durch denStandort der Sonnenuhr geht, und zwar vonSüden aus nach Westen positiv und nachOsten negativ. Der Stundenwinkel liefert diewahre Sonnenzeit (WOZ).

Das Zifferblatt der Sonnenuhr entstehtdurch Zentralprojektion der Himmelskugel durch den schattenwerfenden Punkt G. Sie wird gnomonischeProjektion genannt. Die täglichen Bahnen der Sonne (Annahme : d = konstant) sind Parallelkreise zumHimmelsäquator und entsprechen auf dem Zifferblatt Kegelschnitten. Ist (90° - j) > e, dann sind dieseKegelschnitte Hyperbeln. Das trifft für ganz Mitteleuropa zu. Diese Kegelschnitt - Kurven bezeichnet man alsDatums- oder Deklinationslinien. In Abb. 2 sind die Deklinationslinien für die Sonnenwenden und für die Tag-und Nachtgleichen dargestellt. An zwei Tagen des Jahres, nämlich zu den Tag- und Nachtgleichen läuft die Sonneim Himmelsäquator, also auf einem Großkreis. Großkreise werden als Gerade abgebildet, die Projektion desHimmelsäquator ist demnach eine Gerade.

Man könnte auf einem Zifferblatt dieDatumslinien für jeden Tag des Jahresdarstellen. Ein Zifferblatt dieser Art wäreunübersichtlich. Daher beschränkt man sichin der Praxis auf die Darstellung wenigersignifikanter Datumslinien. In den meistenFällen enthalten Zifferblätter dieDatumslinien der Tierkreise. Die Tierkreiseteilen die Ekliptik in zwölf gleiche Teile zu je30°, angefangen im Frühlingspunkt. DieNamen, Symbole und Zeitspannen sindallgemein bekannt. Die Datumslinien der Tagedes Beginns der 12 Tierkreiszeichen lassensich mit 7 Datumslinien darstellen. Deshalb istdiese Datumslinien - Darstellung sehr beliebt.Abb. 3 zeigt eine Sonnenuhr mit denDatumslinien des Tierkreises.Die Meridiane der Himmelskugel ( t =konstant) werden als Gerade abgebildet und schneiden sich in Z, dem Fußpunkt des Schattenstabes. Sie sindZeitlinien der wahren Orts- oder Sonnenzeit (WOZ).

3. ZEITMASSE

Die primäre Aufgabe, die eine Sonnenuhr zu erfüllen hat, ist die Anzeige der Zeit. Die Einteilung der Tageszeithat sich im Laufe der Geschichte mehrmals geändert.

3.1 Antike- oder Temporalstunden

In der Antike wurden der Tagbogen derSonne, d. h. die Zeit von Sonnenauf- bis

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Sonnenuntergang, sowie der Nachtbogenin jeweils zwölf gleich lange Teile geteilt.Im Sommer sind also die Tagstundenlänger, im Winter kürzer. Daher werdensie auch als Temporalstundenbezeichnet. Dieses Stundenmaß wurdebis zum Ende des Mittelalters benützt.Zwischen dem 8. und 15. Jahrh.entstanden in Europa in Klöstern an nachSüden gerichteten Wänden Sonnenuhrenzum Zwecke der Bestimmung derGebetszeiten. Man nennt sie heutekanoniale Sonnenuhren oderGebetsuhren. Die Zeitlinien wurden inunterschiedlicher Anzahl meist primitiv inStein gemeißelt.Die kanonialen Sonnenuhren sind keine Zeitmesser im heutigen Sinn, sondern hatten lediglich die Aufgabe, denlichten Tag in bestimmte Zeitabschnitte zu teilen.Als Schattengeber diente ein rechtwinkelig auf das Zifferblatt gestellter Stab, den man als Gnomon (griech. =Weiser) bezeichnet.

3.2 Wahre Sonnenzeit

3.2.1 Allgemeines

Etwa im 14. Jahrh. kam es zu einem Wechsel der Stundenzählung. Die ungleichen antiken Stunden wurden durchgleichlange Stunden verdrängt. Man teilte nun die Zeit beginnend mit dem unteren Meridiandurchgang, also umMitternacht, bis zum nächsten unteren Meridiandurchgang in 24 gleichlange Stunden. Sie werden heutzutage alsÄquinoktialstunden bezeichnet, und den gesamten Zeitraum der 24 Stunden bezeichnen wir als wahrenSonnentag. Das auf der Grundlage des wahren Sonnentages aufbauende Zeitmaß: nennt man wahre Sonnenzeitbzw. da es sich immer auf einen Ort bezieht, wahre Ortszeit (WOZ). Sonnenuhren, welche die WOZ anzeigen,besitzen einen erdachsparallelen Schattengeber. Die 12-Uhr-Zeitlinie ist gleichzeitig die Schnittlinie desZifferblattes mit der Meridianebene (Abb.3).Neben der Einteilung des Tages in 24 gleichlange Stunden, von Mitternacht bis Mitternacht, wurden auch andereStundenteilungen des Sonnentages verwendet.

3.2.2 Italienische Stunden (auch als italische, böhmische oder welsche Stunden bezeichnet)

In manchen Gebieten Europas, insbesonders inNorditalien aber auch im Tessin/Schweiz,wurde nach Einführung derÄquinoktialstunden der Beginn der 24 Stunden- Zählung auf den Sonnenuntergang gelegt(horae ab occasu solis).Die 1. Stunde beginnt somit beiSonnenuntergang. Der Stundenwinkel ist beidiesem Zeitmodus von der Deklination derSonne, also vom Datum abhängig. Deshalbbenötigt man zur Zeitablesung einenPunktschattenwerfer.Bei Sonnenuhren mit italienischen Stundenkann die Zeitspanne bis Sonnenuntergangdurch die Differenz zwischen 24 Uhr und derabgelesenen Zeit sehr einfach ermittelt werden(Abb. 5).

3.2.3 Babylonische Stunden (auch als griechische Stunden bezeichnet)

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Bei diesem Stundenmaß beginnt die Zählung der 24 gleich langen Stunden bei Sonnenaufgang (horae ab ortusolis). Der Stundenwinkel ist wie bei den italienischen Stunden vom Datum abhängig. Daher können dieseStunden ebenfalls nur mit einem Punktschattenwerfer angezeigt werden.Der praktische Aspekt dieser Zeitmessung liegt darin, dass man die Zeitspanne Sonnenaufgang direkt ablesenkann. In vielen Fällen werden auf Sonnenuhren sowohl die babylonischen als auch die italienischen Stundendargestellt (Abb. 5).

3.2.4 Planetenstunden (horae planetarum)

Auf einer Sonnenuhr in der ehem. Kartause Gaming(siehe Bild nebenan) findet sich der Hinweis „horaeplanetaru[m]“. Nach Drecker, „Die Theorie derSonnenuhren“ werden die Planetenstundenentsprechend den seit Sonnenaufgangvergegangenen Zwölfteln der Ekliptik gezählt. Siedienten astrologischen Zwecken.

In den meisten Fällen werden jedoch die antikenStunden irrtümlich als Planetenstunden bezeichnet.Das trifft auch für die Sonnenuhr in der KartauseGaming zu.

3.3 Mittlere Sonnenzeit

3.3.1 Allgemeines

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Die wahre Sonnenzeit ist kein gleichförmig ablaufendes Zeitmaß. Wahre Sonnentage (Zeitspanne von einemSonnenhöchststand zum andern) sind im Laufe des Jahres verschieden lang. Der erste Grund ist der, dass dieEkliptik gegen den Himmelsäquator geneigt ist und damit eine Verzerrung der Tageslängen bewirkt. Der zweiteGrund liegt in der ellipsenförmigen Bahn der Erde um die Sonne. Daraus ergeben sich im Laufe des Jahres nachdem 2. Kepler’schen Gesetz ungleiche Winkelgeschwindigkeiten der Erde (Abb.7).Um zu einer gleichförmigen Zeitmessung zu gelangen, kam es zu Beginn des 19. Jh. zur Einführung der mittlerenZeit. Eine fiktive Sonne, welche diese mittlere Sonnenzeit liefert, durchläuft den Himmelsäquator in einerKreisbahn genau in einem tropischen Jahr. Die Stundenwinkel dieser fiktiven Sonne ergibt die mittlere Ortszeit(MOZ). Das wichtigste dabei ist, dass Räderuhren dieses Zeitmaß zeigen.

Die Differenz zwischen wahrer und mittlerer Ortszeit nennt man Zeitgleichung (ZGl):

ZG = wahre Ortszeit - mittlere Ortszeit

In Abb. 8 wirddie Zeitgleichungin Diagrammformdargestellt. Siesetzt sich auszweiKomponentenzusammen. Die 1.Komponente, dieNeigung derEkliptik, ist

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strichliertdargestellt; die 2.Komponente, dieelliptische Bahnder Erde um dieSonne ist

punktiert. Man erkennt, dass die Zeitgleichung vom Datum abhängig ist.Wenn man will, dass eine Sonnenuhr die MOZ anzeigt, muss man die geraden Stundenlinien durchAchterschleifen (Lemniskaten) ersetzen.Im 19. Jh. wurden solche Sonnenuhren gebaut. Leider ist in Österreich keine Sonnenuhr dieser Art erhaltengeblieben, daher zeige ich ihnen in Abb. 9 eine Sonnenuhr in Aix en Provence, Frankreich, bei der im oberenZiff.Bl. die wahre Ortszeit und im später darunter gebauten Ziff.Bl. die mittlere Zeit für 12 Uhr mit Hilfe derAchterschleife abgelesen werden kann. Erforderlich ist ein Punktschattenwerfer. Außerdem muss man wissen, anwelchem Teil der Achterschleife man dem Datum entsprechend ablesen muss. Deshalb sind auch die Monateangegeben.

3.3.2 Zonenzeiten

Im 19. Jh. verwendete man zwar schon eine mittlere Zeit (siehe 3.3.1)so wie sie von den Räderuhren geliefert wird, es gab aber noch dasProblem mit den Ortszeiten. Orte mit unterschiedlicher geographischerLänge hatten unterschiedliche Zeitmaße. Das war mit dem Aufkommender Eisenbahn nur schwer tragbar.Es war notwendig, eine einheitliche Zeit innerhalb eines Landesfestzulegen. Das erreichte man, indem man die mittlere Ortszeit einerStadt als Einheitszeit für ein ganzes Land oder Teile eines Landesfestlegte. In Frankreich war es Paris, in Italien Rom und in der SchweizBern.In der österr. - ungarischen Monarchie rechneten die Eisenbahnen ab1869 nach Lindauer, Münchner, Linzer, Prager und Lemberger Zeit. InUngarn kam die Budapester Ortszeit zur Anwendung.Am 1. Oktober 1891 wurde auf den österreichischen Staatsbahnen alsNormalzeit die so genannte Stunden-Zonenzeit festgelegt, welche sichauf die Ortszeit des 15. Längengrades von Greenwich bezog.Damit wurde in Österreich die drei Jahre später weltweit eingeführteZonenzeit vorweggenommen.

Zonenzeiten sind die mittleren Ortszeiten jener Längengrade vonGreenwich aus gemessen, die durch 15 teilbar sind. Für große TeileEuropas gilt seither die mitteleuropäische Zeit (MEZ), die mit dermittleren Zeit für Orte am 15. Längengrad (zum Beispiel Gmünd inNiederösterreich oder Görlitz, Deutschland) übereinstimmt.Wirtschaftliche Gründe haben dazu geführt, in Europa etwa zwischenFrühlings- und Herbstbeginn die mitteleuropäische Sommerzeit(MESZ) als Gebrauchszeit zu verwenden. Sie ist die mittlere Ortszeitfür Orte am 30. Längengrad östlich von Greenwich und damit identischmit der osteuropäischen Zeit (MESZ = MEZ + 1 Stunde).

3.3.3 Sonnenuhren für WOZ bezogen auf einenZeitzonenmeridian

Manche Sonnenuhren zeigen die WOZ für Orte am 15. Längengrad, obwohl ihr Standort nicht am 15.Längengrad liegt. Bei diesen Sonnenuhren ist eine Umrechnung auf die MEZ leicht möglich, da man nur eineKorrektur entsprechend der Zeitgleichung vornehmen muss.Der Vorteil dieser Sonnenuhren ist, dass sie gerade Stundenlinien besitzen. Erkennbar sind sie dadurch, dass die12-Uhr-Linie je nach der Größe der Differenz des Ortslängengrades zum Zonenmeridian von der vertikalen Lageabweicht.Im Katalog wird dieses Zeitmaß mit WOZ15 bzw., wenn es sich auf die Sommerzeit (MESZ) bezieht, mit WOZ30

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bezeichnet.

4. Besondere Sonnenuhren und Sonnenuhr-Funktionen

Neben den herkömmlichen Sonnenuhr - Typen gibt es viele Sonderformen, die hier aber aus Platzmangel nichtbeschrieben werden können. Weiters enthalten manche Sonnenuhren neben der Zeit- und der Datumsangabekalendarische, astronomische, geographische und sogar astrologische Informationen. Nachfolgend werden diehäufigsten Sonderfunktionen und besonderen Sonnenuhr - Typen beschrieben.

4.1 Tages- und Nachtlängen

An bestimmten Tagen ist die Länge des lichtenTages, gemessen in Stunden, ganzzahlig. Es gibtSonnenuhren, welche die Deklinationslinien dieserTage zeigen. Die Tageslänge war für die Menschenfrüherer Zeit sehr wichtig. Auch die Schnittpunktedieser Tageskurven mit den Stundengeraden (meistmit der 12-Uhr-Geraden) geben deshalb manchmalin einer Art Skala die Länge des lichten Tages an.Eine dritte Variante besteht darin, dass am Rand desZifferblattes die Tages- (und Nacht-) Längenangegeben sind.Im Beispiel von Abb. 10 ist die Sonnenuhr amPfarrhof in Inzing, Tirol zu sehen. Es werden hierdie Datumslinien für ganzzahlige Tageslängen von 8bis 16 Stunden dargestellt.

4.2 Sonnen- Auf- und Untergänge

Ähnlich wie bei den Tageslängen können die Deklinationslinien derjenigen Tage dargestellt werden, an denen derSonnenauf- bzw. untergang zu einer vollen Stunde stattfindet. Die Datumslinien sind meist nicht in voller Längegezeichnet, sondern nur in Form eines Skalenbandes an den Zifferblatträndern.

Bei manchen Sonnenuhren werden die Sonnenauf- und untergänge und die Tageslängen angezeigt. Meist erfolgtdas auf Randleisten wie zum Beispiel bei der folgenden Sonnenuhr im ehemaligen Stift Ardagger,Niederösterreich, Bezirk Amstetten.

Es bedeuten :

LONGITUDO DIERUM TageslängeOCCASUS SOLIS SonnenuntergangDOMUS PLANETARIUM PlanetenzeichenZODIACUS TierkreiszeichenORTUS SOLIS SonnenaufgangLONGITUDO NOCTIUM Nachtlänge

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4.3 Mittags- bzw. Mitternachtsanzeige für andere Orte

Sehr beliebt ist die Darstellung des Mittags- und/oder Mitternachtszeitpunktes von bedeutenden Städten.

Ein Beispiel dafür ist die hier gezeigte polare Sonnenuhr in A-2126 Ladendorf, Niederösterreich, BezirkMistelbach.

4.5 Monduhren

Bei jeder Sonnenuhr miterdachsparallelem Schattenstab oderPunktschattenwerfer kann auch derMondschatten zur Zeitablesungverwendet werden. Zur Bestimmung

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der wahren Ortszeit muss zusätzlichder Mondwinkel addiert werden.

WOZ = Mondschattenzeit +Mondwinkel

Der Mondwinkel ist dieRektaszensionsdifferenz zwischenSonne und Mond. Bei Vollmondbeträgt der Mondwinkel 12 Stunden.Liest man zum Vollmondzeitpunkt imMondschatten auf einer Sonnenuhrdie Uhrzeit ab, dann entspricht sie derum 12 Stunden verschobenen WOZ.Für je einen Tag vor oder nach dem Vollmond verringert oder vermehrt sich der Mondwinkel um etwa 48Minuten.

Die sogenannten 'Monduhren' besitzen in der Regel auf dem Zifferblatt eine Tabelle, welche für jedes Mondalterdie Größe des Mondwinkels in Stunden und Minuten anzeigt.Unter dem Begriff 'Mondalter' versteht man die Anzahl der Tage ab dem Neumondzeitpunkt. Zum Vollmondbeträgt das Mondalter 15 Tage.Kennt man das Mondalter, kann man mit Hilfe der Tabelle und dem abgelesenen Mondschatten die WOZ aufeiner Sonnenuhr bestimmen.Auf der oben abgebildeten Sonnenuhr ist unter der Bezeichnung HOROLOGIUM LUNARAE eine Tabelle mitdem Mondalter von 1 bis 30 und dem dazugehörenden Mondwinkel in Stunden und Minuten zu sehen. Leider istdas Zifferblatt nicht exakt gezeichnet.

4.5 Analemmatische Sonnenuhren

Eine analemmatischeSonnenuhr entstehtdurch Parallelprojektioneiner Äquatorialuhr aufein ebenes Zifferblatt inbeliebiger Lage. DerSchattenstab mussbeweglich angeordnetwerden und seine Lageist vom Datumabhängig. Das WortAnalemma geht aufVitruv zurück undbezeichnet denzeichnerischenKonstruktionsentwurfeiner Sonnenuhr mitPunktzeiger durchGrundriss und Aufriss.

Die in der PraxisvorhandenenZifferblätter sind meist horizontal, und der vertikale Schattenstab wird durch einen Menschen ersetzt (Abb. 14).Das ellipsenförmige Zifferblatt besitzt in der kleinen Achse eine Skala mit Datumsangabe. Auf dieser Skala ist derSchattenwerfer Mensch oder ein vertikaler Stab zu platzieren.

Die dargestellte analemmatische Sonnenuhr befindet sich auf dem Hauptplatz in Leoben, Steiermark. Die in derkleinen Achse der Ellipse befindliche Leiste, auf der ein Mensch sich dem Datum entsprechend aufstellen soll,wurde auf einen 50cm hohen Sockel gestellt, damit der Schatten länger wird. Das ist besonders im Sommerwichtig.

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