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.../ 2 Buslinie 109, Haltestelle Böttgerstraße Fern- und S-Bahnhof Dammtor Parkhaus Brodersweg Commerzbank AG Hamburger Sparkasse Postbank Hamburg Anderkonto: BLZ 200 800 00 BLZ 200 505 50 BLZ 200 100 20 Commerzbank AG Kto.-Nr. 4000 262 00 Kto.-Nr. 1022 250 383 Kto.-Nr. 743 874 202 BLZ 200 800 00 Kto.-Nr. 4000 262 02 Gedruckt auf 100% Recyclingpapier 2 A 253 bis 260/10 In der Verwaltungsrechtssache Andreas Graf von Bernstorff u. a. ./. Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie /RAe Günther pp., /RAe Heinemann pp./ RA Piontek/ beigeladen: Bundesamt für Strahlenschutz /RAe. Dres. Ross & Graf Kerssenbrock/ wird zunächst für die gewährte Fristverlängerung gedankt. Aus Gründen der Prozessökonomie wird angeregt, die Klagen mit den Aktenzeichen 2 A 253 bis 260/10 zu verbinden. Sodann soll die Klage wie folgt begründet werden: RAe Günther Heidel Wollenteit Hack Goldmann Postfach 130473 20104 Hamburg Michael Günther Hans-Gerd Heidel 1 Dr. Ulrich Wollenteit 2 Martin Hack 2 LL.M. (Stockholm) Clara Goldmann LL.M. (Sydney) Dr. Michéle John Dr. Dirk Legler LL.M. (Cape Town) Dr. Roda Verheyen LL.M. (London) 1 Fachanwalt für Familienrecht 2 Fachanwalt für Verwaltungsrecht Postfach 130473 20104 Hamburg Mittelweg 150 20148 Hamburg Tel.: 040-278494-0 Fax: 040-278494-99 Email: [email protected] www.rae-guenther.de AG Hamburg PR 582 Günther Heidel Wollenteit Hack Goldmann Rechtsanwälte Partnerschaft 10.02.2011 10/0924V/H/mj Sekretariat: Frau Krey Tel.: 040-278494-23 Verwaltungsgericht Lüneburg 2. Kammer Adolph-Kolping-Straße 16 21337 Lüneburg Vorab per Telefax-Nr.: 04131/8545-399

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2 A 253 bis 260/10

In der Verwaltungsrechtssache

Andreas Graf von Bernstorff u. a. ./. Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie /RAe Günther pp., /RAe Heinemann pp./ RA Piontek/ beigeladen: Bundesamt für Strahlenschutz /RAe. Dres. Ross & Graf Kerssenbrock/ wird zunächst für die gewährte Fristverlängerung gedankt. Aus Gründen der Prozessökonomie wird angeregt, die Klagen mit den Aktenzeichen 2 A 253 bis 260/10 zu verbinden. Sodann soll die Klage wie folgt begründet werden:

RAe Günther � Heidel � Wollenteit � Hack � Goldmann Postfach 130473 � 20104 Hamburg Michael Günther

Hans-Gerd Heidel1 Dr. Ulrich Wollenteit2 Martin Hack2 LL.M. (Stockholm) Clara Goldmann LL.M. (Sydney)

Dr. Michéle John

Dr. Dirk Legler LL.M. (Cape Town)

Dr. Roda Verheyen LL.M. (London) 1 Fachanwalt für Familienrecht 2 Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Postfach 130473 20104 Hamburg

Mittelweg 150 20148 Hamburg

Tel.: 040-278494-0 Fax: 040-278494-99 Email: [email protected] www.rae-guenther.de

AG Hamburg PR 582

Günther � Heidel � Wollenteit � Hack � Goldmann Rechtsanwälte � Partnerschaft

10.02.2011 10/0924V/H/mj Sekretariat: Frau Krey Tel.: 040-278494-23

Verwaltungsgericht Lüneburg 2. Kammer Adolph-Kolping-Straße 16 21337 Lüneburg Vorab per Telefax-Nr.: 04131/8545-399

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A. Zum Tatsächlichen Die Klage richtet sich gegen die Zulassung der Verlängerung des Rahmenbe-triebsplans für die untertägige Erkundung des Salzstocks Gorleben und des Hauptbetriebsplans 2010/2012 für das Bergwerk zur Erkundung des Salzstocks Gorleben. Die Gründe für die Entscheidung zur Erkundung des Salzstocks Gorleben als mögliches Endlager für wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle waren ganz überwiegend politische, jedenfalls spielten sicherheitsrelevante geowissen-schaftliche Kriterien bei der Standortauswahl lediglich eine untergeordnete Rolle. Nachdem mit der Vierten Novelle des Atomgesetzes von 1976 insbe-sondere eine Pflicht zur Verwertung und Beseitigung radioaktiver Abfälle und die Planfeststellungsbedürftigkeit von atomaren Endlagern in das Atomgesetz aufgenommen worden waren, stellte die Physikalisch-Technische Bundesan-stalt beim zuständigen Ministerium in Niedersachsen einen Planfeststellungs-antrag nach § 9b AtG für ein Endlager am Standort Gorleben. Die Erkundung des Standorts selbst wird seit Anfang der 80er Jahre auf der Grundlage des Bergrechts durchgeführt. Auf dieser Basis wurde am 09.09.1983 ein Rahmen-betriebsplan zur untertägigen Erkundung zugelassen, der vorsah, über eine Flä-che vom 18 km², eine streichende Länge von 9,4 km und eine querschlägige Breite von 1,85 km Erkundungsmaßnahmen durch Auffahrungen von Schäch-ten und Strecken sowie Kernbohrungen durchzuführen. Der Rahmenbetriebs-plan ist seitdem mehrfach, zuletzt mit angefochtenem Bescheid vom 21.09.2010, um erneut 10 Jahre, mithin bis zum 30.09.2020 verlängert worden. Beim Vergleich der seinerzeitigen Festlegungen im Rahmenbetriebsplan von 1983 mit den heute geltenden rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen wird deutlich, dass das ursprünglich mit dem Rahmenbetriebsplan „beabsichtigte Vorhaben“ mit dem nach mehrfacher Verlängerung verfolgtem Vorhaben kaum noch etwas zu tun hat. Wesentlich geändert haben sich nämlich insbe-sondere die Erkundungsbereiche, Abfallarten, Abfallmengen und Sicherheits-kriterien. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung steht die Bindungswirkung eines Rahmenbetriebsplans aber grundsätzlich unter dem Vorbehalt einer nicht wesentlich geänderten Sach- und Rechtslage. Nach dem bereits 1990 im BBergG der obligatorische Rahmenbetriebsplan eingefügt wurde, darf eine Weitererkundung nur auf Basis einer Planfeststellung mit Umweltverträglich-keitsprüfung erfolgen. I. Zur bisherigen tatsächlichen und rechtlichen Situation 1974 stellte die Bundesregierung das Konzept für ein „Integriertes Nukleares Entsorgungszentrum“ (NEZ) vor. Es sah Anlagen zur Wiederaufarbeitung ab-gebrannter Brennelemente, zur Fertigung neuer Brennelemente aus den aus der

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Wiederaufarbeitung gewonnenen Reststoffen, sowie Anlagen zur Behandlung, Konditionierung und Endlagerung der verbleibenden radioaktiven Abfälle in einem industriellen Komplex von 3 x 4 Kilometer Ausdehnung über einer zur Endlagerung geeigneten geologischen Formation vor. Die Anlage war ausge-legt für die Entsorgung radioaktiver Abfälle aus 40 bis 50 Atomkraftwerken und sollte der Entsorgung aller Arten anfallender Abfälle dienen. 1. Standortsuche

Für ein solches Nukleares Entsorgungszentrum musste ein geeigneter Standort gefunden werden. In der politischen Diskussion über die Entsorgung radioakti-ver Abfälle und insbesondere die Endlagerung radioaktiver Abfälle wird sei-tens der Betreiber und Politiker hartnäckig behauptet, die am 22. Februar 1977 getroffene Standortentscheidung der seinerzeitigen niedersächsischen Landes-regierung Albrecht in Bezug auf Gorleben sei keine politische Entscheidung gewesen (vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Endlage-rung hochradioaktiver Abfälle in Deutschland – Das Endlagerprojekt Gorleben, Stand Oktober 2008, S. 16; im Internet zu finden unter: http://www.bmwi.de). Zuletzt versuchte die Genehmigungsbehörde, das Niedersächsische Ministeri-um für Umwelt (NMU), als Reaktion auf die Veröffentlichung zahlreicher Be-hördenakten zur Standortauswahl und -benennung Gorlebens durch die Um-weltschutzorganisation Greenpeace im April 2010, welche die politische Standortauswahl eindeutig belegten, mithilfe eines Gutachtens, das als

Anlage K 1 beigefügt ist (Tiggemann, Gorleben als Entsorgungs- und Endlagerstandort. Der niedersächsische Auswahl- und Entscheidungsprozess, im Auftrag des NMU, Hannover, Mai 2010), ihrerseits durch Behördenakten zu belegen, das Auswahlverfahren sei "sachgerecht, nachvollziehbar und legitim" gewesen. Der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) erklärte in einer Pressemitteilung am 28.05.2010:

„Die Studie belegt, dass die Verschwörungstheorien jeder Grundlage entbehren, Gorleben also wissenschaftlich fundiert ausgewählt wurde" (NMU, Presseerklärung, 28.05.2010).

Eben diese Studie liefert jedoch die am weitest reichenden Belege dafür, dass Gorleben willkürlich und nach politischen Kriterien ausgewählt wurde. Hin-zu kommt, dass die niedersächsische Landesregierung mit der Benennung nur eines Endlagerstandortes auch gegen die damals gültigen Bewertungskriterien verstieß.

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Das so genannte Tiggemann-Gutachten (Anlage K1) spiegelt gemeinsam mit den Recherchen der Umweltschutzorganisation Greenpeace den aktuellen his-torischen und politikwissenschaftlichen Forschungsstand zur Standortauswahl Gorlebens wider. Deshalb wird im Folgenden darauf Bezug genommen. a) Das KEWA-Verfahren 1974-1976 Von 1974 bis 1976 führte die Kernbrennstoff-Wiederaufarbeitungs GmbH (KEWA GmbH) im Auftrag des Bundes eine Standortsuche für ein Nukleares Entsorgungszentrum, bestehend aus sechs Teilprojekten (TP1-6) durch (in An-lage K1 als Akte KWA 1224 bezeichnet; die komplette KEWA-Studie liegt bis heute der Öffentlichkeit nicht vor). Kernstück des Entsorgungszentrums bildete die geplante Wiederaufarbeitungsanlage (WAA). Die Bewertungskriterien, welche sich auf Mensch, Sicherheit und Umwelt bezogen, waren auf Luft- und Abwasseremissionen der WAA ausgerichtet. Endlagergeologische Kriterien spielten eine untergeordnete Rolle. Dafür wurden „Bevölkerungsdichte, Milchwirtschaft im Nahbereich, sowie die ‚Abflussrate des nächstgelegenen Flusses’ immer als sehr wichtig eingestuft, während die Kriterien ‚Fremden-verkehr, erforderliche Umsiedlung, Vorhandensein von Endlagerpotential’ und ‚Porenspeichern’ sowie die ‚Entfernung zum nächsten DB-Anschluss“ in ver-schiedenen Gewichtungsvarianten als „sehr wichtig“ bzw. „wichtig“ eingestuft wurden (Anlage K1, Tiggemann, S. 13 ff.). Acht Standorte, darunter vier in Niedersachsen, wurden von dem Geologen Prof. Gerd Lüttig im Rahmen einer Feasibility-Studie für die KEWA betrach-tet, u.a. auch im Hinblick auf „die Verbringung radioaktiver Abfälle in den Untergrund in geologisch sichere Räume“ (Anlage K1, S. 9). Lüttig und Wager

empfahlen, den Standort Börger (auch Wahn oder Aschendorf, im Emsland), und Ahlden (auch Lichtenhorst bei Nienburg) bzw. Faßberg (auch Lutter-loh/Landkreis Celle) als „Reservestandorte“ mit einem „gekürzten For-schungsprogramm“ gleichzeitig zu untersuchen. Der viertplazierte Standort Lütau (Ostholstein) wurde nach Tiggemann aufgrund seiner Nähe zur ehemali-gen DDR-Grenze von den weiteren Betrachtungen ausgeschlossen. Gorleben taucht in der KEWA-Auswahl nicht auf. Dazu schreibt Tiggemann:

„Im Jahre 1974 war es also weder die Grenznähe, die später von Zeitzeu-gen (...) angeführt wurde, noch Mängel des Salzstocks die begründen, warum Gorleben nicht bei den Arbeiten der KEWA berücksichtigt wur-de. Vielmehr war es nach Aktenlage das Kriterium ‚Lage im Ferien- und Erholungsraum’, welches der Grund gewesen war, warum Gorleben gar nicht als Standortmöglichkeit in Erwägung gezogen war“ (Anlage K1, Tiggemann, S. 13).

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Bei genauerer Betrachtung kann sich dieser Schluss allerdings eben nicht auf die „Aktenlage“ stützen, sondern dient weiterhin der Legendenbildung, dass Gorleben nicht aus endlagergeologischen Gründen von der ersten KEWA-Auswahl ausgeschlossen wurde. Folgende Gründe widerlegen die Auffassung Tiggemanns:

• „Grenznähe“: Dass Gorleben nicht von vornherein wegen der Grenznähe vom Verfahren ausgeschlossen worden sein kann, beweist das Vorrücken des Standortes Lütau in die Runde der letzten vier Standorte. Lütau liegt wie Gorleben direkt an der ehemaligen Grenze zur DDR.

• „F+E-Gebiet“: Die These, die Lage im Ferien- und Erholungsgebiet sei

der Ausschlussgrund gewesen, lässt sich anhand der Originalakten wider-legen. Der Standort Lutterloh/Fassberg, unter den letzten drei ausgewähl-ten Standorten, liegt ebenfalls nachweislich in einem Erholungsgebiet und im Naturpark Südheide, vgl. Sprechzettel Stuhr beigefügt als

Anlage K2.

• „Geologische Mängel des Salzstocks Gorleben“: Nach Aussage des an

der KEWA-Auswahl beteiligten Geologen und ehemaligen Vizepräsiden-ten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und des Niedersächsischen Landesamtes für Bergbau und Geologie (NLfB), Prof. Gerd Lüttig, wurde Gorleben eben wegen der erwarteten bzw. schon bekannten geologischen Mängel bei der Auswahl nicht berück-sichtigt:

„Der Salzstock von Gorleben hat eine eigenartige Form. Er ist auf nie-dersächsischem Gebiet im Südwesten relativ hoch liegend und sackt dann ab in Richtung Mecklenburg – und dann liegt ein See über dem Salz-stock. Dieser Hinweis bewog mich, Gorleben nicht in die erste Wahl zu tun“ (Zit. nach Deutschlandfunk, Hintergrund, Sendung v. 25.03.2010).

In einem Interview in der ZDF-Sendung frontal21 vom 13.04.2010 äußerte sich Lüttig ähnlich:

„Ich bin gebeten worden eine Klassifikation vorzunehmen – in Klassen unterschiedlicher Eignung. Und da gab es eine erste und eine zweite Klasse und weder in der ersten noch in der zweiten Klasse kam Gorleben vor“ (Sendemanuskript, S. 2; beigefügt als

Anlage K3).

Der Zeitzeuge Lüttig erinnert sich vielmehr genau an die politischen Motive bei der späteren Benennung des Standortes Gorleben. So berichtet er von ei-

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nem Gespräch mit dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst

Albrecht (CDU):

„Dr. Albrecht sagte mir: ,Ich habe die Auswahl getroffen. Ich habe Gor-leben ausgewählt.’ Worauf ich sagte: ,Herr Dr. Albrecht, Sie wissen doch genau, dass Gorleben gar nicht auf meiner Liste steht, auf der Liste der vordringlichen oder besonders gut geeigneten Salzstöcke.’ ,Ja das macht nichts, das ist jetzt eine politische Entscheidung“ (ZDF, frontal21 vom 13.04.2010, Sendemanuskript S. 3, Anlage K3).

Auch in einer von der Kavernen- und Brunnenbau-Gesellschaft (KBB) erstell-ten Auswahl von geeigneten Salzstöcken aus dem Jahr 1972, auf welche die KEWA zurückgriff, wurde Gorleben nicht berücksichtigt, obwohl es laut Tig-

gemann keinerlei Vorgaben bei der Auswahl gab (Anlage K1, S. 14). Auch Tiggemann weist auf Lüttigs Aussagen hin, allerdings nur in einer Fuß-note seiner Arbeit (Anlage K1, S. 87, Fn. 462). In die Endbewertung von Tig-

gemanns Studie fließen Lüttigs Aussagen nicht mit ein. Nach der Bekanntgabe der drei von der KEWA ausgewählten niedersächsi-schen Standorte – in der Reihenfolge Börger (Wahn), Weesen-Lutterloh (Fass-berg) und Ahlden (Lichtenhorst) – kam es an allen drei Orten zu Protesten ge-gen die dortige Erkundung. Gerade am Standort Wahn, wo bereits Bohrgerät aufgefahren worden war, wurde der Widerstand gegen das Projekt maßgeblich von der Wählerklientel der CDU, dem Landvolk, getragen. Die im Landkreis Aschendorf –Hümmling beheimateten Brüder und MdL Werner und Walter Remmers (beide CDU) lehnten das Projekt in Wahn in aller Schärfe ab (vgl. dazu BMFT, Gesprächsvermerk, Standortbenennung, S. 7), beigefügt als

Anlage K4. Der niedersächsische Ministerpräsident Albrecht (CDU), der einer Minder-heitsregierung vorstand und auf die Unterstützung aller CDU-Abgeordneten in Niedersachsen angewiesen war, betrieb aus politischen Gründen heraus den Abbruch der KEWA-Untersuchungen an den drei vorgenannten Standorten:

„Die Einstellung der weiteren Bohrungen ist nach dem Gespräch bei Herrn Ministerpräsidenten Dr. Albrecht durch Fühlungsnahme von Herrn MR Stuhr (MW) im Bundeswissenschaftsministerium und bei der KEWA erfolgt“, so ein Vermerk vom 23.09.1976 (DNMP, StK, 12 Nr. 4084/76), beigefügt als

Anlage K5.

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Es ist also festzuhalten, dass die zunächst ausgewählten Standorte (zu denen Gorleben nicht gehörte) aus politischen Gründen nicht erkundet wurden. Viel-mehr wurde das Verfahren durch den seinerzeitigen niedersächsischen Minis-terpräsidenten abgebrochen. b) Das IMAK-Verfahren der niedersächsischen Landesregierung 1976-1977 Mit der Beendigung des KEWA-Verfahrens beschließt die Landesregierung am 17.08.1976 ein eigenes Auswahlverfahren für das NEZ durchzuführen. Es kommt zur Gründung einer Interministeriellen Arbeitsgruppe "Entsorgungs-zentrum" (IMAK), unter Beteiligung der Ministerien für Wirtschaft, Soziales, Landwirtschaft, Inneres und der Staatskanzlei, und zwar unter Federführung des Ministeriums für Wirtschaft, Referat 23 zuständig für Industrieansiedlung. Das IMAK-Verfahren wurde streng geheim und ministeriumsintern unter Aus-schluss der Öffentlichkeit, nachgeordneter Dienststellen und der Kommunen (außer OBA und NLfB) durchgeführt. Außerdem war ausdrücklich untersagt, einen Standortvorschlag zu machen, Die Auswahl aus einer Gegenüberstellung mehrerer Standorte behielt sich das Kabinett vor. Das IMAK-Verfahren ver-stößt damit gegen alle Kriterien eines „modernen“ Auswahlverfahrens und war von vornherein auf eine politische Entscheidung hin angelegt (vgl. dazu beige-fügt als

Anlage K6 Entwurf der Kabinettsvorlage, 09.12.1976. S. 1 ff.). Am 11.11.1976 erklärt sich Albrecht bei einem Gespräch in Hannover gegen-über Vertretern der Bundesregierung bereit, einen vorläufigen Standort für das Nukleare Entsorgungszentrum zu benennen, ohne dass Probebohrungen auf dem ausgesuchten Gebiet erfolgen müssten. Der Grund für dieses Vorgehen: erheblicher Zeitdruck (vgl. Anlage K1, S. 40 ff.). Keine drei Wochen zuvor waren sich Vertreter von Bund, Land und Industrie bei einem Gespräch „im Hause RWE“ noch einig gewesen, dass man mehrere Standorte untersuchen und für den Genehmigungsantrag Probebohrungen durchführen müsse:

„Inzwischen ist man übereinstimmend der Meinung, pro Standort müßten ca. 5 Untersuchungsbohrungen erfolgen, um die für den Genehmigungs-antrag erforderlichen Kenntnisse zu gewinnen“ (vgl. Vermerk als

Anlage K7

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beigefügt, MW Ref. 23, Dr. Kossendey, Entsorgungszentrum, Hannover, 28.10.1976). Laut Tiggemann erscheint der Standort Gorleben das erste Mal innerhalb des IMAK-Verfahrens bei dem Bund-Land-Gespräch am 11.11.1976. Der Vertreter des Wirtschaftsministeriums, Leiter des Referates Industrieansiedlung, Stuhr, wusste bereits zu diesem Zeitpunkt ohne jede Standortuntersuchung, dass

„Lüchow von der Geologie her an der Spitze“, rangiere (Anlage K1, Tiggemann, S. 42 ff.). In einem Zeitzeugengespräch mit Tiggemann beschreibt Stuhr seine Motivation, für Gorleben zu votieren, die allerdings nichts mit Endlagergeologie zu tun hatte:

„Lüchow-Dannenberg war die ärmste Region von Niedersachsen; da war die Welt zuende. Die Idee war: Das ist die Chance“ (Anlage K1, Tigge-

mann, S. 98, Fn. 495).

Gleichzeitig saßen Stuhr die „Kommunalpolitiker aus Lüchow-Dannenberg wegen der mit dem NEZ verbundenen Chancen‚ unablässig im Genick“ (Anla-ge K1, Tiggemann, S. 24, Fn. 121). In den bisher zugänglichen IMAK-Akten der Niedersächsischen Staatskanzlei taucht Gorleben neben den drei KEWA-Standorten das erste Mal in einem handschriftlichen Vermerk vom 18.11.1976, beigefügt als

Anlage K8, auf:

„nun: LK Lüchow-D“. Der Landkreis Lüchow-Dannenberg war von Anfang an gleichbedeutend mit Gorleben (so Möller, Endlagerung radioaktiver Abfälle in der Bundesrepublik Deutschland, 2009, S. 310 m.w.N.). Laut Tiggemann haben Stuhr und das Referat 23 (Industrieansiedlung) bereits ein Jahr zuvor im Winter 1975/76 Gorleben und 19 andere Standorte der KEWA als mögliche Alternativen vorgeschlagen. Der Grund: Die aufkeimen-den Proteste an den favorisierten drei KEWA-Standorten (vgl. Anlage K1, Tig-

gemann S. 23 und Fn. 118). Auch hier standen die strukturpolitischen Interes-sen schon im Vordergrund (vgl. Anlage K1, Tiggemann, S. 98, Fn. 494).

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„Dieses Interesse (der Industrieansiedlung) war auch später von ent-scheidender Bedeutung“ (vgl. Anlage K1, Tiggemann, S. 18, Fn. 85).

Die KEWA untersuchte die vom Wirtschaftsministerium vorgeschlagenen Standorte nach Tiggemann „in der zweiten Jahreshälfte 1976“ in einer Art Nachbewertung. Gorleben liegt in dieser Untersuchung, die nur in Fragmenten und ohne Datum vorliegt und im IMAK-Verfahren nicht ein einziges Mal er-wähnt wird, obwohl sie das beste Argument der Befürworter Gorlebens auf Landesebene gegenüber den Gegnern Gorlebens auf Bundesebene gewesen wäre, auf Platz eins (vgl. Anlage K1, Tiggemann Seite 94). Allerdings spielten hier geologische Kriterien wieder nur eine untergeordnete Rolle. In einer Kabinettssitzung vom 16.11.1976 wurde die Arbeitsgruppe beauftragt, für eine Sitzung des Kabinetts am 14.12.1976 eine Vorlage zu erarbeiten, die eine vorläufige Standortentscheidung für das Entsorgungszentrum in Nieder-sachsen durch die Landesregierung ermöglichen sollte. In dieser Vorlage wur-den sieben mögliche Standorte genannt, zu denen auch Gorleben gehörte. Ein Vorschlag zugunsten eines dieser Standorte wurde ausdrücklich nicht gemacht. Die Arbeitsgruppe hatte – neben den drei vom Bund und von der KEWA in die engere Wahl gezogenen Standorten Wahn, Lutterloh (Stüdtloh) und Lichten-horst – 20 weitere Standorte nach den Kriterien Vorhandensein eines Salz-stocks, weitgehend besiedlungsfreies Betriebsgelände (3x4 km) und keine Ausweisung von Naturschutz-, Landschaftsschutz- und Erholungsgebieten für eine weitere Bewertung identifiziert. Sodann wurden diese Standorte nach den Kriterien Lage des Betriebsgeländes auf dem Salzstock, Tiefenlage des Salz-stockes, Größe des Salzstockes, Besiedlung im vorgesehenen Standortbereich und Oberflächenstruktur im vorgesehenen Standortbereich betrachtet und da-nach 13 Standorte einer näheren Betrachtung unterzogen. Auf Anraten des Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung wurde das Steinsalzberg-werk Mariaglück zusätzlich in die Untersuchung aufgenommen. Diese 14 Standorte wurden anhand der vom Bundesinnenministerium heraus-gegebenen „Bewertungsdaten für die Eigenschaften von Kernkraftwerksstand-orten aus der Sicht von Reaktorsicherheit und Strahlenschutz“ und nach dem Entwurf einer Empfehlung der Ministerkonferenz für Raumordnung zu den „Zielen und Kriterien für die Standortauswahl bei Kernenergieanlagen“ genau-er bewertet. Betrachtet wurden Verkehr, Oberflächennutzung, Strukturpolitik, Landespflege/Erholung, Sicherung der öffentlichen Trinkwasserversorgung, Wasserversorgung des Entsorgungszentrums, Sicherheit und Strahlenschutz (hier insbesondere Besiedlungsdichte, Baugrundbeschaffenheit und Erdbeben-gefährdung) und Gefährdung durch äußere Einwirkung (hier Flugverkehrsdich-te, Lagerung und Transport explosiver Stoffe, Hochwassergefährdung) sowie die meteorologischen Gegebenheiten und eine mögliche radiologische Vorbe-lastung. Geologisch wurde geprüft, ob das vorgesehene Betriebsgelände mög-

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lichst zentral über der Toplage des Salzstockes liegt und ob der Salzstock we-niger als 500 m tief liegt, „da in dieser Tiefe die Anlage eines Bergwerkes auf Schwierigkeiten stößt“. Hierzu ist anzumerken, dass ersteres unter Aspekten der Langzeitsicherheit unbedenklich ist und größere Teufen eher einen Gewinn an Langzeitsicherheit bringen würden. Bei der Bewertung wurden die einzelnen Kriterien gewichtet, wobei dem Kri-terium „Endlager-Geologie“ (also Lage des Geländes über dem Salzstock und Tiefenlage des Salzstocks) ein Gewicht von 12,8 % zuerkannt wurde. Anders als bei KEWA hat die IMAK hier strukturpolitische Kriterien erstmals in die Bewertung aufgenommen. Sie mussten bei den strukturschwächsten Regionen, also gerade bei Gorleben, naturgemäß am stärksten ins Gewicht fallen. Die Kriteriengruppe Sicherheit und Umwelt, zu der auch die Endlagergeologie ge-hörte, umfasst vor allem Kriterien der oberirdischen Ausbreitung von Radio-nukliden aus den obertägigen Anlagen eines NEZ, insbesondere der geplanten WAA. Die zusammengefassten 72,8% dieser Kriteriengruppe werden fälschli-cherweise gern als Beleg für die Sicherheitsorientierung bei der Standortwahl genommen. Über die Sicherheit eines Endlagers sagen sie nichts aus. In Wirk-lichkeit machten die struktur- und wirtschaftspolitischen Kriterien mit 27,2% mehr als das Doppelte der 12,8% Endlagerkriterien aus (vgl. Anlage K6, Ent-wurf der Kabinettsvorlage, S. 8 ff.). Die Untauglichkeit eines solchen Kriterienkatalogs in Bezug auf einen Endla-gerstandort beschreibt Prof. Dr. Erich Hofrichter (NLfB) in einem als

Anlage K9 beigefügtem internen Bericht bereits 5 Monate nach der Standortbenennung in einem internen Bericht schonungslos. Das „Punkte-Schema“ berücksichtige „ganz besonders die Übertage-Situation“, billigte daher

„der Bewertung der Verkehrslage, Besiedlungsdichte, Grundwasser, Landwirtschaft u. dgl. eine der geologischen Problematik des Endlagers nicht angemessene Priorität zu(…). Auf die daraus resultierende Unter-bewertung der geologischen Kriterien wurde von uns (Prof. Dr. PREUL, HOFRICHTER) hingewiesen, jedoch die diesbezüglichen Einwände mit der Begründung zurückgewiesen, die Auswahl eines geeigneten Standor-tes sei eilig. Aus diesem kuriosen Bewertungsschema ging der Salzstock Gorleben als Sieger hervor (...). Selbstverständlich wurde von uns diese Struktur, (...), nicht als einzig geeigneter Salzstock bezeichnet, wie kurze Zeit spä-ter (...) immer wieder von Politikern behauptet“ (Hervorheb. durch Un-terz.).

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Mit der späteren Benennung nur eines Standortes verstößt die IMAK außerdem gegen ihren eigenen, damals gültigen Kriterienkatalog. Die „Bewertungsdaten für Kernkraftwerksstandorte“, verfasst vom BMI 1975, sahen immer die Vor-auswahl mehrerer Standorte vor: "Fehlende Alternativen bedingen Ja/Nein-Entscheidung über einen Standort, ohne die Möglichkeit, eventuell günstigere Alternativen abzuwägen." Schon die Autoren der 1975er Kriterien hatten er-kannt, dass bei der Benennung nur eines Standortes in der Vorauswahl eine Ergebnisoffenheit von Beginn an nicht mehr möglich ist (vgl. dazu BMI. Be-wertungsdaten für die Eigenschaften von Kernkraftwerksstandorten aus der Sicht von Reaktorsicherheit und Strahlenschutz. Bonn, 12.06.1975 – wird nachgereicht). Die strukturellen und politischen Kriterien überwiegen nicht nur im offiziellen Teil des Auswahlprozesses gegenüber den endlagergeologischen Kriterien. Sie bilden insbesondere die Triebfeder für das Engagement des Referat 23 Indust-rieansiedlung im Wirtschaftsministerium, namentlich des Leiters Stuhr, der im vom Wirtschaftsministerium geführten IMAK-Verfahren innerhalb der nieder-sächsischen Landesregierung Albrecht eine Schlüsselrolle bei der Auswahl Gorlebens gespielt hat. Immerhin ging es bei dem Projekt NEZ um Investitio-nen in Höhe von ca. 5 Milliarden DM und um die Schaffung von ca. 3.500 Ar-beitsplätzen in einer strukturschwachen Region. Vgl. dazu Sachstandsbericht vom 10.02.1976, beigefügt als

Anlage K 10.

„Die Präferenz der nds. Seite für Gorleben war den Beamten der beteilig-ten Bundesressorts und dem Bundeskanzleramt klar. Aus der Diskussion gaben sie den Eindruck wieder, dass im Wendland die ‚innenpolitische Durchsetzbarkeit’ als am günstigsten beurteilt werde; es sei ein ‚abgele-genes dünn besiedeltes Gebiet mit einfachen Eigentumsstrukturen.’ Au-ßerdem sei Gorleben der Standort, ,gegen dessen Auswahl sich die Be-völkerung nicht insgesamt von vornherein abweisend verhalte.’ Und wei-ter: ,Als ausgesprochen vorteilhaft wurde erwähnt, dass sich der größte Teil des Geländes in dem Besitz eines Eigentümers (Andreas Graf von Bernstorff [Kläger zu 1]) befand“ (vgl. Ernst Albrecht, zit. nach Anlage K1, Tiggemann, S. 93; Zusatz durch Unterz.).

Auch polizeiliche Erwägungen in Bezug auf zu erwartende Großdemonstratio-nen spielten bei der Auswahl eine Rolle: „Darüber hinaus sei der StO ‚relativ leicht abzusichern“ (vgl. Anlage K1, Tiggemann in Fn. 473, S. 93). Die Arbeitsgruppe führte dann eine Abstimmung mit den Bundesressorts durch, in der sechs der vorausgewählten Standorte akzeptiert wurden. Zum Standort Gorleben teilte das Innenministerium Bedenken wegen der Nähe zur DDR-Grenze mit. Der Salzstock rage in das Gebiet der DDR hinein und werde

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von der Elbe überflossen, was im Hinblick auf die garantierte Unversehrtheit des Salzstockes als problematisch gesehen wurde. Außerdem hielt der Bund es für notwendig zu prüfen, ob Erdgas- oder Ölbohrungen auf dem Gebiet der DDR liegen. Ferner hielt man den Standort im Hinblick auf die Sicherheit vor „Handstreichaktionen“ unterhalb der Schwelle kriegerischer Auseinanderset-zungen für bedenklich, insbesondere wegen des evtl. strategisch bedeutsamen Materials in der Anlage. Ferner sah man Schwierigkeiten im Hinblick auf die Möglichkeit einer lückenlosen Umgebungsüberwachung und den Notfall- und Katastrophenschutz. Der Bund hielt deshalb ein mehrstufiges Vorgehen für erforderlich, wobei die Entscheidung der Landesregierung einen deutlich vorläufigen Charakter haben und möglichst mehrere Standorte für das Entsorgungszentrum einbeziehen soll-te. Danach seien dann Informationsgespräche und Konsultationen der DDR notwendig, die in vertragliche Regelungen bzgl. der Umgebungsüberwachung und des Notfallschutzes münden sollten. Die Arbeitsgruppe fügte ihrer Untersuchung dann noch einzelne Gegebenhei-ten für die genannten Standorte hinzu, wobei für Gorleben darauf hingewiesen wurde, dass sich am Nordostrand des Salzstockes Gorleben auf DDR-Gebiet eine fündige Gasbohrung befinde und auf der niedersächsischen Seite Gasvor-kommen nicht auszuschließen seien (vgl. zum gesamten Vorgang Anlage K6). In der Kabinettssitzung vom 14.12.1976 ist eine Entscheidung nicht getroffen worden. Es wurde vielmehr der Frage nach Gasbohrungen und Gasvorkommen nachgegangen (Anlage K2). In einem Vermerk vom 21.12.1976 wurde von insgesamt drei Bohrungen im Raum Lenzen und 10 Bohrungen im Raum Salzwedel berichtet, wobei es am 26.07.1969 in der Nähe von Lenzen zu einer größeren Explosion mit anschließendem 20-stündigen Brand gekommen sein soll. Eine weitere Bohrung soll an der Nord-Flanke des Salzstocks bei Gorle-ben, also auf westlichem Gebiet, niedergebracht worden sein, die bei 3.649 m ein Gasgemisch antraf. Eine Prüfung der Gasproblematik am Standort Gorle-ben hält das Kabinett jedoch nicht für notwendig:

„Eine Prüfung, ob im Bereich Gorleben auf bundesrepublikanischer Seite Erdgasvorkommen vorhanden sind, ist nicht erforderlich. Das Kabinett hat beschlossen, daß das Entsorgungszentrum in jedem Fall Vorrang hat“ (MW, Referat 23, Vermerk v. 10.01.1977, beigefügt als

Anlage K11.

An diesem Punkt wird der Druck, schnell einen Standort zu benennen, wie es im Folgenden noch einmal zusammenfassend ausgeführt wird, sehr deutlich: Die Umsetzung der Pläne hatte Vorrang vor Sicherheitserwägungen, die Entscheidung für Gorleben stand bereits fest.

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Mit Schreiben vom 29.12.1976 wurde dem Ministerpräsidenten über die Staatskanzlei eine Stellungnahme des TÜV Hannover zur Eignung von Stand-orten für das nukleare Entsorgungszentrum hinsichtlich der Eigenschaften mit sicherheitstechnischer Bedeutung zugeleitet. In dieser Stellungnahme wurde eine Bewertung von Standorten anhand eines Punktesystems vorgenommen, die vom Niedersächsischen Sozialminister benannt wurden. An geologischen Kriterien ist – außer dem Vorhandensein eines Salzstocks überhaupt – aus-schließlich die Seismik des Standortes betrachtet worden. In der vorgelegten Fassung vom November 1976 erhielt der Standort Nieby in Schleswig-Holstein 91 Punkte, gefolgt von Stüdtloh und Friedrichskoog mit jeweils 85 Punkten. Der Zuleitung der Stellungnahme an den Ministerpräsidenten wurden hand-schriftlich die Standorte Mariaglück und Gorleben beigefügt, die mit 84 bzw. 87 Punkten ausgewiesen waren. Warum wurde die TÜV-Studie handschriftlich um den Standort Gorleben er-gänzt? Wie konnte eine Einstufung Gorlebens in das Prüfungsraster des TÜV mittels Punktzahlen innerhalb kürzester Zeit erfolgen, wenn Gorleben in der TÜV-Studie gar nicht betrachtet wurde? (vgl. zum gesamten Vorgang TÜV, 11.1976, beigefügt als

Anlage K12). Ohne eine Änderung der Angaben beim Kriterium Erholungsgebiet hätte Gor-leben den Spitzenplatz mit über 200 Bewertungspunkten selbst bei den unzu-reichenden Kriterien des IMAK-Kataloges nicht einnehmen können:

„Hinsichtlich der Beschreibung der landespflegerischen Aspekte fällt auf, dass die durch das ML formulierten Beschreibungen hinsichtlich ihrer Bedenken nur eingeschränkt berücksichtigt wurden. Im Hinblick auf Gorleben ist interessant, dass aus der Lage ‚im Naturpark Elbufer-Drawehn’, die Formulierung, das Gelände ‚grenzt an den Naturpark Elb-ufer-Drawehn (…)’ wurde“ (vgl. dazu Anlage K1, Tiggemann, Seite 56).

Nach einer Kabinettssitzung am 21.12.1976 Dezember 1976 verengt sich die Auswahl auf vier Standorte: Gorleben, Wahn, Maria Glück und Lichtenhorst. Am 04.01.1977, wenige Tage nach den handschriftlichen Nachträgen in der TÜV-Studie, weist das Wirtschaftsministerium die Staatssekretäre im BMI, BMFT und BMWi daraufhin an,

„dass der Standort Gorleben im Vergleich zu anderen Standorten in be-vorzugter Weise geeignet erscheint (...)“ (vgl. dazu Vorlage für Kabi-nettssitzung am 08.02.1977 vom 02.02.1977, beigefügt als

Anlage K13).

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Zum Standort Gorleben führt die Kabinettsvorlage allerdings bis auf einen Aspekt nur Mängel einer möglichen Standortwahl Gorleben auf: Die Gasvor-kommen unter dem Salzstock und die notwendigen Abstimmungen mit der DDR. Positiv wird nur ein Kriterium erwähnt, dass mit Geologie nichts zu tun hat:

„Ausgesprochen vorteilhaft für den Standort Gorleben ist, daß sich das für das Entsorgungszentrum benötigte Gelände in einer Größenordnung von rund 1 200 ha im wesentlichen im Eigentum eines Eigentümers [des Klägers zu 1)] befindet“ (vgl. Anlage K13, pag. 5).

Anfang Februar 1976 scheiden die Standorte Wahn und Mariaglück aus. Der Bund ist nicht bereit, sich von seinem Schießplatz zu trennen, der über dem Salzstock Börger/Wahn liegt und die Lagermöglichkeiten der Grube Maria-glück bei Höfer / LK Celle erscheinen als zu gering.

„Eine Standortvorauswahl könnte beim gegenwärtigen Kenntnisstand zwischen den Standorten Gorleben und Lichtenhorst getroffen werden“ (vgl. Anlage K13, pag. 22).

Deshalb wird weiter vorgeschlagen, aus Gründen der „polizeilichen Sicherung“ und der „Konzentration der Öffentlichkeitsarbeit“ nur einen Standort zu be-nennen (Anlage K13, pag. 23). Dass dies nicht die einzigen sachfremden Gründe für die Abkehr von der Benennung mehrerer Standorte zugunsten der Benennung nur eines Standortes aus politischen Gründen sind, beweist ein ver-traulicher Vermerk des Leiters Stuhr des Referats 23 im Wirtschaftsminister vom 24.01.1977, beigefügt als

Anlage K14. In einer Diskussion bei der Landessynode der Evangelischen Kirche war die Forderung laut geworden, einen Sicherheitsbericht des Antragstellers PWK vor einer Standortentscheidung abzuwarten und „ihn mit allen zuständigen Dienst-stellen und Kommissionen zu diskutieren“ (Anlage K14). Stuhr weist diesbezüglich daraufhin, dass, falls keine Vorentscheidung für ei-nen Standort bis März falle, die PWK für alle in der engeren Wahl befindlichen Standorte Anträge einreichen würde. Diese Ankündigung wirkte offenbar wie eine Drohung. Außerdem schätzt Stuhr den damit verbundenen „nicht vertretbaren“ Zeitver-lust für die Umsetzung des Vorhabens auf „mind. 2 Jahre“ und beschreibt die wirtschaftlichen Konsequenzen der Verzögerung: Es würden „weitere Zwi-schenlagerbecken“ notwendig werden. Auch ein Verweis auf den „Wahlkampf

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für die Wahl im Juni 1978“ fehlt nicht. Weiter wären die erforderlichen Unter-suchungsprogramme dann an allen Standorten erforderlich und würden „er-hebliche Probleme hinsichtlich der [polizeilichen] Sicherung der einzelnen Standorte“ verursachen (so Stuhr an Staatssekretär Röhler am 24.01.1977, bei-gefügt als

Anlage K15). Mit der Benennung nur eines, bisher in der Öffentlichkeit unbekannten Stand-ortes versprach sich das Wirtschaftsministerium zusätzlich einen Überra-schungseffekt, der störende öffentliche Diskussionen im Vorfeld umgehen sollte:

„Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine Standortbenennung nach der Diskussion eines Sicherheitsberichts im Grunde nur zu vermehrten Problemen führt, da die ansonsten an einem Standort erforderlichen Ar-beiten (Untersuchungen, Öffentlichkeitsarbeit usw.) nunmehr zumindest an 4 Standorten durchzuführen wären. Mit der Vorlage der Sicherheitsbe-richte für die bisher nicht bekannten Standorte Gorleben und Mariaglück würden diese Standorte außerdem voll in die öffentliche Diskussion ein-bezogen“ (vgl. Anlage K15).

Noch drei Tage vor der Standortbenennung durch die niedersächsische Landes-regierung wendet sich der damalige Bundeskanzler Schmidt in einem Brief erneut (wie schon am 15.12.1976 und am 28.01.1977) an Ministerpräsident Albrecht und macht die ablehnende Haltung der Bundesregierung gegenüber dem von Niedersachsen favorisierten Standort Gorleben deutlich:

„Ich habe ferner nachdrücklich auf die Bedenken der Bundesregierung gegen den Standort Gorleben hingewiesen“ (vgl. Schreiben v. 19.02.1977, 28.01.1977 und 15.12.1976, beigefügt als

Anlagenkonvolut K 16.

In einer Kabinettssitzung am 22.02.1977 beschließt das niedersächsische Kabi-nett,

„Gorleben als vorläufigen Standort eines möglichen Entsorgungszent-rums für ausgebrannte Kernbrennstoffe zu benennen“ (Beschluss v. 22.02.1977; Hervorh. durch Unterz.; beigefügt als

Anlage K17). Ein Protokoll der Sitzung ist, nicht bekannt. Zwei Tage später weist das Wirt-schaftsministerium in einem als

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Anlage K18

beigefügten Schreiben an das BMI auf den „vorläufigen Charakter“ der Ent-scheidung hin und beschreibt den Zweck der Standortbenennung wie folgt:

„Die von der Landesregierung vorgenommene Vorauswahl soll es den Betreibern des Projektes lediglich ermöglichen, die erforderlichen förmlichen Verfahren nach dem Atomgesetz einzuleiten“ (Hervorh. durch Unterz.).

Auch hier wird wieder der enorme Zeitdruck deutlich, unter dem das gesamte Verfahren stand. Dieser Zeitdruck für die Betreiberfirmen der Kernkraftwerke und die Regierung hatte energiepolitische, wirtschaftliche und rechtliche Grün-de. Parteiübergreifend wurde die Atomenergie Mitte der siebziger Jahre als die Lösung aller energiepolitischen Probleme gesehen. Geplant war ein Ausbau der Kraftwerkskapazität auf 35000 MWe bis 1985. Dafür musste die Entsorgung geklärt werden. Dies tat der Bund mit der 4. AtG-Novelle am 30.08.1976. Fortan wurden die Abfallverursacher verpflichtet, Atommüll schadlos zu ver-werten bzw. geordnet zu beseitigen. Die Endlagerung wird Aufgabe des Bun-des, die Industrie zahlt. Für die Errichtung von Endlagern wird ein atomrechtli-ches Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben. Fortschritte bei der Erkundung eines Endlagerstandortes bzw. Fortschritte beim Planfeststellungsverfahren gelten als Entsorgungsvorsorgenachweis. Da die Asse als offizielles „Versuchsendlager“ aber de facto Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle nach Einführung der Planfeststellungs-pflicht als Entsorgungsmöglichkeit zum 31.12.1978 aufgegeben werden musste und gleichzeitig die WAA-Verträge der deutschen Energieversorger mit Frank-reich Anfang der 1980er Jahre ausliefen, drohte der BMI damit, Neugenehmi-gungen für im Bau befindliche Atomkraftwerke ohne Entsorgungsnachweis zu versagen. Konkret war die Inbetriebnahme von Biblis B, Brunsbüttel und Un-terweser gefährdet. Vgl. dazu BMI, Ergebnisniederschrift über das Treffen der für Umweltfragen zuständigen Minister und Senatoren des Bundes und der Länder vom 28. Juni 1976 in Bonn. Anlage 3 zu Top 5. Bonn, 19.08.1976, bei-gefügt als

Anlage K 19. Die Zwischenlager an den in Betrieb befindlichen Kraftwerken wären Anfang der 1980er Jahre belegt gewesen. Erste AKW müssten ohne Entsorgungsmög-lichkeit etwa 1981/82 abgeschaltet werden (vgl. PWK an NMI. 11.01.1977, beigefügt als

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Anlage K 20).

Die Industrie stand daher unter Druck, zumindest Schritte auf dem Weg hin zu einer Entsorgungsanlage nachweisen zu müssen, um a) neue AKW für die ehr-geizigen Ausbaupläne genehmigt zu bekommen und b) die bestehenden am Netz halten zu können. Die Lösung: Die Energieversorger und hier die Projektgesellschaft Wiederauf-arbeitung für Kernbrennstoffe (PWK; später Deutsche Gesellschaft zur Wie-deraufarbeitung von Kernbrennstoffen, DWK), zu 100 Prozent im Besitz der Energieversorgungsunternehmen RWE, stellt einen Antrag auf Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens für ein Endlager. Ein Genehmigungsantrag lässt sich aber nicht ohne konkreten Standort benennen. Die später erfolgte vorläufi-ge Benennung des Standortes Gorleben hatte nur diesen einen Zweck: Den Betreibern der Kernkraftwerke den Genehmigungsantrag für ein NEZ zu er-möglichen. Dieses atomrechtliche Verfahren sollte innerhalb von 3 Jahren zu einer ersten Teilerrichtungsgenehmigung für das NEZ führen – für das Ein-gangslagerbecken um eine Verstopfung der Lagerkapazitäten zu verhindern. Die Industrie war bis zur Entscheidung des Baus eines Zwischenlagers primär an der Fertigstellung des Eingangslagers des NEZ interessiert, um ihre abge-brannten Brennelemente loswerden zu können (Anlage K20)

c) Fazit Es bleibt festzuhalten, dass die Benennung des Standortes Gorleben eine von strukturpolitischen und polizeilichen Interessen geleitete, rein politische Ent-scheidung im Rahmen von mangelhaften und zum Teil sogar tendenziell beein-flussten Auswahlverfahren war, die sich heute in vielen Details anhand von Behördenakten belegen lässt. Diese fehlerhafte Entscheidung findet Ihren Fort-gang in den ebenfalls dokumentierten politischen Beeinflussungen des Zwi-schenberichtes der PTB aus dem Mai 1983, auf dessen Grundlage die Bundes-regierung im Juli 1983 die Entscheidung zur untertägigen Erkundung allein am Standort Gorleben gefällt hat (vgl. zu diesem ganzen Vorgang Bericht zur Fra-ge der politischen Einflussnahme auf den Zwischenbericht der PTB zur weite-ren Erkundung des Standortes Gorleben (1983) http://www.bmu.de/atomenergie_ver_und_entsorgung/downloads/16_legislaturperiode/doc/45019.php). Der in diesem Verfahren beklagte Rahmenbetriebsplan zur untertägigen Er-kundung aus dem Jahr 1982/83, der bis heute die Grundlage für die Arbeiten im Gorlebener Salzstock bildet, ist eine direkte Folge dieser von politischen und politstrategischen Erwägungen getragenen und nicht von sicherheitstechni-schen Belangen abgeleiteten Entscheidung.

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2. Frühe Empfehlungen, andere Standorte zu suchen Am 23.02.1977 äußerte die Bundesregierung erneut Bedenken gegen die Auswahl von Gorleben als alleinigen Standort. Das Nuklear-Kabinett (Bun-desminister des Auswärtigen, Bundesminister für Wirtschaft, Bundesminister des Inneren, Bundesminister für Forschung und Technologie) beschloss sodann am 05.07.1977, neben Gorleben auch alternative Standorte zu prüfen; vgl.: Arbeitsgruppe RS“AKG 3“ 514 604/21 vom 01.02.1982, beigefügt als

Anlage K 21. Auch noch 1981 wurde von Seiten des Bundes die Forderung erhoben, neben Gorleben andere Standorte zu untersuchen. In dem Entwurf einer Kabinettsvor-lage des Bundesforschungsministeriums und des Innenministeriums vom 12.06.1981 wird über interministerielle Gespräche vom 05.06.1981 berichtet:

„Es bestand Übereinstimmung, dass das Thema ,Zwischenergebnisse Gorleben’ und Notwendigkeit der Untersuchungen zusätzlicher Salzstö-cke möglichst schnell im Nuklear-Kabinett erörtert werden soll“.

Weiter heißt es dort:

„Die Bundesregierung war immer der Auffassung, dass für die Entschei-dung über die Errichtung eines Endlagers für LAW/MAW/HAW die gleichzeitige Untersuchung mehrerer Standorte notwendig ist“.

Es wird dann aus dem Beschluss des Nuklear-Kabinetts vom 05.07.1977 (vgl. dazu Entwurf einer Kabinettvorlage vom BMFT/BMI vom 12.06.1981, beige-fügt als

Anlage K 22) wie folgt zitiert:

„(…) Im Übrigen ist sich die Bundesregierung darüber klar, dass eine endgültige Standortentscheidung erst nach erfolgreichem Ablauf der Standorterkundung getroffen werden kann. Deshalb müssen vorsorglich neben dem Standort Gorleben auch noch alternative Standorte geprüft werden, um bei negativem Ausgang der Untersuchungen in Gorleben mit möglichst geringem Zeitverzug die Realisierung des Entsorgungskonzep-tes an einem anderen Standort weiterzutreiben.“

Bis heute ist es nach der Benennung Gorlebens als Standort für ein nukleares Entsorgungszentrum jedoch nicht dazu gekommen, andere Standorte für ein Endlager auf ihre Eignung zu prüfen.

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3. Planfeststellungsantrag für Entsorgungszentrum Die Einleitung des Planfeststellungsverfahrens geht auf einen Beschluss des Kabinettsausschusses zur friedlichen Nutzung der Kernenergie von Anfang Juli 1977 zurück, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zu beauf-tragen, das Planfeststellungsverfahren für das Endlager am Standort Gorleben einzuleiten. Der seinerzeitige Bundeskanzler Schmidt teilte dem damaligen Ministerpräsidenten Albrecht den Beschluss des Kabinettsausschusses mit und verband diese Mitteilung mit der „Erwartung“, dass Genehmigungs- und Plan-feststellungsverfahren

„für den Standort Gorleben zügig“ durchgeführt werden und

„die noch notwendigen Erkundungsarbeiten (insbesondere Probebohrun-gen) bald beginnen können, um möglichst bald die Gewissheit zu erhal-ten, dass die erforderlichen Standortvoraussetzungen erfüllt sind“ (vgl. Anlage 1, Tiggemann, S. 81 f. m.w.N.).

Dementsprechend beantragte die PTB sodann mit Schreiben vom 28.07.1977, beigefügt als

Anlage K 23, bei dem zuständigen niedersächsischen Ministerium gemäß § 9 b AtG das

„Planfeststellungsverfahren für eine Anlage des Bundes zur Sicherstel-lung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle im Rahmen des am Standort Gorleben (Landkreis Lüchow-Dannenberg) geplanten integrier-ten Entsorgungszentrums durchzuführen.“

Es wurde ein vorläufiges Grobkonzept vorgelegt und angekündigt, dass

„(d)ieses (…) unverzüglich um umfassendere Unterlagen für ein Berg-werk zur Einlagerung leicht- und mittelaktiver Abfälle ergänzt werden (wird). Da ausreichende Standortdaten in Gorleben bisher nicht ermittelt werden konnten, werden diese Unterlagen keine standortbedingten An-gaben enthalten. Ich werde aber umgehend das Erforderliche veranlassen, um standortspezifische Daten nachreichen zu können (…).“

Weiter wird verfahrensrechtlich angeregt,

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„zunächst nur über die Geeignetheit des vorgesehenen Standortes sowie über die Einlagerung der leicht- und mittelaktiven Abfälle zu entschei-den, die Entscheidung über die Einlagerung der übrigen Abfallkategorien jedoch gemäß § 9 b Abs. 5 AtG i. V. m. § 25 Abs. 6 Abfallgesetz vorzu-behalten.“

Mit dem Planfeststellungsantrag, der sich auf alle Abfallkategorien beziehen soll, ist eine wesentliche Vorfestlegung auf den Standort Gorleben als Endlager getroffen worden. Seither hat sich zwar in dem „angeschobenen“ Planfeststel-lungsverfahren kaum etwas bewegt. Jedenfalls wurde der seinerzeitige Antrag nicht weiter begründet oder Planunterlagen eingereicht. Ursprünglich sollte die endgültige Fassung der Planfeststellungsunterlagen bis 1980 vorliegen (vgl. dazu PTB v. 28.08.1978, beigefügt als

Anlage K 24.) Offenbar um das Verfahren weiter zu betreiben, wurden bei der niedersächsi-schen Planfeststellungsbehörde jährlich Statusberichte abgegeben (vgl. dazu PTB vom 17.08.1979, beigefügt als

Anlage K 25). Mit dem seit 1977 laufenden Planfeststellungsverfahren wird deutlich, dass ein Endlager am Standort Gorleben errichtet wird. Denn weder wurde der Antrag zwischenzeitlich zurückgenommen noch das Planfeststellungsverfahren einge-stellt. Die seinerzeit so „zügig“ beantragte Planfeststellung ist also ganz offensicht-lich damit zu begründen, dass die Standortvorauswahl für den Entsorgungsvor-sorgenachweis bei Kernkraftwerksgenehmigungen erforderlich wurde und die PTB einen konkreten Auftrag zur Beantragung des Planfeststellungsverfahrens ohne Standortfestlegung nicht hätte bearbeiten können (vgl. Anlage K1, Tig-

gemann, S. 82 m.w.N.). Denn erst mit der Vierten Novelle des Atomgesetzes vom 30.08.1976 waren insbesondere eine Pflicht zur Verwertung und Beseiti-gung radioaktiver Abfälle und die Planfeststellungsbedürftigkeit von atomaren Endlagern in das Atomgesetz in §§ 9a bis 9c eingefügt worden. Konkretisiert wurden diese Regelungen durch die Grundsätze der Entsorgungsvorsorge vom 06.05.1977. Danach war der

„Nachweis der Entsorgungsvorsorge (…) zu konkretisieren (…) durch Anpassung der Vorsorge an die Fortschritte bei der Verwirklichung des Entsorgungszentrums in (Gorleben)“ (Ziff. 2.2.1, Abdruck der Grundsätze in: Lange, Die Grundsätze zur Entsorgungsvorsorge für Kernkraftwerke: Rechtscharakter und Bindungswirkung, 1990, S. 13 ff.; Hinzufügung und Hervorh. durch Unterz.).

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Nach dem politischen Scheitern der bis dahin im Rahmen des geplanten Nuk-learen Entsorgungszentrums in Gorleben auch vorgesehenen Wiederaufarbei-tungsanlage, wurden die Entsorgungsvorsorgegrundsätze überarbeitet und eine direkte Endlagerung ohne Wiederaufarbeitung angestrebt. Die neu gefassten Entsorgungsvorsorgegrundsätze wurden vom Bundesminister des Innern durch Bekanntmachung vom 19.03.1980 veröffentlicht (BAnz. Nr. 58 vom 22.03.1980, S. 2) und enthielten unter Ziff. 2.2.1 mit Verweis auf Anhang II (Beschluss der Regierungschefs von Bund und Ländern vom 28.09.1979) die Maßgabe, dass die

„Erkundung und bergmännische Erschließung des Salzstockes Gor-leben (…) zügig vorangeführt (wird), so daß die für die notwendigen Entscheidungen erforderlichen Kenntnisse über den Salzstock in der zweiten Hälfte der 80er Jahre vorliegen. Zu diesem Zweck wird das laufende Planfeststellungsverfahren für ein Endlager im Salzstock Gorleben fortgeführt“ (Ziff. 6 des Beschlusses vom 28.09.1979, Ab-druck in: Lange, Die Grundsätze zur Entsorgungsvorsorge für Kern-kraftwerke: Rechtscharakter und Bindungswirkung, 1990, S. 20 f.; Her-vorh. durch Unterz.).

Das Planfeststellungsverfahren war somit von Anfang notwendig, um den Ent-sorgungsvorsorgenachweis zum Betrieb der Kernkraftwerke zu erbringen. Die Einleitung des Planfeststellungsverfahrens wurde auch notwendig, um die Kernkraftwerksbetreiber zu Vorausleistungen zur Realisierung des Endlagers nach § 21b Abs. 2 AtG i.V.m. der Endlagervorausleistungsverordnung (Endla-gerVlV) verpflichten zu können. Nach § 21b Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 AtG können Vorausleistungen verlangt werden, wenn mit der Durchführung der Planung, dem Erwerb von Grundstücken, der anlagenbezogenen Forschung und Entwicklung, der Erkundung, der Unterhaltung von Grundstücken und Einrichtungen sowie, der Errichtung, der Erweiterung und der Erneuerung von Endlagern begonnen worden ist. Vorausleistungspflichtige beklagten in der Vergangenheit die Bescheide, mit denen Vorausleistungen erhoben wurden. Das VG Braunschweig hob 1994 Bescheide auf, denn es sah es als rechtswidrig an, dass die Vorausleistungen für den Salzstock Gorleben und die Schachtanlage Konrad in einer Abrechnung zusammengefasst wurden. Für diese gemeinsame Abrechnung fehle eine wirk-same Rechtsgrundlage und die EndlagerVlV sei wegen Verstoßes gegen § 21b Abs. 3 S. 4 AtG nichtig. Gegen die Entscheidung des VG Braunschweig legte der Bund Berufung ein und novellierte parallel die Endlagervorausleistungs-verordnung unter Beachtung der Kritikpunkt des VG Braunschweig (BfS, Jah-resbericht 2005, S. 51).

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Bemerkenswert an der Entscheidung des VG Braunschweig ist auch, dass das Gericht den Eintritt der Ablieferungspflicht bezweifelte, weil mit dieser nur dann gerechnet werden könne, wenn

„überhaupt hinreichend sicher feststeht, daß eine oder mehrere Anlagen des Bundes für diesen Zweck geeignet sind. Steht hingegen noch nicht einmal die Eignung einer bestimmten konkreten ins Auge gefaßten Anla-ge sicher fest, so muß auch nicht mit der Ablieferungspflicht an diese Anlage (…) gerechnet werden“ (VG Braunschweig, Urt. v. 18.08.1994 – 2 VG 352/88 – UA, S. 21).

Zwischen 1977 und Ende 2008 sind für den Standort Gorleben bereits Kosten in Höhe von ca. 1,5 Mrd. € entstanden, die seitens der Ablieferungspflichtigen auch beglichen wurden (vgl. dazu Angaben des BMU zu finden unter http://www.bmu.de/atomenergie_ver_und_entsorgung/endlagerung_/allgemeines/doc/2738.php). Damit ist von Seiten des Bundes und der Betreiber der Kernkraftwerke der Standort Gorleben bereits als Endlager vorgesehen und wird faktisch ausgebaut. Es ist festzuhalten, dass der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens auch ein „unausgesprochener Deal“ zugrunde liegt. Die Betreiber der Atomkraftwerke haben aufgrund der Endlagervorausleistungsverordnung seit mehr als drei Jahr-zehnten die Erkundung des Salzstocks finanziert, weil ihnen dadurch ermög-licht wurde, den Entsorgungsvorsorgenachweis zu erbringen (vgl. dazu Geulen,

Rechtsproblem der Endlagerung aus der Perspektive Drittbetroffener, in: Koch/Roßnagel (Hrsg.), 13. ATRS, S. 377, 387). 4. Bergrechtliches Verfahren Ein seitens der Bundesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten zur Frage der genehmigungsrechtlichen Behandlung des Abteufens von Schächten für ein Endlagerbergwerk im Salzstock Gorleben kam im Juni 1981 zu dem Ergebnis, dass das Abteufen der beiden Schächte in Gorleben neben der bergrechtlichen Genehmigung der vorherigen Planfeststellung nach § 9b AtG bedürfe (Breuer, Die Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle 1984, Zusammenfassung der Ergebnisse des ersten Teils, S. 68 f.). Das seinerzeit zuständige Bundesministerium des Innern (BMI) folgte dem Votum Breuers jedoch nicht, sondern entschloss sich dazu, dass das Vorhaben als „Erkundungsbergwerk“ auf der Grundlage bergrechtlicher Betriebsplanzu-lassungen durchzuführen sei. In einem als

Anlage K 26

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beigefügten Vermerk des BMI vom 04.02.1983 heißt es:

„Der BMI ist nach einem längeren Willensbildungsprozess 1981 zu der Entscheidung gelangt, dass der Auffassung von Prof. Dr. Breuer nicht ge-folgt werden kann, sondern dass ein Planfeststellungsbeschluss erst dann erforderlich ist, wenn die Eignung des Salzstockes als Endlager nach sei-ner unterirdischen Erkundung feststeht“ (vgl. Besprechungsvermerk vom 06. November 1981, Anlage 3).

Diese Entscheidung des BMI wurde mit den Bundesressorts (BMWi, BMFT, ChefBK) abgestimmt und mit Ministerschreiben vom 02. Februar 1982 den niedersächsischen Behörden und den dortigen Umweltschutz-verbänden mitgeteilt.“

Die Entscheidung des BMI wurde später, und zwar 1990 auch vom Bundes-verwaltungsgericht gestützt, da das AtG keine Rechtsgrundlage für eine atom-rechtliche Planfeststellung eines Erkundungsbergwerkes unter dem Vorbehalt der noch ausstehenden Feststellung der Standorteignung kenne (BVerwGE 85, 54, 59 f.). Allerdings war dem Bundesverwaltungsgericht die bereits 1977 ein-geleitete Planfeststellung offenbar nicht bekannt (vgl. Gaentzsch, Struktur und Problem des atomrechtlichen Planfeststellungsverfahrens, in: Ossenbühl (Hrsg.), Deutscher Atomrechtstag 2004, 2005, S. 115, 119). Die Arbeiten im Salzstock Gorleben werden seither ausschließlich auf berg-rechtlicher Grundlage zugelassen. 5. Rahmenbetriebsplan 1983 Da in Gorleben allein auf bergrechtlicher Grundlage erkundet werden sollte, war ein Rahmenbetriebsplan „für die untertägige Erkundung des Salz-stocks Gorleben“ bereits am 14. April 1982 durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt beantragt worden und wurde vom Bergamt Celle am 09.09.1983 zugelassen (vgl. Bl. 202 f. der Beiakte A zum Verwaltungsvor-gang). Gegenüber dem Planfeststellungsantrag 1977 finden sich im Rahmenbetriebs-plan keine Angaben zu dem – zwischenzeitlich aufgegebenen – „geplanten integrierten Entsorgungszentrum“. Die Zulassung erfolgte auch mit folgenden „Maßgaben“:

„2. Für die Durchführung des Vorhabens sind – soweit noch nicht ge-schehen – die erforderlichen Salzabbauberechtigungen noch nachzuwei-sen (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Bundesberggesetz).

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(…) 5. Für die vorhabensbedingten Eingriffe in Natur und Landschaft werden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Sinne der §§ 10 und 12 des Nds. Naturschutzgesetzes erforderlich; diese werden im Rahmen der Sonder-betriebspläne jeweils in Abstimmung mit dem Landkreis Lüchow-Dannenberg – als untere Naturschutzbehörde – festgelegt werden.“

Eine zeitliche Befristung sah der Rahmenbetriebsplan nicht vor. Der Rahmenbetriebsplan enthält wie in § 52 Abs. 2 Nr. 1 BBergG a.F. gefor-dert

„allgemeine Angaben über das beabsichtigte Vorhaben, dessen tech-nische Durchführung und voraussichtlichen zeitlichen Ablauf“.

Entsprechend wird das Vorhaben unter Ziff. 1 im Rahmenbetriebsplan wie folgt beschrieben:

„Der Salzstock Gorleben wird auf seine Eignung für die Endlagerung ra-dioaktiver Abfälle untersucht. (…) Die untertägige Erkundung des Salzstockes Gorleben umfaßt alle rein bergmännischen Arbeiten, um detaillierte Kenntnisse über das Salzstock-innere zu gewinnen. Auch diese Kenntnisse sind Voraussetzung für die Beantwortung der wesentlichen Frage, ob die Sicherheit im Falle der Ein-lagerung radioaktiver Abfälle gewährleistet ist und welche Mengen von Abfällen in den einzelnen Bereichen des Salzstockes gelagert werden können. (…) Dazu werden zwei Schächte abgeteuft, horizontale Strecken bis zu je 4000 m Länge nach NO und SW von den Schächten her aufgefahren und quer von den Strecken Erkundungsbohrungen gestoßen. Mit diesem Pro-gramm in einer Teufe von 800 - 850 m wird der Salzstock erkundet. Der Erkundungsbereich umfasst einen Raum von ca. 2 000 x 9 000 x 300 m. (…) Nach dem derzeitigen Stand der Planungen können die Vorbereitungen für das Schachtabteufen Anfang 1983 beginnen, das Schachtabteufen

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selbst 1985 mit der anschließenden vierjährigen Erkundung von 1989 bis 1992“ (vgl. Ziff. 1, Rahmenbetriebsplan, S. 2 und 3).

Nach den Ausführungen im Rahmenbetriebsplan umfasst die Planung des Bergwerkes zur Erkundung des Salzstockes alle Bau- und Betriebsaktivitäten über- und untertage bis zur Beendigung der Erkundung des Salzstockes (sei-nerzeit) voraussichtlich im Jahre 1992. Im Einzelnen heißt es hierzu im Rahmenbetriebsplan:

„Der Salzstock soll etwa im Teufenbereich 800 – 850 m flächig und ca. 300 m von der Streckensohle nach unten sowie, falls erforderlich, nach oben erkundet werden. Mit Hilfe von Horizontal-Vorbohrungen von beiden Schächten aus wird der Verlauf der Schachtverbindungsstrecke bestimmt und diese dann aufgefahren. Das Umfeld der Schächte wird durch weitere Vorbohrun-gen, zuerst insbesondere in der Salzstock-Längsachse, aufgeklärt, um Richtstrecken in dieser Längsachse ansetzen zu können. Von den Richt-strecken aus werden anschließend vorwiegend Horizontal-Erkundungsbohrungen quer nach beiden Seiten und/oder in einem Win-kel von ca. 45 Grad zur Streckenachse der Richtstrecken ausgeführt. (…) Außer der Erkundung der Flächen neben den Richtstrecken wird durch die Vorbohrungen gleichzeitig auch der Verlauf des nächsten Strecken-vortriebsabschnittes erkundet und dieser nach den Ergebnissen festgelegt. Bohrungen quer zur Streckenachse sind unter Umständen erforderlich, um einerseits aus dem Leine-Steinsalz (Na 3) in die Kernzone des Salz-stockes ins Straßfurt-Steinsalz (Na 2) eine günstige Verbindung zu su-chen, andererseits aber auch den Flankenbereich zu untersuchen“ (Ziff. 2.1 Rahmenbetriebsplan, S. 5/6). „Beide Schächte werden in gleicher Weise abgeteuft und ausgebaut mit einem lichten Durchmesser von 7,5 m“ (Ziff. 2.1.2 Rahmenbetriebsplan, S. 8). „Die untertägige Erkundung soll durch Auffahren von Strecken, Kern-bohrungen in unterschiedlichen Richtungen und geophysikalische Mes-sungen erfolgen. Sie erstreckt sich über eine Fläche von rund 18 km². Die streichende Länge beträgt 9,4 km und die querschlägige Breite 1,85 km im westlichen und 2,0 km im östlichen Erkundungsbereich. (…)

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Wettertechnische und betriebliche Einrichtungen bestimmen den Quer-schnitt der Strecken von 6 m Breite und mindestens 3 m Höhe. Durch die Wölbung der First ergibt sich ein Ausbruchsquerschnitt von rund 21 m²“ (Ziff. 2.1.4 Rahmenbetriebsplan, S. 13).

Das beim Schachtabteufen angefallene Salz soll auf einer Halde abgelagert werden:

„Beim Schachtabteufen im Salzteil und bei dem Auffahren der Hohlräu-me im Bergwerk fallen insgesamt etwa 1,2 Mio m² Salz (geschüttet) an. Zur Ablagerung dieses Salzes ist eine Halde östlich der Schächte – vgl. Anlage 16 - vorgesehen, die bei einer Aufstandsfläche von ca. 5 ha eine maximale Höhe von 50 m erreicht“ (Ziff. 2.4 Rahmenbetriebsplan, S. 14, 16).

Die für die obertägigen Anlagen benötigten Flächen werden wie folgt angege-ben:

„Der Landbedarf setzt sich aus den nachstehenden drei Flächen zusam-men – vgl. Anlage 16: ha

Schachtbereich I: 10,8 Schachtbereich II: 9,7 Haldengebiet mit Zuwegung: 20,0 Gesamtfläche: 40,5“ (Ziff. 6, S. 25)

Bereits kurz nachdem der Rahmenbetriebsplan zur Zulassung vorgelegt worden war, wurde er schon geändert. In einem Nachtrag vom 18.01.1983 wurden die Standorte der Schächte wegen der Ergebnisse der Schachtvorbohrungen ver-legt. In der Folge verringerte sich der Abstand der beiden Schächte voneinan-der von 600 m auf 400 m. Damit konnten auch die an den Schächten geplanten oberirdischen Anlagen zusammengelegt werden. Der Flächenbedarf für die Anlagen beträgt danach noch 30,2 ha (vgl. Nachtrag vom 18.01.1983, beige-fügt als

Anlage K 27). a) Befristung und erste Verlängerung des Rahmenbetriebsplans

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Mit Schreiben vom 20.03.1992 beantragte die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe MBH (DBE) eine Verlängerung des (unbefristeten) Rahmenbetriebsplans bis zum 31.12.1999. Die DBE be-gründete dies mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.1991 (BVerGE 89, 246), nach dem ein Rahmenbetriebsplan nur für einen bestimm-ten Zeitraum zugelassen werden dürfe, allerdings verlängert werden kann, wenn sich der Unternehmer,

„bei dem voraussichtlichen Ablauf des beabsichtigten Vorhabens (…) verschätzt hat.“

Zum neuen Zeitbedarf wurde darauf hingewiesen, dass nach „gegenwärtiger“ Einschätzung eine Beendigung der Teufarbeiten nicht vor 1995 zu erwarten sei. Die sich an das Abteufen frühestens Ende 1995 anschließende Erkundung solle unverändert wie vorgesehen vier Jahre in Anspruch nehmen, so dass

„nach heutigem Erkenntnisstand insgesamt erst Ende des Jahres 1999“ die Erkundung abgeschlossen sein werde. Eine inhaltliche Abänderung sei mit der zeitlichen Verlängerung nicht verbunden. Der Plan von 1983 gebe einen weiterhin zutreffenden Überblick über die längerfristige Entwicklung des Be-triebs des Erkundungsbergwerkes.

„Die rahmenmäßig festgelegten betrieblichen Maßnahmen zur untertägi-gen Erkundung des Salzstockes Gorleben – Schacht abteufen, Strecken-auffahrung, Erkundungsprogramm – bleiben aus heutiger Sicht unverän-dert.“ (Antragsschreiben vom 20.03.1992, S. 3).

Das Bergamt Celle befristete den Rahmenbetriebsplan im Hinblick auf die Ent-scheidung des Bundesverwaltungsgerichts mit Bescheid vom 02.04.1992 (Bl. 45 d. Verwaltungsvorgangs, Beiakte A) allerdings nur bis zum 31.12.1992 und nicht wie beantragt bis zum 31.12.1999. b) Aufstellung eines neuen Rahmenbetriebsplans nach Durchführung ei-nes bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens gefordert Mit Bescheid vom 17.09.1992 verlangte das Oberbergamt in Clausthal-Zellerfeld für die weitere Errichtung und Fortführung des Bergwerkes zur Er-kundung des Salzstockes Gorleben die Aufstellung eines neuen Rahmenbe-triebsplanes, für dessen Zulassung ein Planfeststellungsverfahren nach Maßga-be der §§ 57 a bis 57 c BBergG einschließlich einer Umweltverträglichkeits-prüfung durchzuführen sei, da sich die Sach- und Rechtslage geändert habe (Bl. 177 ff. d. Verwaltungsvorgangs, Beiakte A).

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Hintergrund dieses Bescheids war die vorherige Novellierung des BBergG im Jahre 1990. Seinerzeit führte der Gesetzgeber zur Umsetzung der UVP-RL insbesondere den sog. obligatorischen Rahmenbetriebsplan in § 52 Abs. 2a S. 1 BBergG ein, der eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich machte. Diesem Verlangen des Oberbergamtes trat die DBE mit Schriftsatz vom 25.11.1992 entgegen (Bl. 238 ff. d. Verwaltungsvorgangs, Beiakte A), legte aber gleichzeitig vorsorglich den vom Oberbergamt verlangten Rahmenbe-triebsplan vor. Die Beschreibung des Vorgehens bei der Erkundung ist in die-sem Plan identisch mit dem Rahmenbetriebsplan 1983. Außerdem erhob die DBE Untätigkeitsklage vor dem Verwaltungsgericht Lü-neburg, weil über den Antrag auf Verlängerung des Rahmenbetriebsplans 1983 noch nicht entschieden worden war. Das Verwaltungsgericht Lüneburg gab der Klage statt und wies darauf hin, dass eine beantragte Verlängerung nur versagt werden darf, wenn sich die Sachlage oder Rechtslage inzwischen verändert hat (VG Lüneburg, Urt. v. 07.0.3.1994 – 7 A 137/92 – LS). Das Bundesverwal-tungsgericht bestätigte mit Urteil vom 02.11.1995 (BVerwGE 100, 1) die Ent-scheidung des Verwaltungsgerichts Lüneburg, wonach der ursprüngliche Rah-menbetriebsplan 1983 zu verlängern sei. Die Zulassung der Verlängerung wur-de seitens des Bundesverwaltungsgerichts allerdings ebenfalls nur einschrän-kend bejaht, nämlich dass

„sich insoweit auch die Sach- und Rechtslage nicht geändert“ hat (BVerwGE 100, 1, 11). Mit Bescheid des Bergamts Celle vom 05.03.1996 wurde die Verlängerung des Rahmenbetriebsplans 1983 unter Befristung bis zum 31.12.1999 zugelassen. c) Weitere Verlängerungen der Zulassung des Rahmenbetriebsplans 1983 Mit Schreiben vom 24.02.1998 beantragte die DBE die Zulassung einer weite-ren Verlängerung des Rahmenbetriebsplans bis zum 31.12.2009. Zur Begrün-dung wies sie darauf hin, dass sich die Erkundung nicht abschließend innerhalb des Geltungszeitraumes durchführen lasse. An der 1995/96 vorliegenden Sach- und Rechtslage habe sich – bezogen auf die Zulassungsvoraussetzungen – bis dahin nichts geändert. Eine Änderung der Sachlage sei auch nicht durch das Schreiben des BfS vom 17.04.1997 eingetreten, da es unverändert das Ziel des BfS sei, den Salzstock

„in seiner Gesamtheit, also auch im Südwesten, zu erkunden, wenn dies nach dem Ergebnis der (ergebnisoffen durchgeführten) Erkundung des nordöstlichen Teils des Salzstocks erforderlich ist. Daher wird weiterhin

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die Zulassung der Verlängerung des Rahmenbetriebsplans mit seinem ur-sprünglichen Inhalt bzw. Umfang beantragt.“

Mit Schreiben vom 11.10.1999 hat die DBE den Antrag dann darauf be-schränkt,

„die Zulassung der Verlängerung des Rahmenbetriebsplans zunächst um lediglich drei Monate zu erteilen“.

Mit Bescheid vom 16.11.1999 wurde der Rahmenbetriebsplan unter Befristung bis zum 31.03.2000 antragsgemäß verlängert. Eine weitere Verlängerung bis zum 30.09.2000 erfolgte am 30.03.2000. Die Zulassung erging u. a. unter folgenden Nebenbestimmungen und Hinweisen:

„… 2. Spätestens bis zum 30. Juni 2000 ist eine Entscheidung darüber zu tref-fen, ob und in welchem Umfang die Erkundung des Salzstockes Gorle-ben weiter betrieben werden soll. Die Entscheidung ist dem Bergamt und dem Oberbergamt unverzüglich mitzuteilen. 3. Der vorliegende Antrag auf Verlängerung des Rahmenbetriebsplans vom 24. Februar 1998, bisher zurückgestellt aufgrund des Schreibens vom 11.10.1999, ist für den Fall einer Entscheidung für den Weiterbetrieb von Erkundungsarbeiten anzupassen und zu aktualisieren, soweit nicht eine Antragsrücknahme erfolgt. … 5. Es wird darauf hingewiesen, dass kurzzeitige Verlängerungen von Rah-menbetriebsplänen ohne vorherige Klärung der mittel- bis langfristigen Perspektiven des Betriebes ausscheiden, da die einem bergrechtlichen Rahmenbetriebsplan zukommenden Funktionen bei weiteren Kurzzeit-verlängerungen nicht mehr gewährleistet werden und im Übrigen der Systematik des BBergG widersprächen. Gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 1 BBergG sind Rahmenbetriebspläne für einen bestimmten längeren, nach den jeweiligen Umständen bemessenen Zeitraum aufzustellen. Dies ist bei evtl. Folgeanträgen zu beachten.“

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d) Moratorium Am 28.07.2000 beantragte die DBE in Vertretung des BfS die Zulassung der weiteren Verlängerung des Rahmenbetriebsplans bis zum 30.09.2010 und führ-te hierzu aus:

„Unseren Antrag vom 24.02.1998 modifizieren wir aufgrund zwischen-zeitlich eingetretener Änderungen wie folgt: Die Modifizierung der beantragten Verlängerung vom 24.02.1998 des o. g. Rahmenbetriebsplans ist erforderlich, weil die untertägige Erkundung des Salzstockes Gorleben unterbrochen wird.“

Es wird sodann Bezug genommen auf die Vereinbarung vom 14. Juni 2000 zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen, wo-nach die Erkundung des Salzstockes Gorleben bis zur Klärung konzeptioneller und sicherheitstechnischer Fragen für mindestens drei, längstens jedoch zehn Jahre unterbrochen werden soll. Es habe sich an der Sach- und Rechtslage hin-sichtlich der grundsätzlichen Zulässigkeit der Verlängerung des Rahmenbe-triebsplans

„bis heute nichts geändert“. In dem Antrag wird weiter hingewiesen auf die Liste von Fragen, die der Ver-einbarung vom 14. Juni 2000 als Anhang der Bundesregierung zugefügt war. Bis zur Klärung dieser offenen Fragen soll die bergmännische Tätigkeit auf einen reinen Offenhaltungsbetrieb beschränkt bleiben. Weiter heißt es wörtlich:

„Für den Fall der weiteren Erkundung würde es bei der im Antrag vom 24.02.1998 dargelegten Vorgehensweise bleiben. Wie dem Bergamt Cel-le am 17.04.1997 mitgeteilt, soll aus Gründen der Zweckmäßigkeit zu-nächst nur der nordöstliche Teil des Salzstockes Gorleben erkundet wer-den. Wenn es nach dem Ergebnis der Erkundung im nordöstlichen Teil notwendig sein sollte, müsste auch der Südwesten des Salzstockes unter-sucht werden. Insoweit wird das dem Rahmenbetriebsplan zugrunde lie-gende Vorhaben als Ganzes weder durch die Änderung der Vorgehens-weise bei der Erkundung vom 17.04.1997, noch durch die jetzt vorge-nommene Modifizierung berührt.“

Dieser Plan wurde am 29.09.2000 zugelassen. Die Zulassung wurde bis zum 30.09.2010 befristet. Ferner heißt es in der Begründung, dass das vorgesehene Erkundungs-Moratorium eine Unterbrechung der Erkundung, nicht jedoch eine Aufgabe des Standortes Gorleben oder eine abschließende Beendigung der bisher geplanten Maßnahmen bedeutet.

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Mit Schreiben vom 30.03.2010 beantragte das BfS schließlich eine weitere Verlängerung des Rahmenbetriebsplans bis zum 30.09.2020, die mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 21.09.2010 zugelassen wurde. b) Hauptbetriebspläne Der angefochtene Hauptbetriebsplan vom 17.09.2010 hat die Herstellung der Erkundungsbereitschaft sowie die Wiederaufnahme der Erkundung, d.h. die Fertigstellung der begonnenen Erkundungsarbeiten im EB 1 und im Infrastruk-turbereich, die Aufnahme der Erkundung des EB 3 sowie die Durchführung von Infrastrukturmaßnahmen zum Gegenstand (so die Betriebsbeschreibung und Zielsetzung in Kap. 0.4 des Hauptbetriebsplanes). Unter Tage sollen zahl-reiche bergtechnische Arbeiten ausgeführt werden (vgl. Hauptbetriebsplan, Kap. 0.4, Bl. 84 ff. d. Verwaltungsvorgangs, Beiakte B). Es sollen auch Erkun-dungsbohrungen aus Bohrorten des EB 1 und des Infrastrukturbereichs durch-geführt werden.

„Hierbei handelt es sich um söhlige und geneigte Bohrungen bis 500m Länge.

(…) Für den Tiefenaufschluss des EB 1 sind 5 saigere Bohrungen bis 440 m Länge geplant“ (Hauptbetriebsplan, Kap. 1.25, Bl. 177 d. Verwaltungs-vorgangs, Beiakte B).

Damit dürften die Tiefenbohrungen von den allgemeinen Angaben des Rah-menbetriebsplans abweichen, denn dort sind zum einen überwiegend Horizon-tal-Bohrungen und Erkundungen bis 300 m Tiefe vorgesehen (vgl. Rahmenbe-triebsplan 1983, S. 5). Zum anderen sollte diesen Vertikalbohrungen lediglich Ausnahmecharakter zukommen, wie der Rahmenbetriebsplan eindeutig klar-stellt:

„Vertikal- und Schrägbohrungen sind im Zuge der Erkundungsphase nur von (Entscheidungs-)Fall zu Fall notwendig und ergänzen die aus den horizontalen richtungsorientierten Kernbohrungen gewonnenen Erkennt-nisse“ (Rahmenbetriebsplan 1983, S. 6).

II. Zu den Klägern 1. Kläger zu 1) und 2)

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Die Kläger zu 1) und 2) sind Vater und Sohn und leben mit weiteren Familien-angehörigen in Schloss Gartow. Das Schloss liegt unmittelbar am Salzstock und ca. 7 km von den überirdischen Anlagen des Bergwerks Gorlebener Salz-stock entfernt. Die Familie der Kläger zu 1) und 2) betreibt Forst- und Land-wirtschaft auf ca. 5.800 ha Wald und 850 ha landwirtschaftlicher Flächen. Der Betrieb wird zurzeit vom Kläger zu 1) auf den Kläger zu 2) übergeben. Die Auflassung für die Übertragung der Grundstücke und zugehörigen Salzabbau-gerechtigkeiten ist bereits erfolgt. Die erforderliche Genehmigung nach § 156 Abs. 2 BBergG wurde erteilt. Die Eintragungen des neuen Eigentümers, des Klägers zu 2), im Grundbuch sind aber noch nicht für alle Grundstücke erfolgt. Ein Teil der Flächen liegt innerhalb des nach dem angegriffenen Rahmenbe-triebsplan zu erkundenden Gebiets. Deren Lage wird deutlich aus einer vom Bundesamt für Strahlenschutz erstellten Karte, die als

Anlage K 28 überreicht wird. Darüber hinaus hat der Kläger zu 1) eine weitere Fläche, näm-lich das Grundstück, verzeichnet im Grundbuch Gorleben, Blatt 223, Flur 8, Flurstück 42/1 mit den dazugehörigen Salzabbaugerechtigkeiten erworben, wie sich aus dem beigefügten Vertrag vom 19. August 2010 (Nr. 292 der Urkun-denrolle für das Jahr 2010),

Anlage K 29 ergibt. Die für die Übertragung der Salzrechte erforderliche Genehmigung nach § 156 Abs. 2 BbergG liegt ebenfalls vor. Dazu wird die Genehmigung vom 04.01.2011 als

Anlage K 30 überreicht. Die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch ist erfolgt. Außerdem hat der Kläger zu 1) weitere in der Nähe gelegene Salzabbaugerechtigkeiten erworben, wie dem als

Anlage K 31, beigefügtem Vertrag vom 19.08.2010 (Nr. 293 der Urkundenrolle für das Jahr 2010) entnommen werden kann. Auch deren Übertragung wurde mit Schreiben vom 04.01.2011, vgl. Anlage K 3, genehmigt. Der Kläger zu 1) hatte im Dezember 1996 für das Flurstück 10, Flur 1, Ge-markung Gartow(Gut) einen Rahmenbetriebsplan zur Salzgewinnung bei der

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Bergbehörde vorgelegt, der zugelassen wurde. Hiergegen legte das Bundesamt für Strahlenschutz Widerspruch ein, dem die Bergbehörde (nach dem Regie-rungswechsel) stattgab. Die Klage dagegen war vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich. In der Berufung wurde dann allerdings mit Blick auf die zwischen-zeitlich von der Bundesregierung erlassene Veränderungssperre ein Anspruch auf eine wegen Zeitablaufs nunmehr erforderliche Verlängerung der Zulassung des Rahmenbetriebsplans vom Gericht nicht mehr erkannt (vgl. OVG Lüne-burg, Urt. v. 17.07.2008 – 7 LC 53/05). 2. Kläger zu 3) Der Kläger zu 3) ist Fischermeister und Inhaber der Fischereirechte in der El-be bei Gorleben. Er lebt mit seiner Familie in Gorleben 2,5 km von den oberir-dischen Anlagen des Bergwerks entfernt. Sein Wohn- und Betriebsgrundstück grenzt unmittelbar an die Straße, auf der zur Zeit die Transporte von hochra-dioaktiven wärmeentwickelnden Abfällen in das sogenannte Transportbehälter-lager in Gorleben durchgeführt werden. 3. Klägerin zu 4) Die Klägerin zu 4) ist Pächterin des Grundstücks Flur 1, Flurstück 37/18 in der Gemarkung Gartow (Forst) und Inhaberin des Nießbrauchrechts an den dazu-gehörigen Salzabbaugerechtigkeiten bis zum 31.12.2025. Die entsprechenden Vereinbarungen (vom 03.09.1996/10.06.2008 nebst Eintragungsmittelungen) werden als

Anlage K 32 überreicht. Die erforderliche Genehmigung für die Übertragung wurde zunächst von der Bergbehörde verweigert. Eine Verpflichtung zur Erteilung der Genehmigung ist vom Verwaltungsgericht und vom Oberverwaltungsgericht ausgesprochen worden (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 30.10.2003 – 7 L 3421/00; 7 A 13/98). Das Grundstück liegt unmittelbar westlich von Schacht 1 am Ostrand von Er-kundungsbereich 2. Die Klägerin zu 4) hat im Dezember 1996 einen Rahmenbetriebsplan für die Gewinnung von Salz in diesem Bereich des Salzstocks vorgelegt. Die Mindest-abstände von 150 m zum Bergwerk des Bundes sind mit einem vorhandenen Abstand von ca. 300 m gut eingehalten. Gleichwohl hat die Bergbehörde eine Zulassung abgelehnt. Über den dagegen eingelegten Widerspruch ist noch

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nicht entschieden. Wegen der zwischenzeitlich von der Bundesregierung erlas-senen Veränderungssperre wird das Vorhaben zurzeit nicht verfolgt, ist aber noch nicht aufgegeben. III. Zu den Änderungen des Erkundungsvorhabens seit 1983 Wie oben bereits ausgeführt enthält der Rahmenbetriebsplan 1983 „allgemeine Angaben über das beabsichtige Vorhaben, dessen technische Durchführung und voraussichtlichen zeitlichen Ablauf“. Das im Rahmenbetriebsplan 1983 beschriebene „beabsichtigte Vorhaben“ hat sich im Laufe der vergangenen fast 28 Jahre wesentlich geändert, so dass die weitere Erkundung nicht mehr vom alten Rahmenbetriebsplan gedeckt ist. Vgl. dazu auch Klinger, Der zulassungs-rechtliche Status des Erkundungsbergwerks Gorleben und die Anforderungen an einen Folgebetriebsplan, Rechtsgutachten im Auftrag des BfS, 2009, S. 46 ff., beigefügt als

Anlage K 33. Bereits kurz vor Zulassung des Rahmenbetriebsplans sind die für die Abteu-fung der Schächte ursprünglich vorgesehenen Schachtansatzpunkte verlegt worden. Auch in der Folgezeit kam es zu zahlreichen Änderungen im Hinblick auf Abfallmengen und Abfallarten. Auch wurden die Sicherheitsanforderungen in der Zwischenzeit wesentlich geändert. 1. Veränderung der Erkundungsbereiche Nach Beginn der Abteufarbeiten sind die vorgesehenen Bereiche der Erkun-dung dergestalt verändert worden, dass Erkundungsbereich 1 und Erkundungs-bereich 2 nicht mehr – wie ursprünglich vorgesehen – südlich der Schächte aufgefahren werden sollen, sondern nunmehr in das Gebiet nördlich der Schächte verlegt wurden, ohne dass überhaupt noch eine Überschneidung zwi-schen dem alten Erkundungsbereich 1 und dem neuen Erkundungsbereich 1 bestand. Wann und aus welchem Grund dies geschah ist der Öffentlichkeit ver-schwiegen worden. Vgl. dazu als

Anlagenkonvolut K 34 beigefügtes Kartenmaterial. Bereits im Jahre 1993 wurde das geplante Vorgehen dann noch einmal erheb-lich geändert. Dies ist in einem Protokoll einer Besprechung vom 30.06.1993 zwischen Vertretern der BGR und des BfS beschrieben, das als

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Anlage K 35 beigefügt ist. In der Besprechung werden die Verringerung der anfallenden Mengen an ra-dioaktivem Abfall einerseits und die fehlenden Salzrechte des Klägers zu 1) und der Kirchengemeinde andererseits als Ausgangspunkt für alternative Pla-nungen gesehen. Wenn zu diesen fehlenden Rechten Sicherheitsabstände von 50 m eingehalten werden sollen, ergäbe sich die Notwendigkeit, die ursprüng-lich geplante Erkundung zu ändern, und zwar sowohl dem örtlichen Verlauf als auch dem Umfang nach. Dabei wird ein Umfahren der Bereiche mit den feh-lenden Rechten als bergtechnisch unproblematisch angesehen, aber als

„aus geologischen Gründen nicht mit dem bisherigen Konzept vereinbar. Gegen ein Umfahren spricht aus geologischer Sicht, dass eine nach geo-logischen Verhältnissen optimierte Auffahrung nicht möglich ist. Das Durchörtern des Hauptanhydrits wird dann nicht auszuschließen sein, was dem Gesichtspunkt der Risikominimierung widerspricht.“

Das BGR weißt in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass beim Umfah-ren gegen das in den Sicherheitskriterien der RSK enthaltene Minimierungsge-bot (Hohlraumminimierung) verstoßen wird. Auch stünden aufgrund der zu erwartenden Kompliziertheit des geologischen Baues des Salzstocks mögli-cherweise weniger geeignete Einlagerungsflächen mit mehr bzw. verstärkten Sicherheitspfeilern, insbesondere für die Endlagerung von wärmeentwickeln-den Abfällen, zur Verfügung. Die Betriebsplansituation stellt sich aus Sicht von BfS und BGR wie folgt dar:

„Die bisherigen Betriebsplanverfahren und damit zusammenhängenden Gerichtsverfahren gehen von der Erkundung des gesamten Salzstockes aus. Unabhängig von der Frage, ob für die Planfeststellung des vorsorg-lich eingereichten obligatorischen Rahmenbetriebsplanes der Nachweis der Salzrechte erforderlich ist, wäre eine Zulassung des Hauptbetriebs-planes 1996/1997 zur Fortführung der im Hauptbetriebsplan 1994/1995, der dem Bergamt vorliegt, festgelegten Planung nur bei Vorliegen der Salzrechte des Grafen v. Bernstorff [des Klägers zu 1)] möglich. Eine Beschränkung der Erkundung auf dem BfS derzeit zugängliche Be-reiche würde eine Umplanung erfordern, die praktisch ein neues Vorha-ben darstellt. Für ein solches Vorhaben würde die Bergbehörde einen neuen obligatorischen Rahmenbetriebsplan gemäß § 52 Abs. 2 a BBergG fordern, für dessen Zulassung ein Planfeststellungsverfahren mit UVP er-forderlich ist. Eine solche Forderung könnte nur – wie auch in den lau-fenden Gerichtsverfahren – damit abgewehrt werden, daß die zukünftig

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geplanten Baumaßnahmen auf einer Fläche von unter 10 ha stattfinden, während die Bergbehörde die gesamte übertägige Betriebsfläche anrech-net. Die Dauer und der Ausgang eines solchen Verfahrens ist ungewiß, so daß mit einer langen Unterbrechung der betriebsplanpflichtigen Arbeiten zu rechnen wäre.“

Als Fazit halten die Beteiligten im Rahmen ihrer Besprechung fest, dass aus

„bergbaufachlicher Sicht (…) eine Erkundung nur des nordöstlichen Be-reiches des Salzstockes Gorleben allein mit den zur Zeit dem BfS zuste-henden Salzrechten praktisch unmöglich (ist). (…) Die Möglichkeit der Errichtung eines Endlagers auch bei Verleihung der bergfreien Flächen ist mehr als fraglich.“

Es bestanden somit erhebliche Bedenken, die Erkundung aufgrund fehlender Salzrechte auf den nordöstlichen Teil des Salzstocks zu beschränken.

Trotz der zuvor geäußerten Bedenken wird die Vorgehensweise geändert und entgegen der bisher geltenden Planung der parallelen Erkundung der nordöst-lich und südwestlich gelegenen Bereiche des Salzstocks allein auf den nordöst-lichen Teil abgestellt. Das BfS begründet diesen Schritt gegenüber dem Ober-bergamt in bezeichnender Weise als „Zweckmäßigkeit“, vgl. Mitteilung vom 17.04.1997 als

Anlage K 36 beigefügt. In einem Verfahren betreffend die Genehmigung der Übertragung von Nieß-brauchrechten zum Abbau von Salz des Klägers zu 1) an die Klägerin zu 4) legte das BfS Karten zur Erläuterung des von ihm geplanten Erkundungsvor-gehens vor, die als Anlage K 37 überreicht werden. Danach sollte sich die Erkundung im Südwesten lediglich auf Bohrungen auf Flächen des Klägers zu 1) beziehen. Die Erkundung nach Nordosten hingehend war so geplant, dass der Erkundungsbereich 3 Grundstücke der Kirchenge-meinden und des Klägers zu 1) einschloss. Nach der Beendigung des Moratoriums ist das Vorhaben nun nochmals erheb-lich geändert worden. Der Erkundungsbereich 1 ist weiter nach Norden ausge-dehnt worden, der Erkundungsbereich 3 wurde radikal verkleinert und eben-

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falls nach Norden verlegt, so dass er nunmehr nördlich an den Grundstücken der Kirchengemeinden vorbeiführt. Alle sich nach Nordosten anschließenden Erkundungsbereiche sind ebenfalls radikal verkleinert worden. Aussagen zu Erkundungsplänen im Südwesten werden überhaupt nicht mehr gemacht (vgl.: zeichnerische Darstellung des Vorgehens in dem am 19.0.2010 zugelassenen Hauptbetriebsplan). Im Bundesamt für Strahlenschutz bestand schon mit den Veränderungen von 1993 die Befürchtung, dass die Bergbehörden infolge des veränderten Vorge-hens tatsächlich einen neuen Rahmenbetriebsplan mit Umweltverträglichkeits-prüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung verlangen würden. Deshalb wurde be-schlossen, formal daran festzuhalten, dass der gesamte Salzstock weiterhin erkundet werden soll. Dies geht aus einem als

Anlage K 38 beigefügten Vermerk des BfS vom 26.07.1993 hervor. Somit haben die in dem Rahmenbetriebsplan 1983 ausgewiesenen Erkun-dungsbereiche auch geografisch mit den heutigen Bereichen kaum noch etwas zu tun. Die aktuell zu erkundenden Bereiche liegen teilweise sogar außerhalb der Kontur des ursprünglichen Rahmenbetriebsplans. Der Geltungsbereich des ursprünglichen Rahmenbetriebsplans ist damit nicht mehr deckungsgleich mit dem ursprünglichen Vorhaben. Neben diesen mehrfachen Änderungen der Streckenführung, des Zeitplans, der Abfolge und des Umfangs des Erkundungsvorhabens sind auch Veränderungen an der technischen Auslegung und der Anordnung der Räume unter Tage vor-genommen worden. 2. Veränderung der Abfallmengen Der Rahmenbetriebsplan 1983 sieht das sog. „Ein-Endlager-Konzept“ vor und damit die Einlagerung grundsätzlich aller radioaktiver Abfälle, d.h. schwach-, mittel- und hochaktiver Abfälle. Für schwach- und mittelaktive Abfälle wurde bekanntlich bereits im Jahr 2002 durch Planfeststellungsbeschluss das Endlager „Schacht Konrad“ planfestge-stellt. „Schacht Konrad“ ist zugelassen für die Sicherstellung und Endlagerung schwach- und mittelaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmestrahlung. Im Endlager Gorleben wären danach nur noch hochaktive, wärmeentwickelnde Abfälle einzulagern, so dass auch darin eine Änderung gegenüber dem beab-sichtigten Vorhaben im Rahmenbetriebsplan 1983 zu sehen ist.

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Mit der Abkehr vom „Ein-Endlager-Konzept“ wird teilweise die Auffassung vertreten, dass sich die in Gorleben zu lagernde Abfallmenge erheblich redu-ziere, denn von der gesamten radioaktiven Abfallmenge sind nur ca. 10% hochradioaktiv (so Anlage K 33, Klinger, S. 47). Im Hinblick auf die abstrakte Menge des radioaktiven Abfalls mag dies zunächst einleuchten. Allerdings werden dabei zwei wesentliche Punkte übersehen, nach denen gerade nicht von einer so erheblichen Abfallreduzierung gesprochen werden kann: Zum einen enthalten die nunmehr allein in einem Endlager noch einzulagern-den hochradioaktiven Abfälle mehr als 98 % (!) der Radioaktivität. Damit ver-ändert sich ganz erheblich das ursprünglich prognostizierte radioaktive Inven-tar. Hinzukommt, dass mit der beschlossenen Laufzeitverlängerung eine wesentli-che Zunahme des noch einzulagernden hochaktiven Abfalls einhergeht. Bis zum 31.12.2010 wurden in Deutschland etwa 18.300 t hochaktive abgebrannte Brennelemente aus Kernkraftwerken entladen. Bis zum Ende der in der Atom-gesetz-Novelle 2002 beschlossenen Beendigung der Kernenergienutzung kä-men noch etwa 3.500 t hinzu. Durch die nunmehr beschlossene Verlängerung der Laufzeiten mit der 11. Atomgesetz-Änderung steigt die Menge auf ca. 8.000 t. 3. Veränderung der Abfallarten Erhebliche Änderungen haben sich auch bezüglich der Art der endzulagernden hochradioaktiven Abfälle ergeben. Das „Ein-Endlager-Konzept“ setzte ein anderes Sicherheitskonzept unter Be-rücksichtigung der gleichzeitigen Lagerung hochaktiver sowie schwach- und mittelaktiver Abfälle voraus. Insbesondere für die Beherrschbarkeit von Gas-bildungen sind die Ausgangsbedingungen einer Endlagerung in Salzgestein (Gorleben) und Erz (Schacht Konrad) unterschiedlich zu bewerten, so dass sich gegenüber den Ausgangsdaten des Rahmenbetriebsplans 1983 wesentliche Änderungen für die Bestimmung des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs und die sicherheitstechnischen Anforderungen an die Endlagerung ergeben haben (Anlage K 33, Klinger, S. 48). Auch aus dem Verbot der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente ergeben sich wesentliche Änderungen: Der Rahmenbetriebsplan 1983 setzte voraus, dass in Gorleben hochaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung in Frankreich und Großbritannien endzulagern sind. Allerdings werden gegenwär-tig nur noch verglaste Spaltproduktkonzentrate (CSD-V), kompaktierte Abfälle

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(CSD-C) und mittelradioaktive Glasprodukte (CSD-B) nach Deutschland zu-rückgeführt (Anlage K 33, Klinger, S. 48). 4. Sicherheitskriterien 1983 / Sicherheitsanforderungen 2010 Änderungen sind auch bezüglich der Sicherheitsanforderungen an die Endlage-rung radioaktiver Abfälle eingetreten. Der Rahmenbetriebsplan 1983 stützt sich auf die „Sicherheitskriterien für die Endlagerung radioaktiver Abfälle in einem Bergwerk“ (Sicherheitskriterien 1983), die am 05.01.1983 durch den Bundes-minister des Innern veröffentlicht wurden (Bundesanzeiger v. 05.01.1983, Nr. 2, S. 45 f.). Diese sollten ausdrücklich von den zuständigen Planfeststellungs-behörden der Bundesländer bei den laufenden und zukünftigen Planfeststel-lungsverfahren berücksichtigt werden (Fachausschuss Brennstoffkreislauf des Länderausschusses für Atomkernenergie, Beschluss v. 24.03.1983). a) Sicherheitskriterien 1983 Die Sicherheitskriterien 1983 enthielten beispielsweise verschiedene Schutz-ziele (Ziff. 2), Kriterien für Anforderungen an Standorte (Ziff. 4) sowie Vor-aussetzungen für Erkundung (Ziff. 6), Errichtung und Betrieb (Ziff. 7). Die Sicherheitskriterien 1983 gehen auch insbesondere von dem sog. Ein-Endlager-Konzept aus:

„Die vorliegenden Kriterien für die Endlagerung in Bergwerken gelten für alle Kategorien radioaktiver Abfälle, die in Bergwerken eingelagert werden“ (Sicherheitskriterien 1983, Ziff. 1, Hervorh. durch Unterz.).

Die Schutzziele (Mensch und Umwelt vor der Schädigung durch ionisierende Strahlung radioaktiver Abfälle zu schützen, Ziff. 2) sollen durch Maßnahmen wie die Standortauswahl, das Mehrbarrierenkonzept und die anerkannten Regeln der Technik erreicht werden. Insbesondere das Mehrbarrierenkonzept (Sicherheitskriterien 1983, Ziff. 3.2) wird zum sicheren Abschluss gegen die Biosphäre als unerlässlich dargestellt. Dabei wird eine

„Kombination folgender möglicher Barrieren betrachtet: - Abfallform - Verpackung - Versatz - Endlagerformation - Deckgebirge/Nebengestein

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Durch einzelne oder die Summe dieser Barrieren muß sichergestellt wer-den, daß nach menschlichem Ermessen keine unzulässige Freisetzung von radioaktiven Stoffen in die Biosphäre erfolgt. Je nach unstelltem Störfall trägt die einzelne Barriere ihren Anteil dazu bei, die Ausbreitung radioaktiver Stoffe ausreichend zu verhindern bzw. zu verzögern“ (Si-cherheitskriterien 1983, Ziff. 3.2).

Das Mehrbarrierensystem, damit bestehend aus Deckgebirge, Wirtsgestein und technischen Barrieren ist somit die zentrale Schutzmaßnahme des sicheren Fernhaltens von radioaktiven Stoffen in die Biosphäre. Der Endlagerstandort ist auch so

„auszuwählen, daß die Einhaltung der Schutzziele während des Betrie-bes, der Stillegung und der Zeit nach der Stillegung des Endlagerberg-werks gewährleistet werden kann“ (Sicherheitskriterien 1983, Ziff. 4).

Bezüglich der geologischen Verhältnisse eines Standorts wird klargestellt, dass

„Wasserwegsamkeiten zwischen der Biospähre und dem im Betrieb be-findlichen Endlagerbergwerk (…) einen potentiellen Freisetzungspfad für Radionuklide dar(stellen). Solche Wegsamkeiten dürfen bei Endlager-formationen allenfalls so gering sein, daß die Schutzfunktion des geolo-gischen und technischen Barrieren-Systems erhalten bleibt. Mögliche Auswirkungen durch die Einlagerung radioaktiver Stoffe (z.B. Wärme-eintrag) müssen dabei berücksichtigt werden. Nach der Stillegung des Endlagerbergwerkes dürfen in der Endlagerfor-mation vorhandene oder möglicherweise zutretende Wässer oder Salzlö-sungen nicht bzw. nicht in unzulässigem Umfang in die Biosphäre gelan-gen“ (Sicherheitskriterien 1983, Ziff. 4.6).

Auch ein Minimierungsgebot bei der Erkundung geologischer Formationen ist zu beachten:

„Zur untertägigen Erkundung müssen Schächte und Strecken – diese bis etwa zum äußersten Rand der voraussichtlichen Einlagerungsfelder – er-stellt werden. Es sollten Techniken zum Einsatz kommen, die ein ge-birgsschonendes Auffahren gewährleisten und einen möglichst geringen Instandhaltungsaufwand für Schächte und Strecken erfordern. Zusätzlich erforderliche Erkundungsbohrungen in der Endlagerformation zum Nebengestein hin sind unter Berücksichtigung von Sicherheitsge-sichtspunkten vorzutreiben.

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Um weitere Aussagen über den Ausbau der Endlagerformation, insbe-sondere hinsichtlich ihrer Barrierefunktion zu erhalten, sind gegebenen-falls zusätzliche geophysikalische Arbeitsmethoden einzusetzen“ (Si-cherheitskriterien 1983, Ziff. 6.2).

Aufgrund der bis heute in Gorleben gewonnenen wissenschaftlichen und tech-nischen Erkenntnisse der Salzstockerkundung und mit der im Hinblick auf das Endlager Konrad eingeleiteten Abkehr vom Ein-Endlager-Konzept haben sich die Sicherheitskriterien 1983 überholt. Deshalb wurden die Kriterien zuletzt wesentlich verändert und nunmehr ersetzt durch die „Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle“ (Stand 30.09.2010, Sicherheitsanforderungen 2010). Allerdings muss resümiert wer-den, dass die aktuellen Sicherheitsanforderungen aus den Gegebenheiten des Standorts Gorleben entwickelt wurden und keine objektiven Maßstäbe festle-gen, sondern auf den Standort Gorleben “zugeschnitten“ sind. Auch damit ma-nifestiert sich die Vorfestlegung auf Gorleben als Endlager hochradioaktiver Abfälle. b) Sicherheitsanforderungen 2010 Die Sicherheitsanforderungen 2010 wurden am 01.10.2010 auf der BMU-Website veröffentlicht (und zwar sind diese zu finden unter http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/endfassung_sicherheitsanforderungen_bf.pdf). Nach Mitteilung der Bundesregierung stellen die Si-cherheitsanforderungen eine

„Selbstbindung des Bundes für die jetzt anstehenden Planungsarbeiten und die Bewertung der Erkundungsergebnisse zum Salzstock Gorleben dar“ (BT-Drs. 17/3627, S. 3 Ziff. 9).

Eine Veröffentlichung der Sicherheitsanforderungen 2010 im Bundesanzeiger ist nicht vorgesehen (vgl. BT-Drs. 17/3627, S. 3 Ziff. 11). Den nunmehr aktuel-len Sicherheitsanforderungen ging eine Version aus dem Juli 2009 voraus. Die Sicherheitsanforderungen wurden im Jahr 2010 gegenüber 2009 nochmals her-abgesetzt (vgl. dazu nur BT-Drs. 17/3627, S. 1 ff.). Jedoch weichen die aktuellen Sicherheitskriterien 2010 ganz wesentlich von den Sicherheitskriterien 1983 ab und bleiben hinter dem seinerzeitigen Schutz-niveau zurück: Nunmehr wird den Sicherheitsanforderungen nicht mehr das Ein-Endlager-Konzept zugrunde gelegt (vgl. Sicherheitskriterien 1983), sondern vielmehr das System der getrennten Lagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung einerseits und der Endlagerung wärme-

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entwickelnder hochaktiver Abfälle andererseits in unterschiedlichen Bergwer-ken und Gesteinsformationen (Sicherheitsanforderungen 2009, Ziff. 1).

„Diese Sicherheitsanforderungen gelten ausschließlich für ein zu errich-tendes Endlager für wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle und er-setzen diesbezüglich die am 5. Januar 1983 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Sicherheitskriterien für die Endlagerung radioaktiver Abfälle im Bergwerk“ (Sicherheitsanforderungen 2010, Ziff. 1, Hervorh. durch Unterz.).

Auch sind die Sicherheitsstandards wesentlich verallgemeinert worden. Insbe-sondere gilt dies für die verfolgten Schutzziele (Sicherheitsanforderungen 2010, Ziff. 3). Der dauerhafte Schutz von Mensch und Umwelt soll unter Be-achtung verschiedener Sicherheitsprinzipien erreicht werden (Sicherheitsanfor-derungen 2010, Ziff. 4). Auch das schrittweise Vorgehen und die Optimierung bezüglich Strahlenschutz, Betriebssicherheit und Zuverlässigkeit des langzeit-sicheren Einschlusses der Abfälle unter Berücksichtigung der Realisierbarkeit wurden festgelegt.

„Entscheidend für die Zuverlässigkeit des langzeitsicheren Einschlusses ist ein robustes Barrieresystem, bei dem die Sicherheitsfunktionen des Endlagersystems und seiner Barrieren gegenüber inneren und äußeren Einflüssen und Störungen unempfindlich sind, das Verhalten des ein-schlusswirksamen Gebirgsbereichs gut prognostizierbar ist und die Er-gebnisse der Sicherheitsanalyse gegenüber Abweichungen von den zu-grunde gelegten Annahmen unempfindlich sind“ (Sicherheitsanforderun-gen 2010, Ziff. 5.1, Hervorh. durch Unterz.).

An dieser Stelle wird deutlich, dass das bisher in den Sicherheitskriterien 1983 zugrunde gelegte Mehrbarrierenkonzept nicht mehr verfolgt werden soll. Nunmehr soll allein ein „einschlusswirksamer Gebirgsbereich“, d.h. Salz als alleinige Barriere herhalten. In den Sicherheitskriterien 1983 war allerdings eine Kombination aus geologischen Barrieren (Deckgebirge, Wirtsgestein) und technischen Barrieren (beispielsweise Verpackung, vgl. Sicherheitskriterien 1983, Ziff. 3.2.) vorgesehen. Zum Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlung ist neben der Geltung der einschlägigen Vorschriften des Atomgesetzes und seinen Verordnungen festgelegt, dass der Schutz zukünftiger Generationen vor ionisierender Strah-lung zu bewerten ist (Sicherheitsanforderungen 2010, Ziff. 6). Die Anforde-rungen an Sicherheitsanalysen und ihre Bewertung für Betrieb und Langzeitsi-cherheit werden näher bestimmt:

„Zum Nachweis der Langzeitsicherheit ist vor jeder wesentlichen Festle-gung gemäß Kapitel 5.1 eine umfassende, standortspezifische Sicher-

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heitsanalyse und Sicherheitsbewertung, die einen Zeitraum von einer Million Jahre umfasst, vorzunehmen. Sie umfasst alle Informationen, Analysen und Argumente, die die Langzeitsicherheit des Endlagers bele-gen, und hat darzulegen, wodurch das Vertrauen in diese Bewertung be-gründet ist“ Sicherheitsanforderungen 2010, Ziff. 7.2).

Weiterhin finden sich Auslegungsanforderungen an das Sicherheitskonzept des Endlagers für die Betriebs- und Nachbetriebsphase unter Bezugnahme zum Minimierungsgebot:

„Die Durchörterung des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs mit Schächten, Auffahrungen oder Bohrungen ist zu minimieren. Bohrungen, Schächte und weitere Auffahrungen sind gebirgsschonend auszuführen und, falls sie nicht mehr gebraucht werden, vor dem Einlagerungsbetrieb so zu verschließen, dass die Barriereeigenschaften des einschlusswirksa-men Gebirgsbereichs und sonstiger sicherheitsrelevanter Barrieren erhal-ten bleiben“ (Sicherheitsanforderungen 2010, Ziff. 8.2).

Änderungen ergeben sich auch aus den erhöhten sicherheitstechnischen Anfor-derungen an die Abfallbehälter (Ziff. 8.6 der Sicherheitsanforderungen 2010). Danach ist vorgesehen, dass

„eine Handhabbarkeit der Abfallgebinde … noch nach 500 Jahren gege-ben sein“

muss. Begründet wird dies mit einer „eventuellen Bergung aus dem stillgeleg-ten und verschlossenen Endlager“; eine Rückholung der radioaktiven Abfälle ist aber – wie ausgeführt – „im Endlagerkonzept nicht vorzusehen“ (Ziff. 8.6 der Sicherheitsanforderungen 2010). Es bleibt festzuhalten, dass die Sicherheitsanforderungen 2010 von erheblich veränderten Kriterien als 1983 ausgehen. Insbesondere ist zu kritisieren, dass vom Mehrbarrierenkonzept abgerückt wurde. Diese Abkehr ist mit den spezifi-schen Gegebenheiten des Salzstocks Gorleben, insbesondere mit dem nicht vorhandenen Deckgebirge zu erklären. Im Hinblick auf den Grundsatz der Vorsorge sind möglichst mehrere Barrieren zum Schutz vor schädlichen ioni-sierenden Strahlungen vorzusehen. Nunmehr soll nur noch der einschlusswirk-same Gebirgsbereich, d.h. das Salz die einzige Barriere zum Schutz gegen die Freisetzung von Radionukliden in die Biosphäre bilden. Bemerkenswert ist auch, dass die Sicherheitsanforderungen 2010

„Grundlage und Maßstab für die vorläufige Sicherheitsanalyse und deren Überprüfung“ sind (so das BfS, Weitererkundung des Salzstocks Gorle-ben, Nov. 2010, S. 11).

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Auch damit wird deutlich, dass ganz wesentlich von den ursprünglichen Ab-sichten im Rahmenbetriebsplan 1983 abgewichen wird. Die Sicherheitsanfor-derungen und damit die Sicherheitsanalyse sind aus den tatsächlichen Gege-benheiten des Standorts heraus entstanden – sozusagen angepasst worden – und weichen damit ganz wesentlich von den objektiven Sicherheitskriterien 1983 ab. 5. Geologische Mängel des Salzstocks Gorleben Ein Endlager muss die hochradioaktiven Abfälle nach dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik für eine Million Jahre sicher vor der Biosphäre ab-schirmen. Ob dies überhaupt gelingen kann, wird von Fachleuten inzwischen zunehmend in Frage gestellt. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat sich in seinem Umweltgutachten 2000 bereits wie folgt geäußert:

„Der Umweltrat geht davon aus, dass kein für alle Zeiten sicheres Endla-ger für stark radioaktive und wärmeentwickelnde Abfälle gefunden wer-den kann. Starke Radioaktivität, hohe chemische Toxizität und Radioto-xizität, die lange anhaltende Wärmeproduktion und die durch Korrosion und mikrobielle Vorgänge hervorgetretene Gasbildung setzen dem Rück-haltevermögen der Barriereelemente enge Grenzen“ (Der Rat von Sach-verständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 2000, Stuttgart 2000, Anm. 1336).

Diese erheblichen fachlichen Zweifel bestehen weiterhin und haben sogar noch weiter zugenommen. Insbesondere eine Lösbarkeit des Problems der „sicheren Endlagerung“ zeichnet sich nicht ab. Hochradioaktive Abfälle sind radiologisch und chemisch hochgiftig und haben zum Teil sehr lange Halbwertszeiten. Plutonium besitzt beispielsweise eine Halbwertzeit von 24.000 Jahren, d.h. erst nach 24.000 Jahren ist die Hälfte des hochradioaktiven Stoffes zerfallen. 1 Millionstel Gramm kann bei Aufnahme in den menschlichen Körper z.B. durch Nahrungsaufnahme Krebs erzeugen. Zum Vergleich: Das gesamte radioaktive Inventar des havarierten Endlagers für schwach- und mittelradioaktive Abfälle im Salzstock Asse bei Wolfenbüttel passt ca. 100-mal in einen Castorbehälter. Im Salzstock Gorleben sehen die Planungen die Lagerung von hochradioaktiven Abfällen aus ca. 1.500 Castor-behältern vor. Das Risikopotential für Mensch und Umwelt am Standort Gor-leben wäre also um den Faktor 150.000 höher, als in dem gescheiterten Endla-ger im Salzstock Asse.

"Die Langzeitsicherheit von Endlagern für radioaktive Abfälle hängt ent-scheidend von der möglichen Einwirkung wässriger Lösungen auf die

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Abfälle, die Herauslösung radioaktiver Stoffe und deren Wanderung durch die Gesteinsschichten des Wirtsgesteins und des Deckgebirges in die Biosphäre ab. Deshalb ist die Trockenheit eines Endlagers von hoher Bedeutung. (...) Die Einlagerung radioaktiver Abfälle sollte in Endlagern außerhalb dieser Bereiche stattfinden, da die Lösungen zur Korrosion der Behälter führen können." (http://www.bfs.de/de/endlager/erkundungsbergwerk_gorleben/geologie/loesungen_salzstock.html).

Vor allem geologische Barrieren sollen das Eindringen von Wasser von außen, aber auch die Migration von wässrigen Lösungen, Gasen und Radionukliden aus dem Salzstock in die Biosphäre über lange Zeiträume verhindern. Es darf keine hydraulischen Verbindungen zwischen Lösungen aus dem Salzstock und den Grundwasserleitern geben. a) Deckgebirge Die übertägige Erkundung des Salzstocks Gorleben wurde im April 1979 be-gonnen und im Wesentlichen mit dem Zwischenbericht der PTB im Mai 1983 abgeschlossen. Nach 1990 wurde das übertägige Erkundungsprogram auf den südlichen Teil des Salzstockes Rambow, der unter der Elbe mit dem Salzstock Gorleben verbunden ist, ausgedehnt. Es sind insgesamt 322 Pegelbohrungen im Deckgebirge, 44 Salzspiegelboh-rungen, 4 Tief-bohrungen bis zu 2.000 m und 2 Schachtvorbohrungen (bis max. 967 m) abgeteuft worden. Von November 1979 bis Dezember1982 wurden die Deckgebirgs- und Salz-spiegelbohrungen im Auftrag der PTB von einer Arbeitsgruppe am Geologi-schen Institut der Universität Kiel unter der Leitung des Kieler Geologen Prof. Klaus Duphorn bearbeitet und ausgewertet. Die Bohrungen hatten ergeben, dass das ursprünglich geforderte, intakte Deck-gebirge über dem Salzstock Gorleben auf 7,5 km² durch die Gletscher der Els-ter-Eiszeit vor ca. 400.000 Jahren bis in eine Tiefe von über 300 m großräumig abgetragen und ausgeräumt wurde. In der dadurch entstandenen so genannten Gorlebener Rinne liegen Geröll und Grundwasser direkt auf dem Salzstock. Über dem Salzstock sind an mehreren Stellen Verbindungen vom unteren zum oberen Grundwasserstockwerk vorhanden, wodurch z.B. in der Löcknitz Nie-derung ein Aufstieg von Salzwasser bis dicht unter die Geländeoberfläche möglich ist. Die Existenz von jungen, warmzeitlichen Wässern an der Basis der Gorlebener Rinne und Soleaufstiegswässern in der Löcknitz Niederung sind Belege für aktuell stattfindende Ablaugung leichtlöslicher Salze. Im Bereich

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der schmalen Austrittsstellen des Kaliflöz Staßfurt am Salzspiegel reicht die Ablaugung fast bis 200 m unter den Salzspiegel (vorauseilende selektive Subrosion). In der Gorlebener Rinne liegt die tiefste Stelle des zentralen Salzstocksberei-ches mehr als 300 m unter der Geländeoberfläche. Im sog. Steilen Zahn, einer Aufragung des Gipshutes reicht der Saslzstock hingegen bis 133 m unter die Erdoberfläche (vgl. Duphorn, Quartärgeologisches Fazit, 1981). Dort wo noch Reste des tertiären Deckgebirges über dem Salzstock Gorleben erhalten sind, sind diese stark gestört. Im Übergang zum Salzstock Rambow konnte darüber hinaus ein kompliziertes und bis zum Salzstock hinabreichen-des System von Scheitelstörungen nachgewiesen werden. In der aktuellen Standortbeschreibung der Bundesanstalt für Geowissenschaf-ten und Rohstoffe (BGR (Hrsg.) Standortbeschreibung Gorleben Teil 1, Die Hydrogeologie des Deckgebirges des Salzstocks Gorleben, Hannover, 2007) wird dazu ausgeführt:

"Die Erkundungsergebnisse im Bereich der Rinne haben zusammen mit anderen Aussagen, z.B. zur Grundwasserdynamik, bereits zu einem recht frühen Zeitpunkt zu der pauschalen qualitativen Bewertung geführt, dass die über dem zentralen Teil des Salzstocks Gorleben vorkommenden to-nigen Sedimente keine solche Mächtigkeit und durchgehende Verbrei-tung haben, als dass sie in der Lage wären, Kontaminationen auf Dauer von der Biosphäre zurückzuhalten [PTB, 1983].

In den kommenden 1 Million Jahren rechnen Geologen mit bis zu 10 Eiszeiten, die über den Salzstock Gorleben hinweg gehen werden und zu weiteren gravie-renden Störungen im bereits mangelhaften Deckgebirge bis hinab ins Salz füh-ren werden. b) Laugen und wässrige Lösungen Lösungszutritte wurden in allen Tiefbohrungen und den Schachtvorbohrungen im Salzstock festgestellt. Die Lösungen stehen unter hohem, petrostatischen Drücken. Die BGR gibt Zuflussmengen von bis zu 165 m3 Wasser bzw. Lauge pro Zutrittsstelle an. Das Lösungsverzeichnis des BfS (vgl. http://www.bfs.de/de/endlager/erkundungsbergwerk_gorleben/geologie/loesungsverzeichnis_gorleben.html) weist allein im ersten von neun geplanten Er-kundungsbereichen, dem EB 1, über 30 Laugenvorkommen nach. Laut BfS ergaben Tests Reservoirvorkommen in der Größenordnung von maximal eini-gen tausend Kubikmetern. Die durch Funde in Akten der BGR von der Um-weltschutzorganisation Greenpeace aufgedeckten Abschätzungen von 85.000

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m³ bzw. bis zu 1 Million m³ konnten bisher weder von der BGR selbst noch vom BfS plausibel und nachvollziehbar widerlegt werden. Bei den vorgefundenen Laugen handelt es sich nach offizieller Darstellung um alte und isolierte Laugen, die keinen Kontakt zu grundwasserführenden Schich-ten aufweisen. Die Existenz der alten Laugen belege vielmehr die gute Abge-schlossenheit des Salzstocks Gorleben über lange Zeiträume (GRÜBLER & REPPERT 1983). Dies gilt allerdings nur, so lange der Salzstock nicht durch äußere Eingriffe verändert wird. Bohrungen und das Auffahren von Strecken, aber vor allem der Eintrag von Wärme durch die Einlagerung hochradioaktiver und damit wärmeentwickelnder Abfälle können die Laugen mobilisieren und Wasserwegsamkeiten herstellen. Ein Mengenbeispiel, macht deutlich, dass auch die offiziell angegebenen Re-servoirgrößen bereits zu großflächigen Wasserwegsamkeiten führen können: Um 100 m³ Lauge in Klüften von nur 1 mm Breite unterbringen zu können muss das Kluftsystem eine Gesamtfläche von 100.000 m² (=ca. 22 Fußballfel-der à 45 x 100 m) aufweisen. . Insbesondere der Wärmeeintrag (Temperatur an der Außenwand der Behälter bis 200 Grad Celsius) führt zur Ausdehnung von Lösungen. Dadurch entstehen hohe Drücke, die wiederum kleinste Aufsprengungen im Umgebungsgestein bzw. Salz, so genannte Mikrocracks zur Folge haben. Über die Laugenvorkommen hinaus muss auch dem natürlichen Wassergehalt im Salzgestein von ca. 0,012–0,017 Gew.% (BORNEMANN et al. 2008, S. 180), d.h. ca. 0,26 – 0,37 l/m³ Salzgestein Beachtung geschenkt werden.

"Bei den nach Einlagerung von wärmeentwickelnden radioaktiven Abfäl-len zu erwartenden Gebirgstemperaturen von bis zu 200 °C können sich bei den o.a. Wassergehalten bis zu ca. 630 l Wasserdampf bilden (1 l Wasser ergibt ca. 1.700 l Dampf), dessen Sprengkraft innerhalb des scheinbar dichten Salzgesteins ebenfalls nicht zu unterschätzen ist." (Greenpeace Hrsg., Dipl.-Geologe Ulrich Schneider. Erdgas- und Kon-densatvorkommen in Salz - speziell im Salzstock Gorleben. Hamburg, Februar, 2011, S. 24 ff., beigefügt als

Anlage K 39). c) Gase und Kondensate Der Salzstock Gorleben befindet sich über dem größten zusammenhängenden Gasvorkommen Deutschlands, das sich von Rambow im Nordosten unter dem Salzstock entlang aufsteigend über Wustrow bis nach Peckensen (Sachsen-

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Anhalt) im Südwesten erstreckt. Die aktuell auf dem Salzstock Wustrow nie-dergebrachte Bohrung Lüchow Z1 ist vor wenigen Tagen fündig geworden. In sämtlichen Gesteinsproben, die bei der Erkundung des Salzstockes im Er-kundungsbereich 1 entnommen und daraufhin untersucht worden, konnten Gas und /oder flüssige KW nachgewiesen werden. Es muss daher davon ausgegan-gen werden, dass der gesamte Kern des für die Endlagerung der wärmeprodu-zierenden hochradioaktiven Abfälle vorgesehenen und aus den Salzgesteinen der Staßfurt-Folge bestehenden Salzstocks von einer nicht bestimmbaren An-zahl von Gaseinschlüssen (Gasbläschen) in nicht vorhersehbarer Anordnung durchsetzt ist. Nach NOWAK, WEBER, BORNEMANN (2002) ist die Vertei-lung der Einschlüsse unregelmäßig und es ist keine Gesetzmäßigkeit bezüglich der Lage der Gesamtstruktur des Hauptsattels zu erkennen. Darüber hinaus ist die Annahme berechtigt, dass die Anzahl der flüssigen und gasförmigen Ein-schlüsse zur Tiefe hin, d.h. zur potenziellen Quelle hin nicht weniger wird son-dern zunimmt (vgl. dazu Anlage K 39, Greenpeace (Hrsg), Schneider, S. 23). Während der Schachtvorbohrung 5001 kam es zu unerwarteten und "eruptiven" Zutritten von brennbaren und explosiven Gasen u.a. in Tiefe der geplanten Ein-lagerungsbereiche (vgl. Grübler 1984). Nachweise von solchen Gaseinschlüs-sen finden sich in allen Tiefbohrungen und der Schachtvorbohrung 5002. Außer dem so genannten Zechstein-Gas, entstanden in organischen geologi-schen Schichten, die an der Salzstockbasis vorliegen (ca. 3.000 m Tiefe) wur-den auch Gasanteile des so genannten Rotliegend-Gases (Präzechsteingas, > 3.400 m Tiefe) in Proben nachgewiesen (bis zu 45% Anteil). Der PTB-Zwischenbericht 1983, auf dessen Grundlage die Entscheidung zur untertägi-gen Erkundung getroffen wurde, hatte sich mit der Feststellung in Bezug auf die Gasfunde in den Schachtvorbohrungen 5001 und 5002 1982 (von 200-900 m) damit begnügt, aufgrund der Isotopenzusammensetzung der Gase eine Ver-bindung zu dem großen Erdgasvorkommen im Rotliegenden unter dem Salz-stock ausschließen zu können. Prinzipiell kann es auch zukünftig über Risse und Klüfte zu Gasabwanderun-gen aus den Speichergesteinen an der Salzstockbasis (Zechstein) oder dem Rot-liegenden (Präzechstein) in den Salzstock hinein kommen. Durch die bei der Einlagerung wärmeentwickelnder Abfälle eintretende Erwärmung der Salzge-steine bis ca. 200°C werden sich die ohnehin hohen petrostatischen Drücke in den Gas- oder Kondensateinschlüssen weiter erhöhen. Dies führt zu neuen Rissbildungen im Salz (mikrocracks) und damit zu nicht vorhersehbaren und nicht kalkulierbaren Wegsamkeiten für Gas, Wasser und Radionuklide. d) Konvergenz versus Risse und Klüfte im Salz

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Die weit verbreitete Behauptung, dass es im Salz wegen dessen plastischer Eigenschaften, der so genannten Konvergenz, nicht zu offenen Klüften und Spalten kommen kann, ist durch Feldbeobachtungen aber auch durch Experi-mente widerlegt (HERRMANN, A.G. 1980). Auch in Gorleben sind nicht nur im Hauptanhydrit, offene, nicht verheilte Klüfte angetroffen worden. Verände-rungen der Spannungszustände im Salzgestein können

a) durch tektonische oder halokinetische Vorgänge (Beben oder Salzauf-stieg durch Gebirgsdruck),

b) Veränderungen der Gesteinstemperaturen (Eiszeit oder Einlagerung wärmeentwicklender Abfälle) oder

c) bergmännische Schaffung von Hohlräumen verursacht sein. Diese Spannungsänderungen führen zur Bildung von Bruchformen, Klüften, Spalten, Rissen unterschiedlichster Größenordnung. Noch Jahre (!) nach dem Auffahren von Strecken zeugen z.B. Feuchtstellen im Erkundungsbereich 1 mit permanenten Kondensataustritten von tiefreichenden Wegsamkeiten infolge der Auflockerung des Salzes. Im scheinbar dichten Salzgestein existieren also Migrationspfade, auf denen z.B. Gase und Kondensate oder wässrige Lösungen über weite Strecken wandern können. Der im PTB-Zwischenbericht 1983 getroffenen Aussage, dass das über dem geplanten Endlagerniveau anstehende Salzgebirge aufgrund seiner Mächtigkeit die Funktion der Hauptbarriere in einem Endlager übernehmen könne und dem seit 2010 geltenden Kriterium des Einschlusswirksamen Gebirgsbereichs als einziger Barriere für Radionuklide, Wasser und Gas (vgl. Sicherheitsanforde-rungen 2010), steht die Feststellung entgegen, dass diese Barriere infolge der durch die Aufheizung der Salzgesteine zu erwartenden Mikrorisse brüchig werden wird und damit die Barrierefunktion nicht mehr gewährleisten kann (vgl. Anlage K 39, Greenpeace (Hrsg.), Schneider, S. 25). Damit ist nicht nur der Salzstock Gorleben, sondern das Endlagerkonzept in Salz insgesamt in Frage zu stellen. 6. Vorbestimmung des Standorts Gorleben für die Nutzung als Endlager Das Erkundungsbergwerk ist bereits so ausgelegt worden, dass sich an das En-de der Erkundung ohne wesentliche weitere bergmännische Arbeiten direkt die Einlagerungsphase anschließen kann. Diese wird dann darin bestehen, dass unterhalb der Erkundungsstrecken Einlagerungskammern angelegt werden, in die – je nach Anfall – während der Einlagerungsperiode der radioaktive Abfall verbracht wird. Dieser Vorgang erfolgt Schritt für Schritt, d. h., sobald eine

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Kammer angelegt und befüllt ist, wird sie geschlossen, bevor die nächste Ein-lagerungskammer angelegt wird. Diese bergmännischen Arbeiten, die nicht während der Erkundungsphase geleistet werden, fallen somit in die Betriebs-phase, so dass am Ende der Erkundung ein für den Übergang in die Einlage-rungsphase betriebsbereites Endlager fast schon zur Verfügung steht. Dies wird vom für die Bereitstellung eines Endlagers zuständigen Bundesamt für Strahlenschutz tendenziell bestätigt. In einem Interview führte der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz auf die Frage, „was kostet ein reines Er-kundungsbergwerk?“, aus:

„Ca. 400 bis 500 Millionen €. Wie viel es wirklich ist, hängt aber nicht unwesentlich von dem konkreten Standort ab.“

Das bedeutet, dass ca. 2/3 des finanziellen Aufwandes für das Gorlebener Bergwerk, der bereits 1,5 Milliarden € beträgt, nicht der Erkundung, sondern der Errichtung eines Endlagers diente. Vgl. dazu Interview Wolfram König mit der Frankfurter Rundschau vom 02.06.2009, beigefügt als

Anlage K 40. Eine präjudizierende Wirkung, dass Gorleben bereits als Standort für das benö-tigte Endlager für hochradioaktive Wärme entwickelnde Abfälle vorbestimmt ist, geht auch von den bereits genutzten Anlagen aus, die unmittelbar neben den überirdischen Anlagen für das Erkundungsbergwerk geschaffen wurden: Hier ist insbesondere die Tatsache zu nennen, dass im sog. Transportbehälter-lager Gorleben bereits ein Teil der aus der Wiederaufarbeitung von abgebrann-ten Brennelementen in der Wiederaufarbeitungsanlage in Frankreich angefalle-nen hochradioaktiven Wärme entwickelnden Abfälle gelagert wird. Jahr für Jahr werden bekanntlich neue Abfallbehälter zur Lagerung angeliefert, und zwar solange, bis sämtliche Abfälle in Gorleben in unmittelbarer Nähe zu den oberirdischen Anlagen und Schächten des Erkundungsbergwerks stehen. Damit ist ein wesentlicher Teil der radioaktiven Abfälle, die nicht in Schacht Konrad oder anderen Anlagen endgelagert werden können, bereits an den Standort Gorleben geschafft worden. Darüber hinaus ist neben dem Zwischenlager eine Anlage gebaut worden, in der die Abfälle in einem endlagerfähigen Zustand gebracht werden können. Es handelt sich um die sog. „Pilot-Konditionierungsanlage“, in der die im Zwi-schenlager vorläufig abgestellten Abfälle in endlagerfähige Gebinde umgear-beitet werden können. Diese Anlage ist in einen betriebsbereiten Zustand ge-bracht worden.

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Aus diesen objektiven Tatsachen ist abzuleiten, dass Gorleben von Industrie und politischen Entscheidungsträgern entgegen den öffentlichen Bekundungen bereits als Endlagerstandort vorherbestimmt ist. Nur wenn der weitere Ausbau des Erkundungsbergwerks krasse Eignungsmängel ergeben sollte, wird, was den gegenwärtigen Vorhabensplan angeht, von der Umsetzung des Endlager-vorhabens in Gorleben abgelassen werden. Die Behauptung einer ergebnisof-fenen Erkundung ist daher falsch. Wegen des Fehlens alternativer Untersu-chungen besteht aber die Gefahr, dass auch Umstände, die auf Eignungszweifel oder auf eine Reduktion des Eignungspotentials schließen lassen, unbeachtet bleiben (vgl. beispielsweise die Diskussion über die Verlegung der Erkun-dungsstrecken, die aus Sicht der Geologen der BGR zu einer Reduktion des Eignungspotentials geführt haben und trotzdem in Kauf genommen wurden, weil die Rechte nicht zur Verfügung standen). Ein solches Hinarbeiten auf das gewünschte Ziel der Feststellung der Eignung des Standortes steht umso mehr zu befürchten, als immer noch nicht eine Kriterien aufzählende Beschreibung der Eigenschaften, die ein geeigneter Salzstock zu erfüllen hat, vorliegt. Im Gegenteil sind Anforderungen an die geologische Beschaffenheit eines Salz-stocks, die früher im Zusammenhang mit den Überlegungen zur Eignung eines Standortes genannt worden sind, inzwischen fallen gelassen worden. Dies trifft beispielsweise zu auf die zu Beginn der Untersuchungen in Gorleben noch er-wähnte Schutzfunktion eines unversehrten Deckgebirges und Sicherheitsab-stände von den Salzstockflanken von etwa 200 Metern, die (vgl.: Veröffentli-chung des Bundesministers für Forschung und Technologie „Zur friedlichen Nutzung der Kernenergie“, 3. Auflage 1983, S. 223 f.) inzwischen als sicher-heitsrelevant aufgegeben wurden. Mit dieser „Methodik“ für Eignungsaussage lässt sich das tatsächlich Vorgefundene als geeignet definieren, weil die For-mulierung von Voraussetzungen, die für eine positive Eignungsaussage erfüllt sein müssen, vermieden wurde. Es kommt hinzu, dass das Vorgehen bei der Standortfeststellung und den für eine Eignungsprüfung gewählten Verfahren nicht durch wissenschaftlich-technisch, ökonomisch und politisch unabhängige Gremien bestimmt und ge-steuert wird, sondern dem direkten Einfluss der jeweiligen Regierungen von Bund und Land Niedersachsen unterliegen und Gegenstand parteipolitischer Programme sind, die eine Tätigkeit der jeweiligen Regierungen vorbestimmen. Kein anderes Großprojekt der Bundesrepublik ist so wie die Lösung der Endla-gerproblematik Gegenstand parteipolitischer Programmatik. Auch deshalb kann nicht erwartet werden, dass maßgebliche Politiker, die mehr oder weniger unverhohlen auf Gorleben als Standort für ein Endlager setzen, mit ihrer Vor-entscheidung keinen Einfluss auf die Entscheidung über die Eignung von Gor-leben nehmen werden.

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II. Zum Rechtlichen Die Klage ist zulässig und begründet. 1. Zulässigkeit Die Klage ist zulässig, denn die Kläger sind sämtlich klagebefugt. a) Unterbleiben einer rechtlich gebotenen Umweltverträglichkeitsprüfung Das Unterbleiben einer rechtlich gebotenen Umweltverträglichkeitsprüfung vermittelt Betroffenen Drittschutz (vgl. z.B. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 42 Rn. 95). Da eine Umweltverträglichkeitsprüfung sowie das Plan-feststellungsverfahren für die weitere Errichtung und Fortführung des Berg-werkes zur Erkundung des Salzstocks Gorleben ohne jeden Zweifel bis heute nicht durchgeführt worden sind, werden die Rechte der Kläger verletzt. Nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3 UmwRG kann nach nunmehr herrschender Mei-nung das Unterlassen einer in § 4 Abs. 1 UmwRG genannten Prüfung durch Anfechtung der auf diesem Unterlassen beruhenden Entscheidung geltend ge-macht werden. Dies führt gem. § 4 Abs. 1 UmwRG stets zur Aufhebung dieser Entscheidung (so zutreffend Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 42 Rn. 95). Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Durchführung einer UVP gem. § 4 URG ist als absoluter Verfahrensfehler rügefähig, unabhängig davon, ob er die Entscheidung in der Sache tatsächlich beeinflusst hat (Kopp/Ramsauer, VwVfG § 75 Rn. 55; Kment, NVwZ 2007, 274). Die angefochtene Verlängerung der Rahmenbetriebsplanzulassung hätte als Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung nach Maßgabe der §§ 57a bis 57c BBergG durchgeführt werden müssen, denn für die weitere Errichtung und Fortführung des Bergwerkes zur Erkundung des Salzstocks Gorleben war die Aufstellung eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans not-wendig, für dessen Zulassung ein Planfeststellungsverfahren einschließlich einer Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen war. Gemäß § 52 Abs. 2a BBergG ist die Aufstellung eines Rahmenbetriebsplans zu verlangen und für dessen Zulassung ein Planfeststellungsverfahren nach Maß-gabe der §§ 57a und 57b BBergG durchzuführen, wenn ein Vorhaben nach § 57c BBergG einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf. Dies ist hier der Fall. b) Unterbleiben einer Gesundheitsverträglichkeitsprüfung

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Zudem ist eine Gesundheitsverträglichkeitsprüfung wegen der grundrechtli-chen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG geboten. Denn schon bei der

„entfernten Wahrscheinlichkeit“ (BVerwGE 49, 89, 124; 53, 30, 57) möglicher Gesundheitsgefahren durch Errichtung und die Fortführung des Bergwerkes zur Erkundung des Salzstocks Gorleben, besteht Anspruch auf Schutz (so Frenz, Bergbauverantwortlichkeit – vom klassischen Bergbau über Gorleben bis zur Geothermie, ZNER 2010, S. 145, 155 f.). c) Drittschutz wegen Enteignung der Salzrechte Mit dem 12. Gesetz zur Änderung des AtG v. 08.12.2010 wurde in § 9e Abs. 1 Nr. 3 AtG die Zulässigkeit der Enteignung von Bergbauberechtigungen sowie nach dem BBergG aufrechterhaltene alte Rechte wieder aufgenommen. Nach § 9d Abs. 2 S. 1 AtG ist die Enteignung ausdrücklich auch zulässig für Zwecke der vorbereitenden Standorterkundung. Der Rahmenbetriebsplan „überplant“ auch Grundstücke der Kläger zu 1) und 2), an denen auch Rechte im Sinne des § 149 BBergG, nämlich eingetragene Salzabbaugerechtigkeiten zugunsten der Kläger bestehen. Es ist den Klägern zwar bekannt, dass mit der Zulassung eines Rahmenbetriebsplans oder seiner Verlängerung rechtlich nicht bereits ein Eingriff in fremde Bergbauberechti-gungen möglich ist. Gleichwohl ist nicht ausgeschlossen, dass das Erkun-dungsbergwerk bei Zulassung eines entsprechenden Hauptbetriebsplans in Fel-der hinein erstreckt wird, für die zugunsten der Kläger Salzabbauberechtigun-gen eingetragen sind. Neben der direkten Enteignungsregelung im AtG enthält auch das BBergG mögliche rechtliche Grundlagen, beispielsweise die Enteignung „alter Rechte“ gem. § 160 Abs. 1 BBergG. 2. Begründetheit Die danach zulässige Klage ist auch begründet. Die Zulassung der Verlänge-rung des Rahmenbetriebsplans sowie die Zulassung des auf diesem Rahmenbe-triebsplan beruhenden Hauptbetriebsplans sind rechtswidrig (a) und verletzen die Kläger in ihren Rechten (b). a) Rechtswidrigkeit von Rahmen- und Hauptbetriebsplan

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Die Verlängerung des Rahmenbetriebsplans 1983 verstößt gegen §§ 52, 55, 57a BBergG. Denn der Rahmenbetriebsplan 1983 hat die gesetzlich geforderte Aufsichts- und Steuerungsfunktion vollständig verloren, weil sich die tatsächli-chen und rechtlichen Verhältnisse grundlegend geändert haben. Nach höchst-richterlicher Rechtsprechung steht die Bindungswirkung eines Rahmenbe-triebsplans grundsätzlich unter dem Vorbehalt einer nicht wesentlich geänder-ten Rechts- und Sachlage (aa). Das ursprünglich mit dem Rahmenbetriebsplan 1983 „beabsichtigte Vorhaben“ hat mit dem nach mehrfacher Verlängerung verfolgten Vorhaben kaum noch etwas zu tun (bb). Es liegt damit eine wesent-liche Änderung vor, die eine Weitererkundung nach Bergrecht wegen des obli-gatorischen Charakters des Rahmenbetriebsplans nur auf Basis einer Planfest-stellung mit Umweltverträglichkeitsprüfung zuließe (cc). Die Rechtswidrigkeit der Zulassung der Verlängerung des Rahmenbetriebsplans 1983 schlägt auch auf den angefochtenen Hauptbetriebsplan durch (dd). Die Weitererkundung ist schließlich auch deshalb rechtswidrig, weil die Beigeladene mit dem Bau des Endlagers begonnen hat und deshalb bereits heute eine atomrechtliche Plan-feststellung erforderlich ist (ee). aa) Rechtsprechung zur Bindungswirkung bergrechtlicher Rahmenbe-triebspläne Für die Beurteilung der Rechtsmäßigkeit der Zulassung der Verlängerung des Rahmenbetriebsplans kommt es entscheidend auf die Frage an, ob die Weiter-erkundung auf Basis des inzwischen 27 Jahre alten Rahmenbetriebsplans er-folgen darf, oder ob hierfür ein neuer Rahmenbetriebsplan erforderlich ist, der einer Planfeststellung gemäß der Vorschriften der §§ 52 Abs. 2a, 57 a BBergG bedarf. aaa) Zur Rechtslage soll zunächst wie folgt ausgeführt werden: Mit der Änderung des BBergG im Jahre 1990 wurde die UVP-RL umgesetzt und die UVP in das Betriebsplanverfahren integriert. Das BBergG unterscheidet seither den einfa-chen bzw. fakultativen Rahmenbetriebsplan von dem qualifizierten bzw. obli-gatorischen Rahmenbetriebsplan, der für UVP-pflichtige Vorhaben aufzustel-len ist. Bei Vorhaben, die nicht der UVP-Pflicht unterliegen, ist ein Rahmenbe-triebsplan nicht zwingend vorgeschrieben. Dennoch kann die Bergbehörde nach § 52 Abs. 2 Nr. 1 BBergG die Aufstellung eines (fakultativen) Rahmen-betriebsplans verlangen (vgl. dazu weiter Ludwig, Auswirkungen der FHH-RL auf Vorhaben zum Abbau von Bodenschätzen nach dem BBergG, 2005, S. 46 ff.). Wie noch aufgezeigt werden wird, ist im vorliegenden Fall ein Rahmenbe-triebsplan auf Basis des seit 1990 gültigen BBergG zwingend geboten.

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Im Zuge der Umsetzung der UVP-RL war es notwendig, die UVP in das ge-stufte bergrechtliche Genehmigungsverfahren zu integrieren. Der Gesetzgeber verankerte die Verpflichtung zur Durchführung einer UVP auf der Stufe der Zulassung des Rahmenbetriebsplans, damit die Umweltauswirkungen eines Vorhabens möglichst frühzeitig beurteilt werden (vgl. dazu weiter Ludwig, a.a.O., 2005, S. 48 ff.). bbb) Das Problem, ob nach Ablauf des ursprünglichen Rahmenbetriebsplans von 1983 für die Erkundung des Salzstocks Gorleben ein neuer Rahmenbetriebs-plan erforderlich ist, hat bereits in der Vergangenheit die Rechtsprechung be-schäftigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner zweiten Gorlebenentscheidung die Frage, ob nach Ablauf der Geltungsdauer des 1983 zugelassenen Rahmenbe-triebsplans und nach Inkrafttreten des Bergrechtsänderungsgesetzes gemäß § 52 Abs. 2a BBergG n.F. die Vorlage eines neuen, der Planfeststellung mit UVP bedürfenden Rahmenbetriebsplans verlangt werden könne, verneint (BVerwG, Urt. v. 02.11.1995 – 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, juris Rn. 20 ff.). Hinter-grund war eine gegenläufige Entscheidung des Bergamts Celle, in der die Ver-längerung des Rahmenbetriebsplans 1983 mit dem Argument abgelehnt wor-den war, dass aufgrund der Änderung des BBergG für die Fortsetzung der Er-kundung ein Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Auffassung im Jahre 1995 wie folgt begründet:

„Die weitere Errichtung des Erkundungsbergwerks bedarf nach Ablauf der Geltungsdauer des 1983 zugelassenen Rahmenbetriebsplans am 31. Dezember 1992 nicht eines neuen sog. obligatorischen Rahmenbe-triebsplans gemäß § 52 Abs. 2a BBergG. (…) Ob und gegebenenfalls inwieweit die am 1. August 1990 in Kraft getre-tenen Vorschriften über den obligatorischen Rahmenbetriebsplan auf die Fortführung von zu diesem Zeitpunkt bereits teilweise zugelassenen und – wie hier – sogar in der Durchführung stehenden Vorhaben anzu-wenden sind, bestimmt die Überleitungsvorschrift des Art. 2 des Berg-rechtsänderungsgesetzes vom 12. Februar 1990 (BGBl. I S. 215). Aus ihr ergibt sich ohne Zweifel, daß die am 1. August in Kraft getretenen Ände-rungen des Bundesberggesetzes nicht auf die Fortführung des Erkun-dungsbergwerks anzuwenden sind. (…) Sinn und Zweck der Einführung des Planfeststellungsverfahrens für die Zulassung des obligatorischen Rahmenbetriebsplans ist es, daß ein

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Vorhaben, das bestimmte Kriterien erfüllt (…), für die Beurteilung der Umweltauswirkungen als Ganzes in den Blick genommen wird und Ge-genstand des Verfahrens ist. Demzufolge läge es fern, die Fortführung bereits teilweise genehmigter und durchgeführter Vorhaben im nachhinein der Umweltverträglichkeitsprüfung und einem Planfest-stellungsverfahren zu unterwerfen. Eine so weitgehende Anwendung neuen Rechts auf teilweise abgeschlossene Tatbestände wäre ungewöhn-lich und hätte einer entsprechenden Aussage des Gesetzgebers bedurft.“

Damit soll im Jahre 1995 kein neuer sog. obligatorischer Rahmenbetriebsplan nach § 52 Abs. 2a BBergG und damit auch kein Planfeststellungsverfahren nach Maßgabe der §§ 57a und 57 b BBergG erforderlich gewesen sein. ccc) Die noch in die heutige Zeit hineinragende präjudizielle Wirkung dieser Ent-scheidung für die Beurteilung des vorliegenden Falls ist allerdings als gering zu veranschlagen. Denn die Rechtsprechung hat sich seither weiter entwickelt und in nachfolgenden Entscheidungen die Bindungswirkung von Rahmenbe-triebsplänen weiter präzisiert. Das BVerwG hat schon in seinem Urteil zum Gasspeicher Berlin (Urt. vom 13.12.1991, Az.: 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246), entschieden, dass dem Be-günstigten grundsätzlich mit einem Rahmenbetriebsplan kein berechtigender Rahmen vorgegeben wird:

„Dem Bergbauunternehmer soll ein verpflichtender, aber nicht in glei-cher Weise wie bei einem Vorbescheid ein berechtigender Rahmen vorgegeben werden. Ergeben sich während des Geltungszeitraums eines zugelassenen Rahmenbetriebsplans Umstände, die gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 BBergG der Zulassung von Haupt- und Sonderbe-triebsplänen entgegenstehen, so können diese nicht gleichwohl unter Berufung auf eine Bindungswirkung des Rahmenbetriebsplans zugelas-sen werden.“ (BVerwGE 89, 246, 254)

Ein weitreichender Vertrauensschutz des Bergunternehmers auf den Bestand der Zulassung eines Rahmenbetriebsplans besteht danach grundsätzlich nicht. Dem Rahmenbetriebsplan kommt in erster Linie eine Steuerungs- und Auf-sichtsfunktion im Hinblick auf nachfolgende Hauptbetriebspläne zu. Nach ak-tuellen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts von 2006 (Urteil vom 29.06.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205) und 2008 (Urteil vom 20.10.2008, 7 B 21/08, NVwZ 2009, 333) entfaltet der Rahmenbetriebsplan danach vor allem Bindungswirkung im Hinblick auf einen nachfolgenden Hauptbetriebs-plan dahingehend, dass die Zulassung des Rahmenbetriebsplans

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„mit Blick auf § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG die Feststellung (enthält, dass das Vorhaben) nicht aus überwiegenden öffentlichen Interessen“

zu untersagen ist. Die in der Zulassung des Rahmenbetriebsplans getroffene Feststellung können danach grundsätzlich bei der Zulassung der Hauptbe-triebspläne

„nicht erneut in Frage gestellt werden“ (BVerwGE 89, 205, 212; BVerwGE 100, 1, 11 ff.).

Das bedeutet aber nicht, dass ein einmal begonnenes („beabsichtigtes“) Vorha-ben dauerhaft fortgeschrieben werden darf. § 55 Abs. 1 gilt, wie § 52 Abs. 4 Satz 2, § 54 Abs. 1 und § 56 Abs. 3 BBergG belegen, auch für die Verlänge-rung eines Rahmenbetriebsplans (so schon Urteil vom 13. Dezember 1991 - BVerwG 7 C 25.90 - BVerwGE 89, 246, 259). Ein Freibrief, ein früher „beab-sichtigtes“ Vorhaben unbegrenzt in die Zukunft weiter verfolgen zu können, kann es danach nicht geben. Das Bundesverwaltungsgericht hat vielmehr in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass die bergrechtliche Betriebsplanzu-lassung unter einem Vorbehalt der Änderung der tatsächlichen und rechtli-chen Verhältnisse steht. Bereits in dem zitierten Urteil zur Erkundung des Salzstocks Gorleben wird bezüglich der damals in Rede stehenden Verlänge-rung des Rahmenbetriebsplans 1983 wie folgt ausgeführt:

„Davon geht im Ergebnis auch das Verwaltungsgericht aus, wenn es das Prüfprogramm für die Entscheidung über den Verlängerungsantrag dahin umreißt, daß die Verlängerung zuzulassen sei, wenn in bezug auf die noch nicht ausgeführten Maßnahmen des Rahmenbetriebsplans die ur-sprüngliche Zulassung rechtmäßig erteilt worden sei und sich seitdem in-soweit auch die Sach- und Rechtslage nicht geändert habe.“ (BVerw-GE 100, 1, 11)

Weiter wird unter Bestätigung der früherer Rechtsprechung zur geringen Reichweite des Vertrauensschutzes ausgeführt, dass der Rahmenbetriebsplan-zulassung

„eine gegenüber dem Vorbescheid mindere Bindungswirkung (zukommt, der zufolge) bei unveränderter Sach- und Rechtslage (die Zulassung) nicht aus einem Grund versagt werden dürfe, der schon zur Versagung der Rahmenbetriebsplanzulassung hätten führen müssen“ (BVerwGE 100, 1, 12).

Eine solche Anbindung der Verlängerungsmöglichkeit an eine grundsätzlich unveränderte „Sach- und Rechtslage“ leuchtet unmittelbar ein. Denn dem Rahmenbetriebsplan kommt nach herrschender Auffassung eine umfassende

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Aufsichts- und Steuerungsfunktion für das geplante Bergbauvorhaben zu (BVerwGE 89, 246,254) und bildet die „Klammer“ (diesen Begriff gebraucht Ludwig, Auswirkungen der FHH-RL auf Vorhaben zum Abbau von Boden-schätzen nach dem BBergG, 2005, 46) für die einzelnen Hauptbetriebspläne. Diese „Klammerfunktion“ im Sinne der Gewährleistung einer umfassenden Aufsichts- und Steuerungsfunktion vermag ein Rahmenbetriebsplan über einen längeren Zeitraum aber nur dann zu erfüllen, wenn sich die Sach- und Rechts-lage nicht grundlegend verändert. In seinem Urteil vom 29.06.2006 (Az.: 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205) hat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsprechung zum Vorbehalt einer unverän-derten Sach- und Rechtslage weiter fortgeführt:

„Weil die Zulassung des Rahmenbetriebsplans die Feststellung enthält, dass das Gesamtvorhaben zulassungsfähig ist und nicht aus überwiegen-den öffentlichen Interessen untersagt oder eingeschränkt werden darf und diese Feststellung der Bestandskraft fähig ist, kann bei der Zulassung der Hauptbetriebspläne die grundsätzliche Zulassungsfähigkeit des Gesamt-vorhabens – vorbehaltlich einer Änderung der tatsächlichen Verhält-nisse – nicht erneut in Frage gestellt werden“ (BVerwGE 126, 205, 212).

Auch mit Beschluss vom 20.10.2008 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die eingeschränkte Bindungswirkung der Rahmenbetriebsplanzulassung

„vorbehaltlich einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse“ (BVerwG NVwZ 2009, 333, 334).

Zusammenfassend ist deshalb davon auszugehen, dass nach dem inzwischen erreichten Stand der Rechtsprechung eine Verlängerung des Rahmenbetriebs-plans nach geltendem Recht nur dann möglich ist, wenn sich seit der ursprüng-lichen Zulassung des Rahmenbetriebsplans für ein bergbauliches Vorhabens die Rechts- und Sachlage nicht derart geändert hat, dass der Rahmenbetriebs-plan die ihm zugedachte Steuerungs- und Aufsichtsfunktion nicht mehr zu er-füllen vermag. bb) Vollständiger Verlust der Steuerungs- und Aufsichtsfunktion Gemessen an diesen Maßstäben kann die Zulassung der Verlängerung des Rahmenbetriebsplans keinen Bestand haben. Der alte Rahmenbetriebsplan von 1983 hat seine Steuerungs- und Aufsichts-funktion vollständig verbraucht. Das ursprünglich beabsichtigte Vorhaben hat mit der aktuellen Weitererkundung von Gorleben nichts mehr zu tun. Die Rechts- und Sachlage hat sich grundlegend geändert.

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Zu diesem Ergebnis ist auch ein sorgfältiges Rechtsgutachten gelangt, welches im Auftrag der Beigeladenen von dem Berliner Rechtsanwalt Remo Klinger erstellte worden ist (vgl. Klinger, Der zulassungsrechtliche Status des Entsor-gungsbergwerks Gorleben und die Anforderungen an einen Folgebetriebsplan, Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz, September 2009, S. 46 ff., bereits beigefügt als Anlage K 33). Wir beziehen uns auf die Aussagen dieses Gutachtens auch zur Begründung der vorliegenden Klage. Zunächst ist festzustellen, dass sich die Rechtslage seit Zulassung des ur-sprünglichen Rahmenbetriebsplans im Jahre 1983 mit der Verabschiedung des neuen Berggesetzes von 1990 grundlegend geändert hat. Nach § 52 Abs. 2a BBergG bedarf die Aufstellung eines Rahmenbetriebsplanes eines Planfeststel-lungsverfahren nach Maßgabe der §§ 57a und 57b, wenn ein bergbauliches Vorhaben nach § 57c einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist. Mithin liegt ohne jeden Zweifel eine Änderung der Rechtslage vor, die grund-sätzlich zu beachten ist und die auch grundsätzlich geeignet ist, die Bindungs-wirkung des Rahmenbetriebsplans von 1983 zu durchbrechen. Vor allem hat sich aber auch die Sachlage „grundlegend“ geändert. Prüfungs-maßstab ist hierbei das „beabsichtigte Vorhaben“, wie es sich aus dem Plan-feststellungsantrag 1977 und dem Rahmenbetriebsplans 1983 ergibt, sowie des heutigen Erkundungsvorhabens, wie es sich im Zeitpunkt der Verlängerung des Rahmenbetriebsplans im Jahr 2010 darstellt. Welche Änderungen sich ergeben haben, ist bereits ausführlich unter der Sach-verhaltsdarstellung unter A. dargelegt worden und soll hier deshalb nur noch einmal kurz rekapituliert werden: Das im Antrag der PTB vom 28.07.1977 zur Planfeststellung beantragte Vor-haben bezog sich auf eine „Anlage zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle“ im Sinne der §§ 9b Abs. 1 und 9a Abs. 3 S. 1 AtG. Der Antrag war gerichtet auf die Endlagerung von leicht-, mittel- und hochaktiven Abfällen. Auch der Rahmenbetriebsplan 1983 bezieht sich auf „radioaktive Abfälle“, ohne eine Einschränkung oder Spezifizierung hinsichtlich schwach-, mittel- oder hochaktiver Abfälle vorzunehmen; dies entspricht dem Vorha-benskonzept der Sicherheitskriterien 1983. Das „beabsichtigte Vorhaben“ (§ 52 Abs. 2 BBergG) wird im Rahmenbetriebsplan 1983 vielmehr dahingehend de-finiert, dass der Salzstock Gorleben allgemein „auf seine Eignung für die End-lagerung radioaktiver Abfälle untersucht“ werden soll. Diesbezüglich wird erläutert, dass das Vorhaben dazu dienen soll,

„detaillierte Kenntnisse über das Salzstockinnere zu gewinnen. Auch die-se Kenntnisse sind Voraussetzung für die Beantwortung der wesentlichen Frage, ob die Sicherheit im Falle der Einlagerung radioaktiver Abfälle

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gewährleistet ist und welche Mengen von Abfällen in den einzelnen Be-reichen des Salzstocks gelagert werden können“ (Rahmenbetriebsplan 1983, Ziff. 1, S. 2).

Neben „allgemeinen Angaben“ zur „technischen Durchführung“ enthält der Rahmenbetriebsplan 1983 auch Angaben zum zeitlichen Ablauf. Dazu heißt es im Rahmenbetriebsplan 1983, dass nach Abteufung der beiden Schächte bis Mitte 1985 „die eigentliche Erkundung, nämlich das Auffahren der Strecken mit Vor- und Erkundungsbohrungen … vier Jahre, von 1989 bis 1992 (dauert)“ (Rahmenbetriebsplan 1983, S. 18). Diese „beabsichtigte Vorhaben“ hat sich seit 1983 nahezu in allen wesentlichen Aspekten geändert. Als wichtigste Änderungen wären zu benennen: Die für ein potenzielles Endlager vorgesehenen Abfallmengen haben sich gegenüber den Angaben in dem ursprünglichen Rahmenbetriebsplan verändert. Die Abfallar-ten haben sich ebenfalls drastisch verändert. Das ursprünglich beabsichtige Ein-Endlagerkonzept hat sich verflüchtigt und weitgehend eine Leerstelle hin-terlassen. Ein tragfähiges Endlagerkonzept ist bis heute nicht erkennbar. Die früheren Sicherheitskriterien sind überholt und neue Sicherheitsanforderungen wurden auf den Standort Gorleben „zugeschnitten“. Die in dem Rahmenbe-triebsplan 1983 ausgewiesenen Erkundungsbereiche haben auch geografisch mit den heutigen Bereichen kaum noch etwas zu tun. Die aktuell zu erkunden-den Bereiche liegen teilweise sogar außerhalb der Kontur des ursprünglichen Rahmenbetriebsplans. Erstmalig sind Gegenstand der Zulassung systematische Vertikalbohrungen. Im Einzelnen soll dazu noch einmal wie folgt ausgeführt werden:

• Abfallmengen haben sich drastisch reduziert: Ursprünglich sah das sog. „Ein-Endlager-Konzept“ im Rahmenbetriebsplan 1983 und den Si-cherheitskriterien 1983 die Einlagerung grundsätzlich aller radioaktiver Abfälle vor, d.h. schwach-, mittel- und hochaktiver Abfälle. Für schwach- und mittelaktive Abfälle wurde im Jahr 2002 allerdings durch Planfeststellungsbeschluss das Endlager „Schacht Konrad“ planfestge-stellt. „Schacht Konrad“ ist zugelassen für die Sicherstellung und End-lagerung schwach- und mittelaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmestrahlung. Im Endlager Gorleben wären danach nur hochaktive, wärmeentwickelnde Abfälle einzulagern, die allerdings 98 % der Ra-dioaktivität beinhalten.

• Abfallarten: Wesentliche Änderungen haben sich auch bezüglich der

Art der endzulagernden hochradioaktiven Abfälle ergeben.

Das „Ein-Endlager-Konzept“ setzte ein anderes Sicherheitskonzept un-ter Berücksichtigung der gleichzeitigen Lagerung hochaktiver sowie

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schwach- und mittelaktiver Abfälle voraus. Insbesondere für die Be-herrschbarkeit von Gasbildungen sind die Ausgangsbedingungen einer Endlagerung in Salzgestein (Gorleben) und Erz (Schacht Konrad) un-terschiedlich zu bewerten, so dass sich gegenüber den Ausgangsdaten des Rahmenbetriebsplans 1983 wesentliche Änderungen für die Be-stimmung des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs und die sicher-heitstechnischen Anforderungen an die Endlagerung ergeben. Auch aus dem Verbot der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennele-mente ergeben sich wesentliche Änderungen: Der Rahmenbetriebsplan 1983 setzte voraus, dass in Gorleben hochaktive Abfälle aus der Wie-deraufarbeitung in Frankreich und Großbritannien endzulagern sind. Al-lerdings werden gegenwärtig nur noch verglaste Spaltproduktkonzentra-te (CSD-V), kompaktierte Abfälle (CSD-C) und mittelradioaktive Glasprodukte (CSD-B) nach Deutschland zurückgeführt.

• Sicherheitsanforderungen 2010: Dem Rahmenbetriebsplan lagen die „Sicherheitskriterien für die Endlagerung radioaktiver Abfälle in einem Bergwerk“ (Sicherheitskriterien 1983) zu Grunde (Bundesanzeiger 35 (1983) Nr. 2, S. 45 f.). Aufgrund der bis heute gewonnenen wissen-schaftlichen und technischen Erkenntnisse der Salzstockerkundungen in Gorleben haben sich die Sicherheitskriterien 1983 grundlegend geän-dert. Nunmehr sind die „Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle“ aus dem Jahre 2010 heran-zuziehen.

Die Sicherheitsanforderungen 2010 beziehen sich nunmehr nicht mehr auf die Endlagerung „radioaktiver Abfälle in einem Bergwerk“, son-dern vielmehr ausschließlich auf die Endlagerung hochaktiver wärme-entwickelnder radioaktiver Abfälle; sie legen mithin nicht mehr das Ein-Endlager-Konzept zugrunde, sondern vielmehr das Konzept der ge-trennten Lagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle mit ver-nachlässigbarer Wärmeentwicklung einerseits und der Endlagerung wärmeentwickelnder hochaktiver Abfälle andererseits in unterschiedli-chen Bergwerken und Gesteinsformationen (GRS 2005, S. 157 ff.; so-wie GRS 2007, S. 48 ff.). Auch sind die Sicherheitsstandards wesentlich verändert worden. Dies ist auf die Abkehr vom Mehrbarrierensystem zurückzuführen. Denn nunmehr soll allein ein „einschlusswirksamer Gebirgsbereich“, d.h. das Salz als alleinige Barriere gelten (vgl. Sicherheitsanforderungen 2010, Ziff. 5.1). In den Sicherheitskriterien 1983 war allerdings eine Kombi-nation aus geologischen Barrieren (Deckgebirge, Wirtsgestein) und technischen Barrieren (beispielsweise Verpackung, vgl. Sicherheitskri-terien 1983, Ziff. 3.2.), eben das Mehrbarrierensystem vorgesehen.

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Änderungen ergeben sich auch aus den sicherheitstechnischen Anforde-rungen an die Abfallbehälter (Ziff. 8.6 der Sicherheitsanforderungen 2009). Danach ist vorgesehen, dass „eine Handhabbarkeit der Abfallge-binde … noch nach 500 Jahren gegeben sein“ muss. Begründet wird dies mit einer „eventuellen Bergung aus dem stillgelegten und ver-schlossenen Endlager“; eine Rückholung der radioaktiven Abfälle ist aber – wie ausgeführt – „im Endlagerkonzept nicht vorzusehen“ (Ziff. 8.6 der Sicherheitsanforderungen 2010).

• Geografische Änderungen des räumlichen Geltungsbereichs: Wie

bereits aufgezeigt wurde, haben die in dem Rahmenbetriebsplan 1983 ausgewiesenen Erkundungsbereiche auch geografisch mit den heutigen Bereichen kaum noch etwas zu tun. Die aktuell zu erkundenden Berei-che liegen teilweise sogar außerhalb der Kontur des ursprünglichen Rahmenbetriebsplans. Der Geltungsbereich des ursprünglichen Rah-menbetriebsplans ist damit nicht mehr deckungsgleich mit dem ur-sprünglichen Vorhaben.

• Erstmalige Zulassung systematischer vertikaler Bohrungen: Mit

dem angefochtenen Hauptbetriebsplan werden erstmalig systematisch Vertikalbohrungen zugelassen. Das hängt damit zusammen, dass der Tragfähigkeit eines möglichen neuen Endlagerkonzepts (Versenkung des gesamten Abfalls in vertikalen Bohrlöchern mit Bergungsmöglich-keit für einen Zeitraum von 500 Jahren) erforscht werden soll. Diese Erkundungsmaßnahme ist durch den Rahmenbetriebsplan ersichtlich nicht mehr gedeckt. Zwar sieht auch der Rahmenbetriebsplan 1983 Er-kundungsmaßnahmen „ca. 300 m von der Streckensohle nach unten“ (S. 5) vor. Allerdings sollte diesen Vertikalbohrungen lediglich Aus-nahmecharakter zukommen, wie der Rahmenbetriebsplan eindeutig klarstellt: „Vertikal- und Schrägbohrungen sind im Zuge der Erkun-dungsphase nur von (Entscheidungs-)Fall zu Fall notwendig und ergän-zen die aus den horizontalen richtungsorientierten Kernbohrungen ge-wonnenen Erkenntnisse“ (S. 6).

Zusammenfassend ist festzuhalten: Die vorgenannten wesentlichen Änderun-gen des dem Rahmenbetriebsplan 1983 zugrunde liegenden Vorhabens führen dazu, dass sich die Aufsichts- und Steuerungsfunktion des Rahmenbetriebs-plans 1983 vollständig aufgebraucht hat. Der Rahmenbetriebsplan 1983 betraf ein wesentlich anderes, als das jetzt verfahrensgegenständliche Vorhaben. Der Rahmenbetriebsplan 1983 kann somit nicht Grundlage einer weiteren Er-kundung des Salzstocks Gorleben sein. Seine Verlängerung ist mithin rechts-widrig.

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cc) Weitererkundung nur auf Basis einer Planfeststellung mit Umweltver-

träglichkeitsprüfung zulässig Wegen des vorstehend skizzierten vollständigen Verbrauchs des ursprüngli-chen Rahmenbetriebsplans kommt nach Auffassung der Kläger grundsätzlich nur die Neuaufstellung eines Rahmenbetriebsplans in Betracht. Eine Weitererkundung des Salzstocks Gorleben bedarf deshalb gem. § 52 Abs. 2a BBergG der Aufstellung eines Rahmenbetriebsplanes im Rahmen eines Planfeststellungsverfahren nach Maßgabe der §§ 57a und 57b, weil für ein sol-ches bergbauliches Vorhaben nach § 57c i.V. mit § 1 UVP-V Bergbau einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist. Nach § 1 Nr. 1 a) aa) UVP-V Bergbau bedürfen Bergbauvorhaben im „Tief-bau“ einer Umweltverträglichkeitsprüfung, wenn der

„Flächenbedarf der übertägigen Betriebsanlagen und Betriebsein-richtungen, wie Schacht- und Stollenanlagen, Werkstätten, Verwal-tungsgebäude, Halden (Lagerung oder Ablagerung von Boden-schätzen, Nebengestein oder sonstigen Massen), Einrichtungen zur Aufbereitung und Verladung, von 10 ha oder mehr“

übersteigt. Dieser „Schwellenwert“ wird hier erheblich überschritten, sodass an der UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens kein ernsthafter Zweifel bestehen kann. Erforderlich ist damit ein obligatorischer Rahmenbetriebsplan im Sinne von § 52 Abs. 2a BBergG, der in dem Verfahren nach §§ 57a und 57b aufzustellen ist. dd) Auch Hauptbetriebsplan rechtswidrig Die Rechtswidrigkeit der Zulassung der Verlängerung des Rahmenbetriebs-plans 1983 schlägt auch auf den angefochtenen Hauptbetriebsplan durch, so-dass auch dieser aufzuheben ist. Im Geltungsbereich eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans ist der rechtli-che Bestand eines Hauptbetriebsplans grundsätzlich von dem Schicksal eines rechtlich zwingend gebotenen Rahmenbetriebsplans abhängig. Die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verlängerung des Rahmenbetriebs-plans resultiert, wie ausgeführt wurde, aus der Missachtung der nach § 52 Abs. 2a BBergG gebotenen Planfeststellungspflicht sowie dem Unterbleiben der

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gebotenen Umweltverträglichkeitsprüfung. Aus demselben Grund kann auch der angefochtene Hauptbetriebsplan keinen Bestand haben. Denn es wäre wi-dersinnig, einen Hauptbetriebsplan als rechtmäßig anzusehen, obwohl eine rechtlich zwingend geboten Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt wurde und deshalb der maßgebliche obligatorische Rahmenbetriebsplan rechtswidrig ist. ee) Errichtung eines Endlagers nicht vom Bergrecht gedeckt Darüber hinaus können der angefochtene Rahmen- und auch Hauptbetriebsplan auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Bergrecht nicht bereits die Er-richtung eines nach dem Atomgesetz gem. § 9 b AtG planfeststellungspflichti-gen Endlagers gestattet. Dafür, dass in Gorleben nicht „erkundet“ wird, sprechen nicht nur die wesent-lich geänderten tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen seit 1983, son-dern auch der Charakter des bereits erfolgten Ausbaus, die Kosten, die allein durch eine Erkundung nicht zu erklären sind (so auch das BfS selbst), sowie die zahlreichen Vorfestlegungen (Zwischenlager, Pilotkonditionierungsanlage etc.). Besonders hervorzuheben ist weiter der Umstand, dass der Salzstock von Gorleben bereits aufgrund eines im Jahr 1977 gestellten Planfeststellungsan-trags als Standort ausgewählt worden ist. Wie Gaentzsch zutreffend ausführt, erscheint die Stellung eines Planfeststellungsantrages vollkommen widersinnig, wenn eine Standortentscheidung angeblich noch gar nicht getroffen worden ist (Gaentzsch, Struktur und Problem des atomrechtlichen Planfeststellungsverfah-ren, in: Ossenbühl (Hrsg.), Deutscher Atomrechtstag 2004, 2005, 115, 119). Der NMU geht bis heute von der rechtlichen Relevanz dieses Antrages aus. Auch die Bundesrepublik Deutschland hat in der Vergangenheit aus diesem Planfeststellungsantrag die Befugnis abgeleitet, die Kosten für die Erkun-dungsmaßnahmen über das atomrechtliche Beitragsrecht bei den Betreibern (§ 21b AtG) zur refinanzieren. Dass das Bergrecht für den Bau eines Endlagers aber nicht zur Verfügung steht, entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit der ersten Gorle-ben-Entscheidung von 1990 (Urteil vom 09.03.1990, 7 C 23/89, BVerwGE 85, 54). Es kommt bei der Beurteilung der Frage nämlich nicht darauf an, welchen Zweck der Antragsteller verlautbart, denn

„wird eine Anlage errichtet, die erkennbar einem anderen als dem vom Errichter angegebenen Zweck dienen soll, nämlich einem solchen, der einer atomrechtlichen Genehmigung oder Planfeststellung bedarf, so ist die Errichtung ohne das erforderliche atomrechtliche Verfahren unzu-lässig. Das Atomgesetz gestattet es nicht, daß der Errichter das Erfor-

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dernis eines atomrechtlichen Verfahrens durch falsche Angaben über den beabsichtigten Zweck der Anlage umgeht.“ (BVerwGE 85, 54, 57).

In dieser Entscheidung ist das Bundesverwaltungsgericht noch zu dem Ergeb-nis gekommen, dass die Schwelle von der bergrechtlich zu gestattenden Er-kundung zu der atomrechtlich zu gestattenden Errichtung eines Endlagers in Gorleben damals noch nicht überschritten war. Es führt aus, dass das BfS

„mit der Abteufung der Schächte und dem – noch nicht begonnenen – Ausfahren von Strecken nicht, jedenfalls bisher nicht, die Errichtung und den Betrieb eines Endlagers für radioaktive Abfälle“

bezwecke (BVerwGE 85, 54, 57), wobei es eben nicht, wie oben bereits ausge-führt, allein auf die erklärte Absicht, sondern auf die Umstände insgesamt ab-gestellt hat. Bei dieser Entscheidung ist ein wesentlicher Umstand allerdings unberücksich-tigt geblieben, nämlich die Existenz des bereits im Jahr 1977 gestellten Plan-feststellungsantrages, der in dem Verfahren keine Rolle gespielt hat, auch weil dieser Umstand den Klägern nicht bekannt war und von keiner Seite in das Verfahren eingeführt worden ist. Offenbar war auch dem Bundesverwaltungs-gericht die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens nicht bekannt (vgl. insbesondere die Ausführungen zur „präjudiziellen Wirkung eines Planfeststel-lungsverfahrens“ in BVerwGE 85, 54, 60 und etwa auch Gaentzsch, Struktur und Problem des atomrechtlichen Planfeststellungsverfahren, in: Ossenbühl (Hrsg.), Deutscher Atomrechtstag 2004, 2005, 115, 119, zu Gorleben, „… denn ein Planfeststellungsverfahren ist bisher nicht eingeleitet worden“; Gaentzsch war Mitglied des 7.Senates des BVerwG zu dieser Zeit und offenkundig an der Entscheidung beteiligt). Wegen der Verkennung der Bedeutung dieses Antrags ist die Entscheidung aus dem Jahr 1990 in diesem wesentlichen Punkt überprü-fungsbedürftig. Im atomrechtlichen Anlagengenehmigungsrecht wird der Konkretisierungsbe-fugnis des „Antragstellers“ seit jeher erhebliche Bedeutung beigemessen. In der Wackersdorfentscheidung, auch hier ging es im Kern um ein fabrikartiges nukleares Entsorgungszentrum, allerdings ohne Endlager, hat das Bundesver-waltungsgericht im Zusammenhang mit dem Anlagenbegriff herausgestrichen, dass das „Konzept“, welches der Antragsteller mit seinem Antrag zur Geneh-migung stellt, maßgeblich den Verfahrensgegenstand determiniert („Der Ge-nehmigung bedarf eine Anlage so, wie sie nach dem konkreten Konzept des Errichters zur Genehmigung gestellt ist“, BVerwG 80, 21, 23). Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb andere Grundsätze gelten sollen, wenn durch den damals zuständigen Amtsträger (PTB) die Durchführung eines „Planfeststel-lungsverfahren für eine Anlage des Bundes zur Sicherstellung und zur Endla-gerung radioaktiver Abfälle im Rahmen des am Standort Gorleben (Landkreis

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Lüchow-Dannenberg) geplanten integrierten Entsorgungszentrums“ beantragt wird und dieses Planfeststellungsverfahren bis heute nicht eingestellt oder der Antrag zurückgenommen worden ist. Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller mit seinem Antrag aus dem Jahr 1977 seine Konkretisierungsbefugnis, durch die Stellung eines Planfeststel-lungsantrages dahingehend ausgeübt, dass er ein Endlager am Standort Gorle-ben errichten will. An dieser Ausübung seiner Konkretisierungsbefugnis und der damit verbundenen Weichenstellungen müssen sich der Antragsteller und die zuständigen Behörden festhalten lassen, denn das hierdurch eingeleitete Verfahren ist bis heute nicht aufgegeben worden. Eine Rücknahme des Antrags oder Einstellung des Planfeststellungsverfahrens wird von allen Verantwortli-chen kategorisch abgelehnt. Die damit verbundene grundlegende Weichenstel-lung kann auch nicht dadurch als irrelevant angesehen werden, weil das Ver-fahren nach der Antragstellung nicht mehr effektiv weiter betrieben worden ist. Der Standort Gorleben hat – wie dargelegt wurde – über Jahrzehnte als zentra-les Argument für die Gewährleistung der durch § 7 Abs. 2 AtG geforderte Ent-sorgungsvorsorge gedient (Lange, Die Grundsätze zur Entsorgungsvorsorge für Kernkraftwerke: Rechtscharakter und Bindungswirkung, 1990, S. 13 ff). Die Bundesrepublik Deutschland verhält sich im Übrigen auch widersprüchlich, wenn sie – gestützt auf den Planfeststellungsantrag – bereits die Refinanzie-rungskosten für den angeblichen „Erkundungsaufwand“ durch Beitragserhe-bung für die „Errichtung“ einer Anlage des Bundes im Sinne von § 9a Abs. 3 AtG über § 21 b AtG geltend macht und zugleich behauptet, in Gorleben werde die Errichtung eines Endlagers nicht bezweckt. Aber auch in tatsächlicher Hinsicht ist die Entscheidung überprüfungsbedürf-tig: Das Gericht legte seiner Bewertung den in der Entscheidung des Oberver-waltungsgerichts beschriebenen Sachverhalt zugrunde, an dessen sachliche Feststellungen es im Verfahren der Revision gebunden war. Es beurteilte also den Ausbauzustand von 1988, als sich Zweifel an der Zulässigkeit des Vorge-hens nach Bergrecht im Wesentlichen an den vom Erkundungszweck nicht gedeckten Durchmesser des Ausbaus der Schächte knüpften, der Ausbau des Bergwerks im Übrigen in seinen Einzelheiten noch nicht bekannt war und die objektiven Begleitumstände noch nicht unbedingt darauf schließen ließen, dass in Gorleben bereits die Errichtung eines Endlagers für radioaktive Abfälle be-trieben wird. Heute, nach 23 Jahren weiterer Entwicklung des Standorts, des geplanten Vor-gehens und einer erneuten Verlängerung des Rahmenbetriebsplans für noch einmal 10 Jahre ohne Anpassung der rechtlichen Verfahrensweise bei der Zu-lassung an den heutigen Rechtsstand kann objektiv nicht mehr davon ausge-gangen werden, das die geplante und mit der angefochtenen Verlängerung des Rahmenbetriebsplans wiederum nur bergrechtlich zugelassene weitere Erkun-dung des Salzstocks nicht auch gleichzeitig als Errichtung eines Endlagers zu

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dienen bestimmt ist und das gewählte Verfahren deshalb fehlerhaft ist. Die von Regierungsmitgliedern und von Politikern der Regierungsparteien als „ergeb-nisoffen“ bezeichnete Erkundung ist als eine solche unter den gegebenen Um-ständen nicht mehr durchführbar: Hierfür spricht zum einen der Umstand, dass im Rahmen der Erkundung be-reits die wesentlichen und mehr als für die Erkundung notwendigen Hohlräume im Berg, die für den Betrieb eines Endlagers erforderlich sind, hergestellt wur-den und mit dem bereits betriebenen Zwischenlager und der bereitgestellten Konditionierungsanlage der Standort eines künftigen Endlagers vorwegge-nommen ist. Weiter ist zu berücksichtigen, dass bereits jetzt mit einer Sicherheitsanalyse begonnen wird, die Ende 2012 abgeschlossen werden soll. Sie wird unter Lei-tung der Gesellschaft für Reaktorsicherheit die bisherigen Erkundungsergeb-nisse prüfen und eine Endlagerkonzeption unter Berücksichtigung der durch die Erkundungsergebnisse gegebenen Bedingungen erstellen:

„Schwerpunkt der vorläufigen Sicherheitsanalyse ist die Frage der Lang-zeitsicherheit, d.h. es ist nachvollziehbar darzulegen, ob überhaupt und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen ein sicheres Endlager an die-sem Standort möglich ist. Weiterhin soll ein optimiertes Endlagerkonzept unter Berücksichtigung der betrieblichen Sicherheit erstellt werden und der noch notwendige zukünftige Untersuchungs- und Erkundungsbedarf festgestellt werden.“ (Pressemitteilung des BMU Nr. 118/10 zu finden unter www.gorlebendialog.de/meldungen).

Damit wird der zentrale Teil einer Prüfung, die im Rahmen eines Verfahrens nach § 9 b AtG zu erfolgen hat, nämlich die Prüfung der hinreichenden Scha-densvorsorge, bereits vorweggenommen. Da diese Sicherheitsanalyse dann auch noch im Rahmen eines sogenannten Peer-Review dahingehend überprüft werden sollen,

„ob sie dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen“ (ebenda), ist nicht vorstellbar, dass ein Planfeststellungsverfahren nach Atomrecht, des-sen Prüfmaßstab ja ebenfalls der Stand von Wissenschaft und Technik zu sein hat, noch zu abweichenden Prüfergebnissen kommen kann. Diese Beurteilung ergibt sich auch deshalb, weil kein Plan für eine Alternative zu Gorleben existiert und nicht einmal mögliche andere Standorte in absehba-rer Zeit für den Fall einer Nichteignung in Betracht gezogen werden sollen, obwohl dies von Beginn der Planungen an von Politikern und Wissenschaftlern gefordert wurde, um eine unbefangene Endlagersuche zu gewährleisten und eine relativ optimale Endlagerstätte zu finden. Hieraus folgt nämlich eine Vor-

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eingenommenheit für die Eignung von Gorleben, weil einerseits ein Endlager für HAW-Abfälle wegen der zeitlichen Beschränktheit der Möglichkeit der Zwischenlagerung demnächst zur Verfügung stehen muss und andererseits eine Alternative nicht erkennbar ist, absehbar auch nicht geschaffen werden kann und ohnehin damit ein hoher zeitlicher und vor allem finanzieller Aufwand verbunden wäre. Unter all diesen Umständen ist eine wirklich ergebnisoffene Erkundung ausge-schlossen und wird in Wahrheit so auch nicht betrieben. Die Kläger haben es vielmehr damit zu tun, dass ohne ihre Beteiligung und ohne die eigentlich ge-botenen rechtlichen Verfahrensweisen ein Endlager errichtet wird, dessen Ge-nehmigung in einem späteren Verfahren nach § 9 b AtG dann nur noch durch einen formaler Akt ratifiziert werden muss. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass in den §§ 9a ff. AtG ein Standortsuch- und Prüfverfahren, das dem Planfeststellungsverfahren voraus-geht, nicht vorgesehen ist und die daher zur Vermeidung allein bergrechtlichen Vorgehens notwendige frühe Einleitung des Verfahrens nach § 9b AtG

„eine noch stärkere präjudizielle Wirkung zu Lasten des Klägers“ (BVerwGE 85,54,60)

erzeugt. Es ist nämlich gerade die Eignungsfeststellung der geologischen For-mation an einem Standort wesentlicher und wichtigster Teil dieses Verfahrens, der aus Gründen der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nicht vorgezo-gen werden darf. Deshalb muss eine Präjudizierung durch Verfahrensgestal-tung vermieden werden, indem Alternativen zur Prüfung stehen und eine recht-zeitige und wirksame Öffentlichkeitsbeteiligung angeboten wird. Eine Alterna-tivenprüfung ist nach zutreffender Auffassung auch Voraussetzung für den Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses nach § 9b AtG zur Errichtung und zum Betrieb eines atomaren Endlagers für hochradioaktive Abfälle (Wollenteit, Zur Langzeitsicherheit von Endlagern, in: Koch/Roßnagel (Hrsg.), 10. ATRS, 2000, 333, 346 ff, m.w.N.; Ramsauer, Planfeststellung ohne Abwägung? – Die Rechtsprechung zur atomrechtlichen Planfeststellung in der Kritik, NVwZ 2008, S. 944, 946 ff; Ziehm, Ohne Endlager keine Laufzeitverlängerung – zur Rechts- und Verfassungswidrigkeit einer Laufzeitverlängerung, Januar 2010, S. 21). Das verlangen nicht nur die Grundsätze des Planfeststellungsrechts son-dern folgt auch aus einem allgemeines Gebot für die Genehmigung von Atom-anlagen mit großen potentiellen Risiken für die Umgebung, denn der

„Grundrechtsschutz gebietet eine Verfahrensgestaltung, die effektiven Rechtsschutz ermöglicht“ (vgl. BVerfG vom 20.12.1979, BvR 385/77, „Mühlheim-Kärlich“, juris Rn. 52-57 und insbes. Rn. 66).

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Diese Grundsätze sind hier nicht beachtet, sodass die weitere Erkundung ges-tattet allein durch bergrechtliche Betriebspläne, die ohne Öffentlichkeitsbeteili-gung zugelassen wurden, gegenüber den Klägern rechtswidrig ist. b) Rechtsverletzung Die aus den genannten Gründen rechtswidrigen Betriebspläne verletzen die Kläger auch in ihren Rechten. aa) Verletzung eines absoluten Verfahrensrechts: §§ 4 Abs. 1, Abs. 3 UmwRG Wie bereits im Rahmen der Begründung zur Klagebefugnis ausgeführt wurde, können unter Geltung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes auch Verstöße gegen Verwaltungsverfahrensrecht zur Klagebefugnis führen, wenn eine Verfahrens-vorschrift ein Verfahrensrecht begründet, dessen Verletzung stets zur Aufhe-bung des VA führt (absolutes Verfahrensrecht). Nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3 UmwRG kann nach nunmehr herrschenden Meinung das Unterlassen einer in § 4 Abs. 1 UmwRG genannten Prüfung durch Anfechtung der auf diesem Unter-lassen beruhenden Entscheidung geltend gemacht werden. Dies führt gem. § 4 Abs. 1 UmwRG stets zur Aufhebung dieser Entscheidung (so zutreffend Kopp/

Schenke, VwGO, 16. Aufl., 2009, § 42 Rn. 95) Die Pointe der Neuregelung besteht gerade darin, dass eine Aufhebung der Entscheidung unabhängig davon erfolgt, ob der Verstoß die Entscheidung in der Sache tatsächlich beeinflusst hat (so zutreffend Ramsauer, Allgemeines Umweltverwaltungsrecht, in: Koch (Hrsg.), Umweltrecht, 2010, S.74, 152, Rdnr. 170). Die Kläger verkennen nicht, dass bis zum Inkrafttreten des UmwRG nach um-strittener aber wohl noch vorherrschender Auffassung den Vorschriften des UVPG keine drittschützende Funktion zukam. Diese Auffassung ist aber er-kennbar durch die Regelungen in § 4 Abs. 1 und Abs. 3 UmwRG unhaltbar geworden (Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., 2009, § 42 Rn. 105). Die von § 4 Abs 1 UmwRG erfassten Verfahrensrechte werden heute als Regelungen angesehen, denen die Eigenschaft subjektiver Rechte zukommt (Ziekow, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Rechtsschutzes, NVwZ 2007, 259, 261). Dem hat sich auch die Rechtsprechung angeschlossen. Instruktiv ist insoweit insbesondere die Entscheidung des OVG Sachsen-Anhalt vom 17.09.2008, Az.: 2 M 146/08, in der das Gericht wie folgt ausführt:

„Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist § 4 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Um-weltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG vom 07.12.2006 (BGBI I 2816) – UmwRG –, das nach dessen § 5 Halbsatz 1

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für Verfahren nach § 1 Abs. 1 Satz 1 gilt, die nach dem 25.06.2005 ein-geleitet worden sind oder hätten eingeleitet werden müssen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach entsprechenden landesrecht-lichen Vorschriften erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Nach § 4 Abs. 3 UmwRG gilt dies entsprechend für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO. Diese Regelungen räumen u. a. Individualklä-gern – abweichend von der bisherigen Rechtslage (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 13.12.2007 – 4 C 9.06 –, BVerwGE 130, 83) – ein subjektives Recht auf Durchführung einer erforderlichen Umweltverträglichkeits-prüfung bzw. auf Vorprüfung oder Nachholung der Prüfung ein mit der Folge, dass ein Verfahrensfehler per definitionem als beachtlich einzu-stufen ist (vgl. VG Neustadt, Urt. v. 13.12.2007 – 4 K 1219/06.NW –, Juris, m. w. Nachw.).“ ( OVG Magdeburg, NVwZ 2009, 340, 341; ebenso VG Neustadt NJOZ 2008, 1215)

Im vorliegenden Fall hätte für die Verlängerung des Rahmenbetriebsplans im Jahre 2010 eine Umweltverträglichkeitsprüfung eingeleitet werden müssen. Dies ist aber nicht geschehen. Auf diesen Rechtsfehler können sich die Kläger gemäß §§ 4 Abs.1, Abs. 3 UmwRG berufen. bb) Verletzung von Rechten durch Unterbleiben einer Gesundheitsver-träglichkeitsprüfung Nach zutreffender Auffassung von Frenz musste auch eine Gesundheitsverträg-lichkeitsprüfung wegen der grundrechtlich gebotenen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG durchgeführt werden (vgl. dazu Frenz, Bergbauverantwortlichkeit – vom klassischen Bergbau über Gorleben bis zur Geothermie, ZNER 2010, S. 145, 155 f.). Das Unterbleiben führt zu einer Rechtsverletzung der Kläger. cc) Verletzung von Rechten durch mögliche Enteignung eingetragener Salzabbaugerechtigkeiten Da der Rahmenbetriebsplan auch Grundstücke der Kläger zu 1) und 2) „über-plant“, an denen auch Rechte im Sinne des § 149 BBergG, nämlich eingetrage-ne Salzabbaugerechtigkeiten zugunsten der Kläger bestehen, wird mit Ausdeh-nung von Erkundungsbereichen in diese Grundstücke hinein, in die Rechte der Kläger eingegriffen.

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Es kann deshalb kein Zweifel daran bestehen, dass durch die weitere Zulassung einer Erkundung, die sich nach dem Rahmenbetriebsplan auch auf Grundstücke der Kläger bezieht, die Rechte der Kläger verletzt werden. dd) Verletzung von Rechten durch Missachtung atomrechtlicher Verfah-rensvorschriften Auch durch die Errichtung eines atomaren Endlagers, ohne dass die erforderli-chen Verfahrensvorschriften für das atomrechtliche Planfeststellungsverfahren beachtet worden wären, werden Rechte der Kläger verletzt. Nach § 9 b Abs. 1 i.V.m. § 9 a Abs. 3 AtG bedürfen die Errichtung und der Betrieb eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle der atomrechtlichen Plan-feststellung. Wer eine solche Anlage ohne das erforderliche atomrechtliche Verfahren errichtet, verletzt die Rechte von Bürgern, die - wie die Kläger - in der Nähe leben oder dort Sachgüter haben, die von radioaktiver Strahlung bei einem späteren Betrieb der Anlage gefährdet werden können. Das hat das Bun-desverwaltungsgericht unter Anknüpfung an die Mülheim-Kärlich Entschei-dung des Bundesverfassungsgerichts bereits in seiner ersten Entscheidung zum Erkundungsbergwerk Gorleben unmissverständlich herausgestrichen:

„Denn nicht nur die materiellrechtlichen Anforderungen an Anlagen, die der friedlichen Nutzung der Kernenergie dienen, sondern auch die verfahrensrechtlichen Anforderungen, insbesondere das Erfordernis ei-nes speziellen atomrechtlichen Verfahrens, sollen den bestmöglichen Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern Dritter vor den Gefahren der Kernenergie gewährleisten (vgl. BVerfGE 53, 30, 71 ff.; 77, 381, 406; BVerwGE 60, 297, 303, 307; 61, 256, 275; 75, 285, 291).“

Es kann deshalb kein Zweifel daran bestehen, dass durch die weitere Zulas-sung einer Erkundung, die in Wahrheit der Errichtung eines Endlagers be-zweckt, Rechte der Kläger verletzt Rechtsanwältin Rechtsanwalt Dr. Michéle John Nikolaus Piontek