Goal-Based Scenarios - sbg.ac.at · PDF file3 Goal-Based Scenarios "An interest is a terrible...

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1 Jörg Zumbach Goal-Based Scenarios Abstract Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, wie man mit Hilfe virtueller Lernumgebungen das Prob- lem eines mangelhaften Wissenstransfers von Aus- und Weiterbildungsinhalten auf die Anforderungen des Alltags verringern kann. Ausgehend von Erkenntnissen im Feld des situierten Lernens kommt dem Ansatz des Goal-Based Scenarios hier besondere Bedeutung zu. Der Beitrag beschreibt die Grundsätze und die Gestaltung virtueller Lernumgebungen nach dem Prinzip der Goal-Based Scena- rios und verdeutlicht durch die Schilderung beispielhafter Anwendungen deren Charakter. Virtuelles Lernen Kein anderer Bereich befindet sich gegenwärtig in einer so rasanten Entwicklung wie der der digitalen Technologien. Eng verbunden mit diesem Bereich ist schon seit den frühen Anfängen in den sechzi- ger Jahren auch die Bestrebung, diese neuen Technologien zur Aus- und Weiterbildung zu nutzen 1 . Mit den derzeit verfügbaren und den in Entwicklung befindlichen Technologien eröffnet sich für das eLearning, d.h. die computer- und internetbasierte Wissensvermittlung, ein immenses Potential hin- sichtlich der Gestaltung virtueller Lernumgebungen. Dieses Potential erstreckt sich sowohl auf den Bereich der technischen als auch der didaktischen Möglichkeiten, die sich gegenseitig, speziell bei der digitalen Wissensvermittlung, auf optimale Weise ergänzen können. Insbesondere die Kombination verschiedenster multimedialer Komponenten macht es möglich, kom- plexe virtuelle Lernumgebungen zu erstellen, die sowohl der adäquaten Vermittlung von Wissens als auch den Bedürfnissen von Lernenden gerecht werden. Mit dem Begriff der Lernumgebung wird hier- bei den unterschiedlichsten Facetten und Begleiterscheinungen Rechnung getragen, die bei der Wis- sensvermittlung eine Rolle spielen und die letztlich in ihrer Summe ein Aus- und Weiterbildungsange- bot ausmachen. Dieser Umstand bedingt jedoch auch, dass bei der Entwicklung von virtuellen Lern- umgebungen alle diese unterschiedlichsten Merkmale und Umgebungsfaktoren berücksichtigt werden müssen, die bei einem Aus- und Weiterbildungsprozess involviert sind. Dies betrifft beispielsweise un- terschiedliche didaktische Ansätze und Methoden, Lernmaterialien, den Einsatz von Medien, aber auch ökologische Einflussgrößen wie Zeit, Raum und sozialer Kontext 2 . Hier unterscheiden sich virtu- elle Lernumgebungen und "traditioneller" Einsatz des Computers zu Lehr- und Lernzwecken. In der Regel werden digitale Ressourcen wie Computer-Basierte Trainings (CBT), hypermediale Nachschla- gewerke oder Simulationen als Ergänzung zur herkömmlichen Ausbildung verwendet bspw. zur Nach- oder Vorbereitung von Inhalten. Virtuelle Lernumgebungen hingegen stellen jedoch gleichzeitig Hauptbestandteil, Rahmen und Lernplattform dar und bilden somit in sich abgeschlossene Ausbil- dungseinheiten, die mittels digitaler Technologien den Lernenden zugänglich gemacht werden 3 . 1 z. B. Schulmeister, 1997. 2 vgl. Reinmann-Rothmeier & Mandl, 1999. 3 z. B. Schank, 1997.

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Jörg Zumbach

Goal-Based Scenarios Abstract Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, wie man mit Hilfe virtueller Lernumgebungen das Prob-

lem eines mangelhaften Wissenstransfers von Aus- und Weiterbildungsinhalten auf die Anforderungen

des Alltags verringern kann. Ausgehend von Erkenntnissen im Feld des situierten Lernens kommt

dem Ansatz des Goal-Based Scenarios hier besondere Bedeutung zu. Der Beitrag beschreibt die

Grundsätze und die Gestaltung virtueller Lernumgebungen nach dem Prinzip der Goal-Based Scena-

rios und verdeutlicht durch die Schilderung beispielhafter Anwendungen deren Charakter.

Virtuelles Lernen Kein anderer Bereich befindet sich gegenwärtig in einer so rasanten Entwicklung wie der der digitalen

Technologien. Eng verbunden mit diesem Bereich ist schon seit den frühen Anfängen in den sechzi-

ger Jahren auch die Bestrebung, diese neuen Technologien zur Aus- und Weiterbildung zu nutzen1.

Mit den derzeit verfügbaren und den in Entwicklung befindlichen Technologien eröffnet sich für das

eLearning, d.h. die computer- und internetbasierte Wissensvermittlung, ein immenses Potential hin-

sichtlich der Gestaltung virtueller Lernumgebungen. Dieses Potential erstreckt sich sowohl auf den

Bereich der technischen als auch der didaktischen Möglichkeiten, die sich gegenseitig, speziell bei der

digitalen Wissensvermittlung, auf optimale Weise ergänzen können.

Insbesondere die Kombination verschiedenster multimedialer Komponenten macht es möglich, kom-

plexe virtuelle Lernumgebungen zu erstellen, die sowohl der adäquaten Vermittlung von Wissens als

auch den Bedürfnissen von Lernenden gerecht werden. Mit dem Begriff der Lernumgebung wird hier-

bei den unterschiedlichsten Facetten und Begleiterscheinungen Rechnung getragen, die bei der Wis-

sensvermittlung eine Rolle spielen und die letztlich in ihrer Summe ein Aus- und Weiterbildungsange-

bot ausmachen. Dieser Umstand bedingt jedoch auch, dass bei der Entwicklung von virtuellen Lern-

umgebungen alle diese unterschiedlichsten Merkmale und Umgebungsfaktoren berücksichtigt werden

müssen, die bei einem Aus- und Weiterbildungsprozess involviert sind. Dies betrifft beispielsweise un-

terschiedliche didaktische Ansätze und Methoden, Lernmaterialien, den Einsatz von Medien, aber

auch ökologische Einflussgrößen wie Zeit, Raum und sozialer Kontext2. Hier unterscheiden sich virtu-

elle Lernumgebungen und "traditioneller" Einsatz des Computers zu Lehr- und Lernzwecken. In der

Regel werden digitale Ressourcen wie Computer-Basierte Trainings (CBT), hypermediale Nachschla-

gewerke oder Simulationen als Ergänzung zur herkömmlichen Ausbildung verwendet bspw. zur Nach-

oder Vorbereitung von Inhalten. Virtuelle Lernumgebungen hingegen stellen jedoch gleichzeitig

Hauptbestandteil, Rahmen und Lernplattform dar und bilden somit in sich abgeschlossene Ausbil-

dungseinheiten, die mittels digitaler Technologien den Lernenden zugänglich gemacht werden3.

1z. B. Schulmeister, 1997. 2 vgl. Reinmann-Rothmeier & Mandl, 1999. 3 z. B. Schank, 1997.

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Über das Potential der technischen Realisierbarkeit virtueller Lernumgebungen hinaus, stellt sich die

Frage des "Warum?". Warum sollte man überhaupt immense Kosten und Aufwand in die Entwicklung

solcher digitalen Lernwelten investieren, wenn die bisherige Ausbildung letztlich auch ihr Ziel erreicht?

Im Bereich der traditionellen Ausbildung tritt häufig das Problem eines mangelhaften Transfers auf4.

Wissen, das außerhalb des jeweiligen inhaltlichen Kontexts vermittelt wird, ist sogenanntes "träges

Wissen", welches kaum oder gar nicht auf die wechselnden Anforderungen des Alltags transferiert

werden kann. Um diesem Problem entgegenzutreten, muss man sich vor Augen führen, dass Wissen

und somit Lernen stets kontextabhängig ist und sich an den jeweiligen Situationen des Alltags orien-

tiert bzw. darin verankert ist. In diesem Zusammenhang ist von "situiertem Wissen" und "situierter

Kognition" die Rede5. Der pädagogische Konstruktivismus und die zugehörige "situated cognition"-

Bewegung gehören hierbei zu den Schulen, die versuchen durch die Gestaltung situierter Lernumge-

bungen diesem Transferproblem zu begegnen6. Dazu werden in situierten Lehr-Lernszenarien die In-

halte an bestimmte Situationen des Alltags gebunden, um ein anwendungsnahes Wissen zu vermit-

teln, welches sich dann letztlich auch von der Theorie in die Praxis umsetzen lässt. Neben der Au-

thentizität solcher Lernumgebungen kann darüber hinaus in Bereichen Wissen vermittelt werden, die

man in "analogen" Lernumgebungen überhaupt nicht vermitteln kann, weil sie bspw. gefährliche oder

negative Konsequenzen für den Lernenden oder das Umfeld haben könnten (man denke z.B. an die

Übung von Notfällen im Flugsimulator oder das Erproben kritischer finanzieller Strategien in einem Un-

ternehmen)7. Virtuelles Lernen ermöglicht hiermit auch ein Lernen aus Fehlern, welche im Gegensatz

zu Fehlern in der Praxis letztlich folgenlos bleiben8. Dies kennzeichnet ein wichtiges Merkmal virtuel-

len Lernens: Man lernt nicht nur aus positiven Beispielen, sondern auch aus eigenen Fehlern und Er-

fahrungen, die letztlich – sofern richtig reflektiert und interpretiert – zum Erfahrungspotenzial eines In-

dividuums aggregiert werden9. Dieses Lernen aus Erfahrungen, gepaart mit didaktischem Know-How,

bildet eine Basis für die Aus- und Weiterbildung, die nachhaltig sowohl interaktives und somit motivie-

rendes als auch aktives Wissen mit sich bringt, welches von der Lehr-Lernsituation auch auf den Be-

darf und die Anforderungen des Alltags transferiert werden kann.

Als Konsequenz für die Entwicklung virtueller Lernumgebungen ergibt sich, dass in den entsprechen-

den Kursen ein Teilbereich der Realität mit allen notwendigen und relevanten Entscheidungen und

den damit verbundenen Konsequenzen abgebildet werden soll. Lernende sollten hierbei die Möglich-

keit haben, nahezu frei agieren zu können sowie bei komplexeren Aufgabenstellungen entsprechende

Unterstützung durch das Programm zu erhalten. Ein Ansatz, der dieser Art des virtuellen Lernens in

hohem Maße Rechnung trägt, ist das sogenannte Goal-Based Scenario (GBS).

4 Gruber, Law, Mandl & Renkl, 1995. 5 Lave & Wenger, 1991. 6 Mandl, Gruber & Renkl, 1997. 7 vgl. Schulmeister, 1997. 8 Schank, 1997. 9 Schank & Cleary, 1995.

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Goal-Based Scenarios "An interest is a terrible thing to waste"10. Dieses Zitat umschreibt mit wenigen Worten die zentrale

Auffassung, die sich hinter dem Goal-Based Scenario Ansatz zur Gestaltung virtueller Lernumwelten

verbirgt. Bei Goal-Based Scenarios (GBS) handelt es sich um einen didaktischen Ansatz, der um Ro-

ger Schank am Institute for the Learning Sciences (ILS) an der Northwestern University (USA) entwi-

ckelt wurde. Ausgehend vom Problem der Transferierbarkeit neu erworbenen Wissens und einer nied-

rigen Lernermotivation in herkömmlichen Ausbildungsverfahren hat Schank erkannt, dass hier eine al-

ternative Form des Trainings notwendig ist11. Diese Alternative zur traditionellen Ausbildung hat die

Gruppe um Schank in Form des Goal-Based Scenario-Ansatzes realisiert.

Goal-Based Scenarios stehen direkt in der Tradition des situierten Lernens. Bei der Entwicklung die-

ser Programme ist einer der bedeutendsten Aspekte die realitätsnahe Abbildung der Komplexität ei-

nes zu vermittelnden Bereiches. Durch diese Abbildung der Realität inklusive der dabei enthaltenen

richtigen und falschen Entscheidungsalternativen auf Seiten des Lernenden wird eine Lernumgebung

geschaffen, der einer der grundlegendsten Aspekte des natürlichen menschlichen Lernens zugrunde

liegt: Das "learning by doing". Lernen wird dabei als natürlicher Prozess verstanden, der sich durch

den ständigen Wechsel aus Anforderungen durch die Umwelt und Anpassung eines Lernenden an

diese Herausforderungen vollzieht. Dieser Prozess verläuft in den allerwenigsten Fällen linear, d.h. für

eine auftretende Problemsituation wird nicht immer sofort die richtige Lösungsstrategie gefunden12.

Macht man beispielsweise einen Fehler, indem man eine falsche Entscheidung trifft, so trägt auch

diese Erkenntnis zum Lernerfolg bei, indem falsche oder ungünstige Handlungsweisen in zukünftig

auftretenden Situationen vermieden werden können. Durch die Umsetzung dieser Handlungsfreiheit in

einem GBS wird man somit der Nicht-Linearität der Wirklichkeit auch in der Lehr-Lernsituation gerecht

und nutzt dabei den natürlichen Prozess der menschlichen Entwicklung.

Das Prinzip des "learning by doing" unterstützt und fördert zudem den für Lehr- und Lernsituationen

äußerst bedeutenden Bereich der Motivation. Durch das Bewusstwerden der eigenen Handlungskom-

petenz und der damit verbundenen Entwicklung eigener Ziele entsteht eine intrinsische Motivation, die

wiederum zu einer tieferen Auseinandersetzung mit den Lerninhalten führt. Im Gegensatz hierzu ist

die bisherige traditionelle Aus- und Weiterbildung in erster Linie an externen Zielen orientiert, d.h. an-

statt an den Interessen und Bedürfnissen von Lernenden anzuknüpfen, werden primär Lernziele im

Rahmen eines Curriculums vorgegeben, die sukzessive von Lehrenden abgearbeitet werden. Im Be-

reich der beruflichen Aus- und Weiterbildung ist jedoch gerade diese Vorgehensweise eher uner-

wünscht, da bei derart gestalteten Ausbildungs- oder Personalentwicklungsmaßnahmen mit Desinte-

resse und Motivationsverlust seitens der Teilnehmenden zu rechnen ist. Als mögliche Konsequenz er-

gibt sich daraus die Vermittlung trägen Wissen, welches nicht vom Lernkontext auf die Anforderungen

der Praxis transferiert werden können.

Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, bieten sich Goal-Based Scenarios als Mittel der Wahl zur

Vermittlung von Wissen an. Gekennzeichnet durch die Berücksichtigung individueller Interessen und

10 Schank, Fano, Bell & Jona, 1994. 11 z. B. Schank, 1994. 12 Schank, Berman & Macpherson, 1999.

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Integration des Lernenden in den Lernablauf kann durch diese Form des virtuellen Lernens ein Grad

der motivierten Auseinandersetzung mit Lerninhalten erreicht werden, der zum sogenannten flow-

Erlebnis13 führen kann und Lernende sozusagen "an das Programm fesselt".

Gegenstandsbereiche von Goal-Based Scenarios Das Ziel von Goal-Based Scenarios erstreckt sich im wesentlichen auf die Vermittlung von Fertigkei-

ten in den jeweils zu vermittelnden Inhaltsbereichen14. Die Aneignung dieser Fertigkeiten erfolgt da-

durch, dass durch das Programm ein zu erreichendes Ziel beim Lernenden induziert wird. Über die

Aneignung hinaus sollen Lernende die erworbenen Fertigkeiten auch in späteren Alltagssituationen

sinnvoll und flexibel anwenden können. Diese Ansprüche unterstützen letztlich den Transfer des neu

erworbenen Wissens und beugen der Vermittlung trägen Wissens vor.

Unter dem Begriff der Fertigkeit ist dabei folgendes zu verstehen: Über eine Fertigkeit zu verfügen be-

deutet: Wissen, wie man etwas tut oder tun kann. Das Wissen, das einer Fertigkeit zugrunde liegt ist

als sogenanntes Prozedurales Wissen zu klassifizieren. Dieses Prozedurale Wissen, also das "wie tue

ich etwas", steht dabei eine Stufe über dem am häufigsten vermittelten "Wissen, dass...", dem dekla-

rativen Wissen. In der traditionellen Aus- und Weiterbildung geht es häufig um die Vermittlung dieses

deklarativen Wissens. Es steht dabei weniger die Anwendbarkeit von Wissensinhalten im Zentrum der

Aufmerksamkeit, sondern vielmehr der Transport von deklarativen "Wissenspaketen" vom Lehrenden

zum Lernenden15.

Die Vermittlung von Fertigkeiten mittels eines GBS hat einen deutlichen Mehrwert im Vergleich zu tra-

ditionellen Verfahren, da sowohl prozedurales Wissen als auch das zugrunde liegende deklarative

Wissen vermittelt wird. Das deklarative Wissen bildet die Voraussetzung, um entsprechende Fertigkei-

ten praktizieren zu können. Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen: Nehmen wir an, jemand soll

etwas über einen Lötkolben lernen. Hierzu kann man im Bereich des deklarativen Wissens, also des

"Wissens, dass...", die Eigenschaften eines Lötkolbens erläutern (z. B. Formen, Hitzeentwicklung

etc.), ohne dabei tatsächlich einen Lötkolben jemals benutzt zu haben oder zu benutzen. Bei der Ver-

mittlung von prozeduralem Wissen, dem "Wissen, wie...", ist hingegen das deklarative Wissen integ-

riert, denn man muss Wissen, wie ein Lötkolben aussieht und dass er heiß wird, damit man den Löt-

zinn (auch tatsächlich selbst) zum schmelzen bringen kann.

Indem in einem Goal-Based Scenario Fertigkeiten vermittelt werden, wird sowohl dem notwendigen

Grundlagenwissen als auch der flexiblen Anwendung desselben Rechnung getragen und somit wer-

den aktiv anwendbare und realitätsnahe Inhalte vermittelt.

13 i. S. v. Csikszentmihalyi, 1985. 14 z. B. Campbell & Monson, 1994. 15 Reinmann-Rothmeier & Mandl, 1999.

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Gestaltung und Struktur von Goal-Based Scenarios Die Gestaltung von Goal-Based Scenarios orientiert sich stark an den Fertigkeiten, die mit dem Pro-

gramm vermittelt werden sollen. Um jedoch sowohl die Transferierbarkeit des zu erwerbenden Wis-

sens als auch die Motivation der Lernenden zu gewährleisten sind einige grundlegende Prinzipien zu

berücksichtigen16:

Realitätsnähe und authentischer Kontext Durch die Gestaltung eines GBS in Anlehnung an die Realität wird eine Atmosphäre der Au-

thentizität geschaffen, die sowohl die Basis für den Transfer des Wissens in die Praxis bildet

als auch die Relevanz der Aus- und Weiterbildungsmaßnahme quasi in sich begründet und

sich somit positiv auf die Lernmotivation auswirkt.

Vernetzung Lernende sollten in einem Programm zwischen dem Üben einzelner Teilfertigkeiten und dem

Bearbeiten der Gesamtfertigkeit hin- und herspringen können. Konkret bedeutet dies, dass

bestimmte Fertigkeiten und Wissensbereiche zwar einzeln vermittelt werden, jedoch durch ein

GBS in eine Gesamtstruktur eingebettet und vernetzt werden. Lernerkontrolle

Die Kontrolle des Lernenden bildet die Basis für den Erwerb von Fertigkeiten. Durch einen

lernergesteuerten Programmablauf wird die Relevanz des eigenen Handelns deutlich. Der

Benutzer kann somit direkt auf etwaige Ergebnisse innerhalb eines GBS Einfluss nehmen und

dadurch seinen eigenen Lernweg bestimmen.

Feedback Der Lernende sollte jederzeit sofortige Rückmeldung auf eigene Handlungen und Aktionen er-

halten. Dieses Prinzip ermöglicht die Identifizierung günstiger und ungünstiger Verhaltensstra-

tegien. Auf diese Weise können Fehler reflektiert werden und daraus resultierend, Fertigkeiten

optimiert werden.

Anleitung Insbesondere bei keinem oder wenig vorhandenem Vorwissen ist es wichtig, den Lernenden

nicht zu überfordern, da ansonsten Frustration und Lernabbruch drohen können. Dement-

sprechend ist es wichtig, den Lernenden nach und nach in den inhaltlichen Stoff einzuführen

und erst mit zunehmender Expertise auf Lernerseite die Schwierigkeit und Komplexität zu er-

höhen. Dadurch wird der Lernende zum Erreichen eines Zieles vom Programm geführt ohne

dabei "bevormundet" zu werden.

Artikulation und Reflektion Damit sich Lernende der Konsequenz ihrer Handlungen und der resultierenden Ergebnisse

bewusst werden und entsprechende Zusammenhänge auch verinnerlichen, ist es wichtig,

Platz für die eigenen Gedanken einzuräumen. Durch das regelmäßige Wechselspiel eigener

Handlungsbeschreibungen und der Reflexion der eigenen Handlungen durch den Lernenden

wird die Bewertung günstiger und ungünstiger Verhaltensweisen forciert.

16 Collins, 1994.

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Multimedia Jeder Medientyp hat bestimmte Stärken und Schwächen. Dementsprechend ist die Wahl ei-

nes Medienkanals jeweils genau abzuwägen. Beispielsweise eignen sich gesprochener und

geschriebener Text gut für Erklärungen, Bilder gut zur Darstellung räumlicher Verhältnisse

und Videomaterial gut zur Visualisierung raum-zeitlicher Zusammenhänge. Gerade die Kom-

plexität eines GBS macht multimediale Unterstützung unabdingbar. Deshalb sollte der Einsatz

unterschiedlicher Medientypen sorgfältig geplant sein.

Neben diesen generellen Kriterien ist ein Goal-Based Scenario im wesentlichen durch eine bestimmte

Struktur gekennzeichnet. Diese Struktur wird aus Abbildung 1 ersichtlich und wird nachfolgend näher

erläutert.

Abbildung 1: Die Struktur eines Goal-Based Scenarios *** hier Abbildung 1 einfügen ***

Die Gestaltung eines GBS vollzieht sich in vertikaler Richtung, von oben nach unten . An oberster

Stelle stehen die eigentlichen Zielfertigkeiten, die mit Hilfe eines solchen Programmes vermittelt wer-

den sollen. Hierbei spielen das deklarative Faktenwissen oder einzelne Fallbeispiele eine eher unter-

geordnete Rolle: Generell stehen diese Informationen zur Verfügung, da sie die Basis für die zu er-

werbenden und auszuführenden Fertigkeiten bilden. Die oberste Priorität besitzt jedoch die Vermitt-

lung von Fertigkeiten, der Kern eines jeden GBS.

Ein Goal-Based Scenario setzt sich nun aus zwei Hauptkomponenten zusammen: Dem Kontext und

der Struktur17.

Der Kontext eines GBS Der Kontext eines GBS besteht aus zwei Komponenten, der eigentlichen Mission, also dem Hand-

lungsziel, welches der Lernende verfolgen soll, und der Rahmenhandlung.

Die Mission eines GBS beinhaltet das eigentliche Ziel, das es im Rahmen eines Programmes zu errei-

chen gilt. Die Mission legt somit das generelle Lernziel und die Fertigkeit fest, die Lernende durch Be-

arbeitung des Programms erreichen sollen. Bei der Festsetzung des Zieles ist es überaus wichtig,

dass dieses einen angemessenen Grad an Komplexität aufweist. Dies stellt unter motivationalen As-

pekten gewissermaßen eine Gratwanderung dar: Einerseits sollte der Lernende herausgefordert wer-

den, das Ziel zu erreichen. Andererseits sollten die Lernenden auch deutlich erkennen können, was

ihr eigentliches Ziel und somit ihre Aufgabe ist. Zudem sollte der Grad der Komplexität auch wiederum

nicht zu hoch sein, damit keine Überforderdung der Lernenden resultiert.

Auf jeden Fall aber sollte die Mission einen klaren und eindeutigen Bezug zur Realität aufweisen. Erst

dadurch entsteht die Verbindung zur praktischen Anwendung der zu erwerbenden Fertigkeiten im All-

tag, was wiederum die Wahrscheinlichkeit eines späteren Transfers des Wissens erhöht18.

17 z.B. Schank & Cleary, 1995; Schank, Fano, Bell & Jona, 1994. 18 Schank & Cleary, 1995.

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Die folgenden Beispiele sollen dazu dienen, die Mission eines GBS etwas zu veranschaulichen. Die

optimale Beschreibung einer Mission - hier aus einem betriebswirtschaftlichen Kontext - könnte lauten:

„Steigern Sie den Umsatz einer Marktfiliale der Warenhauskette XYZ“. Diese Mission beschreibt eine

klare und verständliche Zielaufgabe mit einem angemessenen Niveau an Komplexität und weist eben-

so einen Bezug zur Realität auf. Eine eher ungünstigere Variante einer Mission könnte lauten „Wer-

den Sie zu einem wertgeschätzten Marktleiter “. Das Ziel dieser Mission ist nicht transparent und weist

auf keine klar definierbare Fertigkeit hin. Außerdem ist der Bezug zur betriebswirtschaftlichen Realität

hier eher fraglich.

Neben der Mission bildet die Rahmenhandlung den zweiten Bestandteil des Kontextes eines GBS, der

insbesondere aufgrund ihrer motivierenden Funktion besondere Aufmerksamkeit zukommen sollte.

Die Rahmenhandlung oder –handlungen stellen jeweils die Prämisse dar, unter der Lernende an ei-

nen Problembereich herantreten. Durch die Rahmenhandlung wird festgelegt, welche Situation vor-

liegt und welche Mittel und Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Es wird eine authentische

Situation geschaffen, die es Lernenden ermöglicht einen Bezug zur Realität herzustellen und zu ei-

nem gewissen Grad auch die Integration des Lernenden in das Lernprogramm gewährleistet. Im güns-

tigsten Falle führt dies sogar zu einer Art von Identifikation des Lernenden mit der zu übernehmenden

Rolle. Im Falle der o.a. Mission könnte eine Rahmenhandlung entsprechend so aussehen, dass der

Lernende die Rolle eines Leiters in einer fiktiven Marktfiliale übernimmt und die Aufgabe hat, diesen

Markt aus den roten Zahlen in einen gewinnbringenden Bereich zu führen.

Die Struktur eines GBS Neben dem Kontext prägt die Struktur den Charakter eines Goal-Based Scenarios. Die Struktur setzt

sich zusammen aus dem Fokus, also dem Schwerpunkt der Mission und den konkreten Operationen,

also den Handlungsmöglichkeiten, die dem Lernenden zur Verfügung stehen.

Der Fokus ist sehr eng mit dem Kontext eines GBS verbunden. Mit dem Fokus entscheidet es sich,

welche Fertigkeiten letztlich durch ein Programm vermittelt werden bzw. welcher Natur diese Fertigkei-

ten sind. Schank unterscheidet hierbei die Kategorien Steuern & Kontrollieren, Gestalten, Entdecken

und Erklären.

Steuern & Kontrollieren: Der Fokus, den die meisten Wirtschaftssimulationen und Planspielen aufwei-

sen, ist der des Steuerns und Kontrollierens. Ausgesprochenes Ziel ist hierbei die Übernahme der

Steuerung eines simulierten Systems, z.B. einer virtuellen Firma, bei der entsprechende Regelungen

und Entscheidungen getroffen werden müssen, die dann von Mal zu Mal kontrolliert und gegebenen-

falls verändert werden müssen.

Gestalten: Dieser Fokus ist darauf ausgerichtet, tatsächlich selbst in einem GBS etwas zu produzie-

ren. Dies kann zum Beispiel ein Beitrag zu einer Zeitung oder einer Nachrichtensendung sein, aber

auch den Aufbau einer virtuellen Firma aus simulierten Teilkomponenten beinhalten. Im GBS Broad-

cast News liegt ein solcher Gestaltungs-Schwerpunkt vor. Hier müssen die Lernenden einen Video-

Beitrag zu einer Nachrichtensendung produzieren19.

19 z.B. Schank, 1994.

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Erklären: Bildet das Erklären den Schwerpunkt innerhalb eines Goal-Based Scenarios, dann liegt das

Hauptaugenmerk darauf, bereits existierende Produkte, Prozesse o.ä. zu untersuchen, und entspre-

chende Hypothesen, Theorien und letztlich Handlungsempfehlungen abzuleiten. Im Programm Sickle

Cell Counselor besteht die Aufgabe der Lernenden darin, Zellgewebe zu untersuchen, um Vergleiche

im Bereich kranken und gesunden Gewebes zu ziehen und daraus entsprechende Schlussfolgerun-

gen abzuleiten20.

Entdecken: Ein entdeckender Fokus liegt dann vor, wenn die Möglichkeit des Vergleichens zwischen

unterschiedlichen Aspekten oder Facetten ein und desselben Themenbereiches notwendig ist. Durch

entdeckendes Lernen wird hierbei weniger die gezielte Diagnose gefordert, sondern eher das Entde-

cken von Mustern und Analogien, anhand derer neue Erkenntnisse abgeleitet werden können.

Neben den bisher geschilderten Rahmenbedingungen des GBS, sind die Operationen die konkreten

Handlungsmöglichkeiten eines Lernenden. Die Operationen stellen also die Möglichkeit des Lernen-

den dar, mit dem GBS zu interagieren und damit konkrete Handlungen durchzuführen und Entschei-

dungen zu treffen. Mögliche Operationen können beispielsweise das Beantworten oder Stellen einer

Frage sein, eine Suche nach Hintergrundinformationen im System, das Treffen einer Entscheidung bei

einer Simulation, das Entscheiden zwischen unterschiedlichen Handlungsalternativen oder das Befra-

gen eines Experten nach dessen Meinung, etc.

Greift man nun das bereits mehrfach angeschnittene Beispiel eines "XYZ-Marktes" auf, dann zeigt

Abbildung 2 die Gesamtstruktur eines möglichen Goal-Based Scenarios zu diesem Bereich auf.

Abbildung 2: Gesamtsstruktur zum GBS "Der virtuelle XYZ-Markt" *** hier Abbildung 2 einfügen ***

Programmbeispiele Die bisherigen Ausführungen haben sich in erster Linie mit dem theoretischen Design von Goal-Based

Scenarios beschäftigt. In diesem Abschnitt werden nun einige beispielhafte GBS-Anwendungen vor-

gestellt.

Selling IBM Global Services: Ein beispielhaftes Goal-Based Scenario, welches von Roger Schanks kommerzieller Firma Cogniti-

veArts entwickelt wurde, befasst sich mit dem Bereich des Kundensupports. Das Ziel dieses GBS ist

es, Fertigkeiten im Bereich der angemessenen Bearbeitung von Kundenanfragen zu erwerben (mit ei-

nem Fokus auf "Steuern & Kontrollieren"). Hierzu wird im GBS dem Lerner die Mission gegeben, si-

mulierte Kundenanfragen und –probleme zu bearbeiten. Die Rahmenhandlung wird dabei jeweils

durch Videoclips mit simulierten Kundenanfragen eingeleitet, auf die der Lernende reagieren muss.

Abbildung 3 zeigt einige prototypische Bildschirme eines Falles aus diesem GBS.

20 Schank, 1994; Schank & Cleary, 1995.

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Abbildung 3: Selling IBM Global Services21 *** hier Abbildung 3 einfügen ***

In Abbildung 3 zeigt der erste Bildschirm (links oben) den Kunden, der eine Problemstellung präsen-

tiert. Der Lernende als Kundenberater hat nun die Möglichkeit, sich durch eine Expertin (rechts oben)

zunächst generelle Unterstützung über die Herangehensweise an dieses Problem zu holen. Im linken

unteren Bildausschnitt kann nun eine Reaktion auf die Anfrage des Kunden gewählt werden, worauf-

hin dieser entsprechend der getroffenen Wahl mit sofortigem Feedback reagiert (Videoclip). Der letzte

Bildausschnitt zeigt die Möglichkeit, sich zusätzliche Informationen und Rückmeldungen über die ge-

rade getroffene Entscheidung zu holen.

Target Guest Service Training Ein weiteres GBS aus dem Hause CognitiveArts beschäftigt sich ebenfalls mit dem Bereich des Kun-

densupports unter dem Aspekt der angemessenen Gesprächsführung. Der Lernende soll durch die

Bearbeitung von Kundenanfragen den angemessenen Umgang mit dem Kundenklientel lernen und

dabei gleichzeitig die Grundregeln der entsprechenden Firmenpolitik anwenden können. Abbildung 4

zeigt den Ablauf eines Teilszenarios in diesem GBS.

Abbildung 4: Target Guest Service Training22 *** hier Abbildung 4 einfügen ***

Auch in diesem GBS beginnt ein Teilszenario mit der Anfrage eines Kunden, wobei in diesem Beispiel

eine Mischung aus dem Fokus "Steuern & Kontrollieren" sowie "Erklären" vorliegt. Ein unzufriedener

Käufer beschwert sich über ein Paar abgenutzter Schuhe, deren Kaufpreis er gerne zurückerstattet

hätte (links oben). Der Lernende trifft in diesem Beispiel eine falsche Entscheidung, indem die Anfrage

des Kunden mit der Begründung der auf 90 Tage beschränkten Umtauschpolitik hier abgelehnt wird.

Der Kunde reagiert verärgert, worauf der Coach (rechts oben) eingeblendet wird, der den Fehler ent-

sprechend erklärt sowie günstigere Strategien vorschlägt. Der Lernende hat nun die Möglichkeit eine

andere Entscheidung zu wählen, in diesem Falle die Begutachtung des Produktes (links unten). Durch

die richtige Kombination entsprechender Gesprächsstrategien sowie entsprechender Grundregeln der

Firmenpolitik kann schließlich auch dieser Fall gelöst werden.

Gestalterische Goal-Based Scenarios Im Gegensatz zu den bereits geschilderten Scenarios, die im Bereich sozialer Simulationen ihren

Schwerpunkt auf Steuern sowie Erklären haben, liegt der Fokus bei den Goal-Based Scenarios

Broadcast News und Meeresökologie auf dem Gestalten.

Im Programm Broadcast News übernehmen die Lernenden die Rolle eines Reporters, dessen Aufga-

be es ist, einen Beitrag zu einer Nachrichtensendung zu verfassen und zu produzieren23. Hierzu ste-

hen recherchierbare Archive, Videoclips, Editierwerkzeuge für Text und Video und die Kommentare 21 Copyright: CognitiveArts (1998). Defining the future of Learning. Chicago, IL. [CD-ROM] 22 Copyright: CognitiveArts (1998). Defining the future of Learning. Chicago, IL. [CD-ROM] 23 z.B. Schank, 1994.

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von Experten zur Verfügung. Das Hauptlernziel besteht dabei nicht alleine darin, einen Beitrag produ-

zieren zu können, sondern liegt hierbei auch auf den Inhalten des zu produzierenden Beitrags (in die-

sem Falle den Zusammenhang zwischen Außenpolitik, Ökonomie und Innenpolitik begreifen). Die

Produktionsaufgabe dient in diesem Fall als Vehikel zur Wissensvermittlung.

Im GBS Meeresökologie übernehmen die Lernenden ebenfalls die gestalterische Rolle eines Redak-

teurs ein24. Ziel in diesem Programm ist es, eingehende Pressemeldungen anhand eines Zeitungsar-

chivs und einer Hintergrunddatenbank auf ihren Inhalt zu überprüfen und auf dieser Datenbasis einen

eigenen Zeitungsartikel zu verfassen. Zur Unterstützung dieser Aufgabe können ebenfalls die Mei-

nungen und Urteile von Experten eingeholt werden (Abb. 5, rechts). Auch in diesem Fall dient die Auf-

gabe als Vehikel zur Vermittlung von Zusammenhangswissen aus dem Bereich Ölverschmutzung und

Meeresökologie.

Abbildung 5: Virtueller Arbeitsplatz und Expertenkontakt im GBS Meeresökologie. *** Hier Abbildung 5 einfügen ***

In einer Evaluation dieses GBS-Programms konnte im Vergleich zur Vermittlung der gleichen Inhalte

in einem "klassischen" CBT eine deutlich motiviertere Auseinandersetzung der Lernenden mit dem

Material und ein Vorteil in der Vermittlung von Zusammenhangswissen nachgewiesen werden25.

Zusammenfassung und Ausblick Die Entwicklung neuer Technologien geht rasant voran. Dieser Entwicklung kann sich auch die Didak-

tik bzw. Instruktionspsychologie nicht entziehen. Gerade die breite Verfügbarkeit neuerer Rechnerge-

nerationen und die zunehmender Vernetzung durch das Internet ermöglicht es, große Zielgruppen im

Bereich der virtuellen Aus- und Weiterbildung zu erreichen26. Das technische Potential ermöglicht

hierbei auch die Nutzung von Programmen mit umfangreichen medialen Bereicherungen. Im Gegen-

satz zu klassischen Unterrichtsmethoden liegt ein Schwerpunkt der Gestaltung von Lernumgebungen

nach pädagogisch-konstruktivistischen Paradigmen auf der kontextabhängigen und damit authenti-

schen Vermittlung von Wissen. Zur Verwirklichung dieses Prinzips der Authentizität leisten hierbei

multimediale Elemente wie Abbildungen, Ton- und Videodokumente einen unverzichtbaren Beitrag.

Entsprechend komplex können auf diese Weise virtuelle Lernumgebungen gestaltet werden, die sich

eng an Vorgängen der Realität orientieren und diese letztlich auch abbilden. Durch diese realitätsnahe

Ausbildung erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Lernende das Gelernten auf die Situationen des

beruflichen Alltags transferieren können. Wissen, welches durch learning by doing auf diese Weise

vermittelt wird, bleibt somit kein träges Wissen, sondern kann aktiv umgesetzt und an wechselnde An-

forderungen angepasst werden.

24 Zumbach, 1999. 25 Zumbach & Reimann, 1999. 26 vgl. Zumbach, 2000.

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Eine musterhafte Umsetzung solcher Prinzipien findet bei den sogenannten Goal-Based Scenarios

wieder. Dieser Ansatz, der um Roger Schank am Institute of the Learning Sciences entwickelt wurde,

macht es sich zum Ziel, anwendbares Wissens in einem authentischen Kontext zu vermitteln.

Im Gegensatz zu traditionellen Unterrichtsmethoden, in denen der Lernende eine eher passive Rolle

einnimmt, wird in einem GBS der Lernende aktiv in den eigenen Lernprozess einbezogen. Der Benut-

zer eines GBS wird in eine authentische Handlung involviert, die die Lösung einer bestimmten vorde-

finierten Mission erforderlich macht. Durch das Erreichen dieser Mission werden die Lernziele vermit-

telt und gleichzeitig auch praktiziert. Grundlegende Merkmale eines GBS sind zum einen die Vorgabe

einer oder mehrerer Missionen und einer anwendungsnahen Rahmenhandlung, welche zusammen

den Kontext eines GBS bilden. Zum anderen ist ein GBS durch eine bestimmte Struktur charakteri-

siert, welche aus dem Fokus (z.B. Erklären, Steuern, Kontrollieren etc.) und den tatsächlichen Opera-

tionen besteht, die ein Lernender durchführen kann.

Durch den Wechsel von Aktionen des Lerners und den „Reaktionen“ eines GBS, sei es durch simulier-

te Reaktionen eines virtuellen Gegenübers oder durch unterstützendes Feedback durch das Pro-

gramm, wird ein höchst interaktiver Trainingsprozess ermöglicht, der einen angemessenen Mittelweg

zwischen Herausforderung und Unterstützung bietet.

Die Wirksamkeit eines GBS-Ansatzes erscheint in hohem Maße plausibel, dennoch ist bei der Pla-

nung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen abzuwägen, ob letztlich auch die Wirtschaftlichkeit ei-

nes GBS gewährleistet ist. Der Produktionsaufwand eines Goal-Based Scenarios ist sehr hoch. Dieser

beginnt mit einer umfangreichen Ziel- und Aufgabenanalyse, führt weiter über Expertenbefragungen

hin zu einer ausgiebigen Drehbucherstellung sowie Material- und Medienproduktion. Bei vorhandenen

Ressourcen in Form einer homogenen Zielgruppe und einer passenden Infrastruktur bietet sich diese

Form der Wissensvermittlung jedoch an, zumal sich die Investitionskosten durch eine praxis- und an-

wendungsnahe Ausbildung sehr schnell amortisieren dürften. Gegenwärtige Analysen ergeben, dass

ab einer Zielgruppe von etwa 200 Lernenden die Entwicklungskosten digitaler Trainings kompensiert

werden und somit wirtschaftlicher als traditionelle Formen zumindest der Personalentwicklung sind27.

Bei Goal-Based Scenarios liegt diese Grenze wahrscheinlich etwas höher als etwa bei CBTs, dabei

sprechen die Vorteile einer motivierenden Lernumgebung und der Anwendbarkeit des vermittelten

Wissens jedoch für sich.

Danksagungen Mein besonderer Dank gilt meinen Kolleginnen Sabine Koch und Miriam Weinel sowie Herrn Prof. Dr.

Peter Reimann für ihre Unterstützung.

Autorenvita Dipl.-Psych. Jörg Zumbach, Jahrgang 1973, studierte Psychologie am Psychologischen Institut der

Universität Heidelberg. Jörg Zumbach forscht und lehrt gegenwärtig am Psychologischen Institut der

Universität Heidelberg im Fachbereich Pädagogische Psychologie, insbesondere in dem Bereich "Le-

hren und Lernen mit Neuen Medien". In diesem Bereich befindet sich auch der Schwerpunkt seiner 27 Hempelmann, 2000.

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Zeitschriften- und Buchpublikationen. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit ist Jörg Zumbach

Mitbegründer der Firma b-educated! GmbH in Heidelberg (www.b-educted.com), in der er als Trainer

und Consultant für Web-Based Training und Selbstgesteuertes Lernen tätig ist. Weitere Informationen

finden Sie zu Jörg Zumbach im Internet unter

http://zumbach.psi.uni-heidelberg.de.

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tional Technology, 34(9), 9-14.

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13

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and learning (IN-TELE) 98 (pp. 449-454). Frankfurt: Peter Lang.

Abbildung 1:

Ziel-FertigkeitenZiel-Fertigkeiten

Goal-Based ScenarioGoal-Based Scenario

KontextKontext StrukturStruktur

MissionMission RahmenhandlungRahmenhandlung FokusFokus OperationenOperationen

• Steuern und Kontrollieren• Gestalten• Entdecken• Erklären

Abbildung 2:

Ziel-Fertigkeiten:Den Umsatz einer Markfiliale steigern

(Controlling, Buchhaltung, Produkt und Personalmanagement)

Ziel-Fertigkeiten:Den Umsatz einer Markfiliale steigern

(Controlling, Buchhaltung, Produkt und Personalmanagement)

Goal-Based Scenario: Der virtuelle XYZ-MarktGoal-Based Scenario: Der virtuelle XYZ-Markt

KontextKontext StrukturStruktur

Mission:„Steigern Sie den Umsatz einer Marktfiliale der Warenhaus-kette XYZ“

Mission:„Steigern Sie den Umsatz einer Marktfiliale der Warenhaus-kette XYZ“

RahmenhandlungDer XYZ-Martktschreibt rote Zahlen. ÄndernSie dies durch angewandte BWL.

RahmenhandlungDer XYZ-Martktschreibt rote Zahlen. ÄndernSie dies durch

angewandte BWL.

FokusFokus Operationen:WerbekampagnenFachliteratur lesenPersonal ver-waltenProduktpalette ändern etc.

Operationen:WerbekampagnenFachliteratur lesenPersonal ver-waltenProduktpalette ändern etc.

• Steuern undKontrollieren

• Gestalten• Entdecken• Erklären

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Abbildung 3:

Abbildung 4:

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Abbildung 5: