Goerling Genero Sexo Fantasma Literatura

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  • 7/26/2019 Goerling Genero Sexo Fantasma Literatura

    1/11

    .t

    t.

    Reinhold

    Grling

    '

    .j

    Das Geschlecht

    der

    Gespenster

    1

    j

    Literarische

    lnszenierungen

    1

    einer

    ambivalenten

    Gegenwrtigkeit

    In seinen

    Bemerkungen iiber

    die Farben

    greift

    Ludwig Wittgenstein

    auch

    die

    alte

    Frage

    auf,

    welche Far be

    die

    des Gespenstes

    sei.

    AMan

    knnte

    sagem,

    schreibt

    er,

    es

    Asei

    die,

    die ich

    auf

    der

    Palette mischen

    mufs,

    um

    es

    genw

    abzumalen.p

    Und

    er

    fgt hinzu:

    (fWie

    aber

    bestimmt

    man,

    was das

    genaue

    Bild

    ist?

    p

    Wittgensteins

    Ironie

    exemplisziert,

    was in dem Aphorismus,

    der auf

    den

    eben zitierten

    folgt, in

    kritischer

    Wendung gegen d ie

    Psychologie

    festge-

    stellt

    wird:

    ADie

    Psychologie

    verindet

    das

    Erlebte mit

    etwas Physischem,

    wir

    aber

    das

    Erlebte mit Erlebtem.vl

    hnlich

    kann

    es

    einem ergehen,

    wenn

    man nach

    dem

    Geschlecht

    des

    Gespenstes

    fragt,

    Die

    Polysemie,

    clie das Wort

    Geschlecht

    im Deutschen

    be-

    sitzt,

    macht es

    selbst gespenstischvWohl

    knnte

    man

    auf

    die Frage

    antworten,

    das

    Geschlecht des

    Gespenstes sei

    das,

    dem

    der , die oder clas

    Untote

    auch als

    Lebendetr/s)

    angehrt

    hat. Wie

    aber

    bestimme

    ich,

    was

    ein Gesclalecht

    ist?

    Unweigerlich gleite

    ich

    von einer

    vFarbehh

    des

    Begrifl

    zur

    anderen,

    von

    der

    Geschlechtszugehrigkeit

    zur

    Familie,

    zur

    Abstammung,

    zu

    den

    Ahnen, von

    der

    biologischen zur literarischen

    Gattung, von gender zu

    genre. Nach

    dem

    Geschlecht der

    Gespenster zu

    fragen,

    kann

    also

    nicht

    bedeuten,

    die

    (oiln-

    kundige)

    Geschlechtlichkcit der Gespenster

    erkunden

    zu

    wollen. Vielmehr

    zielt

    mein Interesse

    auf den

    Zusammenhang von

    genrevgender

    undgeneration.

    Es

    steckt

    also

    etwas Gespenstisches

    im

    BegriF

    des Geschlechts

    selbst,

    weil

    er

    Difirenzen

    ebenso behauptet

    wie

    unterluft.

    Das

    Geschlecht

    ortet

    und

    verzeitet

    nch,

    bestimmt

    nlich

    diskursiv

    und rhetorisch

    als

    schon

    immer

    abgeleitet.

    Man knnte

    deshalb

    wohl

    auch

    sagen:

    clas

    Gespenstische

    ist (Iie

    Dimension

    des

    Gesclzlechts,

    die

    mich

    von

    einem

    anderen Ort und

    einer

    1

    Ludwig

    WITTGENSTEIN,

    emerkungen

    iiber die Farbenp,

    i n: kr ka usg abe ,

    Bd

    8.

    Frankfurt/M

    1994,

    88.

    COMPARIAIISON

    2 (1996)

    175

  • 7/26/2019 Goerling Genero Sexo Fantasma Literatura

    2/11

    anderen

    Zeit

    her

    temporalisiert

    und

    Spatialisiert,

    die

    mich

    exzentrisch

    macht,

    dezentralisiert.

    Wohl in allen

    Kulturen

    gibt es Gespenster,

    Figurationen

    deS Abwesenden,

    Untoten,

    nicht ganz Vergangenen, noch n icht Gekommenen. Die

    Art

    und

    Weise,

    wie eine Kultur mit ihren Gespenstern umgeht, ist deshalb

    ein

    sehr

    bestimmter

    Indikator dafr, wie eine Kulttzr ihre

    rumliche und zeidiche

    Ordnung

    organisiert, wie die

    Subjekte in

    ihr Macht iiber sich selbst und ber

    andere erlangen und ausiiben.

    Mglich, (L'tB

    Gespenste r gerade in Situationen

    eines historischen Umbruchs

    gehuft

    auftreten,

    in

    Situationen,

    in

    denen wir

    das gesamte Geftige unseres Raum-zeit-verstndnisses neu definieren miissen

    -

    und damit auch

    das

    Verhltnis von An- und Abwesenheit. Gespenster

    -

    wenigstens dann, wenn

    sie

    dem Genre der Horror-Geschichte, in

    das sie

    im

    l8.lahrhundert beinahe gebannt worden

    wren,

    entweichen knnen

    -

    halten

    sich

    nicht

    an die

    europiisch-neuzei tl iche Trennung von Vergangenheit , Ge-

    genwart und

    Zukunft.

    Sie machen

    auf (Iie frungleichzeitigkeit der

    lebendigen

    Gegenwart nt sich

    selbsthh

    aufmerksam, wie Jacques Derrida in seinem Buch

    Marx' Gespenster

    schreibt.z

    Und sie halten sich auch nicht an die mit

    unseren

    Zeitvorstellungen verbundenen Denitionen

    des

    lkaumes;

    sie

    fhren zu Kollo-

    kadonen und

    sie

    stellen Zwischenr:ume

    her.

    rllch

    muB nmlich

    ma1

    mit e inem gruncltzlichen Mifsversndnis aufru-

    men,

    (L'tB

    wir

    Toten irgendwie tot

    wuren.Wir

    sind

    voller

    Protest

    und Energie.

    Wer wil l schon

    umkommen?

    Wir

    durcheen,

    durchforschen die

    Geschichte.o

    Dies

    ist

    ein

    Satz aus

    Alexander Kluges Film

    ADie

    Patriotinp.

    K luge leih t hier

    seine (unverwechselbare)

    Stimme

    dem Knie

    des

    Obergefreiten

    Wieland,

    am

    29. Januar 1943 in

    Stalingrad gefallen

    -

    als Knie (Gelenk.

    Fuge,

    Zwischen-

    t' aum) aber aus einem

    Gedicht

    von Christian Morgenstern

    kommend.

    Ge-

    spenster s ind Artikulationen eines

    Einspruches

    gegen einen

    Mythos,

    den wir

    nur allzu selbswerstndl ich und

    unhinterfragt

    zur

    Grundlage

    unserer

    alltgli-

    chen

    Orientierung

    nehmen: den

    Mythos

    der

    Prsenz.

    Ich meine damit e inen

    doppelten, sich

    gegenseitig

    sttzenden

    Glauben'. den (L'IB die Anwesenheit

    hher,

    wichtiger,

    mchdger

    oder wahrer sei als die Abwesenheit; und

    den,

    CIaB

    es so etwas

    wie eine Reinheit

    der

    Prsenz

    gebe. Denkt man in

    dieser

    Dichotomie,

    clann

    hat Abwesenheit keine eigene Qualitk,

    i st si e

    nur Mangel,

    Mangel

    an

    Anwesenheit, bzw. Negation

    des

    Gegenwsrtigen.

    Sicher

    haben

    wir Techniken,

    uns

    ein

    Abwesendes anwesend zu

    machen.

    Geschichte schreiben und

    Geschichten erzhlen

    gehren

    dazu. Doch wie

    halten wir

    es

    dabei mit dieser

    womglich eigenen Qualitt des Abwesenden?

    2

    Jacques DEKRIDA,

    bkrx''

    (IIFJJ7CNJZr

    -

    Der vechuldete Staatt die 'Xulerlrcl'l und

    dlC

    neue

    Internationale,

    ibers.

    v.

    Susanne Liidemann, Frankfurt/M

    1995,

    12.

    3

    Alexander

    KLUGE,

    Dfe Patrotin

    -

    Ixle /

    Bilder 1-6,

    Frankfurt/M

    1979, 58.

    176

    Dienen uns

    Geschichten und dient uns

    das

    Schreiben von

    Geschichte

    nicht

    doch

    nur

    dazu,

    die

    Anwesenheit

    auf

    einem Vergangenen zu

    fundieren

    und

    dadurch

    grBer zu

    machen?

    Und

    was

    wird

    aus dm,

    was

    in

    unseren

    Erz-lun-

    gen

    nicht

    aufgenommen

    wi rd? Zwei

    literarische

    Refektionen iiber

    Gespen-

    ster

    sollen

    nun

    nach

    diesem Zusammenhang

    von

    genfe,

    ,c r ller und

    Reneration

    befragt werden;

    die

    eine gilt

    einemvater-,

    die

    andere einem

    Muttergespenst'.

    William

    Shakespeares

    Al'-lamletp

    und

    Heinrich

    von

    Kleists.

    Das

    Bettelweib

    von

    Locarnol).

    Am

    hupten,

    so

    scheint

    es

    jedenfalls,

    treten

    in unserer

    neuzeidichen

    Litera-

    tur

    die

    Vkergespenster

    auf.

    Und

    das Beispiel

    aller Beispiele

    ist der Geist

    von

    Hamleevater

    -

    zusammen

    nt

    dem zirka zehn

    Jahre spter

    an

    einem

    anderen

    Ort

    Europas

    auf

    die

    Bhne

    gebrachten

    Steinernen

    Gast,

    an

    dessen

    kalter

    Hand

    Don Juan

    die

    Hllenfahrt

    antritt. Wa5

    ist

    eiu

    Gespenst? Das ist

    ftir

    Hamlet wie

    ftir

    Don Juan, ja,

    d as i st , seitdem

    Odipus die Verantworttzng

    fr

    den

    Thebener

    Thron

    bernommen

    hat, zunkhst die

    Frage:Was

    ist

    einvater?

    f'Who's

    there?,

    mit

    diesenWorten beginnt Shakespeares

    Stiick.4

    Zur

    Erinne-

    rung:

    Wir

    sind

    auf

    einer

    Befesgunpterrasse der

    Burg

    von

    Helsingr,

    es

    ist

    Mitternacht,

    Zeit

    des

    Wachwechsels,

    aber auch

    Zeitloch,

    in

    dem das

    Gespenst,

    qthis

    thinp

    (1.1.21),

    schon

    zum

    zweiten

    MaI

    auftritt,

    in

    der

    Ritterriistung

    von

    Hanetsvater:

    Enter

    Gbost,

    Exit

    Gost,

    Re-enter Ghost,

    Fxff

    Ghost r4'Tis herelp

    /

    f'rfis gone.

    ..$h

    kommentieren

    Horatio

    und clie

    Wachen

    (1.1.142 1).

    qstay,

    speak,

    speak,

    I

    charge thee,

    speaklp

    befiehlt

    ihm

    Homtio (1.1.51),

    doch das

    tut

    es

    erst

    am nchsten Abend,

    in der

    Anwesenheit Hanet.

    In

    der

    dazwischen liegenden Szene gibt

    Shakespeare uns

    eine

    kleine

    Lekti-

    on in

    Sachen

    Spmche. Scheint

    Horatio

    zu hofin,

    die

    Ambivalenz

    der

    Er-

    scheinung

    audsen

    zu knnen,

    indem

    er das

    Gespenst zum

    Sprechen brinp,

    prsentiert

    sich

    Hamlet,

    vom

    ersten

    Satz, den

    er auf der

    Biihne

    artikuliert,

    an,

    a1s

    ein

    Meister des

    Wortspiels.

    Buchstbliche

    und

    figurative

    Bedeutung,

    Doppeldeutigkeiten,

    Gleichklang

    verschiedener Worte: kaam

    ein

    Satz, in

    dem

    Hamlet nicht mit

    der

    Unsicherheit

    der

    auBersprachlichen Referenz

    spielte

    und

    damit

    das

    hohle Sprechen seiner

    Gegeniiber

    denunzierte. Hamlet

    wird

    diese

    lhhigkeit

    zunehmend verlieren, im 5.

    Akt sind

    es

    die beiden Clowns,

    die

    Totengrber,

    die

    dieses SprachbewuBtsein iibernehmen.

    Auch Hanzlet

    fordert

    das

    Gespenst

    in der

    nzhsten

    Nacht

    zum

    Sprechen

    auE

    Seinen

    Bericht

    iiber

    die

    Hllenqualen,

    die es nun

    erleiden

    muB,

    iiber

    seine Ermordung

    durch Seinen

    Bruder

    Claudius,

    seine

    Klage ber

    die

    Un-

    treue

    seiner

    Frau

    Gertrude

    und

    Hanllets

    Schwur der Rache: das braucht

    hier

    4

    william

    SHAKESPE&KE,

    f'fullllct,

    Stuttgart

    1984.

    COMPAAIAIISON 2 (1

    996)

    COMPARIAIISON

    2

    (1996)

  • 7/26/2019 Goerling Genero Sexo Fantasma Literatura

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    T'

    weiter ausgefhrt

    zu werden. Hanet

    behlt

    dieses

    Wissen

    f'tir sich,

    und

    er

    verlangt

    Horatio

    und

    Marcellus, die

    ja

    in

    einiger

    Entfernung

    gewartet

    haben, nach

    dem

    Gesprch

    den

    Schwur

    ab, mit

    keinem

    ber

    die

    Erscheinung

    zu

    sprechen.

    Sptenstens

    hier

    kippt

    die

    Szene ins

    Komche.

    Beide

    haben

    schon

    geschworen,

    da will

    Hamleq

    (Ia.IJ

    sie

    es

    mit

    der

    Hand

    auf

    seinem

    Schwerte

    wiederholen.Wenn

    5ie

    dazu

    ansetzen, ertnt

    von unten

    clie

    Stimme

    des

    Geistes

    mahnend:

    tschwrtlh).

    Sie

    wechseln

    den

    Ort,

    wieder

    die Stimme

    von

    unten:

    f'Swear by his swordlp

    -

    ftWell

    said,

    o1d

    mole,)

    (1,5,161

    t),

    erwidert

    Hamlet und versucht

    e5

    an

    anderem

    Ort

    ein drittes

    und

    letztes

    Mal.

    Es

    komrnt

    ncht mehr

    zur

    Wiederholung

    des

    Schwures,

    es

    sei

    denn,

    die

    Mnner

    akzeptiereny

    CIa,IJ

    der

    Geist

    fr

    sie spricht.

    Diese

    Szene

    gehrt

    so

    grotesk

    inszeniert wie

    s ie ist .

    Zum

    einen

    setzt sie

    in

    theatralische

    Bewegung um,

    was

    Hamlet am Ende

    in dem

    viel

    zitierten

    Satz

    reektiert:

    ff-l-he

    t'ime

    is out

    of joint')

    (1,5,188)

    -

    (fDie

    Zeit

    ist

    aus

    den

    Fugenp

    iibersetzt

    August

    Wilhelm

    Schlegel

    treFend.

    Die

    Verbindungstellen

    von

    Ver-

    gangenheit,

    Gegenwart

    und

    Zukun

    sind

    gerissen,

    es gibt

    mehr

    als

    eine

    Zeit,

    die

    Gegenwart

    ist mit

    sich selbst

    ungteichzeitig geworden.

    luumlich

    ausge-

    driickt

    heiBt

    das,

    das

    Gefge

    ist

    geaennt,

    dort,

    wo

    e5

    zuvor

    ein

    gcnaues

    Aneinanderpassen

    gegeben

    hat,

    ist

    ein

    Loch, ein

    Zwischenmum

    entstanden.

    Es gibt

    aber

    noch

    einen

    meiten grotesken

    Aspekt

    in

    dieser

    Szene,

    der

    woM

    am

    treFeniten

    in

    dem anderen

    beriihmt

    gewordenen

    Satz

    ausgedriickt

    ist:

    :We11

    said,

    o1d

    mole.p

    Er

    hat

    Hegel

    ebenso

    wie

    Marx

    begeistert:

    Hegel

    zitiert

    ihn

    am

    Ende

    seiner

    Izbr/eluawea

    per

    fe

    Geschkbte

    der

    Philosopie,

    wenn

    er

    den

    Alangen Zug

    k on

    Geisternh)

    beschwrt,

    deren

    Prinzip es

    ist,

    sich

    im

    absoluten

    Geist

    zu

    erkennen.

    AAuf

    sein

    Drngen

    -

    wenn

    der

    Maulwurf

    im

    Innern

    fortwiihlt

    -

    haben

    wir

    zu

    hren

    und

    ihm

    Wirklichkeit zu

    verschaffenh.s

    Marx

    leiht

    in

    Der

    achtzehnte

    lmralfr:

    des

    Dui'l

    Bonaparte

    der

    Revolution

    diesen

    Kosenamen:

    lBrav

    gewiilzlt,

    alter

    Matllwut-flhfh

    Kehrt

    man

    zur

    Referenzstelle

    aus

    Hamlet

    zuriicky

    so

    fOt ein

    deutlich

    fraternaltischer

    Zug

    auf.

    Unheimlich-

    keit

    scheint

    vom

    Gespenst

    hier

    nicht mehr

    auszugehen,

    eher

    ist

    es

    ein

    Kumpa-

    nicht

    ne, ein

    Bundesgenosse

    im

    Kampf

    geworden.Aber

    in

    welchem

    Kampp

    Jedenfalb

    scheint nr

    dieseverbriiderung

    mit dem

    Gespenst

    es

    kaum mg-

    lich

    zu

    nuchem

    in

    ihm

    eine

    Wicderkehr,

    eine

    Figutution

    von

    Schuldgefhlen

    zu sehen, die

    Hamlet

    -

    den

    einfachsten

    psychoanalytischen

    Interpretationen

    zufolge

    -

    gegen

    seinen

    Vater

    haben

    miisse, ob

    der

    dipalen

    Todeswiinsche

    gegen

    ihn

    als

    Konkurienten

    um

    Gertzazdes

    Gunst.

    Schon

    Horkheimer

    und

    5

    Georg

    Wilhelm

    Friedrich

    HEGEL.

    ebrlesungen ber

    kfe

    Geslhte

    der

    Pi/pypy/lfc,

    Bd

    3

    t'Werke

    Bd

    20),

    Frankfurt/M

    1991, 462.

    6

    Karl

    MaRX,

    ADer

    achrzehnte

    Brumaire

    des

    Louis

    Bonaparteh,

    in:

    ders.

    u.

    Friedrich

    Engels.

    I'Pirkc, Bd.

    8. Berlin

    1978,

    196.

    Adorno

    haben

    in der

    Dialektik der

    .z'1nXDrl:rl.g Freuds

    Theorie,

    ftclafs

    der

    Ge-

    spensterglaube

    auS

    den bsen

    Gedanken der

    Lebenden

    gegen

    dieverstorbenen

    kommt,

    aus der

    Erinnerung

    an

    alte

    Todeswiinscheh,

    a ls A zu

    planp

    bezeichnet.7

    Die

    Zuriickgebliebenen

    ftihlten

    sich

    verlassen, sagen

    sie,

    verraten

    von

    den

    Toten.

    lm

    Spuk

    und seinem

    modernen

    Gegenstiick,

    dem

    rationalisierten

    Vergessen, sehen

    sie

    Versuche,

    diesen

    Geflllen

    zu begegnen.

    Wenn

    dies

    rich-

    tig

    ist, wenn

    die

    Fraternalisierung einenverrat

    berdecken

    soll,

    worin

    besteht

    er

    in Hamlet

    Ein Schwur

    ist ein performativer

    Akt, er

    produziert

    etwas, das

    es vorher

    nicht

    gegeben

    hat.

    Er

    muB auf

    nichrs

    venveisenyja, er

    ist oft

    umso

    wirksamer,

    je

    weniger cr ein

    AuBersprachliches

    mit

    Sich

    trgt.

    Der Schwur

    zu

    schweigen

    verp:ichtet

    die

    Schwrenden,

    er

    stellt ein

    Geheimnis

    hc r, ohne

    CIaI3 es

    ein

    Wissen

    geben

    mufs. Er

    schmiedet

    eine

    Gruppe

    -

    nicht

    aus, aber doch

    -

    ber

    dem

    NichB,

    iiber der

    Leere.

    Und

    das wohl

    um

    so

    deudicher, wenn

    er einen

    Toten

    nteinscllliefst.

    Die

    Mnner

    hier bannen

    also

    eine

    Leere,

    einen existen-

    tiellen

    Ver ra t, wie

    ihn

    Horkheimer und

    Adorno

    beschreiben, indem sie

    ihn

    aus

    sich

    heraussetzen.

    Der, der

    den

    Schwur

    bricht,

    ist

    jetzt

    der

    Verr:ter,

    der,

    det

    an

    das

    leere

    Geheimnis

    riihren

    knnte,

    ein Feind.

    Ein

    anderer

    beriihmt gewordener

    Satz

    aus

    Hzmlet

    macht

    clas

    vielleicht

    noch

    etwas

    deutlicher.

    q'T'he

    king

    is

    a thing

    @...J

    of

    nothinph

    (4,2,27 f)

    Der

    Zusammenhang,

    in

    dem Hamlet

    dies

    uBert, gibt keinen

    Hinweis

    damuf,

    welchen

    Knig

    er

    meint:

    das

    Gespenst

    seines

    Vaters,

    der

    dreifach

    nichts

    ist:

    tot , ohne

    Knipzepter

    und

    gehrnt?

    Claudiu, der

    Mrder,

    Verrter

    und

    Phrasendrescher?

    Alle

    Knige?

    Mud

    Ellmarm

    schreibt

    in

    einem sehr

    anregenden

    Aufbtz

    iiber

    die Geister

    in

    James Joyces

    Ulysses,

    es

    seien in

    Shakespeares

    Theaterstiicken vor

    allem

    die

    Frauen,

    die

    das Nichts

    artikulieren

    und

    bannen.8

    So

    auch

    -

    aber

    eben nicht

    ganz

    -

    in

    Hamlet:

    Als

    der

    Geist

    noch

    einmal,

    ein drittes

    Mal,

    auftritt, im

    Hausmantel,

    wrend

    Hamlet

    in seiner

    Mutters

    Privatgenuch

    ist, sieht

    Ger-

    trude ihn

    nicht.

    Das

    Gespenst

    erscheint

    also

    nur

    den

    Mnnern,

    bzwt

    Shnen.

    Und

    auch

    Ophelia

    artikuliert dieses

    Nichts

    immer

    wieder,

    etwa

    in

    der etwas

    obsznen

    Szene

    zu

    Beginn

    der

    TheaterauAhrung

    (im

    Stiick),

    die

    rrtit

    Germ

    trudes

    Frage

    an

    Hamlet beginnt,

    ob

    er

    sich

    nicht

    zu

    ihr

    setzen

    wolle:

    Nein,

    sagt

    er zu

    seiner

    Mutter, hier sei

    Ametal

    more attractivep:

    nt

    dem

    Merall

    meint

    er

    Ophelias

    Krper,

    und er

    geht

    uch

    gleich

    zur Sache

    -

    allerdings

    erweist

    sich

    dieses

    thing auch

    sehr

    schnell

    als

    ein

    no-ting'.

    7

    Max

    HORKHEIMEP-

    u.

    Theodor

    W

    Aoolkto,

    Dolektik ker

    Aulklrung

    -

    Pilosopbcbe

    Frupneate, Amsterda:n

    1947, 254.

    B

    Maud

    ELLMANN, 4'T'he

    Ghosts

    of Ulyssesp,

    in:

    ne Aftt

    a nd / /l c

    L.altyn'nt,

    hg.

    v.

    Augustine

    Martin,

    London

    1990. 193-228.

    COMPARIAIISON

    2

    (1996)

    COMPARIAIISON

    2

    (1996)

  • 7/26/2019 Goerling Genero Sexo Fantasma Literatura

    4/11

    Ham.

    Lady,

    shall

    I

    1ie

    in

    your

    lap?

    Opb. No,

    my

    Lord.

    Ham. I

    mean, my

    head

    upon

    your

    lap?

    Oph. hy,

    my

    lord.

    Ham.

    Do you

    think I

    meant country

    matters?

    Oph. I

    think

    nothing,

    my

    lord.

    f'fta.erhat's

    a

    fair thought

    to

    1ie

    between

    maids' legs.

    OJ.What

    is,

    my

    lord?

    Ham. Nothing,

    (3.2.113 fll

    Selten diirfte

    eine

    (symbolische)

    Entmannung

    zXrdicher

    vollzogen

    worden

    sein

    als

    hier: matter,

    das

    Ding,

    das

    Hamlet so

    vulgr ausstellt,

    wird von

    Ophe-

    1ia

    mit

    einem

    schlichten

    notbing

    quittiert.

    In

    Hamlet

    bannen

    die Frauen

    das

    Nichts

    nicht

    mehr,

    es

    zirkuliert so

    krftig

    zwischen

    Ophel ia und

    Gertrude,

    (Ia.B

    auch

    der

    fraternalistische

    Schwur,

    vom

    Gespenst

    zu

    schweigen,

    es

    nicht

    zr

    Ruhe

    bringt.

    A-fhe

    body is

    with the king, but

    the king

    is

    not with

    the

    body.

    /

    The

    king

    is

    a thing

    (.

    .

    .j of

    nothinp')

    (4,2,26

    1)9

    Wie

    aber

    einenvater

    tten,

    wenn

    er

    ein

    Nichts ist?

    -

    Hamlet

    weifl zu viel,

    wie

    Jacques

    Lacan

    in

    seiner

    sehr

    genauen

    Hanllet-lnterpretation

    sagt,

    er

    muB

    vergessen,

    um

    sein

    Begehren

    zu

    lernen.lo

    Ich f tige

    kritisch hinzu:

    sein

    msnn-

    liches,

    sein phallisches

    Begehren.

    q'rhe

    king

    is

    a thing

    (. .

    .)

    of

    nothinpp Dieser Satz

    fllt einige

    Zeit,

    nach-

    dem

    Hamlet die Erscheinung

    hinter

    demvorhang

    in

    Gertrudes

    Schlafzinlmer

    zu

    eier

    Ratte

    umdefiniert und

    niedergestochen hat. Darnit

    ist der

    erste

    Schritt

    dicses

    Lernprozesses

    gemacht:

    wenn

    der

    Knig

    ein

    Ding

    aus Nichts

    ist,

    wenn

    nicht

    einmal

    dieses

    Knipwort einen sicheren

    Referenten

    hat,

    dann

    ist

    es eine

    Sache der Denitionsmacht,

    die

    Sprache

    und das

    Aullerspmchliche

    miteinander zu

    verbinden. Hamlets

    Gleichgltigkeit

    gegenber

    dem

    toten

    Krper hinter

    dem

    Vrhang, die

    auch

    anhlt,

    als er entdeckt,

    CIa,B

    er

    weder

    einer lkatte,

    noch

    Claudius,

    sondern

    Polonius

    gehrt

    hat, zeigt,

    w ie wei t

    er

    schon Worte

    und

    Wirklichkeit

    zu

    vemechseln bereit

    ist.

    Der

    nchste

    Schritt

    ieses

    Lernprozesses ist

    vollzogen,

    als

    er

    Rosenkranz

    und

    Gldenstern mit

    gDas

    meint, wie

    gesagt,

    das

    Gespenst in

    der

    Rstung

    ebenso wie

    den

    eking

    of

    shreds

    md

    patches:

    (3.4.101),

    die

    mit

    Lumpen und

    Flicken

    behngtevogelscheuche, die

    nun auf

    demThron

    sitzt.

    Inwieweit hier

    auch die juristische

    Theorie der vzwei

    Krper des

    Knigs.

    irzs

    Spiel konunt, ist

    umstriuen.vgl.: Ernst H.

    KAlsll.oRowlcz,

    Die zwei

    Krper

    des

    Knks

    -

    Eine

    Studie

    zur

    politischen 'Jct?pell'e des Mittelalters,

    ubers.

    v. Walter

    Theimer,

    Miinchen

    1994;

    Kritiken claran

    trgt

    zusammen:

    Slavoj

    ZIZEK, Dk'e

    Grllluen

    des Realen

    -

    Jacques

    f-zaa

    oder Jle Motutrsitt des

    z'lkfes,

    tibers.

    v.

    Isolde

    Charim

    u.a.,

    Kln

    1993,

    124-129.

    'olacques

    LAcAx, 4l-lanaletv,

    ibers.

    v.

    Michael

    Turnheim,

    in:

    +0

    ES W HR,

    2, 3-60

    u.

    3-4,

    5-45.

    180

    Tod

    schickt,

    einem

    Brief

    in

    den

    ugel

    gesetzt

    hat.

    eflschten

    uterliche

    S

    einem

    g

    ch

    das

    v

    sondern

    au

    iurs

    terlichen

    Namen,

    arf

    das

    B

    nur

    den

    v

    iner

    Mutter

    vorw

    ,

    (L'B

    Hanet

    zuvor

    Se

    man

    bechtet,

    om

    (tevery

    god

    did

    seem

    to

    Wenn

    haben,

    Vaters,

    verraten

    zu

    n

    Mannes,

    seines

    :$

    4

    60

    f),

    dann

    kann

    ma

    eines

    c

    to

    a

    mam

    (

    ,

    ,

    he

    world

    assuranc

    u

    igse

    his

    seal /

    To

    give

    t

    ke

    mythische

    oder

    re

    g

    set

    den

    mufk

    d

    was

    vergessen

    wer

    ij

    der

    ielleicht

    ermessen,

    k

    uch

    historisch,

    (L':S

    We

    Y

    dCS

    Wortes

    ist

    dah

    n,

    der

    Autoritt

    schafln,

    wenn

    Begriindung

    wie

    aber

    eine

    neue

    dierte

    nur

    zu

    genau.

    Wittenberg

    St'u

    in

    durch

    Flschung.

    h

    bewuBtesvergeoen,

    Geschichten

    nt

    nicht

    durc

    it

    ich

    sehe

    -

    alle

    otiv

    pr.gt

    -

    So

    We

    lizit

    Dieses

    Flschungsm

    j88t)

    geht

    es

    ganz

    exP

    Gerllcrlle/e

    (

    In

    Henrik

    lbserks

    jwn

    Genea-

    vtergespenstern.

    sruch

    der

    vkerlic

    haftsnachweis.

    Der

    fbchtenvtersc

    sedeutungen.

    um

    einen

    ge

    cur

    Kontroze

    von

    ber

    die

    Techniken

    kne

    droht

    die

    Macht

    ii

    alogie

    ist

    selbst

    e

    logie

    be

    die

    vuterliche

    Gene

    stuck

    macht

    khr:

    be

    a

    legal

    Aber

    Shkespeares

    jwru

    qpaternity

    nuy

    das

    sehr

    gena.u

    gese

    ames

    Joyce

    h1t

    stephen

    in

    einem

    F'lschung.

    J

    n

    the

    voidp,

    sagt

    ie

    die

    Kirche,

    (LIPO

    iom,

    gegriindet,

    W

    11

    ct

    gj

    ses.

    toer

    Hlmlel

    in

    7

    uzogen,

    ielen

    Gesprsche

    vergessens

    ist

    vo

    der

    v

    j-ernprozei

    des

    hritt

    von

    Hnets

    hre

    kmpft.

    Der

    letzte

    Sc

    eine

    Mnnese

    kt

    nt

    Laertes

    um

    s

    inz

    im

    5.

    A

    ist

    nun,

    um

    mit

    nn

    der

    Dnenpr

    ber

    Hamlet

    we

    a

    das

    Gespenst,

    a

    ))

    rscwin

    e

    iert

    -

    und

    vo

    -

    Mit

    dem

    Vergessen

    v

    itorialis

    rechen,

    reterr

    Flix

    Guattari

    zu

    sp

    illes

    Deleuze

    und

    G

    wiederholungszwng.

    ie-

    unden

    in

    einen

    wonen

    geschr

    stxndig

    einge

    inen

    in

    verteilten

    Akt, zu

    Hzmlet,

    e

    n

    ibt

    einen

    echsten

    braham

    dem

    Urspru

    g,

    Es

    g

    al

    tiker

    Nicolas

    A

    der

    Psychoan

    y

    dke

    er

    seiner

    Essay,

    in

    dem

    suberlegung,

    enen

    brahams

    Ausgang

    achgeht.

    A

    aas

    verdrsngte

    d

    desverrats

    n

    tern

    dem

    Grun

    t

    ljo

    in

    Gespens

    iker

    entnimmt,

    ,

    kommen

    trans-

    thrung

    ZS

    Analyt

    das

    den

    Nach

    E

    rfoxn

    wkederkehrt,

    u

    egene

    einesvo

    kjw

    fuschung,

    die

    s

    derverschw

    I-eerstelle,

    als

    e

    ird

    als

    eine

    ornutio-

    onell

    bergeben

    w

    ,

    die

    ngen

    ln

    genera

    k

    ar

    nicht

    iiber

    knnen,

    weil

    s

    e

    g

    yurnlet

    ber

    nie

    fllen

    These

    in

    Bezug

    au

    selbst

    a

    uuun.

    seine

    Geschichte

    zu

    erz

    ist

    den

    tfgen,

    diese

    bekannter

    Betrug

    ,

    nen

    ve

    inzen

    un

    in

    dem

    Dnenpr

    uamles

    das

    Geheimnis

    e

    yortinbras,

    den

    ist,

    CL'IB

    f

    mit

    dem

    alten

    hat:

    lm

    Zweikamp

    ie

    im

    Stck

    dervater

    begangen

    haft

    uber

    Land,

    w

    m

    die

    Herrsc

    ing

    es

    nicht

    nur

    u

    sieges

    sicher

    Vater gewann,

    g

    Gerrude. Um

    seines

    d

    sondern

    uch

    um

    wie

    h

    gesagt

    wir

    ,

    in

    schwert,

    genauso

    ausdzcklic

    polonius,

    se

    mlet,

    rnit

    H2fe

    von

    in

    vergiftete

    Ha

    dius

    mt.12

    zu

    se

    ,

    pa,

    von

    Clau

    des

    Stckes

    Laertes

    au

    am

    Ende

    es

    Brie

    unter

    den

    er

    nicht

    COMPARIAIISON

    2 (1996)

    1 1

    James

    JOYCE,

    Ulysses,

    London

    1993,

    170

    (9,

    842

    fl).

    12

    Nivolas

    ABRAHAM,

    xLe

    fantme

    d'Hamlet

    ou

    1eVI*

    acte

    prcd

    par

    L'ene'acte

    de

    la

    tvritp,

    in:

    Nicolas

    ASRAHAM

    u.

    Maria

    Toltol,

    L'corce

    et

    le

    acsp,

    Paris

    1987,

    447-474.

    coMpAR.lAllsoN

    2:1996)

    181

  • 7/26/2019 Goerling Genero Sexo Fantasma Literatura

    5/11

    Das klingt

    ein

    wenig konstruiert, aber

    der hoch

    Sprachsensible

    Abraham

    fdhrt

    eine

    ersuunliche Menge an

    Belegen dafr n.

    Wie

    dem

    auch sei,

    es

    ndert nichts

    an dem Problem,

    CIIB

    in

    jedem

    Wort

    des Vaters

    eine

    Flschung

    s teckt oder s tecken kann. Und Hmlet

    lernt,

    clas

    zu vergessen.

    Das vkerliche

    Gespenst i5t eine

    Mahnung

    des Vergessens,

    und zwar

    im

    doppelten

    Sinne

    des

    Wortes

    Mahnung: eine

    Erinnerung an die

    Flschung

    (eine

    Ahnung),

    aber

    auch,

    weniptens

    clann,

    wenn man

    mit ihm

    so

    umgeht wie

    Hamlet, eine

    Mahnung

    zu

    vergessen.

    Jacques Derrida Schreibt in Marx'

    Gespetuter

    iiber

    die seltsame

    Spektralitt

    des

    Gespenstes,

    unter

    anderem iiber

    denvisier-Efekt. Gespenster

    -

    ich

    Schr:nke

    ein:

    Vatergespenster

    -

    zeigen ihr

    Gesicht

    nicht, aber

    man fhlt

    Sich

    von

    ihnen

    beobachtet. Ldt

    man sie nicht

    ein,

    ninnmt

    man

    sie

    nicht in

    Gastfreudschaft

    auf,

    also ohne

    Verbriiderung,

    als

    Fremde,

    sie werden zu

    Varianten

    des B

    Brother. sie rnahnen

    dasvergessen zu vergessen.

    v'Fhis is 1,

    / Hmlet

    the

    Dane

    (5,1,251

    9:

    mit

    diesem

    Schlachtruf

    zieht

    Hamlet

    '

    in den

    Zweikampf

    nt

    Laertes um

    dem

    Leichnam

    Ophelias. Die

    Reterritorialisierung,

    clie

    Identifikation

    mit der symbolischen

    Ordnung, nimmt

    den

    Weg

    iiber

    den

    toten

    Krper

    der

    Frau. Nicht nur d ieses

    eine

    M:I

    in

    Shakespeares

    Stck: Gertrude stirbt

    zweimal, zum

    SchluB

    -

    und

    macht

    d-

    durch den Weg

    flir

    eine

    neue

    Regierung, eine

    neue alte

    Ordnung

    frei;

    zuvor

    aber,

    symbolisch,

    durch

    Hmlet-s

    Worte,

    die

    (tlike

    daggersh/

    in

    Gertrudes

    Ohr

    dringen

    (3,4,94).Wenige Augenblicke zuvor

    hat Hamlet,

    im

    selben

    Kaum mit

    einem

    merallnen

    Dolch

    Polonius

    gettet,

    der

    Leichnam

    l iegt noch

    dort, nun

    spricht er mit

    grBtem Ekel

    und

    Abscheu iiber

    das

    Bett, die

    Sexualitt,

    den

    Krper seiner

    Muttcr

    -

    verwirft,ttet sie

    mit Worten.

    Die venvodne

    Mutter kehrt

    nicht

    als

    reinkarniertes

    Gespenst

    in

    diesem

    Stck

    wieder: es ist

    ja

    auch der Krper,

    nicbt der

    Geist, dem

    der Abscheu

    gilt. Aber sprachlich

    zet

    es

    sich.

    Mafgaret

    Fergtzson ist der

    hufige

    Gebrauch

    des Wortes mat ter

    aufgefallen:

    sechsundzwanzigmal

    kommt

    es vor,

    das i st fter

    als

    in

    jedem anderen Sti ick

    Shakespeares,

    und

    immer wieder

    in

    Verbindung

    mit

    demWort

    mother.z3

    ttNow;

    mother, what's

    the

    matter?hh

    (3,4,7)

    ist eines der

    deutlichsten

    Beispiele:

    das

    englische

    matter

    (Materie,

    Sache,

    Angelegenheit)

    steht in der

    Mitte

    zwischen

    dem englischen moter und dem lateinischen

    mater.

    Der

    venvorfene,

    zur Sache gemachte

    Krper,

    der mit

    der

    Mutter

    assoziert

    wird,

    kehrt

    wieder

    alS matter

    des

    Wortes.

    a1s Gespenst

    seiner

    Buchstblichkeit,

    Beides,

    ein

    -

    nicht

    inkarniertes,

    gespenstische

    Buchstblichkeit der

    Sprache,

    findet sich

    in

    Kleists

    Mininovelle

    Das

    Bettelweib

    von

    Lpcurap.

    Kleist

    hat sie

    1810 in

    seinen

    Berliner

    Abendblttern

    verffntlicht,

    ich

    zitiere

    sie

    nch

    der

    Textfassung

    aus

    dem

    zweiten

    Band

    von

    Kleists

    Erz:hlungen,

    erschienen

    An

    der

    Tr

    eines

    Schlosses

    in

    der

    Nhe

    von Locarno,

    clas heute,

    wie

    der

    Leser

    zu

    Beginn ezhrt,

    in

    Schutt

    und

    Trmmern

    liegt,

    tindet

    sich

    bettelnd

    eine alte Frau

    ein. Die

    Hausfrau

    nimmt

    sie auft

    bettet

    sie rtaus

    Mitleiden),

    auf

    Stroh in

    einem

    Zimmer. Als

    der

    Marc'hese,

    dem

    das

    Schlofs

    gehrt,

    den

    R-aum betritt,

    befielt

    er

    der Frau,

    ftaufzustehen,

    und

    sich

    hinter

    den

    Ofen

    zu

    verfgen.h

    Dies

    ausfhrend

    fllt

    d ie Frau,

    sie

    4glitschte znit

    der

    Kricke

    auf

    dem

    glatten

    Boden aup),

    verletzt

    sich

    (IaS

    Kreuz,

    kxann

    noch

    einmal

    aufstehen.

    begibt

    sich

    hinter

    den

    Ofen

    und

    stirbt.

    Einige

    Jahre

    spiiter

    muB

    der

    Marchese

    das

    SchloB

    verkaufen.

    Einem

    Inter-

    essenten

    bietet

    er

    dieses

    Zimmer

    als

    Quartier

    an.

    Doch

    der

    orentinische

    Ritter

    kommt

    ntten

    in der

    Nacht

    erschreckt

    hinunter,

    (lhoch

    und

    teuer

    versichernd,

    CLa,I3

    es in

    dem

    Zimmer

    spukep:

    etwas,

    das

    dem

    Blick

    unsichtbar

    gewesen,

    habe

    sich

    erhoben,

    sei

    langsam

    und

    gebrechlich

    quer

    ber (L'B

    Zim-

    und

    hinter

    dem

    Ofen

    unter

    Sthnen

    und

    Xchzen

    nieder-

    1 8 1

    1 .

    1

    4

    aber

    hrbares

    -

    Muttergespenst

    und

    eine

    mer

    gegngen

    gesunkep.

    Diese

    akustische Erscheinung

    wiederholt

    sich

    im

    folgenden dreimal.

    Im-

    mer

    ist

    der

    Marchese

    anwesend,

    denn

    er

    mchte

    das Gercht,

    (1:5

    sich erho-

    ben hat,

    aus

    der Welt

    schaffen.

    Ein

    SchloB,

    in dem

    es

    spukt,

    verkauft

    sich

    schlecht

    (-

    es

    sei

    denn

    an

    sogenannte

    fdAmerikanerh, wie

    in

    Oscar

    Wildes

    Canterville

    Gpxl).

    Bei

    der

    ersten

    Probe

    ist der

    Marchese alleine,

    bei

    der

    zweiten

    begleitet

    ihn

    seine

    Frau

    und

    ein

    treuer

    Bedienter,

    bei

    der

    dritten

    wieder

    die

    Marquise und

    ein

    Hund.

    Hier

    wechselt

    die

    Erzhlung

    ins

    Prsens:

    wieder

    Geriiusche,

    der

    Hund

    wacht

    auf,

    weicht

    knurrend

    und

    bellend

    gegen

    den

    Ofen

    aus,

    der

    Marquis

    haut mit

    seinem

    Degen

    qgleich

    einem

    R-asendenh)

    die

    Luft

    durch,

    die

    Mrquise

    llt

    anspannen,

    ventscltlossen,

    augenblicklich,

    nach

    der

    Stadt

    abzufahrenhh.

    Der

    Marchese aber,

    rtmde seines

    Lebensh)

    steckt

    das SchloB

    an

    und

    kommt

    im

    Feuer

    um.

    Die Erzllung

    endet

    wieder im

    Imperfekt,

    aber

    nt

    der in die

    Gegenwart

    weenden

    Mitteilung,

    daB die

    weilen

    Gebeine

    des Mrchese,

    von den

    Landleuten

    zusammengetmgen,

    noch

    jetzt

    in

    demWinkel des

    Zimmers

    liegen,

    rfvon

    welchem

    er

    das

    Bettelweib

    von

    Locarno

    hatte

    aufstehen

    heiflen.')

    So

    weit

    scheint

    die

    Erzhlung

    zienalich

    simpel

    gestrickt zu

    sein

    und

    in

    etwa

    dem

    Schema

    all

    der

    Gespenstergeschichten

    zu

    entsprechen,

    die

    vor

    und

    14

    Heinrich

    von

    KLEIST,

    ADa.S

    Bettelweib

    von

    Locarnop,

    in:

    Siit'itlicbe

    H'rkc

    uttd

    lrf/c.

    Bd.

    2,

    Miinchen

    1987,

    196-198.

    I-.IAMI3ARIAIISQAN

    2

    (

    9t)f1)

    183

    13

    Margaret

    'W

    FERGUSON,

    qHantlet:

    let ters and

    Spirits),

    in: Sakespeare and the Quell l'ot l

    of

    neory, hg. v. Patricia Parker

    u.

    Geoffrey Hartmann, New York

    u.

    London

    1985,

    292-

    309.

    182

    COMPARIAIISON 2

    (1996)

  • 7/26/2019 Goerling Genero Sexo Fantasma Literatura

    6/11

    ?'

    auch

    noch

    zu

    Kleists

    Zeiten

    so

    sehr

    in Mode waren und

    iiber

    di e sich

    der

    preufsche

    Adlige

    Sdbst

    einmal

    in

    einem Brief

    lustig gemacht hat.

    Doch

    wenn

    nzan etwas

    genauer

    hinsieht

    -

    und

    das

    mull

    man

    immer, aber bei

    Kleist

    ganz besonders

    -

    beginnt es

    im Text

    selbst

    zu

    spuken.

    Kleist

    bedient

    sich

    wohl

    der

    geschlossenen

    Form der

    Novelle,

    aber

    inner-

    halb

    dieses

    Rahmens finden

    wir die

    Teile

    so zerstreut wie die

    weiBen

    Gebeine

    des

    Marchese

    nach dem

    Brand

    des

    Schlosses.

    Ein Beispiel;

    der

    Gang

    der

    Geschichte,

    die Diegese,

    Scheint

    dem

    Leser zu

    versichern,

    daB

    wir

    es

    hier

    mit

    ein

    und

    demselben Zimmer

    zu

    tun haben. Doch

    wenn man genauer

    hinsieht,

    verliert dieser

    Ort

    seine

    Identitt.

    Ein

    fdschlol

    nt hohen

    und

    weitlufgen

    Zimmern,

    in

    deren einem

    einst,

    auf Stroh:

    die

    alte Fmu

    gebettet

    wurde:

    so

    etwas

    wii rde man

    allenfalls

    in einem

    Parterrezimmer

    envarten. Die nchste

    Information:

    bei

    der lkiickkehr von

    derlagd tritt

    der Marchese

    (fzufa'llig in

    das

    Zimmer,

    wo er

    seine Bfichse

    abzusetzen

    piegtel).

    Doch wenn

    das

    seine

    Ge-

    wohnheit ist, dann

    eitt der

    Marchese

    nicht

    zufillig

    in

    das

    Zimmer.

    Weiter:

    der Mqrchese

    rtgab

    seiner

    Frau

    auf,

    den

    Fremden

    in

    dem

    oben

    envshnten,

    leerstehenden

    Zimmcr,

    das

    sehr

    schn

    und

    prchtig

    eingerichtet

    war, unter-

    zubringen,h

    Was

    mutet

    Kleist

    seinen Lesern

    zu?

    Ein

    sehr

    schn

    und

    prchtig

    eingerichtetes

    Zimmer

    steht nicht leer;

    unser

    Sinnbediirfnis

    liest dartiber

    hin-

    weg,

    der

    narrative

    Zusammenhng legt

    nahe,

    dall l eerstehend nur e in

    un-

    gliicklich

    gewhltes Wort

    ist, das

    hier unbewohnt oder unbenutzt bedeuten

    soll.

    Das

    aber

    ist

    das

    Zimmer

    nicht, wie wir sehr

    bald

    darauf

    erfahren, ist

    es

    von

    einem

    Gespenst

    bewohnt.

    Andererseits

    versteht

    sich

    das

    deerstehend:

    auch

    im

    Wiickbezug

    auf

    das, was wir zuvor

    iiber

    das

    Zimmer

    erfahren haben:

    wenn

    man

    j

    emanden auf

    Stroh

    bettet, diirfte clas

    Zimmer

    kaum

    qsehr

    schn

    und prchtip

    eingerichtet

    sein. Wie

    wir spter

    ethren,

    stehen auch

    nnde-

    stens

    zwei

    Betten

    darin.

    Dann erhalten

    wir

    in

    diesem

    Absatz

    die

    Information,

    CIa.B

    das Zimmer

    oben liegt, jedenfalls

    kommt

    der Kitter

    nachts

    zum

    Ehepaar

    rherunten.

    Das

    widerspricht

    dem friheren

    Eindruck,

    antwortet aber auf

    den

    innertextuellen

    Venveis

    tdoben

    envhnttenlp),

    In

    der Schlulpassage erfahren

    wir,

    der Marchese

    habe

    mit

    einer Kerze

    da5

    Sclllofs,

    (riberall

    mit

    Holz

    getfelt

    wie

    es

    war,

    an

    allen vier

    Ecken, miide

    seines

    Lebens,

    angesteckt.l)

    Wenn

    der

    Leser

    zu

    dieser

    Zeile

    komnnt,

    whnt

    er

    den

    Marchese jedoch noch

    in

    dem

    Zimmer; andererseie

    schliefk diese

    Stelle genau an

    die

    merkwtirdige

    Genitiv-

    konstruktion

    der

    ersten

    Information

    an:

    rtein

    SchloB

    nait hohen

    und weiduii-

    gen

    Zimmern, i n der en

    dnem

    einstp.

    Kleist treibt

    also ein sprachliches

    Spiel

    mit dem

    Erinnern

    und

    demverges-

    sen.Was

    ist

    dasverhltnis?

    Erinnern

    wir

    uns

    zu

    genau, zerfllt

    die Geschichte

    in

    lauter

    Fragmente,

    die nicht

    zusammen

    passen,

    ja

    in Schutt

    und Trimmer.

    Verstehen wir

    Sie

    als

    Narration

    -

    und

    die Textsorte trgt

    un5

    dasja

    crst

    einmal

    an

    -

    missen wir

    vergessen,

    wenigstens einen

    Teil

    von dem, was wir

    gehrt

    184

    COMPARIAIISON

    2

    (1996)

    haben.Was

    aber passiert

    aus

    demvergessenen,

    aus

    dem,

    was

    durch di e

    Homo-

    genisierung,

    die wir durch

    die

    Narration

    herstellen,

    ausgeschlossen wird?

    Die

    Antwort

    ist

    die Geschichte

    selbst'.

    es

    spukt,

    es

    geht

    um, es behlt

    eine ambiva-

    lente

    Gegenwrtkkeit.

    ES

    gehrt

    einer

    anderen

    Zeit

    als

    der

    der

    Narmtion

    an,

    in

    der

    wir Geschehnisse

    chronologisieren;

    es

    entsteht eine

    Mehrzeitigkeit,

    eine

    Ungleichzeitigkeit.

    Der Marchese

    erschrickt,

    als der

    Fremde von

    dem

    Gespenst

    erzlt,

    tter

    wulte selbst

    nicht recht

    warumhh

    -

    er

    wufke

    und

    wuBte

    nicht. Und es

    bleibt bis

    zum Schlull ofln, ob der

    Marchese

    Sich eigendich an

    den

    Vorfall,

    der

    (4mehrere Jahre' zuriickliegt, erinnert,

    voll

    erinnert.ls

    Es

    sind

    nur die

    Landleute,

    die

    einen

    Zusammenhang

    herstellen,

    die

    die weiBen

    Ge-

    beine

    in

    den

    Winkel

    des

    Zimmcrs

    tragen,

    fdvon

    welchem

    er

    das

    Bettelweib

    von Locarno

    hatte

    autitehen

    heifsen.p

    Wenn

    Kleists

    Novelle

    mit demverb

    Aheillem

    endet

    -

    und

    wir

    nicht weiter

    dabei

    verweilen,

    (Ia.I:J

    in

    dem uutehen

    heiflenh)

    der

    Anfang und

    das

    Ende,

    der

    Befehl

    und

    das

    Feuer

    anklingt

    -

    dann

    ist es

    angebracht, nach

    dem Namen

    zu

    f ragen, den

    der Volksmund

    hier

    der

    alten

    Frau

    gibt

    und

    den

    die Novelle

    als

    Titel trgt.

    Sicher,

    es

    entspricht

    den

    volkskulturellen Mnemotechniken,

    auler-

    gewhnliches Geschehen

    mit

    Ortsnamen

    zu

    verbinden, als

    wollte

    man

    das

    Unheimliche

    dadurch an

    einen

    Ort

    bannen. Doch

    sieht

    man

    sich den

    Namen

    etwas

    nher

    an,

    dann blickt er nicht

    nur

    zuriick,

    er

    explodiertWir

    haben das

    lateinische

    kcare

    (stellen, errichten,

    setzen, aber auch

    besiedeln und

    verznie-

    tenl;

    letzteres,

    vermieten,

    ist wohl

    die

    wichtigste

    Bedeutung

    im

    heutigen

    Iolienisch;

    im

    Spanischen

    bedeutet loco

    verriickt

    -

    clie

    Etymologie des

    Wortes

    ist

    ungewilk

    dann haben

    wir in

    der

    Mitte

    des

    Namens

    das

    ltaenische

    carne,

    das Fleisch,

    allerdings

    weiblich, la

    carne.

    In

    dem

    Namen

    steckt also sowohl

    eine

    Bestimrnung

    iiber

    eine

    Bendlichkeit

    in

    einem

    Ort,

    wie

    auch der

    Be-

    zug

    auf einen

    Krper.

    Eine weitere

    Dimension

    erffnet

    sich,

    wenn

    man

    die

    15

    was

    ist

    das,

    Avoll

    erinnerm,

    lrecht:

    wissen,

    warum? Schrcibt

    man

    dieses

    xrecht.

    mit

    Majuskeln, stofsen

    wir

    auf

    die

    Frage,

    die

    in der

    Sekundrliteratur

    fast

    ausschlieBlich

    diskutiert wird: Ist

    diese

    Erscheinung

    Produkt eines

    SchuldbewuBtseins

    des

    Marchese,

    oder

    ist

    zumindest

    sein

    Verhalten,

    seine Reaktion

    Zeichen

    eines

    SchuldbewuBtseiru.

    Das

    karm

    man darm

    auf

    der Ebene de5

    Rechts

    diskutieren:

    a1s Feudalherr

    (1:H-

    er iiber

    andere

    und

    ihren Krper,

    zumal

    in

    seinem

    Haus,

    verigcn,

    hat aber

    auch

    gewisse Pchten

    der

    Frsorge. Die hlt er

    ein.

    er

    jagt

    die

    Frau

    ja

    nicht davon,

    sie

    soll

    Sich

    nur

    hinter

    den

    Ofen

    verfgen.

    Wenn

    wir

    auf

    da

    christlich-moralische

    Gebot der

    Nchstenliebe

    und

    des

    Mit-

    leidens.

    der

    Concordia,

    abzielen. darm

    ist die

    Antwort

    auch

    nicht

    eindeutig.Woil

    spricht

    der

    T ext vo n

    eunwlip,

    aber

    e r s agt

    nichts

    dariiber

    a us, o b si ch

    der

    Marchese

    berhaupt

    noch

    im

    Zimmer

    beflndet, a1s daS

    Ungliick

    geschieht.vielleicht

    kann

    er die

    Gerusche

    des

    Aufstehens

    vom Stroh

    und das Geseufz und

    Gerchel

    gar

    taicht

    wiedererkemen,

    weil

    er

    es

    nie

    gehrt hat.

    -

    Die

    Schuldfrage

    ist bei

    Kleist,

    wie

    auch spter

    bei Kaoa. der

    bei dem

    ersten

    K sehr viel

    gelernt hat,

    nur

    ein

    d ri tt er K. e in

    Kder, der den

    Leser

    a uf d ie

    falsche

    Fhrte

    lockt.

    COMPARIAIISON 2

    (1996)

    185

  • 7/26/2019 Goerling Genero Sexo Fantasma Literatura

    7/11

    Vokale

    betont;

    Loocaarnooo.

    Sucht man

    nun

    den

    Text

    nach

    OS

    und

    As

    durch

    -

    und

    das

    verlangt

    eine

    Geschichte,

    deren

    Konstruktionsprinzip ein sprachli-

    ches

    Erinnern

    voraussetzt

    und

    die

    damit

    ihr

    Spiel

    treibt,

    geradezu

    -

    dann

    fllt

    eines

    sofort

    aufi

    das

    Wort

    xtdahh

    findet

    sich

    8 mal.

    Nun

    wird

    dieses

    a

    von

    Kleist

    oft

    benutzt,

    doch

    hat

    er

    es

    sonst

    nirgendwo

    auf

    So

    engem

    Raum

    so

    ngehuft.

    rrie

    Frau, da

    sie

    sich

    erhobt, tMehrere

    Jahre

    nachher,

    da der

    Marchesep

    und

    am

    deutlichsten

    in

    der im

    Prsens

    erzlten

    Passage:

    dfwhrend

    der

    Marquis,

    der

    den

    Degen

    ergrifn:

    wer

    da?

    ruft, und

    da

    ihm piemand

    antavortet,

    gleich

    einem

    Kasenden,

    nach

    allen

    Richtungen

    die

    Luft

    durch-

    haut/.Was

    Kleist an

    dem

    qda')

    fasziniert,

    das

    ist

    die

    Unmglichkeit

    zu

    bestim-

    men,

    ob

    es

    kausal

    benutzt

    wird,

    oder

    ob

    es

    eine

    Anwesenheit

    indiziert.l6

    Die

    Anwesenheit

    wird,

    indem

    sie

    cin Teil

    der

    Narrution

    wird,

    auch als

    kausale

    Bestirnmung

    gedacht.

    Genau

    diesen

    Ubergang

    stellt der

    Text

    in

    Frage,

    zeigt,

    (Ia.IJ

    in

    diesern

    Obergang

    etwas

    von

    der

    Anwesenheit

    verloren

    geht:

    ohne

    Vergessen

    gibt

    es keine

    Narration

    -

    obwoi

    Narration

    zugleich

    eine

    Technik

    des

    Erinnerns

    ist.

    Das da

    ist

    also

    ein

    Scharnier

    zwischen

    zwei

    Reihen,

    der

    der

    Prsenz

    und

    der

    der

    Iausalitt.

    Die

    Kausalitt

    ist

    die

    Prsenz

    fr

    sich

    zeigt

    es:

    durch

    verbunden

    mit

    dem

    Prinzip

    der

    Identitt,

    genommen

    aber

    nicht.

    Wie

    entsteht

    Prsenz?

    Der Text

    Wiederholtlng.

    Wiederholung

    aber

    setzt

    Erinnerung

    voraus.

    Erinnerung wiederum

    setzt

    eine Abwesenheit

    voraus, eine

    Difrenz. Es

    gibt

    keine

    Wiederholung

    ohne

    DiFerenz, ds

    ist

    eine der

    Einsichten,

    zu denen

    Gilles

    Deleuze

    in

    D-i

    ren

    et rptition

    kommt.

    Damit

    ist

    der

    Prsenz

    selbst

    aber

    eine

    Differenz

    eingeschrieben,

    eine

    Abwesenheit,

    die

    wir

    zugleich

    erin-

    d

    '

    iissen.l

    7

    nern

    un

    vergessen

    rrt

    Die5e5

    Verhltnis

    von

    Wiedcrholung

    und

    Diffrenz

    thematisiert

    der Text

    in

    der

    erzhlten

    Geschichte

    der

    akustischen

    Erscheinungen.

    Und

    er

    inszeniert

    es

    sprachlich,

    zum

    Beispiel auch

    durch

    eine

    hohe

    Zahl

    an

    Wort-

    und

    Wortklang-

    wiederholungen

    in

    Variantcn

    wie:

    Schutt,

    unterschtten,

    erschttern;

    betteln

    und

    betten;

    und

    so

    weiter.

    Dasvergessen

    -

    man

    ahnt es

    -

    dasvergessen

    ist

    im

    O

    indiziert.

    Loocaarnoo:

    Rhythmus

    und

    Keihenfolge

    entsprechen

    der

    Erzhlung

    iibrigens

    insoweit,

    als,

    wie

    gesagt,

    eine

    Stelle im Prsens,

    also in der

    Illusion

    der

    Anwesenheit,

    I63

    Erst

    die

    roblematik

    der

    Cbersetzung

    dieses

    qdah

    scheint

    darauf

    aunerksam

    ge-

    macht

    zu

    haben:

    Lilian

    R.

    Fulks'r,

    qBegging

    an

    Answer:

    Kleist's

    The

    Beggarwoman

    of

    Locarnop, in:

    Countercurrents

    -

    On

    tbe

    PrfNltcy

    ofxts

    ,:

    Litercry

    Cri'li'cipll,

    hg, v.

    Raymond

    Adolph

    Prier,

    NewYork

    1992,

    98-11

    1, hier 108.

    1-3

    Deleuze

    formuliert

    przise:

    AMan

    wiederholt

    nicht, weil

    man

    verdrngt, Sondern

    man

    verdrngt. weil

    man

    wiederholt.p

    (Gilles

    DELEUZE,

    Diyebenz

    utyff

    Wzedrrolufw,

    iibers.

    v.

    Joseph

    Vogl,

    Mnchen

    1992.

    140.)

    186

    c'lullalktAllsox

    2

    (7996)

    erzlt

    wird, die

    von

    Erinnerungen an

    Abwesendes eingeschlossen ist.

    Das

    O

    steckt im

    Stroh

    und im

    Ofen. Kleist unterlfst

    es

    bei keiner

    der

    vier

    Schilde-

    rungen

    der

    Bewegung, die

    die

    Fru auf Befehl

    des Marchese

    ttigt, das Stroh

    und

    den

    Ofen

    zu

    envhnen.

    Sie geht vom Stroh

    zum Ofen, von

    einer

    Abwesenheit

    in

    eine

    andere.

    Einen Leib haben

    bedeutet, so

    Maurice

    Merlau-

    Ponm ftsichtbar

    seinl.l8wenn

    daS

    stimmt,

    dann umfafk

    der Befehl

    deS

    Marchese,

    di e Frau

    solle

    sich

    hinter den

    Ofen vedgen,

    nicht

    nur den Wunsch,

    sie

    solle

    aus

    seinem Sichtfeld treten,

    er

    zielt

    auch

    auf eine Negation

    ihres Leibes.

    Kleist

    hatte es

    mit

    dem

    0: denk n

    wir an die

    Marqaise

    lzprl

    0.., , mit

    den

    vier

    Punkten nach dem

    0.

    Es ist

    gelegendich

    vermutet

    worden,

    das

    O sei

    dort

    ein Zeichen

    fr den

    vol len Leib

    der

    Schwangeren,

    der

    Mutter.

    Genug

    der

    Indizien,

    denke

    ich.

    sich

    zu

    fragen,

    was denn

    die Mutter mit

    dem

    Pro-

    blem

    der Prsenz

    zu t'un

    hat.

    In

    Jenseits

    des

    Lustprinzs

    kommt Sigmund

    Freud

    darauf

    zu

    sprechen,

    ab er iiber clas Spulespiel

    Seines

    Enkelkindes

    nach-

    denkt:

    fo-o-o-o

    sagt das

    Kind, wenn es

    di e Spul e

    iiber den

    ltand

    seines

    verhngten Bettchens wir,

    ryDah/,

    wenn

    es

    sie

    wieder

    nttels der

    angebunde-

    nen

    Schnur

    zu

    sich heranholt.

    Freud versteht

    dieses

    Spiel als

    eine

    Symboli-

    sierung,

    eine

    erste

    Vetsprachlichung

    der

    Diflkrenz

    zwischen

    An-

    und

    Abwe-

    senheit

    der

    Mutter. Nur

    das, was ihn

    irritierq

    ist

    die

    Beobachtung,

    dafs

    das

    Kind

    auch

    beimWegwerfen

    einen

    ffAusdruck

    von

    Interesse und

    Befriedigunp

    zeigt

    und (LB

    es diesen

    Teil

    des Spiels

    viel fter wiederholt

    als den

    anderen.lg

    Eine

    der

    mgalichen

    Erklrungen sieht Freud in

    einer Aggression gegen

    die

    Mutter,

    etwa

    in dem Sinne:

    (a,

    gela'

    nur fort, ich

    brauch' dich

    nicht,

    ich

    schick'

    dich

    selber

    weg.p

    (S.

    14) Das

    Kind lernt

    im

    Spiel

    mit dem Symbol

    aktiv

    mit

    der

    Differenz zwischen

    ihm

    und

    der

    Mutter

    umzugehen. Die

    Be-

    friedigung

    iiber

    die so gewonnene

    Autonomie,

    die

    Prsenz

    des

    eigenen Ich

    als

    Instanz

    einer

    aktiven

    Synthesis

    -

    im

    Gegensatz zu

    der

    passiven

    Synthesis,

    die

    durch

    die reine

    Wiederholung

    hergestellt

    wird

    -

    geht

    aber

    einher mit

    der

    Verwerfung

    des

    anderen,

    also

    hier

    der

    Mutter. Damit

    aber verkehren sich

    die

    Vorzeichen: bedrohlich wird

    die krperliche

    Anwesenheit der

    Mutter,

    wenig-

    stens

    Situativ.

    ES

    entsteht

    ein

    Wiederholunpzwang

    des

    Fortschickens,

    des

    Ver-

    werfens,

    des

    Vedgens ber

    den Krper der

    Mutter.

    Der

    Krper

    der Mutter

    (und

    der Frau,

    insoweit ihr Bild mit dem

    der

    Mutter

    eine Deckung eingeht)

    wird

    zum

    Bild

    der ambivalenten

    Anwesenheit

    schlechthin.

    Nun

    iSt

    eine

    solche

    Diskussion

    der

    alten Frau

    als Mutterfigur

    eine

    wohl

    legitime,

    aber

    dcm

    Text

    nicht

    ganz gerecht

    werdende Engfhrung.

    Psycho-

    18

    Maurice

    MEItLEAU-PCINTY, Das

    ksikfur:

    und lffl.

    Uttsbtbqre, bers. v, Gegula

    Giuliani

    u.

    Bernhard

    Waldezls, Miinchen

    1994, 244.

    19

    Sigmund FREUIA,

    (enseits

    deS

    Lustprinzipshh,

    in:

    Gesatttnldte

    I'Wrke, Bd.

    XIII, Frank-

    furt/M

    1972,

    1-69, hier 12.

    I-eIIMPAIkIAIISON 2 (1 996)

    187

  • 7/26/2019 Goerling Genero Sexo Fantasma Literatura

    8/11

    analytisch

    gesprochen

    wirde

    man sagen, diese

    Figur

    aktualisiert

    die

    Venver-

    fung,

    aber

    Kleists

    Texte lassen

    sich nie in

    einem

    Diskurs

    homogenisieren, auch

    dieser

    nicht.

    Ofl-en liegt

    zum Beispiel

    der

    sozialpolitische

    Diskurs

    iiber

    die

    Schwierigkeiten des Landadels,

    ein neues,

    von der Verfgung

    iber Land

    und

    Leute

    gelstes Verstndnis

    von

    Besitz zu

    erlernen.zo

    Und

    die

    alte

    Frau ist

    ein

    Kzeuzungspunkt

    vielfacher

    Ausgrenzung: sozial;

    denn sie

    ist arm;

    geschlecht-

    lich;

    das unterschiedliche

    Verhalten

    des

    Ehepaars ihr

    gegcniiber

    spiegelt

    und

    verstsrkt

    das;

    i n Bezug

    auf

    die soziale

    Bedeutung

    des

    Lebenszyklus; sie

    ist

    alt;

    krperlich:

    sie ist

    gebrechlich und krank; und nicht

    zu vergessen

    sprachlich:

    es

    sind

    nur

    Iflagelaute,

    keine

    Wortes

    die

    die

    Frau

    von

    Sich

    gibt

    -

    zumindest

    ezhrt kein

    Wort

    von

    ihr

    eine

    Reprsentation

    im Texq

    betteln

    kann man

    auch

    gestisch.

    Doch

    alle diese

    Ausgrenzungen

    haben mit

    einer

    sozialen Markierung

    ihres

    Krpers

    zu

    mn.

    Die

    Frau

    erleidet

    sie,

    und zwar

    durch

    die.

    Handlungen

    des

    Marchese.

    Eine

    der vielen

    noch

    gar

    nicht

    erwhnten

    Merkwrdigkeiten des

    Textes

    besteht darin,

    CIaB

    Kleist zur

    Bezeichnung

    des

    Marchese

    die

    italiensche

    Form

    'des

    sozialen

    Titels,

    zu

    der

    der

    Marquise

    aber

    die

    franzsische

    w:hlt.

    Nur einmal, und

    zwar

    in

    der

    im

    Prsens erzhlten

    Passage.

    syricht Kleist

    vom

    Marquis. Ich

    will das

    hier

    nur zum

    Arllafl

    nehmen,

    auch

    dieses Wort

    etwas

    nher

    anzuschauen.

    Mark

    (wie

    Mark Bmndenburg),

    Marquise,

    Marchese,

    die

    Markierung

    und schlieBlich

    auch der

    Marsch:

    alle

    diese

    Worte

    haben

    dieselbe

    Wurzel.

    eManchlv

    nmg der

    Marchese der alten

    Fr'au

    befolzlen haben,

    als cr

    ihren Gang quer

    ber

    (L'B

    Zimmer

    verfgte.

    Was

    soll dieser

    Befehl

    berhaupt?

    Warum

    soll

    sie

    denn

    von

    der

    einen

    Abwesenheit zur

    anderen?verworfen lann

    nur

    clas

    wetden,

    was

    prsent i st , c la ,

    in

    der Mitte des Raumes.

    Um

    zu

    verwer-

    fen ber, muB

    man

    den

    Krper

    markieren. Mit

    der

    Markierung

    wird

    er

    zu-

    gleich

    marginal. Es

    braucht also das

    Gegenber in

    der

    Mitte,

    um

    die

    Umhiil-

    20

    Um

    1800 befanden

    si ch i n Preuen

    bereits

    10

    Prozent

    des vormals

    adligen

    Grund-

    besitzes in

    brgerlicher Hand.

    Zugleich

    gab

    es immer

    mehr

    aristokratische Unternehmer,

    die

    Besitz

    nicht

    mehr

    als

    territoriale

    GrBe,

    sondern a1S variable

    Kapitalmasse

    zu

    verstehen

    lernen

    multen. 1807 wurde

    die

    buerliche Erbuntertrigkeit

    aufgehoben, ein

    neues Ver-

    hltrlis

    zwischen

    den

    sozialen

    Klasen

    mute

    ausgehandelt werden.

    Dem Marchese

    will

    dies

    nicht gelingen,

    seine

    Idensitt

    ist

    so

    sehr

    mit

    der

    Verfgung

    fber Land und Leute

    verbunden,

    dafs er

    lieber

    sich und atles andere zerstrt a1s

    aufzugeben.

    Warum? In der

    Umbruchssiruation

    zeigt

    sich etwas, das

    vorher

    aus

    dem

    System

    der

    Reprsentation

    ausge-

    schlossen

    war. Und

    zwar

    i r a lle.

    Es

    ist

    ewas

    Bedrohliches

    und

    Urheirnliches,

    nicht

    weil

    es fremd

    ist,

    sondern

    weil

    es

    schon

    inamer

    a1s

    Abwesendes im

    Sys tem der

    Reprsentation

    eingescllossen

    war, we

    die

    Anwesenheit,

    der Besitz, schon

    immer auf seiner

    Negation

    beruhte.

    Ober die zeitgenssichen politischen Dkurse,

    die

    Kleist.s

    Text

    durchkreuzen,

    informiert: Eck.ar:

    KEHR,

    qzur

    Genesis

    der

    preuBischen Biirokratie und

    des

    Rechtsstaatshh,

    in: Der

    Pnllal der

    fnrlcnpplfll'k

    -

    Cesattlttelte

    Aufstze zur

    peu-pisc-eutschen

    Soziclgescbicbte

    1',,1 19.

    und

    zo.jabundert,

    Berlin

    1965,

    31-52.

    lung

    herzustellen

    -

    ein Widerspruch,

    der,

    wie Luce Irigaray

    Schreibt,

    die'

    nnrllichen Bilder

    des

    Miitterlich-Weiblichen durchgngig

    prgt.21

    Diese

    Markierung

    ist eine

    Verletzung,

    Kleist beschreibt

    sie:

    qDie

    Frau, da

    sie sich

    erhob,

    gylitschte mit der Krcke

    auf dem glatten Boden aus, und

    beschxdigte sich,

    auf eine gefhrliche

    Weise, das

    Kreuzl.

    Ich

    halte

    das

    fr den

    schwieripten

    Satz

    der

    ganzen

    Erzhlung. Er

    beschreibt

    eine

    Einnmligkeit, in

    der eine

    Verletzung

    l iegt und zug le ich e ine Prsenz. Wenn

    es

    unsicher ist, ob

    dies jemand

    gesehen

    hat,

    warum wird

    es

    dann

    beschrieben? Und warum

    kehrt

    gerade

    das,

    der

    Fall,

    in den

    gkustischen Wiederholungen nicht wieder,

    nur die vom Sthnen

    begleitete Bewegung von O nach 0?

    Mcht

    die Einma-

    ligkeit diesen Teil

    des

    Satzes

    so

    tmgefgig,

    so

    trout

    of

    jointhh?

    Die beiden Os

    von Str oh und Ofen geben einen Wahmen,

    auf

    dem

    glatten Boden aher ist

    keine Fuge. Genau hier I indet jedoch e ine

    Markierung

    statt, ein Fallen,

    ein

    Verletzen,

    ein Kreuzen

    des

    Kreuzes. Der Befel tl des Marchese veqt die

    Bewegung eines Krpers. Die

    Bewegung

    prsentiert

    den

    Krper flir

    den

    Marchese,

    er Lnn nur dann markiert werden.

    Auch

    dieser Obersetzunpversuch blieb mir

    lange

    noch zu

    erratisch,

    der

    Satz noch immer ein Chok. Er setzte sich ftir nch erst in Bewegung, als ich

    das

    Faksimile

    eines

    Arbeitsmanuskripts

    von Kleist sah. Dann hiefs der Satz fr

    mich

    pltzlich:

    rdglitschte

    mit der Feder auf dem glatten Bogen

    aus,

    und

    beschdigte

    sich,

    auf eine gefhrliche Weise, (Ias

    Zeichen.h/

    -

    Bedeutet denn

    nicht alles

    Schreiben

    von

    Geschichte in elementarster

    Form,

    wie Michel

    de

    Certeu

    formuliert,

    fteinen

    Satz konstruieren') und

    fixieren,

    Aindem

    nunlh

    mit

    einem

    Hilfmittel

    viiber

    eine scheinbar

    leere

    Flche,

    die Seite,

    geht))?22

    Die miindliche

    Cberlieferung,

    das Geschichtenerzhlen der Landleute, ver-

    bindet Dinge, Ereignisse und Orte.

    Sie trgt

    sie

    aber nicht in eine

    Zeidinie

    Vergangenheit-Gegenwart-zukunft

    ein. Volkskulmrell

    sind

    Gespenster fast

    immer

    mit

    Orten

    verbunden,

    sie bleiben in den

    Orten pisent,

    sind nicht

    wirklich

    vergangen. Die Landleute bei Kleist machen nichts

    anderes,

    als

    einen

    toten, verstreuten

    Krper

    an einem

    Ort

    zusammenzutragen. Der oder die

    Schreibende jedoch steht vor einem scheinbar leeren Bogen: er oder sie muB

    aus einem abwesenden

    Krper

    oder einer andernore

    oder zu

    anderer

    Zeit

    erlebten Geschichte

    etwas Anwesendes

    nmchen.

    Aber heif das nicht: er oder

    sie ist

    willens, i iber

    diesen

    Krper

    zu

    verfgen,

    ihm

    den

    eigenen

    Willen

    einzuschreiben? Und

    wenn man

    sich dieses

    Herrschafsanspruches inne wird.

    wenn

    mn merkt, daB man

    das,

    was man reprsentiert, zugleich verletzt:

    21

    Luce IRIGARAY, Etht'k tcr sexuellen D ereuz. iibers. v Xerzia Rajewsky Frankfurt/M

    1991:

    17 f

    22,

    Michel DE CERTEAU, Das Schreiben der

    Gcy/i'c/zlt',

    iibers. v. Sylvia M.

    Schomburg-

    Scherff,

    Frankfurt/M

    1991, 16.

    COMPARIAIISON 2 (1996) 189

    COMPARIAIISON

    2 (1996)

  • 7/26/2019 Goerling Genero Sexo Fantasma Literatura

    9/11

    4

    werden

    dann nicht

    die

    Zeichen

    selbst

    fragwiirdig,

    clie

    Worte,

    die

    Stze, mit

    denen

    der leere

    Bogen

    immer

    schon

    virttzeil

    beschrieben

    ist?

    Werden

    Sie nicht

    selbst

    gespenstisch

    (in ihrer

    Vieldeutigkeit

    und

    Willkiir)

    und

    die

    Gespenster

    wirklich?

    D2s

    Problem

    ist,

    (L'ZB

    der

    Zweifel,

    clas

    Nicht-Kontrollieren-lnnen

    der

    Bedeumng

    -

    und

    es

    ist

    letzdich

    das der

    DiFerenz

    zwischen

    Leben

    und Tod

    -

    (I:B dieser

    Zweifel wie

    durch

    eine

    fatale

    Entropie in

    Kleists Novelle

    ebenso

    wie in

    Hamlet zum

    Tod

    drngt.

    Shakespeare

    hat

    in

    seinen

    Komdien

    etws

    anderes gesucht.

    Auch

    Kleist

    hat

    -

    zumindest

    in der

    Marque

    von

    0. . . .

    -

    eine

    andere Lsung

    gedacht.

    Eine

    solche

    Lsung ist

    verbunden

    mit

    einem

    Begeh-

    ren,

    das

    wenigcr

    auf

    den

    Besitz als

    auf

    das einfache

    dz gerichtet

    ist,

    das

    ein

    gegenseiges

    ist

    und datiiber

    einen

    dauerhaften

    Zwischenraum

    herstellen

    kann.

    Die

    Bewegung

    des

    Hin-und

    Her, aber

    von beiden

    Seiten, nt

    wechselnden

    Positionen, nicht

    die

    Digerenzen

    ausend, den

    anderen

    als nderen

    akzep-

    tierend,

    seine

    Anwesenheit, aber auch

    die

    Anwesenheit

    des

    Todes

    in

    der

    Liebe,

    im

    Leben.

    Univosittit

    Hannover

    190

    COMPARIAIISON 2

    (1996)

  • 7/26/2019 Goerling Genero Sexo Fantasma Literatura

    10/11

    Trable

    des

    naatires

    Advisory

    board

    Gabriele

    Aldo

    Bertozzi

    (Pescara),

    Yves

    Chevrel

    (Paris),

    Hans-lost

    Frey

    (Ziirich),

    Armando

    Gnisci

    (Roma),

    Gerhart

    von

    Graevenitz

    (Konsmnz),

    Werner

    Hamacher

    (Baltimore),

    Ernest

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    Ferdinand van Ingen (Amsterdam),

    Wolfgang

    Iser

    (Konsunz),

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    Ngele

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    t'Washington),

    George Steiner

    (Genve),

    nrlheinz Stierle

    (Konstanz),

    Ueorge Hugo

    Tucker

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    Germanistik

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    ffe-

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    1.

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    irth.

    Tormosa

    deformitas'

    0u

    I'estbtique

    CI)/

    Iti

    J

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    2.

    J'

    rgen

    Niemad,

    Apotheosen

    des

    Urlf'erxurlxc-;

    das

    fr/lfiewe

    ............ ..........

    19

    3.

    Paola

    egretti,

    ktsex

    surlf

    uf;e

    odt't

    Do-frll.

    ef

    t

    '

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    testatur

    dlrlfrlltz

    eius'

    sep

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    e

    arlrl-flllffl

    e

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    rata

    fle/1'(,lzt1

    t)i

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    :5

    5

    4.

    Hans

    R.

    Brittnacher,

    Paranoia

    zr

    iqetisches

    Gesetz.

    .Da.r

    literarische

    Universum

    des

    ffouurd

    Jllllf-rB

    I-zvezas

    ............................

    51

    5.

    George

    Hugo

    Tucker,

    Bqond

    Beauty.

    'f'/x

    estbetia

    0./-

    tlte

    hf ,lJ;pr-

    Jifl)l

    f,l

    tlte

    J?

    oetyjt

    o-/'-/p

    altittk

    zz)f

    Lell6q'

    ..,..........-......................-

    57

    1$

    6.

    Achim

    Hlter,

    Det'

    sclmckierte

    Blkk.

    Bemerkungen

    zu

    den

    Kriqsverserten

    zwiscen

    expressionistischer

    J-

    tletlsaclllicller

    l7erlllellfl/e

    ........-.....................-.......................-..................

    1

    1

    1

    7.

    Reto Sorg

    -

    Michael

    Angele,

    Dh,

    my

    GJ-p

    Oh,

    my

    Ga-oil

    O,

    Ga-() .f

    O,

    my

    Ga-p /z

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