GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES...

101
EXPERTISE FÜR DIE THÜRINGER STAATSKANZLEI Prof. Dr. Heinrich Best und Katja Salomo M. A. FRIEDRICH-SCHILLER-UNIVERSITÄT JENA GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS IM THÜRINGEN-MONITOR 2000 BIS 2014

Transcript of GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES...

Page 1: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

EXPERTISE FÜR DIE THÜRINGER STAATSKANZLEI

Prof. Dr. Heinrich Best und Katja Salomo M. A.

FRIEDRICH-SCHILLER-UNIVERSITÄT JENA

GÜTE UND REICHWEITE DER

MESSUNG DES

RECHTSEXTREMISMUS

IM THÜRINGEN-MONITOR 2000 BIS 2014

Page 2: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

2 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Page 3: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

3 ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Inhalt

Güte der Messung rechtsextremer Einstellungen ..................................................................... 7

Messung latenter Einstellungen ............................................................................................. 7

Dimensionalität .................................................................................................................... 12

Reliabilität............................................................................................................................. 18

Homogenität ........................................................................................................................ 20

Antwortverweigerungen ...................................................................................................... 25

Inhaltsvalidität ...................................................................................................................... 29

Fremdenfeindlichkeit: Gefährliche Überfremdung .......................................................... 31

Chauvinismus: Deutsche Interessen gegenüber dem Ausland ......................................... 34

Chauvinismus: Deutsche Leistungen ................................................................................ 36

Diktaturaffinität: Diktatur im nationalen Interesse.......................................................... 38

Verharmlosung des Nationalsozialismus ......................................................................... 40

Antisemitismus: Besonderheiten und Eigentümlichkeiten von Juden .............................. 42

Sozialdarwinismus: Unwertes Leben ................................................................................ 44

Sozialdarwinismus: Durchsetzen des Stärkeren ............................................................... 46

Links-Rechts-Selbstpositionierung und Assoziation von Bedeutungsinhalten der eigenen

Position durch die Befragten (Beitrag von Axel Salheiser) .............................................. 48

Empfehlungen für die Messung rechtsextremer Einstellungen .......................................... 55

Reichweite der Messung rechtsextremer Einstellungen ......................................................... 59

Indirekte Indikatoren rechtsextremer Einstellungen ........................................................... 61

Individualmerkmale .......................................................................................................... 63

Kontextmerkmale ............................................................................................................. 65

Politische Milieus in Thüringen ............................................................................................ 69

Methode und Datenbestand ............................................................................................ 70

Die Durchschnittseinwohnerin Thüringens ...................................................................... 71

Privilegierte Demokrat_innen .......................................................................................... 73

Demokratiekritische Aktivist_innen ................................................................................. 73

Zufriedene Thüringer_innen ............................................................................................ 74

Konservative ..................................................................................................................... 74

Wendeverlierer_innen ..................................................................................................... 75

Abgehängte Antidemokrat_innen .................................................................................... 76

Konklusion: Zur Reichweite der Rechtsextremismusmessung ............................................ 77

Anhang ..................................................................................................................................... 87

Tabelle A1: Korrelationen Individualmerkmale mit rechtsextremen Einstellungen ........... 87

Tabelle A2: Korrelationen Kreismerkmale mit rechtsextremen Einstellungen ................... 90

Tabelle A3: Überblick Indikatoren für die Milieubildung ..................................................... 94

Literaturverzeichnis .................................................................................................................. 97

Page 4: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und derer mit geschlossen rechtsextremem

Weltbild .................................................................................................................................... 10

Abbildung 2: Ungleichwertigkeitsvorstellungen als latentes Merkmal ................................... 14

Abbildung 3: Ungleichwertigkeitsvorstellungen als latenter Hintergrundfaktor 2. Ordnung,

Dimensionen als Faktoren 1. Ordnung..................................................................................... 15

Abbildung 4: Cronbachs Alpha als Maß der Reliabilität ........................................................... 19

Abbildung 5: Schematische Darstellung homogener Antwortkategorien ............................... 21

Abbildung 6: Kumulative Skala als geordnete Folge aus schwieriger werdenden

Einstellungsfragen .................................................................................................................... 23

Abbildung 7: Anteil Befragter mit Antwortverweigerungen auf die Fragen zum

Rechtsextremismus .................................................................................................................. 25

Abbildung 8: Anteil Rechtsextremer und Befragter mit Antwortverweigerungen 2001 bis

2013 .......................................................................................................................................... 27

Abbildung 9: Ex-Post-Kategorisierung der Nennungen zu „Was verbinden Sie mit

‚Überfremdung‘?“ .................................................................................................................... 32

Abbildung 10: Ex-Post-Kategorisierung der Nennungen zu „Was verbinden Sie mit ‚deutschen

Interessen gegenüber dem Ausland‘?“ .................................................................................... 35

Abbildung 11: Ex-Post-Kategorisierung der Nennungen zu „Was verbinden Sie mit ‚deutschen

Leistungen‘?“ ............................................................................................................................ 37

Abbildung 12: Ex-Post-Kategorisierung der Nennungen zu „Was verbinden Sie mit einer

‚Diktatur im nationalen Interesse‘?“ ........................................................................................ 39

Abbildung 13: Ex-Post-Kategorisierung der Nennungen zu „Was verbinden Sie mit

‚Nationalsozialismus‘?“ ............................................................................................................ 41

Abbildung 14: Ex-Post-Kategorisierung der Nennungen zu „Was verbinden Sie mit

‚Besonderheiten und Eigentümlichkeiten der Juden‘?“ .......................................................... 43

Abbildung 15: Ex-Post-Kategorisierung der Nennungen zu „Was verbinden Sie mit

‚Unwertem Leben‘?“ ................................................................................................................ 45

Page 5: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

5 ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 16: Ex-Post-Kategorisierung der Nennungen zu „Was verbinden Sie mit

‚Durchsetzen des Stärkeren ‘?“ ................................................................................................ 47

Abbildung 17: Selbstpositionierung im politischen Links-Rechts-Spektrum 2000–2014 (in

Prozent) .................................................................................................................................... 49

Abbildung 18: Links-Rechts-Positionierung: Assoziierte Begriffsinhalte (Kategorien) in der

quantitativen Übersicht (häufigste Nennungen) ..................................................................... 51

Abbildung 19: Links-Rechts-Selbstpositionierung: Konzepte der Positionsbeschreibung (I) .. 53

Abbildung 20: Rechtsextrem Eingestellte 2001 bis 2013: Vergleich der Anteile nach dem

bisherigen und dem neu vorgeschlagenen Skalenkonstruktionsverfahren ............................ 58

Abbildung 21: Anteil rechtsextrem Eingestellter in den politischen Milieus 2000-2013 ........ 78

Page 6: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

6 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Überblick Indikatoren rechtsextremer Einstellungen ............................................... 9

Tabelle 2: Dimensionale Struktur rechtsextremer Einstellungen ............................................ 17

Tabelle 3: Faktoren, die Antwortverweigerungen auf die Rechtsextremismusfragen

begünstigen .............................................................................................................................. 28

Tabelle 4: Links-Rechts-Selbstpositionierung: Konzepte der Positionsbeschreibung (II) ........ 53

Tabelle 5: Zusammenhang Indikatoren des Wohnortkreises mit rechtsextremen

Einstellungen ............................................................................................................................ 68

Tabelle 6: Eigenschaften des „Durchschnittsthüringers“ ab 18 Jahren 2000-2013................. 80

Tabelle 7: Privilegierte Demokrat_innen: 11 Prozent (zunehmend) ....................................... 81

Tabelle 8: Demokratiekritische Aktivist_innen: 12 Prozent (eher konstant) ........................... 82

Tabelle 9: Zufriedene Thüringer_innen: 25 Prozent (zunehmend) ......................................... 83

Tabelle 10: Die Konservativen: 23 Prozent (konstant) ............................................................. 84

Tabelle 11: Wendeverlierer_innen: 21 Prozent (abnehmend) ................................................ 85

Tabelle 12: Abgehängte Antidemokrat_innen: 8 Prozent (eher abnehmend) ........................ 86

Page 7: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

7 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Güte der Messung rechtsextremer Einstellungen

Messung latenter Einstellungen

Einstellung ist eine durch Erfahrung erworbene Bereitschaft, mit einer bestimmten Wertung

auf Gruppen, Objekte, Situationen oder einzelne Personen zu reagieren. Sie drückt sich in

Überzeugungen, Affekten und Verhaltensweisen aus (Gerrig & Zimbardo 2008). Die verhal-

tenssteuernde Wirkung ist ein nur schwer zu messender Aspekt von Einstellungen. Die Rechts-

extremismusforschung, die sich auf die repräsentative Umfrageforschung stützt, erfasst Ver-

halten deshalb wenn, dann nur retrospektiv oder als berichtete Handlungsabsicht und kon-

zentriert sich auf die kognitiven und emotiven Komponenten von Einstellungen. Diese sind

dem Verhalten vorgelagert, weiterreichende Aussagen über die Mechanismen, durch die sich

Überzeugungen, Affekte und Handlungsbereitschaft in konkrete Handlungen übersetzen,

kann diese Richtung der Extremismusforschung jedoch nur bedingt formulieren.

Die dem THÜRINGEN-MONITOR zugrunde liegende Definition des Rechtsextremismus beschränkt

sich entsprechend auf den kognitiven und emotiven Aspekt von Einstellungen. Verstanden als

Einstellungsmuster ist Rechtsextremismus gekennzeichnet durch die Überzeugung einer un-

terschiedlichen Wertigkeit von Menschen in Abhängigkeit von askriptiven Merkmalen, wie

Nationalität, Hautfarbe oder ethnischer Herkunft, sowie einem auf diesen Ungleichwertig-

keitsvorstellungen aufbauenden Gesellschaftsbild. Im Hinblick auf gruppenbezogene Orientie-

rungen werden im THÜRINGEN-MONITOR antisemitische, fremdenfeindliche und sozialdarwinis-

tische Einstellungen erfasst. Hinsichtlich politischer Ordnungsvorstellungen und historischer

Affinitäten ist Rechtsextremismus gekennzeichnet durch eine Befürwortung diktatorischer Re-

gierungsformen, die Verharmlosung des Nationalsozialismus und nationalistisch-chauvinisti-

sche Einstellungen. Letztere erfassen nicht nur ein übersteigertes Nationalgefühl, sondern die

Aufwertung Deutschlands über die Abwertung anderer Länder. Diese im Jahr 2001 entwickelte

sogenannte Konsensusdefinition des Rechtsextremismus auf Einstellungsebene wird neben

dem THÜRINGEN-MONITOR auch in weiteren Studien angewandt (Decker, Brähler et al. 2010;

Stöss & Niedermayer 2008).

Dass diese Definition manifestes Verhalten ausklammert und dafür latente Einstellungen fo-

kussiert, ermöglicht zwar einerseits erst die Erfassung von Rechtsextremismus über repräsen-

tative Surveyforschung, macht die Messung des Phänomens jedoch anspruchsvoll. Die Mes-

sung eines latenten Konstruktes wie Ungleichwertigkeitsvorstellungen ist eine Aneinanderrei-

hung von vielen Entscheidungen und an jedem Punkt dieser Kette, der Operationalisierung,

wird definiert, was Ungleichwertigkeitsvorstellungen bzw. rechtsextreme Einstellung sind und

wer zu diesen neigt. Der THÜRINGEN-MONITOR setzt eine kausal-analytische Lösung zur „Mess-

barmachung“ von Ungleichwertigkeitsvorstellungen um (Schnell, Hill & Esser 2011: 119ff).

Dies bedeutet, dass ein latentes Konstrukt wie Ungleichwertigkeitsvorstellungen als breiter

begriffen wird, als es (jemals) in einer konkreten Untersuchungssituation gemessen werden

Page 8: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

8 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

kann. Daraus ergibt sich, dass aus einer potential unendlichen Menge an Indikatoren für Un-

gleichwertigkeitsvorstellungen einige wenige konkrete ausgewählt bzw. erdacht werden müs-

sen. Indikatoren sind messbare Sachverhalte, die einem nicht direkt messbaren, da latentem,

Konstrukt zugeordnet werden. In der Einstellungsforschung werden die kognitiven und emo-

tiven Aspekte von Einstellungen mittels sogenannter bilaterale Reduktionssätze gemessen: Ei-

ner Person wird das Prädikat A dann und nur dann zugesprochen, wenn Sie auf den Stimulus

S die Reaktion R zeigt. Wenn nicht, wird ihr Nicht-A zugesprochen. In einer konkreten Befra-

gungssituation bedeutet dies beispielsweise, dass ein Befragter als antisemitisch gilt, wenn er

auf den Sinnzusammenhang (Stimulus) „Juden passen nicht zu uns“ zustimmend reagiert, ist

seine Reaktion ablehnend, gilt er nicht als antisemitisch. Diese Operationalisierung geht davon

aus, dass die konkrete Präsentation des Sinnzusammenhangs dabei nicht entscheidend ist.

Einstellungsfragen wie „Die Juden haben einfach etwas Besonderes und Eigentümliches an

sich und passen nicht so recht zu uns.“ oder „Juden passen nicht nach Deutschland.“ messen

demnach die gleichen Einstellungen, sind gegeneinander austauschbar. Unterschiedliche

Messergebnisse beider Fragen, wären unerwünschte und meist nicht absehbare Verzerrungen

der Messung. Da diese Schwankungen nicht ausgeschlossen werden können, wird ein latentes

Konstrukt idealerweise über mehrere, prinzipiell gegeneinander austauschbare Indikatoren

gemessen. Verzerrungen, die über die Ausformulierung eines Sinnzusammenhanges als voll-

ständige Aussage entstehen, werden auf diese Weise ausgeglichen.

Was für die Indikatoren eines latenten Konstruktes gilt, ihre generelle Austauschbarkeit, trifft

in der Theorie auch auf dessen Subdimensionen zu. Die Konsensusdefinition umfasst die sechs

oben genannten Dimensionen von Ungleichwertigkeitsvorstellungen. Auch die Definition von

gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit geht von einer Ideologie der Ungleichwertigkeit

aus, definiert jedoch insgesamt zwölf Subdimensionen, von denen nur zwei denen der Kon-

sensusdefinition von rechtsextremen Einstellungen entsprechen (Heitmeyer 2012; Groß, Zick

& Krause 2012). Ob mit beiden Definitionen und den nochmals verschiedenen Operationali-

sierungen der zwei Definitionen tatsächlich das gleiche latente Konstrukt der Ungleichwertig-

keitsvorstellungen mit nur unterschiedlichen Schwerpunkten gemessen wird, ist eine nur em-

pirisch zu entscheidende Frage (die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht untersucht wurde).

Ebenfalls muss nach erfolgter Messung empirisch analysiert werden, ob verschiedene Indika-

toren für eine Subdimension, wie Antisemitismus oder Fremdenfeindlichkeit, tatsächlich eine

Dimension messen.

Noch vor der Messung ist zu entscheiden, wie die Zustimmung oder Ablehnung eines Befrag-

ten auf eine Einstellungsfrage erfasst werden soll. Einstellungen bilden sich als potentiell un-

endliches Kontinuum in Personen ab, demnach ist jede Form der Erfassung in einer diskreten

Skala mit Minimum und Maximum ein Kompromiss. Die Unterschiede zwischen den in der

Messung von Ungleichwertigkeitsvorstellungen üblichen vier oder fünf Antwortkategorien

müssten vor diesem Hintergrund irrelevant sein. Bei der Wahl der Antwortkategorien muss

jedoch bedacht werden, dass in der Einstellungsmessung, insbesondere bei den sensitiven

Fragen der Rechtsextremismusforschung, hohe Antwortverweigerungen zu erwarten sind.

Ziel der Festlegung einer Antwortskala muss demnach sein, Personen, die auf die präsentierte

Page 9: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

9 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Aussage weder zustimmend noch ablehnend reagieren wollen, nicht dazu zu motivieren, den-

noch eine valide Antwort zu geben. Da eine Befragungssituation eine soziale Situation ist, füh-

len sich Befragte in ihrem Antwortverhalten durch allgemeine Normen gebunden. Zu diesen

gehört zum Beispiel, die Frage eines Gesprächspartners nicht einfach unbeantwortet zu lassen

(Schnell, Hill & Esser 2011: 345ff) – in einer Alltagssituation führt dies nicht selten zum Ab-

bruch des kommunikativen Austauschs zwischen den Gesprächspartnern. Die Antwortkatego-

rien, die im Rahmen der Befragungen des THÜRINGEN-MONITORs vorgegeben werden, haben

deswegen keine Mittelkategorie, in der sich Befragte einordnen könnten, wenn sie unent-

schieden zwischen Zustimmung und Ablehnung sind, die Antwort aber nicht direkt verweigern

möchten.

Tabelle 1: Überblick Indikatoren rechtsextremer Einstellungen

Fremdenfeindlichkeit

Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefähr-lichen Maße überfremdet.

Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszu-nutzen.

Ausländer sollten grundsätzlich ihre Ehepartner unter den eigenen Landsleuten auswählen.

Chauvinismus

Was unser Land heute braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland.

Andere Völker mögen Wichtiges vollbracht haben, an deutsche Leistungen reicht das aber nicht heran.

Diktaturaffinität Im nationalen Interesse ist unter bestimmten Umständen eine Dik-tatur die bessere Staatsform.

Verharmlosung des NS Der Nationalsozialismus hatte auch seine guten Seiten.

Antisemitismus Die Juden haben einfach etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns.

Sozialdarwinismus Es gibt wertvolles und unwertes Leben.

Wie in der Natur sollte sich auch in der Gesellschaft immer der Stärkere durchsetzen.

Insgesamt erhebt der THÜRINGEN-MONITOR zehn Indikatoren, die sich auf die oben genannten

Subdimensionen verteilen, um Ungleichwertigkeitsvorstellungen zu messen (Tabelle 1). Dabei

werden die Affinität zu diktatorischen Regierungsformen, die Verharmlosung des Nationalso-

zialismus sowie Antisemitismus nur über je eine Einstellungsfrage erfasst. Fremdenfeindlich-

keit hingegen mit drei Fragen, Chauvinismus und Sozialdarwinismus werden mit je zwei Indi-

katoren gemessen. Als Antwortmöglichkeiten werden den Befragten vier Antwortkategorien

angeboten: Stimme völlig zu, stimme eher zu, lehne eher ab und lehne völlig ab. Außerdem

ist es den Befragten möglich, die Antwort zu verweigern, indem sie explizit angeben, die Frage

nicht beantworten zu können („weiß nicht“) oder nicht zu wollen („keine Angabe“). Die Erhe-

bung erfolgt über computergestützte Telefoninterviews und erfasst jährlich 1000 Thüringerin-

nen und Thüringer.

Page 10: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

10 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Die Messung von Ungleichwertigkeitsvorstellungen ist nicht mit der Erhebung der Indikatoren

abgeschlossen. Auch danach müssen Entscheidungen getroffen werden, die auf die faktische

Definition von Rechtsextremismus und rechtsextrem Eingestellten zurückwirken. Dies betrifft

die Zusammenführung der Einstellungsfragen zu einer Skala. Im günstigsten Fall ergibt sich für

alle Befragten ein Messwert, der als Grad der Ausprägung ihrer Ungleichwertigkeitsvorstel-

lungen interpretiert werden kann. Nur so lassen sich die Anteile der Befragten mit einem ge-

schlossen rechtsextremen Weltbild identifizieren. Im THÜRINGEN-MONITOR werden, in Überein-

stimmung mit vergleichbaren Studien, die zehn Einstellungsfragen aufsummiert. Theoretisch

sind auf der sich ergebenden Summenskala Werte von 10 bis 40 Punkten erreichbar.

Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und derer mit geschlossen rechtsextremem Weltbild

Die Addition der Indikatorwerte bedeutet, dass auch bei den Dimensionen, die mit mehreren

Indikatoren gemessen wurden, sich die Indikatoren gegenseitig im Fall von Antwortverweige-

rungen nicht ersetzen können. Antwortverweigerungen sind in Telefoninterviews besonders

hoch, im THÜRINGEN-MONITOR müssen durch diese Form der Skalenkonstruktion deshalb jähr-

lich etwa 20 Prozent der Stichprobe für die Untersuchung rechtsextremer Einstellungen aus-

geschlossen werden, da für diese Befragten kein valider Skalenwert gebildet werden kann.

Eine weitere Konsequenz der Addition ist, dass die sechs Dimensionen der Ungleichwertig-

keitsvorstellungen ungleich gewichtet in die Berechnung des Skalenwertes eingehen: Frem-

denfeindliche und chauvinistische Einstellungen bilden inhaltlich eine Hälfte der Skala, Dikta-

turaffinität, Verharmlosung des Nationalsozialismus, Sozialdarwinismus und antisemitische

Einstellungen stellen die andere inhaltliche Hälfte der Skala dar.

7%9% 10% 9%

7%9%

6% 6%3%

9%

5% 5%3%

12%

12%13% 14%

15%8%

9% 10%

10%

8%

7% 7%

7%

0%

5%

10%

15%

20%

25%

30%

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2010 2011 2012 2013 2014

… mit geschlossen rechtsextremem Weltbild rechtsextrem Eingestellte

Page 11: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

11 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Befragte ab einem Skalenwert von mehr als 25 der 40 möglichen Punkte bringen den zehn

Einstellungsfragen durchschnittlich mehr Zustimmung als Ablehnung entgegen, sie gelten da-

mit im THÜRINGEN-MONITOR als rechtsextrem eingestellt. Befragte mit mehr als Dreiviertel des

maximalen Skalenwertes haben den Einstellungsfragen durchschnittlich zugestimmt, sie gel-

ten als „Harter Kern“ mit einem geschlossen rechtsextremen Weltbild. Die Bestimmung des

Schnittpunktes geschieht im Einklang mit vergleichbaren Studien (Decker et al. 2012: 54), ist

aber dennoch einigermaßen willkürlich. Da die gemessenen Einstellungen sich in der Gedan-

ken- und Gefühlswelt der Befragten als Kontinuum abbilden, entspricht eine Differenzierung

zwischen rechts- und nicht rechtsextrem Eingestellten dem höchstmöglichen Abstraktions-

grad, unabhängig davon, an welchem Punkt der empirischen Skala die Unterscheidung getrof-

fen wird. Rechtsextrem Eingestellte im THÜRINGEN-MONITOR (Abbildung 1) haben einzelne Fra-

gen oder ganze Dimensionen der Ungleichwertigkeitsvorstellungen abgelehnt. Nicht als

rechtsextrem eingestellt geltende Befragte können hingegen im höchsten Maß beispielsweise

fremdenfeindlich, antisemitisch oder auch beides sein. Es ist deshalb wichtig, die Analyse so

weit wie möglich auf die ganze Skala zu Ungleichwertigkeitsvorstellungen zu konzentrieren.

Dies setzt jedoch voraus, dass das Ergebnis aus der Addition der zehn Indikatorwerte tatsäch-

lich als Skala begriffen werden kann. Dafür müssen die Indikatoren eine Reihe von Bedingun-

gen erfüllen:

Eindimensionalität: Gemessen werden sollen mittels der zehn Indikatoren Ungleichwer-

tigkeitsvorstellungen die sich ggf. in Dimensionen gliedern lassen, jedoch in keine weite-

ren latenten Konstrukte. Es muss demnach sichergestellt werden, dass sich die Indikato-

ren realiter (in den Köpfen der Befragten) auch als ein Konstrukt begreifen lassen.

Reliabilität: Die Messung muss zuverlässig sein. Würde ein Teilnehmer der Umfrage in-

nerhalb kurzer Zeit die gleichen Fragen noch einmal gestellt bekommen, müssten seine

Antworten weitestgehend seinen erstmaligen Antworten entsprechen.

Homogenität: Dieses Kriterium verlangt, dass die zehn Einstellungsfragen die gleiche

Schwierigkeit aufweisen und die Antwortkategorien von allen Befragten über alle erho-

benen Fragen gleich verstanden beziehungsweise interpretiert wurden. Ist diese Bedin-

gung nicht erfüllt, ist eine Gruppierung der Rechtsextremismusskala (zum Beispiel in

rechtsextrem und nicht rechtsextrem Eingestellte) statistisch nicht sinnvoll.

Inhaltsvalidität: Die einzelnen Einstellungsfragen müssen jene Inhalte erfassen, die man

ihnen bei der Interpretation der Ergebnisse unterstellt, gemessen zu haben. Inhaltsvalidi-

tät ist demnach zu trennen von einer stärker theoretischen Diskussion um die Definition

von Rechtsextremismus auf Einstellungsebene, und formuliert hingegen den Anspruch,

dass die gegebene Definition eines Konstruktes dem entspricht, was die Indikatoren mes-

sen.

Repräsentativität auch bei Antwortausfall: Die Repräsentativität einer Bevölkerungsstich-

probe wird standardmäßig über Zufallsauswahl und die Quotierung und ggf. nachträgliche

Gewichtung nach Geschlechts-, Alters- und Bildungsgruppen sichergestellt, so auch in den

Page 12: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

12 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Erhebungen des THÜRINGEN-MONITORs. Bei der Zusammenfassung mehrerer Einzelindika-

toren zu einer Skala ist jedoch zu bedenken, dass durch die Kumulierung von Antwortaus-

fällen größere Gruppen von Befragten keinen validen Skalenwert erhalten könnten und

sich damit für die Untersuchung der Skala die zugrundeliegende Stichprobe verkleinert.

Dies ist nur dann unproblematisch, wenn davon ausgegangen werden kann, dass Befragte

zufällig die Antwort auf die entsprechenden Einstellungsfragen verweigert haben, das

heißt, kein Zusammenhang mit ihren Antworten auf die restlichen Einstellungsfragen o-

der ihren soziodemografischen Merkmalen besteht. Gegebenenfalls muss dies empirisch

geprüft werden.

Die lange Messreihe der THÜRINGEN-MONITORe eröffnet die einzigartige Möglichkeit, die Güte

der Rechtsextremismusskala anhand dieser fünf Kriterien mit der erforderlichen zeitlichen

Tiefe und Dichte der Messpunkte zu überprüfen. Insbesondere die Prüfungen zur Dimensio-

nalität und Homogenität reagieren empfindlich auf lediglich stichprobenbedingte Schwankun-

gen, deshalb sollten in diese Analysen die Erhebungswellen des THÜRINGEN-MONITOR nicht ein-

zeln sondern gruppiert eingehen. Eine Gruppierung kann nach verschiedenen Kriterien erfol-

gen, jedoch erscheint es am sinnvollsten, diese empirisch vorzunehmen, das heißt orientiert

an der Entwicklung rechtsextremer Einstellungen über die Zeit. Wie Abbildung 1 verdeutlicht,

können in der Messung von 20011 bis 2013 drei jeweils über einige Jahre stabile Niveaus be-

züglich der Höhe rechtsextremer Einstellungen unterschieden werden: Von 2001 bis 2005 liegt

der Anteil rechtsextrem Eingestellter an der Thüringer Gesamtbevölkerung bei knapp 22 Pro-

zent, bei einem Unterschied von maximal vier Prozentpunkten zwischen den Erhebungsjah-

ren. Zwischen 2006 und einschließlich 2008 liegt das Niveau bei 16 Prozent, und fällt dann

nochmals auf etwa dreizehn Prozent ab dem Jahr 2010. In dieser letzten Gruppe steigt der

Anteil Rechtsextremer zwar wieder auf 17 Prozent an, jedoch muss dieser Wert als Ausreißer

in dem Trend ab 2010 betrachtet werden. Für die Analyse der Messgüte werden deshalb die

Erhebungswellen in die Gruppen 2001 bis einschließlich 2005, 2006 bis einschließlich 20082

sowie 2010 bis 2013 unterteilt.

Dimensionalität

Die Analyse der Dimensionalität einer Skala zu einem latenten Konstrukt ist sowohl eine Kon-

kretisierung als auch Prüfung der Definition des Konstruktes. Die Konsensusdefinition geht

von sechs Dimensionen aus, die sich unter dem Begriff Ungleichwertigkeitsvorstellungen zu-

sammenfassen lassen. Wäre es bereits auf theoretischer Ebene nicht möglich, einen solchen

übergeordneten Begriff anzugeben, könnten die einzelnen Indikatoren nicht zu einem Merk-

mal zusammengefasst werden. Es bliebe unklar, welches Merkmal mit der resultierenden

Skala eigentlich gemessen werden soll. Es ist Gegenstand anhaltender Diskussionen in der

1 Die Erhebung von 2000 muss für die Analyse der Messgüte außer Acht gelassen werden, da in diesem Jahre andere Antwortkategorien für die Indikatoren des Rechtsextremismus zur Anwendung kamen. 2 Die zweite Gruppe ist dadurch mit „nur“ etwa 3000 Fällen kleiner als die beiden anderen, dies ist jedoch auch auf den Ausfall der Erhebung im Jahr 2009 zurückzuführen.

Page 13: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

13 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Rechtsextremismusforschung (Kreis 2007: 10f), ob die Ideologie der Ungleichwertigkeit eher

als „Sammelbegriff“ für die sechs Dimensionen gelten muss oder ob Ungleichwertigkeitsvor-

stellungen einen gemeinsamen Hintergrundfaktor bilden, auf die sich die Zustimmung bzw.

Ablehnung zu den Subdimensionen zurückführen lässt. Mit der Etablierung des Konzepts der

gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, dass Ungleichwertigkeitsvorstellungen als ge-

meinsamen Hintergrundfaktor spezifischer gruppenbezogener Abwertungen begreift, scheint

jedoch ein Argument gegen die Auffassung eines „Sammelbegriffs“ gefunden worden zu sein:

Begreift die Konsensusdefinition Ungleichwertigkeitsvorstellungen lediglich als Sammelbegriff

der sechs Dimensionen, so müsste man die Erforschung von rechtsextremen Einstellungen

und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit als Forschung zu getrennten Phänomenen be-

trachten. Realiter jedoch bewegen sich beide Konzepte ihrem Selbst- und Fremdverständnis

nach auf dem gleichen Forschungsfeld, sie setzen jedoch unterschiedliche Schwerpunkte.

Damit können Ungleichwertigkeitsvorstellungen als das auf theoretischer Ebene verbindende

Element zwischen der Forschung zu Rechtsextremismus und gruppenbezogener Menschen-

feindlichkeit gelten. Folglich ist davon auszugehen, dass diese Vorstellungen latent in jeder

Person veranlagt sind und in ihren Ausprägungen kausal für das Antwortverhalten der Person

auf dementsprechende Indikatoren verantwortlich sind. Umso höher Ungleichwertigkeitsvor-

stellungen ausgeprägt sind, desto wahrscheinlicher wird die Zustimmung zu einem der Indika-

toren von Rechtsextremismus auf Einstellungsebene wie auch der gruppenbezogenen Men-

schenfeindlichkeit, die sich teilweise überschneiden. Um empirisch nachweisen zu können,

dass alle erhobenen Einstellungsfragen tatsächlich als Indikatoren des gleichen Konstruktes,

in diesem Fall also von Ungleichwertigkeitsvorstellungen, verstanden werden können, ist es

notwendig nachzuweisen, dass alle einzelnen Indikatorwerte untereinander stark korrelieren.

Wenn einer Einstellungsfrage zugestimmt wird, dann muss es eine hohe Wahrscheinlichkeit

geben, dass alle Fragen zustimmend beantwortet werden, da sich alle Antworten auf die ge-

meinsame Ursache der Ungleichwertigkeitsvorstellungen des Befragten zurückführen lassen.

Weiterhin ist die sechs-dimensionale Struktur, in die sich Ungleichwertigkeitsvorstellungen

laut der Konsensusdefinition untergliedern, empirisch zu prüfen. Wenngleich alle Indikatoren

miteinander korreliert sein sollten, um von einem gemeinsamen Hintergrundfaktor sprechen

zu können, müssen Indikatoren der gleichen Subdimension noch einmal in stärkerem Zusam-

menhang stehen. Werden zwei Fragen zu chauvinistischen Einstellungen gestellt, die gegen-

seitig als austauschbar gelten, sind zwar durchaus noch Abweichungen zwischen den Antwor-

ten auf beiden Fragen zu erwarten, aber keine systematischen.

Die Prüfung der dimensionalen Struktur der Einstellungsfragen einer Skala erfolgt schritt-

weise. Abbildung 2 zeigt das Schema eines statistischen Modells, über das die Annahme ge-

testet werden kann, dass die zehn Indikatoren des Rechtsextremismus als Indikatoren des

gleichen Konstruktes, nämlich Ungleichwertigkeitsvorstellungen, gelten können. Dabei wird

noch keine Unterscheidung in die sechs einzelnen Dimensionen vorgenommen. Es ist entspre-

chend auch nicht überraschend, dass dieses Modell als bestes Modell zur Beschreibung der

Binnenstruktur rechtsextremer Einstellungen abgelehnt werden muss, für alle drei Erhebungs-

Page 14: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

14 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

gruppen gleichermaßen3. Das Modell kann die empirisch gegebenen statistischen Assoziatio-

nen zwischen den Einstellungsfragen nicht adäquat genug beschreiben. Jedoch lässt sich die

wichtige Teilstruktur bestätigen, dass alle Indikatorwerte untereinander so stark korrelieren,

um davon ausgehen zu können, dass die zehn Einstellungsfragen das gleiche latente Kon-

strukt, Ungleichwertigkeitsvorstellungen, messen. Dieses Ergebnis wird nicht über zufällige

Schwankungen in den Stichproben generiert, sondern lässt sich auf die jeweiligen Grundge-

samtheiten übertragen. Auch ist der Befund über die drei Erhebungsgruppen von 2001 bis

2013 stabil.

Abbildung 2: Ungleichwertigkeitsvorstellungen als latentes Merkmal

Der nächste Schritt ist die Prüfung der Binnenstruktur von Ungleichwertigkeitsvorstellungen.

Hierzu muss festgehalten werden, dass die Messung des Rechtsextremismus im THÜRINGEN-

MONITOR deren Prüfung nur unvollständig zulässt, denn es wird zu den Dimensionen der Dik-

taturaffinität, zum Antisemitismus und zur Verharmlosung des Nationalsozialismus jeweils nur

ein Indikator erhoben. Damit werden die als latent gelten könnenden antisemitischen Einstel-

lungen eines Befragten mit der Antwort auf die eine Einstellungsfrage zum Antisemitismus

gleichgesetzt, entsprechendes gilt für die anderen zwei Dimensionen mit nur einem Indikator.

In der Konsequenz werden diese drei Dimensionen mit größerer Ungenauigkeit gemessen.

Werden rechtsextreme Einstellungen insgesamt analysiert, so wird diese stärker mit zufälligen

Fehlern behaftete Messung der drei Dimensionen jedoch durch die restlichen sieben Einstel-

lungsfragen, die, wie festgestellt, alle als Indikatoren für Ungleichwertigkeitsvorstellungen gel-

ten können, ausgeglichen. Eine Analyse der drei je einzelnen Dimensionen ist im THÜRINGEN-

MONITOR bis jetzt nicht erfolgt und sollte aus diesen Gründen auch nicht angestrebt werden.

3 Die statistische Ausformulierung Prüfung des Modells und aller folgenden zur Analyse der Dimensionalität er-folgte als einfaktorielle konfirmatorische Faktorenanalyse (Bühner 2006: 235ff; Weiber und Mühlhaus 2010: 103ff) im Programm AMOS. Das Modell wurde über ein verteilungsfreies Schätzverfahren gelöst (ADF-Verfah-ren), da die Antworten auf die einzelnen Einstellungsfragen häufig sehr schief verteilt sind, also meistens mehr Ablehnung als Zustimmung generieren.

Page 15: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

15 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Die Dimensionen Fremdenfeindlichkeit, Chauvinismus und Sozialdarwinismus werden jedoch

über jeweils drei oder zwei Indikatoren gemessen und dementsprechend ist es notwendig zu

untersuchen, ob die Indikatoren der Subdimensionen tatsächlich das gleiche erfassen. Das

Modell in Abbildung 2 wird deshalb um drei latente Faktoren ergänzt – Fremdenfeindlichkeit,

Chauvinismus und Sozialdarwinismus – die als Hintergrundfaktoren für ihre jeweiligen Indika-

toren modelliert werden. Diese drei latenten, die einzelnen Dimensionen repräsentierenden,

Faktoren werden selbst jedoch wieder als abhängig von den allen übergeordneten Ungleich-

wertigkeitsvorstellungen der Befragten angenommen. Werden diese Annahmen an den Daten

auf ihre Plausibilität überprüft, können sie nur zum Teil bestätigt werden. Dass die drei Fragen

zur Fremdenfeindlichkeit tatsächlich alle das gleiche messen, kann als bestätigt aufgefasst

werden. Allerdings ist auffällig, dass die Einstellungsfrage „Ausländer sollten grundsätzlich ihre

Ehepartner unter den eigenen Landsleuten auswählen.“ dabei herausfällt und geringer korre-

liert ist mit den zwei anderen Indikatoren fremdenfeindlicher Einstellungen als diese unterei-

nander. Statistisch ist der Zusammenhang zwischen den drei Fragen jedoch ausreichend, um

davon auszugehen, dass sie das gleiche messen.

Abbildung 3: Ungleichwertigkeitsvorstellungen als latenter Hintergrundfaktor 2. Ordnung, Dimensio-nen als Faktoren 1. Ordnung

Dies trifft auf die beiden Fragen zu national-chauvinistischen Vorstellungen nicht zu. Während

für die Jahre 2001 bis 2005 noch davon ausgegangen werden kann, dass beide Fragen das

Gleiche messen, ist diese Annahme für die Jahre 2006 bis 2008 nicht haltbar. Für die Erhebun-

gen ab 2010 ist die Annahme, beide Fragen seien Indikatoren der gleichen Dimension, nur

vertretbar, wenn man eine deutlich erhöhte Unsicherheit in Kauf nimmt, damit lediglich ein

für die Stichprobe aber nicht für die Gesamtheit der Thüringer Bevölkerung gültiges Ergebnis

auf letztere zu projizieren. Da die zugrunde liegende Stichprobe vier Erhebungswellen erfasst,

sollte ein solches erhöhtes Risiko jedoch nicht eingegangen werden. Es muss deshalb davon

ausgegangen werden, dass die Einstellungsfragen „Was unser Land heute braucht, ist ein har-

tes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland.“ und „Andere

Völker mögen Wichtiges vollbracht haben, an deutsche Leistungen reicht das aber nicht

Page 16: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

16 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

heran.“ nicht beide Chauvinismus messen. Damit wird die Frage aufgeworfen, was sie messen

und ob überhaupt eine der zwei Fragen chauvinistische Einstellungen erfasst. Diese Fragen

können über die Analyse der Dimensionalität jedoch nicht geklärt werden, sondern sind unter

dem Aspekt der Inhaltsvalidität zu diskutieren (siehe unten).

Für die Dimension des Sozialdarwinismus sind die Befunde nicht gleichermaßen deutlich. In

der ersten Erhebungsgruppe von 2001 bis 2005 ist davon auszugehen, dass beide Indikatoren

das gleiche Konstrukt erfassen. Ab 2006 jedoch sind die Assoziationen zwischen den Antwor-

ten auf beide Fragen unter den Befragten nicht mehr so stark, dass die Annahme eines durch

die beiden Fragen gemeinsam gemessenen Konstruktes mit hoher Sicherheit auf die Thüringer

Bevölkerung übertragen werden kann. Auch hier muss abgewogen werden, dass ein schwa-

cher Zusammenhang, der in einer großen Stichprobe gefunden wurde, leichter die statistisch

notwendigen Kriterien, nach denen er auch in der Grundgesamtheit für existent angenommen

wird, erreichen kann, als ein starker Zusammenhang in einer kleineren Stichprobe. Die statis-

tischen Kennzahlen zur Beurteilung der Signifikanz sind diesbezüglich nicht gänzlich frei von

einer Verzerrung (Bortz & Schuster 2010: 110ff). Wird, wie im vorliegenden Fall, trotz einer

großen Stichprobe dennoch kein höchst signifikantes, also höchst vertrauenswertes, Ergebnis

erzielt, sollte deshalb davon ausgegangen werden, dass die getestet Annahme sich für die

Grundgesamtheit nicht bestätigen lässt. Für die beiden Einstellungsfragen „Es gibt wertvolles

und unwertes Leben.“ sowie „Wie in der Natur sollte sich auch in der Gesellschaft immer der

Stärkere durchsetzen.“ ist demnach davon auszugehen, dass sie nicht das Gleiche messen.

Auch hier kann mit den Mitteln der dimensionalen Analyse nicht entschieden werden, was

beide oder eine der Fragen stattdessen messen. Jedoch ist bereits im Protokoll der Konferen-

zen zur Entwicklung der Konsensusdefinition nachzulesen (Kreis 2007: 18), dass die Fragen zur

Sozialdarwinismus nicht alle das gleiche Konstrukt erfassen. Dies ist demnach kein spezifischer

Befund für die Thüringer Bevölkerung. Seit Beginn der Konsensusdefinition wird mit dem Be-

griff des Sozialdarwinismus etwas „vergegenständlicht“, das sich in den Wahrnehmungs- und

Bewertungsmustern der Befragten nicht widerspiegelt.

Doch auch darüber hinaus kann die Konsensusdefinition rechtsextremer Einstellungen in ihren

Implikationen für die Binnenstruktur dieser Einstellungen für Thüringen nicht bestätigt wer-

den. Über ein exploratives Verfahren wurde deshalb für die einzelnen Erhebungswellen un-

tersucht, welche dimensionale Struktur die Daten am besten beschreiben kann4. In Tabelle 2

ist diese Struktur dargestellt: Es lassen sich zwei Dimensionen identifizieren, in die sich Un-

gleichwertigkeitsvorstellungen untergliedern. Eine vereint auf sich zwei der drei Fragen zur

Fremdenfeindlichkeit („Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährli-

chen Maße überfremdet.“ und „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat

auszunutzen.“) sowie beide Fragen, die vormals unter „Chauvinismus“ zusammengefasst wur-

den („Was unser Land heute braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher

4 Durchgeführt wurde eine explorative Hauptachsenanalyse in SPSS, die Rotation erfolgte über Oblimin mit Kai-ser-Normalisierung, die Faktorzahl wurde über das Eigenwertkriterium bestimmt, Fälle würden paarweise aus-geschlossen.

Page 17: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

17 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Interessen gegenüber dem Ausland.“ sowie „Andere Völker mögen Wichtiges vollbracht ha-

ben, an deutsche Leistungen reicht das aber nicht heran.“). Gemeinsam beschreiben diese vier

Indikatoren ein ethnozentristisches Weltbild, das häufig auch als „neuer“ oder „moderner“

Rechtsextremismus bezeichnet wird (Heyder & Decker 2011: 239ff). Die restlichen sechs Fra-

gen zu rechtsextremen Einstellungen sind Ausdruck der Zustimmung (bzw. Ablehnung) zur

tradierten Ideologie des Nationalsozialismus (Ebd.). Darunter fällt auch die fremdenfeindliche

Forderung, dass Ausländer unter den eigenen Landsleuten heiraten sollen. Zurückzuführen ist

dies darauf, dass diese Einstellungsfrage, im Gegensatz zur den beiden anderen der Dimension

Fremdenfeindlichkeit, auf die zutiefst rassistische Vorstellung einer „Rassenhygiene“ abhebt.

Tabelle 2: Dimensionale Struktur rechtsextremer Einstellungen

Ungleichwertigkeitsvorstellungen

Neo-nationalsozialistische Ideologie Ethnozentrismus

Verharmlosung Nationalsozialismus Diktaturaffinität

„Sozialdarwinismus“

Antisemitismus Rassismus

Fremdenfeindlichkeit „Chauvinismus“

Repräsentativster Indikator:

„Der Nationalsozialismus hatte auch seine gu-ten Seiten.“

„Die Bundesrepublik ist durch die vielen Auslän-der in einem gefährlichen Maß überfremdet.“

Die Dimensionen Ethnozentrismus und NS-Ideologie lassen sich im Wesentlichen für alle zwölf

Erhebungsjahre nachweisen, jedoch gibt es leichte jährliche Schwankungen. Mitunter ist die

genannte Frage zur rassistischen Einstellungen stärker mit den Indikatoren der Dimension Eth-

nozentrismus verbunden (2007 und 2010). Gerade im ersten Jahrfünft fällt der Chauvinis-

musindikator der vermeintlich unübertroffenen deutschen Leistungen vor allem unter die Di-

mension der nationalsozialistischen Ideologie, dieses Bild findet sich jedoch auch 2007 und

2013. Auch darin bestätigt sich, dass die beiden Einstellungsfragen, mit denen nach der Kon-

sensusdefinition chauvinistische Einstellungen erfasst werden, empirisch nicht die gleiche Di-

mension von Ungleichwertigkeitsvorstellungen messen. Es bedarf offensichtlich einer stärke-

ren Unterscheidung zwischen der nationalistischen Forderung eines offensiven Vertretens

deutscher Interessen gegenüber dem Ausland – hier mögen die Befragten nicht zuletzt an die

Rolle Deutschlands in der Europäischen Union denken (siehe Inhaltsvalidität) – und der tra-

dierten Vorstellung von der Überlegenheit Deutschlands in der Welt. Dass sich diese Frage,

auch über die Jahre hinweg, jedoch nicht mit Deutlichkeit entweder der Dimension Ethnozent-

rismus oder der neo-nationalsozialistische Ideologie zuordnen lässt, deutet auf die Mehrdeu-

tigkeit bzw. Mehrdimensionalität dieser Einstellungsfrage, die sich ab dem zweiten Jahrfünft

entwickelt hat. Mehrdimensionale Fragen disqualifizieren sich eigentlich generell und insbe-

sondere für die Skalenkonstruktion, jedoch kann die Messung der rechtsextremen Einstellun-

Page 18: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

18 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

gen so grundlegend nicht verändert werden. Häufiger als dies nicht der Fall ist und insbeson-

dere in der jüngeren Messzeitpunkten fügt sich diese Frage in ein ethnozentristisches Weltbild

ein.

Auf eine weitere Auffälligkeit der explorativen Analyse der Binnenstruktur von Ungleichwer-

tigkeitsvorstellungen soll an dieser Stelle eingegangen werden. Es macht einen Unterschied,

wie bei der Berechnung mit Antwortverweigerungen umgegangen wird. Da die dimensionale

Analyse auf Korrelationen zwischen je zwei der untersuchten Indikatoren beruht, gibt es zwei

Möglichkeiten zum Umgang mit Befragten, die eine oder mehrere Antworten auf die Einstel-

lungsfragen verweigert haben: Einmal können alle Befragten mit Antwortverweigerungen aus-

geschlossen werden, obwohl sich viele der bivariaten Korrelationen berechnen lassen würden,

alternativ werden die einzelnen bivariaten Korrelationen immer auf der größtmöglichen Da-

tengrundlage berechnet. Über das erste Verfahren erhält man für das erste Jahrfünft häufig

eine eindimensionale Struktur für rechtsextreme Einstellungen. Das zweite Verfahren liefert

die oben beschriebene zweidimensionale Struktur, die sich auch unabhängig von dem Um-

gang mit Antwortverweigerungen für die Erhebungsjahre danach finden lässt. Dieser Befund

gibt einen deutlichen Hinweis darauf, wie wichtig ein reflektierter Umgang mit nicht validen

Antworten ist. Ein Ausschluss dieser Befragten verkleinert nicht nur die Stichprobe, sondern

ändert für die ersten Erhebungsjahre die Struktur von Ungleichwertigkeitsvorstellungen. Ob

weitere Verzerrungen in Abhängigkeit des Umgangs mit Antwortverweigerern entstehen,

wird im entsprechenden Abschnitt analysiert.

Man kann weiterhin von Ungleichwertigkeitsvorstellungen als gemeinsamer Hintergrundfak-

tor für die verschiedenen Dimensionen rechtsextremer Einstellungen ausgehen, jedoch bestä-

tigt sich dabei nicht die sechs theoretisch angenommen Dimensionen der Konsensusdefini-

tion. Die Fragen zu sozialdarwinistischen Vorstellungen der Gesellschaft scheinen nicht das

Gleiche zu messen, ebenso die Fragen zu vermeintlich chauvinistischen Einstellungen. Die

Frage zu den deutschen Leistungen im Vergleich zu anderen Ländern muss als mehrdimensio-

nal gelten. Der Indikator für Fremdenfeindlichkeit, der die Abneigung gegen Heiraten unter

Zuwanderern und „Deutschen“ misst, kann vor allem als Frage zur Messung von Rassismus

begriffen werden, der wie zu erwarten auch mit Fremdenfeindlichkeit in der Couleur des

neuen Rechtsextremismus im engen Zusammenhang steht. Stärker jedoch steht er in Verbin-

dung mit anderen „alten“ nationalsozialistischen Ideologemen. Rassismus zeigt sich damit als

einer der engsten Berührungspunkte zwischen dem neuen und alten Rechtsextremismus auf

Einstellungsebene. Diese zweidimensionale Struktur ist nicht auf Thüringen begrenzt, sondern

lässt sich auch für Gesamtdeutschland nachweisen (Heyder & Decker 2011).

Reliabilität

Wenn die Reliabilität einer Messung wiedergibt, inwieweit das gleiche Ergebnis bei Wieder-

holung der Messung zu erwarten ist, dann sind echte Reliabilitätsanalysen auf Basis von Quer-

schnittsbefragungen nicht möglich. Selbst wenn gegen alle Wahrscheinlichkeit eine Person an

Page 19: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

19 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

zwei Befragungen des THÜRINGEN-MONITORs teilgenommen haben sollte, ist diese nicht identi-

fizierbar. Die Analyse der Messzuverlässigkeit kann deshalb nur auf Ebene des Aggregates er-

folgen. Es ist demnach zu fragen, ob zum Beispiel die Veränderungen des Anteils rechtsextrem

eingestellter Thüringer_innen auf Änderungen in der Verbreitung rechtsextremer Einstellun-

gen über die Zeit zurückgehen, oder ob die Zuverlässigkeit der Messung dieser Einstellungen

auch auf Ebene der Gesamtbevölkerung so gering ist, dass es sich bei diesen zeitlichen Varia-

tionen um Messfehlerschwankungen handelt.

Abbildung 4: Cronbachs Alpha als Maß der Reliabilität

Interpretationshilfe: Werte unter 0,7 sind inaktzeptabel, Werte über 0,8 gelten als Hinweis auf gute

Reliabilität der Skala, Werte größer 0,9 zeigen hervorragende Reliabilität an.

Die Notwendigkeit von Reliabilitätsanalysen (Steyer & Eid 2001: 99ff; Bühner 2011: 141ff) be-

gründet sich unmittelbar in einer der Grundannahmen der klassischen Testtheorie, dem Mess-

fehlertheorem: Nach diesen besteht auch die gelungene Messung eines Merkmals immer aus

der „unerreichbaren“ wahren Ausprägung dieses Merkmals und einem zufälligen Messfehler.

Die wahre Ausprägung eines latenten Konstrukts einer Person muss demnach als der Mittel-

wert aus einer Reihe von unendlich vielen Messwiederholungen an dieser Person gedacht

werden. Stehen nur Querschnittsdaten zur Verfügung, lässt sich der wahre Wert eines Merk-

mals folglich dennoch umso besser schätzen, je mehr Indikatoren zur Messung des Konstruk-

tes erhoben werden. Insofern für die Reihe der zu untersuchenden Indikatoren bereits nach-

gewiesen werden konnte, dass sie sich als Indikatoren eines Konstruktes, hier von Ungleich-

wertigkeitsvorstellungen, begreifen lassen, kann die Reliabilität der Messung auf Aggregat-

ebene geschätzt werden. Die Basis dafür sind, wie in der dimensionalen Analyse, Korrelatio-

0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2010

2011

2012

2013

Page 20: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

20 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

nen zwischen den einzelnen Indikatoren. Im Fall der Reliabilitätsanalyse werden die zehn In-

dikatoren für rechtsextreme Einstellungen allerdings in alle möglichen Testhälften unterteilt.

Es werden die Korrelationen zwischen je zwei von allen zehn einzelnen Indikatoren berechnet,

aber auch die Korrelation aus beispielsweise den Antworten der ersten Frage in Tabelle 1 mit

der Skala, die sich aus den restlichen neuen Fragen ergeben würde. Auf diese Weise wird die

Korrelation zwischen allen Testhälften berechnet und die Zahl der Indikatoren für Ungleich-

wertigkeit potenziert.

Das Mittel aller Korrelationen zwischen allen Testhälften, Cronbachs Alpha, gilt als Kennzahl

für die Messzuverlässigkeit einer Reihe von Indikatoren für ein latentes Konstrukt, beurteilt

für die gesamte Stichprobe. Es kann Zahlen zwischen 0 und 1 annehmen, dabei gelten Werte

größer 0,7 als Hinweis auf akzeptable Messzuverlässigkeit, Werte über 0,8 als gut und über

0,9 als exzellent. Wie Abbildung 4 verdeutlicht, ist die Reliabilität der Messung rechtsextremer

Einstellungen im THÜRINGEN-MONITOR (auf Aggregatebene) seit Beginn der Erhebungen in 2001

konstant auf gutem Niveau. Unbeabsichtigte Messschwankungen können somit als Ursache

für die Veränderungen des Anteils rechtsextrem Eingestellter über die letzten dreizehn Jahre

ausgeschlossen werden.

Homogenität

Eingangs wurde bereits auf das Dilemma verwiesen, dass latente Einstellungen wie Ungleich-

wertigkeitsvorstellungen und deren Dimensionen sich im Denken der Befragten als ein steti-

ges Kontinuum abbilden. Gemessen werden müssen sie jedoch über diskrete Antwortkatego-

rien, die im Fall von Telefonbefragungen zudem nur über wenig Ausprägungen verfügen dür-

fen, um die Untersuchungsteilnehmer_innen nicht zu überfordern. Bei der Einordnung der

Befragten auf diesen diskreten Antwortskalen entstehen notwendig Ungenauigkeiten, die je-

doch zum Problem für die Skalenkonstruktion werden, wenn sie nicht zufällig sind. Umfrage-

forscher müssen sich darauf verlassen können, dass die gleichen Antwortkategorien über un-

terschiedliche Fragen hinweg von den Interviewten auch gleich interpretiert werden. Zudem

muss ausgeschlossen sein, dass bestimmte Befragtengruppen die Antwortmöglichkeiten nicht

auf dieselbe Weise interpretieren wie andere Gruppen. Diese Bedingungen lassen sich zusam-

menfassen in der Forderung nach Homogenität der Schwellenabstände (Rost 1996). Als

Schwellenabstand wird das Ausmaß bezeichnet, in dem das zu messende latente Konstrukt

steigen muss, damit sich ein Befragter in der jeweils nächst höheren vorgegebenen Antwort-

kategorie einordnet (Abbildung 5).

Heterogene Schwellenabstände sind genau dann problematisch, wenn aus den Indikatoren

eines latenten Merkmals eine additive Skala gebildet werden soll und anschließend die Be-

fragten anhand ihres erreichten Skalenwertes in verschiedene Gruppen eingeteilt werden –

zum Beispiel in nicht rechtsextrem, rechtsextrem Eingestellte und Befragte mit einem ge-

schlossenen rechtsextremen Weltbild. Im Fall von heterogenen Schwellenabständen kann

nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass ein gleicher Skalenwert zwischen zwei Befrag-

ten tatsächlich für das gleiche Ausmaß an latenten Ungleichwertigkeitsvorstellungen steht.

Page 21: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

21 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Umgekehrt gilt auch: Werden die gleichen Antwortvorgaben bei unterschiedlichen Fragen von

den Befragten nicht gleich verstanden, können zwischen zwei (Gruppen von) Befragten iden-

tische Skalenwerte gemessen werden, obwohl Ungleichwertigkeitsvorstellungen bei den be-

treffenden Befragten je unterschiedlich stark ausgeprägt sind.

Die Antwortvorgaben des THÜRINGEN-MONITORs für Einstellungsfragen bieten zwei zustim-

mende und zwei ablehnende Kategorien an. Es ist deshalb einerseits nicht zu erwarten, dass

Befragte die Differenz zwischen „lehne völlig ab“ und „lehne überwiegend ab“ als genauso

groß interpretieren wir zwischen „lehne überwiegend ab“ und „stimme überwiegend zu“.

Auch das Ergänzen einer Mittelkategorie („teils/teils“) schafft keine Abhilfe für dieses Prob-

lem, da für diese nicht sichergestellt werden kann, dass Befragte sich im Fall von Meinungslo-

sigkeit oder dem Unwillen, die Frage ehrlich zu beantworten nicht auf diese Mittelkategorie

zurückziehen. Auch dadurch wäre die Homogenität der Antwortkategorien verletzt. Anderer-

seits wird den Befragten das numerische Relativ der Antwortvorgaben, der Zahlencode von 1

bis 4, durchaus bewusst gemacht, weswegen sie die Abstände zwischen den Antwortkatego-

rien dennoch als gleichförmig wahrnehmen könnten.

Abbildung 5: Schematische Darstellung homogener Antwortkategorien

Homogenitätsanalysen reagieren sehr empfindlich auch auf leichte Stichprobenschwankun-

gen und benötigen hohe Fallzahlen (Bühner 2006: 347ff), initial werden die Berechnungen

deshalb mit der Gesamtzahl an Befragten zwischen 2001 und 2013 durchgeführt. Die Analysen

folgen der Logik von Modelltests, die sukzessiv aufeinander aufbauen. Beginnend wird die

strengste Annahme getestet, wonach die Schwellenabstände zwischen den vier Antwortkate-

gorien der zehn Einstellungsfragen je gleich groß sind und auch über alle Fragen als exakt

gleich angenommen werden (diese Annahme ist in Abbildung 5 dargestellt). Schon aufgrund

des Sprungs zwischen den zwei zustimmenden und zwei ablehnenden Kategorien ist es nicht

überraschend, dass diese Annahme nicht bestätigt werden kann 5 . Doch auch, wenn die

5 Getestet wurde genauer das Ratingskalenmodell der Rasch-Analyse ohne Annahme von latenten Klassen mit dem Statistikprogramm Winmira. Die Ablehnung des Modells basiert auf den nicht erfüllten Kriterien für die Cressie-Read und Pearsons Chi2 Statistiken (unter dem Bootstrap-Verfahren).

Page 22: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

22 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Schwellenabstände zwischen den einzelnen Antwortkategorien nicht gleich sind (also bei-

spielsweise am größten zwischen „stimme überwiegend zu“ und „lehne überwiegend ab“),

aber zwischen den zehn Einstellungsfragen zur Messung von rechtsextremen Einstellungen als

jeweils deckungsgleich gelten können, ist die Konstruktion einer additiven Skala unproblema-

tisch. Diese Annahme trifft für die Grundgesamtheit der Thüringer Bevölkerung mit geringst-

möglicher Irrtumswahrscheinlichkeit allerdings ebenfalls nicht zu6. Das Homogenitätskrite-

rium kann noch weiter abgeschwächt werden: die Abstände der Antwortkategorien müssen

zwischen den Fragen nicht deckungsgleich, sondern nur verhältnisgleich sein (Dispersionsmo-

dell). Da sich auch diese Annahme nicht bestätigen lässt7, muss die Analyse vertieft werden,

um die Gründe für den Modellverstoß identifizieren zu können.

Es kommen drei systematische Ursachen für die Heterogenität der Schwellenabstände in

Frage:

a) Die Interpretation der Antwortkategorien durch die Befragten verändert sich über die

Zeit.

b) Die Heterogenität ist in der dimensionalen Struktur der Fragen begründet, das heißt

die Antwortkategorien der Fragen zur Dimension NS-Ideologie werden anders inter-

pretiert als die der Ethnozentrismusindikatoren.

c) Die Schwellenabstände der zehn Fragen haben zueinander keine homogene, sondern

eine kumulative Struktur. Das bedeutet, dass sich die Indikatoren in ihrer Schwierigkeit

unterscheiden und es eine geordnete Reihenfolge der Items vom leichtesten zum

schwierigsten gibt, die für die Mehrheit der Befragten zutrifft. Umso schwieriger ein

Indikator, desto stärker müssen Ungleichwertigkeitsvorstellungen als latentes Merk-

mal steigen, damit der Frage zugestimmt wird.

Um das Problem einzukreisen und mögliche Lösungen zu finden, werden diese Annahmen an

den Daten überprüft. Müssen alle drei Möglichkeiten als Ursachen für die heterogene Inter-

pretation der Antwortkategorien ausgeschlossen werden, kann keine systematische Lösung

für die dennoch problematische Heterogenität der Einstellungsfragen entwickelt werden.

Zur Prüfung der Hypothese, dass das Verständnis der Antwortkategorien sich über die Mess-

zeitpunkte des THÜRINGEN-MONITORs verändert haben könnte, wird das Dispersionsmodell, das

die geringsten Homogenitätsanforderungen stellt, jeweils getrennt in den drei Erhebungs-

gruppen 2001 bis 2005, 2006 bis einschließlich 2008 und 2010 bis 2013 getestet. Es ist jedoch

für keine der Jahresgruppen akzeptabel, eine zeitliche Instabilität der Interpretation der Ant-

wortkategorien kann damit ausgeschlossen werden. Weiterhin ist auch die zweidimensionale

Struktur der zehn Indikatoren rechtsextremer Einstellungen nicht für die Heterogenität der

Schwellenabstände verantwortlich. Die Vermutung lag nahe, da die Indikatoren eines ethno-

zentrischen Weltbildes weit höherer Zustimmungsraten aufweisen als die Indikatoren eines

6 Hier wurde das Äquidistanzmodell überprüft, für alle weiteren Modalitäten siehe Fußnote 5. 7 Überprüft wurde das Dispersionsmodell, für alle weiteren Modalitäten siehe Fußnote 5.

Page 23: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

23 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

von der NS-Ideologie geprägten Gesellschaftsbildes (Tabelle 1). Jedoch sind auch die vier Fra-

gen der Ethnozentrismusdimension sowie die sechs Fragen zur Orientierung an der NS-Ideo-

logie jeweils zueinander nicht homogen. Dies gilt auch, wenn die Fragen getrennt nach Dimen-

sionen und zusätzlich getrennt nach den drei Erhebungsgruppen auf ihre Homogenität hin

analysiert werden.

Eine Skala ließe sich auch sinnvoll bilden, wenn die Indikatoren des latenten Merkmals zwar

zueinander nicht gleich schwierig, also nicht homogen, sind, sie sich jedoch über alle Befragten

hinweg in eine geordnete Reihe nach ihrer Schwierigkeit bringen ließen (Rost 1996: 136ff).

Demnach müsste eine der zehn Fragen am „leichtesten“ sein, also das geringste Maß an la-

tenten Ungleichwertigkeitsvorstellungen benötigen, damit man ihr zustimmt, und eine der

Fragen den härtesten Indikator bilden, dessen Zustimmung das höchste Maß an Ungleichwer-

tigkeitsvorstellungen voraussetzt. Die restlichen acht Fragen müssten sich nach ihrer Schwie-

rigkeit geordnet dazwischen einreihen lassen. Diese Bedingung geht nicht darin auf, die Ein-

stellungsfragen nach ihren tatsächlich gemessen Zustimmungswerten über alle Befragten hin-

weg der Reihe nach zuordnen. Weisen die Einstellungsfragen eine kumulative Struktur auf,

dann gilt, dass Befragte die zum Beispiel dem Indikator zugestimmt haben, der am drittschwie-

rigsten ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch den beiden leichteren Indikatoren zugestimmt

haben. Die kumulative Struktur muss sich auch auf der Individualebene realisieren (bei der

Mehrzahl der Befragten), nicht nur auf Aggregatebene.

Abbildung 6: Kumulative Skala als geordnete Folge aus schwieriger werdenden Einstellungsfragen

Eine kumulative Struktur ist jedoch ebenfalls nicht die Ursache fehlender Homogenität zwi-

schen den Indikatoren rechtsextremer Einstellungen8 (Abbildung 6). Lediglich die zwei Einstel-

lungsfragen zur Fremdenfeindlichkeit und eine Frage zu chauvinistisch-nationalistischen Ori-

entierungen lassen sich in eine geordnete Folge bringen. Dies ist ein Hinweis auf die bekannte

8 Zur Prüfung einer möglichen kumulativen Struktur in den zehn Einstellungsfragen wurde eine Mokkenanalyse mit dem Statistikprogramm STATA durchgeführt. Fälle wurden dabei paarweise ausgeschlossen, mit dem Krite-rium für Loevinger H ≥ 0,5 wurde die Strenge des Tests als mittelstark festgelegt.

Page 24: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

24 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Funktion fremdenfeindlicher Ressentiments als „Einstiegsdroge“ für weitere rechtsextreme

Ideologeme, zur Begründung einer kumulativen Skalenstruktur jedoch nicht ausreichend.

Auch getrennt nach den zwei Dimensionen von Ungleichwertigkeitsvorstellungen analysiert,

bilden insbesondere die Fragen zur NS-Ideologie keine kumulative Ordnung. Dieses Ergebnis

ist über die drei Gruppen von Erhebungszeitpunkten stabil.

Es muss davon ausgegangen werden, dass die zehn Einstellungsfragen zur Messung von

Rechtsextremismus im THÜRINGEN-MONITOR nicht homogen, nicht gleich „schwierig“ sind. Die

Zustimmung zu einer der Fragen steht nicht für das gleiche Maß latenter Ungleichwertigkeits-

vorstellungen wie die Zustimmung zu einer anderen der zehn Fragen. Auch lassen sich die

Indikatoren nicht in einer für die Mehrzahl der Befragten zutreffende geordnete Reihe nach

ihrer Schwierigkeit bringen. Eine additive Skala kann aus den Rechtsextremismusindikatoren

dennoch gebildet werde, auch die Durchführung von Korrelations-, Regressions-, Varianz- und

anderen Analysen, in denen die gesamte Skala eingeht, ist ohne Einschränkungen möglich.

Problematisch ist das, generell etwas willkürliche, Setzen eines Schnittpunktes zur Gruppie-

rung der Befragten nach ihrem Skalenwert und die Interpretation der Anteilswerte, auch als

Kreuztabellierung mit anderen Merkmalen. Aufgrund der hohen Anschaulichkeit der Berech-

nung und Interpretation des Anteilswertes von rechtsextrem Eingestellten (generell und unter

Befragten mit und ohne Abitur, unter hoch oder gering Deprivierten, etc.) kann auf einen

Schnittpunkt zur Bestimmung der Rechtsextremen schwer verzichtet werden.

Es muss allerdings empfohlen werden, erstens auf die zusätzliche Unterscheidung von rechts-

extrem Eingestellten und denen mit einem geschlossen rechtsextremen Weltbild zu verzich-

ten. Es kann nicht sichergestellt werden, das letztere tatsächlich noch einmal deutlich stärkere

latente Ungleichwertigkeitsvorstellungen aufweisen, als die im THÜRINGEN-MONITOR häufig als

nicht verfestigt rechtsextrem eingestellt bezeichneten Befragten. Dies wird durch die Unter-

scheidung der beiden Gruppen jedoch suggeriert. Zweitens sollten bedingte Anteilswerte (also

der Anteil rechtsextrem Eingestellter unter bestimmten Merkmalsausprägungen) nur dann

angegeben und interpretiert werden, wenn sich ein relevanter Zusammenhang zwischen

rechtsextremen Einstellungen mit genau diesen Merkmalsausprägungen auch mit Verfahren

nachweisen lässt, die die gesamte Rechtsextremismusskala analysieren (also vorrangig für in-

tervallskalierte Merkmale geeignet sind). Die Kreuztabellierung eines Merkmals mit dem An-

teil nicht rechtsextrem und rechtsextrem Eingestellter kann hingegen statistische Artefakte

produzieren.

Diese Empfehlung schließt drittens unbedingt auch den Vergleich zwischen den ermittelten

Anteilen rechtsextrem eingestellter Thüringer_innen zwischen den Erhebungsjahren ein.

Wenngleich deskriptiv ein Sprung zwischen 2005 und 2006 und noch einmal nach 2008 zu

verzeichnen ist, kann lediglich ein Unterschied ab 2010 im Vergleich zu den Vorjahren als tat-

sächliche Veränderung des Anteils rechtextrem Eingestellter in der Thüringer Bevölkerung be-

griffen werden. Diesen Befund offenbaren Unterschiedsprüfungen (Varianzanalysen) auf Basis

der gesamten Skala rechtsextremer Einstellungen9. Schwankungen innerhalb der Spanne von

9 Es wurde eine einfaktorielle ANOVA mit sich anschließenden Post-hoc Test (Scheffé) durchgeführt.

Page 25: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

25 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

2001 bis einschließlich 2008 sind entsprechend als lediglich stichprobenbedingt zu interpre-

tieren und unter anderem auch auf die erhöhte Heterogenität der Schwellenabstände zurück-

zuführen. Die Ausnahme von 2011 bleibt davon unberührt, dieses Erhebungsjahr fügt sich in

diesem Sinn eher in die Messreihe von vor 2010 ein.

Antwortverweigerungen

Über die Analyse der dimensionalen Struktur rechtsextremer Einstellungen wurde bereits er-

kannt, dass der Umgang mit Antwortverweigerungen bei der Skalenkonstruktion einen Ein-

fluss auf die Ergebnisse nimmt. Denn im ersten Jahrfünft des Jahrtausends findet sich eine

eindimensionale Struktur genau dann, wenn alle Befragten mit verweigerten Antworten in

einer oder mehr der Einstellungsfragen von der Faktorenanalyse ausgeschlossen werden. Dies

ist ein erster Hinweis darauf, dass Antwortverweigerungen nicht zufällig sind und die Vor- und

Nachteile des Ausschluss von Befragten mit verweigerten Antworten genau abgewogen wer-

den muss.

Abbildung 7: Anteil Befragter mit Antwortverweigerungen auf die Fragen zum Rechtsextremismus

Die größte Quelle für Antwortverweigerungen in der umfragebasierten Einstellungsforschung,

insbesondere zu sensitiven Themen, ist soziale Erwünschtheit (Schnell, Hill & Esser 2011:

345ff). Diese zeigt sich einerseits in dem durch Persönlichkeitsfaktoren moderierten Wunsch

nach sozialer Anerkennung und andererseits in der situationsspezifischen Befürchtung nega-

tiver Konsequenzen bei Abgabe einer ehrlichen Antwort. Das Resultat sozialer Erwünschtheit

sind dementsprechend nicht nur Antwortverweigerungen, sondern auch falsche, wissentlich

nicht den tatsächlichen Einstellungen der Befragten entsprechende Antworten. Während ins-

80%

12%

5% 4%

0%

20%

40%

60%

80%

100%

keine eine zwei drei und mehr

Page 26: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

26 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

besondere die glaubwürdige Zusicherung von Anonymität wie auch eine distanzierte Bezie-

hung zwischen den Interviewer_innen und Befragten sozialer Erwünschtheit entgegenwirken

kann, ist Umfrageforschung gegen die Auswirkungen dieser nicht gänzlich gefeilt. Können Täu-

schungen durch die Befragten letztlich nicht analysiert werden, ohne die Methodik der Um-

frageforschung zu verlassen, lassen sich Antwortverweigerungen einigermaßen einfach einer

Analyse unterziehen. Abbildung 7 gibt einen Überblick über die Höhe der Antwortverweige-

rungen gezählt über die zehn Rechtsextremismusindikatoren für die Gesamtheit der Befragten

von 2001 bis 2013.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Zustimmung zu den zehn Einstellungsfragen zur

Messung von Rechtsextremismus bei einem Teil der Befragten als Bruch mit etablierten ge-

sellschaftlichen Normen erkannt wird – unabhängig davon, ob sie den Aussagen der Fragen

selbst innerlich zustimmen oder nicht. Bei diesen Befragten ist die Wahrscheinlichkeit keine

validen Antworten zu geben dementsprechend umso höher, desto stärker latente Ungleich-

wertigkeitsvorstellungen bei ihnen ausgeprägt sind. Sie möchten vermeiden, in der Inter-

viewsituation durch ihre Zustimmung zu den Einstellungsfragen eine soziale Norm zu brechen.

Gleichzeitig jedoch existiert die Norm, Gesprächspartner nicht zu belügen – die Befragten be-

finden sich dann in einem Dilemma, aus denen die Antwortverweigerung ein Ausweg ist. Über-

prüft werden kann dieser vermutete Zusammenhang zwischen der Höhe der latenten Un-

gleichwertigkeitsvorstellungen und der Wahrscheinlichkeit von Antwortverweigerungen über

Korrelationsanalysen. Dafür muss davon ausgegangen werden, dass die zehn Einstellungsfra-

gen sich tatsächlich alle als Indikatoren einer Ideologie der Ungleichwertigkeit auffassen las-

sen, dieser Nachweis wurde im Abschnitt zur Dimensionalität bereits erbracht. Vor diesem

Hintergrund können Ungleichwertigkeitsvorstellungen auch mit weniger als den zehn Einstel-

lungsfragen gemessen werden. Dementsprechend ist es möglich, den Befragten einen Skalen-

wert für rechtsextreme Einstellungen auf Basis ihrer validen Antworten zuzuweisen (das arith-

metische Mittel aus allen validen Angaben) und diese Skala auf ihre Assoziation mit der Anzahl

an verweigerten Antworten über die Gesamtheit der zehn Fragen zu testen. Dabei findet sich

über alle Erhebungsjahre von 2001 bis 2013 eine schwache positive Beziehung, die nicht auf

Stichprobenschwankungen zurückzuführen ist. Es kann geschlussfolgert werden, dass der An-

teil an rechtsextrem Eingestellten bei Ausschluss aller Befragten mit Antwortverweigerungen

geringfügig unterschätzt wird.

Dieser Zusammenhang wird nochmals deutlicher, wenn man die Aggregatebene betrachtet.

In Abbildung 8 sind der Anteil rechtsextrem Eingestellter (als Anteil an den validen Antworten)

und der Anteil Befragter mit Antwortverweigerungen von 2001 bis 2013 gemeinsam abgetra-

gen. Es ist zwingend zu erwarten, dass der Anteil Rechtsextremer, ebenso wie der Anteil nicht

rechtsextrem Eingestellter, an allen Befragten steigt bzw. sinkt, wenn die Antwortverweigerer

sinken bzw. steigen. Dies jedoch ist nicht zwingend für den Anteil Rechtsextremer an den Be-

fragten ohne verweigerter Antwort in den zehn Einstellungsfragen anzunehmen. Wäre es in

Hinblick auf die latenten Ungleichwertigkeitsvorstellungen zufällig, wer die Antwort verwei-

gert, dürfte die Verteilung von rechtsextrem und nicht rechtsextrem Eingestellten von der

Page 27: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

27 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Höhe der jährlichen Antwortverweigerungen unberührt bleiben. Es gibt jedoch über die Erhe-

bungsjahre eine starke negative Korrelation zwischen dem Anteil an rechtsextrem Eingestell-

ten, gemessen an den validen Antworten, und der Höhe der Antwortverweigerungen. Das be-

legt weiterhin, dass sich Befragte mit überdurchschnittlich stark ausgeprägten Ungleichwer-

tigkeitsvorstellungen häufiger, als zufällig zu erwarten, in die Verweigerung der Antwort flüch-

ten. Auch relativiert dieser Zusammenhang geringfügig den, seit 2010 nochmals verstärkten,

Rückgang rechtsextremer Einstellungen unter der Thüringer Bevölkerung, denn seit diesem

Jahr liegen die Antwortverweigerungen konstant bei über 20 Prozent der Befragten.

Abbildung 8: Anteil Rechtsextremer und Befragter mit Antwortverweigerungen 2001 bis 2013

Dadurch wird eine weitere mögliche Verzerrung durch einen zu rigiden Umgang mit Antwort-

verweigerungen deutlich: die Repräsentativität der Stichprobe leidet. Wenn 20 Prozent der

pro Jahr etwa 1000 Befragten von der Analyse von rechtsextremen Einstellungen ausgeschlos-

sen werden, wäre dies nur dann unproblematisch, wenn wieder davon ausgegangen werden

kann, dass dieser Ausschluss zufällig ist. Neben dem Zusammenhang mit dem vor allem inte-

ressierenden latenten Merkmal der Ungleichwertigkeitsvorstellungen sind auch andere Ein-

flussfaktoren auf die Wahrscheinlichkeit zur Antwortverweigerung denkbar. Dies sind insbe-

sondere Eigenschaften von Befragten, die auf Ferne zu Politik und politischen Diskussionen

schließen lassen. Diese Befragten mögen in einer Interviewsituation generell zögerlicher Ant-

worten, auch wenn sie eine innere Position zu der Aussage haben, die ihnen zur Bewertung

vorgelesen wird. Diese Befragte könnten jedoch auch überdurchschnittlich tatsächlich keine

Meinung zu der ein oder anderen spezifischen Frage haben. Den Einfluss verschiedener Fak-

toren auf die Anzahl von Antwortverweigerungen, gezählt über die zehn Rechtsextremis-

0%

10%

20%

30%

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

rechtsextrem Eingestellte (Anteil an validen Antworten) Antwortverweigerungen

Page 28: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

28 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

musindikatoren, stellt Tabelle 3 vergleichend dar. Ein unterdurchschnittliches Interesse an Po-

litik ist tatsächlich der stärkste Antwortverweigerungen begünstigende Faktor. Übertroffen

lediglich vom Einfluss des Lebensalters, ältere Menschen mögen sich in einer Interviewsitua-

tion unsicherer fühlen, da sie im Vergleich zu jüngeren nicht im gleichen Maß mit der Allge-

genwärtigkeit von (Marktforschungs-)Umfragen aufgewachsen sind. Weiterhin erhöhen man-

gelndes Vertrauen in politische Institutionen die Überzeugung, selbst keinen Einfluss auf das

Handeln der Regierung nehmen zu können und eine geringe Bereitschaft zur politischen Par-

tizipation, die Wahrscheinlichkeit nicht valider Antworten auf die Rechtsextremismusfragen.

Sie alle deuten Distanz zur Politik und deren Institutionen an.

Tabelle 3: Faktoren, die Antwortverweigerungen auf die Rechtsextremismusfragen begünstigen

Einflussfaktor auf Anzahl Antwortverweigerungen Einflussstärke (Beta-Koeffizient)

Geschlecht (weiblich) ,072

Lebensalter (älter) ,177

Bildungsstand (geringer) ,068

Politisches Interesse (geringer) ,103

Partizipationsbereitschaft (geringer) ,032

Institutionenvertrauen (geringer) ,042

Politische Eigenwirksamkeitsüberzeugung (geringer) ,044

Rechtsextreme Einstellungen (höher) (auf Basis valider Antworten)

,029

Finanzielle Situation Kein Einfluss

Erklärte Varianz der Anzahl an Antwortverweigerungen

8 Prozent

Die Wahrscheinlichkeit stichprobenbedingter Fehlschlüsse liegt für alle Effekte unter einem Prozent.

Insgesamt ist der Einfluss dieser Faktoren nicht übermäßig stark. Dennoch ist damit nachge-

wiesen, dass Antwortverweigerungen nicht zufällig sind und die der Analyse von Rechtsextre-

mismus zugrunde liegende Stichprobe, zu Ungunsten von Frauen, geringer Gebildeten, Älte-

ren, Personen mit überdurchschnittlicher Distanz zur Politik und höher als normal ausgepräg-

ten Ungleichwertigkeitsvorstellungen, verzerrt wird. Um dem entgegenzuwirken, sollte die

Rechtsextremismusskala nicht mehr nur für Befragten konstruiert werden, die zehn von zehn

Indikatoren beantwortet haben. Da im Abschnitt zur Dimensionalität nachgewiesen werden

konnte, dass sich diese Indikatoren in zwei Dimensionen gliedern, wird empfohlen, dass eine

fehlende Antwort für je eine der Dimensionen nicht zum Ausschluss aus der Analyse führen

sollte. Die vier Fragen zur Dimension Ethnozentrismus bzw. die sechs Fragen zur neo-national-

sozialistischen Ideologie können untereinander als jeweils im Wesentlichen austauschbar gel-

ten, somit kann eine valide Schätzung auch dann erfolgen, wenn nur Antworten für drei bzw.

fünf der Fragen vorliegen.

Page 29: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

29 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Inhaltsvalidität10

Quantitative Skalenprüfungen können keinen Aufschluss darüber geben, was die Thürin-

ger_innen unter den verschiedenen Einstellungsfragen des Rechtsextremismus verstehen.

Dieser Aspekt einer gelungenen Messung – die Validität der Einstellungsfragen – lässt sich

nicht über statistische Modelle testen. Decker et al. haben in der Vergangenheit (2008) für die

Konsensusdefinition des Rechtsextremismus über Fokusgruppeninterviews zeigen können,

dass die Dimensionen rechtsextremer Einstellungen im Denken, Wahrnehmen und Bewerten

von als rechtsextrem klassifizierten Befragungsteilnehmern tatsächlich salient sind. Die Be-

funde des THÜRINGEN-MONITORs 2012 und 2013 lassen jedoch grundlegender Probleme als die

der Alltagsvalidität der Einstellungsdimensionen erkennen. Wie können fremdenfeindliche

und „fremdenfreundliche“ nicht nur auf Ebene der Bevölkerung, sondern im Einstellungsmus-

ter einzelner Befragter Hand in Hand gehen? So begrüßen beispielsweise 87 Prozent der Thü-

ringer_innen 2012 die kulturelle Bereicherung durch Zuwanderer; im Kontrast dazu sieht etwa

die Hälfte der Thüringer Bürger_innen das Ausmaß der Zuwanderung als ‚gefährliche Über-

fremdung‘ an, konstant über alle Messzeitpunkte. Wenngleich der THÜRINGEN-MONITOR Angst-

szenarien einerseits und Nutzenkalküle andererseits als Ursachen dieses Phänomens vorge-

schlagen hat und in Teilen belegen konnte (Best 2012: 55ff, 89ff, 99ff), bleibt die Frage offen,

ob die bisherige Messung der Dimension Fremdenfeindlichkeit im Angesicht dieser Befunde

noch gültig ist. In Hinblick darauf, dass Thüringen einen geringen Migrantenanteil hat, mögen

nicht eigene Erfahrungen den Hintergrund der Antwort auf die Frage nach einer ‚gefährlichen

Überfremdung der Bundesrepublik‘ bilden. Somit ist zu klären, in welchen Bezugsrahmen die

Befragten das Schlagwort der „Überfremdung“ stellen: Ergeben sich Assoziationen zu alltägli-

chen Situationen, oder werden mit dem Begriff vor allem Bilder verbunden, die nicht durch

das Leben in Thüringen gewonnen werden können, sondern im Wesentlichen über die medi-

ale Berichterstattung und Aufarbeitung der Zuwanderung in Westdeutschland induziert sind?

Für die weiteren Indikatoren des Rechtsextremismus stellt sich ebenfalls die Frage nach dem

Denk- und Bezugsrahmen der Befragten: Wird eine ‚Diktatur im nationalen Interesse‘ als nati-

onalsozialistische oder zumindest politisch rechtsgerichtete Diktatur begriffen, wie von der

der einschlägigen Rechtsextremismusforschung in Deutschland angenommen oder erstrecken

sich die Assoziationen auch auf sozialistische, kommunistische Diktaturen? Ein Teil des inkon-

sistenten Zusammenhangs rechtsextremer Einstellungen, gemessen über die Einstellungsfra-

gen, und der Selbstverortung im politischen Links-Rechts-Spektrum könnte sich dadurch er-

klären lassen. Sind weiterhin ‚deutsche Interesse gegenüber dem Ausland‘ im Verständnis der

Befragten europapolitische Kalküle, die zwar ‚hart und energisch‘ aber innerhalb des demo-

kratischen Aushandlungsprozess durchgesetzt werden müssen (hierzu das Stichwort der „ei-

sernen Kanzlerin“)? Außerdem ist zu klären, was die Thüringer_innen mit ‚unwertem Leben‘

verbinden: Weckt dieser Begriff Assoziationen zum Verbrechen der Euthanasie, oder geben

10 Ausführungen in diesem Abschnitt sind zum Teil und ohne weitere Kennzeichnung entnommen aus: Best, Hein-rich; Schmidtke, Franziska (2013): Validitätsprüfung ausgewählter Indikatoren rechtsextremer Einstellungen. Gutachten im Rahmen des THÜRINGEN-MONITORs 2013. Unter Mitarbeit von Katja Salomo. Friedrich-Schiller-Uni-versität Jena, Institut für Soziologie. Jena.

Page 30: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

30 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

die Befragten mit der Bestätigung der Existenz ‚unwerten Lebens‘ eine Grenzziehung zwischen

menschlichen Leben und Bakterien oder Ähnliches zu verstehen.

Validitätsprüfungen einzelner Fragen lassen sich im Rahmen einer standardisierten Umfrage

über sogenannte Random-Probe-Techniken realisieren (entwickelt von Schumann 1966). Da-

bei wird den Befragten in zufälliger Auswahl nach der Beantwortung des näher zu prüfenden

Items eine offene Nachfrage gestellt, die dem Schema „Was verbinden Sie mit [Schlagwort

bzw. kleinste Reizeinheit der Einstellungsfrage]?“ folgt. Anschließend können die zu erwarten-

den Assoziationen für den Fall, dass die Items valide sind mit den tatsächlichen Assoziationen

der Befragten über Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse abgetragen werden. Im THÜRIN-

GEN-MONITOR 2013 wurde je circa 250 Befragten nach einem der folgenden vier Items der

Rechtsextremismusskala eine solche Nachfrage gestellt:

„Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß über-

fremdet.“ Nachfrage: „Was verbinden Sie mit ‚Überfremdung‘?“

„Was unser Land heute braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher

Interessen gegenüber dem Ausland.” Nachfrage: „Was verbinden Sie mit ‘deutschen In-

teressen gegenüber dem Ausland’?”

„Es gibt wertvolles und unwertes Leben.“ Nachfrage: „Was verbinden Sie mit ‚unwertem

Leben‘?“

„Im nationalen Interesse ist unter bestimmten Umständen eine Diktatur die bessere

Staatsform.“ Nachfrage: „Was verbinden Sie mit einer ‚Diktatur im nationalen Inte-

resse‘?

In der Erhebung von 2014 wurde weiterhin je circa 250 Befragten nach einem der folgenden

vier Items die offene Nachfrage gestellt:

„Andere Völker mögen Wichtiges vollbracht haben, an deutsche Leistungen reicht das

aber nicht heran.“ Nachfrage: „Was verbinden Sie mit ‚deutschen Leistungen‘?“

„Der Nationalsozialismus hatte auch seine guten Seiten.“ Nachfrage: „Was verbinden

Sie mit ‚Nationalsozialismus‘?“

„Juden haben etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so recht

zu uns.“ Nachfrage: „Was verbinden Sie mit ‚Besonderheiten und Eigentümlichkeiten

der Juden ‘?“

„Wie in der Natur sollte sich auch in der Gesellschaft immer der Stärkere durchsetzen.“

Nachfrage: „Was verbinden Sie mit ‚Durchsetzen des Stärkeren‘?“

Mit den acht erhobenen offenen Fragen wurde eine zusammenfassenden Inhaltsanalyse nach

Mayring durchgeführt: „Ziel der Analyse ist es, das Material so zu reduzieren, dass die wesent-

lichen Inhalte erhalten bleiben, durch Abstraktion einen überschaubaren Corpus zu schaffen,

der immer noch Abbild des Grundmaterials ist.“ (Mayring 2003: 58). Zudem wurden die Nen-

nungen der Befragten im Sinne einer Ex-Post-Kategorisierung strukturiert (Mayring 2002:

115), um die Assoziationen Befragten in inhaltlichen Kategorien zusammenzufassen. Der erste

Page 31: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

31 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Arbeitsschritt besteht dabei aus einer Paraphrasierung, das heißt, die von den Interviewern

mitgeschriebenen Antworten auf die offenen Fragen werden in eine grammatikalische Kurz-

form umgewandelt, wiederholende Textbestandteile und Ausschmückungen gestrichen und

inhaltstragenden Textbestandteile auf eine einheitliche Sprachebene überführt. Die Generali-

sierung ist eine erste Abstraktion von den konkreten Antworten der Befragten, eine Verallge-

meinerung der Paraphrasen. Liegen die Paraphrasen bereits in einem entsprechenden Abs-

traktionsniveau vor, bleiben diese erhalten und werden erst im dritten Schritt weiter bearbei-

tet. Diese Reduktion beschreibt die letzte Stufe der zusammenfassenden Inhaltsanalyse: Pa-

raphrasen bzw. Generalisierungen werden hier zu zentral wichtig erscheinenden Inhalten ver-

dichtet. Die entstandenen komprimierten Aussagen dienen als Kategoriensystem. Bedeu-

tungsgleiche Paraphrasen werden zudem ausgezählt, sodass trotz der qualitativen Auswer-

tungsstrategie auch quantifizierende Aussagen über die Verbreitung des in Reduktion vorlie-

genden Inhaltes getroffen werden können. Die Validität der Verdichtung wird überprüft, in-

dem das gebildete Kategoriensystem nochmals mit allen Paraphrasen abgeglichen wird. Las-

sen sich so alle Aussagen in den konstituierten Kategorien wiederfinden, ist die Auswertung

abgeschlossen. Bei der Bewertung der Ergebnisse sollte bedacht werden, dass die Fälle der

Analyse nicht mehr Befragte sind, sondern deren Nennungen. Wenn ein Befragter dem Inter-

viewer mehrere Assoziationen auf die offene Frage mitgeteilt hat, wird jede dieser Assoziation

einzeln als eine Nennung gezählt.

Fremdenfeindlichkeit: Gefährliche Überfremdung

Die Einstellungsfrage zur vermeintlich gefährlichen Überfremdung: „Die Bundesrepublik ist

durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet.“ findet als Indikator für

Fremdenfeindlichkeit die stärkste Zustimmung unter den Fragen des Rechtsextremismus. Zu

fast allen Messzeitpunkten des THÜRINGEN-MONITORs erreicht sie Zustimmungswerte von über

50 Prozent, wenngleich in den letzten Jahren ein Rückgang zu beobachten ist. Die Herkunft

des Begriffs „Überfremdung“ führt zurück in die Volkstumsideologie und der Völkischen Be-

wegung in den deutschen Ländern des 19. Jahrhunderts (Schmitz-Berning 2007: 616) und fand

dadurch Eingang in den Sprachgebrauch des Nationalsozialismus. Auch nach Gründung der

Bundesrepublik blieb die Vokabel aktiv im Sprachgebrauch und wandelte sich zunehmend zu

einem Begriff, der auch von der politischen Mitte benutzt wurde (Wengeler und Stötzel 1995:

371) und wird (Schmitz-Berning 2007: 617)11. Ergebnisse des THÜRINGEN-MONITOR und anderer

Studien legen nahe, dass die Zuwanderung nach Deutschland vor dem Hintergrund persönli-

cher Nutzenkalküle bewertet wird und fremdenfeindliche Ressentiments sich in der bedroht

empfundenen ökonomischen Situation des Einzelnen begründen (Best 2012: 102; Rippl &

Baier 2005; Best et al. 2013: 105). Es ist deshalb zu erwarten, dass ein Teil der Assoziationen

11 Es finden sich seit den 1980er Jahren zahlreiche Belege für die sowohl explizit rassistische Verwendung, als auch für einen unreflektierten, aber rassismusfördernden Gebrauch der Vokabel (Wengeler und Stötzel: 1995: 371). Die Gesellschaft für deutsche Sprache wählte den Begriff schließlich 1993 zum Unwort des Jahres (Schmitz-Berning 2007: 617), in der Begründung hieß es: Überfremdung wird „nach wie vor im Sinne einer rassistischen Uminterpretation verwendet […] Überfremdung wurde zur Stammtischparole, die auch die undifferenzierteste Fremdenfeindlichkeit ‚argumentativ‘ absichern sollte.“

Page 32: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

32 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

der Befragten zur dem Schlagwort Überfremdung Befürchtungen über Konkurrenz von Zuwan-

derern ausmachen. Wenn dieserart Assoziationen jedoch überwiegen, gleichermaßen bei Be-

fragten die der zugehörigen Einstellungsfrage zustimmen oder sie ablehnen, dann ist der Indi-

kator nicht in der Lage, zwischen Explanans – den Ursachen – und Explanandum – der Wirkung

– zu differenzieren, er wäre somit zu unspezifisch. Weitere zu erwartende Assoziationen sind

bestimmte Migrantengruppen wie türkische und/oder muslimische Mitbürger_innen. Auch

hier gilt, wenn die Mehrzahl der Nennungen sich auf eine bestimmte Gruppe von Zuwande-

rern beschränkt, spricht dies gegen die Validität des Indikators, er muss dann als überspezi-

fisch begriffen werden und misst nicht mehr generelle Fremdenfeindlichkeit.

Abbildung 9: Ex-Post-Kategorisierung der Nennungen zu „Was verbinden Sie mit ‚Überfremdung‘?“

Legende: Fett gedruckt sind Hauptkategorien und ggf. einzelne Unterkategorien, die überdurch-schnittlich häufig von den Befragten genannt wurden, die der zugehörigen standardisierten Einstel-lungsfrage „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße überfrem-det.“ zugestimmt haben. (Nennungen = 349)

Die Haupt- und Unterkategorien zur offenen Frage nach den Assoziationen der Befragten mit

‚Überfremdung‘ sind in Abbildung 9 abgebildet. Kategorien, die überdurchschnittlich häufig

von Befragten genannt wurden, die der zugehörigen standardisierten Frage zugestimmt ha-

ben, sind hervorgehoben. Eine der wichtigsten Fragen an das induktiv gebildete Kategorien-

system (deren Antwort der in Abbildung 9 gewählte Darstellungsform nicht entnommen wer-

den kann) ist, ob es Kategorien gibt, die exklusiv von Befragten besetzt werden, die dem stan-

dardisierten Indikator zur Fremdenfeindlichkeit zugestimmt haben. Dies ist nicht der Fall.

Wenngleich es (lediglich) drei Kategorien gibt, die nur von Befragten genannt wurden, die die

standardisierte Frage abgelehnt haben – ‚Multikulit‘, ‚Verlust des Sicherheitsgefühls‘, ‚ge-

nauso viele Ausländer wie Deutsche‘ – gibt es keine Kategorie, für die Umgekehrtes zutrifft.

Dies belegt, dass Personen, die der Einstellungsfrage zustimmen sich damit in der Gesamtheit

Page 33: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

33 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

der Befragten zu denselben kognitiven Inhalten positionieren, wie die Personen, die auf die

Frage mit Ablehnung reagieren. Das für letztere einige zusätzliche Kategorien genannt wer-

den, kann unproblematisch auf deren größere Fallzahl zurückgeführt werden.

Wie Abbildung 9 entnommen werden kann, ist die Wahrnehmung von Ausländern als Konkur-

renz im Arbeitsmarkt und anderen gesellschaftlichen Bereichen bei fremdenfeindlichen Per-

sonen, wie erwartet, überdurchschnittlich häufig zu finden. Werden die Befragten, nach ihrer

Antwort auf die geschlossene Frage, durch die offene Nachfrage zur Reflektion ihrer kundge-

gebenen Meinung angeregt, mögen sie sich von dieser distanzieren, da sie ihre Meinung even-

tuell als sozial unerwünscht erkennen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn auch bei Zu-

stimmung zur standardisierten Frage der Begriff ‚Überfremdung‘ nachträglich abgelehnt wird.

Fremdenfeindliche Befragte flüchten sich dann jedoch überdurchschnittlich häufig in das funk-

tionalistische Argument der Notwendigkeit von Zuwanderung aufgrund Fachkräftemangel, ge-

ringer Geburtenrate etc. Ebenfalls den Erwartungen entsprechend, sind ‚Türken‘, ‚Moslems‘

und ‚Islam‘ Assoziationen mit dem Begriff Überfremdung, die häufiger von Personen genannt

werden, die eine Überfremdung der Bundesrepublik erkennen können. Auch Schuldzuweisun-

gen gegenüber dem Staat – ‚ungenügende Einwanderungsbegrenzungen‘ – und den Migran-

ten selbst, die sich vermeintlich ungenügend assimilieren, werden häufiger von diesen Befrag-

ten formuliert. Zudem verbinden sich die ‚Dominanz fremder Werter‘ sowie ‚Kriminalität, Ge-

walt und Terror‘ mit der Vorstellung einer überfremdeten Bundesrepublik.

Am häufigsten jedoch, unabhängig von der Zustimmung oder Ablehnungen der vorausgehen-

den Frage, regt der Begriff ‚Überfremdung‘ die Vorstellung von quantitativen Verhältnissen

zwischen Deutschen und Zuwanderern in der Bundesrepublik an. Dies steigert sich über die

Gesamtheit der Befragen von ‚viele Ausländer (Nationalitäten/Kulturen/Sprachen)‘ über ‚im-

mer mehr‘, ‚zu viele‘, ‚genauso viele Ausländer wie Deutsche‘, ‚mehr Ausländer als Deutsche’

bis zu ‚in Großstädten fast nur noch Ausländer‘. Dass diese Verhältnisse nicht auf Thüringen

bzw. das Lebensumfeld der Befragten zutrifft, sehen Befragte teilweise selbst ein und stellen

fest, dass es Überfremdung hier nicht gibt. Die Vorstellung von ‚mehr Ausländer als Deutsche’

und ‚in Großstädten fast nur noch Ausländer‘ werden häufiger von Befragten geäußert, die

die Bundesrepublik tatsächlich für gefährlich überfremdet halten. Darin lässt sich ein völlig

verzerrtes Bild von (West-)Deutschland und (westdeutschen) Großstädten erkennen. Es kann

zumindest spekuliert werden, dass die vor allem problematisierende mediale Berichterstat-

tung über Zuwanderer daran einen Anteil hat (Schellenberg 2005: 44f). Das Phänomen lässt

sich nicht auf fehlende interkulturelle Kontakte der ostdeutschen Bevölkerung verkürzen,

wenngleich auch dies eine Ursache für höhere fremdenfeindliche Einstellungen in den neuen

Bundesländern ist (Asbrock et al. 2011). Es fehlt eine Relativierung der Probleme, die sich in

einigen Gebieten Deutschland aufgrund versagender Integrationspolitik tatsächlich bilden

mögen. Die Erfahrung oder zumindest glaubwürdige Information, dass man „ganz normal“ in

einer Stadt mit für Deutschland überdurchschnittlichem Migrantenanteil leben kann, selbst

wenn man selbst keine Kontakte zu zugewanderten Mitbürger_innen pflegt.

Page 34: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

34 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Für die Messung von Fremdenfeindlichkeit kann festgehalten werden, dass die Befunde nicht

im Widerspruch zur Definition rechtsextremer Einstellungen stehen. Der Begriff der Über-

fremdung ist realitätsfern und viele Thüringer_innen, die der Frage nach einer möglichen ge-

fährlichen Überfremdung Deutschlands zustimmen, haben wirklichkeitsferne Meinungen

über den Anteil der Migrant_innen an der restlichen deutschen Bevölkerung. Gerade deshalb

lassen sich diese Vorstellungen leicht politisch instrumentalisieren und missbrauchen.

Chauvinismus: Deutsche Interessen gegenüber dem Ausland

Die Analyse der dimensionalen Struktur rechtsextremer Einstellungen hat bereits gezeigt, dass

beide Fragen, die nach der Konsensusdefinition die Dimension Chauvinismus abbilden, seit

2006 nicht mehr das gleiche messen. Es können demnach nicht beide Fragen chauvinistische

Einstellungen erfassen. Ein Grund hierfür könnte darin liegen, dass die europäische Einigung

seit dem zweiten Jahrfünft des Jahrtausends zu einem deutlich virulenteren Thema der natio-

nalen politischen Debatten geworden ist (Hooghe & Marks 2009). Befragte mögen deshalb die

Einstellungsfrage „Was unser Land heute braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen

deutscher Interessen gegenüber dem Ausland.“ nicht mehr als Forderung nach einer aggressi-

ven (imperialistischen) Außenpolitik begreifen, sondern nach einer starken Verhandlungspo-

sition Deutschlands im Rahmen der demokratisch organisierten Europäischen Union. In den

letzten fünf Jahren könnte die Bedeutung des Indikators zusätzlich durch die (europäische)

Finanzkrise verschoben worden sein. EU- und Globalisierungskritische Tendenzen, wenn sie

sich aus einem übersteigerten Nationalismus speisen, sind jedoch zweifelsohne ein Bestand-

teil von Ideologien der extremen Rechten (Langenbacher und Schellenberg 2011; Stöss 2010:

39ff) und konstituieren (theoretisch wie auch nach den oben angeführten empirischen Befun-

den für Thüringen) ein ethnozentristisches Weltbild.

Wie sich anhand von Abbildung 10 nachvollziehen lässt, sind die Rolle in der Europäischen

Union (bzw. Europa) sowie die Finanz- und Eurokrise zwei von insgesamt acht Hauptkatego-

rien, in die sich gemeinsam 78 der 352 Nennungen, also über ein Fünftel, einordnen lassen.

Die Finanzkrise hat dabei mit 53 Nennungen einen doppelten so hohen Anteil an Nennungen

als solche Assoziationen, die sich auf die Deutschlands in Europa beziehen, ohne explizit die

Finanzkrise zu thematisieren. Generell lassen sich diese zwei am stärksten besetzten Katego-

rien nicht gänzlich trennscharf voneinander unterscheiden. Insbesondere die Finanz- und Eu-

rokrise wird von Befragten mit „deutschen Interessen gegenüber dem Ausland“ verbunden,

die ein härteres Durchsetzen eben dieser einfordern. Die Rolle der Bundesrepublik in der Eu-

ropäischen Union wird hingegen von Befragten auch kritisch thematisiert, als illegitimes Vor-

machtstreben oder über die Forderung der Gleichberechtigung aller EU-Länder. Die einzige

aus diesen Unterkategorien, die überdurchschnittlich von Befragten besetzt wird, die der vo-

rausgehenden geschlossenen Frage zugestimmt haben, ist die Forderung nach der Gleichbe-

rechtigung Deutschlands in der Europäischen Union.

Auch in der Kategorie, in der Nennungen gefasst sind, die sich auf den Wunsch oder die For-

derung eines ‚friedlichen Miteinanders‘ beziehen, finden sich Befragte überrepräsentiert, die

Page 35: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

35 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

ein „hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen“ fordern. Dies ist kein Wider-

spruch: Einerseits mögen Befragte versuchen mit der Forderung nach (kulturellem) Austausch

und Kooperation zwischen Ländern ihre vormals gegebene Antwort zu entschärfen. Anderer-

seits gibt sich in diesen Assoziationen eine funktionalistische Sichtweise auf das Miteinander

verschiedener Nationen und Kulturen zu erkennen, die auch bei den Assoziationen zur „Über-

fremdung“ Deutschlands eine Rolle spielte. Diese Befragten scheinen die Duldung von Zuwan-

derern und das friedliche Miteinander Deutschlands mit dem Ausland nur über den Nutzen

rechtfertigen zu können, der sich daraus für Deutschland und „die“ Deutschen ergibt.

Abbildung 10: Ex-Post-Kategorisierung der Nennungen zu „Was verbinden Sie mit ‚deutschen Interes-sen gegenüber dem Ausland‘?“

Legende: Fett gedruckt sind Hauptkategorien und ggf. einzelne Unterkategorien, die überdurch-schnittlich häufig von den Befragten genannt wurden, die der zugehörigen standardisierten Einstel-lungsfrage „Was unser Land heute braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher Inte-ressen gegenüber dem Ausland.“ zugestimmt haben. (Nennungen = 352)

Die zwei weiteren Kategorien, in denen Befragte mit Befürwortung einer aggressiveren Au-

ßenpolitik überrepräsentiert sind, entsprechen einem traditionellen Chauvinismus. Zum einen

ist dies Vorstellung, dass die Bundesrepublik Anerkennung gegenüber dem Ausland einfor-

dern sollte, insbesondere die Forderungen, dass Deutschland selbstbewusst auftreten sollte

und sich nicht auf die (NS-)Vergangenheit reduzieren lassen darf. Die weiteren Nennungen,

an denen sich eine starke chauvinistische Haltung gegenüber anderen Nationen erkennen

lässt, geben die Ansicht wieder, die Bundesrepublik sollte deutsche Werte – hart und ener-

gisch – gegenüber dem Ausland vertreten: Disziplin, Ordnung, Genauigkeit, Sauberkeit, Pünkt-

lichkeit, Fleiß, Pflichtbewusstsein und Ehrlichkeit. Dass diese Werte als (exklusiv) deutsch be-

griffen werden, die anderen Kulturen erst noch durch die deutsche Nation beigebracht wer-

den müssten, ist hoch anschlussfähig zur neo-nationalsozialistische Ideologie und Verbin-

dungspunkt zwischen dieser und einem ethnozentristischen Weltbild.

Page 36: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

36 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Wie für die offene Nachfrage zur Fremdenfeindlichkeit gibt es auch bei dieser offenen Frage

keine Kategorie, die exklusiv von den Befragten besetzt ist, die sich zustimmend zur dazuge-

hörigen offenen Frage geäußert haben. Dies spricht für die Validität der Frage. Die dominan-

ten Assoziationen zur Europäischen Union und zur Finanzkrise hingegen weisen auf das Vor-

liegen einer unbeabsichtigten Mehrdeutigkeit des Items. Es kann vermutet werden, dass des-

halb die beiden Fragen, die nach der Konsensusdefinition des Rechtsextremismus chauvinisti-

sche Einstellungen messen sollten, empirisch nicht dasselbe latente Konstrukt erfassen. Die

EU-kritischen Tendenzen, die sich über Zustimmung zur Fragen nach einem harten und ener-

gischen Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland zu erkennen geben, sind

nicht Teil des erwarteten Assoziationsraums dieser Frage. Sie sollten über einen speziell auf

die Einstellung zur EU abzielenden Indikator gemessen werden. Jedoch lassen sie sich unprob-

lematisch als Teil eines ethnozentrischen Weltbildes begreifen – insofern verstößt die Einstel-

lungsfrage nur dann gegen die Anforderungen inhaltlicher Validität, wenn sie exklusiv als In-

dikator für Chauvinismus interpretiert wird.

Chauvinismus: Deutsche Leistungen

In der Erhebung des THÜRINGEN-MONITORs von 2014 wurde auch die zweite Einstellungsfrage,

die ein chauvinistisches Weltbild identifizieren soll, einer Validitätsprüfung unterzogen. Nach-

dem die Befragten ihre Zustimmung oder Ablehnung gegenüber der Aussage „Andere Völker

mögen Wichtiges vollbracht haben, an deutsche Leistungen reicht das aber nicht heran.“ be-

kundet haben, wurden 250 von ihnen von den Interviewer_innen gefragt, was sie eigentlich

mit ‚deutschen Leistungen‘ verbinden. 2014 haben dieser Frage 17 Prozent der Bevölkerung

zugestimmt. Die Antworten der Thüringer_innen auf die Nachfrage entsprechen sehr weit

dem Bild von Deutschland als Land der ‚Dichter und Denker‘, wobei ‚Denker‘ heute vor allem

für technisch-wirtschaftliche Leistungen und Erfindungsreichtum zu stehen scheint (Abbildung

11). Zählt man Nennungen hinzu, welche die wissenschaftliche Leistungen Deutschlands be-

tonen, bezieht sich etwa die Hälfte aller Nennungen auf wirtschaftliche, technische und wis-

senschaftliche Leistungen.

Über zwei Fünftel der Befragten begreifen diese Bereiche zwar als hoch entwickelt in Deutsch-

land, aber nicht zwangsläufig als besser als in anderen Ländern12. In diesen Bereichen sind

Befragte, die meinen, deutsche Leistungen überböten die von anderen Ländern jedenfalls

nicht überrepräsentiert. Dies gilt auch für die Nennungen, die vor allem kulturelle Errungen-

schaften, Kunst, Musik, Literatur oder auch die Reformation, sowie gesellschaftliche Entwick-

lungen – vor allem das Sozialversicherungs-, Gesundheits- und Bildungssystem sowie die De-

mokratie – mit ‚deutschen Leistungen‘ verbinden. Das demokratische System wird von den

Thüringer_innen auch in anderer Rahmung als ‚deutsche Leistung‘ begriffen, zumindest 21 der

12 Es ist dennoch bemerkenswert, dass lediglich 11 der 358 Nennungen eine explizite Ablehnung der Idee erken-nen lassen, dass ‚deutsche Leistungen‘ über denen anderer Länder stehen bzw. es ‚deutsche‘ Leistungen als sol-che nicht gibt, sondern immer Einzelne hinter diesen stehen.

Page 37: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

37 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

358 Nennungen verstehen darunter auch die Wiedervereinigung und die wirtschaftliche sowie

demokratische Entwicklungen der Nachkriegszeit.

Abbildung 11: Ex-Post-Kategorisierung der Nennungen zu „Was verbinden Sie mit ‚deutschen Leistun-gen‘?“

Legende: Fett gedruckt sind Hauptkategorien und ggf. einzelne Unterkategorien, die überdurch-schnittlich häufig von den Befragten genannt wurden, die der zugehörigen standardisierten Einstel-lungsfrage „Andere Völker mögen Wichtiges vollbracht haben, an deutsche Leistungen reicht das aber nicht heran.“ zugestimmt haben. (Nennungen = 358)

Die Kategorie, die nicht exklusiv aber überdurchschnittlich den Nennungen von Personen zu-

geordnet werden kann, die Deutschlands Leistungen über die anderer Länder stellen, ist der

der ‚Werte‘ (Abbildung 11): ‚Fleiß‘, ‚Sauberkeit‘, ‚Ordnung‘, ‚Disziplin‘, ‚Pünktlichkeit‘, ‚Genau-

igkeit‘, ‚Zielstrebigkeit‘, ‚Ehrlichkeit‘. Von den 358 unterschiedlichen Nennungen (der 250 Be-

fragten) fallen 64 unter diese Kategorie, das sind knapp ein Fünftel aller Nennungen. Es ist

unproblematisch, diese Werte für das eigene Leben und Handeln zu betonen, es ist ebenfalls

nicht problematisch, die deutsche Wirtschaft, Wissenschaft oder den Erfindungsreichtums

Deutschlands zu loben. Problematisch ist es, wenn der Grund für die positiven Entwicklungen

der deutschen Gesellschaft in vermeintlich typisch deutschen Werten gesehen wird. Diese

(stereotypen) Werte selbst als ‚deutsche Leistung‘ begriffen werden, die allen Deutschen ge-

meinsam sind – der Schritt zum ‚deutschen Wesen‘, an dem ‚die Welt genesen‘ solle, ist dann

nicht weit. Die hier geprüfte Einstellungsfrage kann diese beiden Tendenzen, den Lob be-

stimmter Entwicklungen Deutschlands einerseits und das Hochhalten vermeintlich deutscher

Werte, auf die diese Errungenschaften notwendig beruhen würden andererseits, gut vonei-

nander zu trennen. Das spricht für die Validität der Einstellungsfrage.

Page 38: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

38 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Weitere Assoziationen, die überdurchschnittlich häufig diejenigen Personen haben, welche

deutsche Leistungen über denen von anderen Ländern sehen, beziehen sich auf die Rolle

Deutschlands in der Europäischen Union und der Welt allgemein. Hier bestätigt sich, was be-

reits durch die Prüfung der anderen Frage zum Chauvinismus erkannt werden konnte: Chau-

vinistische Einstellungen äußern sich heute auch über den Anspruch, aufgrund der wirtschaft-

lichen Stärke in der EU bzw. der Finanzhilfe für andere EU-Länder eine Vormachtstellung in

der EU einnehmen zu dürfen. Bei der Nachfrage nach den ‚deutschen Leistungen‘ ist dies je-

doch eine Assoziation von nur einer Minderheit der Befragten (10 Nennungen fallen unter

diese Kategorie). Ähnlich wie auf die Frage nach den ‚deutschen Interessen‘ nur eine Minder-

heit Assoziationen zu den ‚deutschen Werten‘ aufwiesen. Über diese beiden Schnittpunkte

erklärt sich auch der (statistische) Zusammenhang, den die beiden geschlossenen Einstel-

lungsfragen aufweisen. Dass sie jedoch, wie weiter oben festgestellt, nicht als zusammenhän-

gende Dimension begriffen werden können, liegt daran, dass die Zustimmung für die Aussage

„Was unser Land heute braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interes-

sen gegenüber dem Ausland“ vor allem die Forderung nach vermeintlicher Vormachtstellung

in Europa misst, während die Zustimmung zu „Andere Völker mögen Wichtiges vollbracht ha-

ben, an deutsche Leistungen reicht das aber nicht heran.“ vor allem die Vorstellung eines

‚deutschen Wesens‘ und speziell ‚deutscher Werte‘ erfasst, die andere Nationen natürlich per

definitionem nicht besitzen können. Beides jedoch kann mit dem oben bereits vorgestellten

Begriff des Ethnozentrismus erfasst werden. Als Schätzung für „traditionellen“ Chauvinismus

ist die Überbewertung der deutschen Leistungen der geeignetere Indikator.

Diktaturaffinität: Diktatur im nationalen Interesse

Der Bericht zum THÜRINGEN-MONITOR 2012 stellt fest, dass Befragte mit einem rechtsextremen

Weltbild sich mehrheitlich nicht dem rechten, eine relative Mehrheit vielmehr dem linken Feld

des politischen Spektrums zuordnet (Best 2012: 87ff). Dieser Befund weckte Zweifel an der

der Validität der gesamten Messung rechtsextremer Einstellungen. Wie im Bericht des THÜRIN-

GEN-MONITORs von 2013 ausgeführt wird (Best et al. 2013: 76ff), trennt insbesondere der Indi-

kator für die Affinität einer rechten Diktatur „Im nationalen Interesse ist unter bestimmten

Umständen eine Diktatur die bessere Staatsform.“ nicht oder nur unscharf zwischen vermeint-

liche rechts- oder linksextremen Positionen. Obwohl in der Rechtsextremismusforschung die

Auffassung verbreitet ist, dass der Begriff ‚Diktatur‘ fest mit dem Dritten Reich und der Person

Adolf Hitlers verbunden wird (vgl. zum Beispiel Heyder & Decker: 235) und die Frage zusätzlich

mit den „nationalen Interessen“ in eine bestimmte politische Position weist, scheinen Thürin-

ger_innen unter dem Begriff Diktatur mehr als rechtsgerichtete autoritäre Regierungsformen

zu subsummieren.

Diese Vermutung lässt sich über die Kategorisierung des Assoziationsraumes der Thüringer

Bevölkerung zu „einer Diktatur im nationalen Interesse“ bestätigen (Abbildung 12): Die Nen-

nungen Hitler, Putin, Mao, Castro, Pinochet, China, Russland, Südamerika, Arabische Länder,

Nationalsozialismus sowie DDR lassen deutlich erkennen, dass die Befragten nicht zwischen

links- und rechtsautoritären Diktaturen unterscheiden. Weder in geschichtlicher und auf

Page 39: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

39 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Deutschland bezogener Perspektive, noch im internationalen Vergleich. Die einzige Einschrän-

kung hierfür liegt in dem, was nicht von den Befragten genannte wurde: Staatsführer der DDR

werden nicht mit Diktaturen verbunden, die Person Adolf Hitler jedoch schon. Die Assoziation

‚Hitler‘ macht zusammen mit der Assoziation ‚Nationalsozialismus‘ etwa 18 Prozent der Nen-

nungen aus, während ‚DDR‘ nur einen Anteil an circa 4 Prozent des gesamten Assoziationsrau-

mes einnimmt. Zu diesen dürften jedoch auch einige Nennungen zählen, die mit ‚hatten wir

schon mal‘ eine historisch unbestimmte Einordnung vornehmen.

Abbildung 12: Ex-Post-Kategorisierung der Nennungen zu „Was verbinden Sie mit einer ‚Diktatur im nationalen Interesse‘?“

Legende: Fett gedruckt sind Hauptkategorien und ggf. einzelne Unterkategorien, die überdurch-schnittlich häufig von den Befragten genannt wurden, die der zugehörigen standardisierten Einstel-lungsfrage „Im nationalen Interesse ist unter bestimmten Umständen eine Diktatur die bessere Staats-form.“ zugestimmt haben. (Nennungen = 367)

Thüringer Bürger_innen, die eine Diktatur für die bessere Staatsform halten, also der zugehö-

rigen Einstellungsfrage zugestimmt haben, verbinden mit dieser vor allem ‚Recht und Ord-

nung‘ und ‚Gerechtigkeit bzw. Gleichheit‘. Geprägt ist eine Diktatur für diese Befragten wei-

terhin von der Herrschaft einer einzelnen Person und fehlender Mitbestimmung – andere

Nennungen zur spezifischen Herrschaftsform und sonstigen Definitionsmerkmalen werden

von diktaturaffinen Personen nicht geäußert. Dass ‚keine Mitbestimmung‘ entsprechend po-

sitiv beurteilt wird, ist irritierend – diese Wertung nehmen allerdings auch nur zwei Befragte

vor. Auffallend ist, dass zu diktatorischen Regierungsformen neigende Personen durchaus ne-

gative Auswirkungen diese Staatsform erkennen können, nämlich ‚Machtmissbrauch und Kor-

ruption‘. Von all den negativen Assoziationen mit einer Diktatur im nationalen Interesse – Ge-

walt und Krieg, Leid der Bevölkerung, Unterdrückung, Ungleichheit/Ungerechtigkeit, Unfrei-

heit, keine Meinungsfreiheit, keine Selbstverwirklichung – ist diese die einzige Assoziation, die

Page 40: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

40 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

sich auf das Verhalten der Herrschenden, die durch zu viel Macht korrumpiert werden, be-

zieht. Dass Diktaturaffine eine ‚Diktatur im nationalen Interesse‘ überdurchschnittlich häufig

generell positiv bewerten, ist unbedingt zu erwarten. Dass sie hingegen auf die offene Frage

auch vermehrt mit ‚ich bin dagegen‘ reagieren, kann auf das Wirken sozialer Normen zurück-

geführt werden, derer sie sich durch das Nachfragen des Interviewers vermutlich erst bewusst

werden.

Vor dem Hintergrund, dass bei der Debatte zur einer möglichen Konsensusdefinition seiner-

zeit darüber diskutiert wurde, ob die Affinität zu einer rechtsgerichteten und/oder einer

„neutralen“ Diktatur in die Definition einfließen soll (Kreis 2007: 12ff), sind diese Befunde auf-

schlussreich: die Befragte haben, aller Wahrscheinlichkeit nach seit Beginn der Messung, den

Forschern diese Entscheidung abgenommen. Durch den Zusatz „im nationalen Interessen“

werden sicherlich einige Befragte in die vorgesehene Richtung gelenkt, jedoch verstehen die

Befragten auch sozialistische und kommunistische Diktaturen als Diktaturen im nationalen In-

teresse. Damit bestätigt sich ein bereits zu Beginn der Etablierung der Konsensusdefinition

angebrachter Kritikpunkt (durch Schroeder 2007; Replik von Kreis 2007: 87ff) – zumindest für

Ostdeutschland. Noch weitreichender ist allerdings der Befund, dass Befragte am häufigsten

politisch ungerichtete Assoziationen mit einer „Diktatur im nationalen Interessen“ haben.

Demnach misst der Indikator nicht die Affinität zu einer rechtsautoritären Diktatur, wovon die

Konsensusdefinition jedoch explizit ausgeht (Kreis 2007: 12ff), sondern die Neigung zur auto-

ritären Regierungsformen im Allgemeinen. Der im THÜRINGEN-MONITOR 2013 berichtete und

oben bereits angesprochene Zusammenhang zwischen dem Wunsch nach einer Rückkehr zur

sozialistischen Ordnung und der Affinität zu einer nationalen Diktatur ist vor diesem Hinter-

grund zu relativeren. Dass ungerichtete Diktaturneigungen mit der Sehnsucht nach einer links-

autoritären Staatsform einhergehen, ist erwartungsgemäß und muss nicht unter Bemühen

von Theorien politischer Sozialisation erklärt werden.

Verharmlosung des Nationalsozialismus

Die Aussage „Der Nationalsozialismus hatte auch seine guten Seiten.“ wird 2014 wie auch in

den anderen Jahren mehrheitlich abgelehnt, aber immerhin noch zwölf Prozent der Befragten

können positive Seiten des Nationalsozialismus erkennen. Es fragt sich nicht nur, ob die Be-

völkerung den Begriff‚ Nationalsozialismus‘ generell richtig einordnen kann, sondern auch,

was Personen Gutes an dieser Zeit bzw. an diesem Gesellschaftsmodell erkennen können. Ins-

besondere ist zu fragen, ob diese vermeintlich guten Seiten exklusive Eigenschaften des NS-

Gesellschaftssystems begriffen werden können, oder ob dabei eine generelle Sympathie der

Befragten für beispielsweise diktatorische Regierungssysteme durchscheint. Letzteres könnte

die Assoziationen zwischen der Verharmlosung des Nationalsozialismus und der Affinität zum

Sozialismus bzw. der Verklärung der DDR erklären (Best et al. 2013: 76ff; Best et al. 2014: 61ff),

die mit ausschlaggebend für die hier vorgenommenen Skalenprüfungen waren. Die Assoziati-

onen der Thüringer_innen sind mit 413 identifizierten Nennungen auf die Frage, „Was verbin-

den Sie mit ‚Nationalsozialismus‘?“ reichhaltiger als bei jedem anderen der abgefragten

Schlagworte. Die Nennungen bewegen sich jedoch in einem recht engen Vorstellungsraum

Page 41: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

41 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

(Abbildung 13): ‚Menschenfeindlichkeit‘, ‚Diktatur‘, ‚Krieg‘, ‚Gewalt‘, ‚Tod‘, ‚Verfolgung‘, ‚Ver-

nichtung‘, ‚Holocaust‘, ‚Not‘, ‚Leid‘, ‚Zerstörung‘ – ‚nicht vergessen dürfen‘. Fast 90 Prozent

der Nennungen (365) lassen sich mit diesen Begriffen zusammenfassen. Der größte Teil der

Thüringer Bevölkerung verortet den Begriff ‚Nationalsozialismus‘ richtig und hat starke, nega-

tive, nichts verharmlosende Assoziationen damit. Weitere 24 Nennungen ordnen den Begriff

ideologisch und geschichtlich (richtig) ein: ‚Hitler‘, ‚Rechts‘, ‚Extremismus‘, oder (stärker) wer-

tend: ‚das Schlimmste in der deutschen/Menschheitsgeschichte‘.

Abbildung 13: Ex-Post-Kategorisierung der Nennungen zu „Was verbinden Sie mit ‚Nationalsozialis-mus‘?“

Legende: Fett gedruckt sind Hauptkategorien und ggf. einzelne Unterkategorien, die überdurch-schnittlich häufig von den Befragten genannt wurden, die der zugehörigen standardisierten Einstel-lungsfrage „Der Nationalsozialismus hatte auch seine guten Seiten.“ zugestimmt haben. (Nennungen = 413)

Wichtig jedoch sind die Antworten von den zwölf Prozent der Befragten, die in der geschlossen

Frage die Neigung zur Verharmlosung der NS-Zeit erkennen ließen. Diese neigen, wenig über-

raschend, überdurchschnittlich häufig dazu, die offene Nachfrage nicht zu beantworten. Sie

sich sind also durchaus der Schwierigkeit bewusst, eine Begründung für die gerade gegebene

Zustimmung zu den ‚guten Seiten des Nationalsozialismus‘ geben zu können. Befragte, die

dennoch antworten, geben vor allem den Mythos der Senkung der Arbeitslosigkeit (durch Hit-

ler) wieder, verweisen auf allgemeine vermeintliche wirtschaftliche Verbesserung, mehr ‚Ab-

sicherung‘ oder die Autobahnen. Auch im sozialen Bereich werden Vorteile am NS-Regime

erkannt, ‚es wurde etwas fürs Volk getan‘, der ‚Zusammenhalt‘, die ‚Familie‘ und ‚Rolle der

Page 42: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

42 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Frau‘ werden positiv erwähnt. Auch ‚Schulsystem‘, Kinderbetreuung‘, ‚BDM‘ und die Vorstel-

lung, dass es den Kindern besser ging, sind positive Assoziationen mit ‚Nationalsozialismus‘.

Letztlich werden auch auf die größere ‚Einheitlichkeit‘ und, im Gegensatz zu heute (!), feh-

lende ‚Überfremdung‘.

Insgesamt gibt es lediglich 24 der Nennungen (sechs Prozent), die sich positiv auf den Natio-

nalsozialismus beziehen. Mögliche Querverbindungen zum Sozialismus oder der DDR sind vor

allem die Vorstellung von einer homogeneren Gesellschaft, die außerdem kaum Arbeitslosig-

keit kennt. Das Schlagwort ‚Kinderbetreuung‘ ist zudem vermutlich stärker mit sozialistischen

als nationalsozialistischen Gesellschaftssystemen verbunden. Die statistische starke Assoziati-

onen zwischen den geschlossenen Einstellungsfragen zur Verharmlosung des Nationalsozialis-

mus, der Sozialismusaffinität und der DDR-Nostalgie lässt sich jedoch mit den wenigen Perso-

nen, die solche positiven Assoziationen zu ‚Nationalsozialismus‘ äußern, nur ansatzweise er-

klären.

Antisemitismus: Besonderheiten und Eigentümlichkeiten von Juden

Die leitenden Fragen für die Validitätsprüfung des Antisemitismusindikators „Juden haben et-

was Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns.“ sind (1) ob die

Frage primären Antisemitismus zu messen vermag und (2) muss geprüft werden, ob die Frage

das Niveau antisemitischer Einstellungen unter der Thüringer Bevölkerung womöglich unter-

schätzt. Dieser Verdacht wird durch die Frage zum sekundären Antisemitismus („Juden versu-

chen heute Vorteile daraus zu ziehen, dass sie während der Nazi-Zeit die Opfer gewesen sind.“)

nahegelegt: Im Erhebungsjahr 2014 weisen 17 Prozent der Thüringer Bürger_innen sekundäre

antisemitische Einstellungen auf, der Frage nach vermeintlichen Besonderheiten und Eigen-

tümlichkeiten der jüdischen Bevölkerung stimmen hingegen „lediglich“ sieben Prozent zu.

Um das Ergebnis der Validitätsprüfung vorweg zu nehmen: Der Antisemitismusindikator misst

zwar primären Antisemitismus, unterschätzt diesen jedoch. Abbildung 14 illustriert diesen Be-

fund. Die 336 einzelnen Nennungen, die in den Äußerungen der 250 Personen identifiziert

werden konnten, bilden einen sehr breiten Assoziationsraum ab. Ein relativ großer Teil der

Nennungen (23 Prozent) verweist explizit auf die deutsche Geschichte und den Holocaust als

‚Besonderheit und Eigentümlichkeit‘ von Jüd_innen. Weitere 55 Nennungen (16 Prozent) se-

hen im Glauben oder in der Kultur der jüdischen Bevölkerung ihre ‚Besonderheit/Eigentüm-

lichkeit‘ begründet. Etwa ein Viertel der 336 Nennungen betonen, das Jüd_innen ‚ganz nor-

male Menschen‘ sind bzw. das Judentum eine ‚Religion wie andere‘ ist und betonen auch die

jüdischen Wurzeln des Christentums. 26 der Nennungen drehen sich um Israel aber auch um

den Nahostkonflikt, weitere 27 um die Leidensgeschichte des jüdischen Volks. Fast ein Fünftel

der Nennungen verweist auf ‚positive‘ und negative Stereotypen und vereinzelt auf die soge-

nannte Schlussstrichmentalität. Positive Stereotype – ‚Intelligent‘, ‚talentierte Geschäfts-

leute‘, ‚fleißig‘ – sind nicht unbedingt problematisch, können jedoch auch gegen die be-

Page 43: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

43 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

troffene Personengruppe verwendet werden (insbesondere, wenn sie im Einzelfall nicht zu-

treffen sollten). Der Abstand von ‚Intelligenz‘ zur negativ besetzten ‚Judenschläue‘ (genannt

wurde von dem Befragten ‚hinterlistig‘) ist zudem gering.

Abbildung 14: Ex-Post-Kategorisierung der Nennungen zu „Was verbinden Sie mit ‚Besonderheiten und Eigentümlichkeiten der Juden‘?“

Legende: Fett gedruckt sind Hauptkategorien und ggf. einzelne Unterkategorien, die überdurch-schnittlich häufig von den Befragten genannt wurden, die der zugehörigen standardisierten Einstel-lungsfrage „Juden haben etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns.“ zugestimmt haben. (Nennungen = 336)

Die negativen Stereotype (17 Nennungen) – ‚Geld‘, ‚Reichtum‘, ‚Geldgier‘, ‚Hinterhältig‘,

‚selbst schuld an Leidensgeschichte‘ – sind unmittelbarer Ausdruck der rassistischen Vorbe-

halte, die als primärer Antisemitismus zusammengefasst werden (Bergmann 2002). Auf Asso-

ziationen, die als Ausdruck sekundär antisemitischer Ressentiments gelten können (Ebd.) (Ka-

tegorie ‚Genug‘), beziehen sich sechs der Nennungen. Thüringer_innen, die mit Zustimmung

auf die Frage „Juden haben etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so

recht zu uns.“ reagierten, haben keine Assoziationen, die sekundären Antisemitismus andeu-

ten, auch der Nahostkonflikt bzw. der Staat Israel wird von ihnen nicht genannt. Es ist dem-

nach plausibel anzunehmen, dass die Einstellungsfrage wie vorgesehen primären statt sekun-

dären Antisemitismus misst. Wenngleich dies für die generelle Validität des Indikators spricht,

wird das gesamte Niveau antisemitischer Einstellungen dementsprechend im Rahmen der

Rechtsextremismusmessung unterschätzt, da diese keinen weiteren Indikator für sekundären

Antisemitismus umfasst (siehe auch Best et al. 2013: 106ff).

Page 44: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

44 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Als ein Indiz gegen die Validität der Einstellungsfrage ist zu werten, dass Befragte, die der ge-

schlossenen Einstellungsfrage zustimmen, nicht überdurchschnittlich häufig negative Stereo-

type äußern. Diese werden vor allem von Thüringer_innen genannt, die nach der regulären

Messung von Antisemitismus nicht als antisemitisch eingestellt erkannt werden. Dies kann

zumindest teilweise auch darauf beruhen, dass sich die Umfrageteilnehmer_innen verpflich-

tet fühlen, etwas auf die explizite offene Frage nach den ‚Besonderheiten und Eigentümlich-

keiten der Juden‘ zu antworten. Sie berichten dann auch von ihnen bekannten, aber selbst

nicht vertretenen Stereotypen. Personen, die auf Basis der geschlossenen Einstellungsfrage

als antisemitisch eingestuft werden können, benennen überdurchschnittlich die jüdische Kul-

tur als das angeblich ‚Besondere oder Eigentümliche‘ von Jüd_innen, während ‚Glaube‘ von

diesen Personen überhaupt nicht genannt wurde. In der Thüringer Bevölkerung ist eine an-

dere Glaubensrichtung also kein Vorwand für die Ablehnung der jüdischen Bevölkerung, je-

doch angenommene kulturelle Unterschiede. Dass es sich tatsächlich auch um angenommene

Unterschiede handelt, bestätigen die Befragten selbst: immerhin zwölf Nennungen beziehen

sich explizit auf den fehlenden Kontakt bzw. die fehlenden Beziehungen zu Jüd_innen und die

jüdische Kultur. Die noch bestehenden Ressentiments könnten über eine stärkere Sichtbarkeit

der jüdischen Kultur in Thüringen und Deutschland abgebaut werden. Zusammenfassend kann

für den geprüften Antisemitismusindikator festgehalten werden, dass er primär antisemiti-

sche Einstellungen in der Bevölkerung etwas unterschätzt und, wenngleich so gewollt, keinen

sekundären Antisemitismus misst.

Sozialdarwinismus: Unwertes Leben

Das Reizwort des ‚unwerten Lebens‘ der Einstellungsfrage „Es gibt wertvolles und unwertes

Leben.“ greift bewusst die Semantik der nationalsozialistischen Rassenideologie auf und misst

im Sinn der Konsensusdefinition verklausuliert die Akzeptanz von Euthanasie. Aus theoreti-

scher Perspektive sind daher Assoziationen vonseiten der Befragten zu erwarten, die Bezug

nehmen auf die nationalsozialistische Ideologie und die durch sie abgewerteten Bevölkerungs-

gruppen wie Juden, andere religiöse und ethnische Minderheiten, Kriminelle, körperlich oder

psychisch Beeinträchtigte und Arbeitslose bzw. Menschen, die vermeintlich keine „Leistun-

gen“ für die Gesellschaft erbringen. Innerhalb der Indikatoren des Rechtsextremismus des

THÜRINGEN-MONITORs ist die Frage einer der härtesten, das heißt die Zustimmung zu dieser Aus-

sage wird besonders stark durch soziale Normierung und Sanktionierung unterdrückt (Edinger

et al. 2007: 75). Deshalb ist ebenfalls eine an hohe Anzahl an Nennungen zu erwarten, die den

Begriff zurückweisen.

Den tatsächlichen Assoziationsraum der Thüringer_innen zu ‚unwertem Leben‘ stellt Abbil-

dung 15 dar. Fast die Hälfte aller Nennungen (47 Prozent) bezieht sich auf Personengruppen:

Ausländer, Homosexuelle, sozial Benachteiligte wie Geringgebildete, Mittellose, Arbeitslose,

Menschen ohne Rechte, Desintegrierte, Obdachlose, weiterhin Leistungsverweigerer (‚Sozial-

schmarotzer‘), Drogensüchtige, Kriminelle und über physische Kriterien definierte Personen-

gruppen wie kranke, behinderte und ältere Menschen. Die zweite Hälfte der Assoziationen

ordnet den Begriff politisch-historisch ein, als nationalsozialistisch oder ein Konzept aus der

Page 45: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

45 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Vergangenheit, verbunden mit den Begriffen ‚Judenvernichtung‘ und ‚Euthanasie‘ oder posi-

tioniert sich grundsätzlich zu dem Konzept des ‚unwerten Lebens‘ (‚gibt es nicht‘ ‚niemand hat

das Recht, darüber zu entscheiden‘). Auch gibt ein kleiner Anteil der Befragten eine bedingte

Ablehnung zu erkennen: es werden mögliche Personengruppen genannt, die unter ‚unwertem

Leben‘ verstanden werden könnten, diese Antwort dann allerdings mit ‚eigentlich gibt es das

nicht‘ relativiert. Lediglich drei Befragte assoziieren Tiere oder Pflanzen mit dem Begriff.

Abbildung 15: Ex-Post-Kategorisierung der Nennungen zu „Was verbinden Sie mit ‚Unwertem Leben‘?“

Legende: Fett markiert sind Hauptkategorien und ggf. einzelne Unterkategorien, die überdurchschnitt-lich häufig von den Befragten genannt wurden, die der zugehörigen standardisierten Einstellungsfrage „Es gibt wertvolles und unwertes Leben.“ zugestimmt haben. (Nennungen = 336)

Haben Befragte die Existenz von unwertem Leben bejaht, assoziieren sie damit überdurch-

schnittlich häufig sozial benachteiligte Personengruppen, Menschen, die sich deviant verhal-

ten sowie Zuwanderer und ältere Personen. Dies folgt den theoretischen Vornahmen. Auch

gilt für diese offene Frage, wie für die anderen drei, dass es keine Kategorien gibt, die exklusiv

von Befragten besetzt werden, die der vorherigen Einstellungsfrage zugestimmt haben. Dar-

aus lässt sich schließen, dass Menschen mit und ohne sozialdarwinistischen Einstellungen die

Frage gleich verstehen und ihre verschiedenen Positionierungen zu der Aussage nicht auf eine

unterschiedliche Einordnung des Reizwortes ‚unwertes Leben‘ zurückzuführen ist. Es ist jedoch

auffällig, dass sozialdarwinistische Einstellungen nicht von den Befragten vertreten werden,

die den Begriff historisch verorten. Auch werden neben der Assoziation mit dem Holocaust

keine weiteren spezifischen ethnischen oder religiösen Minderheiten genannt. Stattdessen ist

die Bezugnahme auf soziale Kategorien prädominant. Dies kann Zweifel an der Validität des

Indikators erregen – geben Menschen Mitleid oder Kritik an gesellschaftlichen Zuständen zu

erkennen, wenn sie das Leben von beispielsweise Obdachlosen als ‚unwert‘ bezeichnen? Deut-

lich gegen dieses Argument spricht, dass alle Befragten, die soziale Personengruppen, ältere

Page 46: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

46 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

oder beeinträchtigte Menschen mit dem Begriff ‚unwertes Leben‘ assoziieren, überdurch-

schnittlich hohe Werte auf der Gesamtskala zu rechtsextremen Einstellungen aufweisen. Wird

die Lebenssituation und -führung von Arbeitslosen, Drogensüchtigen usw. als ‚unwert‘ begrif-

fen, lässt sich darüber leicht rechtfertigen, diese Personengruppen „hart“ anzufassen und da-

bei nicht weniger als ihre Persönlichkeitsrechte zu beschneiden.

Insgesamt kann der Indikator für sozialdarwinistische Einstellungen als valide gelten. Aller-

dings bleibt damit das Ergebnis der dimensionalen Analyse, wonach die beiden vermeintlichen

Indikatoren eines sozialdarwinistischen Gesellschaftsbildes nicht dasselbe latente Konstrukt

messen, ungeklärt. Warum beide Indikatoren auseinanderfallen, kann nur über eine Validi-

tätsprüfung der zweiten Einstellungsfrage zum Sozialdarwinismus geklärt werden.

Sozialdarwinismus: Durchsetzen des Stärkeren

Betrachtet man den Assoziationsraum des zweiten (vermeintlichen) Indikators für Sozialdar-

winismus (Abbildung 16), zeigen sich wesentliche Unterschiede zum ersten Indikator. Hierzu

wurden die Befragten nach der Einstellungsfrage „Wie in der Natur sollte sich auch in der Ge-

sellschaft immer der Stärkere durchsetzen.“ gefragt, was sie mit dem ‚Durchsetzen des Stärke-

ren‘ verbinden. Von den insgesamt 271 Nennungen beziehen sich etwa 30 Prozent auf den

Missbrauch von Macht und körperliche wie auch strukturelle Gewalt. Diese Nennungen sind

nicht außerhalb des theoretisch zu erwartenden Einstellungsraumes, aber überschneiden sich

nicht mit den Assoziationen zu ‚unwertem Leben‘. Gleiches gilt für das Zehntel der Nennun-

gen, die vor allem auf die Rücksichtlosigkeit und Gewissenlosigkeit (des vermeintlich ‚Stärke-

ren‘) abheben. Überschneidungen gibt es in Hinblick auf das Motiv der Ungerechtigkeit. Über

ein Viertel der Thüringer_innen verbinden mit dem ‚Durchsetzen des Stärkeren‘ die Abwer-

tung, Unterdrückung und Ausgrenzung von Schwächeren, Ungerechtigkeit und (Chancen-)Un-

gleichheit sowie die Vorstellung von ‚Geld regiert die Welt‘. Die 87 Prozent der Thüringer Bür-

ger_innen, die auch 2014 das Durchsetzen des Stärkeren in der Gesellschaft in der geschlos-

senen Einstellungsfrage ablehnen, beziehen Stellung gegen eine ungerechte Gesellschaftsord-

nung, Machtmissbrauch und die Anwendung von (struktureller) Gewalt.

In weiteren 18 der insgesamt 271 Nennungen wird die vormals eingenommene ablehnende

Haltung nochmals durch den Hinweis verstärkt, dass sich der Darwinismus nicht auf gesell-

schaftlich-soziale Zusammenhänge übertragen lasse. Die restlichen Nennungen sind Assozia-

tionen, die jeweils überdurchschnittlich von Personen geäußert werden, die ein ‚Durchsetzen

des Stärkeren‘ in der Gesellschaft bejahen. Teils (in 24 Nennungen) wird die gegebene Zustim-

mung noch einmal gerechtfertigt bzw. erklärt: Das Recht des Stärkeren sei naturgegeben, man

müsse seine Rechte wahrnehmen oder gar für diese kämpfen, zumindest in Krisenzeiten ist

das Durchsetzen des Stärkeren ein Fakt, es komme darauf an, wie sich der Stärkere durchsetzt

und ob er ‚Recht‘ hat, die Schwächeren würden Führung benötigen und wer Leistung bringt,

hat auch das Recht darauf, sich durchzusetzen. Neben diesen einigermaßen deutlich zustim-

menden Statements versuchen zwölf Prozent der Nennungen, einen (vermeintlichen) Gegen-

entwurf zum sogenannten ‚Recht des Stärkeren‘ bzw. dem ‚Durchsetzen des Stärkeren‘ zu

Page 47: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

47 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

zeichnen: ‚Kooperation‘, ‚Teamwork‘, ‚ Achtung‘, ‚gegenseitig Hilfe‘ und ‚Verteilungsgerech-

tigkeit‘ mögen dabei in der Tat eine Alternative zu einem sozialdarwinistischen Gesellschafts-

bild zeichnen. Jedoch verschleiern Schlagworte wie ‚Leistungsgerechtigkeit‘, ‚Chancengleich-

heit‘, die Betonung der ‚Verantwortung‘ des vermeintlichen Stärkeren, das Durchsetzen mit

den besseren Argumenten und der besseren Eignung zum Teil die Akzeptanz eines ‚Recht des

Stärkeren‘. Auch hinter diesen Ideen kann sich die Vorstellung verbergen, dass der Einzelne

für seine gesellschaftliche Position gänzlich selbstverantwortlich ist, zum Beispiel, weil er die

gleichen Chancen wie alle hatte, und deshalb keine Unterstützung vom Rest der Gesellschaft

zu erwarten hat.

Abbildung 16: Ex-Post-Kategorisierung der Nennungen zu „Was verbinden Sie mit ‚Durchsetzen des Stärkeren ‘?“

Legende: Fett markiert sind Hauptkategorien und ggf. einzelne Unterkategorien, die überdurchschnitt-lich häufig von den Befragten genannt wurden, die der zugehörigen standardisierten Einstellungsfrage „Wie in der Natur sollte sich auch in der Gesellschaft immer der Stärkere durchsetzen.“ zugestimmt haben. (Nennungen = 271)

Bei keiner anderen der offenen Nachfragen haben Personen, die der dazugehörigen Einstel-

lungsfrage zugestimmt haben, so häufig keine Antwort gegeben. Zudem gibt es weitere elf

Nennungen, in denen die gestellte Frage danach, was man mit dem ‚Durchsetzen des Stärke-

ren‘ verbindet nur umschrieben wird13. Auch diese Umschreibungen sind typisch für Personen,

denen ein sozialdarwinistisches Weltbild auf Basis der geschlossenen Frage attestiert werden

muss. Insgesamt misst die Einstellungsfrage nach der Existenz von ‚Unwertem Leben‘ stärker

13 Es ist auch die einzige Frage zu der ein Befragter frei heraus feststellt und notiert haben möchte, sie sei ‚doof‘ – sie ist sicherlich einigermaßen abstrakt.

Page 48: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

48 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

die Abwertung sowie Feindlichkeit gegenüber sozial stark benachteiligten und ausgegrenzten

Personengruppen, während die Frage nach dem ‚Durchsetzen des Stärkeren‘ in der Gesell-

schaft die Akzeptanz einer ungerechten, nicht auf dem Grundsatz der Gleichheit basierenden

Gesellschaft misst. Dies sind die sprichwörtlichen zwei Seiten einer Medaille. Wie weiter oben

ausgeführt wurde, messen die zwei Fragen dennoch etwas so weit unterschiedliches, dass sie

nicht beide als Messung des gleichen, wie auch immer zu bezeichneten Konstrukts gelten kön-

nen. Insbesondere die Assoziationen der Gewissenlosigkeit, des Missbrauchs von Macht und

(struktureller) Gewalt rücken die Einstellungsfrage „Wie in der Natur sollte sich auch in der

Gesellschaft immer der Stärkere durchsetzen.“ deutlich in die Nähe der Akzeptanz von dikta-

torischen Regierungsformen und entfernen sie damit von der Frage nach der Existenz ‚unwer-

ten Lebens‘. Für beide Fragen kann die Validitätsprüfung jedoch bestätigen, dass sie sich je-

weils als Komponente der neo-nationalsozialistischen Ideologie begreifen lassen.

Links-Rechts-Selbstpositionierung und Assoziation von Bedeutungsin-

halten der eigenen Position durch die Befragten

BEITRAG VON AXEL SAL HEISER

Das Links-Rechts-Schema und die Selbsteinstufung

Die Disparität zwischen Fremd- und Selbstpositionierung in Bezug auf Rechtsextremismus

steht seit langem im Fokus der Forschungen im Rahmen des THÜRINGEN-MONITORs (vgl. insbe-

sondere Best et al. 2013: 75ff). Es ist ein grundsätzliches Problem, inwieweit Fragen, die von

Seiten der soziologischen und politikwissenschaftlichen Forschung als „rechtsextrem“ postu-

liert werden, von den Befragten auch als solche verstanden und erkannt werden. Ebenso wich-

tig ist es jedoch zu untersuchen, was Befragte überhaupt meinen, wenn sie sich – pauschal –

im Links-Rechts-Spektrum verorten.

Stark vereinfacht, ist das „Links-Rechts-Spektrum“ (Bobbio 2006) in der politischen Ideenge-

schichte und politischen Semantik Deutschlands bzw. der Bundesrepublik (Mayer 2002) durch

die Polarität u.a. zwischen gesellschaftlichem Reformgedanken und Konservatismus bzw. di-

vergierenden Egalitätsnormen, Gerechtigkeitsvorstellungen sowie Ideen von Eigentumsord-

nung und (National-)Staatlichkeit bestimmt. An seinen Extremen ist dieses Kontinuum insbe-

sondere durch historische Assoziationen mit den deutschen Diktaturen und anderen autoritä-

ren bzw. totalitären Regimen des 20. Jahrhunderts semantisch markiert. Sowohl bestimmte

Politics- als auch Policy-Orientierungen wurden und werden typischerweise der einen oder

anderen Seite zugeschrieben und anerkannt, wobei graduelle ideologische und realpolitische

Differentiale durch die Einordnung in heterogene Großgruppen (politische Lager oder ‚Flügel‘)

verwischt werden. Oftmals auch werden radikale Positionen semantisch in die Nähe zur poli-

tisch motivierten Gewalt(-bereitschaft) und des Terrorismus bzw. der „Staatsfeindlichkeit“ ge-

rückt; sowohl links- als rechtsextreme Positionen gelten als „antipluralistisch“ (Lipset & Raab

1978; Backes 1989). Folglich werden Begriffe wie „linksextrem“ und „rechtsextrem“ auch im

Sinne normativer Wertungen verwendet. Der Konsens oder Dissens über die eindimensionale

Page 49: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

49 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Positionierungs- und Zuweisungspraxis ist selbst Gegenstand politischer und wissenschaftli-

cher Kontroversen und ein Barometer der (parlamentarischen und medialen) Debattenkultur

(vgl. alternative, mehrdimensionale „Hufeisen“-, „Dreieck“- oder „Kompass“-Modelle der po-

litischen Verortung; Akzeptanz der Totalitarismustheorie etc.).

Abbildung 17: Selbstpositionierung im politischen Links-Rechts-Spektrum 2000–2014 (in Prozent)

Die Mitte, die zunächst in Abgrenzung von den Flügelpositionen und damit inhaltlich besten-

falls diffus bestimmt war, wurde – insbesondere von Politiker_innen der großen Volksparteien

– immer wieder mit „genuinen“ Bedeutungsinhalten (z. B. dem Interessensausgleich, dem Be-

kenntnis zum demokratischen Rechtsstaat, der parlamentarischen Republik und freiheitlichen

Werte usw.) besetzt. Zwar werden die prinzipielle Tragfähigkeit und die nachhaltige Gültigkeit

des Links-(Mitte-)Rechts-Schemas immer wieder kritisiert. Doch auf der konzeptionellen Land-

karte der politischen Kultur in Deutschland dient das Links-Rechts-Spektrum nach wie vor als

grundsätzlicher, wenngleich diffuser und ambivalenter Orientierungsmaßstab. Der reduktive

Begriffsdualismus spiegelt sich jedoch nicht nur in emotional aufgeladenen Kampfbegriffen

oder klischeehaften Etikettierungen des eigenen oder gegnerischen Lagers, sondern selbst-

verständlich auch in der Vorstellungswelt individueller (politischer) Akteure als Teil ihrer

Selbstbeschreibung. Wer sich indessen als „neutral“ erklärt und der „Mitte“ angehörig fühlt,

mag dies nicht nur deswegen tun, weil sie Lagerkämpfe ablehnt oder er den Interessenskom-

promiss präferiert, sondern vielleicht auch als Ausdruck politischen Desinteresses und der Ka-

pitulation vor einer Inflation der Bedeutungsinhalte. Auch deshalb ist es wichtig, die Kenntnis

bzw. Akzeptanz der schematischen Verortung von politischen Einstellungen und Programmen

unter den Bürger_innen sowie ihr diesbezügliches Selbstverständnis zu untersuchen.

0

20

40

60

80

100

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2010 2012 2013 2014

etwas links

etwas rechts

weit rechts

weit links

mittig

Page 50: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

50 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Wie in jedem Jahr wurde auch im Rahmen des THÜRINGEN-MONITORs 2014 die Frage zur Selbst-

verortung im politischen Links-Rechts-Spektrum gestellt. Als Antwortmöglichkeiten stehen zur

Auswahl: „sehr weit links“, „ziemlich weit links“, „etwas links“, „in der Mitte“, „etwas rechts“,

„ziemlich weit rechts“, sehr weit rechts“, wo bei die jeweils „äußeren“ beiden für die Darstel-

lung in Abbildung 17 zusammengefasst worden sind.

Sechs Prozent aller Befragten lehnten 2014 eine Selbstpositionierung ab. Immerhin 6 Prozent

der Befragten, die sich positionieren wollten und konnten, sehen sich „sehr weit links“, wei-

tere 11 Prozent „ziemlich weit links“. 42 Prozent der Befragten bezeichnen sich als „etwas

links“; 2013 waren es noch 37 Prozent. Insgesamt ist damit der Anteil der Thüringer_innen,

die sich „links“ verorten, gegenüber 2013 um 14 Prozentpunkte auf nunmehr 59 Prozent an-

gewachsen und befindet sich wieder auf dem Niveau der Höchstwerte der letzten Dekade.

Demgegenüber ist der Anteil der Befragten, die sich „in der Mitte“ einordnen, von zuletzt 39

Prozent auf eine noch deutlichere Minderheit von 24 Prozent abgeschmolzen. Nach 2004 (20

Prozent) ist das der geringste Anteil in der Datenreihe. Die Mittelkategorie war seit 2008 (26

Prozent) bis 2013 von einem in jedem Jahr wachsenden Anteil der Befragten gewählt worden,

demnach findet also 2014 wieder eine stärkere Polarisierung statt. Allerdings ist der Anteil der

Thüringer_innen, die sich „etwas rechts“ verorten, seit Mitte des letzten Jahrzehnts relativ

stabil geblieben und liegt 2014 bei 15 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr trat eine Erhöhung des

Anteilswertes um zwei Prozentpunkte ein, die statistisch nicht signifikant ist. Keinerlei Verän-

derung gibt es nach wie vor bei den Anteilswerten der Befragten, die sich selbst als „ziemlich

weit rechts“ und „sehr weit rechts“ einschätzen (ca. 2 Prozent). Nur ungefähr jede_r hun-

dertste Thüringer_in bezeichnet sich selbst als „sehr weit rechts“. Insgesamt ist die Antwort-

verteilung der Links-Rechts-Selbstpositionierung 2014 sehr ähnlich mit den Antwortverteilun-

gen 2004 und 2008: Nach ihrem Selbstverständnis sind die Thüringer_innen also wieder wei-

ter nach „links“ gerückt.

Doch welche Bedeutungsinhalte assoziieren die Befragten mit der von ihnen jeweils gewähl-

ten Antwortkategorie? Erst die Kenntnis darüber, inwieweit sich das Links-Rechts-Schema in

der Vorstellungswelt der Thüringer_innen abbildet, ermöglicht eine sinnvolle Beurteilung der

Selbstpositionierung. Theoretisch ist es denkbar, dass Vorstellungsinhalte, politische Orientie-

rungen und Werte der Befragten keineswegs deckungsgleich mit den in der Gesellschaft prä-

senten Vorstellungskonventionen und Begriffstraditionen sind, sondern teilweise deutlich von

ihnen abweichen oder ihnen sogar – im Extremfall – diametral entgegenlaufen. Könnte kein

allgemein oder zumindest überwiegend geteilter Wissens- und Deutungshorizont vorausge-

setzt werden, ergäbe sich ein massives Problem der Inhaltsvalidität: Die durch die Fragestel-

lung zur Links-Rechts-Selbstpositionierung abgerufenen Antworten stellten schlechterdings

lediglich eine Aggregation mehr oder weniger diffuser (und teilweise vielleicht absolut idio-

synkratischer) Auffassungen von „Links“ und „Rechts“ dar, keinesfalls aber die empirische

Grundlage zur Beurteilung der Positionierung der Bevölkerung im politischen Wertesystem.

Um dies ausschließen oder gegebenenfalls methodisch angemessen darauf reagieren zu kön-

nen, wurden bei der diesjährigen Befragung unmittelbar nach der geschlossenen Frage zur

Selbstpositionierung passend zur gewählten Antwortkategorie weitergefragt: „Was bedeutet

Page 51: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

51 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

es Ihrer Meinung nach, politisch ‚rechts‘ / politisch ‚in der Mitte‘ / politisch ‚links‘ zu sein?“ In

dieser filtergeführten offenen Frage wurden Bedeutungsinhalte und Assoziationen der Befrag-

ten in kurzen Stichpunkten erfasst (Probing-Technik), um sie anschließend einer zusammen-

fassenden Inhaltsanalyse zuzuführen. 15 Prozent aller Befragten, die sich zwar selbst positio-

nieren konnten und wollten, haben keine Assoziation geäußert, markanter Weise hat wiede-

rum die Hälfte davon die Position „etwas links“ gewählt, jeweils ungefähr ein Sechstel gab an

„in der Mitte“ des politischen Spektrums oder „etwas rechts“ davon zu stehen.

Zusammenfassende Inhaltsanalyse und kategoriale Auswertung

Abbildung 18: Links-Rechts-Positionierung: Assoziierte Begriffsinhalte (Kategorien) in der quantitativen Übersicht (häufigste Nennungen)

Am Beginn der Inhaltsanalyse stand eine induktive Kategorienbildung aufgrund der erfassten

Antworten, in denen sich Assoziation von Begriffsinhalten identifizieren ließen. Im Falle um-

fassender Verbalisierungen wurde die Begriffseinheit kategorial eingeordnet, die die Gesamt-

heit der Assoziationen der_des Befragten am ehesten repräsentierte. Aus Platzgründen kön-

nen an dieser Stelle nur Beispiele für die Vercodungspraxis wiedergegeben werden (Abbildung

18). Typisch „links“ besetzte Kategorien sind demnach „(Soziale) Gerechtigkeit“ oder ,Arbeit-

nehmerinteressen“, in der „Mitte“ werden die „Gerechtigkeit“ und die „Demokratie“, aber

vor allem der „Ausgleich“ (vorrangig als Absage an die Extrempositionen!) und das „Desinte-

resse“ thematisiert. Auf dem „rechten" Flügel werden oftmals „Deutsche Interessen“ befür-

wortet, man beansprucht, „national / patriotisch“ zu sein oder spricht sich u.a. „Gegen Asyl-

missbrauch und [die Überfremdung durch] Ausländer“ aus. Darüber hinaus gibt es vereinzelt

typische Nennungen von Partei- oder Politiker_innen (SPD, LINKE, CDU, Gysi, Merkel). Das

Page 52: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

52 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

quantitative Auftreten der Kategorien im Verhältnis zur Selbstpositionierung der Befragten ist

in Abbildung 18 dokumentiert. Die Assoziationen von Befragten, die sich „ziemlich weit

rechts“ oder „sehr weit rechts“ positionieren, müssen aufgrund der geringen Fallzahlen ver-

nachlässigt werden. Auch ist nicht feststellbar, inwieweit sich leere Nennungen (fehlende An-

gaben oder „weiß nicht“) in den „linken“ oder „rechten“ Befragtengruppen auf Effekte sozial

erwünschten Antwortverhaltens zurückführen lassen. Insgesamt jedoch ist die Verteilung der

intragruppentypischen Antwortkategorien logisch konsistent. Paradoxale Zuordnungsmuster,

beispielsweise aufgrund von Paraphrasierungen bzw. Kontextualisierungen, die der o.g.

Ideentradition zuwiderlaufen, sind nicht zu beobachten.

In einem weiteren Analyseschritt wurden die induktiv gebildeten Kategorien weiter zusam-

mengefasst und treten damit folgende dominante Konzepte der Positionsbeschreibung durch

die Befragten zutage (Abbildung 19):

a. relational, das heißt vornehmlich als Abgrenzung der eigenen Position gegenüber der der

„Gegenseite“ bzw. diese negierend, damit tautologisch und mitunter trivialisierend. „Links“

wird als „nicht rechts“ oder „gegen Rechte“ definiert, analog dazu „rechts“ als „nicht links“,

während die Position in der Mitte als „weder links noch rechts“, „neutral“, „keiner Seite zuge-

hörig“ bzw. als „nicht extrem“ gedacht ist. Eine inhaltliche Aufladung sowohl der eigenen als

auch der als antagonistisch konzipierten Position mit politischen Wertvorstellungen, Orientie-

rungen und Präferenzen wird nicht verbalisiert und bleibt damit in den meisten Fällen zumin-

dest fraglich. Insbesondere Befragte, die sich in der „Mitte“ einordnen, wirken so unentschlos-

sen, politisch passiv, apathisch oder desinteressiert. Während auffällig viele der „rechten“ Be-

fragten ihre Selbstverortung relational definieren, indem sie sich ausdrücklich von der „linken“

Seite distanzieren, ist die erklärte Abgrenzung oder Gegnerschaft zu „Rechten“ (spezifisch:

Neonazis) ein vergleichsweise selten auftretendes Konzept „linker“ Eigenpositionsbestim-

mung, das vor dem Hintergrund der identitätsstiftenden Wirkung antifaschistischer Überzeu-

gungen (in der politisch-historischen Tradition Ostdeutschlands) betrachtet werden muss. Der

Verweis auf Gegnerschaft signalisiert freilich einen Dissens zwischen eigenen und fremden

Werten, wodurch ex negativo eine Zuschreibung von Bedeutungsinhalten zumindest impli-

ziert wird.

b. inhaltlich, d.h. Einstellungen verbalisierend und damit auf gesellschaftliche Wertvorstellun-

gen, Überzeugungen zum politischen Gemeinwesen sowie konkrete Politikziele bezogen. Hier

wird nicht lediglich die Negation einer politischen Fremdposition zum Definitionskern der Ei-

genposition erhoben, sondern es werden explizit politische Grundfragen, Themenfelder und

Strategien benannt, die als wesentlich für die eigene Position betrachtet werden und mit de-

nen sich der_die Befragte im gleichen Atemzug einverstanden zeigt. Hier gibt es entsprechend

der Filterung in die drei Gruppen typische Differenzierungsmuster im Antwortverhalten, die

aber in sich widerspruchsfrei sind und innerhalb der Filtergruppen ein hohes Maß an Ähnlich-

keit bzw. Übereinstimmung der Sprachäußerungen aufweisen. Dass es in den „linken“ und

„rechten“ Flügeln entsprechend der (beanspruchten) Entfernung von der gedachten „Mitte“

divergierende Auffassungen zwischen „extremen“ und „gemäßigten“ Vertretern gibt, unter-

Page 53: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

53 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

stützt die generelle logische Konsistenz des sich abbildenden Spektrums, Die oftmals auftre-

tende, geradezu formelhafte Verknappung in den ursprünglichen Nennungen weist dabei da-

rauf hin, dass die individuellen Bedeutungsinhalte eng mit konventionellen, traditionellen und

in gesellschaftlichen Diskursen dominierenden Interpretationen des Links-Rechts-Schemas

verknüpft sind.

Abbildung 19: Links-Rechts-Selbstpositionierung: Konzepte der Positionsbeschreibung (I)

Tabelle 4: Links-Rechts-Selbstpositionierung: Konzepte der Positionsbeschreibung (II)

„Wie würden Sie sich selbst einstufen?“

Gesamt Positions- beschreibung

Sehr weit links

Ziemlich weit links

Etwas links

in der Mitte

Etwas rechts

Ziemlich weit

rechts

Sehr weit rechts

relational 11% 6% 7% 43% 8% 17% 30% 16%

inhaltlich 66% 91% 75% 46% 75% 83% 30% 69%

Keine Angabe 23% 3% 18% 11% 18% 0% 40% 15%

Gesamt 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100%

Fallzahl 59 105 403 227 143 12 10 959

Insgesamt überwiegt deutlich das inhaltliche Konzept der Selbstpositionierung (Tabelle 4), wo-

bei allerdings das häufige Auftreten der relationalen bzw. negierenden Positionsbeschreibung

besonders in der „Mitte“ eine gewisse „Bedeutungsarmut“ bzw. einen Mangel an „Bestimm-

barkeit“ und „Orientierung“ offenlegt, der zwar in Bezug auf die hier bearbeitete Validierungs-

frage unproblematisch ist, jedoch durchaus Anlass zu weiterführenden Debatten um die poli-

tische Kultur geben kann. Denn dass ein nicht zu vernachlässigender Teil der Bürger_innen

sich zwar der „Mitte“ zuordnet, aber zumindest nicht explizit (!) deren politischen Werte zur

Page 54: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

54 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

wesentlichen Grundlage dieser Selbstpositionierung macht, sollte Politiker_innen der Mitte

zu denken geben. Beachtet werden muss, dass es sich bei den hier analysierten Paraphrasie-

rungen um die Beschreibung der eigenen Position, also das politische Selbstverständnis der

Befragten handelte. Es ist nicht auszuschließen, dass die Analyse von Fremdbeschreibungen

politischer Lager ein paradoxales Bild ergäbe, das teilweise auf stereotypen Vorstellungen und

Falschzuweisungen von Bedeutungsinhalten basiert. Dies muss im Rahmen des vorliegenden

Gutachtens allerdings ungeklärt bleiben.

Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass die überwiegende Mehrheit der Befragten

konsistente bzw. kongruente Vorstellungen von den Bedeutungsinhalten ihrer Selbstveror-

tung im politischen Links-Rechts-Spektrum haben. Diese Bedeutungsinhalte stehen erstens

mit der oben skizzierten politischen Begriffstradition summarisch im Einklang und werden

zweitens von den Befragten auch mehrheitlich konsistent mit Einstellungen verknüpft, die sie

in ihren Antworten auf entsprechende Einstellungsfragen im THÜRINGEN-MONITOR äußern. Es

gibt also Korrelationen mittlerer Stärke zwischen „linken“ oder „rechten“ Einstellungen und

der entsprechenden Selbsteinstufung.14 Anders ausgedrückt sind auch paradoxale Einstel-

lungsmuster, d. h. Kombinationen „linker“ und „rechter“ Einstellungen (bezüglich unter-

schiedlicher Themen und Sachverhalte oder auf verschiedenen Bezugsebenen) beobachtbar.

So kann beispielsweise ein_e erklärte_r „Linke_r“ die eigene Position inhaltlich mit „sozialer

Gerechtigkeit“ assoziieren und konsistenter- weise die als „sozial gerecht(er)“ und „links“ auf-

14 Dies wurde in einer hierarchischen multiplen linearen Regressionsanalyse überprüft. Abhängige Variable: Links-Rechts-Selbsteinstufung, Wertebereich 1–7 (Kodierung: „links“ niedrig – „rechts“ hoch). Schrittweise aus-gewählte unabhängige Variablen (Prädiktoren): 10 von insgesamt 50 Einstellungsvariablen und soziodemogra-phischen Merkmalen. Eingeschlossene Fälle n=304. Die Modellgüte der hierarchischen Regression (gesättigtes Modell nach 10 Iterationen) betrug Multiple R²=,355, was einer erklärten Gesamtvarianz von immerhin 35,5 Pro-zent entspricht. Insgesamt liefert demnach das Antwortverhalten zu den aufgenommenen Einstellungsvariablen wesentliche Informationen für die „Voraussage“ der Selbstpositionierung der Befragten im politischen Links-Rechts-Spektrum. So erhöht die Zustimmung zur Aussage, der Nationalsozialismus hätte auch gute Seiten gehabt, erwartungsgemäß die Wahrscheinlichkeit, sich eher „rechts“ als „links“ einzuordnen (standardisierter Regressi-onskoeffizient βj=.278***). Das Gleiche gilt für die Aussage zur „gefährlichen Überfremdung“ der Bundesrepublik durch Ausländer (βj=.219***), aber auch für hohe Demokratiezufriedenheit – hier: als Tendenz zur „Mitte“ und gewissermaßen als Gegensatz zu einer „linken“ Systemkritik – (βj=.225***) sowie für die Konfessionszugehörig-keit, die im Sinne traditioneller bzw. konservativer („rechter“) Wertvorstellungen und im Gegensatz zum „Athe-ismus“ der ostdeutschen „Linken“ interpretiert werden kann (βj=.216***). Auch die Zustimmung zur Aussage, die wirtschaftliche Lage in Thüringen sei besser als in den anderen ostdeutschen Bundesländern (βj=.125*), sowie das Vorliegen eines überdurchschnittlichen Haushaltseinkommens (βj=.104*) erhöhen die Wahrscheinlichkeit, sich eher „mittig“ bzw. „rechts“ als „links“ einzuordnen. Hingegen senkt die jeweilige Zustimmung zu den Aussa-gen, die DDR hätte mehr gute als schlechte Seiten gehabt (βj=-.145*), man solle zur sozialistischen Ordnung zu-rückkehren (βj=-.111*) sowie, die Interessen Deutschlands würden in der Europäischen Union gut vertreten wer-den (βj=-.167***), die Tendenz einer „rechten“ Selbsteinstufung. Auch eine hohe Parteineigung (βj=-.107*) ist ein signifikanter, wenn auch etwas schwächerer Prädiktor dafür, sich eher „links“ als „rechts“ einzuordnen (Links-partei, SPD). Erwartungsgemäß korreliert nämlich eine ausgeprägte Parteineigung zur CDU mit einer „mittigen“ oder „etwas rechten“ Selbstpositionierung. – Andere Einstellungsvariablen, u.a. zum Institutionenvertrauen, zur Partizipationsneigung, zur Akzeptanz der Demokratie als beste Staatsform und zum Autoritarismus, lieferten keine Erklärungsbeiträge und wurden deshalb automatisch aus der Regressionsanalyse ausgeschlossen. Das heißt: sowohl die Zustimmung als auch die Ablehnung dieser Fragen ist mit keiner der beiden politischen Pole korreliert und kann folglich bei allen Befragten auftreten, ohne substantiellen Einfluss darauf (bzw. Vorhersage-kraft dafür) zu haben, ob sich die Befragten selbst „links“ oder „rechts“ verorten.

Page 55: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

55 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

gefasste DDR positiv bewerten. Gleichzeitig kann er_sie jedoch ausländerfeindlichen und na-

tionalistischen (rechtsextremen) Aussagen zustimmen, welche ihrerseits wiederum auf den

Erfahrungshorizont einer ethnisch und kulturell homogenisierten Lebenswelt im DDR-Sozialis-

mus zurückverweisen (Best, Salheiser & Salomo 2014). Eine Verharmlosung des Nationalsozi-

alismus durch eine_n in der „antifaschistischen“ DDR sozialisierte „Linke_n“ ist hingegen eher

untypisch.

Der hohe Anteil relationaler Positionsbestimmungen vor allem unter Befragten der „Mitte“

und die dort häufig zugewiesene Bedeutungskategorie „Desinteresse“ zeigen zudem, dass

eine „neutrale Haltung“ der „Mitte“ nicht zwangsläufig den politischen Interessensausgleich

und die Moderation radikaler Auffassungen bedeuten muss, sondern auch eine Tendenz zur

prinzipiellen Konfliktvermeidung, Indifferenz und politischen Apathie repräsentieren kann.

Ähnliches gilt für die erhöhten Anteile leerer Nennungen (keine Angabe/“weiß nicht“) trotz

erfolgter Selbstpositionierung. Hochrelevant wird dies angesichts der im THÜRINGEN-MONITOR

nachgewiesenen rechtsextremen Einstellungen bei Befragten, die sich paradoxerweise „in der

Mitte“ und gegebenenfalls „unpolitisch“ wähnen (Best et al. 2012; Best et al. 2013).15 Trotz

der hier diskutierten Probleme kann die im THÜRINGEN-MONITOR etablierte Links-Rechts-

Selbstpositionierung als valide Messung politischer Grundorientierung und Selbstbeschrei-

bung gelten. Alltagsprachlich ausgedrückt: die überwiegende Mehrheit der Thüringer_innen

weiß was gemeint ist, wenn von „links“ und „rechts“ die Rede ist und sie sich diesbezüglich

selbstverortet. Die umstrittene Verortung im eindimensionalen Links-Rechts-Schema hat in

Bezug auf die Internalisierung und Expression symbolhaft verdichteter politischer Ideen ihre

Berechtigung. Die explanatorische Bedeutung einer Links-Rechts-Selbsteinstufung für die in-

dikatorengestützte Rechtsextremismusforschung bleibt indessen stark eingeschränkt.

Empfehlungen für die Messung rechtsextremer Einstellungen

An dieser Stelle sollen die Ergebnisse zur Güteprüfung der Messung rechtsextremer Einstel-

lungen im THÜRINGEN-MONITOR noch einmal, überblicksmäßig, in Form der sich konkret aus den

Befunden ableitenden Empfehlungen für die zukünftige Messung, zusammengefasst werden.

Für die Konstruktion und Interpretation der Skala aus den zehn Rechtsextremismusindika-

toren wird empfohlen:

1) die vormals angenommene sechsdimensionale Struktur als widerlegt zu betrachten.

Als entscheidende Dimensionen von Ungleichwertigkeitsvorstellungen haben sich eth-

nozentrische und neo-nationalsozialistische Einstellungen erwiesen. Eine feingliedri-

gere Analyse rechtsextremer Einstellungen sollte wenn, dann über diese beiden Di-

mensionen oder auf Ebene der einzelnen Indikatoren erfolgen. Eine Ausnahme besteht

15 Rangkorrelation zwischen Links-Rechts-Selbsteinstufung und Rechtsextremismus-Mittelwertskala: Spearman’s rho=.262***.

Page 56: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

56 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

für das latente Merkmal Fremdenfeindlichkeit, dies konnte als kognitive Struktur bei

den Befragten ebenfalls bestätigt werden.

2) die einzelnen Fragen zueinander entsprechend ihrer dimensionalen Struktur zu ge-

wichten. Zu den zwei Dimensionen werden je vier bzw. sechs Fragen gestellt, bei der

Bildung einer Rechtsextremismusskala sollte darauf geachtet werden, dass diese Fra-

gengruppen jeweils das gleiche Gewicht in der Gesamtskala erhalten. Dieses Vorgehen

entspricht der Interpretation, dass ethnozentristische und neo-nationalsozialistische

Orientierungen inhaltlich als gleich wichtig für die Bestimmung rechtsextremer Einstel-

lungen angenommen werden – eine andere Gewichtung müsste auf theoretischer

Ebene begründet werden.

3) pro Dimension eine Antwortverweigerung zuzulassen. Die Verzerrungen durch zu ri-

giden Ausschluss von Befragten mit verweigerten Antworten betreffen sowohl die Re-

präsentativität der Stichprobe, als auch die valide Schätzung des Anteils Rechtsextre-

mer in der Bevölkerung. Die Ergebnisse der dimensionalen Analyse sind ein Beleg da-

für, dass die Indikatoren innerhalb der beiden Dimensionen untereinander austausch-

bar sind. Deswegen können die latenten Ungleichwertigkeitsvorstellungen der Befrag-

ten auf Basis von drei der vier im Fall der Dimension Ethnozentrismus und auf Grund-

lage von fünf der sechs validen Antworten für die Fragen zur Dimension NS-Ideologie

geschätzt werden.

4) die Schnittpunktsetzung, also die Unterscheidung zwischen rechtsextrem und nicht

rechtsextrem Eingestellten, als Kompromiss zwischen der besseren Vermittlung der

Befunde und dem messtheoretisch sinnvollen Vorgehen zu betrachten. Der Kompro-

miss wird zu Ungunsten des wissenschaftlich vertretbaren Vorgehens überstrapaziert,

wenn darüber hinaus an der bisherigen Unterteilung zwischen Rechtsextremen und

solchen mit einem „geschlossen“ rechtsextremen Weltbild (dem „harten Kern“) fest-

gehalten wird.

5) die in Rechtsextreme und nicht Rechtsextreme gruppierte Skala nicht als Grundlage

für Analysen zu verwenden. Ursachen- und Zusammenhangsanalysen müssen, dafür

sprechen ebenfalls wie für Punkt 4) die Ergebnisse der Homogenitätsanalysen, auf Ba-

sis der Gesamtskala durchgeführt werden. Derart abgesicherte Befunde können mit

Hilfe der gruppierten Skala veranschaulicht werden.

6) Abweichungen zwischen den einzelnen Erhebungsjahren in Hinblick auf den Anteil

rechtsextrem eingestellter Thüringer_innen nicht über zu bewerten. Einerseits kön-

nen dafür in jährlicher Schwankung erhöhter/verminderte Antwortverweigerungen

verantwortlich sein, andererseits gilt Punkt 5) auch für Vergleiche der ermittelten An-

teile Rechtsextremer zwischen Erhebungszeitpunkten. Ein tatsächlicher Rückgang

rechtsextremer Einstellungen in Thüringen ist erst ab einschließlich 2010 im Vergleich

zu den Vorjahren zu verzeichnen. Dieser Befund beruht auf der Auswertung der ge-

samten Skala rechtsextremer Einstellungen. Eine Beurteilung der längsschnittlichen

Page 57: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

57 GÜTE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Entwicklung allein aufgrund der Veränderung der Anteilswerte rechtsextrem Einge-

stellter ist irreführend.

7) die auf Validität geprüfte Frage zu chauvinistischen Einstellungen („Was unser Land

heute braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen ge-

genüber dem Ausland.“) als mehrdimensionalen Indikator zu interpretieren, der ne-

ben traditionellen übersteigertem Nationalismus auch anti-europäische Ressenti-

ments misst.

8) den zweite Chauvinismusindikator („Andere Völker mögen Wichtiges vollbracht ha-

ben, an deutsche Leistungen reicht das aber nicht heran.“) (weiterhin) als Indikator

eines „klassischen“ Chauvinismus zu interpretieren.

9) die Frage zur Diktaturaffinität („Im nationalen Interesse ist unter bestimmten Um-

ständen eine Diktatur die bessere Staatsform.“) als Indikator für die Neigung zu au-

toritären Regierungsformen im Allgemeinen zu interpretieren. Die Ergebnisse der Va-

liditätsprüfung lassen den Schluss nicht zu, dass über diese Frage nur oder vor allem

die Affinität zu einer rechtsgerichteten Diktatur erfasst wird. Neben den dominieren-

den politisch ungerichteten Assoziationen mit einer ‚Diktatur im nationalen Interesse‘

erfasst der Indikator sowohl links- als auch rechtsautoritäre Orientierungen.

10) die Einstellungsfrage „Es gibt wertvolles und unwertes Leben.“ als Indikator für die

Abwertung und Ausgrenzung von sozial schwachen gesellschaftlichen Gruppen zu

begreifen.

11) die Einstellungsfrage „Wie in der Natur sollte sich auch in der Gesellschaft immer der

Stärkere durchsetzen.“ kann hingegen als Indikator für die Akzeptanz einer unge-

rechten und auf Ungleichheit basierenden Gesellschaftsordnung interpretiert wer-

den. Diese Frage und das eben genannte Item „Es gibt wertvolles und unwertes Leben.“

messen beide Komponenten der neo-nationalsozialistischen Ideologie, jedoch nicht

das exakt gleiche.

12) die Einstellungsfrage zum Antisemitismus („Juden haben etwas Besonderes und Ei-

gentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns.“) exklusiv als Indikator für

primären Antisemitismus zu begreifen, der deshalb und darüber hinaus das Niveau

antisemitischer Einstellungen in der Bevölkerung etwas unterschätzt.

13) die Frage zur Messung einer verharmlosenden Haltung gegenüber des Nationalsozi-

alismus als valide aufzufassen. Die Validitätsanalyse konnte außerdem einige inhaltli-

che Überschneidungen zwischen der Affinität zum Nationalsozialismus und zum Sozi-

alismus aufzeigen (‚keine Arbeitslosigkeit‘, ‚Kinderbetreuung‘), die hohe (statistische)

Zusammenhänge zwischen diesen Einstellungen erklären.

Page 58: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

58 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Abbildung 20: Rechtsextrem Eingestellte 2001 bis 2013: Vergleich der Anteile nach dem bisherigen und dem neu vorgeschlagenen Skalenkonstruktionsverfahren

Um diese Empfehlungen umzusetzen, muss die Rechtsextremismusskala zukünftig und rück-

wirkend als Mittelwertskala in zwei Stufen berechnet werden. Als erstes wird für beide Di-

mensionen je ein Mittelwert berechnet, wobei Befragte mit einer fehlenden Antwort für eine

der Dimensionen jeweils einen Wert auf Basis der restlichen validen Fragen zugewiesen be-

kommen. Im zweiten Schritt wird aus dem Mittelwert der zwei Dimensionen ein Mittelwert

für rechtsextreme Einstellungen berechnet. Wurden in der vormaligen Berechnungsweise für

die Jahre 2001 bis 2013 insgesamt 2385 Befragte (knapp 20 Prozent) von der weiteren Analyse

ausgeschlossen, sind es durch das neue Verfahren der Skalenkonstruktion „nur“ noch 756 Be-

fragte (6 Prozent). Da aufgrund des vormaligen Umgangs mit den Antwortverweigerern der

tatsächliche Anteil rechtsextrem Eingestellter unterschätzt wurde, sind mit diesem Verfahren

höhere Werte für den Anteil Rechtsextremer zu erwarten. Denselben Effekt hat die Gleichge-

wichtung der weiter verbreiteten, und vormals gegenüber der Neigung zur NS-Ideologie ge-

ringer gewichteten, ethnozentristischen Orientierungen. Einen Vergleich des bisherigen und

auf Grundlage der Skalenprüfung vorgeschlagenen neuen Skalenkonstruktionsverfahrens in

Hinblick des jeweils identifizierten Anteils Rechtsextremer in Thüringen gibt Abbildung 20. Die

„neue“ Skala gibt eine validere Schätzung des Anteils rechtsextrem Eingestellter in Thüringen.

Wie durch die Ausführungen deutlich geworden sein dürfte, ist diese Skala nicht als Korrektur,

sondern vielmehr als Update gegenüber der ursprünglichen Skalenkonstruktion zu begreifen.

Die Anpassung ist die Konsequenz eines Erkenntnisgewinnes, der erst durch die Messung und

die hier erfolgte zusammenhängende Analyse rechtsextremer Einstellungen über die letzten

zwölf Jahre ermöglicht wurde. Sie reagiert dabei insbesondere auf Veränderungen im Einstel-

lungsraum, die sich erst seit dem zweiten Jahrfünft des Jahrtausends zu verstetigen begannen.

19%

21%

23% 23%22%

17%

15%16%

13%

17%

11%12%

10%

25%26%

28% 29%30%

25%

20%

23%

19%

24%

18%19%

17%

0%

5%

10%

15%

20%

25%

30%

35%

40%

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2010 2011 2012 2013 2014

bisherige Rechtsextremismusskala neu vorgeschlagene Rechtsextremismusskala

Page 59: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

59 REICHWEITE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Reichweite der Messung rechtsextremer Einstellungen

Die Mehrdimensionalität rechtsextremer Einstellungen, der lose Zusammenhang mit der po-

litischen Selbsteinstufung der Befragten (Best et al. 2012: 87ff) und die positiven Assoziatio-

nen mit der Affinität zur sozialistischen Ordnung (Best et al. 2013: 76ff) weisen auf komplexe

Einstellungskonstellationen unter den Befragten hin, die über eine Rechtsextremismusskala

nicht angemessen abgebildet werden können. Die Studien zu rechtsextremen Einstellungen

zeigen durchweg, dass diese in allen „Bevölkerungsschichten, Generationen und Regionen“ zu

finden sind (Decker et al. 2010: 5). Dennoch gerät die „Verbreitung einzelner oder mehrerer

Versatzstücke solcher Einstellungen in breiten Schichten der Bevölkerung“ aus dem Blick, wer-

den die Befragten lediglich anhand eines erreichten Skalenwertes nach rechtsextrem und

nicht rechtsextrem Eingestellten unterschieden (Dölemeyer & Mehrer 2011: 16). Dies gilt

umso mehr, als die Klassifikation von Rechtsextremen und nicht Rechtsextremen wie sie im

THÜRINGEN-MONITOR vorgenommen wird, wie oben dargelegt, als nicht geeignet für tiefere Ana-

lysen gelten muss.

Die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen in unterschiedlichen, also sich in Hinblick auf

ihre Lebenssituation voneinander abgrenzenden, Gruppen der Thüringer Bevölkerung, kann

mit den Instrumenten der Milieuforschung stärker sichtbar gemacht werden. Ziel und Gegen-

stand dieser Analyse sind Einstellungstypen, also Gruppen von Befragten, die sich hinsichtlich

ihres politischen Einstellungsmusters und ihrer Lebenssituation ähnlich sind. Die Thüringer Be-

völkerung wird demnach in Gruppen klassifiziert, innerhalb derer die gleiche Lebenssituation

mit den gleichen politischen Einstellungen einhergehen. Analysen, die sich darauf konzentrie-

ren, „hohe Werte“ auf der Rechtsextremismusskala zu erklären, können meist effizient mög-

liche Ursachen für rechtsextreme Einstellungen identifizieren. Sie verstärken allerdings das

Bild, dass Rechtsextremismus nur unter den Bevölkerungsgruppen zu finden ist, für die alle

diese Ursachen zutreffen. Mit den Möglichkeiten der Milieuforschung hingegen wird die Ge-

samte Bevölkerung in den Blick genommen, somit können nicht nur Konstellationen der Le-

benssituation identifiziert werden, die mit besonders hohen rechtsextremen Einstellungen

einhergehen, sondern auch solche, die im besonderen Maß zur Resistenz gegenüber diesen

Ideologemen führen. Vor allem aber kann das atypische „Mittelfeld“ ausgeleuchtet werden,

also Lebenssituationen, in denen sich nur bestimmte typische Ursachen rechtsextremer Ein-

stellungen wiederfinden lassen und dennoch eine erhöhte Akzeptanz rechtsextremen Gedan-

kenguts vorherrscht. Es sind insbesondere diese Einstellungstypen, die eine auf Skalen kon-

zentrierte Rechtsextremismusforschung schwer beschreiben kann, wenngleich diese Gruppen

wahrscheinlich einen größeren Teil der Bevölkerung ausmachen als „typische“ rechtsextrem

Eingestellte. Speziell in der Präventionsarbeit könnten es diese Bevölkerungsgruppen sein, die

das Verständnis von Rechtsextremismus regelmäßig herausfordern.

Wir orientieren uns für die Bildung der politischen Einstellungstypen an dem in der Markt- und

Wahlforschung entwickelten Konzept der sozialen Milieus. Unter diesen werden Kollektive

„mit jeweils charakteristischen Einstellungen und Lebensorientierungen“ verstanden:

Page 60: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

60 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

„Sie fassen, ganz allgemein gesprochen, soziale Gruppen, also Menschen, zusammen, deren

Wertorientierungen, Lebensauffassungen und Lebensweisen ähnlich sind. Die Milieuanalyse

zielt dabei auf den ganzen Menschen, versucht also nicht, wie etwa die Klassen- oder Schicht-

analyse, ein einziges oder einige wenige objektive Merkmale typisierend zu verdichten. Um-

gekehrt isoliert sie auch nicht ein einziges oder einige wenige subjektive Merkmale des Kon-

sums, Geschmacks oder des Lebensstils, um die Sozialwelt als strukturlose Agglomeration

von Individuen und Subkulturen erscheinen zu lassen. Sie sucht vielmehr alle jene - subjekti-

ven wie objektiven - Merkmale empirischer Analyse zugänglich zu machen, die die soziokul-

turelle Identität des Einzelnen konstituieren.“ (Ueltzhöffer 1999: 629ff).

Während die klassische Milieuforschung sich auf Konsum und Lebensstil konzentriert, sollen

hier politische Milieus in Thüringen identifiziert werden. Der erste Schritt besteht dementspre-

chend darin, eine Auswahl an Merkmalen zu treffen, anhand derer die Thüringer Bevölkerung

zu, sich jeweils in Hinblick auf diese Merkmale, ähnlichen Gruppen zusammengefasst werden

kann. Neben ethnozentristischen Einstellungen sowie die Affinität zur neo-nationalsozialisti-

schen Ideologie kommen hier alle subjektiven Wahrnehmungen und Bewertungen über Poli-

tik, Gesellschaft und der eigenen Lebenssituation in Frage, die in einem (theoretischen und)

empirischen Zusammenhang mit rechtsextremen Einstellungen stehen und in den meisten Er-

hebungswellen des THÜRINGEN-MONITORs gemessen wurden. Weiterhin müssen Merkmale aus-

gewählt werden, nach denen die politischen Milieus beschrieben werden können. Dafür sind

vor allem individuelle aber nicht subjektive Merkmale der Lebenssituation relevant: Bildung,

Alter, Beruf usw.

Milieus, ob als Lebensstil- oder politische Milieus begriffen, sind nicht nur in einem individu-

ellen soziodemografischen Kontext eingebettet, sondern auch in einem spezifischen Sozial-

raum. Es ist unmittelbar evident, dass der Wohnort nicht zufällig von der sonstigen Lebenssi-

tuation der Thüringer_innen ist. Insofern kann vermutet werden, dass spezifische Gegeben-

heiten eines Ortes auch Einfluss auf die Einstellungen der Bewohner des Ortes nehmen. Sozi-

alraumanalysen haben über die letzten Jahre an Bedeutung in den Sozialwissenschaften ge-

wonnen und sind beispielsweise ein etablierter Bestandteil der Bildungsforschung (Sixt 2010)

und der generellen Erforschung sozialer Ungleichheit (Burzan 2007). Auch in die Forschung zu

Rechtsextremismus und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit haben sie jüngst Einzug

gehalten (Grau & Heitmeyer (Hg.) 2013). Sie lassen sich als Ausweitung der Analyse des Zu-

sammenhangs von Deprivation sowie gesellschaftlicher Desintegration mit Rechtsextremis-

mus auf die Ebene der Wohnortstruktur, also der räumlichen (wahrgenommenen) Benachtei-

ligung begreifen. Maßgebend ist das Bild einer räumlichen Konzentration von Deprivationsin-

dikatoren wie hoher Arbeitslosigkeit, geringem Ausländeranteil, sinkender Bevölkerungszah-

len etc., die ein negatives Bild von Gesellschaft, den politischen Akteuren, den eigenen Ein-

flussmöglichkeiten auf das politische Geschehen und anderes mehr bei den Bewohner_innen

verstärken und damit ein soziales Klima schaffen, in denen als sozial schwach wahrgenom-

mene Gruppen eine hohe Abwertung erfahren und die Agitation rechtsextremer Akteure be-

sonders erfolgreich ist.

Dieserart Sozialraumanalysen werden häufig auf lokaler Ebene durchgeführt, unter Ver-

schränkung quantitativer und qualitativer Analysemethoden (vgl. Ebd.). Die lokale Ebene kann

Page 61: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

61 REICHWEITE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

mit den Daten des THÜRINGEN-MONITORs nicht abgebildet werden, jedoch kann die Kreisebene

als Approximation der Lokalebene begriffen werden: Die Effekte des Sozialraums sind auf

Wohnortkreisebene schwächer, jedoch dennoch nachweisbar (Wolf und Grau 2013). Der ein-

zigartige Vorteil des Datenbestandes des THÜRINGEN-MONITORs besteht in den 9030 Befragten

von 2000, 2002, 2005, 2006 sowie 2008 bis 2013, für die eine Zuordnung zu dem jeweiligen

Wohnortkreis erfolgen kann. Da zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Gutachtens Strukturda-

ten für 2013 meist noch nicht von der amtlichen Statistik16 veröffentlich wurden, verbleiben

8018 Befragte, die sich mit einer Mindestanzahl von 173 (Stadt Suhl) bis 805 (Stadt Erfurt) auf

die 23 Thüringer Kreise verteilen. Die in der Sozialraumanalyse häufig schwachen Effekte zwi-

schen Kontext und individuellen Einstellungen können durch diese hohe Fallzahl dennoch als

repräsentativ und nicht durch zufällige Verzerrungen entstanden interpretiert werden.

Im Folgenden werden relevante Korrelate des Rechtsextremismus auf Individual- und Woh-

nortkreisebene identifiziert. Anschließend wird die Methode der Clusteranalyse, über welche

die politischen Milieus identifiziert werden, in Kürze vorgestellt. Die gefundenen politischen

Milieus in Thüringen werden anschließend in Hinblick auf die sie definierenden Einstellungen,

Sozialstruktur und Wohnortkreisstruktur beschrieben. Die Zusammenführung der subjektiven

Einstellungen mit den soziodemografischen und kontextuellen Eigenschaften der Lebenssitu-

ation der Befragten ist die eigentliche Identifizierung sozialer Milieus (Diaz-Bone 2003). Die

These der Verbreitung rechtsextremer Einstellungen in allen Bevölkerungsschichten, Genera-

tionen und sonstigen Teilgruppen der Gesellschaft – das heißt die These der „Normalität“ des

Extremen – kann auf diese Weise überprüft und in ihren lebensweltlichen Bezügen veran-

schaulicht werden. Abschließend werden, die Analysen zusammenfassend, einige Empfehlun-

gen für die Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus abgeleitet.

Indirekte Indikatoren rechtsextremer Einstellungen

Um weder eine zu enge noch eine zu weite Auswahl an Individual- und Kontextmerkmalen für

die Bildung und Beschreibung der Cluster vorzunehmen, ist es sinnvoll, als Kriterium für die

Aufnahme in die Analyse festzulegen, dass es sich bei dem entsprechenden Merkmal um einen

indirekten Indikator rechtsextremer Einstellungen handeln muss. Damit wird verlangt, dass

Merkmale in einer bivariaten statistischen Assoziation zu ethnozentristischen Einstellungen

und/oder neo-nationalsozialistischen Ideologemen stehen müssen, die sich mit ausreichender

Sicherheit auf die Grundgesamtheit der erwachsenen Thüringer Bevölkerung übertragen lässt.

Mit diesem Kriterium werden alle Merkmale erfasst, die häufig zusammen mit rechtsextremen

Einstellungen auftreten. Nicht unterschieden wird dabei zwischen Ursachen und Korrelaten.

Erstere können theoretisch wie empirisch als rechtsextreme Einstellungen unmittelbar be-

günstigende und verstärkende Merkmale gelten. Korrelate hingegen haben entweder gemein-

same Ursachen mit rechtsextremen Einstellungen oder verstärken sich gegenseitig mit diesen.

16 Alle Kreismerkmale sind über das Thüringer Landesamt für Statistik erhoben, mit Ausnahme der Angaben zu Straftaten, die uns vom Landesamtkriminalamt zur Verfügung gestellt wurden.

Page 62: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

62 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Beispielsweise konnte im Rahmen der Auswertungen des THÜRINGEN-MONITORs 2012 herausge-

arbeitet werden, dass Arbeitslosigkeit zwar durchaus mit erhöhten rechtsextremen Einstel-

lungen einhergeht, dies liegt jedoch gänzlich daran, dass Erwerbslosigkeit die finanzielle Lage

des betreffenden negativ beeinflusst und eine angespannte Finanzlage die Anfälligkeit für

rechtsextremes Gedankengut erhöht. Dies bedeutet, dass andere Merkmale der Lebenssitua-

tion eines Arbeitssuchenden, zum Beispiel die Wahrnehmung, keine gesellschaftlich relevante

Funktion einzunehmen, nicht für die erhöhte Anfälligkeit von Erwerbslosen gegenüber der

rechtsextremen Ideologie verantwortlich sind (Best et al. 2012: 89ff).

Diese (über aufwendige Drittvariablenkontrolle vorgenommene) Ausdifferenzierung in tat-

sächlich ursächliche Einflussfaktoren auf rechtsextreme Einstellungen und Korrelate, ist für

die Milieuanalyse nicht zielführend. Vielmehr soll die Lebenssituation von Bürgerinnen und

Bürgern, die eine erhöhte oder unterdurchschnittliche Affinität zu Rechtsextremismus aufwei-

sen, so holistisch wie möglich beschrieben werden. Für die Analyse der Kontextmerkmale

muss generell zwischen tatsächlichen Kontexten und bloßen Aggregaten unterschieden wer-

den. Um noch einmal das Beispiel der Arbeitslosigkeit zu bemühen: Würde festgestellt wer-

den, dass hohe Arbeitslosigkeit in einem Kreis mit erhöhten rechtsextremen Einstellungen der

Bewohner_innen des Kreises einhergehen, stellt sich die Frage, ob die Wahrnehmung der

schlechten wirtschaftlichen Lage durch die Einwohner_innen, die sich in der höheren Anzahl

Arbeitsloser in dem Kreis zeigt, dafür verantwortlich ist (Kontexteffekt). Oder ob die erhöhte

Anzahl Arbeitsloser, die auf Individualebene eine höhere Affinität zum Rechtsextremismus

aufweisen, rechnerisch in den erhöhten Werte rechtsextremer Einstellungen im Durchschnitt

der Einwohner_innen des Kreises resultiert (Aggregateffekt). Und auch, wenn ein Kontextef-

fekt nachgewiesen werden kann, stellt sich analog zur Individualebene die Frage, ob das ent-

sprechende Kontextmerkmal als ursächlich für Rechtsextremismus angesehen werden kann

oder nur auf ein anders Kontextmerkmal zurückzuführen ist, das seinerseits auch rechtsext-

reme Einstellungen begünstigt.

Analysen dieses Komplexitätsgrades (Drittvariablenkontrollen in Mehrebenenanalysen) sind

statistisch nur über Umwegen zu verwirklichen und benötigen ein bereits intensiv exploriertes

Forschungsfeld, damit Hypothesen mit entsprechenden Detailgrad abgeleitet werden können.

Auf den Einfluss von Kontextmerkmalen auf rechtsextreme Einstellungen trifft dies nicht zu,

Analysen wie die hier angestrebten sind stark explorativ. Begreift man die Arbeitslosenquoten

eines Kreises auf theoretischer Ebene lediglich als indirekten Indikator, der (womöglich) für

eine erhöhte Verbreitung rechtsextremer Ideologien unter den Einwohner_innen steht, ist der

Unterschied zwischen Kontext- und Aggregateffekt nachrangig. Die Auswahl der relevanten

Kreismerkmale soll deshalb zunächst ebenfalls über signifikante bivariate Korrelationen mit

rechtsextremen Einstellungen in der Bevölkerung des Kreises erfolgen. Soweit möglich und

naheliegend, werden über vertiefende Analysen zu den Strukturmerkmalen jedoch auch Aus-

sagen über die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines Kontext- oder Aggregateffektes ge-

macht.

Page 63: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

63 REICHWEITE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Individualmerkmale

Die Rechtsextremismusforschung hat eine Vielzahl von Erklärungsansätzen hervorgebracht

(einen allgemeinen Überblick gibt Neureiter 1996). Der THÜRINGEN-MONITOR erfasst in den

meisten Erhebungswellen die Indikatoren der wichtigsten Erklärungskonzepte wie Deprivati-

onserfahrungen, Desintegration, politische Entfremdung, autoritäre Orientierungen und sozi-

alstrukturelle Faktoren. Deprivationskonzepte erfassen übergreifend den „Zustand des tat-

sächlichen oder perzipierten Entzugs bzw. der Entbehrung von etwas Erwünschtem“ (Rippl

und Baier 2005: 64). Individuelle Deprivation beschreibt die Benachteiligung der eigenen Per-

son: Arbeitslosigkeit, ein unsicherer Arbeitsplatz und die schlechte Einschätzung der eigenen

finanziellen Situation sind typische Indikatoren und werden auch durch den THÜRINGEN-MONI-

TOR erhoben. Für die Herausbildung von Bedrohungsgefühlen und der damit verbundenen Ab-

lehnung von Zuwandern gilt jedoch als wichtiger, wie die Befragten ihren Lebensstandard im

Vergleich zu anderen in Deutschland einschätzen. Im THÜRINGEN-MONITOR wird deshalb danach

gefragt, ob man im Vergleich dazu, wie andere in Deutschland leben, glaubt, seinen gerechten

Anteil (oder mehr oder weniger) zu erhalten. Das Konzept der kollektiven Deprivation folgt

stärker konflikttheoretischen Ansätzen. Erfasst wird hierfür die Wahrnehmung der Benachtei-

ligung einer Gruppe, der man selbst angehört („Eigengruppe“). Eine schlechte Einschätzung

der wirtschaftlichen Lage in Thüringen kann Bedrohungsgefühle intensivieren. Ebenso die ne-

gative Bilanz aus dem Vergleich mit den westdeutschen Bundesländern, die stärker noch auf

die wahrgenommene Benachteiligung der Thüringer_innen abzielen. Die Benachteiligung der

eigenen Person ist ein Nährboden für die gefühlte Benachteiligung der Eigengruppe (Rippl und

Baier 2005: 658).

Ein exklusiver auf Thüringen und die ostdeutschen Länder bezogener Erklärungsansatz wurde

in den vergangenen Jahren vom THÜRINGEN-MONITOR unter dem Begriff einer spezifisch ost-

deutschen Deprivation gefasst (Edinger et al. 2008: 33, 81f). Als Form ökonomischer Depriva-

tion wird sie über die Wahrnehmung einer negativen Einheitsbilanz und die perzipierte Min-

derung des Lebensstandards in Folge der Einigung gemessen. Des Weiteren werden unter Ost-

deprivation empfundene Anerkennungsprobleme der ostdeutschen Bürger gegenüber der

westdeutschen Bevölkerung gefasst. Die empfundene Abwertung der Eigengruppe bedroht

die eigene Identität und den Selbstwert, eine mögliche Kompensation ist die Abwertung an-

derer gesellschaftlicher Gruppen, die als „schwächer“ wahrgenommen werden (Klein et al.

2009). Es sinkt die Bereitschaft, Minderheiten in die Gesellschaft zu integrieren. Zur Messung

der ostdeutschen Deprivation wurden die Thüringer_innen gefragt, ob die Einheit für sie per-

sönlich alles in allem mehr Vorteile oder mehr Nachteile gebracht hat oder ob sich die Vor-

und Nachteile ausgleichen. Zudem wurden sie gebeten, der Aussage „Westdeutsche behan-

deln Ostdeutsche als Menschen zweiter Klasse“ zuzustimmen oder diese abzulehnen. Auch

die Identität der Thüringer_innen (Thüringer, Ostdeutsch, Deutsch, Europäisch), die diese Pro-

zesse verstärken bzw. schwächen kann, wird im THÜRINGEN-MONITOR erhoben. Ebenfalls ein

Spezifikum Ostdeutschlands ist der Zusammenhang rechtsextremer Orientierungen mit DDR-

nostalgischen und sozialismusaffinen Einstellungen, über welche die DDR-Vergangenheit

Rechtsextremismus in Ostdeutschland auch heute noch verstärkt (Best et al. 2014).

Page 64: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

64 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Eng mit dem Deprivationskonzept verbunden sind anomische Gefühle und Statusver-

lustängste. Auf die Ressourcen der eigenen Persönlichkeit zum Umgang mit Benachteiligun-

gen und schwierigen wirtschaftlichen Situationen, wie auch auf das Ergebnis dieser Auseinan-

dersetzung verweisend, zeigen sie gesellschaftliche Desintegration an (Anhut und Heitmeyer

2000). Die Angst vor dem Verlust des eigenen gesellschaftlichen Status bedingt die Offenheit

für Vorurteile und einfache Antworten, für das Versprechen der Wiederherstellung „alter“

Ordnungen ebenso wie für die Abwertung von Minderheiten und die sinkende Bereitschaft zu

deren Integration. Abstiegsangst unter den Thüringer_innen wurde über die Sorge, „durch die

gesellschaftliche Entwicklung immer mehr auf die Verliererseite des Lebens zu geraten“, ge-

messen; Anomie mit der Einstellungsfrage „Heute ändert sich alles so schnell, dass man nicht

weiß, woran man sich halten soll“.

Stärker auf die Erklärung der politischen Dimensionen und Implikationen des Rechtsextremis-

mus zielt das Konzept der politischen Entfremdung (Stöss 2010: 51f; Edinger 2010: 16ff, 46ff).

Diese kann auch vor dem Hintergrund ökonomischer Deprivationserfahrungen begriffen wer-

den: Der Politik und ihren Institutionen wird abgesprochen, sich um die Probleme der Bevöl-

kerung zu sorgen, das Vertrauen in politische Institutionen und deren Vermögen, diese Prob-

leme zu lösen, geht verloren. (Im Rahmen des THÜRINGEN-MONITORs werden Befragte nach ih-

rem Vertrauen in die Landes- und Bundesregierung gefragt.) Geht die Wahrnehmung verloren,

dass Politik überhaupt interessiert daran ist, die Probleme der Befragten anzugehen und auf

deren Bedürfnisse zu reagieren, entsteht der generalisierte Eindruck politischer Machtlosig-

keit bzw. mangelnder Responsivität politischer Akteure (Zustimmung zu „Leute wie ich haben

so oder so keinen Einfluss darauf, was die Regierung tut“ und „Die Parteien wollen nur die

Stimmen der Wähler, ihre Ansichten interessieren sie nicht“). Erstreckt sich die Unzufrieden-

heit nicht nur auf politische Institutionen, sondern wird auf das Funktionieren der Demokratie

in der Praxis generalisiert, ist ein Resonanzboden für gegen das demokratische System gerich-

tete Kräfte und Agitationen geschaffen. Im Zusammenhang mit diesen Prozessen steht das

allgemeine Interesse an Politik und die politische Eigenkompetenzzuschreibung, beides zielt

auf die persönlichen Voraussetzungen des Befragten zur Einschätzung und Reflexion des poli-

tischen Geschehens ab. Die Befragten wurden gebeten, sich zustimmend oder ablehnend zu

der Aussage „Ich kann politische Fragen gut verstehen und einschätzen“ zu positionieren und

ihr Interesse an Politik von „sehr stark“ bis „überhaupt nicht“ einzuschätzen.

Autoritäre Orientierungen wurden im Rahmen des THÜRINGEN-MONITORs wiederholt als die

wichtigsten Einflussfaktoren auf rechtsextreme Einstellungen identifiziert (Edinger et al. 2007:

75f; Edinger et al. 2008: 81f). Dieser Befund hat deutschlandweit Gültigkeit (Decker et al. 2006:

72ff). Als Persönlichkeitseigenschaft verstanden, hebt Autoritarismus auf ein normatives Ori-

entierungssystem ab, das sich durch Unterwürfigkeit gegenüber „Stärkeren“, Aggressionen

gegen „Schwächere“ und die starke Bindung an konventionelle Werte konstituiert (Winkler

2000: 374f; Winkler 2005). Diese Haltungen sind auch in der Erfahrung eines durch hohe Ab-

lehnung und Bestrafung geprägten Erziehungsstils der Eltern begründet (Decker et al. 2006).

Dennoch gehören autoritäre Orientierungen nicht zu den in der Psychologie als grundlegend

angenommenen Persönlichkeitseigenschaften, denen eine hohe, wenngleich nicht absolute,

Page 65: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

65 REICHWEITE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Stabilität im Lebenslauf zugestanden werden muss (Asendorpf 2007: 147ff, 315ff). Der THÜRIN-

GEN-MONITOR erfasst die Tendenz zur Unterwürfigkeit der Befragten über die Zustimmung zu

der Aussage „In diesen Zeiten brauchen wir unbedingt eine starke Hand“. Latente Aggression

gegenüber Schwächeren ist als Zustimmung zu „Wer seine Kinder zu anständigen Bürgern er-

ziehen will, muss von ihnen vor allem Gehorsam und Disziplin verlangen“ operationalisiert.

Auch sozialstrukturelle Merkmale sind relevant für die Erklärung rechtsextremer Einflussfak-

toren. Die Konzentration der Rechtsextremismusforschung in den 1990er Jahren auf Jugend-

liche hat das Bild geprägt, in dem auch rechtsextreme Einstellungen besonders ein Problem

der jüngeren Alterskohorten sind, jedoch gilt für Thüringen, dass die Affinität zur rechtsextre-

men Ideologie mit dem Lebensalter leicht ansteigt (Best et a. 2012: 93ff). Ebenfalls ist bekannt,

dass Frauen in Thüringen in der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts deutlich stärker zur

rechtsextremen Ideologie neigten als Männer (Best et al. 2013: 104ff). Die Relevanz des höchs-

ten Bildungsabschlusses für die Erklärung rechtsextremer Einstellungen wurde auf Thüringer

und bundesdeutscher Ebene bestätigt (Edinger 2008: 81; Best et al. 2012: 94f; Decker et al.

2010: 24f).

Als Folge rechtsextremer Einstellungen, und damit ebenfalls indirekte Indikatoren, geraten

zudem die Parteineigung – die erhöhte Affinität zur rechten Parteien oder fehlende Parteinei-

gung – und die politische Partizipationsbereitschaft – stärkere Apathie gegenüber (legalen)

Partizipationsformen – in den Blick. Zwischen allen aufgeführten möglichen Ursachen/Korre-

laten/Folgen rechtsextremer Einstellungen findet sich in Thüringen, über die Gesamtheit der

Erhebungswellen, die zu erwartende bivariate statistische Assoziation mit der Rechtsextremis-

musskala, wie Tabelle A1 im Anhang entnommen werden kann. Dementsprechend können

diese Merkmale als indirekte Indikatoren des Rechtsextremismus gelten und in die Cluster-

analyse aufgenommen werden. Eine Ausnahme betrifft die Parteineigung, dieses Merkmal

wird nur in die Beschreibung jedoch nicht Definition der Einstellungstypen einfließen, da es,

ebenfalls wie die politische Links-Rechts-Selbsteinstufung, somit besser zur Validierung der

gefundenen Typen beitragen kann.

Kontextmerkmale

Kontextmerkmale des Wohnortkreises wurden in der Vergangenheit von der Rechtsextremis-

musforschung thematisiert, wenn sich die Frage nach der höheren Verbreitung rechtsextre-

mer Einstellungen in Ostdeutschland stellte. Sowohl für die rechtsextreme Ideologie als auch

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit konnte gezeigt werden, dass diese durch eine

schlechte ökonomische Lage des Wohnortkreises verstärkt werden. Der Ost-West-Unter-

schied im Ausmaß dieser Einstellungen, lässt sich fast gänzlich dadurch erklären, dass die wirt-

schaftliche Lage der Kreise und kreisfreien Städte in Ostdeutschland im Schnitt schlechter ist

als in den alten Bundesländern. In wirtschaftlich schwachen Kreisen Westdeutschlands, sind

Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus im Wesentlichen auf „ostdeutschem“ Niveau.

Page 66: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

66 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Analysen dieser Art sind jedoch entweder fokussiert auf Gruppenbezogene Menschenfeind-

lichkeit (Hüpping & Reinecke 2007) oder basierend (lediglich) auf einem Vergleich von Hessen

und Thüringen (Quent 2012).

Weiterhin thematisiert werden Kontextmerkmale im Rahmen der Kontakthypothese. Deren

Ausgangspunkt ist die Annahme, dass wiederholte persönliche Begegnungen mit Fremden

dazu beitragen können, bestehende Vorurteile und Ressentiments abzubauen (Asbrock et al.

2012). Die Erfahrung von kulturübergreifenden Gemeinsamkeiten führt zu wachsendem Ver-

ständnis gegenüber zunächst als fremdartig empfundenen Denk- und Lebensweisen. Die nied-

rige außerdeutsche Zuwanderung in die neuen Bundesländer schafft nur wenige Möglichkei-

ten für als alltäglich und normal empfundene interkulturelle Kontakte. Ältere Alterskohorten

wurden zudem in der DDR fast gänzlich von (den meisten) ausländischen Zuwanderern/Gast-

arbeitern abgeschottet (Poutrus 2000). In gesamtdeutscher Perspektive hingegen können Ge-

biete mit hohem Ausländeranteil auch die Wahrnehmung von Zuwanderern als Konkurrenz

fördern (Scheepers 2002) und somit Fremdenfeindlichkeit verstärken. In den neuen Bundes-

länder und Thüringen (mit einem Migrantenanteil von 4 Prozent) existieren solche Ballungs-

zentren jedoch nicht.

Von diesen wenigen theoretischen Annahmen abgesehen, müssen wir für die Analyse des Zu-

sammenhangs von Kontextmerkmalen auf Kreisebene mit Einstellungsdaten auf Individual-

ebene eine explorative Perspektive einnehmen und vor allem indirekte Indikatoren auf Kreis-

ebene zusammentragen. Auch eine explorative Analyse bietet die Möglichkeit, das Informati-

onsbedürfnis von im lokalen Raum angesiedelten Prä- und Interventionsprogrammen bedie-

nen zu können. Für die Planung von Programmen dieser Reichweite werden von den verant-

wortlichen Akteuren bereits Strukturdaten auf lokaler Ebene zur Ermittlung des Gefährdungs-

potentials einer Region ausgewertet (Best & Schmidtke 2013: 12). Die Exploration des Zusam-

menhanges von Kontexten und Einstellungen kann den Organisatoren weitere hilfreiche Hin-

weise geben.

Folgende Merkmale der Kreise wurden auf ihren Zusammenhang mit ethnozentristischen und

neo-nationalsozialistischen Einstellungen überprüft:

Sozialstruktur der Thüringer Kreise Bevölkerungsdichte (Einwohner je Quadratkilometer)

Geschlechterverhältnis und Altersstruktur

Ab- und Zuwanderungsrate (Verhältnis zu Bevölkerungsanzahl) und Wanderungssaldo

Migrantenanteil

Haushaltstruktur (relativiert an Anzahl privater Haushalte)

Eheschließungen und -scheidungen (relativiert an Bevölkerungszahl)

Familien und sonstige Lebensformen (relativiert an Bevölkerungszahl)

Straftaten (Anzahl pro 10000 Einwohner_innen)

Widerstand gegen die Staatsgewalt

Straftaten gegen das Waffengesetz

Page 67: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

67 REICHWEITE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Gewaltkriminalität, Straßenkriminalität17

Diebstahl von/an/aus KFZ und Fahrrädern, aus Wohnräumen, aus Gewerberäumen

Ökonomische Lage der Thüringer Kreise Arbeitslosenquote (auch Anteil unter Männern, Anteil unter Frauen, Anteil der Arbeitslosen unter

25 Jahren (Jugendarbeitslosigkeit), Anteil Langzeitarbeitslose)

Erwerbstätigenquote

Bruttoinlandsprodukt (und je Erwerbstätigen)

Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer

Haushaltsnettoeinkommen (relativiert an Anzahl privater Haushalte)

Primärer Wirtschaftssektor der Region

Unternehmensinsolvenzen

Politisch-gesellschaftliche Struktur der Thüringer Kreise Anzahl Bildungseinrichtungen (relativiert an Bevölkerungszahl)

Wahlergebnisse und -beteiligung (Bundestags, Landestags, Kreistags-/Stadtratswahlen)

Anteil Kirchenmitglieder (relativiert an Bevölkerungszahl)

Anteil Mitglieder Sportvereine (Kinder, Erwachsene; relativiert an Bevölkerungszahl)

Eine mehr als zufällige Assoziation mit ethnozentrischen und neo-nationalsozialistischen Ein-

stellungen, die eine gewisse statistische Stärke erreicht, um als relevant gelten zu können,

besteht erwartungsgemäß nur mit wenigen dieser Kontextmerkmale. Tabelle 5 beschreibt alle

gefunden Zusammenhänge und Tabelle A2 im Anhang weist alle entsprechenden statistischen

Koeffizienten aus. Der vermutete Einfluss des Ausländeranteils in einem Wohnortkreis bestä-

tigt sich, Befragte aus diesen Kreisen weisen unterdurchschnittlich häufig rechtsextreme Ein-

stellungen auf. Es fällt auf, dass Befragte aus wirtschaftlich schwächeren Kreisen zwar der neo-

nationalsozialistische Ideologie erwartungsgemäß stärker zustimmen, ethnozentristische Ein-

stellungen davon jedoch nur in einem so geringen Maß beeinflusst werden, dass wir dies als

Nicht-Zusammenhang interpretieren müssen. Der Einfluss der Wirtschaftslage der Kreise auf

neo-nationalsozialistische Einstellungen müssen immer auch als Aggregateffekt begriffen wer-

den. Neben dem Ausländeranteil ist auch ein höhere Bevölkerungsdichte und ein größerer

relativer Anteil an Single-Haushalten mit niedrigeren Ethnozentrismus in den entsprechenden

Kreisen assoziiert, dies weist auf die geringere Verbreitung dieser Einstellungen in mehr städ-

tischen Gebieten hin. Für die Akzeptanz der NS-Ideologie finden sich jedoch keine Zusammen-

hänge mit Bevölkerungsdichte und der Siedlungsstruktur. Auch ist die Altersstruktur unter-

schiedlich mit den beiden Dimensionen rechtsextremer Einstellungen assoziiert: Ein erhöhter

Anteil 15- bis 18-Jähriger Jugendlicher geht mit stärkerer Verbreitung neo-nationalsozialisti-

scher Orientierungen einher, relativ mehr 15- bis 30-Jährige in einem Kreis fallen jedoch mit

niedrigeren ethnozentristischen Einstellungen zusammen. Auf Individualebene ist der Zusam-

menhang mit dem Lebensalter für beide Dimensionen linear und positiv, das heißt mit stei-

genden Alter steigt die Affinität zu rechtsextremen Einstellungen.

17 Straßenkriminalität umfasst alle Straftaten, die zu öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen einen speziellen Bezug haben. Dazu zählen Raubüberfälle auf Geld-, Werttransporter, Handtaschenraub, Sachbeschädigungen an Kfz, Diebstähle in/aus Kiosken, Schaufenstern und Vitrinen, Fahrraddiebstähle, Automatenaufbrüche etc.

Page 68: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

68 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Tabelle 5: Zusammenhang Indikatoren des Wohnortkreises mit rechtsextremen Einstellungen

Neo-nationalsozialistische Ideologie

Sozialstruktur Wohnortkreis: Erhöhter Anteil 15- bis 18-Jährige ist korreliert mit höherer Akzeptanz der NS-Ideologie, um-

gekehrtes gilt für den Anteil der 25- bis 30-Jährigen und unter 6-Jährigen In Kreisen mit erhöhter Zu- und Fortzugsrate relativ zur Bevölkerungszahl sind neo-nationalso-

zialistische Einstellungen seltener Höherer Ausländeranteil fällt mit niedrigerer Akzeptanz der NS-Ideologie zusammen

Ökonomische Lage Wohnortkreis: in Kreisen mit höhere (Langzeit-)Arbeitslosigkeit, niedrigeren Arbeitnehmerentgelten, niedri-

gerem Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen, relativ mehr Haushalten mit niedrigem Netto-einkommen (unter 1500 Euro) ist Zustimmung zu NS-Ideologie höher

Politische-gesellschaftliche Kultur Wohnortkreis: Höhere Wahlbeteiligung und höherer Anteil Zweitstimmen für die GRÜNEN in Bundes-/Land-

tagswahlen ist assoziiert stärkerer Ablehnung der NS-Ideologie Seit 2009: erhöhter Anteil Zweitstimmen für NPD in Bundestagswahl ist assoziiert stärkerer

Zustimmung zur NS-Ideologie

Ethnozentrismus

Sozialstruktur Wohnortkreis: höhere Bevölkerungsdichte und höherer Anteil Single-Haushalte sind assoziiert mit geringe-

rem Ethnozentrismus Höherer Ausländeranteil, mehr Wanderungsbewegungen relativ zur Bevölkerungsanzahl fällt

mit geringerem ethnozentristischen Einstellungen zusammen Kreise mit höherem Anteil 18- bis 30-Jähriger weisen geringeren Ethnozentrismus auf, umge-

kehrtes gilt für 40- bis 50-Jährige Kriminalität: Einwohner von Kreisen mit überdurchschnittlich häufigen Diebstählen

von/an/aus KFZ und Fahrrädern und häufigerem Widerstand gegen die Staatsgewalt (beides relativiert an Bevölkerungszahl) sind weniger ethnozentristisch

Ökonomische Lage Wohnortkreis: In Kreisen mit relativ mehr Haushalten mit niedrigem Nettoeinkommen (unter 900 Euro) ist

Ethnozentrismus stärker verbreitet

Politische-gesellschaftliche Kultur Wohnortkreis: Bevölkerung in Kreisen mit Hochschulen/Universitäten ist weniger ethnozentristisch höherer Anteil Zweitstimmen für die GRÜNEN in Bundes-/Landtagswahlen ist assoziiert mit

geringerem Ethnozentrismus höherer Anteil Zweitstimmen für CDU in Bundes-/Landtagswahlen ist korreliert mit höherem

Ethnozentrismus Seit 2009: erhöhter Anteil Zweitstimmen für NPD in Bundestagswahl ist assoziiert mit höhe-

rem Ethnozentrismus

Anmerkung: Angaben basieren auf Daten der Erhebungswellen 2000, 2002, 2005, 2006 und 2008 bis 2012; statistische Koeffizienten sind Tabelle A2 im Anhang zu entnehmen, alle berichteten Korrelatio-nen sind höchst signifikant und liegen gleich/über einer Stärke von mindestens 0,075.

Das Delikt des Widerstandes gegen die Staatsgewalt tritt, relativiert an der Bevölkerungszahl,

häufiger in Kreisen auf, deren Einwohner_innen unterdurchschnittlich ethnozentristisch sind

Page 69: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

69 REICHWEITE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

und ist nicht korreliert mit der Affinität zur neo-nationalsozialistischen Ideologie. Es muss ge-

prüft werden, ob sich dieser Befund auch in den Ergebnissen der Milieuanalyse wiederfinden

lässt (ja, siehe weiter unten).

Hinsichtlich der politischen Kultur der Kreise kann es als Hinweis auf die Validität dieser Ergeb-

nisse verstanden werden, dass die NPD in Wohnortkreisen mit erhöhten rechtsextremen Ein-

stellungen unter der Bevölkerung auch ein höheren Anteil an Zweitstimmen in den Bundes-

und Landtagswahlen von 2009 erreichen konnte (nicht so die Republikaner), für den Wahler-

folg der NPD bei Kommunalwahlen findet sich dieser Zusammenhang jedoch nicht. Dies ist ein

Hinweis darauf, dass die NPD im lokalen Kontext

Zudem fällt ein überdurchschnittlich hoher Wahlerfolg den GRÜNEN, sowohl bei Landtags-,

Bundestags- und Kommunalwahlen, über die Jahre konstant mit geringeren rechtsextremen

Einstellungen der Bevölkerung zusammen, während ein überdurchschnittlicher Wahlerfolg

der CDU leicht erhöhte ethnozentristische Einstellungen unter den Keiseinwohner_innen an-

deutet. Diese Zusammenhänge replizieren im Wesentlichen die Befunde auf der Individual-

ebene (siehe Tabelle A1 des Anhangs), sind also (auch oder wesentlich) Aggregateffekte.

Politische Milieus in Thüringen

Eine Vielzahl an individuellen sowie einige Kontextmerkmale können als relevant für die Ent-

stehung und Verstärkung rechtsextremer Einstellungen gelten oder sind mit diesen über ge-

meinsame Ursachen korreliert. Die Vielzahl an relevanten Ursachen und Korrelaten macht es

schwierig, deren Wirkung auf rechtsextreme Einstellungen adäquat darzustellen. (Die Ausfüh-

rungen im THÜRINGEN-MONITOR 2012 zu den Ursachen des Rechtsextremismus in Thüringen mö-

gen hierfür (leider) auch als Beispiel dienen.) Hinzu kommt, dass die Annahmen über ursäch-

liche Zusammenhänge, die nötig sind, um die unterschiedlichen Einflussfaktoren des Rechts-

extremismus zu strukturieren und zueinander in Beziehung zu setzen häufig weit spezifischer

sind, als mit umfragebasierten Querschnittsdaten geprüft werden kann. Typischerweise be-

schreibt die Rechtsextremismusforschung auf Einstellungsebene dann auch nur die wichtigs-

ten Einflussfaktoren einschließlich deren Wirkungen. Wenngleich dieses Vorgehen metho-

disch abgesichert ist, trägt es zu einem verzerrten Bild über die Verbreitung rechtsextremer

Einstellungen in der Bevölkerung bei. Es wird suggeriert, dass Ethnozentrismus und neo-nati-

onalsozialistische Präferenzen ein Problem der Deprivierten, formal gering Gebildeten und

Autoritären in der Gesellschaft sind, da dies die wichtigsten erklärenden Variablen für rechts-

extreme Einstellungen sind. In Thüringen jedoch muss sich die Politik, Zivilgesellschaft und

auch die Forschung damit auseinandersetzen, dass bereits der „Durchschnittseinwohner“

Thüringens von 2001 bis 2014 teilweise ethnozentristisch eingestellt ist18. Gegen den Extre-

mismusbegriff und das zugrundeliegende Konzept wird häufig angebracht, dass es antidemo-

kratische, fremdenfeindliche Einstellungen bereits auf sprachlicher als auch theoretischer

18 Der Mittelwert der Dimension Ethnozentrismus aller Befragten über die Jahre 2000 bis 2014 liegt bei 2,5 und damit genau in der Mitte der Skala zwischen überwiegend Zustimmung und überwiegend Ablehnung.

Page 70: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

70 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Ebene in gesellschaftlichen Randgruppen verortet (Forum für kritische Rechtsextremismusfor-

schung (Hg.) 2011). Unseres Erachtens wird dies jedoch zu einem nicht unwesentlichen Teil

verursacht durch die Konzentration der quantitativen und bevölkerungsrepräsentativen

Rechtsextremismusforschung auf die Korrelation (Regression) zwischen Erklärungskonzepten

und Skalen zu Rechtsextremismus oder Menschenfeindlichkeit.

Wenngleich auch wir nicht die eine, alle Probleme beseitigende alternative Analysemethode

in der Hinterhand haben, wollen wir im Folgenden zumindest ein, das Auswertungsspektrum

womöglich erweiterndes Verfahren, anwenden und für die Rechtsextremismusforschung eva-

luieren: die aus der Milieutheorie abgeleitete Clusteranalyse.

Methode und Datenbestand

Der Grundgedanke der Clusteranalyse ist es (Blasius & Werner 1992; Ciampi et al. 2005;

Fonseca 2013), eine Stichprobe in Gruppen (Cluster) zu klassifizieren, deren Gruppenmitglie-

der hinsichtlich vom Anwender vorgegebener Merkmal innerhalb einer Gruppe möglichst ähn-

lich, zwischen den Gruppen jedoch möglichst heterogen sind. Sie gilt als holistisches Auswer-

tungsverfahren, da die gesamte Stichprobe in Gruppen aufgeteilt wird. Es besteht dabei je-

doch die Gefahr, dass die gefundenen Cluster inhaltlich bedeutungslos sind oder von den For-

schern nicht adäquat interpretiert werden. Als Oberbegriff einer Familie von verschiedenen

Verfahren, muss bei einer Clusteranalyse bestimmt werden, wie sich Ähnlichkeit zwischen Be-

fragten in einem speziellen Auswertungskontext definieren und nach welcher Schrittfolge die

Fälle zu Clustern zusammengeführt werden sollen (Backhaus et al. 2006: 489ff). Denn da es

sich um eine eher explorative Methoden handelt, beginnt jede Clusteranalyse mit so vielen

Gruppen, wie Fälle in die Analyse einfließen und endet mit einer Gruppe, die alle Befragte

umfasst. Zwischen diesem Anfangs- und Endpunkt liegen viele Schritte, in denen die Befragten

nach einem bestimmten Algorithmus zu einer immer geringer werdenden Anzahl an Gruppen

zusammengefasst werden, die, gemessen anhand eines bestimmten Ähnlichkeitsmaßes, so

homogen wie möglich sind. Für die sozialwissenschaftliche Analyse hat sich die quadrierte

euklidische Distanz als Ähnlichkeitsmaß und die Ward-Methode als Algorithmus zur Zusam-

menführung der Befragten zu Clustern als sehr gut anschlussfähig zu anderen etablierten Aus-

wertungsverfahren erwiesen (Ebd.).

Das wichtigste jedoch ist die Bestimmung der Merkmale, anhand derer die Befragten zu ho-

mogenen Gruppen klassifiziert werden sollen. Es ist möglich, alle in dem vorangegangen Ab-

schnitt identifizierten indirekten Indikatoren für rechtsextreme Einstellungen in die Analyse

aufzunehmen, dies wäre jedoch wenig sinnvoll. Vielmehr begreifen wir politische Milieus de-

finiert über die kognitiven Bewertungen der Thüringer von gesellschaftlichen Akteuren, Ent-

wicklungen, Ordnungsvorstellungen wie auch die Einschätzung der eigenen Position in dieser

Gesellschaft. Wir legen uns deshalb darauf fest, dass alle der oben aufgeführten indirekten

Indikatoren des Rechtsextremismus die Cluster definieren sollen, die subjektive Einstellungen,

Wahrnehmungen und Bewertungen erfassen. Beschrieben werden können gefundene Cluster

jedoch nach allen möglichen Merkmalen, wobei im gegebenen Kontext eine Begrenzung auf

Page 71: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

71 REICHWEITE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

alle identifizierten objektiven indirekten Indikatoren rechtsextremer Einstellungen, also sozi-

odemografische und Kontextmerkmale, sowie grundlegende Politische Dispositionen, wie die

Parteineigung und die politische Selbsteinstufung, angebracht ist. Einen Überblick aller in die

Clusteranalyse eingeflossenen Individualmerkmale gibt Tabelle A3 im Anhang.

Schlussendlich muss entschieden werden, wie mit Erhebungswellen umgegangen werden

kann, in denen ein oder mehrere indirekte Indikatoren rechtsextremer Einstellungen nicht er-

hoben wurden. Insbesondere die gesellschaftliche Desintegration anzeigenden Statusver-

lustängste und Anomie wurden nur in einem kleineren Anteil der Erhebungen des THÜRINGEN-

MONITORs gemessen und können deshalb nicht in die Clusteranalyse aufgenommen werden.

Jedoch können die gefundenen Einstellungstypen dennoch anhand dieser Merkmale beschrie-

ben werden, wenngleich diese Angaben dann auf einer geringeren Datenbasis fußen. Gleiches

trifft für die Beschreibung der Gruppen nach den Kontextmerkmalen des Wohnortkreises zu,

da die Wohnortkreiszugehörigkeit wie bereits oben erwähnt nur in den Jahren 2000, 2002,

2005, 2006 und 2008 bis 2013 erfasst ist.

Oftmals jedoch wurde ein für die Clusteranalyse relevantes Merkmal nur in ein oder zwei Er-

hebungswellen nicht erfragt19, deshalb jeweils die gesamte Welle auszuschließen hieße, auch

auf die Information der Befragung zu den vielen anderen Merkmalen zu verzichten. Dies je-

doch lässt die Datenbasis unnötig zusammenschrumpfen. Wir haben uns deshalb entschieden,

einzelne Merkmale, die in bestimmten Jahren nicht gemessen wurden, mit den Mittelwerten

des voraus- und nachfolgenden Jahres zu ersetzen, differenziert nach Alters-, Bildungsgruppen

und Geschlecht. Die negativen Folgen solcher Mittelwertersetzungen bestehen darin (Howell

2007: 117ff), dass Zusammenhänge zwischen Merkmalen an statistischer Stärke verlieren, da

in den betreffenden Wellen zwar grundlegende soziodemografische Muster durch die Mittel-

wertersetzungen repliziert werden, aber nicht darüberhinausgehende Assoziationen zwischen

den Merkmalen. Der Vorteil ist jedoch, dass tatsächlich gefundene Zusammenhänge auf einer

repräsentativeren Stichprobe basieren und damit zuverlässiger sind. Wenngleich einzelne

Wellen Mittelwertersetzungen für wenige Merkmale aufweisen, werden die Daten des jewei-

ligen Jahres für die restlichen Merkmale dennoch ausgewertet. Da insgesamt über 20 Merk-

male in die Clusteranalyse einfließen, werden die negativen Folgen von Mittelwertersetzun-

gen durch die deutlich breitere Datenbasis mehr als aufgewogen.

Die Durchschnittseinwohnerin Thüringens

Die über die Clusteranalyse gefundenen, hinsichtlich ihrer politischen Einstellungen, homoge-

nen Gruppen können sowohl relativ zueinander als auch im Vergleich zu dem Bevölkerungs-

durchschnitt interpretiert werden. Dafür ist es lohnenswert, sich den durchschnittlichen Ein-

wohner Thüringens im Zeitraum 2000 bis 2013 bezüglich der hier relevanten Einstellungen

und Eigenschaften vor Augen zu führen (Tabelle 6). Sie ist etwa 49 Jahre, hat einen Realschul-

abschluss, ist berufstätig (Angestellte oder Beamtin) und lebt in einem Ort bis etwa 20.000

19 Eine vollständige Übersicht aller im Rahmen des Thüringen-Monitors seit 2000 erhobenen Merkmale liegt der Thüringer Staatskanzlei vor und kann auch bei den Autor_innen angefragt werden.

Page 72: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

72 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Einwohnern. Mit Thüringen identifiziert sie sich am meisten. Pflichtbewusstsein betrachtet sie

als wichtigsten Wert im Leben, damit einher geht eine eher autoritäre Orientierung. Sie ist

nicht ganz zufrieden mit ihrer finanziellen Lage und sieht sich von der Gesellschaft um ihren

gerechten Anteil zum Leben gebracht. Auch die Wirtschaftslage Thüringens schätzt sie als we-

niger gut ein, meint jedoch, dass sich Thüringen vor den alten Bundesländern nicht verstecken

muss. Die Einheit hatte für sie mehr Vor- als Nachteile, auch wenn sie teilweise eine Diskrimi-

nierung der Ostdeutschen durch die Bürger der alten Bundesländer zu erkennen meint. Sie

hat Angst vor dem gesellschaftlichen Abstieg und fühlt sich orientierungslos ist der Schnellle-

bigkeit der Gegenwart. An Politik ist sie im mittleren Ausmaß interessiert, hält sich aber für

kompetent beim Verstehen und Einschätzen politischer Fragen. Sie glaubt nicht, dass Men-

schen wie sie selbst tatsächlich Einfluss auf das hat, was die Regierung tut und ist eher davon

überzeugt, dass die Parteien letztlich doch nur an ihrer Wahlstimme interessiert sind, anstatt

an ihren Ansichten. Der Bundes- und Landesregierung vertraut sie entsprechend nur zum Teil.

Die Demokratie hält sie dennoch für die beste aller Staatsideen, nur mit der Demokratie, wie

sie in der Praxis funktioniert, ist sie unzufrieden. Sie kann der DDR im gleichen Maß positive

und negative Seiten abgewinnen, aber eine Rückkehr zur sozialistischen Ordnung lehnt sie

strikt ab. Obwohl sie meint, nicht viel Einfluss auf das politische Geschehen nehmen zu kön-

nen, hat sie mittlere Erfahrung mit politischer Partizipation bzw. signalisiert Bereitschaft zu

dieser. Illegale Partizipationsformen lehnt sie für sich ab. Sie hat keine feste Parteineigung und

sieht sich etwas links bis mittig im politischen Spektrum verortet. Die überkommene national-

sozialistische Ideologie lehnt sie ab, ist aber teilweise ethnozentristisch.

Ihr Wohnortkreis ist eher dünn besiedelt, verliert jedes Jahr mehr Einwohner durch Fortzüge,

als durch Zuzüge gewonnen werden. Der Ausländeranteil beträgt nur 2,1 Prozent, obwohl es

auch Kreise in Thüringen mit (zeitweise) über 6 Prozent Ausländeranteil gibt. Die Arbeitslo-

senquote in ihrem Kreis liegt bei 13 Prozent, es gibt Kreise mit zeitweise einem Viertel Arbeits-

losen, aber auch solche mit einer Quote von unter 5 Prozent. Langzeitarbeitslose liegen in

ihrer Region bei einer Quote von 5 Prozent, Thüringen kannte in den letzten Jahren Quoten

von bis zu 15 Prozent und auch Kreise, in denen es faktisch keine Langzeitarbeitslosen gibt.

Das Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer beträgt etwa 26.557 EUR in ihrem Wohnkreis, in

anderen Kreisen bei wenig mehr als 22.000 EUR oder bis zu über 31.000 EUR. Ihre Wohnort-

region ist relativ sicher, Straßenkriminalität, Diebstahl aus Wohn- und Gewerberäumen

kommt anderswo in Thüringen bis zu anderthalbmal häufiger je 10.000 Einwohnern vor.

Insgesamt lässt sich die Thüringer Bevölkerung von 2000 bis 2013 in sechs politische Milieus

differenzieren, die im Folgenden in Hinblick auf ihre auffälligsten Abweichungen von der

Durchschnittseinwohnerin desselben Zeitraums charakterisiert werden sollen. Angeführt wer-

den dabei die durchschnittlichen Eigenschaften eines jeden Milieus. Dies soll nicht darüber

hinwegtäuschen, dass die Milieuforschung, wie die sozialwissenschaftliche Einstellungsfor-

schung generell, stets probabilistisch ist: In einem Milieu, das sich zum Beispiel durchschnitt-

lich zufrieden mit der eigenen finanziellen Situation zeigt, gibt es dennoch auch Thüringer_in-

nen, auf die das nicht zutrifft. Diese Befragten entsprechen dafür in anderen Merkmalen umso

stärker dem Standard des Milieus, dem sie zugeordnet wurden.

Page 73: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

73 REICHWEITE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Privilegierte Demokrat_innen

Das politische Milieu der privilegierten Demokraten (Tabelle 7) zeichnet sich über den Zeit-

raum von 2000 bis 2013 vor allem dadurch aus, dass in dieser Bevölkerungsgruppe die be-

kannten indirekten Indikatoren rechtsextremer Einstellungen weit unterdurchschnittlich vor-

zufinden sind. Diese elf Prozent umfassende Bevölkerungsgruppe begreift sich überdurch-

schnittlich häufig als Deutsch oder Europäisch und die eigenen Fähigkeiten zu entfalten ist der

wichtigste Wert in ihrem Leben, autoritäre Orientierungen sind in dieser Bevölkerungsgruppe

selten. Ökonomisch sind die Privilegierten, daher ihre Bezeichnung, überdurchschnittlich gut

gestellt, entsprechend betrachten Sie auch die Thüringer Wirtschaft überdurchschnittlich gut,

blicken positiv in die Zukunft und sind nicht anomisch. Begründet ist dieser wirtschaftliche

Erfolg in dem hohen Ausbildungsniveau, die kleinere Hälfte dieses Milieus sind Akademiker.

Dementsprechend arbeiten sie häufig als Angestellte und lediglich zwei Prozent unter ihnen

sind arbeitssuchend, prekäre Arbeitsstellen sind in diesem Milieu ebenfalls seltener. Studie-

rende sind in diesem Milieu selbstredend überrepräsentiert. Eine Diskriminierung der ost-

deutschen Bürger_innen können sie nicht erkennen, unter ihnen begreift sich jedoch gerade

einmal ein Prozent als vor allem Ostdeutsch. Das Milieu ist überdurchschnittlich an Politik in-

teressiert, sieht sich in der Lage, das politische Geschehen zu beeinflussen und partizipiert

dementsprechend auch überdurchschnittlich – wobei die Bereitschaft für illegale Partizipa-

tionsformen dabei noch geringer als im Thüringer Durchschnitt ausfällt. Privilegierte Demo-

kraten sind unter allen sechs Milieus am zufriedensten mit der Demokratie und vertrauen den

politischen Institutionen am stärksten. Sie distanzieren sich von der DDR, ebenso wie vom

Sozialismus, der neo-nationalsozialistischen Ideologie und ethnozentristischen Aussagen. Zur

PDS/Linken neigt diese Bevölkerungsgruppe unterdurchschnittlich häufig, die GRÜNEN sind

hingegen in keinem anderen politischen Milieu so gefestigt. Privilegierte Demokraten leben

erwartungsgemäß häufig in den Universitätsstädten und sonstigen wohlhabenden Ballungs-

zentren Thüringens, insbesondere ein hoher Anteil an Zweitstimmen für die GRÜNEN zeigt

eine stärkere Verbreitung dieses Typs in einem Kreis an. Über die Erhebungsjahre des THÜRIN-

GEN-MONITORs ist diese Bevölkerungsgruppe von acht auf aktuell 13 Prozent angestiegen.

Demokratiekritische Aktivist_innen

Unter diesem Milieu sind Frauen mit nur einem Anteil von 32 Prozent noch stärker unterre-

präsentiert, als unter den privilegierten Demokraten, mit denen die Gruppen der demokratie-

kritischen Aktivisten (Tabelle 8) viel gemeinsam hat. Auch sie begreifen sich überdurchschnitt-

lich als Europäisch, wenngleich nicht überdurchschnittlich als Deutsche. Sie sind eher nicht

autoritär und lehnen neo-nationalsozialistische und ethnozentristische Ideologeme ab. Sie

sind mit ihrer individuellen ökonomischen Situation zufrieden und befürchten auch keinen

Verlust ihrer gesellschaftlichen Position für die Zukunft. Herausstechend in dieser Bevölke-

rungsgruppe ist, dass sie trotz dieser guten Ausgangslage anomisch sind, kaum annehmen,

Einfluss auf das politische Geschehen nehmen zu können und dies mit ein erhöhter legalen

wie auch illegalen Partizipationsbereitschaft auszugleichen scheinen. Im Durchschnitt, und

Unterschied zu allen anderen politischen Milieus, zeigen diese Befragten die Bereitschaft für

Page 74: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

74 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

die Teilnahme an nicht genehmigten Demonstrationen an (89 Prozent des Milieus zu 19 Pro-

zent in der gesamten Bevölkerung). Sie sind außerdem überdurchschnittlich bereit für die An-

wendung politischer Gewalt (22 Prozent zu 8 Prozent bevölkerungsweit). Im Zusammenhang

damit steht, dass die demokratiekritischen Aktivisten auch das im Schnitt jüngste Milieu sind,

mit einem Durchschnittsalter von 43 Jahren. Zudem ist das Geschlechterverhältnis in diesem

Milieu mit zwei Dritteln Männern sehr unausgeglichen – dies ist auch begründet in der niedri-

geren Bereitschaft von Frauen zu illegalen Partizipationsformen. Politisch neigen demokratie-

kritischen Aktivisten den GRÜNEN überdurchschnittlich stark zu und ordnen sich linker als der

Durchschnitt der Bevölkerung ein. Wenngleich überdurchschnittlich gebildet, sind sie hinsicht-

lich ihrer Arbeitssituation nicht sonderlich privilegiert, mit nur einer etwas unterdurchschnitt-

lichen Arbeitslosenquote unter ihnen und einer typischen Häufigkeit an unsicher eingeschätz-

ten Arbeitsverhältnissen. Der demokratiekritische Aktivist lebt häufig in dichter besiedelten

Kreisen und kreisfreien Städten, die jedoch nicht außergewöhnlich wohlhabend sind und zu-

dem eine leicht erhöhte Straßenkriminalität aufweisen.

Zufriedene Thüringer_innen

Die Gruppe der zufriedenen Thüringer (Tabelle 9)kommt dem Durchschnittsthüringer am

nächsten und stellt ein Viertel der Thüringer Bevölkerung. Das Milieu hat mit einem Anteil von

73 Prozent häufiger eine Thüringer Identität als jedes andere Milieu. Weiterhin im Unterschied

zum Durchschnitt ist diese Gruppe mit der eigenen finanziellen Situation zufrieden und zieht

dementsprechend auch eine deutlich positive individuelle Bilanz aus der Wiedervereinigung,

wobei dieser Optimismus auch den Blick in die Zukunft färbt und keine Abstiegsängste auf-

kommen lässt. Darin begründet, positioniert sich der zufriedene Thüringer anders als der

Durchschnitt auch ablehnend zu ethnozentristische Aussagen, nicht nur zur neo-nationalsozi-

alistischen Ideologie. Neben den privilegierten Demokraten sind zufriedene Thüringer das Mi-

lieu, in dem die Bereitschaft zur illegalen Partizipation am geringsten ausgeprägt ist. Das Le-

bensumfeld, gemessen an dem Wohnortkreis, entspricht weitgehend dem Thüringer Durch-

schnitt, fällt jedoch mit einer besonders niedrigen Straßenkriminalität auf. Das Milieu ist seit

den Jahren 2000-2005 um sechs Prozentpunkte angewachsen. Aktuell können etwa 30 Pro-

zent der Thüringer_innen diesem Milieu zugeordnet werden, das sich am ehesten als „Mitte“

der Thüringer Gesellschaft begreifen lässt.

Konservative

Die Gruppe der von uns sogenannten Konservativen (Tabelle 10) ist eines der drei Milieus, in

denen ethnozentristische Einstellungen weit verbreitet sind. Konservative in Thüringen iden-

tifizieren sich, über den Zeitraum 2000 bis 2013, selten als Ostdeutsch, dafür besonders häufig

als Deutsch. Sie positionieren sich typischerweise politisch eher mittig und neigen überdurch-

schnittlich der CDU zu. In Hinblick auf weitere politische Einstellungen ist das Milieu von über-

durchschnittlichen autoritären Orientierungen geprägt. Dies ist die Ursache dafür, dass neo-

nationalsozialistische Einstellungen zwar auch in diesem Milieu überwiegend abgelehnt wer-

den, jedoch weniger nachtrüglich als unter drei bisher vorgestellten Milieus. Wenngleich sie

Page 75: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

75 REICHWEITE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

eine positive Einheitsbilanz ziehen, sind sie ökonomisch depriviert, dies liegt auch an dem un-

terdurchschnittlichen Bildungsniveau; Hauptschulabschlüsse sind in dieser Bevölkerungs-

gruppe mit 30 Prozent häufiger als in der gesamten Thüringer Bevölkerung zwischen 2000 und

2013 (23 Prozent). Über alle sechs identifizieren Einstellungsmilieus weisen die Konservativen

mit 51 Jahren das höchste Durchschnittsalter auf, darin ist vermutlich ihre geringe Partizipati-

onsbereitschaft begründet. Das höhere Durchschnittsalter kann jedoch nicht als Hinweis auf

einen Kohorten- bzw. Generationeneffekt interpretiert werden, denn der Anteil des konser-

vativen Milieus ist seit dem ersten Jahrfünft dieses Jahrtausends in Thüringen konstant bei

etwa 23 Prozent verblieben. Es bildet zusammen mit dem Milieu der zufriedenen Thürin-

ger_innen die breite Mitte der Thüringer Gesellschaft.

Wendeverlierer_innen

Die Wendeverlierer (Tabelle 11) sind am ehesten als Gegenstück der zufriedenen Thürin-

ger_innen zu begreifen. Auch sie haben vor allem eine Thüringer Identität, wenngleich sich

die kleinere Hälfte unter ihnen als ostdeutsch oder deutsch begreift. Unter dem Milieu sind

15 Prozent arbeitssuchend und etwa ein Fünftel in subjektiv als unsicher empfundenen Ar-

beitsverhältnissen beschäftigt. (Fach-)Arbeiter und Landwirte sind als Beruf in dieser Gruppe

mit einem Anteil von 25 Prozent überrepräsentiert. Erwartungsgemäß bewerten Befragte des

Milieus ihre finanzielle Lage schlechter als die Gesamtbevölkerung und haben die Befürch-

tung, auf die Verliererseite des Lebens zu geraten. Mitglieder dieses Milieus fühlen sich diskri-

miniert durch die westdeutschen Bürger_innen. Kein anderes der identifizierten politischen

Milieus zieht eine so deutlich negative Bilanz aus der deutschen Einheit. Es ist zu vermuten,

dass die Gruppe den Entwicklungen nach der Vereinigung die Schuld an ihrer prekären Situa-

tion und der mangelnden gesellschaftlichen Anerkennung gibt. Dementsprechend haben

diese Befragten auch eher kein Vertrauen in die Bundes- und Landesregierung und sind mit

der demokratischen Praxis unzufrieden. Dies ist vor allem auch als Bewertung der eigenen

Lebensverhältnisse zu DDR-Zeiten zu interpretieren, denn eine Rückkehr zur sozialistischen

Ordnung lehnt auch dieses Milieu (eher) ab und begreift die Demokratie als die (eher) beste

Staatsidee. Auch ist dieses Milieu nicht überdurchschnittlich autoritär geprägt und lehnt die

NS-Ideologie (eher) ab. Ethnozentrismus ist unter den Wendeverlierern genauso weit verbrei-

tet, wie unter dem konservativem Milieu: beide sind eher ethnozentristisch, liegen damit aber

nur unwesentlich über dem Durchschnitt der Thüringer Bevölkerung. Der Linkspartei neigen

die Befragten des Milieus stärker zu, als der Rest der Thüringer_innen, der CDU hingegen be-

sonders selten. Im Milieu der Wendeverlierer sind Frauen und Männer etwa gleich stark ver-

treten. Es ist stark überrepräsentiert in ländlichen Gegenden mit negativerem Wanderungs-

saldo als im typischen Umfeld der anderen Milieus. Die ökonomische Situation der Wohnort-

kreise entspricht jedoch wie die Kriminalitätsraten und die politische Kultur dem Thüringer

Durchschnitt. Das Milieu macht etwa ein Fünftel der Thüringer Gesellschaft aus, wobei bei es

seit Beginn des Jahrtausends von einem Viertel auf einen aktuellen Anteil von 18 Prozent ab-

genommen hat.

Page 76: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

76 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Abgehängte Antidemokrat_innen

Das von uns als abgehängte Antidemokraten bezeichnete Milieu ist im Schnitt sehr ethnozent-

ristisch ist, unterstützt durchschnittlich die neo-nationalsozialistische Gesellschaftsvorstellun-

gen, hält die Demokratie nicht für die beste Staatsidee und weist zudem eine starke autoritäre

Orientierung auf. Es ist in fast jeder Hinsicht ein extremes Milieu (Tabelle 12), in denen die

meisten bekannten Ursachen rechtsextremer Einstellungen zusammenfallen. Hinsichtlich ob-

jektiver Deprivationsfaktoren ist bemerkenswert, dass in diesem Milieu lediglich sieben Pro-

zent ein Abitur als höchsten Schulabschluss erworben haben, etwa die Hälfte davon sind Aka-

demiker. Die kleinere Hälfte, 41 Prozent, dieser Befragten haben einen Hauptschulabschluss.

Dies schlägt sich auf die Arbeitssituation nieder, denn mit einem Fünftel an Arbeitssuchenden

und ebenso vielen in unsicheren Arbeitsverhältnissen ist diese weit überdurchschnittlich pre-

kär. (Fach-)Arbeiter und Landwirte sind wie unter den Wendeverlierer_innen überrepräsen-

tiert. Subjektiv wird die eigene ökonomische Lage von den rechtsextremen Thüringer_innen

nicht anders beurteilt: ihr finanzielle Situation ist weniger gut, sie bekommen nach eigenem

Urteil zwischen etwas und viel weniger als das, was ihnen als gerecht empfundener Anteil

zukommt. Sie haben mehr Angst, auf die Verliererseite des Lebens zu geraten als jedes andere

Milieu und sind stark anomisch. Die Schuld für ihre deprivierte Lebenslage scheinen die Be-

fragten dieses Milieus einerseits in der Politik zu sehen, denn Vertrauen bringen sie der Bun-

des- und Landesregierung eher nicht entgegen und sind mit der Funktionsweise der Demokra-

tie generell unzufrieden. Sie sehen sich selbst jedoch auch kaum in der Lage, etwas an der

politischen Praxis zu ändern, haben ein unterdurchschnittliches Interesse für sowie (nach ei-

gener Einschätzung) Verständnis von politischen Fragen und sind wenig an politischer Partizi-

pation interessiert. Eine Ausnahme bildet die Anwendung politischer Gewalt, zu der sich ein

Fünftel dieses Milieus bereit zeigt, im Schnitt der Gesamtbevölkerung sind dies lediglich acht

Prozent. Die Sehnsucht nach alternativen, nicht demokratischen Gesellschaftsordnungen ist

unter diesem Milieu hoch und nicht differenziert nach einem klassischen Links-Rechts-

Schema. Sowohl die neo-nationalsozialistische Ideologie finden unter ihnen deutlich höhere

Unterstützung als in den anderen Milieus als auch die Idee einer Rückkehr zur sozialistischen

Ordnung. Dementsprechend können sie der DDR mehr positive als negative Seiten abgewin-

nen. Auf dem politischen Spektrum ordnen sich diese Befragte wie auch das konservative Mi-

lieu im Schnitt eher mittig ein. Den Volksparteien neigt diese Befragtengruppe weniger als der

Thüringer Durchschnitt zu, dafür ist eine fehlende Parteineigung unter ihnen häufiger. Rech-

ten Parteien neigen die Befragten dieses politischen Milieus zwar häufiger zu als alle andern

Milieus, jedoch auf einem sehr niedrigen Niveau mit einem Anteil von zwei Prozent bei einem

bevölkerungsweiten Anteil von einem Prozent.

Abgehängte Antidemokrat_innen sind zu mehr als zwei Drittel Frauen. Dies mag den gängigen

Vorstellungen über den rechtsextremen „Prototyp“ widersprechen und betont, wie stark

rechtsextreme Einstellungen in konkreten (prekären) Lebenssituationen verankert sind. Das

Wohnumfeld des rechtsextremen Milieus ist typischerweise stark ländlich geprägt mit Städten

von bis zu 20.000 Einwohnern mit einem normalen Ausländeranteil von etwas über zwei Pro-

zent. Stärker vertreten ist das Milieu in Kreisen mit hohen Arbeitslosenquoten und, obwohl

Page 77: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

77 REICHWEITE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

kein Großstadtmilieu, überdurchschnittlichen Raten an Straßenkriminalität sowie an Diebstahl

aus Wohn- und Gewerberäumen. Zwischen den Jahren 2000 und 2013 sind acht Prozent der

Thüringer_innen dem Milieu der abgehängten Antidemokraten zuzuordnen. Mit einem aktu-

ellen Anteil von sechs Prozent ist der Anteil des Milieus an der Gesamtbevölkerung über die

Jahre auf geringem Niveau rückläufig

Konklusion: Zur Reichweite der Rechtsextremismusmessung

Die Ergebnisse der Milieu- bzw. statistischen Clusteranalyse veranschaulichen die Tragweite

der Befunde des ersten Abschnitts zur Güte der Messung des Rechtsextremismus: Dass sich

rechtsextreme Einstellung in zwei Dimensionen, Ethnozentrismus und die neo-nationalsozia-

listische Ideologie, unterscheiden lassen, ist als Befund nicht nur für die theoretisch präzise

und methodisch saubere Messung relevant, sondern auch für das Verständnis der Verbreitung

rechtsextremer Einstellungen innerhalb der Bevölkerung. Zusammen mit der Befürwortung

einer nationalsozialistischen Gesellschaftsordnung und der Ablehnung der Demokratie treten

ethnozentrische Einstellungen „nur“ im Milieu der abgehängten Antidemokraten auf, gemein-

sam mit allen bekannten Ursachen rechtsextremer Einstellungen, die vom THÜRINGEN-MONITOR

erfasst werden. Dieses Milieu ist überrepräsentiert in wirtschaftlich schwachen Kreisen, die

jedoch nicht überdurchschnittlich von Abwanderung betroffen sind und eine für Thüringen

normale Bevölkerungsdichte aufweisen. Umso auffälliger ist, dass entsprechende Regionen

dennoch mit die höchsten Kriminalitätsraten aufweisen, verglichen zu den regionalen Verdich-

tungsräumen der anderen fünf politischen Milieus. Diesem Milieu ist jedoch nur ein kleiner

Anteil der Thüringer Bevölkerung zuzuordnen. Ethnozentrische Einstellungen sind hingegen

so weit unter den Thüringer_innen verbreitet, dass sie für den Zeitraum von 2000 bis 2013 in

diesem Sinn als normal angesehen werden müssen. Einen „Extremismus der Mitte“ gibt es in

Thüringen jedoch nicht: Antidemokratische und neo-nationalsozialistische Einstellungen fal-

len zusammen mit einer wirtschaftlich prekären Lebenssituation sowie der starken Entfrem-

dung von Politik als auch politischen Akteuren.

Doch auch ethnozentrische Einstellungen sind nicht zufällig in der Bevölkerung verteilt, neben

dem Milieu der Antidemokraten kommen sie vor allem unter Gruppen der Bevölkerung vor,

die dem „Prototyp“ des Wendeverlierers entsprechen sowie unter einem eher klassischen

(ostdeutschen) konservativem Milieu. Erstgenannte sind wirtschaftlich ähnlich depriviert, wie

Bürger_innen des antidemokratischen Milieus, jedoch halten sie noch einigermaßen an der

Idee der Demokratie fest und sind auch gewillt, sich in das politische Leben einzubringen.

Räumlich konzentriert ist dieses Milieu vor allem in besonders einwohnerschwachen Kreisen

(Ortschaften), die überdurchschnittlich unter Abwanderung leiden. Die Konservativen sind

weder von einer individueller noch einer sozialräumlichen Deprivationslage betroffen und zie-

hen dementsprechend für sich auch eine positive Einheitsbilanz. Sie sind jedoch autoritärer

als jedes andere Milieu, von dem antidemokratischen Milieu abgesehen, ordnen sich wie die-

ses politisch eher mittig ein und neigen außerdem der CDU besonders stark zu (leben jedoch

Page 78: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

78 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

nicht gehäuft in Kreisen, mit überdurchschnittlichen Wahlerfolgen für die CDU). Die ethno-

zentristischen Einstellungen dieses Milieus sind also mit der Deprivationstheorie nicht zu er-

klären, damit jedoch könnten Argumente und Aufklärungsarbeit in diesem Milieu besonders

fruchtbar sein.

Deutlich überdurchschnittlich ablehnend eingestellt gegenüber rechtsextremen Paraphrasen

sind die Privilegierten und die (dennoch) demokratiekritischen Aktivisten sowie zufriedene

Thüringer_innen. Letztere fallen durch ihre starke Thüringer-Identität auf, sind zufrieden mit

ihrer finanziellen Lage und auch objektiv sowie sozialräumlich nicht depriviert, sondern ent-

sprechen, wie das konservative Milieu, sehr weit dem Thüringer Durchschnitt. Einzig auffällig

ist, dass sie häufig in besonders sicheren, das heißt unterdurchschnittlich von Straßenkrimina-

lität betroffenen Regionen leben. Wie die Konservativen ziehen sie eine positive Einheitsbi-

lanz. Das Milieu der zufriedenen Thüringer_innen nimmt anteilig über die Jahre hin zu und

kann als Erfolg der Entwicklung Thüringens seit der Wende betrachtet werden.

Abbildung 21: Anteil rechtsextrem Eingestellter in den politischen Milieus 2000-2013

Die privilegierten Demokratien und demokratiekritischen Aktivisten sind zwei überdurch-

schnittlich junge Milieus. Die Privilegierten sind mit ihrer Lebenssituation, soweit sie hier er-

fasst werden konnte, rundum zufrieden und auch objektiv begünstigt durch ein hohes Bil-

dungsniveau, geringe Arbeitslosigkeit und wenig unsichere Arbeitsplätze. Sie leben in den

wohlhabenden Ballungsgebieten und Universitätsstädten Thüringens, Studierende sind unter

ihnen deutlich überrepräsentiert sowie auch, damit einhergehend, ein Selbstverständnis als

Deutsche oder Europäer. Wie für die Aktivisten ist es der wichtigste Wert in ihrem Leben, die

eigenen Fähigkeiten zu entfalten. Sie sind das „Akademikermilieu“ der Thüringer Gesellschaft

und neigen erwartungsgemäß den GRÜNEN überdurchschnittlich zu. Von ihnen lassen sich die

1%

6%

9%

33%

33%

73%

24%

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Privilegierte Demokraten

Demokratiekritische Aktivisten

Zufriedene Thüringer

Konservative

Wendeverlierer

Abgehängte Antidemokraten

Thüringen 2000-2013

Page 79: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

79 REICHWEITE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Aktivisten unterscheiden, die zwar ebenfalls ein überdurchschnittliches Bildungsniveau auf-

weisen, aber (dennoch) objektiv nicht privilegiert sind. Sie sind durchschnittlich von Arbeits-

losigkeit und als prekär empfundener Beschäftigung betroffen, leben in bevölkerungsreichen

aber nicht überdurchschnittlich wohlhabenden Regionen. Sie sind dennoch nicht relativ de-

priviert. Definierend ist für dieses Milieu weiterhin, dass sie im Wesentlichen der Ansicht sind,

keinen Einfluss auf die Regierung oder die Parteien nehmen zu können, weswegen sie teil-

weise unzufrieden mit der demokratischen Praxis sind. Dies hat jedoch eine aktivierende Wir-

kung, denn sie zeigen eine erhöhte Bereitschaft für sowohl legale als auch tabuisierte Formen

der Partizipation. Es ist das einzige Milieu, das im Durchschnitt die Bereitschaft zu illegalen

Partizipationsformen, soweit diese vom THÜRINGEN-MONITOR erfasst werden können, anzeigt.

Auch bei der Interpretation der Ergebnisse der Milieu- bzw. Clusteranalyse darf nicht die Un-

schärfe, die der Einstellungsforschung generell anhaftet, vergessen werden: Abbildung 21 gibt

den Anteil rechtsextrem Eingestellter, nach der auf Seite 37 vorgeschlagenen Messung, in je-

dem der politischen Milieus wieder. Die Anteilswerte verdeutlichen, dass die Gruppe der pri-

vilegierten Demokraten ihre Bezeichnung verdient, unter ihnen sind lediglich ein Prozent

rechtsextrem Eingestellt – damit jedoch ist dieses Einstellungsmuster auch unter diesem Mi-

lieu nicht vollkommen ausgeschlossen. Die Antidemokraten sind zu fast drei Vierteln rechts-

extrem eingestellt, ein Viertel von ihnen fällt damit jedoch nicht unter diese Definition Rechts-

extremer. Die identifizierten politischen Einstellungsmilieus sind keine völlig homogenen

Gruppen, sondern wurden so homogen wie möglich gebildet. Anhand ihrer lassen sich Ver-

dichtungen von spezifischen Einstellungsmustern und Lebenssituationen ablesen, jedoch

keine deterministischen Zusammenhänge. Die Anteilswerte rechtsextrem Eingestellter wiede-

rum bilden nicht die gesamte Varianz des gemessenen Einstellungsraumes ab.

Es konnte demonstriert werden, dass die Milieuanalyse die Verbreitung ethnozentrischer und

neo-nationalsozialistischer Ideologeme in der Bevölkerung besser veranschaulichen kann als

herkömmliche Auswertungsverfahren, und diese Einstellungen immer auch auf verständliche

Weise in den Kontext der sonstigen komplexen Lebensumstände der entsprechenden Bevöl-

kerungsgruppen zu stellen vermag. In den zukünftigen jährlichen Berichten des THÜRINGEN-

MONITORs sollte von dieser Auswertungsperspektive stärker Gebrauch gemacht werden. Da

sich die Milieus, neben zu erwartenden Veränderungen, über die Jahre als stabil zeigen, kön-

nen die Einstellungsgruppen auch in zukünftigen Erhebungen identifiziert werden. Damit

ergibt sich die Möglichkeit, in (mehr-)jährlichen Abständen die identifizierten Milieus mit Hilfe

von einmalig gemessenen Merkmalen näher zu charakterisieren. Die zukünftigen Berichte des

THÜRINGEN-MONITORs hätten damit eine verbindende, Erkenntnisse über die politischen Milieus

in Thüringen kumulierende, Auswertungsperspektive, neben den jeweiligen Schwerpunktset-

zungen. Dies würde den umfangreichen Datenbestand des THÜRINGEN-MONITORs stärker aus-

reizen, als dies bisher mit dem deutschlandweit einzigartigen Projekt geschieht.

Page 80: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

80 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Tabelle 6: Eigenschaften des „Durchschnittsthüringers“ ab 18 Jahren 2000-2013

neo-NS-Ideologie und

Ethnozentrismus

Ablehnung der NS-Ideologie

Teilweise ethnozentristisch

Identität (%) Thüringer: 46 / Ostdeutsch: 15 / Deutsch: 29 / Europäisch: 9

Werte Wichtigster Wert: Pflichtbewusstsein

eher autoritäre Orientierung

Individuelle Deprivation Bewertung eigene finanzielle Lage als weniger gut bis gut

Erhält etwas weniger als gerechten Anteil

Kollektive Deprivation

(Ebene Thüringen)

Bewertung Wirtschaftslage als weniger gut

Positive Bilanz aus Westländervergleich

Ostdeutsche Deprivation Eher positive Einheitsbilanz

Unentschieden über Diskriminierung durch Westdeutsche

Desintegration* Teilweise Statusverlustängste, anomisch

Einstellungen zu Politik und

politischen Akteuren

Mittleres Politikinteresse

Hohe Eigenkompetenzzuschreibung

Fehlende Eigenwirksamkeitsüberzeugung

Teilweise Vertrauen in politische Institutionen

Demokratieunterstützung Demokratie beste Staatsidee

Eher unzufrieden mit demokratischer Praxis

DDR-Nostalgie und

Sozialismusaffinität

Unentschieden über DDR-Bewertung

Ablehnung einer Rückkehr zur sozialistischen Ordnung

Politische Partizipation Bereitschaft zu 2 von 4 Partizipationsformen

Kaum Bereitschaft zu illegalen Partizipationsformen

Parteiaffiliation (%) und

Selbsteinstufung

CDU: 19 / SPD: 17 / Linke: 10 / FDP: 2 / Grüne: 3 / Rechte: 1 / Keine: 42

etwas links bis mittig

Bildungsniveau (%) Hauptschule: 23 / Realschule: 45 / Abitur 11 / Hochschule: 21

Beruf (%) Berufstätig: 51 / Arbeitssuchend: 8 / prekärer Arbeitsplatz: 13

Angestellte: 33 / Arbeiter/Landwirte: 17

Altersdurchschnitt 49 Jahre

Geschlechterverhältnis Frauen: 51 Prozent

Wohnortgröße Über 5000 bis 20.000 Einwohner

Wohnortkreis: Sozialstruktur Einwohner je Quadratkilometer: 288 Wanderungssaldo: -340 Ausländeranteil: 2,1 %

Wohnortkreis: Ökonomie

Arbeitslosenquote: 12,8 %

Langzeitarbeitslosenquote: 5,0 %

Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer: 26.557 EUR

Wohnortkreis: Kriminalität

(Straftaten je 10.000 Einwoh-

ner)

Widerstand gegen Staatsgewalt: 3

Gewaltkriminalität: 19

Straßenkriminalität: 125

Diebstahl aus Wohnräumen: 21 Straftaten

Diebstahl aus Gewerberäumen: 81 Straftaten

*Statusverlustängste wurden ab 2007 erhoben, Anomie lediglich 2000, 2005, 2008 und 2013

Anmerkung: Bedeutsame Abweichungen vom Durchschnitt der Thüringer Bevölkerung wer-

den in den folgenden Tabellen fett hervorgehoben.

Page 81: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

81 REICHWEITE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Tabelle 7: Privilegierte Demokrat_innen: 11 Prozent (zunehmend)

2000-2005: 8 Prozent / 2006-2008: 13 Prozent / 2010-2013: 13 Prozent

neo-NS-Ideologie und

Ethnozentrismus

Ablehnung der NS-Ideologie

Nicht ethnozentristisch

Identität (%) Thüringer: 4 / Ostdeutsch: 1 / Deutsch: 67 / Europäisch: 27

Werte Wichtigster Wert: Individualität

Nicht autoritär

Individuelle Deprivation Bewertung eigene finanzielle Lage als gut

Erhält gerechten Anteil

Kollektive Deprivation

(Ebene Thüringen)

Bewertung Wirtschaftslage als weniger gut bis gut

Positive Bilanz aus Westländervergleich

Ostdeutsche Deprivation Positive Einheitsbilanz

Keine wahrgenommene Diskriminierung durch Westdeutsche

Desintegration Keine Statusverlustängste, nicht anomisch

Einstellungen zu Politik und

politischen Akteuren

Starkes Politikinteresse

Hohe Eigenkompetenzzuschreibung

teilweise Eigenwirksamkeitsüberzeugung

Vertrauen in politische Institutionen

Demokratieunterstützung Demokratie beste Staatsidee

Eher zufrieden mit demokratischer Praxis

DDR-Nostalgie und

Sozialismusaffinität

Negative DDR-Bewertung

Ablehnung einer Rückkehr zur sozialistischen Ordnung

Politische Partizipation Bereitschaft zu 3 von 4 Partizipationsformen

Keine Bereitschaft zu illegalen Partizipationsformen

Parteiaffiliation (%) und

Selbsteinstufung

CDU: 28 / SPD: 24 / Linke: 4 / FDP: 5 / Grüne: 7 / Rechte: 0 / Keine: 27

etwas links bis mittig

Bildungsniveau (%) Hauptschule: 8 / Realschule: 31 / Abitur: 20 / Hochschule: 41

Beruf (%) Berufstätig: 58 / Arbeitssuchend: 2 / prekärer Arbeitsplatz: 8

Angestellte: 45 / Arbeiter/Landwirte: 8

Altersdurchschnitt 47 Jahre

Geschlechterverhältnis Frauen: 42 %

Wohnortgröße 20.000 Einwohner und größer

Wohnortkreis: Sozialstruktur

Einwohner je Quadratkilometer: 370

Wanderungssaldo: -202

Ausländeranteil: 2,5 %

Wohnortkreis: Ökonomie

Arbeitslosenquote: 12,0 %

Langzeitarbeitslosenquote: 4,5 %

Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer: 27.218 EUR

Wohnortkreis: Kriminalität

(Straftaten pro 10000 Ein-

wohner)

Widerstand gegen Staatsgewalt: 4

Gewaltkriminalität: 20 Straftaten

Straßenkriminalität: 130 Straftaten

Diebstahl aus Wohnräumen: 21 Straftaten

Diebstahl aus Gewerberäumen: 84 Straftaten

Page 82: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

82 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Tabelle 8: Demokratiekritische Aktivist_innen: 12 Prozent (eher konstant)

2000-2005: 12 Prozent / 2006-2008: 14 Prozent / 2010-2013: 11 Prozent

neo-NS-Ideologie und

Ethnozentrismus

Ablehnung der NS-Ideologie

Nicht ethnozentristisch

Identität (%) Thüringer: 33 / Ostdeutsch: 14 / Deutsch: 35 / Europäisch: 17

Werte Wichtigster Wert: Individualismus

Eher nicht autoritär

Individuelle Deprivation Bewertung finanzielle Lage als gut

Erhält gerechten Anteil

Kollektive Deprivation

(Ebene Thüringen)

Bewertung Wirtschaftslage als weniger gut

Positive Bilanz aus Westländervergleich

Ostdeutsche Deprivation Positive Einheitsbilanz

Keine wahrgenommene Diskriminierung durch Westdeutsche

Desintegration Keine Statusverlustängste, teilweise anomisch

Einstellungen zu Politik und

politischen Akteuren

Starkes Politikinteresse

Hohe Eigenkompetenzzuschreibung

Kaum Eigenwirksamkeitsüberzeugung

Teilweise Vertrauen in politische Institutionen

Demokratieunterstützung Demokratie beste Staatsidee

Teilweise zufrieden mit demokratischer Praxis

DDR-Nostalgie und

Sozialismusaffinität

Negative DDR-Bewertung

Ablehnung einer Rückkehr zur sozialistischen Ordnung

Politische Partizipation Bereitschaft zu 3 von 4 Partizipationsformen

Bereitschaft zu illegalen Partizipationsformen

Parteiaffiliation (%) und

Selbsteinstufung

CDU: 18 / SPD: 18 / Linke: 11 / FDP: 2 / Grüne: 9 / Rechte: 0 / Keine: 38

etwas links

Bildungsniveau (%) Hauptschule: 8 / Realschule: 39 / Abitur: 20 / Hochschule: 33

Beruf (%) Berufstätig: 63 / Arbeitssuchend: 5 / prekärer Arbeitsplatz: 13

Angestellte: 41 / Arbeiter/Landwirte: 16

Altersdurchschnitt 43 Jahre

Geschlechterverhältnis Frauen: 32 %

Wohnortgröße 20.000 Einwohner und größer

Wohnortkreis: Sozialstruktur

Einwohner je Quadratkilometer: 318

Wanderungssaldo: -320

Ausländeranteil: 2,3 %

Wohnortkreis: Ökonomie

Arbeitslosenquote: 13,0 %

Langzeitarbeitslosenquote: 5,2 %

Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer: 26.663EUR

Wohnortkreis: Kriminalität

(Straftaten pro 10000 Ein-

wohner)

Widerstand gegen Staatsgewalt: 4 Straftaten

Gewaltkriminalität: 20 Straftaten

Straßenkriminalität: 136 Straftaten

Diebstahl aus Wohnräumen: 23 Straftaten

Diebstahl aus Gewerberäumen: 84 Straftaten

Page 83: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

83 REICHWEITE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Tabelle 9: Zufriedene Thüringer_innen: 25 Prozent (zunehmend)

2000-2005: 24 Prozent / 2006-2008: 21 Prozent / 2010-2013: 30 Prozent

neo-NS-Ideologie und

Ethnozentrismus

Ablehnung der NS-Ideologie

Nicht ethnozentristisch

Identität (%) Thüringer: 73 / Ostdeutsch: 21 / Deutsch: 4 / Europäisch: 2

Werte Wichtigster Wert: Pflichtbewusstsein

Eher autoritäre Orientierung

Individuelle Deprivation Bewertung eigene finanzielle Lage als gut

Erhält etwas weniger als gerechten Anteil

Kollektive Deprivation Ebene

Thüringen

Bewertung Wirtschaftslage als weniger gut

Positive Bilanz aus Westländervergleich

Ostdeutsche Deprivation Positive Einheitsbilanz

Unentschieden über Diskriminierung durch Westdeutsche

Desintegration Keine Statusverlustängste, anomisch

Einstellungen zu Politik und

politischen Akteuren

Mittleres Politikinteresse

Hohe Eigenkompetenzzuschreibung

Fehlende Eigenwirksamkeitsüberzeugung

Teilweise Vertrauen in politische Institutionen

Demokratieunterstützung Demokratie beste Staatsidee

Eher unzufrieden mit demokratischer Praxis

DDR-Nostalgie und

Sozialismusaffinität

Unentschieden über DDR-Bewertung

Ablehnung einer Rückkehr zur sozialistischen Ordnung

Politische Partizipation Bereitschaft zu 2 von 4 Partizipationsformen

Keine Bereitschaft zu illegalen Partizipationsformen

Parteiaffiliation (%) und

Selbsteinstufung

CDU: 19 / SPD: 17 / Linke: 10 / FDP: 2 / Grüne: 3 / Rechte: 0 / Keine: 42

etwas links bis mittig

Bildungsniveau (%) Hauptschule: 16 / Realschule: 47 / Abitur: 11 / Hochschule: 26

Beruf (%) Berufstätig: 59 / Arbeitssuchend: 4 / prekärer Arbeitsplatz: 12

Angestellte: 39 / Arbeiter/Landwirte: 19

Altersdurchschnitt 50 Jahre

Geschlechterverhältnis Frauen: 48 %

Wohnortgröße Über 5000 bis 20.000 Einwohner

Wohnortkreis: Sozialstruktur

Einwohner je Quadratkilometer: 280

Wanderungssaldo: -320

Ausländeranteil: 1,9 %

Wohnortkreis: Ökonomie

Arbeitslosenquote: 12,4 %

Langzeitarbeitslosenquote: 4,9 %

Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer: 26.670 EUR

Wohnortkreis: Kriminalität

(Straftaten pro 10000 Ein-

wohner)

Widerstand gegen Staatsgewalt: 3 Straftaten

Gewaltkriminalität: 19 Straftaten

Straßenkriminalität: 117 Straftaten

Diebstahl aus Wohnräumen: 19 Straftaten

Diebstahl aus Gewerberäumen: 78 Straftaten

Page 84: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

84 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Tabelle 10: Die Konservativen: 23 Prozent (konstant)

2000-2005: 23 Prozent / 2006-2008: 23 Prozent / 2010-2013: 22 Prozent

neo-NS-Ideologie und

Ethnozentrismus

Ablehnung der NS-Ideologie

Eher ethnozentristisch

Identität (%) Thüringer: 34 / Ostdeutsch: 7 / Deutsch: 50 / Europäisch: 9

Werte Wichtigster Wert: Pflichtbewusstsein

Autoritäre Orientierung

Individuelle Deprivation Bewertung eigene finanzielle Lage als weniger gut bis gut

Erhält etwas weniger als gerechten Anteil

Kollektive Deprivation Ebene

Thüringen

Bewertung Wirtschaftslage als weniger gut

Positive Bilanz aus Westländervergleich

Ostdeutsche Deprivation Positive Einheitsbilanz

Unentschieden über Diskriminierung durch Westdeutsche

Desintegration Teilweise Statusverlustängste, anomisch

Einstellungen zu Politik und

politischen Akteuren

Mittleres Politikinteresse

Hohe Eigenkompetenzzuschreibung

Fehlende Eigenwirksamkeitsüberzeugung

Teilweise Vertrauen in politische Institutionen

Demokratieunterstützung Demokratie beste Staatsidee

Eher unzufrieden mit demokratischer Praxis

DDR-Nostalgie und

Sozialismusaffinität

Unentschieden über DDR-Bewertung

Ablehnung einer Rückkehr zur sozialistischen Ordnung

Politische Partizipation Bereitschaft zu weniger als 2 von 4 Partizipationsformen

Kaum Bereitschaft zu illegalen Partizipationsformen

Parteiaffiliation (%) und

Selbsteinstufung

CDU: 25 / SPD: 19 / Linke: 6 / FDP: 2 / Grüne: 1 / Rechte: 1 / Keine: 41

Eher mittig

Bildungsniveau (%) Hauptschule: 30 / Realschule: 45 / Abitur: 9 / Hochschule: 16

Beruf (%) Berufstätig: 46 / Arbeitssuchend: 5 / prekärer Arbeitsplatz: 10

Angestellte: 30 / Arbeiter/Landwirte: 19

Altersdurchschnitt 51 Jahre

Geschlechterverhältnis Frauen: 53 %

Wohnortgröße Über 5000 bis 20.000 Einwohner

Wohnortkreis: Sozialstruktur

Einwohner je Quadratkilometer: 285

Wanderungssaldo: -349

Ausländeranteil: 2,1 %

Wohnortkreis: Ökonomie

Arbeitslosenquote: 12,8 %

Langzeitarbeitslosenquote: 5,0 %

Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer: 26.481 EUR

Wohnortkreis: Kriminalität

(Straftaten pro 10000 Ein-

wohner)

Widerstand gegen Staatsgewalt: 3 Straftaten

Gewaltkriminalität: 19 Straftaten

Straßenkriminalität: 124 Straftaten

Diebstahl aus Wohnräumen: 21 Straftaten

Diebstahl aus Gewerberäumen: 80 Straftaten

Page 85: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

85 REICHWEITE DER MESSUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Tabelle 11: Wendeverlierer_innen: 21 Prozent (abnehmend)

2000-2005: 24 Prozent / 2006-2008: 21 Prozent / 2010-2013: 18 Prozent

neo-NS-Ideologie und

Ethnozentrismus

Ablehnung NS-Ideologie

Eher ethnozentristisch

Identität (%) Thüringer: 52 / Ostdeutsch: 21 / Deutsch: 21 / Europäisch: 5

Werte Wichtigster Wert: Pflichtbewusstsein

Eher autoritäre Orientierung

Individuelle Deprivation Bewertung eigene finanzielle Lage als weniger gut

Erhält etwas weniger als gerechten Anteil

Kollektive Deprivation Ebene

Thüringen

Bewertung Wirtschaftslage als weniger gut

Positive Bilanz aus Westländervergleich

Ostdeutsche Deprivation Negative Einheitsbilanz

Wahrnehmung Diskriminierung durch Westdeutsche

Desintegration Statusverlustängste, anomisch

Einstellungen zu Politik und

politischen Akteuren

Mittleres Politikinteresse

Hohe Eigenkompetenzzuschreibung

Fehlende Eigenwirksamkeitsüberzeugung

Eher kein Vertrauen in politische Institutionen

Demokratieunterstützung Demokratie eher beste Staatsidee

unzufrieden mit demokratischer Praxis

DDR-Nostalgie und

Sozialismusaffinität

Positive DDR-Bewertung

Ablehnung einer Rückkehr zur sozialistischen Ordnung

Politische Partizipation Bereitschaft zu 2 von 4 Partizipationsformen

Kaum Bereitschaft zu illegalen Partizipationsformen

Parteiaffiliation (%) und

Selbsteinstufung

CDU: 11 / SPD: 13 / Linke: 18 / FDP: 1 / Grün: 1 / Rechte: 2 / Keine: 41

etwas links bis mittig

Bildungsniveau (%) Hauptschule: 23 / Realschule: 56 / Abitur: 6 / Hochschule: 15

Beruf (%) Berufstätig: 48 / Arbeitssuchend: 15 / prekärer Arbeitsplatz: 19

Angestellte: 25 / Arbeiter/Landwirte: 25

Altersdurchschnitt 49 Jahre

Geschlechterverhältnis Frauen: 52 Prozent

Wohnortgröße Über 5000 bis 20.000 Einwohner

Wohnortkreis: Sozialstruktur

Einwohner je Quadratkilometer: 246

Wanderungssaldo: -426

Ausländeranteil: 1,9 %

Wohnortkreis: Ökonomie

Arbeitslosenquote: 13,3 %

Langzeitarbeitslosenquote: 5,3 %

Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer: 26.172 EUR

Wohnortkreis: Kriminalität

(Straftaten pro 10000 Ein-

wohner)

Widerstand gegen Staatsgewalt: 3 Straftaten

Gewaltkriminalität: 19 Straftaten

Straßenkriminalität: 122 Straftaten

Diebstahl aus Wohnräumen: 20 Straftaten

Diebstahl aus Gewerberäumen: 78 Straftaten

Page 86: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

86 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Tabelle 12: Abgehängte Antidemokrat_innen: 8 Prozent (eher abnehmend)

2000-2005: 8 Prozent / 2006-2008: 10 Prozent / 2010-2013: 6 Prozent

neo-NS-Ideologie und

Ethnozentrismus

Teilweise Unterstützung NS-Ideologie

ethnozentristisch

Identität Thüringer: 60 / Ostdeutsch: 22 / Deutsch: 17 / Europäisch: 1

Werte Wichtigster Wert: Pflichtbewusstsein

Sehr autoritäre Orientierung

Individuelle Deprivation Bewertung eigene finanzielle Lage als weniger gut

Erhält etwas bis viel weniger als gerechten Anteil

Kollektive Deprivation Ebene

Thüringen

Bewertung Wirtschaftslage als weniger gut

Positive Bilanz aus Westländervergleich

Ostdeutsche Deprivation Negative Einheitsbilanz

Starke Wahrnehmung Diskriminierung durch Westdeutsche

Desintegration Statusverlustängste, sehr anomisch

Einstellungen zu Politik und

politischen Akteuren

Wenig bis mittleres Politikinteresse

Mittlere Eigenkompetenzzuschreibung

Fehlende Eigenwirksamkeitsüberzeugung

Eher kein Vertrauen in politische Institutionen

Demokratieunterstützung Demokratie nicht beste Staatsidee

unzufrieden mit demokratischer Praxis

DDR-Nostalgie und

Sozialismusaffinität

Positive DDR-Bewertung

Eher Wunsch nach Rückkehr zur sozialistischen Ordnung

Politische Partizipation Bereitschaft zu weniger als 2 von 4 Partizipationsformen

Etwas erhöhte Bereitschaft zu politischer Gewalt

Parteiaffiliation (%) und

Selbsteinstufung

CDU: 13 / SPD: 9 / Linke: 12 / FDP: 1 / Grüne: 1 / Rechte: 2 / Keine: 58

eher mittig

Bildungsniveau (%) Hauptschule: 41 / Realschule: 52 / Abitur: 3 / Hochschule: 4

Beruf (%) Berufstätig: 48 / Arbeitssuchend: 21 / prekärer Arbeitsplatz: 19

Angestellte: 23 / Arbeiter/Landwirte: 24

Altersdurchschnitt 48 Jahre

Geschlechterverhältnis Frauen: 68 %

Wohnortgröße bis 20.000 Einwohner

Wohnortkreis: Sozialstruktur

Einwohner je Quadratkilometer: 288

Wanderungssaldo: -364

Ausländeranteil: 2,3 %

Wohnortkreis: Ökonomie

Arbeitslosenquote: 13,7 %

Langzeitarbeitslosenquote: 5,2 %

Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer: 26.419 EUR

Wohnortkreis: Kriminalität

(Straftaten pro 10000 Ein-

wohner)

Widerstand gegen Staatsgewalt: 3 Straftaten

Gewaltkriminalität: 21 Straftaten

Straßenkriminalität: 138 Straftaten

Diebstahl aus Wohnräumen: 23 Straftaten

Diebstahl aus Gewerberäumen: 89 Straftaten

Page 87: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

87 ANHANG

Anhang

Tabelle A1: Korrelationen Individualmerkmale mit rechtsextremen Einstellungen

Individualmerkmale Rechtsextreme Einstellungen

Ethnozentris-mus

NS-Ideologie

Identität: Thüringer_in

Korrelation .172 .158 .147

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Identität: Ostdeutsche_r

Korrelation .016 .027 .000

Signifikanz .076 .003 .983

N 12338 12786 12517

Identität: Deutsche_r

Korrelation -.046 -.035 -.050

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Identität: Europäer_in

Korrelation -.227 -.240 -.161

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Wichtigster Wert: Eigene Fähig-keiten entfalten

Korrelation -.193 -.179 -.171

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Wichtigster Wert: Pflichtbewusst sein

Korrelation .222 .199 .203

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Wichtigster Wert: Das Leben ge-nießen

Korrelation -.042 -.030 -.044

Signifikanz .000 .001 .000

N 12338 12786 12517

Autoritarismus

Korrelation .605 .550 .532

Signifikanz 0.000 0.000 0.000

N 12333 12778 12511

Einschätzung eigene finanzielle Si-tuation (höher = besser)

Korrelation -.177 -.169 -.147

Signifikanz .000 .000 .000

N 12279 12721 12458

Gerechter Anteil zum Leben

Korrelation -.212 -.214 -.153

Signifikanz .000 .000 .000

N 12124 12542 12291

Wirtschaftliche Lage Thüringens (höher = besser)

Korrelation -.104 -.100 -.085

Signifikanz .000 .000 .000

N 12196 12632 12370

Westländervergleich

Korrelation .077 .082 .049

Signifikanz .000 .000 .000

N 12140 12565 12306

Statusverlustängste

Korrelation .374 .355 .311

Signifikanz .000 .000 .000

N 6523 6790 6641

Anomie

Korrelation .387 .376 .314

Signifikanz .000 .000 .000

N 3744 3904 3782

Page 88: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

88 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Politikinteresse

Korrelation -.261 -.224 -.246

Signifikanz .000 .000 .000

N 12328 12775 12507

Eigenkompetenzzuschreibug

Korrelation -.156 -.133 -.151

Signifikanz .000 .000 .000

N 12245 12653 12417

Eigenwirksamkeitsüberzeugung

Korrelation -.304 -.323 -.211

Signifikanz .000 .000 .000

N 11933 12368 12100

Vertrauen in politische Institutio-nen

Korrelation -.056 -.083 -.011

Signifikanz .000 .000 .204

N 12321 12757 12497

Einheitsbewertung

Korrelation -.293 -.251 -.277

Signifikanz .000 .000 .000

N 12177 12604 12344

Wahrnehmung Diskriminierung Ostdeutscher

Korrelation .388 .355 .344

Signifikanz 0.000 0.000 0.000

N 12197 12619 12361

Unterstützung Idee Demokratie

Korrelation -.329 -.273 -.320

Signifikanz .000 .000 .000

N 12088 12437 12236

Demokratiezufriedenheit

Korrelation -.183 -.190 -.128

Signifikanz .000 .000 .000

N 12263 12695 12436

DDR-Nostalgie

Korrelation .361 .310 .341

Signifikanz 0.000 .000 0.000

N 11831 12226 11981

Sozialismusaffinität

Korrelation .359 .265 .394

Signifikanz 0.000 .000 0.000

N 12157 12539 12324

Parteineigung: CDU

Korrelation .081 .083 .057

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Parteineigung: SPD

Korrelation -.075 -.080 -.055

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Parteineigung: PDS/Die Linke

Korrelation -.074 -.067 -.065

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Parteineigung: FDP

Korrelation -.040 -.046 -.026

Signifikanz .000 .000 .004

N 12338 12786 12517

Parteineigung: GRÜNE

Korrelation -.160 -.167 -.113

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Parteineigung: Rechte Partei [DVU, NPD, Republikaner]

Korrelation .120 .090 .132

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Parteineigung: keiner Partei

Korrelation .078 .084 .051

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Page 89: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

89 ANHANG

Links-Rechts-Selbsteinstufung (höher = rechter)

Korrelation .250 .234 .206

Signifikanz .000 .000 .000

N 11777 12115 11924

Erfahrung mit/Bereitschaft zu le-galen Partizipationsformen

Korrelation -.249 -.224 -.230

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Erfahrung mit/Bereitschaft zu ille-galen Partizipationsformen

Korrelation -.007 -.037 .031

Signifikanz .456 .000 .001

N 12338 12786 12517

Höchster Bildungsabschluss

Korrelation -.397 -.364 -.349

Signifikanz 0.000 0.000 0.000

N 12310 12755 12489

Beruf: Angestellte oder Beamte

Korrelation -.171 -.161 -.146

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Beruf: (Fach-)Arbeiter oder Land-wirt

Korrelation .123 .114 .095

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Beruf: Freiberufler

Korrelation -.049 -.048 -.038

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Berufstätigkeit: voll-/teilzeit be-rufstätig

Korrelation -.140 -.114 -.152

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Berufstätigkeit: prekärer Arbeits-platz

Korrelation .016 .021 -.003

Signifikanz .083 .020 .722

N 12338 12786 12517

Berufstätigkeit: Arbeitssuchend

Korrelation .098 .084 .094

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Lebensalter

Korrelation .125 .116 .117

Signifikanz .000 .000 .000

N 12313 12759 12491

Geschlecht (weiblich)

Korrelation .077 .064 .086

Signifikanz .000 .000 .000

N 12338 12786 12517

Wohnortgröße

Korrelation -.145 -.152 -.101

Signifikanz .000 .000 .000

N 11280 11640 11430

Page 90: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

90 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Tabelle A2: Korrelationen Kreismerkmale mit rechtsextremen Einstellungen

Rechtsextreme Einstellungen

Ethnozentris-mus

NS-Ideologie

Arbeitslosenquote bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen

Korrelation .083 .100 .049

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Arbeitslosenquote bezogen auf abhängige zivile Erwerbsperso-nen: Männer ( % )

Korrelation .070 .087 .041

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Arbeitslosenquote bezogen auf abhängige zivile Erwerbsperso-nen: Frauen

Korrelation .093 .109 .058

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Arbeitslosenquote bezogen auf abhängige zivile Erwerbsperso-nen: Jugendliche unter 25 Jahren

Korrelation .069 .087 .039

Signifikanz .000 .000 .001

N 7578 7693 7819

Langzeitarbeitslosenquote bezo-gen auf alle zivilen Erwerbsperso-nen

Korrelation .093 .096 .068

Signifikanz .000 .000 .000

N 6627 6739 6838

Erwerbstätigenquote Korrelation -.039 -.063 -.009

Signifikanz .001 .000 .404

N 7578 7693 7819

Bruttoinlandsprodukt Mill.EUR Korrelation -.060 -.042 -.058

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Bruttoinlandsprodukt je Erwerb-stätigen EUR

Korrelation -.045 -.091 .002

Signifikanz .000 .000 .826

N 7578 7693 7819

Arbeitnehmerentgelt je Arbeit-nehmer in EUR

Korrelation -.105 -.126 -.064

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Haushaltsnettoeinkommen unter 900 EUR

Korrelation -.097 -.080 -.095

Signifikanz .000 .000 .000

N 4686 4756 4839

Haushaltsnettoeinkommen von 900 bis unter 1500 EUR

Korrelation .049 .087 .004

Signifikanz .000 .000 .753

N 6347 6446 6551

Haushaltsnettoeinkommen von 1500 bis unter 2000 EUR

Korrelation .067 .063 .057

Signifikanz .000 .000 .000

N 6131 6224 6323

Haushaltsnettoeinkommen von 2000 und mehr EUR

Korrelation -.042 -.043 -.028

Signifikanz .001 .000 .024

N 6337 6434 6544

Einwohner je Quadratkilometer Korrelation -.101 -.057 -.115

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Anteil Männliche Bevölkerung Korrelation -.008 -.041 .016

Page 91: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

91 ANHANG

Signifikanz .489 .000 .149

N 7578 7693 7819

Anteil Weibliche Bevölkerung Korrelation -.012 .018 -.035

Signifikanz .280 .108 .002

N 7578 7693 7819

Bevölkerungsanteil im Alter bis unter 6 Jahren

Korrelation -.093 -.097 -.069

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Bevölkerungsanteil im Alter von 6 bis unter 15 Jahren

Korrelation .016 .056 -.022

Signifikanz .174 .000 .048

N 7578 7693 7819

Bevölkerungsanteil im Alter von 15 bis unter 18 Jahren

Korrelation .084 .113 .042

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Bevölkerungsanteil im Alter von 18 bis unter 25 Jahren

Korrelation -.053 -.011 -.078

Signifikanz .000 .331 .000

N 7578 7693 7819

Bevölkerungsanteil im Alter von 25 bis unter 30 Jahren

Korrelation -.134 -.116 -.120

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Bevölkerungsanteil im Alter von 30 bis unter 40 Jahren

Korrelation -.002 .063 -.057

Signifikanz .856 .000 .000

N 7578 7693 7819

Bevölkerungsanteil im Alter von 40 bis unter 50 Jahren

Korrelation .110 .072 .119

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Bevölkerungsanteil im Alter von 50 bis unter 65 Jahren

Korrelation .030 -.014 .061

Signifikanz .010 .222 .000

N 7578 7693 7819

Bevölkerungsanteil im Alter von 65 bis unter 75 Jahren

Korrelation .007 -.044 .048

Signifikanz .533 .000 .000

N 7578 7693 7819

Bevölkerungsanteil im Alter von 75 bis unter 85 Jahren

Korrelation .017 -.033 .056

Signifikanz .139 .003 .000

N 7578 7693 7819

Bevölkerungsanteil im Alter von 85 Jahren und mehr

Korrelation -.040 -.063 -.010

Signifikanz .001 .000 .398

N 7578 7693 7819

Anteil Fortzüge Korrelation -.092 -.072 -.087

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Anteil Zuzüge Korrelation -.123 -.094 -.118

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Wanderungssaldo Korrelation -.100 -.078 -.095

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Page 92: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

92 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Ausländeranteil Korrelation -.127 -.092 -.126

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Anteil Haushalte mit 1 Person Korrelation -.091 -.073 -.087

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Anteil Haushalte mit 2 Personen Korrelation .029 .004 .044

Signifikanz .013 .743 .000

N 7545 7661 7784

Anteil Haushalte mit 3 Personen Korrelation .040 .029 .039

Signifikanz .002 .023 .002

N 5910 5998 6100

Anteil Haushalte mit 4 und mehr Personen

Korrelation .062 .064 .043

Signifikanz .000 .000 .013

N 3197 3235 3299

Anteil Familien ohne ledige Kinder Korrelation -.079 -.071 -.069

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Eheschließungen (relativ zu Bevöl-kerungszahl)

Korrelation -.041 -.057 -.017

Signifikanz .000 .000 .130

N 7578 7693 7819

Ehescheidungen (relativ zu Bevöl-kerungszahl)

Korrelation -.026 .005 -.047

Signifikanz .021 .653 .000

N 7578 7693 7819

Straftat: Widerstand gegen die Staatsgewalt §§ 111, 113, 114, 120, 121 StGB (relativ zu Bevölke-rungszahl)

Korrelation -.086 -.047 -.101

Signifikanz .000 .000 .000

N 5696 5796 5895

Straftaten gegen das Waffenge-setz (relativ zu Bevölkerungszahl)

Korrelation .020 .013 .023

Signifikanz .137 .304 .084

N 5696 5796 5895

Straftat: Gewaltkriminalität (rela-tiv zu Bevölkerungszahl)

Korrelation -.061 -.025 -.075

Signifikanz .000 .055 .000

N 5696 5796 5895

Straftat: Straßenkriminalität (rela-tiv zu Bevölkerungszahl)

Korrelation -.022 .001 -.032

Signifikanz .104 .938 .013

N 5696 5796 5895

Straftat: Straßendiebstahl (relativ zu Bevölkerungszahl)

Korrelation .005 .021 -.006

Signifikanz .732 .104 .630

N 5696 5796 5895

Straftat: Diebstahl von/an/aus KFZ und Fahrrädern (relativ zu Be-völkerungszahl)

Korrelation -.061 -.023 -.076

Signifikanz .000 .102 .000

N 4765 4853 4914

Straftat: Diebstahl aus Wohnräu-men (relativ zu Bevölkerungszahl)

Korrelation -.013 .009 -.027

Signifikanz .315 .477 .038

N 5696 5796 5895

Page 93: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

93 ANHANG

Straftat: Diebstahl aus Gewerbe-räumen (relativ zu Bevölkerungs-zahl)

Korrelation .003 .029 -.014

Signifikanz .841 .071 .390

N 3789 3853 3888

Anzahl Allgemeinbildende Schu-len (relativ zu Bevölkerungszahl)

Korrelation .076 .062 .070

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Anzahl Berufsbildende Schulen (relativ zu Bevölkerungszahl)

Korrelation -.014 -.001 -.022

Signifikanz .217 .916 .057

N 7578 7693 7819

Anzahl Hochschulen/Universitä-ten (relativ zu Bevölkerungszahl)

Korrelation -.098 -.070 -.099

Signifikanz .000 .000 .000

N 7578 7693 7819

Anteil Kirchenmitglieder Korrelation .001 -.015 .012

Signifikanz .967 .261 .365

N 5402 5487 5583

Sportvereine: Anteil Mitglieder Kinder/Jugendliche bis 18 Jahre

Korrelation -.052 -.039 -.048

Signifikanz .000 .001 .000

N 7578 7693 7819

Sportvereine: Anteil Mitglieder Er-wachsene ab 19 Jahren

Korrelation -.017 -.027 -.009

Signifikanz .128 .016 .412

N 7578 7693 7819

Bundestagswahlen: Wahlbeteili-gung

Korrelation .033 .050 .009

Signifikanz .002 .000 .388

N 8482 8615 8795

Landtagswahlen: Wahlbeteiligung Korrelation -.060 -.021 -.078

Signifikanz .000 .046 .000

N 8482 8615 8795

Page 94: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

94 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Tabelle A3: Überblick Indikatoren für die Milieubildung

Konstrukt Fragetext/Beschreibung

Indikatoren zur statistischen Bildung der Milieus (unersetzlich):

NS-Ideologie Skala zur Dimension neo-nationalsozialistische Ideologie des Rechtsextremismus (Konstruktion s. Seite 37)

Ethnozentrismus Skala zur Dimension Ethnozentrismus des Rechtsextremismus (Konstruktion s. Seite 37)

Identität „Fühlen Sie sich in erster Linie als Thüringer, als Ostdeutscher, als Deutscher oder als Europäer?“

Autoritarismus „In diesen Zeiten brauchen wir unbedingt eine starke Hand.“ „Wer seine Kinder zu anständigen Bürgern erziehen will, muss von ihnen vor al-lem Gehorsam und Disziplin verlangen.“

Individuelle Deprivation

„Wenn Sie jetzt an Ihre eigene finanzielle Situation denken, ist Ihre persönliche finanzielle Situation sehr gut, gut, weniger gut oder schlecht?“ „Im Vergleich dazu, wie andere hier in Deutschland leben: Glauben Sie, dass Sie Ihren gerechten Anteil erhalten, mehr als Ihren gerechten Anteil, etwas weniger oder sehr viel weniger?“

Kollektive Deprivation

„Wie beurteilen Sie ganz allgemein die heutige wirtschaftliche Lage in Thüringen? Sehr gut, eher gut, eher schlecht oder sehr schlecht?“ „Thüringen braucht den Vergleich mit vielen westdeutschen Bundesländern nicht zu scheuen.“

Ostdeutsche Deprivation

„Eine Frage zur deutschen Einheit: Würden Sie sagen, dass für Sie persönlich alles in allem eher die Vorteile oder eher die Nachteile der Vereinigung überwiegen?“ „Westdeutsche behandeln Ostdeutsche als Menschen zweiter Klasse.“

Einstellungen zu Politik

„Wie stark interessieren Sie sich für Politik: sehr stark, stark, mittel, wenig oder überhaupt nicht?“ „Ich kann politische Fragen gut verstehen und einschätzen.“ Mittelwertindex aus „Die Parteien wollen nur die Stimmen der Wähler, ihre An-sichten interessieren sie nicht.“ und „Leute wie ich haben so oder so keinen Einfluss darauf, was die Regierung tut.“ „Ich lese Ihnen jetzt eine Reihe von öffentlichen Einrichtungen vor. Sagen Sie mir bitte bei jeder, ob Sie ihr voll und ganz vertrauen, weitgehend vertrauen, teil-weise vertrauen, eher nicht vertrauen oder gar nicht vertrauen? Wie ist das mit der Bundesregierung?“ „Und wie ist das mit der Landesregierung?“

Demokratieun-

terstützung

„Wie zufrieden oder unzufrieden sind Sie – alles in allem – mit der Demokratie, so wie sie in Deutschland in der Praxis funktioniert? Sind Sie sehr zufrieden, ziem-lich zufrieden, ziemlich unzufrieden oder sehr unzufrieden?“

DDR-Nostalgie „Die DDR hatte mehr gute als schlechte Seiten.“

Sozialismusaffi-nität

„Wir sollten zur sozialistischen Ordnung zurückkehren.“

Page 95: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

95 ANHANG

Politische

Partizipation

„Es gibt ja verschiedene Möglichkeiten, in einer für Sie wichtigen Sache politi-schen Einfluss zu nehmen. Welche der folgenden Dinge haben Sie schon getan, welche würden Sie tun und welche würden Sie nicht tun?

Mich an einen Politiker wenden. In einer politischen Partei mitarbeiten. In einer Bürgerinitiative mitarbeiten. An einer genehmigten Demonstration teilnehmen.“

(jeweils „habe ich schon getan“ und „würde ich tun“ ausgezählt)

„Es gibt ja verschiedene Möglichkeiten, in einer für Sie wichtigen Sache politi-schen Einfluss zu nehmen. Welche der folgenden Dinge haben Sie schon getan, welche würden Sie tun und welche würden Sie nicht tun?

An einer nicht genehmigten Demonstration teilnehmen. Für meine Ziele kämpfen, auch wenn dazu Gewalt notwendig ist.“

(jeweils „habe ich schon getan“ und „würde ich tun“ ausgezählt)

Wichtige Indikatoren zur näheren Beschreibung der Milieus:

Werte „Können Sie uns sagen, welcher der folgenden Werte in Ihrem Leben der wich-tigste ist? Eigene Fähigkeiten entfalten, Pflichtbewusst sein, Das Leben genie-ßen?“

Desintegration

„Es macht mir Sorgen, durch die gesellschaftliche Entwicklung immer mehr auf die Verliererseite des Lebens zu geraten.“ „Heute ändert sich alles so schnell, dass man nicht weiß, woran man sich halten soll.“

Parteiaffiliation

„Viele Leute neigen in der Bundesrepublik längere Zeit einer bestimmten Partei zu, obwohl sie auch ab und zu eine andere Partei wählen. Wie ist das bei Ihnen? Neigen Sie – ganz allgemein gesprochen – einer bestimmten Partei zu? Wenn ja, welcher?“

Selbsteinstufung „In der Politik wird häufig von links und rechts gesprochen. Wie würden Sie sich selbst einstufen: sehr weit links, ziemlich weit links, etwas links, etwas rechts, ziemlich weit rechts oder sehr weit rechts?“

Bildungsniveau „Welchen höchsten Bildungsabschluss haben Sie? Unter 10. Klasse (inkl. ohne Schulabschluss), 10. Klasse/POS/mittlere Reife, 12. Klasse/ EOS/Abitur, Fach-hochschulabschluss/Hochschulabschluss?“

Beruf

„Sind Sie zurzeit berufstätig? Vollzeit, Teilzeit, Lehrling/Schüler/Student, Rent-ner oder Pensionär, arbeitslos, nicht berufstätig /z. B. Hausfrau, Sonstiges?“ „Sind Sie (Fach-) Arbeiter, einfache/mittlerer Angestellter, höhere/leitender An-gestellter, Beamter im einfachen/mittleren Dienst, Beamter im höheren/geho-benen Dienst, Landwirt, Freiberufler, sonstiger Selbstständiger/Unternehmer o-der mithelfender Familienangehöriger?“ „Würden Sie sagen, dass Ihr Arbeitsplatz sicher ist oder dass Ihr Arbeitsplatz ge-fährdet ist?“

Alter (Jahr der Erhebung minus) In welchem Jahr wurden Sie geboren?

Geschlecht Geschlecht des Befragten

Page 96: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und
Page 97: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

97 LITERATURVERZEICHNIS

Literaturverzeichnis

Anhut, Reimund; Heitmeyer, Wilhelm (2000): Desintegration, Konflikt und Ethnisierung. Eine Problemanalyse und theoretische Rahmenkonzeption. In: Heitmeyer, Wilhelm und Anhut, Reimund (Hg.): Bedrohte Stadtgesellschaft. Soziale Desintegrationsprozesse und ethnisch-kulturelle Konfliktkonstellationen. Weinheim: Juventa, S. 17–75.

Asbrock, F.; Kauff, M.; Issmer, C.; Christ, O.; Pettigrew, T. F.; Wagner, U. (2011): Kontakt hilft – auch wenn die Politik es nicht immer leicht macht. In: Heitmeyer, Wilhelm (Hg.): Deutsche Zustände. Folge 10. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 199–219.

Asendorpf, Jens B. (2007): Psychologie der Persönlichkeit. 4. Aufl., Berlin: Springer.

Backes, Uwe (1989): Politischer Extremismus in demokratischen Verfassungsstaaten. Ele-mente einer normativen Rahmentheorie. Opladen.

Backhaus, Klaus; Erichson, Bern; Plinke, Wulff; Weiber, Rolf (2006): Multivariate Analyseme-thoden. Eine anwendungsorientierte Einführung. 11., überarb. Berlin [u.a.]: Springer.

Bergmann, Werner (2002): Geschichte des Antisemitismus. München: Beck.

Best, Heinrich (2012): Politische Kultur im Freistaat Thüringen. Thüringen International: Welt-offenheit, Zuwanderung und Akzeptanz. Ergebnisse des THÜRINGEN-MONITORs 2012. Un-ter Mitarbeit von Axel Salheiser, Daniel Gerstenhauer, Daniel Dwars, Stefan Jahr, Katja Sa-lomo, Franziska Schmidtke und Elena Unruh. Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Soziologie.

Best, Heinrich; Dwars, Daniel; Salheiser, Axel; Salomo, Katja (2013): Politische Kultur im Frei-staat Thüringen. „Wie leben wir? Wie wollen wir leben?“ – Zufriedenheit, Werte und gesell-schaftliche Orientierungen der Thüringer Bevölkerung. Ergebnisse des THÜRINGEN-MONI-TORs 2013. Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Soziologie.

Best, Heinrich; Salheiser, Axel; Niehoff, Steffen; Salomo, Katja (2014): Politische Kultur im Frei-staat Thüringen. Die Thüringer als Europäer. Ergebnisse des THÜRINGEN-MONITORs 2014. Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Soziologie.

Best, Heinrich; Salheiser, Axel; Salomo, Katja (2014): Demokratie mit doppelter Diktaturver-gangenheit. In: 25 Jahre Mauerfall. Brähler, Elmar; Wagner, Wolf (Hg.), Psychosozial Verlag, Gießen.

Blasius, Jörg; Georg, Werner (1992): Clusteranalyse und Korrespondenzanalyse in der Lebens-stilforschung: ein Vergleich am Beispiel der Wohnungseinrichtung. In: ZA-Information/ Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung, 30, S. 112–133.

Bobbio, Norberto (2006): Rechts und Links. Gründe und Bedeutungen einer politischen Unter-scheidung, 4. Aufl., Berlin.

Bortz, Jürgen; Schuster, Christof (2010): Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler. Mit 163 Tabellen. 7. Aufl. Berlin [u.a.]: Springer.

Bühner, Markus (2006): Einführung in die Test- und Fragebogenkonstruktion. 2. Aufl. Mün-chen, Don Mills: Pearson Studium.

Page 98: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

98 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Ciampi, Antonio; González Marcos, Ana; Castejón Limas, Manuel (2005): Correspondence analysis and two-way clustering. In: SORT 29 (1), S. 27–42.

Decker, Oliver; Brähler, Elmar (2006): Vom Rand zur Mitte. Rechtsextreme Einstellungen und ihre Einflussfaktoren in Deutschland. Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung.

Decker, Oliver; Brähler, Elmar (2008): Bewegung in der Mitte. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2008 ; mit einem Vergleich von 2002 bis 2008 und der Bundesländer. Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung, Forum Berlin.

Decker, Oliver; Weißman, Marliese; Kiess, Johannes; Brähler, Elmar (2010): Die Mitte in der Krise. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010. Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung. Online verfügbar unter http://library.fes.de/pdf-files/do/07504-20120321.pdf, zuletzt ge-prüft am 18.08.2013.

Decker, Oliver; Kiess, Johannes; Brähler, Elmar (2012): Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012. Bonn: Dietz.

Diaz-Bone, Rainer (2003): Milieumodelle und Milieuinstrumente in der Marktforschung. In: Sozialwissenschaften und Berufspraxis 26 (4), S. 365–380.

Dölemeyer, Anne; Mehrer, Anne (2011): Einleitung: Ordnung. Macht. Extremismus. In: Forum für kritische Rechtsextremismusforschung (Hg.): Ordnung. Macht. Extremismus. Effekte und Alternativen des Extremismus-Modells. 1. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag, S. 7–34.

Edinger, Michael; Hallermann, Andreas; Schmitt, Karl (2007): Politische Kultur im Freistaat Thüringen. Bildung in einer sich wandelnden Gesellschaft. Ergebnisse des THÜRINGEN-MONI-

TORs 2007. Drucksache des Thüringer Landtags 4/3860.

Edinger, Michael; Hallermann, Andreas; Schmitt, Karl (2007): Politische Kultur im Freistaat Thüringen. Bildung in einer sich wandelnden Gesellschaft. Ergebnisse des THÜRINGEN-MONI-

TORs 2007. Drucksache des Thüringer Landtags 4/3860. Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Politikwissenschaft. Online verfügbar unter http://www.thuerin-gen.de/th1/tsk/landesregierung/thueringenmonitor/, zuletzt geprüft am 02.11.2012.

Edinger, Michael; Hallermann, Andreas; Schmitt, Karl (2008): Politische Kultur im Freistaat Thüringen. Soziale Marktwirtschaft in Thüringen: Die Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger. Ergebnisse des THÜRINGEN-MONITORs 2008. Drucksache des Thüringer Landtags 4/4734. Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Politikwissenschaft. Online verfüg-bar unter http://www.thueringen.de/th1/tsk/landesregierung/thueringenmonitor/, zu-letzt geprüft am 02.11.2012.

Fonseca, Jaime R.S. (2013): Clustering in the field of social sciences: that is your choice. In: International Journal of Social Research Methodology 16 (5), S. 403–428.

Forum für kritische Rechtsextremismusforschung (Hg.) (2011): Ordnung. Macht. Extremismus. Effekte und Alternativen des Extremismus-Modells. 1. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag.

Gerrig, Richard J.; Zimbardo, Philip G. (2008): Psychologie, 18., aktualisierte Auflage. München u. a.: Addison-Wesley.

Grau, Andreas; Heitmeyer, Wilhelm (Hg.) (2013): Menschenfeindlichkeit in Städten und Ge-meinden. Weinheim, Basel: Beltz Juventa (Konflikt- und Gewaltforschung).

Page 99: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

99 LITERATURVERZEICHNIS

Groß, Eva; Zick, Andreas; Krause, Daniela (2012): Von der Ungleichwertigkeit zur Ungleichheit: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. In: Aus Politik Und Zeitgeschichte 62 (16-17), S. 11–18.

Heitmeyer, Wilhelm (2011): Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in einem entsicherten Jahrzehnt. In: Heitmeyer, Wilhelm (Hg.): Deutsche Zustände. Folge 10. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 15–41.

Heyder, Aribert; Decker, Oliver (2011): Rechtsextremismus - Überzeugung, Einstellung, Ideo-logie oder Syndrom? Eine theoriegeleitete empirische Überprüfung mit repräsentativen Daten. In: Langenohl, Andreas und Schraten, Jürgen (Hg.): (Un)Gleichzeitigkeiten. Die de-mokratische Frage im 21. Jahrhundert. Marburg: Metropolis-Verl, S. 189–222.

Hooghe, Liesbet; Marks, Gary (2009): A Postfunctionalist Theory of European Integration: From Permissive Consensus to Constraining Dissensus. In: British Journal of Political Sci-ence 39 (01), S. 1.

Howell, David (2007): The Treatment of Missing Data. In: William Outhwaite und Stephen P. Turner (Hg.): The SAGE handbook of social science methodology. London: SAGE Publica-tions, S. 105–138.

Hüpping, Sandra; Reinecke, Jost (2007): Abwärtsdriftende Regionen. Die Bedeutung sozioöko-nomischer Entwicklungen für Orientierungslosigkeit und gruppenbezogene Menschen-feindlichkeit. In: Heitmeyer, Wilhelm (Hg.): Deutsche Zustände. Folge 5. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 77–101.

Klein, Anna; Küpper, Beate; Zick, Andreas (2009): Rechtspopulismus im vereinigten Deutsch-land als Ergebnis von Benachteiligungsgefühlen und Demokratiekritik. In: Heitmeyer, Wil-helm (Hg.): Deutsche Zustände. Folge 7. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 93–112.

Kreis, Joachim (2007): Zur Messung von rechtsextremer Einstellung. Probleme und Kontrover-sen am Beispiel zweier Studien. Berlin (Arbeitshefte aus dem Otto-Stamm-Zentrum, 12).

Langenbacher, Nora; Schellenberg, Britta (Hg.) (2011): Ist Europa auf dem "rechten" Weg? Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Europa. Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung, Fo-rum Berlin.

Lipset, Seymour Martin; Raab, Earl (1978): The Politics of Unreason: Right Wing Extremism in America. Chicago.

Mayer, Tilman (2002): Die kulturelle Hegemonie in der Berliner Republik, in: Mayer, Tilman; Meier-Walser, Reinhard (Hg.): Der Kampf um die politische Mitte. Politische Kultur und Parteiensystem seit 1998, München, S. 11–29.

Mayring, Philipp (2002): Einführung in die qualitative Sozialforschung: eine Anleitung zu qua-litativem Denken (5., überarb. und neu ausgestattete Aufl. ed.). Weinheim u.a.: Beltz.

Mayring, Philipp (2003): Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken (8. Aufl. ed.). Weinheim u.a.: Beltz.

Neureiter, Marcus (1996): Rechtsextremismus im vereinten Deutschland. Eine Untersuchung sozialwissenschaftlicher Deutungsmuster und Erklärungsansätze. Marburg: Tectum.

Poutrus, Patrice G.; Behrends, Jan C.; Kuck, Dennis (2000): Historische Ursachen der Fremden-feindlichkeit in den neuen Bundesländern, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 39, S. 15-21.

Page 100: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

100 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS

Quent, Matthias (2012): Mehrebenenanalyse rechtsextremer Einstellungen. Ursachen und Verbreitung in unterschiedlichen sozioökonomischen Regionen Hessens und Thüringens. 1. Aufl. Magdeburg: Meine Verlag

Rippl, Susanne; Baier, Dirk (2005): Das Deprivationskonzept in der Rechtsextremismusfor-schung. Eine vergleichende Analyse. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsycho-logie 57 (4), S. 644–666.

Rost, Jürgen (1996): Lehrbuch Testtheorie, Testkonstruktion. 1. Aufl. Bern [u.a.]: Huber.

Schellenberg, Britta (2005): Rechtsextremismus und Medien. In: Aus Politik Und Zeitgeschichte 42, S. 39–45.

Scheepers, Peer; Gijsbert, Mérove; Coender, Marcel (2002): Ethnic Exclusionism in European Countries. Public Opposition to Civil Rights for Legal Migrants as a Response to Perceived Ethnic Threat. In: European Sociological Review 18 (1), S. 17–34.

Schmitz-Berning, C. (2007): Vokabular des Nationalsozialismus, 2., durchgesehene und über-arbeitete Auflage, im Original erschienen 2007, Berlin; New York: De Gruyter.

Schnell, Rainer; Hill, Paul B.; Esser, Elke (2011): Methoden der empirischen Sozialforschung. 9. Aufl. München: Oldenbourg.

Schroeder, Klaus (2007): Expertise zu "Vom Rand zur Mitte. Rechtsextreme Einstellungen und ihre Einflussfaktoren in Deutschland". In: Politische Studien 58 (1).

Schuman, Howard (1996): The Random Probe: A Technique for Evaluating the Validity of Closed Questions. S. 218-222 in: American Sociological Review, 31.

Sixt, Michaela (2010): Regionale Strukturen als herkunftsspezifische Determinanten von Bil-dungsentscheidungen. Dissertation. Universität Kassel, Kassel. Fachbereich 05 Gesell-schaftswissenschaften.

Steyer, Rolf; Eid, Michael (2001): Messen und Testen. Mit Übungen und Lösungen. Berlin: Springer.

Stöss, Richard; Niedermayer, Oskar (2008): Berlin-Brandenburg-Bus 2008. Rechtsextreme Ein-stellungen in Berlin und Brandenburg 2000 - 2008 sowie in Gesamtdeutschland 2005 und 2008. Paul Lazarsfeld-Gesellschaft, Otto-Stamm-Zentrum. Berlin, 25.09.2008.

Stöss, Richard (2010): Rechtsextremismus im Wandel. 3. aktualisierte. Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung, Abt. Dialog Ostdeutschland.

Ueltzhöffer, Jörg (1999): Europa auf dem Weg in die Postmoderne. Transnationale soziale Mi-lieus und gesellschaftliche Spannungslinien in der Europäischen Union. In: Merkel, Wolf-gang und Busch, Andreas (Hg.): Demokratie in Ost und West. Für Klaus von Beyme. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Weiber, Rolf; Mühlhaus, Daniel (2010): Strukturgleichungsmodellierung. Eine anwendungsori-entierte Einführung in die Kausalanalyse mit Hilfe von AMOS, SmartPLS und SPSS. Berlin, Heidelberg: Springer.

Wengeler, Martin, Stötzel, G. (1995): Kontroverse Begriffe Geschichte des öffentlichen Sprach-gebrauchs in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin: De Gruyter.

Page 101: GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES …€¦ · 4 GÜTE UND REICHWEITE DER MESSUNG DES RECHTSEXTREMISMUS Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil rechtsextrem Eingestellter und

101 LITERATURVERZEICHNIS

Winkler, Jürgen R. (2000): Formen und Determinanten fremdenfeindlicher Einstellungen in der Bundesrepublik Deutschland. In: Deth, Jan W. van; Rattinger, Hans und Roller, Edeltraud (Hg.): Die Republik auf dem Weg zur Normalität? Wahlverhalten und politische Einstellungen nach acht Jahren Einheit. Opladen: Leske + Budrich (Veröffentlichung des Ar-beitskreises "Wahlen und Politische Einstellungen" der Deutschen Vereinigung für Politi-sche Wissenschaft (DVPW), 7), S. 359–382.

Winkler, Jürgen R. (2005): Persönlichkeit und Rechtsextremismus. In: Schumann, Siegfried; Schoen, Harald (Hg.): Persönlichkeit. Eine vergessene Größe der empirischen Sozialfor-schung. Wiesbaden: VS Verlag, S. 221–241.

Wolf, Carina; Grau, Andreas (2013): Relative Deprivation und Abstiegsängste in Sozialräumen. In: Grau, Andreas und Heitmeyer, Wilhelm (Hg.): Menschenfeindlichkeit in Städten und Ge-meinden. Weinheim, Basel: Beltz Juventa (Konflikt- und Gewaltforschung).