GOTT UND DEN MENSCHEN NAHE“ - Glaube€¦ · toral liegen auf der Hand, aber die Gnade Gottes...

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„…GOTT UND DEN MENSCHEN NAHE...“

Materialien zum Perspektivplan 2015

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Impressum: Bistum OsnabrückHasestraße 40 A49074 Osnabrück

Layout: Sandra Ahlers, Bischöfliches Generalvikariat

Druck: Steinbacher Druck, Osnabrück

Osnabrück, August 2008

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„…GOTT UND DEN MENSCHEN NAHE…“

Materialien zum Perspektivplan 2015

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Vorwort Vorwort Domkapitular Heinrich Silies und Dr. Daniela Engelhard ............................. 5

Einführung Bischof Dr. Franz-Josef Bode: Wir haben eine Vision .............................................. 7

1 Grundlegung1.1 Zu einigen zentralen Begriffen ........................................................................... 101.2 Von Pfarreien und Gemeinden: Zusammenspiel im Dienst einer zukunftsfähigen Pastoral ................................................................................... 14

2 Dokumentation 2.1 Der Gesamtverlauf des Prozesses und die Bistumsvorgaben an die Dekanate .......... 172.2 Dekanatsneuordnung ....................................................................................... 222.3 Ergebnisse der Strukturplanung ......................................................................... 24 - Einführende Erläuterungen - Dekanat Osnabrück-Stadt .......................................................................... 26 - Dekanat Bremen ....................................................................................... 30 - Dekanat Emsland-Mitte ............................................................................. 34 - Dekanat Emsland-Nord .............................................................................. 38 - Dekanat Emsland-Süd ............................................................................... 42 - Dekanat Grafschaft Bentheim ..................................................................... 46 - Dekanat Osnabrück-Nord ........................................................................... 49 - Dekanat Osnabrück-Süd ............................................................................ 54 - Dekanat Ostfriesland ................................................................................. 58 - Dekanat Twistringen .................................................................................. 612.4 Beispiele für geistliche Akzente und Aufbrüche in den Pfarreien, Pfarreien- gemeinschaften und Dekanaten des Bistums Osnabrück ....................................... 64

3 Meilensteine 3.1 Eine Weiterentwicklung in drei Phasen ............................................................... 693.2 Auf dem Weg zur Pfarreiengemeinschaft: .......................................................... 713.3 Auf dem Weg zur neuen Pfarrei ........................................................................ 72 - Warum überhaupt größere Pfarreien? - Schritte zur Errichtung einer neuen Pfarrei - Bedeutung der Pfarrkirche 3.4 Kooperationsvereinbarungen ............................................................................. 803.5 Projektstellen im Dekanat ................................................................................. 853.6 Pastoral und Caritas – Erfahrungen aus dem Pilotprojekt „Gemeinsam solidarisch handeln“ im ehemaligen Dekanat Meppen .......................................... 87

INHALT

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4 Ausblick 4.1 Veränderte Rollen der Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen .................................. 914.2 Ehrenamtliche Gemeindeteams und hauptamtliche Bezugspersonen .................... 1024.3 Ein mögliches Zukunftsmodell: Kleine Christliche Gemeinschaften ....................... 1044.4 Gremien in unseren Gemeinden – gelebte Partizipation ....................................... 106

5 Unterstützungsangebote des Bistums 5.1 Moderatoren/-innen Perspektivplan 2015 ........................................................ 1095.2 Weitere Unterstützungsangebote des Bistums .................................................. 111

6 Nachwort Generalvikar Theo Paul: „Nehmt Neuland unter den Pflug“ (Hos. 10,12) ............. 113

7 Anhang Kleines Glossar pastoraler Grundbegriffe ........................................................... 117

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder,

vom letzten Konzil ging der entschei-dende Impuls aus, sich als Kirche den vielfältigen gesellschaftlichen Entwicklungen auszusetzen, sich ganz unter die Menschen zu begeben und den Dialog mit ihnen zu suchen. In der Begegnung mit den Zeitgenossen gelte es, das Evangelium, die heilende und befreiende Botschaft Jesu, neu zu entdecken. Weil diese Botschaft hinaus drängt zu den Orten, an denen Menschen heute leben, formuliert auch unsere Bistumsvision: „Wir wol-len eine missionarische Kirche sein, die Gott und den Menschen nahe ist.“

Kirche, die sich in dieser Weise gesendet weiß, braucht lebendige Gemeinden, in denen in Gottesdienst, Katechese und Diakonie der Glaube erfahrbar und miteinander geteilt wird. In unserem Bistum mit seinen ganz unterschiedlichen Regionen ringen die Menschen seit vielen Generationen um die rechte Weise, in der dies unter den Bedingungen der jeweiligen Zeit ge-lingen kann. Das Pastorale Zukunfts-gespräch mit seinen Versammlungen 1999 und 2004 hat in besonderer Weise den Dialog im Bistum geprägt. Wichtige Impulse des ersten Zukunfts-gesprächs mündeten in die Entwick-lung eines Perspektivplans 2008, der im Jahr 2001 verabschiedet wurde. In diesem Plan wurden Eckdaten zur Verteilung des pastoralen Personals

„Im Glauben daran, dass es vom Geist des Herrn geführt wird, der den Erdkreis erfüllt, bemüht sich das Volk Gottes, in den Ereignissen, Be-dürfnissen und Wünschen, die es zu-sammen mit den übrigen Menschen unserer Zeit teilt, zu unterscheiden, was darin wahre Zeichen der Gegen-wart oder Absicht Gottes sind.“ (2. Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes 11)

VORWORT

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und zur Bildung von Gemeindeverbün-den und Seelsorgebezirken vorgestellt. Schneller als viele damals ahnten, musste dieser Plan fortgeschrieben werden. Nach intensiver Arbeit auf den verschiedenen Ebenen des Bistums liegt nun der Perspektivplan 2015 vor.

Im laufenden Beratungsprozess hat sich gezeigt, dass die Termine der Neuwahlen für Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand wichtige Eckpunkte bilden werden, um strukturelle Verän-derungen in Pfarreiengemeinschaften zu vollziehen und neue Pfarreien offiziell zu errichten. Somit werden die Jahre 2010, 2014 und 2018 zentrale Meilensteine in der Entwicklung mar-kieren. Damit verschiebt sich auch der bisherige Zielpunkt der Veränderungen von 2015 auf 2018. Alle Übersichten und Tabellen in dieser Arbeitshilfe setzen daher das Jahr 2018 als End-punkt des Prozesses.

Mit der vorliegenden Arbeitshilfe ist eine Zwischenetappe in diesem Prozess erreicht. Vieles wird in den kommenden Jahren weiter zu entwi-ckeln und zu klären sein. Die bisher zusammengetragenen inhaltlichen und strukturellen Planungen unter anderem zum Zuschnitt der Seelsorge-einheiten und deren Ausstattung mit pastoralem Personal werden den wei-teren Entwicklungen die notwendige Grundlage liefern.

Die Handreichung beginnt mit einer geistlichen Auslegung der Bistums-vision durch unseren Bischof Dr. Franz-Josef Bode. An einige pastoral-theologische Erläuterungen unter anderem zu zentralen Begriffen, wie „Gemeinde“ und „Pfarrei“, schließt sich die umfangreiche Dokumentation der Strukturplanungs-Ergebnisse an. Die folgenden Kapitel enthalten konkrete Vorschläge zur weiteren Entwicklung in den Seelsorgeeinheiten für die kommenden Jahre, Hinweise auf entsprechende Unterstützungs-angebote des Bistums, einen Ausblick auf zukünftige Herausforderungen und schließlich ein Nachwort von General-vikar Theo Paul.

Dieser Zwischenschritt mit der Veröf-fentlichung der Arbeitshilfe ist uns ein willkommener Anlass, für die intensi-ve Zeit gemeinsamer Beratungen zu danken. Der Dank gilt zuallererst den vielen Engagierten in den Gemeinden, Einrichtungen und Verbänden, aber auch denen, die sich in den verschie-denen Abteilungen des Bischöflichen Generalvikariats mit ihren Kompe-tenzen eingebracht haben. Ebenso danken wir für viele Stunden der Be-ratung innerhalb der Bistumsleitung. Nicht zuletzt sei allen gedankt, die an diesem Heft mitgearbeitet haben, vor allem Herrn Dr. Stephan Winter und Herrn René Kollai für die Mühen der redaktionellen Arbeit. Möge die Hand-reichung für die vielfältigen kirchlichen

Orte in unserem Bistum eine Hilfe für den weiteren Weg in die Zukunft sein.

Domkapitular Heinrich Silies Leiter der diözesanen Steuerungsgruppe

Dr. Daniela EngelhardLeiterin des Seelsorgeamtes

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EINFÜHRUNG

Wir haben in unserem Bistum eine Vision entwickelt, einen Ausblick, ei-nen Durchblick auf ein Ziel hin, einen Lichtblick und Leitstern, der unser Leben im Bistum neu ausrichtet, ori-entiert und motiviert:

„Wir wollen eine missionarische Kirche sein, die Gott und den Menschen nahe ist.Deshalb gestalten wir unser Bistum im Zusammenleben mit den Menschen so, dass sie darin- den Glauben als sinnstiftend und erfüllend, kritisch und befreiend erleben,- sich in ihrer jeweiligen Lebens- wirklichkeit angenommen wissen,- ein Zuhause und Gemeinschaft finden.“

Denn niemand interessiert sich für einen Glauben, der ihm nicht Lebens-hilfe sein kann und der für sein Alltagsleben keine Bedeutung hat. Niemand interessiert sich für einen Glauben, der an den Erfahrungen sei-nes Lebens vorbeigeht, seine Lebens-situation, seine Freude und Hoffnung, seine Trauer und Ängste nicht ernst nimmt. Und niemand wird auf Dauer bei der Kirche bleiben, wenn er nicht echte, tragfähige Beziehung, Gemein-schaft, ein Obdach für seine Seele, ein Zuhause findet.Die Sehnsucht nach dem „Mehr“ dem Größeren, nach dem Angenommensein in der Not und nach Gemeinschaft liegt unabweisbar in der Luft. Nur die

Wir haben eine Visionvon Bischof Dr. Franz-Josef Bode

„Nähe“, die Christus selbst oft nennt und lebt, ist eine heilsame Antwort auf das, was in der Luft liegt. „Jetzt aber seid ihr, die ihr einst in der Ferne wart, durch Christus Jesus, nämlich durch sein Blut, in die Nähe gekom-men“ (Eph 2,13). Ja, nur diese Nähe Christi, der von dem „Nahen“ des Rei-ches Gottes spricht, vom „nahen Gott“ und von der Liebe zum „Nächsten“, kann das in der Luft liegende Glauben, Hoffen und Lieben wieder verdichten zum greif- und schöpfbaren Wasser des Lebens, kann das Verdunstete wieder zu einem neuen Wasser ver-dichten, das sogar der Wandlung in köstlichen Wein der Freude fähig ist.

Sieben Zugänge zu Glaube und Kirche

1. Diese Nähe ist nicht mehr allein in der Gemeindestruktur zu haben, wie wir sie bisher kennen. Denn Menschen finden heute auf verschiedene Weise Zugänge zum christlichen Glauben und zur Kirche. Dabei ist die territoriale Zugehörigkeit zu einer Pfarrei oder einer Pfarreiengemeinschaft immer noch ein fundamentaler und wich-tiger Zugang. Man gehört aufgrund des Wohnortes zunächst einmal dazu, ob innerlich beheimatet oder nicht. Durch eine Gemeinde, die nicht nur binnengerichtet denen zugewandt ist, die immer schon überall dabei sind, werden Neu-

zugezogene und Fremde aufmerk-sam. Dazu sind eine gute Kommu-nikation, Öffentlichkeitsarbeit und auch ein Besuchsdienst wichtig. So wird Gemeinde für Neue und Fremde als einladend erfahren. Auch die Kasualien, die „Seel-sorgsfälle“, bergen eine nicht zu unterschätzende Chance. Gerade Sterbebegleitung und Beerdigungen (Pastoral um Tod und Trauer) sind Wege, Menschen zu begegnen, die die territoriale Gemeinde noch wenig kennen. Die Festtagsgottes-dienste sind ebenso wichtige Chan-cen wie das „Dazwischen-gehen“ bei Straßen- und Nachbarschafts-festen. Auch Sakramentalien (Segnungen, Einweihungen) sind neu zu entdecken und zu gestalten.

2. Menschen finden aber auch Zugang zum Glauben und zur Kirche durch bestimmte Lebens-situationen, die in der kategorialen Seelsorge aufgegriffen werden: im Urlaub, in Krankheit und Rehabi-litation, in Notfällen, in der Schule und im Religionsunterricht, in Sondersituationen (Militärseelsorge oder Gefängnisseelsorge), auch durch die Berufungspastoral des Päpstlichen Werks für Berufe der Kirche (PWB).

3. Auch personale Beziehungen in Verbänden, Gemeinschaften, Gruppen und Kreisen werden zu Verörtlichungen des Glaubens, die nicht immer auf die eigene Territo-

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rialgemeinde beschränkt sind: Bibelkreise, Meditationskreise, Hospizhelferkreise, Gebetsgruppen, geistliche Begleitung, Exerzitien im Alltag, Kleine Christliche Gemein-schaften, ökumenische Kreise …

4. In diesem Zusammenhang sindauch die medialen Anknüpfungs-punkte zu nennen, die klassischen wie Printmedien, Film, Funk und Fernsehen ebenso wie die Welt des Internets. Sie eröffnen Beziehungs-möglichkeiten, die nicht von perso-naler Kommunikation wegführen, sondern sie herausfordern.

5. Auch geistliche Orte bekommenbei der Mobilität der Menschen heute eine eigene Anziehungskraft und bilden um sich herum ein gewisses Netzwerk: Klöster und Ordensgemeinschaften, Wallfahrts-orte, Zentren geistlicher Gemein-schaften, Bildungshäuser… So wachsen lokale Bindungen, für die Menschen Einiges an Weg und Zeit auf sich nehmen.

6. Viele nehmen auch für einen bestimmten Abschnitt ihres Lebens- weges näher am Leben der Kirche teil und entfernen sich dann wie-der. Oder sie sind zu bestimmten Zeiten des Kirchenjahres (Advent, Fastenzeit) dichter dabei, suchen sich feste Auszeiten oder Exerzitien- angebote als Intensivzeiten in ihrem sonst ziemlich gefüllten Alltag. Solche temporalen Verbindungen,

Rastplätze, Gastzeiten, dürfen wir nicht leichtfertig abtun.

Bei aller Klage über eine zu punk-tuelle Begegnung sind hier auch die Sakramente zu nennen (sakra-mentale Pastoral). Sie sind und bleiben wichtige, ja zentrale Berührungspunkte mit Glaube und Kirche. Die Taufe des Kindes bleibt die tiefe Deutung und Annahme ei-ner Lebenssituation, die Eltern eine ganz neue Dimension ihres Lebens erfahren lässt. Beichte, Erstkom-munion, Firmung, Krankensalbung, Ehe haben mit Grunderfahrungen und Lebenswenden des Menschen zu tun, denen so einladend wie möglich zu begegnen ist (Mystago-gik). Die pastoralen Nöte einer zu punktuellen Sakramentenpastoral und einer zu engen Jahrgangspas-toral liegen auf der Hand, aber

die Gnade Gottes sucht ihre Wege nicht immer so und in dem Mo-ment, wie wir es wollen.

7. Wenn wir an die großen Glaubens-feste und Begegnungen der Diöze-sen und an die Landes- und Welt-weite der Kirche denken, an die universale Kirche, die im Dienst an der Einheit im Petrusamt des Papstes ein Gesicht erhält, ist auch der globale Zugang nicht wegzu-denken. Auf den Weltjugendtagen etwa zeigen Millionen von jungen Menschen, dass Glaube und Kirche nicht eine kleine lokale Restsituati-on sind mit einer Handvoll Getreu-en, sondern eine Weltdimension haben in einem Netzwerk quer durch alle Kulturen und Generatio-nen. Gerade die sich ausweitende Zerstreuungssituation (Diaspora) des Glaubens braucht überlebens-

global

kategorial

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notwendig diese Erfahrung der Gesamtkirche.

Diese sieben verschiedenen Zugänge von Menschen zum Glauben verdeut-lichen, dass der Blick nicht nur aus Priester- und Finanzmangel über die Gemeindegrenzen hinausgehen muss – das ist wohl ein schmerzlicher An-lass dafür. Er muss es auch deshalb, weil nur im Zusammenspiel der Kräfte mehrerer Gemeinden (in einer Pfarrei-engemeinschaft oder in einer neuen Pfarrei) die verschiedenen Gaben und Fähigkeiten, Akzente und Farben so eingesetzt werden können, dass Menschen auf verschiedene Weise angesprochen werden.

Größere Räume müssen nicht der Nähe entbehren, wenn es genügend Elemente gibt, die gerade auf die Förderung von direkten Beziehungen zielen. Breite muss nicht der Dichte, Weite nicht der Tiefe widersprechen, wenn Personen und Gruppen persona-le Überzeugung ausstrahlen, wenn sie „burning persons“ und nicht ausge-brannte Personen sind, wenn Priester, Diakone, hauptamtliche pastorale Dienste und ehrenamtliche Gruppen in Liturgie, Verkündigung und Diakonie den Glauben feiern, bezeugen und leben.

Gemeinschaft und Sendung aller

Das Zweite Vatikanische Konzil hat den Begriff „communio“, der Ge-meinschaft, stark herausgestellt als Lebensprinzip der Kirche, communio nach dem Bild des dreifaltigen Gottes:

Einheit mit Gott und untereinander (vgl. Joh 17,21 ff.) und Einheit in Verschiedenheit, wie der dreifaltige Gott in sich selbst höchste Einheit in lebendiger Gemeinschaft lebt. Was das für die Dienste der Kirche und ihr Miteinander bedeutet, muss weiter ausgelotet werden.

Priesterlicher Dienst in einer Pfarreien-gemeinschaft oder in einer größeren (neuen) Pfarrei erfordert hohe Befähi-gung zum Dienst an der Einheit durch Kooperation, Integration und Delega-tion. Dieser Dienst muss als geistliche Leitung verstanden werden aus der Feier der Eucharistie und der Versöh-nung heraus. Er muss für den Priester Raum für geistliche Begleitung von Einzelnen und Gruppen offenlassen.

Die Identität des diakonischen Dienstes ist noch nicht ausgeschöpft. Vielleicht gibt es neben der Diakonie am physisch und psychisch notleiden-den Menschen noch eine Diakonie durch helfende Tätigkeit etwa in Verwaltung und Organisation...

Die pastoralen Dienste werden in den Feldern der Begleitung, Katechese, in kategorialen Feldern wie Beratung und Bildung ihren genuinen Platz haben.

Nicht zuletzt braucht das Ehrenamt, der freiwillige Einsatz der eigenen Lebenskompetenz, eine notwendige Neubewertung und Begleitung.

Missionarische Gemeinde geht nicht ohne echte innere „communio“ (Gemeinschaft) der Kirche. „Missio“ (Sendung) ohne „communio“ bleibt Aktivismus und vordergründige Zah-lenerfassung; „communio“ ohne „mis-sio“ bleibt ein Kreisen um sich selbst ohne Wirkung nach außen und in die Zukunft. Ebenso geht Kirche nicht in die Weite und Breite ohne Tiefe und Dichte.

Weil das immer mehr Menschen spü-ren – selbst wenn die Rezepte für mor-gen noch nicht vorliegen –, weil diese Wahrnehmung in der Luft liegt, dürfen wir sicher hoffen, dass der Glaube nicht einfach weiter verdunstet, son-dern doch wieder Orte und Zeichen der Verdichtung, der Kondensation findet, wo er als „lebendiges Wasser“, als neu erlebtes Taufwasser erfahren wird. Auch dann bleibt noch, was wir oftmals als „Mangelverwaltung“ einordnen und was zurzeit manchmal leider unvermeidlich ist. Aber all das ist vorläufig für eine missionarische Kirche!

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1. GRUNDLEGUNG

1.1 Zu einigen zentralen Begriffen

Dieser Begriff ist in unserem Bistum weit verbreitet, aber eigentlich noch sehr jung. Er ist vor allem geprägt worden durch die Beratungen der Synode der Deutschen Bistümer („Würzburger Synode“, 1971 bis 1975). In diesem Begriff sind die beiden Begriffe »Pfarrei« und »Ge-meinde« zusammengefügt worden. Das Problem ist allerdings, dass die Pfarrei auf der einen und die Ge-meinde auf der anderen Seite nicht unbedingt identisch sind.

„Kirchengemeinde“ hängt eng mit „Pfarrei“ zusammen. Der Begriff „Kirchengemeinde“ kommt aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich und ist durch Staatskirchenverträge in den einzelnen Bundesländern verankert. Er errichtet eine katholi-sche Pfarrei als anerkannten Träger des öffentlichen Rechts. Ausdruck dieser Rechtsverfassung ist in den Bundesländern Bremen und Nieder-sachsen die Notwendigkeit der Bildung eines Kirchenvorstands als Organ der juristischen Person Kirchengemeinde.

Dieser bei uns bislang weniger gebräuchliche Begriff stammt – wie weiter unten noch deutlich werden wird – aus dem lateinischen parochia/paroecia. Er bezeichnet ursprünglich „das Wohnen eines Fremden in einem Orte ohne Bür-gerrecht“ (vgl. z.B. 1 Petr 1,17). Das Gesetzbuch der katholischen Kirche, der Codex Iuris Canonici (CIC, aktuelle Fassung von 1983), nennt in can. 515 § 1 CIC folgende konstitutive Elemente einer Pfarrei: 1. Eine Pfarrei ist eine bestimmte Gemeinschaft von Gläubigen.2. Diese Gemeinschaft ist auf Dauer als Teilkirche errichtet.3. Die Seelsorge ist einem Pfarrer als eigenberechtigtem Hirten anvertraut.4. Die Seelsorge geschieht unter der Aufsicht des Diözesan- bischofs.

Damit ist die Pfarrei die rechtliche Grundform der Gemeinde. Weitere wichtige Elemente einer Pfarrei sind z.B. Pfarrkirche und Pfarrhaus, Pfarrbücher und Archiv. Diese Elemente sind aber nicht konstitutiv für eine Pfarrei.

Pfarrgemeinde

KirchengemeindePfarreiAngesichts der tief greifenden Verän-derungen in der „pastoralen Land-schaft“ ist die verstärkte Kooperation zwischen den verschiedenen Trägern pastoralen Handelns (Pfarrgemeinden, Verbänden, geistlichen Gemeinschaf-ten, kirchlichen Einrichtungen, z.B. Caritas) eine der zentralen Herausfor-derungen für die kommende Zeit.Wenn angesichts dieser Situation über Elemente einer zukunftsfähigen Pas-toral gesprochen wird, ist es wichtig, sich über einige zentrale Begriffe zu verständigen, die dabei verwendet werden: Was meinen wir eigentlich, wenn wir „Pfarrgemeinde“, „Pfarrei“, „Kirchengemeinde“ oder ähnliches sagen? Ist damit nicht dasselbe gemeint? Oder versuchen die verschie-denen Ausdrücke unterschiedliche Aspekte zu betonen?

Die Gemeinschaft der Gläubigen ist theologisch gesehen das Ziel der Pfarreibildung, dem alle anderen Elemente einer Pfarrei dienen. Die Würzburger Synode formuliert deshalb: In der Pfarrei „soll die Kirche als Einheit des Gottesvolkes in überschaubarem Lebensraum am Ort sichtbar und erfahrbar werden“.1 Dies geschieht in der Feier des Glaubens im Gottesdienst, in der Weitergabe des Glaubens in der Verkündigung/Katechese und in der Praxis des Glaubens im caritativen Handeln. Das heißt: Die Pfarrei dient der Bildung von Gemein-

Gemeinde

1 Beschluss Pastoralstrukturen, OG I, 694.

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Dieser von der Deutschen Bischofs-konferenz im Frühjahr 2007 vor-geschlagene Begriff soll einheitlich für den deutschen Sprachraum fol-gende Situation benennen: Mehrere Pfarreien unter der Leitung eines einzigen Pfarrers bilden gemeinsam eine Seelsorgeeinheit. In dieser Einheit bleibt die rechtliche Eigen-ständigkeit der Pfarreien gewahrt (zum Teil haben diese in einer Übergangsphase auch noch einen eigenen Pfarrer); die Pfarreien ar-beiten jedoch seelsorglich und organisatorisch eng zusammen. Zum Beispiel können gemeinsame Organe/Gremien gebildet werden – etwa ein gemeinsamer Pfarr-gemeinderat –, der Einsatz des nichtpastoralen Personals gemein-sam koordiniert werden, Pfarrbüro, Pfarrbrief und Homepage gemein-sam geführt bzw. gestaltet. In unserem Bistum wurde diese Form der Zusammenarbeit bisher mit dem Ausdruck „Gemeindeverbund“ benannt.

Dieser Begriff ist in der Diözese Osnabrück erstmals in den Bera-tungen zum Perspektivplan 2015 eingeführt worden. Er hat einerseits zu Missverständnissen geführt. Andererseits kann er verschiedene Aspekte, die mit einer neuen Sozial-gestalt von Kirche einhergehen, auf den Punkt bringen. Insofern handelt

Dort, wo im Gegensatz zur Pfarreien- gemeinschaft die „Zuschnitte“ bisher rechtlich selbstständiger Pfarreien verändert werden, entsteht eine neue Pfarrei. Dies kann auf zwei Wegen geschehen: Modell A: Eine Pfarrei bleibt beste-hen; die anderen Pfarreien werden aufgelöst und der weiterbestehen-den Pfarrei eingegliedert. Modell B: Alle Pfarreien werden for-mal aufgelöst und es wird eine neue Pfarrei im Territorium der bisherigen Pfarreien errichtet. Die Auflösung einer Pfarrei geschieht formal durch ein entsprechendes Dekret des Diözesanbischofs. Dadurch verlieren die pfarrlichen Gremien Kompeten-zen bzw. hören auf zu existieren. Ebenso verlieren Siegel und Kirchenbücher ihre Gültigkeit.

Pfarreiengemeinschaft

Pastoraler Raum

Neue Pfarreischaften, in denen Menschen ihren Glauben leben können. Dafür steht der Ausdruck „Gemeinde“: Immer dort, wo sich die so genannten Grunddimensionen kirchlichen Lebens entfalten, entsteht Gemeinde Jesu Christi.

Zwar ist das, was der Ausdruck sagen will, in der Sendung Jesu Christi verankert und hat in ihm seinen bleibenden Grund. Doch ist „Gemeinde“ in diesem Sinne erst durch das II. Vatikanische Konzil in der katholischen Kirche wiederent-deckt worden. Wir kennen diesen Begriff auch aus dem öffentlichen Bereich, wo er bezüglich kommuna-ler Gliederungen benutzt wird (vgl. z.B. „Samtgemeinde“). Der Begriff beschreibt aber im kirchlichen Kontext eben gerade keine formale Struktur, sondern die Sammlung von Gläubigen, die miteinander am Leib Christi teilhaben. Gemeinde ist da, wo sich Menschen am Sonntag zur Feier des Herrenmahles versam-meln, aber auch da, wo Getaufte sich im Bibel-Teilen für das Wort Gottes öffnen. Gemeinde ist da, wo Menschen an einem Wohnort in der Kommunion- oder Firmvorbereitung in Gruppen ein Stück Weg mit-einander gehen, aber auch da, wo sie aus den unterschiedlichsten Regionen eines Landes zusammen-kommen, um ihren Glauben mitein-ander zu teilen, wie z.B. auf einem Katholikentag. Gemeinde ist da, wo in einer Einrichtung für behinderte

Menschen Mitglieder der Pfarrgemeinde regelmäßig zum gemeinsamen Spiel und Gebet vor- beikommen, aber auch dort, wo eine Seelsorgerin die Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter einer Pflege- einrichtung zu Gespräch und Gottesdienst einlädt.

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es sich um einen pastoraltheologi-schen Ausdruck, der keine formale Struktur der Kirche beschreibt – wie z.B. Kirchengemeinde –, sondern der auf einer Ebene mit „Gemeinde“ liegt. Wer von einem Pastoralen Raum spricht, der betont, dass Kirche in einer Stadt, einem Stadt-teil oder einer Region in vielfältiger Weise das Leben der Menschen berührt und die Menschen unter- einander verbindet: Erziehungs-fragen (vgl. die entsprechenden Orte wie Kindertagesstätten, Schulen, Beratungsstellen, Jugend-einrichtungen) können ebenso eine Nahtstelle zur Kirche bilden, wie Fragen von Krankheit und Alter (Krankenhäuser und Altenpflege-heime) oder auch Hilfen in materieller oder psychischer Not (Sozialstationen, unterschiedliche Beratungsstellen, „Tafeln“ …). Wo Kirche sich im pastoralen Raum entfaltet, bildet sie zwischen den verschiedenen Orten und damit auch den Lebensbezügen der Men-schen ein Netzwerk, in dem kirch-liche und nicht-kirchliche Einrich-tungen miteinander in Verbindung stehen – um der Menschen willen, die zu diesem Raum gehören.

Schon dieser erste Überblick über einige zentrale Begriffe verdeutlicht, dass die Weiterentwicklung und Neu-strukturierung der Seelsorgeeinheiten in unserem Bistum ein Prozess ist, der auf mindestens zwei verschiedenen Ebenen abläuft. Beide Ebenen be-einflussen sich gegenseitig, sind aber doch voneinander zu unterscheiden:

Ebene 1: Pastorale Weiterentwicklung und Neuordnung angesichts veränder-ter gesellschaftlicher und kirchlicher Rahmenbedingungen – Leitfrage: Was kennzeichnet künftig die Gemeinde Jesu Christi, ihre Sendung an einem konkreten Ort?

Ebene 2: Formale Weiterentwicklung und Neuordnung kirchlicher Struktu-ren – Leitfrage: Welche rechtlichen, finanziellen und personellen Rahmen-bedingungen müssen geschaffen wer-den, um der Sendung des Evangeli-ums an einem konkreten Ort gerecht werden zu können? Diese Frage wird relevant z.B. durch Änderungen beim Zuschnitt von Pfarreien bzw. durch Gründung einer neuen Pfarrei oder verbindliche Formen der Zusammenar-beit in einer Pfarreiengemeinschaft.

„Gemeinde“ in den Beschlüssen der Würz-burger Synode

„Die Gemeinde ist an einem be-stimmten Ort oder innerhalb eines bestimmten Personenkreises die durch Wort und Sakrament begrün-dete, durch den Dienst des Amtes geeinte und geleitete, zur Verherr-lichung Gottes und zum Dienst an den Menschen berufene Gemein-schaft derer, die in Einheit mit der Gesamtkirche an Jesus Christus glauben und das durch ihn ge-schenkte Heil bezeugen. Durch die eine Taufe (vgl. 1 Kor 12,13) und durch die gemeinsame Teilhabean dem einen Tisch des Herrn (vgl. 1 Kor 10,16 f) ist sie ein Leib in Jesus Christus. Im allerweitesten Sinn verwirklicht sich Gemeinde Christi überall, wo zwei oder drei im Namen Jesu beisammen sind (vgl. Mt 18,20).“ 2

„Der Auftrag der Kirche erfordert dieSammlung von Menschen zu leben-digen, offenen Gemeinden auf allen pastoralen Ebenen. Überall dort, wo– durch den Dienst des Amtes ge-eint – Menschen das Wort gläubig hören und weitertragen, miteinan-der Eucharistie feiern und im Dienste der Liebe füreinander und für alle da sind, lebt Gemeinde Jesu Christi.“ 3

2 Beschluss Dienste und Ämter, OG I, 605.3 Beschluss Pastoralstrukturen, OG I, 689f.

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„Pfarrei“ im Codex Iuris Canonici (1983)

Can. 374 § 1: Jede Diözese oder andere Teil-

kirche ist in verschiedene Teile, d. h. Pfarreien, aufzugliedern.

Can. 515 § 1: Die Pfarrei ist eine bestimmte

Gemeinschaft von Gläubigen, die in einer Teilkirche auf Dauer errichtet ist und deren Hirten-sorge unter der Autorität des Diözesanbischofs einem Pfarrer als ihrem eigenen Hirten anver-traut wird.

Can. 515 § 2: Pfarreien zu errichten, aufzuhe-

ben oder sie zu verändern, ist allein Sache des Diözesan-bischofs, der keine Pfarreien errichten oder aufheben oder nennenswert verändern darf, ohne den Priesterrat gehört zu haben.

Can. 515 § 3: Die rechtmäßig errichtete Pfarrei

besitzt von Rechts wegen Rechtspersönlichkeit.

Can. 518: Die Pfarrei hat in aller Regel

territorial abgegrenzt zu sein und alle Gläubigen eines bestimm-ten Gebietes zu umfassen; wo es jedoch angezeigt ist, sind

Personalpfarreien zu errichten, die nach Ritus, Sprache oder Nationalität der Gläubigen eines Gebietes oder auch unter einem anderen Gesichtspunkt be-stimmt werden.

Can. 519: Der Pfarrer ist der eigene Hirte

der ihm übertragenen Pfarrei; er nimmt die Hirtensorge für die ihm anvertraute Gemeinschaftunter der Autorität des Diözesan-bischofs wahr, zu dessen Teil-habe am Amt Christi er berufen ist, um für diese Gemeinschaft die Dienste des Lehrens, des Heiligens und des Leitens aus-zuüben, wobei nach Maßgabe des Rechts auch andere Priester oder Diakone mitwirken sowie Laien mithelfen.

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1.2 Von Pfarreien und GemeindenZusammenspiel im Dienst einer zukunftsfähigen Pastoral

Die Neustrukturierung zielt also in erster Linie auf die Weiter- bzw. Neu- entwicklung verschiedener Formen der Gemeindebildung. In der Ge-schichte der Kirche hat es in Zeiten größerer Veränderungsprozesse immer wieder solche Neuaufbrüche gegeben. So ist das Entstehen der kirchlichen Verbände im Deutschland des 19. Jahrhunderts als ein Prozess der Ge-meindebildung zu verstehen. Gegen-wärtig ist diesbezüglich die Bewegung der so genannten „Kleinen Christlichen Gemeinschaften“ vor allem in Asien und Afrika sowie der „Basisgemein-schaften“ in Lateinamerika zu nennen. Auch in vielen europäischen Ländern geschieht die Bildung neuer Gemein-den, z.B. in Frankreich, wo sich nach der faktischen Auflösung vieler Pfarrei-en Glaubende vor allem in nichtpfarr-lich organisierten geistlichen Gemein-schaften zusammenfinden oder das Leben vor Ort in regionalen Einheiten kirchlich organisiert wird – jenseits der obsolet gewordenen Grenzen der alten Pfarreien.Wie in der Einführung von Bischof Dr. Bode beschrieben, ist Gemeinde-bildung unter territorialen Gesichts-punkten (also in einer Pfarrei) die bei uns am weitesten verbreitete, aber nur eine der möglichen Formen, die zukünftig zunehmend durch andere ergänzt werden wird. Die Pfarrei bietet jedoch die Chance, aufgrund der Nähe zum Wohnort der Menschen und auf der Basis einer relativ stabilen Kern-gemeinde in vielfältiger Weise Gemeindebildung zu fördern.

Zwei Fragen lassen sich anschließen:

Wie verhalten sich künftig Gemein-den und Pfarrei zueinander?

Zu einer katholischen Gemeinde kann sich jemand zählen, der sich an einem bestimmten „Ort“, an dem Gottes-dienst gefeiert (= Liturgia), der Glaube verkündigt (= Martyria) und im Alltag bezeugt und gelebt wird (= Diakonia), zuhause fühlt. Das kann auch z.B. in Krankenhäusern, in Gefängnissen, in Hochschulgemeinden, in Klöstern etc. der Fall sein. Trotz aller Veränderungs-prozesse in einer mobilen Gesellschaft wird dem Wohnort und damit der territorialen Pfarrei auch in der künfti-gen Pastoral eine wichtige Bedeutung zukommen. Die Pfarrei handelt jedoch nicht isoliert neben anderen kirch-lichen Angeboten und Einrichtungen, sondern versucht dazu beizutragen, dass diese – im Zusammenspiel mit nichtkirchlichen Personen und Insti-tutionen, die sich für den Menschen engagieren – sowohl fruchtbar in Spannung zueinander stehen als auch ergänzen. Was damit gemeint ist, kann das Bild von der Pfarrei als Herberge oder Raststätte verdeutlichen: „Pfarrei“ leitet sich vom griechischen „paroikia“ ab, womit ursprünglich die Herbergen auf den Fernstraßen des römischen Reiches bezeichnet wurden. „Diese Rastplätze ermöglichten den Reisen-den auszuruhen, Kommunikation zu pflegen, die nötige Nahrung aufzuneh-

men, die Wunden, die man sich auf dem Weg zugezogen hatte, zu heilen, die Pferde und Wagen neu zu rüsten, um dann die nächste Wegstrecke an-zugehen und zu bewältigen. Die Form dieser ‚paroikia’ war unterschiedlich, entsprechend den örtlichen Verhältnis-sen und Bedürfnissen. Die Kirche, das wandernde Volk Gottes auf dem Weg ins Himmelreich, hat diesen Begriff im 3. Jahrhundert ganz bewusst über-nommen.“ 4 Die sogenannte „Kernge-meinde“ in der Pfarrei spielt in diesem Zusammenhang die Rolle derer, die die Herberge relativ stabil bewohnen und als „Herbergsteam“ betreuen. Diese Gemeinschaft sorgt dafür, dass die materiellen und personellen Res-sourcen für die verschiedenen kirch-lichen „Orte“, also die Gemeinden in ihren vielfältigen Formen, fruchtbar werden. Die „Gäste“ wiederum sind nicht einfach passive Empfänger der Wohltaten, sondern prägen ihrerseits durch den kreativen Umgang mit den ihnen geschenkten Gütern das Bild der gesamten Herberge mit.

Die Mitglieder des „Herbergsteams“ können ihren Dienst umso besser

4 Erzbischof Ludwig SCHICK: Pfarrei – Kirche vor Ort. Theologisch-kirchenrechtliche Vorgabenund Hinweise zur Pfarrei. In: „Mehr als Struktu-ren... Entwicklungen und Perspektiven der pastoralen Neuordnung in den Diözesen“. Dokumentation des Studientages der Frühjahrs-Vollversammlung 2007 der Deutschen Bischofs-konferenz (Arbeitshilfen 213), hrsg. vom SEKRETARIAT DER DEUTSCHEN BISCHOFS-KONFERENZ, Bonn 2007, 22-39,39. Vgl. auch HENDRIKS, Jan, Gemeinde als Herberge. Kir-che im 21. Jahrhundert – eine konkrete Utopie, dt. Gütersloh 2001.

1. GRUNDLEGUNG

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Beispiele für Pfarrei-bildung sind:

- Aufgabenverteilung im hauptamt- lichen pastoralen Team - Anpassung der pfarrlichen Gremien (Kirchenvorstand und Pfarrgemein- derat) - Organisation des Pfarrbüros - Klärung der Aufgabenbereiche und

Anstellungsverhältnisse von haupt- u. nebenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Pfarrei(-en)

- Ebenen der Vernetzung mit ande-ren kirchlichen und sozialen Trägern im Gebiet der Pfarrei (z.B. Forum Schule – Gemeinde, Zusam-menarbeit mit Einrichtungen der institutionalisierten Caritas)

Beispiele für Gemeinde-bildung sind:

- Schwerpunktsetzung in der Pastoral- Arbeit an Gemeindevisionen in den gemeindlichen Gremien - Entwicklung einer missionarischen Sakramentenpastoral - Entfaltung einer Vielfalt von Gottes- dienstformen- Entwicklung regionaler und/oder milieuspezifischer Angebote - Neuzugezogenenpastoral - Elemente geistlicher Vertiefung für bestehende Gruppen und Verbände- Aufbau „Kleiner Christlicher Gemeinschaften“ (= Kirche in der Nachbarschaft)- Mitwirkung an stadtteilbezogenen oder dörflichen sozialen Projekten

erfüllen, je mehr sie sich selbst nicht rein funktional, sondern von ihrer ge-meinsamen Teilhabe am Leib Christi getragen wissen. Hierzu trägt inner-halb der Kerngemeinde besonders die Gottesdienstgemeinde bei: Sie wird durch die Menschen gebildet, die sich vor allem in der Eucharistiefeier und in anderen gottesdienstlichen Formen versammeln zu Lob und Dank, zu Bitte und Klage.

Die Deckungsgleichheit von Pfarrei und Gemeinde, die in der Ära der „Volkskirche“ vielerorts Realität war, kommt demnach der Quadratur des Kreises gleich.5 Wir leben heute – ob gewollt oder nicht – in einer größeren Vielfalt von Gemeinden und Gemein-schaften innerhalb der Pfarrei, die oftmals nur schwer zu erfassen und zu überschauen ist:

„Pfarreientwicklung ist etwas anderes als Gemeindebildung. Pfarrei steht fürdie Gestalt, Gemeinde für den Gehalt.Wer von der Pfarrei redet, redet zunächst von der Strukturebene. Die Pfarrei existiert als Rechtsform auch dann noch, wenn alles christliche Le-ben längst ausgezogen ist... Gemeinde ist sozusagen ein ‚Tätigkeitswort‘. Gemeinde ist nicht, sie wird…“6

5 Vgl. SPIELBERG, Bernhard, Kreisquadrat und Pfarrgemeinde. Zwei unlösbare Probleme. In: LS 2/2006, 92-100.6 Bischof Dr. Heinrich MUSSINGHOFF, „Zu-kunft der Gemeinde – Gemeinde der Zukunft“. Vortrag bei den Begegnungen mit den pastora-len Diensten, März – Juni 2007, S. 3.

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Die Tendenz geht immer stärker da-hin, dass in weniger werdenden und dann größeren Pfarreien eine Vielzahl von Gemeinden existiert: „Die eine Pfarrei ist ebenso Ort der Seelsorge wie die vielen …Gemeinden… Orte der Seelsorge sind. Deshalb sprechen wir gerne von der Pfarrei als einer Gemeinschaft von Gemeinden. Die Schaffung solcher Orte in vergrößerten pastoralen Räumen ist von der Absicht geleitet, ein gemeinsames kirchliches Bewusstsein zu erreichen und ein Miteinander im Volke Gottes, das die Gläubigen als Mitglieder einer Pfarrei und der ihr zugeordneten Gemeinden … darstellen.“ 7

Was bedeutet in diesem Zusammen-hang „Pastoraler Raum“?

Wir stehen somit vor einer doppelten Entwicklung: 1. Die Anzahl der Pfarreien wird

geringer und die Fläche der Pfarrei-en wird größer.

2. Zugleich werden die Formen gemeindlichen Lebens vielfältiger. Die Gleichung „eine Pfarrei = eine Gemeinde“ wird immer seltener die Wirklichkeit hinreichend beschrei-ben.

Das bedeutet, dass die Vergrößerung der pastoralen Strukturen – egal ob durch (neue) Pfarreien oder durch

Pfarreiengemeinschaften – nur dann lebensfördernd ist, wenn bestehende und neue Orte der Gemeinschafts-bildung Beheimatung im Glauben gewährleisten. Die zentrale Herausfor-derung besteht darin, wie sich zu-künftig Nähe im Sinne der „Erfahrung der Menschen in der Verkündigung Jesu“ darstellen lässt: „Er (Jesus) kommt ihnen nahe, indem er Worte, Gesten und Bilder aufgreift, die sie betreffen. Jesu Begegnungen mit den Menschen, seine Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen bringen das Reich Gottes in die Unmittelbar-keit der persönlichen und sozialen Lebenswelten.“8 Nähe wird damit zum „Grundparadigma und Auftrag kirchlicher Pastoral“, denn: Die Kirche hat den Auftrag, in ihrer Verkündigung die Person Jesu Christi, die Person des gekreuzigten Auferstandenen zu vermitteln. Dies geschieht vor allem in den Sakramenten und im seelsorg-lichen Handeln der Gemeinde, indem sie konkreten Menschen nahe kom-men will.

Solche Pastoral um der Menschen willen gelingt jedoch nur, wenn Kirche ernst nimmt, dass in einer mobilen Gesellschaft Nähe nicht zuerst eine territoriale, sondern eine personale Kategorie ist. So ist etwa für viele junge Menschen der Nächste nicht derjenige, der im Nachbarhaus wohnt,

sondern derjenige, der im Adressver-zeichnis des Handys erscheint. Des-halb gibt es zu einer Pastoral, in der sich pfarrliche, sonstige kirchliche und auch nichtkirchliche Personen und Institutionen vernetzen, keine Alter-native, denn nur auf diesem Weg diffe-renziert sich pastorales Handeln in einer Weise aus, dass es Menschen in ihren sehr vielfältigen Lebenssituatio-nen erreicht. Dafür steht der Ausdruck »pastoraler Raum«: Er zielt zwar – wie »Pfarrei« – in erster Linie auf das Territorium, auf das bezogen sich eine bestimmte Gemeinschaft von Gläubi-gen in einer Vielzahl von Gemeinden sammelt. Der Begriff nimmt aber eben vor allem die „Orte“ der Pastoral in den Blick, den sozialen Einzugsraum dieser „Orte“ und existenzielle, pas-torale und spirituelle Bedürfnisse der Menschen in diesem Raum. Und diese pastoralen „Orte“ überschreiten zum Teil das Territorium einer Pfarrei bzw. sind nur sehr eingeschränkt territorial beschreibbar.9

Ein gewandeltes Verständnis von Ge-meinde und Pfarrei fordert auch dazu heraus, über die Arbeit derer nachzu-denken, die sich ehren- und haupt-amtlich in der Pastoral engagieren. Dazu finden sich einige Überlegungen im Abschnitt 4.1.

7 Bischof Felix GENN: Das Zusammenwirken von unterschiedlichen Orten, Formen und Vollzügen der Seelsorge in den vergrößerten pastoralen Räumen. In: Mehr als Strukturen, 40-49, 44 (Hervorhebung redaktionell).

8 Dieses und das folgende Zitat: Arbeitsgruppe „Pfarrei und Gemeinde – Historisch gewachsene Strukturen vs. Neue pastorale Gliederungen“. In: Mehr als Strukturen, 68-71, 69f.

9 In unserem Bistum haben wir während der zu-rückliegenden Diskussionsprozesse im Rahmen der Perspektivplanung den Begriff „pastoraler Raum“ z.T. nur im Hinblick auf die Bildung neuer, größerer Pfarreien gebraucht. Das hat nicht immer und überall zur Klärung beigetra-gen. Die jetzt vorgeschlagene Verwendung ist etwas offener und betont, dass der Begriff v. a. pastoraltheologische Relevanz hat.