Grammatiktheorien Teil 2 Amerikanischer Strukturalismus Chomsky vgl. Lobin, Grammatiktheorie im...
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Grammatiktheorien
Teil 2
Amerikanischer Strukturalismus
Chomskyvgl. Lobin, Grammatiktheorie im 20.Jh.
Inhalt der Vorlesung
• Begriffsklärung
• Historisches zur Grammatik(-theorie)
• Grammatikmodelle
• Grundbegriffe der syntaktischen Analyse
• Grammatiktheorien (GB, LFG, HPSG, OT)– Überblick– Anwendungen
Amerikanischer Strukturalismus
• Seit den 20er Jahren• Umfasst Bloomfield-Ära und Distributionalismus• Ethnolinguistik: interdisziplinäre Forschungen zu• Indianersprachen
Behavioristisch geleitetes KonzeptUntersuchungsgegenstand: nur das sinnlich
Wahrnehmbare Konzentration auf objektiv erfassbare Daten Ausklammerung der Semantik
Amerikanischer Strukturalismus (2)
• Kein Rückgriff auf innere mentalische Faktoren wie Wille, Vorstellung, Gedanke etc.
• Empririsches, induktiv-analytisches Vorgehen: Analyse von Phonologie und Grammatik durch Segmentierung und Klassifizierung
• Systematische Beschreibung sprachlicher Regelmäßigkeiten
• „objektive“ Linguistik exakte Wissenschaft
Bloomfield
• 1887 – 1949, Sohn österreichisch-jüdischer Eltern• Studium der germanistischen Philologie und
Indogermanistik• Ausbildung zum Teil noch bei den
Junggrammatikern• Hauptvertreter der ersten deskriptivistischen Phase• Ziel: Linguistik als Wissenschaft zu entwickeln• Hauptwerk: Language (1933)
Bloomfields Language
• Behaviorismus als GrundlageVerhalten wird beschrieben durch Reiz-Reaktion-Muster
• Mechanistische Sichtweise– Rein formale Definition von grammatischen Kategorien– Ausschaltung von Bedeutung
• Streng deskriptive Ausrichtung der Linguistik• Ausgangspunkt: phonetische Formen
(Formklassen ohne Klassenbedeutung)• Beschreibung der Bedeutung nur über die Form
Bloomfields Auswirkungen
• Moderater Umgang mit Bedeutung: strukturelle Bedeutung (Fries, 1952)
• Radikaler Umgang mit Bedeutung: Bei Chomsky aus methodischen (nicht philosophischen) Gründen ausgeschaltet
• Gegenbewegung: General Semantics, Metalinguistik
Fries: The Structure of English
• Konsequent strukturelle Beschreibung engl. Sätze• Umsetzung Bloomfield‘scher Positionen• Lexical meaning + structural meaning = total
linguistic meaning• Wort-Funktion: rein strukturell und distributionell
bestimmt• Immediate Constituents (IC)
– „Layers of Structure“– Regeln die Reihenfolge der funktionalen Zuordnung
der Wörter im Satz zueinander
Fries: Formklassen
• Ein Satz besteht nicht aus Wörtern, sondern aus Formklassen (part of speech):– gleiche Funktion– formale Kontraste– 4 Klassen (vgl. Kategorien N, V, A, ADV) +
Funktionswortklasse
Fries : Formklassen (2)
• Einordnung der Elemente in Formklassen durch Substitutionstests– Klasse 1: austauschbar mit concert, clerk, tax and team
– Klasse 2: austauschbar mit was, remembered and went
– Klasse 3: austauschbar mit good
– Klasse 4: austauschbar mit there
• Funktionswortklassen A – O, z.B.– A: the, an, every
– L: when, why, where
Harris: Distributionalismus
• Zellig S. Harris (1909 – 1992)• Verbindung des Deskriptivismus mit
mathematischen Operationen• Objektiver Außenblick auch auf die eigene
Sprache zur Feststellung formaler Beziehungen zwischen den Phänomenen einer Sprache
• Identifizierung sprachlicher Elemente durch ihre Distribution im Satz
Distribution
• Def.: Die Distribution eines Elements ist die Summe der Umgebungen, in die es sich relational einfügen lässt.
• Vollständige Beschreibung der Sprache durch ihre distributionelle Struktur– Segmentierung– Klassifikation Ermittlung der Distribution
Transformationsanalyse
• Einführung der Transformationsebene– Transformationen sind
Äquivalenzbeziehungen zwischen zwei Strukturen mit gleichen Kookkurrenzen
– Gleicher Bestand an Elementen auf allen Stufen der Transformation
Anderer grammatischer Status, aber unveränderte semantische Information
Transformationen - Beispiele
• Passivtransformation
• Einleitungstransformation
• Wortstellungstransformation
• Adjektivtransformation
• Haben-Transformation
Zusammenfassung Methoden der strukturellen Linguistik
• Untersuchung basiert auf Informant (Muttersprachler) Korpus
• Distribution Klassifikation aufgrund der Umgebung
• Freie Alternation/freie Varianten• Kontrastive Distribution (glatt/platt)• Komplementäre Distribution (Distributionsklassen)
• Immediate Constituents• Transformationen• Test für Konstituenten (s. Einf. in synt. Analyse)
Traditionelle Grammatik vs. Strukturelle Linguistik
Traditionelle Gramm.• Vermischung untersch.
Ebenen
• Außersprachl. und semantische Kriterien
• Intuitionistisch
• Datensammelnd
Strukturelle Linguistik• Strenge Trennung der
Ebenen
• Immanente Relationskriterien
• Exakte, formalisierbare Resultate
• Theoriebildend, modellierend
Chomsky
• Avram Noam Chomsky• Geb. 7.12.1928 in
Philadelphia, Pennsylv.• Syntactic Structures
(1957)• Aspects of the Theory of
Syntax (1965)• Lectures on Government
and Binding (1981)• The Minimalist Program
(1995)
Chomsky
• Verbindung von mathematischer Linguistik und sprachlichem Wissen (vgl. Harris)
• Untersuchungsgegenstand: Sprachkompetenz (nicht nur beobachtbare Daten)
• „Wer seine Sprache kompetent beherrscht, weiß mehr, als die Beschreibung oder distributionelle Analyse einer unbekannten Sprache festzustellen erlaubt.“ (Geier,1998:146 über Chomsky)
Forschungsgegenstand
• Jenseits der phänomenal zugänglichen Empirie• Kognitives System abstrakter Prinzipien und
Parameter mit Subsystemen (Boundingtheorie, Bindungstheorie, Rektionstheorie etc.) zur Erklärung der Phänomene, die unter dem Begriff Sprache zusammengefasst werden.
• „Wissenssystem“ für Muttersprachler nicht zugänglich
• Vergleich mit Organen
Syntactic Structures
• Konzept der Generativen Grammatik• Anwendung von Methoden des Strukturalismus
und des Behaviorismus• Unterscheidung von Performanz und Kompetenz• Ziel:
– Beschreibung der Regeln, die die Strukturen der Kompetenz bestimmen
– Nicht Sammlung von Sprachbeschreibungen– Entwicklung einer Grammatik
Idee der Universalgrammatik (UG)
Anforderungen an eine (generative) Grammatik
• Korrektheit: Eine Grammatik ist bezüglich (eines Fragments) einernatürlichen Sprache korrekt, wenn sie nur wohlgeformte Ausdrücke dieser Sprache erzeugt.
• Vollständigkeit:Eine Grammatik ist bezüglich (eines Fragments) einernatürlichen Sprache vollständig, wenn sie alle wohlgeformtenAusdrücke dieser Sprache erzeugt.
• Adäquatheit: Eine Grammatik ist bezüglich (eines Fragments) einernatürlichen Sprache adäquat, wenn sie in derselben Beziehungsowohl korrekt als auch vollständig ist.
Anforderungen (2)
• Explizite Beschreibung auch der offensichtlichen Eigenschaften sprachlichen Wissens
• Explizit genug, um ohne weitere Information die entsprechende Sprache erzeugen zu können (maschinelle Sprachverarbeitung)
Deskriptive Adäquatheit als Voraussetzung für explanative Adäquatheit
Generative Grammatik
• Grammatik als Mittel zur Generierung aller grammatischen (und nicht der nicht-grammatischen) Sätze einer Sprache
• Zuordnung von Strukturbeschreibungen für diese Sätze
• Komplette Ausklammerung der Bedeutung• Abkehr vom deskriptivischen Ansatz:
Vorhersagen über grammatische Sätze Theorie der Grammatikalität
Grammatikalität
• „Die Grammatik als Theorie der Struktur aller Sätze soll diejenigen Eigenschaften von Sätzen abbilden, die für deren Grammatikalität konstitutiv sind.“ (Geier, S.78)
• Urteile über Wohlgeformtheit von Sätzen durch native speaker
• Grammatikalitätsurteile: – grammatisch wohlgeformt vs. abweichend– Grammatisch wohlgeformt vs. akzeptabel
Grammatikalität (2)
• als syntaktischer Begriff verstanden (zunächst unabhängig von seiner Semantik)
• Sätze… – … als Beispiele für strukturelle Satzanalyse
z.T. nicht realisierte Möglichkeitsgebilde
– … ohne Bezug auf die Subjektivität des Urteilenden
– … isoliert aus der realen Sprechsituation
keine pragmatischen Bezüge
Grammatikalität (3)
• Nicht wahrscheinlichkeitstheoretisch– Keine Beobachtungen über Häufigkeit von
Satzverwendungen– Keine Annahmen über die Wahrscheinlichkeit
der Verwendung von Sätzen unter bestimmten Bedingungen
– Keine Hypothesen über Folgewahrscheinlichkeiten von Wörtern innerhalb von Satzgrenzen
Wichtige Begriffe bei Chomsky
• Mind vs. Brain– Brain: physikalisches Objekt– Mind: Abstraktion des Gehirns mentale
Phänomene
• Performanz vs. Kompetenz– Kompetenz: „Wissen“ eines Menschen um die
Regeln seiner Sprache– Performanz: tatsächliche Verwendung dieser
Sprache in realen Situationen
Performanz und Kompetenz
• Kompetenz als Ursache aller Performanz-Phänomene– KI: Universalgrammatik: Beschränkung auf Formen
sprachlichen Wissens für den primären Spracherwerb– KII: Verbund der Systeme, die die individuelle
Sprachfähigkeit ausmachen– KIII: KII + zusätzlicher Systeme (soziale Interaktion,
affektives System)
• Rückkoppelung von Performanz auf Kompetenz nicht vorgesehen!
Wichtige Begriffe bei Chomsky (2)
• Regel: – Formale Darstellung einer Regularität in einer Sprache
(Ersetzungsregeln)
– Als Handlungsmuster im Kopf des Sprechers repräsentiert
• Language faculty: biologischer (physikalischer) Teil im Gehirn, zuständig für Sprache
• Universal Grammar (UG)
Universalgrammatik (UG)
• Fragestellungen– Wieso haben die existierenden Sprachen die Form, die
sie haben und nicht mögliche andere?– Wieso ist der Mensch in der Lage, eine
Sprache/Grammatik zu erwerben?
• Antwort: Angeborene Sprachfähigkeit in Form der Universalgrammatik mit für alle Sprachen geltenden, universellen, Prinzipien.
• Ziel: Abbildung linguistischer Universalien auf neuronale Sachverhalte
Universalgrammatik vs. Einzelsprache
• Problem: Verwendung traditioneller Begriffe bei der Beschreibung nicht aus dieser Tradition stammender Sprachen
• Wie universell können Kategorien sein? (vgl. Adjektiv im Japanischen und Deutschen)
verschiedene Universalientypen
Typen von Universalien
• Substantielle UniversalienZur Analyse von Sprache notwendige Kategorien (Frage, Substantiv...)
• Formale UniversalienAbstrakte Bedingungen für die Sprachanalyse/zur Konstruktioneiner Grammatik (Regeltypen,Transformationstypen)
• Implikationelle Universalien Wenn X, dann Y. (z.B. Dualis -> Plural)
• Absolute Universalienin allen Sprachen vorhanden (z.B. Vokale)
• Relative Universalien Tendenzen mit Ausnahmen (z.B. Nasale)
Exkurs: Frühere UG-Ideen
• Franziskaner Roger Bacon (1214-1294)„grammatica una et eadem est secundum substantiam in
omnibus linguis, licet accidentaliter varietur“
• Dominikaner Robert Kilwardby (1250)„Unity of grammar realized with superficial differences in
different languages...“
• Modisten: – Latein als perfekte Sprache
– Grammatikregeln unabhängig von Einzelsprache
Exkurs: Frühere UG-Ideen (2)
• Grammatik von Port-Royal (1660)
• James Harris (1751): „UG respects only those principles that are
essential to all languages“
• James Beattie (1783): Ähnliches Denken ähnliche Sprachstrukturen
UG – Das Syntax-Modul
• Mentalistische Modularitätsthese• Konstituierend für die Satzbildung• Formgebend• Uniforme Bildungsweise• Ausklammerung der Bedeutung• ~> gegen Arbitraritätsprinzip, für Kratylos:
sprachliche Elemente haben ihre Bedeutung von Natur aus
Sprache vs. Grammatik
• Unterschiedliche kategoriale Ordnung:• Für Sprache gilt Arbitraritätsprinzip• Für Formen der UG nicht (UG ist angeboren Form ist
naturgegeben)
• Grammatik• im Sprecher intern realisierte Theorie seiner Sprache• linguistischer Zugang zu diesem Phänomen
• Sprache• Untersuchungsgegenstand• generierbares Produkt
Das Wort
• Drei Arten von Information über das Wort werden an entsprechenden Stellen gespeichert:– Lexikon: Morpho-phonologische Struktur und
syntaktische Merkmale– PF (Phonologische Form): Lautgestalt in der
Oberfläschenstruktur (S-Struktur)– LF (Logische Form): Bedeutung
Exkurs: LF
• Repräsentation der Bedeutung einer Äußerung über Quantorenlogik (wahrheitsfunktionale Semantik)
• Funktion der LF-Regeln: Darstellung des Skopus von Quantoren, Partikeln etc.
Noam hat auch Hunger nicht nur Durst Auch Noam hat Hunger, nicht nur die anderen
• An Kriterien orientiert, die keinen Bezug auf irgendwelche subjektiven Determinanten der Artikulation haben
Architektur der Gesamttheorie
• Rekursive Satzdefinition
• Syntaktische Basiskomponente– Generierung von Tiefenstrukturen– Überführung in Oberflächenstrukturen
• Form: Ketten von Elementen als Input für Regeln zur phonologischen Interpretation
Chomsky Splitter
• Intuition eines Muttersprachlers als Zugang zu relevanten linguistischen Daten
• Sprache = Menge von Sätzen (gebildet zum Zweck der Kommunikation)
• Satz nur in der Schrift formal greifbar• Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit nicht beachtet• Interesse des generativen Linguisten liegt an
bestimmten formalen Eigenschaften des signifiant
Paradigmenwechsel - Wende zum Kognitivismus
• Aufhebung von Strukturalismus und Distributionalismus
• Radikale Unterscheidung zwischen Sprache und Grammatik
• Unterscheidung von Kern (KI) und Peripherie (KII) der Grammatik Universalismus (Aufgabe des Arbitraritätsprinzips, Wechsel zum
Physikalismus)
Paradigmenwechsel - Wende zum Kognitivismus (2)
• Radikaler Verzicht auf Sprachbeschreibung zugunsten der Explanation grammatischer Phänomene
• Gleich geblieben: Annahme einer Tiefen- und Oberflächenstruktur