GrauSchumacher Piano Duo - berlinerfestspiele.de · Der Schriftsteller Georges Perec ... als er...

40
Berliner Festspiele in Zusammenarbeit mit der Stiftung Berliner Philharmoniker 2. September 2016 GrauSchumacher Piano Duo Manoury: Le temps, mode d‘emploi Isabelle Faust Nono: La lontananza

Transcript of GrauSchumacher Piano Duo - berlinerfestspiele.de · Der Schriftsteller Georges Perec ... als er...

Berliner Festspiele in Zusammenarbeit mit der Stiftung Berliner Philharmoniker

2. September 2016

GrauSchumacher Piano DuoManoury: Le temps, mode d‘emploi

Isabelle FaustNono: La lontananza

1

Berliner Festspiele

Berliner Festspiele in Zusammenarbeit mit der Stiftung Berliner Philharmoniker

Bildnachweise

Titel: Caspar David Friedrich, „Wanderer über dem Nebelmeer“, 1818

S. 8 Philippe Manoury, „Le temps, mode d’emploi“, Ausschnitt aus der Partitur © Philippe Manoury und Durand, Salabert, Eschig

S. 11 Venedig 1975, Foto: Paolo Monti, Wikimedia Commons S. 17 Bodenstruktur © Dieter Wendland S. 22 Philippe Manoury © Philippe Stirnweiss S. 23 Luigi Nono 1979, Niederländisches Nationalarchiv, Foto: Fernando Peirera, Wikimedia Commons S. 24 Isabelle Faust © Felix Broede S. 26 GrauSchumacher Piano Duo © Dietmar Scholz S. 27 André Richard © Klaus Fröhlich

3

Musikfest Berlin 2016 Freitag, 2. September, 19:00 Uhr und 21:30 Uhr

5 Konzertprogramm

6 Thomas Meyer: Zeit-Spiel-Räume (Manoury)

12 Luigi Nono: La lontananza

14 Lydia Jeschke: Momente von Unmittelbarkeit (Nono)

20 Interview mit Isabelle Faust

22 Komponisten

24 Interpreten

32 Musikfest Berlin 2016 im Radio und Internet

34 Musikfest Berlin 2016 Programmübersicht

36 Impressum

Weitere Texte und Beiträge zum Musikfest Berlin lesen Sie im Blog der Berliner Festspiele: blog.berlinerfestspiele.de

4

Bitte schalten Sie Ihr Mobiltelefon vor Beginn des Konzerts aus.

Bitte beachten Sie, dass Mitschnitte und Fotografieren während des Konzerts nicht erlaubt sind.

5

Philippe Manoury (* 1952) Le temps, mode d’emploi für zwei Klaviere und Live-Elektronik (2013/14)

GrauSchumacher Piano DuoAndreas Grau / Götz Schumacher KlavierePhilippe Manoury / Thomas Goepfer Live-elektronische Realisierung

Entstehungszeit: 2014 Auftraggeber: Kompositionsauftrag des Experimentalstudios des SWR, des WDR, der Wigmore Hall London, des Wiener Konzerthaus und der Stadt Witten, finanziert durch die Ernst von Siemens Musik- stiftung mit Unterstützung des Deutsch-französischen Fonds für zeitgenössische Musik / Impuls neue Musik. Uraufführung: 11. Mai 2014 in Witten, Wittener Tage für neue Kammer- musik, GrauSchumacher Piano Duo und Experimentalstudio des SWR Widmungsträger: GrauSchumacher Piano Duo

Eine Veranstaltung der Berliner Festspiele / Musikfest Berlin

Luigi Nono (1924–1990) La lontananza nostalgica utopica futura für Solovioline und Tonbänder (1988)

Isabelle Faust Violine André Richard Klangregie

Entstehungszeit: 1988 Auftraggeber: Berliner Festwochen 1988 Uraufführung: 3. September 1988 im Rahmen der Berliner Festwochen mit Gidon Kremer (Violine), dem Experimentalstudio der Heinrich Strobel Stiftung des Südwestfunks, Hans-Peter Haller und Luigi Nono (Klang regie) sowie Bernd Noll, André Richard, Rudolf Strauss, Alvise Vidolin. Widmungsträger: Salvatore Sciarrino („A Salvatore Sciarrino ‚caminante’ esemplare”)

Eine Veranstaltung der Berliner Festspiele / Musikfest Berlin

Programm

Freitag, 2. September 19:00 UhrKammermusiksaalDauer: ca. 50 Minuten

Freitag, 2. September 21:30 UhrKammermusiksaalDauer: ca. 50 Minuten

6

Gebrauchsanweisungen sind nützlich, aber auch etwas lästig, denn sie nehmen uns den Stolz, selbst mit etwas fertig zu werden. Glücklich also, wer ohne aus-kommt. Wenn nun ein Künstler sein Werk als eine Gebrauchsanweisung bezeich-net, kann eigentlich nur Ironie dahinter stecken. Der Schriftsteller Georges Perec etwa, ein Meister aus der experimentierfreudigen Oulipo-Gruppe, verwendete das Wort, als er 1979 ein Buch „La vie, mode d’emploi“ („Das Leben. Gebrauchs-anweisung“) betitelte und darin kapitelweise und äußerlich recht schematisch ein Haus, seine Zimmer und seine Bewohner an einer fiktiven Pariser Adresse beschrieb. Er fügte dem Text verschiedene „erklärende“ Register als (Des-) Orientierungshilfe bei. Das wird man nun bei diesem Werk des französischen Komponisten Philippe Manoury vermissen. „Le temps, mode d’emploi“ kennt keine Orientierungshilfen, allenfalls ist der Titel eine, insofern er darauf hinweist, dass die Zeit hier anders verwendet wird. Wer die Besetzung – zwei Klaviere mit-samt Live-Elektronik – sieht, wird sich vielleicht an ein epochales Werk von Karl-heinz Stockhausen erinnert fühlen: „Mantra“ für zwei Klaviere und Ringmodu-lation aus dem Jahr 1970. Tatsächlich gibt da mehr als nur eine fundamentale Übereinstimmung, wobei wir freilich in die Jugendzeit Manourys zurückkehren müssen.

Philippe Manoury, geboren 1952 in Tulle (Limousin), also in der Provinz, war zu-nächst begeistert von spätromantischer Orchestermusik, von Richard Wagner, Richard Strauss und Gustav Mahler. Langsam nur näherte er sich als Jugend-licher der Moderne an und entdeckte unter der Anleitung des Schönberg- Schülers Max Deutsch in Paris die Musik der Wiener Schule. Zu seinem persön-lichen „Woodstock“, wie er sagt, wurden Stockhausens allwinterliche Pariser Konzerte zu einem Ort der inneren Befreiung, gerade auch im Umgang mit elektronischer Musik, die ihn als Komponisten, Forscher und Dozenten sein wei-teres Leben begleitete. Karlheinz Stockhausen, so pflegt er zu sagen, sei für die elektronische Musik, was Claudio Monteverdi für die Oper war. Er habe sie nicht erfunden, aber als erster eine Vision entwickelt. Damals, in den frühen 70ern, entdeckte Manoury eben „Mantra“, dieses Schlüs-selwerk für die live-elektronische Musik (etwa auch für die Arbeit des Experi-mentalstudios des SWR). Im Vergleich mit der heutigen Technik mag es „rudi-mentär“ wirken, wie hier der Klavierklang über zwei Sinusgenerationen und Ringmodulation verändert wurde – und doch war es eine Initialzündung, denn seine Auffassung der elektronischen Musik, so Manoury, sei sehr eng mit dem Interpreten verbunden. Seine ersten Versuche mit Elektronik in den 70er Jahren

Essay

Zeit-Spiel-Räume

Philippe Manoury Le temps, mode d’emploi für zwei Klaviere und Live-Elektronik

Zeit-Spiel-Räumeoder Gebrauchsanweisungen für die ZeitPhilippe Manoury: Le temps, mode d’emploi für zwei Klavier und Elektronik in Echtzeit

7

hatten ihn enttäuscht, er fand es traurig, dass man bei den Tonbandkonzerten nur die Lautsprecher sehen konnte. Bei „Mantra“ hingegen agierten die Musiker, das Ergebnis lebte. Von dort ausgehend experimentierte er mit der Interaktion zwischen Elektronik und Live-Performance. „Für mich drückt sich Musik durch ein Medium, durch den Interpreten, aus.“ Und so finden sich in seinem Werk-verzeichnis auch kaum rein elektronische Stücke. Er glaubt an das Konzert - erlebnis.

„Mantra“ wurde so zur Offenbarung bzw. zum Schock; „une onde de choc“, wie Manoury sagt. Zum einen wurden so neue Klänge möglich – der „natürliche“ Klang wird über die Elektronik ja transformiert, verfremdet, zum Beispiel hin zum Glockenähnlichen. Zum anderen wird der Klang verräumlicht – bei „Le temps, mode d’emploi“ sind die sechs Lautsprecher rund ums Publikum postiert. Die Elektronik kombiniert die beiden Klaviere mit vier weiteren virtuellen In-strumenten und einem „sehr ausgeklügelten System von Synthesen, Klangver-arbeitung und Klangaufspaltungen“, so dass ein Ensemble von sechs Klavieren entsteht. Als wesentliches Drittes aber – und von daher rührt der Titel – kommt ein neues Zeitverständnis hinzu, dadurch, dass die Elektronik die transformier-ten Töne live bzw. gleichzeitig, en temps réel/in Echtzeit wiedergibt. Damit kann man nun zu spielen und zu gestalten beginnen, über Verzögerungen etwa, Be-schleunigungen und Verlangsamungen. Die Zufallsoperationen des Computers bringen eine gewisse Unvorhersehbarkeit mit sich. In „Le temps, mode d’emploi“ setzt Manoury zum Beispiel an bestimmten Stellen sogenannte Markow-Ketten ein, stochastische, auf Wahrscheinlichkeitskalkülen basierende Prozesse. Die Ergebnisse seien dadurch zwar weitgehend kontrollier- und wiedererkennbar, aber doch jedes Mal anders. Solches Arbeiten mit Live-Elektronik ist im wahrs-ten Sinne experimentell. „Wichtig ist, das Experiment zu akzeptieren.“ erklärte Manoury einmal im Gespräch: „Man kann diese Musik nicht wie ein normales Instrumentalstück komponieren. Wenn ich ein Orchesterwerk schreibe, brauche ich nur Papier, Bleistift, Radiergummi und mein Gedächtnis, denn ich weiß, wie das Orchester klingt. Bei der Elektronik aber kann ich mich nicht auf mein Gedächtnis verlassen, hier muss ich am Klang selbst experimentell arbeiten.“

„Le temps, mode d’emploi“ ist also mit dem Hinweis auf Stockhausens „Mantra“ auch eine Gebrauchsanweisung für den Umgang mit Zeit. Das Ohr muss stän-dig zwischen unterschiedlichen, manchmal parallel ablaufenden „Zeitlichkeiten“ hin und her switchen. Das Stück, so Manoury, sei „ein großes musikalisches Fresko über verschiedene Arten, Zeit auszudrücken: kontemplative und aktive

Essay

Zeit-Spiel-Räumeoder Gebrauchsanweisungen für die ZeitPhilippe Manoury: Le temps, mode d’emploi für zwei Klavier und Elektronik in Echtzeit

8

9Essay

Zeit, verzögerte und echte Zeit, kontinuierliche und unterbrochene, heterogene oder homogene, geglättete oder gerippelte, pulsierende, aufgehobene, wieder-aufgenommene, zirkuläre, gekrümmte Zeit …“ Darin agieren / reagieren auch die Musiker – Echtzeit also nicht nur in der Live-Elektronik, sondern auch im Spiel der Musiker. Die Zeit oder besser: der Umgang mit ihr wird wesentlich, wie ein Blick in die Partitur zeigt: Da gibt es nicht nur die üblichen Takt-, sondern auch ständige Tempowechsel mit manchmal unterschiedlichen Metronomzahlen für die beiden Klaviere. Außerdem wechseln Passagen, die exakt im Takt gespielt werden sollen, mit sogenannt taktlosen („non mesuré“) ab, die dem Interpreten eine mehr oder weniger große Freiheit im Rubato und in der Gestaltung lassen. Dadurch kann sich die Zeit ausdehnen oder zusammenziehen, kann sie sich öff-nen oder strukturieren oder perforieren (rippeln), wenn Löcher entstehen. Die Elektronik folgt dem Spiel der Interpreten, beeinflusst es aber auch. Aus dem Moment heraus entsteht ein Dialog, was die Lebendigkeit der Aufführung aus-macht. Auf elastische und gut durchhörbare Weise werden kontinuierliche und diskontinuierliche, fragmentierte und freie, gedrängte und entspannte Zeit-formen übereinandergelegt, wobei Manoury die Wahrnehmungsweisen unter-scheidet: „Die physische oder musikalische Zeit, aber auch die psychische Zeit. Zeit ist nicht nur ein Gefäß, das unser Leben sowie unsere Taten und Wahrneh-mungen umfasst; sie kann ihre eigene Struktur haben, eine Art Umhüllung, die ihren Ausdruck auf uns hinterlässt.“ Und die Musik könne das eben seit jeher viel besser ausdrücken als irgendein anderes Medium. An diesen zeitlichen Or-ganisationen arbeitet Manoury.

Gewiss braucht es dafür keine weitere Hörhilfe, aber gute Gebrauchsanweisun-gen zeigen uns ja auch noch weitere Möglichkeiten im Umgang mit Geräten auf – sie fordern auf, Weiteres zu entdecken. „Le temps, mode d’emploi“, 2013/14 komponiert und 2014 in Witten uraufgeführt, ist „in acht Abschnitte gegliedert, die innerhalb einer Großform direkt aufeinander folgen und reagieren“. Jeder Abschnitt verlangt einen etwas veränderten Hörzugang. Einige sind durch starke Gesten (akkordische Blöcke, dahinrasende Passagen, Glissandostürme) geprägt, aber im ruhigeren zweiten Teil erscheinen etwa auch kurze Dreiklang-motive, denen das Ohr folgt, ohne sie freilich je fixieren zu können. In späteren Abschnitten werden Verläufe, die sich allmählich ausgedehnt haben, auf einmal durch harte Interventionen beschnitten, gekappt, aufgebrochen, so dass das Ohr im Zeiterleben, in dem es sich einmal niedergelassen hatte, aufgestört wird. Die Störelemente nehmen vielleicht sogar einen immer größeren Platz ein. Und schließlich: Was lässt uns spüren, dass etwas zu Ende gehen wird? Das Nach-lassen der zuvor so enormen Spannkraft, das Abstürzen, das Sich-Auflösen der Musik, das Loslassen der Zeit …?So werden in den acht Teilen Prozesse initiiert, variiert, umgebogen. In dieses Zeitstück spielt auch eine dramatische Ebene hinein. Die Konstruktionen drohen manchmal zu explodieren. Strenge und Chaos stehen nebeneinander. Anhand seines Orchesterstücks „Sound and Fury“ („Klang und Wut“) beschrieb er die

10Essay

Grundvaleurs seiner Musik: Zum einen ein Gespür für die Sinnlichkeit der Klänge, auch in ihrer Raumwirkung; zum anderen eine zuweilen sehr heftige Expressi-vität. Das Stück, so schreibt der Komponist, entwickle sich in einem Prozess „hin zu heftigeren, erregteren Strukturen voller Wut, die momenteweise durch eine immer ‚wildere‘ musikalische Übersättigung geprägt seien. Diese Heftigkeit ist indessen, wie immer bei mir, völlig durchorganisiert, sei es ausgehend von einem Wachsen oder Wuchern eines klar strukturierten Grundmaterials, sei es durch das plötzliche Einbrechen eines Elements, dessen Auftritt nichts in diesem Kon-text zuvor erahnen ließ. Es ist, so hoffe ich, eine auskomponierte Gewalt-tätigkeit.” Das gilt auch für „Le temps, mode de emploi“, ein Stück, das wie einige historische Vorbilder im Genre für zwei Klaviere, zum Beispiel Ludwig van Beethovens Bearbeitung der „Großen Fuge“, Max Regers „Variationen und Fuge“ über ein Thema von Beethoven, Ferruccio Busonis „Fantasia contrappuntistica“, Pierre Boulez‘ „Structures I und II“ oder eben „Mantra“, einen Zug zur monu-mentalen Architektur, aber auch zum allesverschlingenden Ausbrechen hat. Mit Gebrauchsanweisungen ist da nicht mehr viel auszurichten, es geht Manoury gerade um die Grundfrage (immer wieder), wie aus einer sehr rationalen Kon-struktion etwas Irrationales entstehen könne, das chaotisch und heterogen ist? Er vergleicht diesen Kontrast mit dem zwischen den beiden Philosophen Hegel und Nietzsche: Der eine gehe vom System aus, der andere vom Rausch, obwohl das System seinerseits rauschhaft sei. So lasse sich das Delirium konstruieren. Gerade dieses Stück für zwei Klaviere, eine weite, über fünfzigminütige Klang-architektur, ist dank der Live-Elektronik auch ein gewaltiger Klangrausch, ein faszinierendes Geläute.

Thomas Meyer

11

12Gedicht

La lontananza nostalgica utopica futura

mi è amica e disperantein continua inquietudine.

Le rare qualità dei suoniinventati da Gidon fannosuonare i vari spazidella Kleine Philharmonie.

Come gli articolati spazi Voci di tanti „Caminantes”.

della Kleine Philharmonieoffrono altri spazi per isuoni originali di Gidon:lontani – vicini –incontri – scontri – silenzi – interni – esterni –confilitti sovrapposti.

Nastri magnetici come vocidi madrigali si accompagnanoal violino solista e al live electronics.

Nessuna elaborazione o trasformazione:i suoni di Gidon sono originali.tre giorni di registrazione pura alloStudio Sperimentale S.W.F. di Freiburg.

Ascolti infiniti – tentatividi scelte per affinità elettive -vari sentimenti compositivivoce per voce.

come gli antichi fiamminghi immaginifici.

E Gidon si abbandonaai vari spazi con altrascrittura-invenzione.

E li abbandona.

Luigi NonoVenezia, 25.7.88

Text Luigi Nonos anlässlich der Uraufführung des Werks am 3. September 1988 im Kammermusiksaal der Phiharmonie. Auftragswerk der Berliner Festwochen

13Gedicht

Übertragung: Helga von Kügelken für die Uraufführung des Werks am 3. September 1988 im Kammermusiksaal der Philharmonie, Auftragswerk der Berliner Festwochen

Die nostalgisch-utopische zukünftige Ferne

ist mir Freundin und Verzweifelnde zugleichIn fortwährender Unruhe.

Die seltene Qualität der vonGidon erfundenen Klänge.Sie lassen die verschiedenen Räume der Kleinen Philharmonie erklingen.

Stimmen so vieler „Wanderer“.

Wie die gegliederten Räume der Kleinen Philharmonieden originalen Klängen von Gidonandere Räume eröffnen:der Ferne – der Nähe – der Begegnungen – der Zusammenstöße – der Stille des Innen – des Außender sich überlagernden Konflikte.

Tonbänder gesellen sichden Stimmen der Madrigale gleichzu Solovioline und Live-Elektronik

Keine Verarbeitung oder Transformation:Die Klänge von Gidon sind original.Drei Tage lang nichts als AufnahmenIm Experimentalstudio des SWF in Freiburg.

Hören ohne Ende – Versuchedurch Wahlverwandtschaften auszuwählen–Manigfaltige kompositorische GefühleStimme für Stimme

Wie die imaginativen alten Niederländer.

Und Gidon verliert sichin diesen verschiedenen Räumenmit anderer Schrift, „Erfindung“.

Und er verlässt sie.

14Essay

Hörmoment I: Venedig, ein vernebelt dunkler Januarabend Mitte der 1990er.

Wenige Jahre nach dem Tod des Komponisten ist das Archivio Luigi Nono, das seinen künstlerischen Nachlass verwalten soll, noch im Aufbau. Wenn es nicht regnet, sind wir mit der Sackkarre über den Giudecca-Kanal und dann quer durch die Stadt zum Banktresor unterwegs – Nuria Schoenberg Nono, Erika Schaller und ich, mit unserer überschaubaren Muskelkraft und schwerer Fracht stets etwas abschätzig beäugt von den umstehenden, vor allem männlichen Venezianern – , um nach und nach die zu Paketen verschnürten Skizzen in die Archivräume zu bringen, sie zu sortieren, zu studieren und zu erfassen. Jede neue Paketladung bringt neue Entdeckungen, gibt neue Rätsel auf, stellt Fragen und beantwortet andere. Luigi Nono, das wird schnell klar, war kein Vorordner des Eigenen, keiner, der schon zu Lebzeiten an die spätere Forschung zu seinem Œuvre gedacht oder sie schon in bestimmte, möglichst fehlerresistente Bahnen gelenkt hätte. Und so ist es eine Art Entdeckungsreise mit nur sehr ungefähren Haltepunkten, auf der wir deutschen und italienischen Musikwissenschaft- lerinnen uns damals, in dieser frühen Phase der Archivierung befinden. Die Tage im Archiv sind entsprechend: ruhig-konzentriert und aufregend zugleich, sie sind meistens lang und vergehen doch wie im Flug.

Aus dem Abend dieses speziellen Tages im Januar aber ist Nacht geworden. Nuria Nono, Erika, die spätere langjährige wissenschaftliche Leiterin des Archivs, und weitere Besucher des Archivio Nono haben sich verabschiedet. Ich bin, wäh-rend vor dem Fenster noch die Lichter einzelner größerer Schiffe kon tem pla- tiv-unscharf den Hafen durch den Kanal verlassen, noch in eine Recherche ver-graben. Und so ist die Entdeckung dieses Tages, dieser Nacht, eine ebenso zu-fällige wie intensive, denn auf der Suche nach Klangmaterial zum zentralen Werk in Nonos spätem Schaffen, zur Hörtragödie „Prometeo“, finde ich eine Dat-Kassette mit dem Mitschnitt einer frühen Aufführung von Nonos spätestem Spätwerk: „La lontananza nostalgica utopica futura“. Gidon Kremer und Luigi Nono sind die Interpreten an Violine und Mischpult, viel mehr gibt die Beschrif-tung nicht preis. Ist es die Berliner Uraufführung von 1988 oder die kurz später revidierte Version? Ich aktiviere die Lautsprecher. Vielleicht liefert die winter-nächtliche Dunkelheit auf der schlafenden Giudecca-Insel den richtigen Rah-men, vielleicht spielt auch die Überraschung der Sinne eine Rolle, darüber, dass in die große Stille des Archivs plötzlich überhaupt etwas klingt – jedenfalls schei-nen sich,in der nun folgenden Stunde Musik, verschiedene Räume und Zeiten einander zu überlagern, zu kommentieren, zu verdichten und gelegentlich

Momente von Unmittelbarkeit

Luigi Nonos „La lontananza nostalgica utopica futura“

15Essay

auszuhebeln. Es entsteht einer dieser seltenen Momente von Unmittelbarkeit, in denen Vergangenes und Zukünftiges präsent (eben: Präsenz) werden. Nonos Musik wandert beredt zwischen seinen aufgeschlagenen Skizzen und Büchern – oder ist es der Geiger, der in der Aufnahme hörbar die Richtung und Entfernung wechselt? Was geschieht wo? Studio, Aufführungsraum und Abspielstätte, Klang- archiv und Forschungsort, aufgezeichnete, verarbeitete und aktuelle Klänge und Geräusche werden bald so ununterscheidbar, dass ich mich (als einzige Person im Raum) unwillkürlich angesprochen fühle, als in der Aufnahme plötz-lich jemand redet. Was geschieht wann? Die Musik erinnert, fern, an weit zurück liegende Zeiten, kommt gleich darauf in fast beängstigende Nähe, akustisch und stilistisch. Sie überblendet beides in einer mehrfachen, mehrdeutigen Perspektive, so als wäre auch die Hörerin einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, schon mitein- komponiert. Ein besonderer Musik-Moment sicherlich. Das alles aber hat nicht nur mit der damaligen venezianischen Nacht und dem persönlichen Hörerlebnis zwischen dem noch unsortierten und daher beinahe undistanzierten Nachlass zu tun. Sondern auch sehr viel mit der Struktur und dem Aufbau dieser Kompo-sition. Überlagerung, Korrespondenz und Variabilität sind darin wichtige Stichworte.

Überlagerung und Wanderung

„La lontananza nostalgica utopica futura“ basiert auf Klängen, die Nono im Februar 1988 im Freiburger Experimentalstudio des SWR aufzeichnete: Er bat den Geiger Gidon Kremer, den er wenige Monate zuvor kennengelernt hatte, vor den Mikrofonen zu improvisieren. Aber es gibt auch einen Berliner Zu-sammenhang in der Entstehung des Stücks: Zwischen 1986 und 1988 hat Luigi Nono größtenteils in Berlin gelebt. Er war nicht nur Gast des Berliner Künstler-programms des DAAD (1986/87), sondern auch Fellow am Wissenschaftskolleg und hat an der damaligen Hochschule der Künste Isang Yun als Gastprofessor vertreten. Die Frage des räumlichen Hörens, die Beziehung zwischen Komposi-tion, Rezeption und den architektonischen Gegebenheiten der konventionellen Konzertsäle, haben ihn zu dieser Zeit sehr beschäftigt. Überlegungen dazu, aber auch zur Ortsspezifik des Kammermusiksaals der Philharmonie sind in die Raum-Konzeption von „La lontananza“ eingeflossen, das als Auftragswerk der Berliner Festwochen dort 1988 im Rahmen der Komponistenportraits der Berli-ner Festwochen uraufgeführt wurde.

16Essay

Das Material aus der mehrtätigen Session mit Gidon Kremer: Fragmente aus traditionellem Repertoire, einzelne Geigentöne, Phrasen, Klangexperimente, aber auch Arbeitsgeräusche, Schritte, Poltern, Gesprächsfetzen, wurde später mit elektronischen Mitteln verarbeitet. Tonhöhen wurden verändert, Klänge ge-filtert oder verzögert, mit anderem Nachhall versehen, räumlich neu verteilt. So entstanden insgesamt acht Zuspiel-Spuren, deren Texturen André Richard grob klassifiziert in: „sehr dicht überlagertes harmonisches Material“ (1 und 2), „Ori-ginalklänge verschiedener Spielweisen, einzelne Töne und Quinten“ (3 und 4),

„Stimmen, Worte, Geräusche von Türen, Stühlen usw., auch Violinklänge“ (5 und 6) und „melodisches Material hoch klingend, Flageolettmelodien, schnelle Tremoli, springender und geworfener Bogen“ (7 und 8). Die damals von Gidon Kremer eingespielten Klänge sind also durch Nonos Verarbeitung im Studio ei-nander überlagert worden, zugleich neu kombiniert und gruppiert. Die daraus entstandenen Zuspiele (alle acht Spuren sind so lang wie die maximale Auffüh-rungsdauer des Stücks: gut eine Stunde) sind aber selbst wiederum Material, das den aktuell im Konzertsaal gespielten Geigenklängen überlagert werden kann. Die Kombinationsmöglichkeiten sind unzählig: Welche Spur(en) wir in welcher Dynamik an welcher Stelle hören, bleibt der Entscheidung des Klang-regisseurs überlassen, auch: aus welchen Lautsprechern im Saal sie klingen. Wann die live gespielte Violine in den verschiedenen Abschnitten hinzutritt, ist Sache des Geigers oder der Geigerin.

Die Geigenstimme verteilt sich auf insgesamt sechs Abschnitte. Nono bezeich-net sie in den Noten als sechs „leggii“, also „Lesepulte“ oder „Notenständer“, nicht einfach „Teile“ oder „Sätze“. Damit verweist er auf die Grunddisposition des Violinparts als im Raum wandernd. „Madrigale per piú ‚caminantes‘ con Gidon Kremer“ lautet der Untertitel des Stücks – Madrigal also für mehr ‚Wan-derer‘. Auf Nonos Faszination für das Umherwandern, die mehr oder weniger alle seine Werke in den 1980er Jahren beeinflusst, ist oft hingewiesen worden. Das spanische Wort „caminante“ weist direkt auf die Verse des Dichters Antonio Machado, die Nono auf einer Mauer in Toledo entdeckte: „Caminante, son tus huellas el camino, y nada más (...)“ – „Wanderer, deine Spuren sind der Weg, sonst nichts (...)“ und die zu Titelworten mehrerer Kompositionen werden.Der zentrale Aspekt, den Nono von Machado übernimmt (zunächst offenbar, ohne den Autor der Zeilen zu kennen), ist der der nicht zielgerichteten Bewe-gung, der wandernden Bewegung als Zweck und Aussage selbst. Und so ist auch die Violinist*in in Nonos beiden letzten Werken, „La lontananza nostalgica uto-pica futura“ und dem daraus hervorgehenden Violinduo „Hay que caminar sognando“, angewiesen, sich während der Aufführung umherzubewegen, nicht zielsicher, sondern suchend, tastend, den Weg zwischen den Stationen der No-tenpulte als Teil des Geschehens zelebrierend. Konkret heißt es in der Geigen-stimme zu „La lontananza am Ende des ersten Abschnitts: „cammina lenta-mente con improvvise fermate come e cercando e andando verso il II. leggio“ („wandere langsam mit plötzlichen Halten wie suchend und gehend zum

17Essay

II. Notenpult“, Hervorhebung im Original). „Quasi incerto“ („gleichsam unsi-cher“) heißt es an späterer Stelle, und der letzte Ortswechsel nach Abschnitt fünf soll (nunmehr ohne „als ob“-Einschränkung) tatsächlich „vagando incerto“ („unsicher umherirrend“) geschehen. Die Notenpulte mit den sechs Abschnitten werden im Raum verteilt, die Abstände zwischen ihnen sind in jedem Auffüh-rungsraum neu zu definieren. Damit die Wege nicht doch allzu vorhersehbar werden, wählt der Solist nicht die kürzesten Verbindungen, die ihn alle Pulte erreichen lassen, sondern kreuzt den Raum möglichst mehrmals. Zusätzlich sieht Nono zwei bis vier weitere Notenpulte vor, die aufgestellt, aber letztlich vom Spieler nicht genutzt werden – als unausgeschöpfte Richtungen und Hal-tepunkte der Wanderungen sozusagen. Sollte sich der Solist tatsächlich in dieser unübersichtlichen Disposition verirren, wäre es Teil des Spiels.

18Essay

Variabilität und Korrespondenzen

„Il suono va e viene“ („der Klang geht und kommt“), heißt es in „leggio II“, am zweiten Notenpult der Komposition. „Interrotto“ soll das Spiel der Geiger*in sein, „unterbrochen“, und „niemals statisch“ („mai statico“). Der räumlichen Vagheit des Klangs steht dort die der Tongebung gegenüber. Auch in den Tonhöhen: in mehreren Abschnitten findet sich die Aufforderung, den Ton zu variieren: um Mikrointervalle, die kleiner als ein Sechzehntelton sind. Häufig wechselnde Bogentechniken zwischen Spiel mit Bogenhaaren oder -holz, zwischen Strich an „normaler“ Stelle oder auf dem Steg erreichen einen ähnlichen Effekt. Oft irisie-ren die Klänge in Flageolett-Höhen oder sie hauchen mehr, als dass sie klingen, im vielfachen pianissimo („leggio III“). Kommen und Gehen bestimmen die Ak tionen der Solist*in, die sich nacheinander den verschiedenen Notenpulten nähert. Tempo und Wegstrecke beeinflussen jeweils die Abstände zwischen den live gespielten Abschnitten. Auch innerhalb dieser Abschnitte gibt es flexibel zu gestaltende Fermaten und Pausen.Das alles trifft sich mit den Gestaltungsmöglichkeiten des Klangregisseurs, der zwar das Zuspiel nicht anhält, aber die gesamte Aufführung hindurch bestimmt, welche Spur wann wo klingt – und auch, ob überhaupt etwas zu hören ist. Wie in der Violine ist auch im Zuspiel Schweigen möglich. „La lontananza nostalgica utopica futura“ für Violine und Elektronik ist Kammermusik. Damit sie gelingt, müssen die beiden Interpreten an den Reglern und der Geige in ein sehr sensi-bles Wechselspiel eintreten, müssen auf die spontanen Entscheidungen des je-weils Anderen musikalisch reagieren. Wenn das gelingt, ergeben sich faszinie-rende Korrespondenzen in verschiedenen Schichten: Die aufgezeichnete Violine korrespondiert mit der live gespielten, der Aufführungsraum mit dem der Studioproduktion, die damalige Situation mit all ihren „Nebengeräuschen“ mit der des Konzerts (mit seinen eigenen unvorhergese henen Nebenklängen).

Hörmoment II:Amsterdam, der laue Abend eines strahlenden Frühsommertages im Juni 2014.

In einem umgebauten Gashouder findet im Rahmen des Hollandfestivals ein Schwerpunktwochenende mit Werken Luigi Nonos statt. Vier große Konzerte und ein Nono-Kongress liegen bereits hinter uns, nun wartet auf die etwas er-schöpften Hörer noch ein Nachtkonzert mit dem Geiger Irvine Arditti und dem Klangregisseur André Richard. Die Probe zu „La lontananza ...“, zeitlich ge-drängt wenige Stunden zuvor, ist mehr eine letzte Sondierung des riesigen runden Saals, ein Verifizieren der geplanten Standorte und Wanderwege. Die Lautsprecher sind eingerichtet, die Interpreten aufeinander eingespielt, bereits 1992 erschien eine CD-Produktion mit Arditti / Richard und diesem Werk, zahl-reiche Aufführungen folgten.

19Essay

Routine? Das Gegenteil ist der Fall. Was folgt, im dunklen Rund des atmosphä-risch besonderen Ambientes, ist eine Begegnung als Grenzgang. Hörbarkeits-schwellen werden erreicht und überschritten, die Positionen der Lautsprecher und des Geigers nicht nur an verschiedenen Seiten des Saals, sondern durch Gerüstkonstruktionen mit Podesten auch auf verschiedenen Höhenebenen in der riesigen Kuppel, lassen die Versuche einer Ortung der Klänge ins Imagi-när-Visionäre übergehen: „utopica“ hatte Nono nach der Uraufführung als zu-sätzlichen Begriff in seinen Werktitel eingefügt. Wieder ist es ein besonderer Moment des Hörens, sommernächtlich in Amsterdam. Aber es ist, verglichen mit demjenigen zwanzig Jahre zuvor, zugleich auch die Dokumentation eines Paradigmenwechsels. Aus dem intimen Dialog des Komponisten mit dem Geiger der Uraufführung und dem dieser beiden mit sich selbst ist ein Musikstück ge-worden, das sich interpretieren und zwischen Nono / Kremer und den aktuellen Interpreten wieder neue Korrespondenzen entstehen lässt. Interpret*innen wie Isabelle Faust werden wiederum eigene und andere Zugänge finden. Intim ist das Werk immer noch, und jedes Mal anders – ein Stück für den Zauber des Moments. Man möchte ihn festhalten. Als kennte sie diesen Wunsch, greift die Elektronik ein einziges Mal im Stück direkt auf den live gespielten Geigenklang zu. Dann nämlich, wenn die Solistin, ihren letzten Ton spielend, den Raum verlassen hat und dieser feine Ton uns im Saal doch scheinbar noch erhalten bleibt: utopica.

Lydia Jeschke 2016

20Interview

B: Ist Luigi Nonos „La Lontananza nostalgica utopica futura“ Ihre erste Begegnung mit der Musik Nonos?

Faust: Ich habe Luigi Nonos Musik erstmals ganz bewusst mit dem LaSalle Quartet erlebt. Damals war ich 11 oder 12 Jahre alt und nahm mit meinem Streichquartett an den Meisterkursen in Basel teil. Die Inter-pretation des LaSalle Quartets von Luigi Nonos Streichquartett „Stille, an Diotima“ war spektakulär, und das hat mich damals schon sehr beeindruckt. Später habe ich dann Nonos „Varianti“ für Violine und Orchester sehr gerne gespielt.

B: Wie geht Nono in diesem Stück mit der Geige um? Gibt es da Momente, die ganz besonders sind, die Sie besonders anziehen?

Faust: Die Violine tritt in diesem Stück in einen Dialog mit der Musik von den Tonbändern. Diese werden vom Klangregisseur spontan ein-gesetzt, je nachdem, welche der acht Tonspuren zu welcher Art von Geigenspiel im jeweiligen Moment besonders gut passt. Die Violine erfüllt dabei eine deklamierende, dia logisierende, monologisierende und reagierende Rolle. Und obwohl sie einem vollständig ausnotierten Notentext folgt, kommt sie nicht umhin, die die Tonbandklänge und das, was sich um sie herum ereignet,

auf sich wirken zu lassen, davon brüskiert oder geschmeichelt zu werden, in Einklang oder Zwiespalt damit, reflektierend oder konstruktiv damit umzugehen. Es geht hier um echte Kammermusik, und nicht um einen Solopart und „8 Tutti-Spieler“. Geiger und Tonbandmusik beein-flussen sich gegenseitig, manchmal sind sie sogar nicht mehr vollständig auseinander zu halten. Trotzdem folgt die Solovioline ihrem vorgege-benen, einsamen Weg, ohne sich davon abbringen zu lassen und entschwindet am Ende den Raum -klängen, in denen der Geiger auf das hört, was im Raum um ihn herum passiert und den richtigen Moment abwartet, um darauf zu antworten, während der Klang regisseur schein-bar genauso in „Lauerstellung“ verharrt, um einen unerhörten Moment der Einheit zu kreieren.

B: „La lontananza nostalgica utopica futura“ – Welchen Assoziationsraum eröffnet dieser Titel für Sie?

Faust: Für mich steht dieser Titel für eine unerfüllte Suche nach dem Weg in eine un erreichbare, bessere Welt. Bei der Aufführung dieses Werkes wird das Unerreichbare dieser Suche meiner Ansicht nach sehr spürbar gemacht, ebenso die subtilsten unterschied lichen Zustände, in die die Inter preten und auch das Publi-kum geraten: Zwischenwelten, psy-

La lontananza nostalgica utopica futura Isabelle Faust über Luigi Nonos Werk für Solovioline und Tonbänder

21Interview

chologische „Aggregatzustände“. In „Lontananza“ ver körpert die Musik Aufbruch, Suche, Ziellosigkeit. Der Widmungsträger Salvatore Sciarrino, Schüler Nonos, interpretiert den Titel als ästhetische Metapher: „Indem die Vergangenheit durch die Gegen-wart reflektiert wird (nostalgica), bringt sie eine kreative Utopie hervor (utopica); die Sehnsucht nach dem Bekannten wird zum Vehikel für das Mögliche (futura) durch das Medium der Entfernung (lontananza).“

B: Wie treten Sie in Interaktion mit diesen Klängen vom Tonband, die ja geprägt sind vom Spiel Gidon Kremers und natürlich von der Handschrift Nonos?

Faust: Wie schon beschrieben gibt die Solovioline viele Anstöße bei die-sem Werk, auf die die Live-Elektronik bzw. der Klangregisseur reagiert und wiederum die Violine beeinflusst. Anfang und Schluss gehören der Elektronik, die „Wander-Violine“ taucht erst nach einer Weile in das Meer der Klänge und Geräusche ein.Am Ende vermischt sich der Geigen-ton mit der Elektronik und die Geige blendet sich aus, der Wanderer geht von dannen. Kremers aufgenomme-nes Spiel wurde von Nono minutiös elektronisch bearbeitet, er benutzte dabei unter anderem Harmonizer, Nachhall, Filter oder Verzögerung. Dadurch ist enormes re-komponier-tes Material entstanden, das einen großen Teil dieses Stückes ausmacht. Aber das wirklich Entscheidende für die jeweilige Aufführung ist, in welcher Art und zu welchem Zeit-punkt was wo eingesetzt wird.

B: Ein zentrales Thema von Nonos kompositorischer Arbeit war die Auseinandersetzung mit dem Raum / der Architektur und dem räumlichen Hören. So ist „La lontananza“ in Bezug auf den Kammermusiksaal entstanden. Welche Erfahrungen machen Sie in Bezug auf den Raum als Solistin des Stücks?

Faust: Ich finde es extrem spannend, den Raum in allen akustischen Varianten zu erforschen und zu erkunden. Zudem kommt die Live- Elektronik ja auch ständig aus an-deren Ecken des Raumes, was die Geigerin oder den Geiger unablässig in andere Relationen setzt, der Wanderer muss sich permanent in Frage stellen und neu orientieren. Für das Publikum ist es nicht anders, es hört den Solisten immer wieder aus einer anderen Perspektive, manchmal nah, manchmal entfern-ter, manchmal von der Elektronik fast erschlagen.Ich bin sehr neugierig darauf, wie dieses Werk in dem Saal, in dem es am 3. September 1988 uraufgeführt wurde, funktionieren wird, welche Raumerfahrung hier möglich sein wird. Ich liebe diesen Konzertsaal sehr, er klingt fantastisch und ich fühle mich immer ganz besonders wohl hier. Sicher bringt er durch seine offene, runde Anordnung besondere Vorteile mit für ein Stück, das den Raum gänzlich ins Hör-erlebnis mit einbezieht.

Die Fragen stellte Barbara Barthelmes

22Biografien / Komponisten

kompositorisches Denken, das sich nun im-mer mehr mathematischen Modellen ver - schreibt. Dieses Interesse bringt ihn, nach einer zweijährigen Lehrtätigkeit an brasili-anischen Universitäten, ans Pariser Institut de Recherche et Coordination Acoustique / Musique (IRCAM): Hier arbeitet er ab 1981 gemeinsam mit dem Mathematiker Miller Puckette an MAX, einer Programmier-sprache für interaktive Live-Elektronik. Aus dieser Forschung heraus komponiert er zwischen 1987 und 1991 einen Zyklus mit vier Stücken, „Sonus ex machina“, der sich der Interaktion zwischen akustischen In-strumenten und computergenerierten Klängen in Echtzeit widmet: „Jupiter“, „Pluton“, „La Partition du ciel et de l’enfer“ und „Neptune“. Neben seiner Arbeit als Komponist führt er seither seine For-schungstätigkeiten fort. In verschiedenen pädagogischen und künstlerischen Positio-nen arbeitet er unter anderem mit dem En-semble intercontemporain (1983 bis 1987), am Konservatorium in Lyon (1987 bis 1997), mit dem Orchestre de Paris (1995 bis 2001), beim Festival d’Aix-en-Provence (1998 bis 2000) sowie an der Scène Nationale d’Or-léans (2001 bis 2003). Er ist emeritierter Professor der University of California San Diego, wo er von 2004 bis 2012 unterrich-tete. Anfang 2013 verlegt er seinen Wohn-sitz wieder vollständig in sein Heimatland nach Straßburg, wo er an der Académie Supérieure de la Haute École des Arts du Rhin zum Kompositionsprofessor berufen wurde. Seit 2015 findet im Rahmen des Straßburger Festivals Musica seine eigene Akademie für junge Komponisten statt.Für seine Werke ist Philippe Manoury mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, unter anderem von der Stadt Paris und der SACEM und zuletzt bei den Victoires de la musique classique als Komponist des Jah-res 2012. Das französische Kulturministe -

Philippe Manoury

Der 1952 geborene Philippe Manoury gilt als einer der wichtigsten französischen Komponisten und Forscher wie Wegbereiter auf dem Gebiet der Musik mit Live-Elektro-nik. Trotz seiner intensiven Ausbildung als Pianist und Komponist (er besuchte die École Normale de Musique de Paris sowie das Pariser Konservatorium und studierte unter anderem beim Schönberg-Schüler Max Deutsch, bei Gérard Condé, Michel Philippot und Ivo Malec) sieht er sich als Autodidakt. Entsprechend beginnt er auf eigene Faust mit kompositorischen Versu-chen parallel zu seinen ersten musikali-schen Lektionen, und schon im Alter von 19 Jahren ist er mit eigenen Werken auf wichtigen Festivals für neue Musik vertre-ten. Die Uraufführung seines Klavierwerkes „Cryptophonos“ durch Claude Helffer ver-hilft ihm 1974 zum Durchbruch.Die in die gleiche Zeit fallende Begegnung mit der Musik Karlheinz Stockhausens be-schreibt er als wegweisend für sein

23Biografien / Komponisten

rium ernannte ihn 2014 zum Officier des Arts et des Lettres. Philippe Manoury ist Mitglied des Ehrenkomitees des Deutsch- französischen Fonds für zeitgenössische Musik / Impuls neue Musik. Seit Sommer 2015 ist er Mitglied der Akademie der Künste zu Berlin.

Luigi Nono

Luigi Nono wurde 1924 in eine veneziani-sche Familie von Künstlern und Juristen geboren und empfing eine humanistische Bildung. Weit gespannte künstlerische, literarische und philosophische Interessen sollten später auch für den reifen Kompo-nisten charakteristisch sein. Nonos Vater war mit Gian Francesco Malipiero befreun-det, dem Direktor des Konservatoriums von Venedig, und dieser sorgte für die Förde-rung der kompositorischen Talente des Heranwachsenden. Insbesondere brachte er Nono mit dem ein wenig älteren Kom-ponisten und Dirigenten Bruno Maderna zusammen. Zwischen beiden entwickelte sich eine dauerhafte und künstlerisch hoch produktive Freundschaft. Von 1946 an be-schäftigten sie sich mit der unter dem Fa-schismus unterdrückten neuen Musik, zu-mal mit der Schönbergschule. Malipiero regte Maderna und Nono auch an, im Sommer 1948 einen Dirigierkurs bei Her-mann Scherchen zu besuchen, eine Begeg-nung, die für Nono musikalisch und poli-tisch immens wichtig wurde. Scherchen förderte Nono und Maderna für einige Jahre wie ein Mentor und empfahl Nono bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik. 1950 nahm Nono erstmals an diesen Kursen teil, in deren Rahmen seine „Varia-zioni canoniche“ uraufgeführt wurden, die eine heftige Kontroverse auslösten. Wenn

die musikalische Avantgarde der 1950er Jahre überhaupt ein Zentrum hatte, dann waren es die Darmstädter Ferienkurse und rasch entwickelte sich Nono hier zu einer der Schlüsselfiguren neben Pierre Boulez und Karlheinz Stockhausen. Bis 1959 nahm er jedes Jahr an den Ferienkursen teil, ab 1957 als Dozent. Die 50er Jahre brachten weitere Verände-rungen in Nonos Leben. 1955 heiratete er die Tochter Arnold Schönbergs, Nuria. Drei Jahre zuvor war er in die Kommunistische Partei Italiens (KPI) eingetreten, in der er aktiv und tatkräftig mitarbeitete. Nono stand mit seinem Engagement für die KPI nicht allein da, Künstler und Akademiker waren in der von Intellektuellen geführten Partei hoch willkommen. Anders als die kommunistischen Parteien in anderen westeuropäischen Ländern war die KPI keine marginale Splittergruppe, sondern eine ernst zu nehmende politische Kraft, die 1976 die zweitstärkste Fraktion im ita-lienischen Parlament stellte. Nono nahm seine Parteimitgliedschaft sehr ernst,

24Biografien / Interpreten

intensivierte seinen Einsatz von den 60er Jahren an erheblich und ließ sich 1975 so-gar ins Zentralkomitee der KPI wählen.Den internationalen Durchbruch als Kom-ponist brachte 1956 die Uraufführung der Kantate „Il canto sospeso“, in der Nono Briefe zum Tode verurteilter europäischer Widerstandskämpfer vertonte. In diesem Werk wie in seinem ganzen Schaffen dieser Phase vereinigt Nono eine kompromisslos avantgardistische Musik mit konkreten po-litischen Aussagen. Von 1960 an machte er sich die Möglichkeiten der elektronischen Musik zu Nutze. Beinahe alle der bis 1975 geschriebenen Kompositionen verwenden in vielfältiger Weise im Studio hergestellte Tonbänder, die oft auf Alltags geräuschen von Industrielärm bis zu politischen Paro-len basieren. Mit dem schwer in Gattungs-zusammenhänge einzuordnenden Bühnen-werk „Al gran sole carico d’amore“ (UA 1975) zog er eine vorläufige Summe seines Schaffens. Danach verstummte der Kom-ponist für einige Jahre und stellte sich und sein Künstlertum radikal in Frage. Das Er-gebnis dieses Reflexionsprozesses war das Spätwerk der 1980er Jahre, das in der 1985 uraufgeführten Oper „Prometeo“ kulmi-nierte. Die Jahre 1986 bis 1988 verbrachte Nono als Gast des DAAD und Mitglied des Wissenschaftskollegs in Berlin. 1988 wid-meten die Berliner Fest wochen Luigi Nono ein Komponistenportrait. „La lontananza utopica nostalgica futura“ ist noch im Auf-trag der Berliner Festwochen entstanden und von Gidon Kremer im Kammermusik-saal der Philharmonie uraufgeführt wor-den. Im Sommer 1989 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide. Luigi Nono starb am 8. Mai 1990 in seiner Heimatstadt Venedig, wo er auch beige-setzt wurde.

Isabelle Faust

„Ihr Klang hat Leidenschaft, er hat Biss und er elektrisiert, aber er ist auch von einer entwaffnenden Wärme und Süße, die den verborgenen Lyrismus der Musik sichtbar werden lässt …“ („The New York Times“)

Ihr unmittelbarer Zugang zur Musik lässt Isabelle Faust zum Wesentlichen der Werke vordringen. Das Publikum spürt ihre natür-liche Musikalität ebenso wie den Drang, die Kenntnis des Repertoires durch ein ge-naues Studium der Partituren und musik-historische Recherchen zu vertiefen.Als Preisträgerin des Leopold-Mozart-Wett-bewerbs in Augsburg und des Paganini- Wettbewerbs in Genua musizierte sie be-reits in jungen Jahren mit bedeutenden Orchestern in aller Welt, wie den Berliner

25Biografien / Interpreten

Philharmonikern, dem Boston Symphony Orchestra, dem NHK Symphony Orchestra Tokyo, dem Freiburger Barockorchester oder dem Chamber Orchestra of Europe.Isabelle Faust spielt ein Repertoire, das von Johann Sebastian Bach bis hin zu Werken zeitgenössischer Komponisten wie György Ligeti, Helmut Lachenmann oder Jörg Widmann reicht. Ihre künstlerische Aufge-schlossenheit eröffnet ihr Wege zu vielfäl-tigen musikalischen Partnerschaften. Neben den großen symphonischen Violin - kon zerten führt sie beispielsweise mit der Sopranistin Christine Schäfer György Kurtágs „Kafka Fragmente“ oder auch Johannes Brahms’ und Wofgang Amadeus Mozarts Klarinettenquintette mit histori-schen Instrumenten auf. Regelmäßig ar-beitet sie mit Dirigenten wie Frans Brüggen, Mariss Jansons, Giovanni Antonini, Philippe Herreweghe, Daniel Harding und Bernard Haitink zusammen. Eine besonders enge Beziehung verband sie in den letzten Jah-ren mit Claudio Abbado, mit dem sie in mehreren Ländern konzertierte und für harmonia mundi eine mehrfach preisge-krönte CD mit den Violinkonzerten Ludwig van Beethovens und Alban Bergs einspielte. Die Aufnahme mit dem Orchestra Mozart wurde mit dem Diapason d’or, einem ECHO Klassik, dem Gramophone Award 2012 und dem japanischen Record Academy Award ausgezeichnet.Mit ihrem Kammermusikpartner Alexander Melnikov hat sie für harmonia mundi zahl-reiche Alben eingespielt, wie die letzte Aufnahme des Duos mit Sonaten für Vio-line und Klavier von Brahms, die im Sep-tember 2015 erschien. Im August 2015 wurde außerdem die zweite Folge der Schumann-Trilogie mit Alexander Melnikov, Jean-Guihen Queyras, dem Freiburger Barockorchester und Pablo Heras-Casado veröffentlicht, mit Schumanns Klavier-

konzert und dem Klaviertrio Nr. 2 op. 63. Die dritte und letzte Einspielung setzt sich mit Schumanns Cellokonzert und das Klaviertrio Nr. 1 aus einander – sie wird im Frühjahr 2016 er scheinen.Isabelle Faust spielt die „Dornröschen“- Stradivari von 1704, eine Leihgabe der L-Bank Baden-Württemberg.

GrauSchumacher Piano Duo

„Mit diesen klanglich-sublimen wie hinrei-ßend-fulminanten Einspielungen haben sich Andreas Grau und Götz Schumacher endgültig als das führende Klavierduo eta-bliert, das nur noch mit den legendären Gebrüdern Kontarsky verglichen werden kann – und in solchem Vergleich sogar noch die Interpretationskunst des Brüder-paares verblassen lässt.“ („Fonoforum“)

Klug zusammengestellte Programme sind das Markenzeichen, mit dem sich Andreas Grau und Götz Schumacher als eines der international renommiertesten Klavierduos profiliert haben. Ihr Miteinander am Klavier lässt sie als künstlerische Seelenverwandte erscheinen.Mit ihrem weit reichenden Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten waren sie Gast bei diversen Festivals und Konzerthäusern, unter anderem der Kölner Philharmonie, der Berliner Philharmonie, der Cité de la Musique Paris, den Schwetzinger Festspie-len, den Salzburger Festspielen, dem Lucerne Festival, der Tonhalle Zürich und dem Klavierfestival La Roque d’Anthéron. Sie arbeiteten mit Dirigenten wie Michael Gielen, Lothar Zagrosek, Emanuel Krivine, Heinz Holliger, Kent Nagano, Bertrand de Billy, Andrej Boreyko, Georges Prêtre und Zubin Mehta zusammen.

26Biografien / Interpreten

Zu den jüngeren Projekten gehören Kon-zerte mit dem Deutschen Symphonie- Orches ter Berlin, den Rundfunkorchestern des BR, WDR, HR, NDR und SWR, dem Bay-erischen Staatsorchester München, dem Radiosymphonieorchester Wien und dem Orchestre Philharmonique de Radio France sowie Auftritte beim Rheingau Musik Fes-

tival, beim Klarafestival Brüssel, an der Wigmore Hall London, im Gewandhaus Leipzig, am Wiener Konzerthaus, am Mozarteum Salzburg, am De Doelen Rot-terdam, der Handelsbeurs Gent und im Concertgebouw Brügge. Über ihre Auffüh-rungen bekannter Orchesterkonzerte von Komponisten wie Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart, Felix Mendels-sohn Bartholdy, Béla Bartók oder Francis Poulenc hinaus ist das Grau Schumacher Piano Duo stets auf der Suche nach neuen Ideen, um das Repertoire für zwei Klaviere und Orchester zu erweitern. So initiierte es unter anderem ein Arrangement von Franz Liszts berühmtem „Concerto Pathétique“ (Originalfassung für zwei Klaviere) für zwei Klaviere und Orchester durch Stefan

Heucke. Angeregt durch das virtuose und feinfühlige Spiel des Duos haben einige der wichtigsten zeitgenössischen Komponisten neue Konzerte für Andreas Grau und Götz Schumacher geschrieben, zuletzt Peter Eötvös, Philippe Manoury, Jan Müller- Wieland und Luca Francesconi. Auch im Rezitalbereich bringt das Duo laufend

Werke zur Urauffüh-rung, zuletzt von Hanspeter Kyburz, Bernd Richard Deutsch, Brigitta Muntendorf und Philipp Manoury.Den Hang zu ausge-feilten Programm-konzepten doku-mentieren auch die zahlreichen CD- Einspielungen des Duos, die unter an-derem in einer eige-nen Reihe beim La-bel Neos erscheinen. Die Aufnahme von

Karlheinz Stockhausens „Mantra“ wurde von „Le monde de la musique“ und „Dia-pason“ ausgezeichnet, „The Gramophone“ kürte die CD „Visions de l’Amen“ mit Werken von Olivier Messiaen und Heinrich Schütz / György Kurtág zur Editor’s Choice. Produktionen mit Orchesterwerken von Luciano Berio und Igor Strawinskys „Sacre du Printemps“ wurden von der Kritik eu-phorisch aufgenommen. Die mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin eingespielte Serie „Concerti I“ (Mozart, Bartók, Liszt) und „Concerti II“ (Liszt / Heucke, Bach, Strawinsky) wird nun mit der „Concerti III“ Produktion komplettiert. Die neue CD mit Werken von Francis Poulenc, Colin McPhee und John Adams erscheint in der laufenden Saison.

27Biografien / Interpreten

André Richard

André Richard ist Interpret von live-elek-tronischer Musik, Dirigent und Komponist. Er studierte in Genf Gesang, Musiktheorie und Komposition sowie bei Klaus Huber und Brian Ferneyhough in Freiburg i. Br. Komposition. Bei Hans Peter Haller, im Experimentalstudio des SWR Freiburg und am IRCAM in Paris vertiefte er seine Studien der elektronischen Musik. Neben Lehrverpflichtungen in Genf und Freiburg war Richard langjähriger Ge schäfts führer des Freiburger Instituts für Neue Musik und Organisator der Horizonte-Konzert-reihe. Von 1984 bis 2005 war er künstle-rischer Leiter des Solistenchors Freiburg. Seine Einspielungen mit dem Solistenchor, Solisten und dem Experimentalstudio von „Das atmende Klarsein“ und “Io, fram-men to da Prometeo“ von Luigi Nono er-hielten 2004 den Jahrespreis der Deut-schen Schall platten kritik. In den 1980er Jahren arbeitete Richard eng mit Nono für die Aufführungen von dessen Spätwerk sowohl als Dirigent als auch als Klang-regisseur zusammen.

Von 1989 bis 2005 stand Richard als künst-lerischer Leiter dem Experimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR Freiburg vor, dessen technologische Weiter-entwicklung er engagiert vorantrieb. Mit Komponisten, Interpreten und dem Team des Studios war er an der Erarbeitung zahl-reicher bedeutender neuer Werke mit inte-grierten live-elektronischen Mitteln betei-ligt. 1993 bzw. 1995 realisierte er in Salzburg das Raumklangkonzept und die Klangregie für die von Ingo Metzmacher dirigierten Aufführungen von Nonos „Prometeo“ und „Caminantes … Ayacucho“. Spätere künst-lerische Mitwirkungen fanden zum Beispiel bei Helmut Lachenmanns „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ (2002) und Stockhausens „Helikopter-Streichquartett“ (2003) und „Mixtur“ (2006) statt. 2010 arbeitete er für die Oper „…22,13…“ von Mark Andre in Berlin und in Hamburg und realisierte den live elektronischen Part für „Erinnere Dich an Golgatha“ von Klaus Huber. 2011 fand die Uraufführung seines Werkes „y al volver la vista atras se ve …“ durch das ensemble recherche beim Ultraschall Festival Berlin statt. Mit dem Arditti Quartet eröffnete er mit dem „Heli - kopter-Streichquartett“ von Karlheinz Stock hausen die Biennale di Venezia 2013. Eine völlig neue Raumklanginstallation realisierte er für die „Prometeo“-Auffüh-rungen beim Holland Festival 2014, bei der Ruhrtriennale 2015 und leitete im Dezem-ber 2015 ebenfalls die Klangregie für die Aufführung in der neuen Philharmonie von Paris.André Richard ist Träger des Reinhold- Schneider-Preises (1990), des Preises der Christoph-und Stephan-Kaske-Stiftung (1994), des Europäischen Kulturpreises für Neue Musik (1998) sowie des Jahrespreises der Deutschen Schallplattenkritik (2004).

2016

DAS GOLDENE ZEITALTERSonntag, 16. Oktober

DER HELLE BACHSonntag, 06. November

DER NUSSKNACKERSonntag, 18. Dezember

2017

DORNRÖSCHENSonntag, 22. Januar

SCHWANENSEESonntag, 5. Februar

A CONTEMPORARY EVENINGSonntag, 19. März

EIN HELD UNSERER ZEITSonntag, 9. April

YORCK.DE

im Delphi Filmpalastund Filmtheater am Friedrichshain

128 DAS MAGAZIN DER BERLINER PHILHARMONIKER

ABO✆Telefon:

040 / 468 605 117 @E-Mai l:

[email protected] ine:

www.berliner-philharmoniker.de/128

B E S TE LLE N S I E J E T Z T!

30

RBB-ONLINE.DERBB-ONLINE.DE

DAS VOLLE PROGRAMMKULTURSTILBRUCHDONNERSTAGS, 22:15 UHR

RBB-16.033_AZ_Stilbruch_MusikfestBerlin_180x240+3_ICv2.indd 1 11.07.16 16:04

Illu

stra

tio

n:

Ma

rtin

Ha

ake

In neue Richtungen denken

Das Magazin für ungezähmte Gedanken. Mit Essays, Reportagen und Bildern,

die den Horizont erweitern.

Jeden Monat neu am Kiosk oderunter shop.cicero.de probelesen.

GERNLESEA UNG

CICERO

probelesen

RBB-ONLINE.DERBB-ONLINE.DE

DAS VOLLE PROGRAMMKULTURSTILBRUCHDONNERSTAGS, 22:15 UHR

RBB-16.033_AZ_Stilbruch_MusikfestBerlin_180x240+3_ICv2.indd 1 11.07.16 16:04

32

Das Musikfest Berlin 2016 im Radio und Internet

Sa 3.9. 19:05 Uhr Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Live-Übertragung

Mi 7.9. 20:03 Uhr „Quartett der Kritiker“ Aufzeichnung vom 6.9.

Do 8.9. 20:03 Uhr Münchner Philharmoniker Aufzeichnung vom 6.9.

So 11.9. 20:03 Uhr Deutsches Symphonie-Orchester Berlin Live-Übertragung

Mi 14.9. 20:03 Uhr F. Busoni zum 150. Geburtstag: GrauSchumacher Piano Duo

Aufzeichnung vom 4.9.

Do 15.9. 20:03 Uhr Berliner Philharmoniker Live-Übertragung

Fr 16.9. 20:03 Uhr Bayerisches Staatsorchester Aufzeichnung vom 14.9.

Sa 17.9. 21:30 Uhr Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin „Die besondere Aufnahme“

Aufzeichnung vom 16.9.

Di 20.9. 20:03 Uhr Staatskapelle Berlin Live-Übertragung

Do 22.9. 20:03 Uhr Junge Deutsche Philharmonie Aufzeichnung vom 11.9.

Di 27.9. 20:03 Uhr IPPNW-Benefizkonzert Aufzeichnung vom 10.9.

Di 4.10. 20:03 Uhr Hommage à Pierre Boulez Pierre-Laurent Aimard Tamara Stefanovich

Aufzeichnung vom 12.9.

Deutschlandradio Kultur ist in Berlin über 89,6 MHz, Kabel 97,50, digital und über Livestream auf www.dradio.de zu empfangen.

Deutschlandradio Kultur Die Sendetermine

Neu beim Musikfest Berlin Ausgewählte Einführungsveranstaltungen finden Sie zum Nachhören auf: www.berlinerfestspiele.de/einfuehrungen

33

kulturradio vom rbb Die Sendetermine

Do 8.9. 20:04 Uhr Konzerthausorchester Berlin Live-Übertragung im Rahmen des ARD Radiofestival

Do 8.9. 20:04 Uhr Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin

Aufzeichnung vom in Ausschnitten im Anschluss an die Live-Übertragung des Konzerthausorchesters Berlin vom

7.9. 8.9.

So 25.9. 20:04 Uhr Berliner Philharmoniker „Berliner Philharmoniker“

Aufzeichnung vom 9.9.

Sa 1.10. 20:04 Uhr Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin

„Konzert am Samstagabend“

Aufzeichnung vom 7.9.

Sa 15.10. 18:04 Uhr Hommage à Artur Schnabel Szymanowski Quartett

Aufzeichnung vom 11.9.

kulturradio vom rbb ist in Berlin über 92,4 MHz, Kabel 95,35, digital und über Livestream auf www.kulturradio.de zu empfangen.

Digital Concert Hall Die Sendetermine

Sa 3.9. 19:00 Uhr Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Digital Concert Hall Live-Übertragung

So 4.9. 19:00 Uhr The John Wilson Orchestra Digital Concert Hall Live-Übertragung

Di 6.9. 20:00 Uhr Münchner Philharmoniker Digital Concert Hall Live-Übertragung

Do 8.9. 20:00 Uhr Konzerthausorchester Berlin Digital Concert Hall Live-Übertragung

Sa 10.9. 19:00 Uhr Berliner Philharmoniker Digital Concert Hall Live-Übertragung

So 11.9. 11:00 Uhr Junge Deutsche Philharmonie Digital Concert Hall Live-Übertragung

Di 13.9. 20:00 Uhr Orquesta Sinfónica Simón Bolívar de Venezuela

Digital Concert Hall Live-Übertragung

Mi 14.9. 20:00 Uhr Bayerisches Staatsorchester Digital Concert Hall Live-Übertragung

Sa 17.9. 19:00 Uhr Berliner Philharmoniker Digital Concert Hall Live-Übertragung

www.digitalconcerthall.com

34

Veranstaltungsübersicht

Fr 2.9. 19:00 Kammermusiksaal GrauSchumacher Piano Duo

Fr 2.9. 21:30 Kammermusiksaal Isabelle Faust

Sa 3.9. 19:00 Eröffnungskonzert Philharmonie

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Daniel Harding

So 4.9. 11:00 Kammermusiksaal F. Busoni zum 150. Geburtstag: GrauSchumacher Piano Duo

So 4.9 13:00 Kunstbibliothek am Kulturforum

Ausstellungseröffnung „BUSONI: Freiheit für die Tonkunst!”

So 4.9 19:00 Philharmonie The John Wilson Orchestra John Wilson

Mo 5.9. 19:00 21:30

Kammermusiksaal The Danish String Quartet Late Night: Folk Tunes

Di 6.9. 18:00 Ausstellungsfoyer des Kammermusiksaals

„Quartett der Kritiker“

Di 6.9. 20:00 Philharmonie Münchner Philharmoniker Valery Gergiev

Mi 7.9. 20:00 Philharmonie Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin Donald Runnicles

Do 8.9. 20:00 Philharmonie Konzerthausorchester Berlin Iván Fischer

Fr 9.9. 20:00 Haus der Berliner Festspiele Ensemble intercontemporain Matthias Pintscher

Fr Sa

9.9. 10.9.

20:00: 19:00

Philharmonie Berliner Philharmoniker Andris Nelsons

Sa 10.9. 20:00 Kammermusiksaal IPPNW-Benefizkonzert

35

So 11.9. 11:00 Philharmonie Junge Deutsche Philharmonie Jonathan Nott

So 11.9. 17:00 Haus des Rundfunks Hommage à Artur Schnabel

So 11.9. 20:00 Philharmonie Deutsches Symphonie-Orchester Berlin Jakub Hrůša

Mo 12.9. 19:00 Kammermusiksaal Hommage à Pierre Boulez: Pierre-Laurent Aimard Tamara Stefanovich

Di 13.9. 20:00 Philharmonie Orquesta Sinfónica Simón Bolívar de Venezuela Gustavo Dudamel

Mi 14.9. 20:00 Philharmonie Bayerisches Staatsorchester Kirill Petrenko

Do Fr Sa

15.9. 16.9. 17.9.

20:00 20:00 19:00

Philharmonie Berliner Philharmoniker John Adams

Fr 16.9. 18:30 Konzerthaus Berlin Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Rundfunkchor Berlin Frank Strobel

Sa 17.9. 19:00 Kammermusiksaal Tabea Zimmermann & Ensemble Resonanz

So 18.9. 20:00 Haus der Berliner Festspiele Varèse & Zappa: Ensemble Musikfabrik

Mo Di

19.9. 20.9.

20:00 20:00

Philharmonie Staatskapelle Berlin Daniel Barenboim

36

Impressum

Musikfest Berlin Veranstaltet von den Berliner Festspielen in Zusammenarbeit mit der Stiftung Berliner Philharmoniker

Künstlerischer Leiter: Dr. Winrich Hopp Organisation: Anke Buckentin (Ltg.), Kathrin Müller, Thalia Hertel, Ina Steffan Presse: Patricia Hofmann, Jennifer Wilkens

Programmheft Herausgeber: Berliner Festspiele Redaktion: Dr. Barbara Barthelmes Mitarbeit: Anke Buckentin Komponistenbiografien: Dr. Volker Rülke Gestaltung: Ta-Trung, Berlin Grafik: Christine Berkenhoff und Fleck · Zimmermann | Visuelle Kommunikation, BerlinHerstellung: enka-druck GmbH, Berlin

Stand: August 2016. Programm- und Besetzungsänderungen vorbehalten. Copyright: 2016 Berliner Festspiele, Autoren und Fotografen

Berliner Festspiele Ein Geschäftsbereich der Kulturveranstaltungen des Bundes GmbH Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien In Zusammenarbeit mit der Stiftung Berliner Philharmoniker

Intendant: Dr. Thomas Oberender Kaufmännische Geschäftsführerin: Charlotte Sieben Presse: Claudia Nola (Ltg.), Sara Franke, Patricia Hofmann, Jennifer Wilkens Redaktion: Christina Tilmann (Ltg.), Dr. Barbara Barthelmes, Jochen Werner, Anne Philipps Krug Internet: Frank Giesker, Jan Köhler Marketing: Stefan Wollmann (Ltg.), Gerlind Fichte, Christian Kawalla Grafik: Christine Berkenhoff Vertrieb: Uwe Krey, Florian Schinagl Ticket Office: Ingo Franke (Ltg.), Simone Erlein, Frano Ivic, Gabriele Mielke, Marika Recknagel, Torsten Sommer, Alexa Stümpke Hotelbüro: Heinz Bernd Kleinpaß (Ltg.), Frauke Nissen Protokoll: Gerhild Heyder Technik: Andreas Weidmann (Ltg.)

Berliner Festspiele, Schaperstraße 24, 10719 Berlin T +49 30 254 89 0 www.berlinerfestspiele.de, [email protected] Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH, Schöneberger Str. 15, 10963 Berlin, kbb.eu

Medienpartner

Die Berliner Festspiele werden gefördert durch