Grenzüberschreitendes integriertes Gesamtverkehrssystem

30
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Forschungsprogramm Stadtverkehr zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden (FoPS 2003) Entwicklung grenzüberschreitender integrierter Gesamtverkehrssysteme (GIG) am Beispiel der Städte Görlitz / Zgorzelec und Frankfurt (Oder) / Slubice KURZBERICHT

description

Entwicklung grenzüberschreitender integrierter Gesamtverkehrssysteme (GIG) am Beispiel der Städte Görlitz / Zgorzelec und Frankfurt (Oder) / Slubice

Transcript of Grenzüberschreitendes integriertes Gesamtverkehrssystem

Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

Forschungsprogramm Stadtverkehr zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in denGemeinden (FoPS 2003)

Entwicklung grenzüberschreitender integrierterGesamtverkehrssysteme (GIG) am Beispiel der StädteGörlitz / Zgorzelec und Frankfurt (Oder) / Slubice

KURZBERICHT

Ernst Basler + Partner GmbH

Tuchmacherstraße 47 14482 Potsdam

Telefon 0331 74 75 90 Fax 0331 74 75 9 90

E-Mail [email protected]

Internet www.ebp.de

Mai 2005

Im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-sen

FE 70.717„Entwicklung grenzübergreifender integrierter Gesamtverkehrssysteme(GIG) am Beispiel der Städte Görlitz / Zgorzelec und Frankfurt (Oder) / Slu-bice“

Dipl.-Ing. Dipl.-Vw.-Wirt Stephan Kathke (Projektleiter)

Dipl.-Ing. Katrin Heinz

Dipl.-Ing. Dörthe Andree

In Kooperation mit

Dr. rer. pol. Reiner Koblo

Inhaltsverzeichnis

0 Kurzfassung des Kurzberichts.............................................................4

1 Ausgangslage und Aufgabenstellung .................................................7

2 Untersuchungsmethode.....................................................................9

3 Untersuchungsergebnisse und Folgerungen für die Praxis.................16

- 4 - Kurzbericht

0 Kurzfassung des Kurzberichts

Mit der Erweiterung der Europäischen Union zum 1. Mai 2004 haben sichdie Rahmenbedingungen für die Wirtschafts-, Regional-, Stadt- und Ver-kehrsentwicklung in den Grenzregionen deutlich verändert. Diese Verände-rungen treten am stärksten in den Doppelstädten zu Tage, die beiderseitsder Grenze über eine - ehemals zusammen gehörende - Siedlungsstrukturverfügen. Damit stehen diese Doppelstädte Frankfurt (Oder) und Slubicesowie Görlitz und Zgorzelec vor der Aufgabe, zwei getrennte Verkehrssys-teme zu einem gemeinsamen, integrierten Gesamtverkehrssystem zu ent-wickeln.

Im Rahmen des Forschungsprojektes »Entwicklung grenzüberschreitenderintegrierter Gesamtverkehrssysteme (GIG) am Beispiel der Städte Görlitz /Zgorzelec und Frankfurt (Oder) / Slubice«formulierte das BMVBW folgendeZiele:

• Entwicklung von Modellansätzen zur Abbildung und Prognose vongrenzüberschreitenden Verkehren im Grenzraum mit Analyse und Ver-gleich von Mobilitätskennwerten und von Verfahren zu deren Gewin-nung in Deutschland, Polen und Tschechien

• Entwicklung von Szenarien bzgl. des Angleichs des Verkehrsverhaltender Bevölkerung

• Ableitung von Handlungsempfehlungen für die Entwicklung grenz-überschreitender integrierter Gesamtverkehrskonzepte

Neben der inhaltlichen Bearbeitung stand die Etablierung bzw. Fortführunggeeigneter Netzwerke, die die Entwicklung grenzüberschreitender integ-rierter Gesamtverkehrssysteme politisch, fachlich und administrativ beglei-ten, im Fokus der Forschungen.

Über die detaillierte Analyse der jeweiligen spezifischen Ausgangssituatio-nen in beiden Grenzstädten und in Regionen mit ähnlicher Entwicklungwar insbesondere die Entwicklung eines praktikablen und fortschreibbarenVerkehrsmodelles Schwerpunkt der Forschungsarbeiten. Dem Verkehrsmo-dell wurde ein breiter Szenarienfächer möglicher Entwicklungen zugrundegelegt. Zur Szenarienausprägung wurden die Komponenten

• Rahmenbedingungen(gesetzliche und ordnungspolitische Rahmenbedingungen)

• Wirtschaft(Gesamtwirtschaftliche, stadtregionale und städtische Entwicklungen)

• Bevölkerung(Entwicklung, Alters- und Sozialstruktur)

- 5 - Kurzbericht

• Stadtentwicklung, Wohnungsmarkt und Versorgung(Haushalts- und Wohnungsgrößen, Wohnstandorte, EntwicklungStadtstruktur, Standorte)

• Nationale Kultur / Zusammenwachsen(Abgrenzung / Offenheit, Sprache)

• Motorisierung und Verkehrsverhalten(allgemeine und gruppenspezifische Verkehrsverhaltensentwicklung)

• Verkehrsinfrastruktur und -nutzung(Grenzüberschreitende Angebote, Tarife)

verwendet. Durch die vertiefte Untersuchung zweier Szenarien des Szena-rienfächers (Impuls- und Transitszenario) anhand des Verkehrsmodellskonnten modellstadtbezogene wie generelle Empfehlungen für die künfti-gen Entwicklungen abgeleitet werden.

• Die raumordnerische Rolle der Grenzstädte muss national und grenz-übergreifend aufgewertet werden. Dies bedeutet auch, dass eine adä-quate finanzielle Bewertung dieser Zusatzaufgabe (z. B. Etablierung ei-ner kontinuierlichen Kooperation durch Einrichtung einer Geschäfts-stelle) erfolgen muss.

• Die bestehenden Freizügigkeitseinschränkungen insbesondere zumArbeits- und Wohnungsmarkt sind dem Zusammenwachsen der Grenz-regionen nicht zuträglich.

• Die entwickelte Szenarienmethodik bildet eine gute Grundlage für ver-kehrspolitische Entscheidungen und künftige Fortschreibungen.

• Die auf polnischer und tschechischer Seite eintretenden Entwicklungenauf dem Wohnbaumarkt (Suburbanisierung) und im Einzelhandel müs-sen stärker im Sinne einer integrierten und verkehrsvermeidendenStadtentwicklung gesteuert werden.

• Auf den prognostizierten Anstieg der Motorisierung auf polnischerbzw. tschechischer Seite sowie der zu erwartenden Zunahme dergrenzübergreifenden Verkehre muss kurzfristig mit abgestimmten ver-kehrspolitischen Leitbildern und Maßnahmen reagiert werden.

• Die Fortschreibung bzw. Entwicklung grenzübergreifender Struktur-konzepte ist als Dachprozess für die künftige Stadtentwicklung kurzfris-tig erforderlich. Dazu gehört auch der Aufbau eines grenzübergreifen-den Monitoringsystems.

• Aus den Strukturkonzepten lassen sich Leitlinien für die nachfolgendensektoralen Planungen ableiten, die Erstellung grenzübergreifender Ver-kehrsentwicklungspläne wird empfohlen.

• Die weitere ressortübergreifende Vernetzung der Aktivitäten und Pro-jekte zur grenzübergreifenden Verkehrs- und Stadtentwicklung ist fürdie Grenzräume von hoher Priorität.

• Langfristig sollten die beiderseits der Grenzen vorhandenen bzw. ent-stehenden ÖV-Verkehrssysteme in einen Verkehrsverbund integriertwerden.

Europäische und nationale

Raumordnung und

Landesentwicklung

- 6 - Kurzbericht

• Die Finanzierung des ÖPNV sollte sich künftig stärker an leistungsbezo-genen Kriterien orientieren.

• Für die nächste EU-Programmplanungsperiode 2007 bis 2013 solltendie Grenzstädte bereits jetzt Konzepte vorbereiten, die als Grundlagefür mögliche Förderprojekte dienen.

Im Ergebnis lässt sich der künftige Forschungs- und Vertiefungsbedarf infolgenden Handlungsfeldern festhalten:

Finanzierung des ÖPNV• Rechtsanpassung der ÖPNV-Finanzierung in den EU-Beitrittsländern

Statistik und Monitoring• Etablierung eines geeigneten grenzübergreifenden Monitoringsystems

Anpassung von Verkehrssystemen an demographische Änderungen• Gestaltung altersgerechter Verkehrssysteme

Soziodemographie• Abbildung der Bestimmungsgründe für Wege in das jeweils andere

Land als Basis für die Verkehrsmodellierung in Grenzräumen

• Bestimmungsgründe der Wohnstandortwahl im Umfeld einer alterndenGesellschaft

- 7 - Kurzbericht

1 Ausgangslage und Aufgabenstellung

Ausgangslage

Zum 1. Mai 2004 haben sich mit der Erweiterung der Europäischen Uniondie Rahmenbedingungen für die Wirtschafts-, Regional-, Stadt- und Ver-kehrsentwicklung in den Grenzregionen gravierend verändert. Dies betrifftinbesondere die unmittelbar an der Grenze liegenden Städte und Gemein-den.

Mit dem EU-Beitritt verändern sich die Verkehrsverflechtungen und Aus-tauschbeziehungen auf allen räumlichen Ebenen. Auf der transnationalenEbene sind vor allem die Veränderungen der wirtschaftlichen Beziehungenausschlaggebend, die zu verkehrlichen Veränderungen führen. Auf derlokalen Ebene sind diese verkehrlichen Veränderungspotenziale im Ver-gleich jedoch weit höher und komplexer. Die Disparitäten und Anglei-chungsprozesse in den „städtischen“ Funktionen Wirtschaft, Wohnen,Versorgung, Bildung, Kultur initiieren quantitative und qualitative Verände-rungen der Verkehrsbezüge, die durch die anstehenden Veränderungender Motorisierung und des Verkehrsverhaltens in den Beitrittsstaaten nochverstärkt werden.

Ausmaß und Ausprägung dieser Veränderungen in den unterschiedlichenGrenzsituationen sind dabei nur sehr eingeschränkt prognostizierbar, weilErfahrungen aus vergleichbaren Entwicklungen, z. B. im westlichen Grenz-raum der Bundesrepublik Deutschland, nur bedingt übertragbar sind.

Die nördlichste dieser Grenzsituationen befindet sich auf Usedom / Wollinan der mecklenburgisch-vorpommerschen Grenze zur polnischen Republik.Die südlichste dieser Situationen befindet sich an der bayrischen Grenze zurTschechischen Republik mit den Städten Selb und Marktredwitz bzw. Asund Cheb auf der tschechischen Seite.

Am stärksten sind die Städte und Gemeinden betroffen, die von einemgemeinsamen historisch gewachsenen Siedlungsgefüge geprägt sind, dassich in der Zeit nach 1945 beidseits der Grenze unterschiedlich entwickelthat. Diese Konstellation ist in den Modellstädten, den beiden Doppelstäd-ten Frankfurt (Oder) / Slubice und Görlitz / Zgozelec am prägnantestenausgeprägt.

In diesen Grenzstädten müssen zwei getrennte Verkehrssysteme zu einemintegrierten Verkehrssystem zusammengeführt werden, um die sich verän-dernden Verkehrsbeziehungen abwickeln zu können. Darüber hinaus sollenaber auch Potenziale der grenzübergreifenden Kooperation genutzt wer-den, um verkehrsvermeidende und -effektivierende Synergien zu nutzen.

Bezugspunkt EU-Ostweiterung

zum 1. Mai 2004

komplexe verkehrliche

Veränderungspotenziale in den

Grenzstädten

Ausmaß und Ausprägung „vor

Ort“ nur eingeschränkt

prognostizierbar

Relevante Grenzsituationen von

Usedom bis zum Bayerischen

Wald

Doppelstädte im Fokus des

Projektes

Potenziale der grenz-

übergreifenden Stadt-

/Verkehrsentwicklung nutzen

- 8 - Kurzbericht

Dies wirft eine Reihe planerischer, technischer, rechtlicher, organisatori-scher, struktureller und weiterer Fragestellungen auf, mit denen die Grenz-städte zusätzlich zu den jeweiligen „eigenen“ Problemstellungen konfron-tiert sind.

Aufgabenstellung

Aufgrund des offensichtlichen Forschungsbedarfs hat das BMVBW die Be-arbeitung des Forschungsprojekts FE 70.717 „Entwicklung grenzübergrei-fender integrierter Gesamtverkehrssysteme (GIG) am Beispiel der StädteGörlitz / Zgorzelec und Frankfurt (Oder) / Slubice“ in das Forschungspro-gramm Stadtverkehr zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in denGemeinden (FoPS 2003) aufgenommen.

Um die sich ergebenden verkehrlichen Problemstellungen erkennen zukönnen, abgestimmte und effiziente Handlungsabläufe zu organisierenund somit die Entwicklung einer gemeinsamen interkommunalen grenz-übergreifenden Verkehrsinfrastruktur nachhaltig beeinflussen zu können,wurde für das Forschungs- und Untersuchungsvorhaben vom BMVBW fol-gende Zielstellung formuliert:

• Entwicklung von Modellansätzen zur Abbildung und Prognose vongrenzüberschreitenden Verkehren im Grenzraum

• Analyse und Vergleich von Mobilitätskennwerten und von Verfahren zuderen Gewinnung in Deutschland, Polen und Tschechien

• Entwicklung von Szenarien bzgl. des Angleiches des Verkehrsverhaltender Bevölkerung

• Beispielhafte Erarbeitung von Grundsätzen und Maßnahmebündeln fürein grenzüberschreitendes integriertes Gesamtverkehrssystem

• Ableitung einer allgemeingültigen Handlungsempfehlung für die Ent-wicklung grenzüberschreitender integrierter Gesamtverkehrskonzepte

• Aufzeigen der offenen Handlungs- und Forschungsfelder

• Nutzung und Ausbau des bestehenden Forschungsnetzwerkes zurgrenzübergreifenden Entwicklung

Grenzstädte sind mit

„zusätzlichen“ Problem-

stellungen konfrontiert

Reaktion des BMVBW auf

unmittelbaren Forschungsbedarf

Entwicklung gemeinsamer

interkommunaler Verkehrsinfra-

strukturen im Fokus

- 9 - Kurzbericht

2 Untersuchungsmethode

Untersuchungsmethode

Die angewandte Methodik läßt sich anhand der sieben aufeinander auf-bauenden Arbeitspakete darstellen.

• Umfassende Analyse der Verkehrssysteme und -strukturen in räumli-cher Hinsicht bzw. bezüglich sozio-ökonomischer und anderer relevan-ter Rahmenbedingungen

• Etablierung eines projektbegleitenden übergeordneten Projektnetzwer-kes und zweier Modellstadtnetzwerke

• Erarbeitung eines grundhaften Verkehrsmodells zum grenzübergrei-fenden Verkehr zur Abbildung bestehender und Abschätzung zukünf-tiger Entwicklungen

• Entwicklung und Erprobung von gemeinsamen Gestaltungsszenarien inden Modellstädten; Ableitung von konkreten modellstadtbezogenenHandlungsempfehlungen

• Prüfung der Übertragbarkeit des entwickelten Verkehrsmodells, Strate-gieansätze und Empfehlungen für andere Grenzregionen

• Handlungsanleitung zur Entwicklung grenzüberschreitender integrierterGesamtverkehrssysteme hinsichtlich der Verkehrsmodellansätze, derSzenarien, der Planungs- und Finanzierungsinstrumente sowie der Ko-operation

• Ableitung des künftigen Forschungs- und Vertiefungsbedarfs; Analyseund Empfehlungen zum weiteren Forschungs- und Vertiefungsbedarf

Grundlagenermittlung -

Situationsanalyse

Projektorganisation

Verkehrsmodell

Modellstadtbezogene Vertiefung

Übertragbarkeitsprüfung

Handlungsanleitung

Künftiger Forschungsbedarf

- 10 - Kurzbericht

Die folgende Darstellung zeigt die Untersuchungsmethode in graphischer Form:

Abbildung 1:Projektstruktur - Mind-map

SZENARIEN UNDPROGNOSEN

ERGEBNISSE UND EMPFEHLUNGEN

GRUNDLAGEN

VERKEHRSMODELL

Grenzüberschreitendes integriertes

Gesamt-verkehrssystem

Szenarienentwicklung und Szenarienkomponenten

Wirtschaftsentwicklung

Stadtentwicklung

Bevölkerungsprognosen

Altersstruktur

Siedlungsstruktur

Haushaltstruktur

Beschäftigung

Motorisierung

Verkehrsverhalten

Sonstige Prognoseannahmen

Nationale Kultur

Wohnungsmarkt

Versorgungsstruktur

Verkehrsinfrastruktur

Prognose VerkehrsnachfrageImpulsszenario

Transitszenario

Übertragbarkeit auf andereGrenzräume

Übertragbare Sachverhalte

Bedingt übertragbare Sachverhalte

Nicht übertragbare Sachverhalte

Allgemeine Entwicklungstendenzen

Wirtschaft

Verkehr

Stadtentwicklung & Wohnungsmarkt

Kooperation

Handlungsanleitungen und Empfehlungen

Dachprozess grenzübergreifende integrierte Strukturplanung

gemeinsame verkehrspolitische Leitbilder

gemeinsame Verkehrsentwicklungsplanung

Stadtentwicklung und Wohnungsmarkt

Einzelhandels- und Infrastrukturentwicklung

zusätzliche Brückenstandorte

Erweiterung des Strassenbahnnetzes

Rechtsharmonisierung

ÖPNV-Finanzierung und -betrieb

Kooperation und Netzwerke

Monitoring

Forschungs- undVertiefungsbedarf

Monitoringsystem

Verkehrsmodellierung

Altersgerechte Verkehrssysteme

Wohnstandortwahl

Rechts- und Planungsharmonisierung

Beispiele anderer Grenzregionen

D/NL

D/F/L

D/F/CH

D/A/CH

Analyse verkehrs-relevanter Strukturen

Monostädte

Doppelstädte

Görlitz/Zgorzelec

Guben/Gubin

Frankfurt(O)/Slubice

StädtenetzeGrenzraum D/P/CZ

Übergeordnete Verkehrsstrukturen

Transeuropäische Verkehrsnetze und Korridore

Projektnetzwerk

Städteebene

Landes-/Wojewoidschafts-ebene

Nationale Ebene(Bundesministerien)

Wissenschaftsnetzwerk

Öffentlichkeitsarbeit

Basismodell und Praxistest

Modellstadtbezogene Vertiefungen

Aktuelle Verkehrsnachfrageund Entwicklungstrends

StadtregionaleVerkehrsstrukturen

Grenzübergereifende Kooperation

Stadt- und Siedlungsentwicklung

Entwicklung von Modellansätzen

Dissaggregierte und verhaltensorientierte Verkehrsmodellansätze

Modellstadtspezifisches Mobilitätsverhalten

Modellstruktur und methodische Grundlagen

Siedlungsstruktur

Bevölkerungstruktur

Wirtschaftsstruktur

Versorgungsstruktur

Verkehrsinfrastruktur

- 11 - Kurzbericht

Das Projekt wurde im Zeitraum von Januar 2004 bis Juli 2005 durchge-führt. Entgegen der anfangs von einigen Modellstadtakteuren geäußertenKritik am relativ späten Start des Projektes wurde im Projektverlauf deut-lich, dass mit dem Projekt passgenau auf die einsetzende Dynamik der Ver-änderungen und den zunehmenden Handlungsbedarf in den Grenzregio-nen reagiert werden konnte.

So konnten in der Projektlaufzeit signifikante Veränderungen der Verkehrefestgestellt werden, die sowohl auf die unterschiedliche wirtschaftliche undSiedlungsdynamik, als auch die demographischen Prozesse zurückzuführensind.

Situationsanalyse

Die Analyse umfaßte neben der Modellstadtebene auch die vergleichendeAnalyse bisheriger Projektansätze und Erfahrungen in anderen Grenzräu-men.

Verkehrsrelevante Strukturen und Verkehrssysteme im Grenzraum

Im betrachteten Untersuchungsgebiet des deutsch-polnischen und desdeutsch-tschechischen Grenzraumes lassen sich verschiedene Städtetypenhinsichtlich ihrer Grenzlage bzw. Grenzbeziehungen zu anderen Städtenunterscheiden. In diesem Zusammenhang können die Städte als „Mono-städte“, „Doppelstädte“ oder „Städtenetze“ typisiert werden.

Als Monostädte werden Städte bezeichnet, die keine unmittelbaren stadt-räumlichen bzw. verkehrlichen Verflechtungen zu Städten auf der jeweilsanderen Grenzseite aufweisen. In diesen Konstellationen liegen die Mono-städte überwiegend auf der deutschen Seite, während auf der polnischenbzw. tschechischen Seite nur ländlich geprägte Strukturen vorhanden sind.Beispielhaft genannt seien an der Grenze des Landes Brandenburg zur Re-publik Polen die Konstellation der Stadt Schwedt/Oder zur Gemeinde Kraj-nik Grn. (Polen).

Unter dem Begriff Doppelstädte werden solche Städte zusammengefasst,bei denen hinsichtlich der Siedlungsstruktur eine klare Beziehung zueinan-der besteht. Im Wesentlichen umfasst dies Städte, die auf eine gemeinsa-me (Siedlungs-)Geschichte zurückblicken können und durch siedlungsstruk-turelle Verknüpfungen - aber auch Abhängigkeiten - gekennzeichnet sind.Für das Forschungsprojekt sind die Doppelstädte von besonderer Relevanz,da für die Entwicklung grenzübergreifender integrierter Gesamtverkehrs-systeme mit den bestehenden siedlungsstrukturellen Beziehungen die hier-für notwendigen Rahmenbedingungen vorhanden sind und darüber hinausauch die Notwendigkeit einer Kooperation besteht.

Projektdurchführung zum

Zeitpunkt zunehmender

Entwicklungsdynamik

Differenzierung in Monostädte,

Doppelstädte und Städtenetze

Monostädte weisen keine

unmittelbaren grenzüber-

greifenden Verflechtungen auf

Siedlungsstrukturen der

Doppelstädte weisen klare

Beziehungen zueinander auf

- 12 - Kurzbericht

Neben den vertieft betrachteten Modellstädten ist das kleinere „Städte-Paar“ Guben / Gubin bezüglich der stadtstrukturellen Zusammenhänge alsDoppelstadt zu identifizieren und bzgl. der Übertragbarkeit relevant.

Als Städtenetze im grenznahen Raum werden solche Städte zusammenge-fasst, die in ihrer siedlungsstrukturellen Entwicklung zwar z. T. unabhängigvoneinander sind, durch eine räumliche Nähe zueinander und die Einbin-dung in bestimmte Verkehrsnetze im Vergleich zu Monostädten dennochnicht vollständig autark agieren (können). Kooperationsbeziehungen hin-sichtlich einer interkommunalen Arbeitsteilung bzw. Abstimmung sind hierz. T. unbedingt erforderlich, z. T. aber auch aufgrund der regionalen Ent-wicklung von besonderem „freiwilligen“ Interesse (z. B. Tourismus- undWirtschaftsentwicklung).

Mit dem Zusammenschluss der drei Städte Bogatynia (PL), Hrádek nad Ni-sou (CZ) und Zittau (DE) zum Städteverbund »Kleines Dreieck« wurde inder Euroregion Neiße 2001 eine Städte-Kooperation in Form eines freiwilli-gen Zusammenschlusses initiiert. Mit der trilateralen Zusammenarbeit inverschiedenen Themenfeldern, der Erarbeitung abgestimmter Planungenund u. a. der gemeinsamen Realisierung von Verkehrsentwicklungsmaß-nahmen, sollen strukturelle Defizite beseitigt und die Herausforderungen,die sich mit der EU-Erweiterung ergeben, bewältigt werden. Weitere netz-artige Siedlungsstrukturen finden sich im westlich anschließenden säch-sisch-tschechischen Grenzraum, weisen jedoch aufgrund ihrer geringerenGrößenordnung und Verkehrsbeziehungen keine „stadttypischen“ Ver-kehrscharakteristik auf.

Im Ergebnis der Grobanalyse der relevanten Grenzstadtsituationen ist zukonstatieren, dass die im Fokus des Projekts stehenden grenzübergreifen-den Stadtverkehrssituationen nur in den beiden Modell-Doppelstädten undz. T. in Guben / Gubin anzutreffen sind. Alle anderen Grenzregionen sinddamit nur bedingt vergleichbar. Neben der im Vergleich geringeren Grö-ße und Funktion (Einwohnerzahl, zentrale Funktion), sind auch die Sied-lungs- und Verkehrsstrukturen eher kleinstädtisch charakterisiert.

Die Modellstädte im Vergleich

Beide Doppelstädte weisen u. a. mit der Lage an den europäischen Ver-kehrskorridoren, dem historischen Vorstadtcharakter der polnischen Städte,der aktuellen Schrumpfungsdramatik und dem leistungsfähigen ÖPNV-System der deutschen Städte eine Vielzahl struktureller Vergleichbarkeitenauf. Hinsichtlich der jeweiligen Größe und Funktion zeigen sich deutlichgrößere Diskrepanzen. Zwischen Frankfurt (Oder) und Slubice sind dieseDiskrepanzen weit größer, als zwischen Görlitz und Zgorzelec.

Die brandenburgische kreisfreie Stadt Frankfurt (Oder) (rd. 65.000 Einwoh-ner) hat seit 1990 tiefgreifende Veränderungen und einen enormen Struk-turwandel erlebt und bewältigen müssen. Ein anhaltender Bevölkerungs-

„Referenz“-Doppelstadt

Guben / Gubin

Städtenetze durch räumliche

Nähe und funktionale

Beziehungen geprägt

„Kleines Dreieck“ als etabliertes

Städtenetz

Grenzübergreifende

„Stadtverkehrssituationen“ nur

in den Doppelstädten

Doppelstädte mit

Vergleichbarkeiten, aber auch

Größen- und funktionalen

Diskrepanzen

anhaltende Bevölkerungsverluste

und Strukturschwäche in

Frankfurt (Oder)

- 13 - Kurzbericht

verlust von ca. 18 % seit 1990 erfordert einen umfassenden Stadtumbau,in dessen Rahmen bisher erst Teilerfolge bzgl. der Reduzierung des Woh-nungsbestands erzielt werden konnten. Trotz der raumordnerischen Funk-tion als Oberzentrum und Regionales Entwicklungszentrum ist eine ent-sprechende tragfähige Stabilisierung der Universitätsstadt derzeit nochnicht als gesichert anzusehen.

Demgegenüber weist die in der Wojewodschaft Lubuskie gelegene StadtSlubice (rd. 20.000 Einwohner) im gleichen Zeitraum eine stabile Entwick-lung auf, die aufgrund der Grenzöffnungen durch positive wirtschaftlicheEffekte gekennzeichnet ist. Slubice und Frankfurt (Oder) sind – auch auf-grund der historischen Zusammenhänge – bemüht, die vorhandenen Ko-operationen weiter auszubauen. Einzelne Projekte wurden in diesem Zu-sammenhang bereits erfolgreich umgesetzt. Stadtentwicklungskonzeptio-nen beider Städte thematisieren die Förderung der „Zwillingsstadt“ bzw.die Herausbildung einer grenzübergreifenden StadtRegion. Während sichdie wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren in Frankfurt(Oder) verschlechtert haben, profitiert Slubice von der strategisch günstigenLage an wichtigen internationalen Verkehrskorridoren und der Nähe zuFrankfurt (Oder). Dennoch ist die Arbeitslosenquote derzeit in beiden Städ-ten mit rd. 19 % sehr hoch.

Frankfurt (Oder) und Slubice sind durch einen innerstädtischen Grenzüber-gang (Pkw, Fußgänger) miteinander verbunden. Beide Städte liegen an derBahnverbindung zwischen Berlin und Warschau. Frankfurt (Oder) verfügtüber gute Schienenverbindungen ins Umland (Regionalbahnen) sowie Re-gionalbuslinien. Slubice wird lediglich über verschiedene unregelmäßigverkehrende Regionalbusverbindungen an das Umland angeschlossen. Dasöffentliche Nahverkehrssystem in Frankfurt (Oder) wird durch verschiedeneBus- und Straßenbahnlinien gebildet. In Slubice existiert derzeit kein städti-sches Nahverkehrssystem. Eine öffentliche Verkehrsverbindung zwischenbeiden Städten besteht bisher ebenfalls nicht. Im Februar 2005 wurde je-doch von den Stadtverordneten der Stadt Frankfurt (Oder) die planerischeVorbereitung der Verlängerung bzw. Wiederbelebung der Straßenbahnlinienach Slubice beschlossen.

Die sächsische kreisfreie Stadt Görlitz (rd. 58.000 Einwohner) – einst einwichtiges Industriezentrum der Region – muss sich seit den 1990er Jahrenmit den Auswirkungen des ökonomischen Strukturwandels auseinander-setzen. Die Stadt war bis 1945 intensiv mit der polnischen Stadt Zgorzelec(rd. 34.000 Einwohner) verbunden und übernahm im Zusammenspiel wich-tige Zentrumsfunktionen. Die deutlichen Bevölkerungsverluste von ca.14 % seit 1990 in Görlitz haben dazu geführt, dass sich die Bevölkerungs-zahlen zwischen beiden Städten zunehmend angleichen. In Görlitz konntentrotz enormer Erfolge in der Sanierung und Reaktivierung der Altstadt bis-her noch keine nachhaltig stabilisierenden Einwohnerzuwächse in der Alt-stadt erzielt werden. Im Rahmen des laufenden Stadtumbauprozesses

Das kleinere Slubice weist eine

stabilere Entwicklung auf

hochwertige ÖPNV-Verbindung

Frankfurt (Oder) / Slubice in

Vorbereitung

In Görlitz und Zgorzelec

Bevölkerungsverluste

- 14 - Kurzbericht

konnten bisher nur Teilerfolge erzielt werden, da Leerstandsverteilung undZielkonflikte zwischen städtebaulichen und wohnungswirtschaftlichen Zie-len derzeit nur geringe Eingriffe zulassen.

Von der Grenzöffnung konnte Zgorzelec deutlich profitieren und entwi-ckelt sich zu einem Handels- und Tourismuszentrum. Die Stadt verfügt übereinen stabilen Arbeitsmarkt, die Arbeitslosenquote sinkt seit Jahren konti-nuierlich (derzeit rd. 10 %). Die Arbeitslosenquote in Görlitz betrug imFebruar 2005 rd. 25 %. An die gemeinsame Geschichte wollen beide Städ-te anknüpfen und planen u. a. die Entwicklung eines gemeinsamen Stadt-zentrums »Brückenpark« mit Kultur-, Bildungs- und Freizeitangeboten.

Görlitz und Zgorzelec sind durch zwei innerstädtische Grenzübergänge(einen für Pkw und Langsamverkehr, einen nur für Langsamverkehr) ver-bunden. Darüber hinaus gibt es nördlich der Stadt eine grenzüberschrei-tende Autobahnverbindung (A 4) sowie eine innerstädtisch verlaufendeBahnverbindung. Der ÖPNV in der Stadt Görlitz wird über Straßenbahn-und Buslinien abgewickelt. In Zgorzelec gibt es eine Buslinie. Seit 1991verkehrt eine grenzüberschreitende Busverbindung.

Übergeordnete Verkehrsstrukturen und -systeme

Durch den Untersuchungsraum verlaufen drei PAN-Europäische Verkehrs-korridore:

• Korridor II: Berlin - Frankfurt (oder) - Warschau - Moskau

• Korridor III: Berlin/Dresden - Görlitz - Wroclaw - Kiew

• Korridor IV: Dresden/Nürnberg - Prag - Wien - Budapest - Constanta /Sofia - Thessaloniki - Istanbul

Diese Eisenbahn- und Straßenkorridore sind Teil der TranseuropäischenVerkehrsnetze (TEN). In beiden Modellstadtpaaren bestehen keine signifi-kanten Einflüsse der Verkehrskorridore auf die Stadtverkehrsentwicklung.

Aufbereitung themenspezifischer Grundlagen und Ergebnisse

Im Rahmen des Projektes erfolgte eine fachlich sehr breit ausgerichteteRecherche. Die Recherche umfasste das Spektrum räumlich und thematischrelevanter Literatur zu entsprechenden grenzübergreifenden Kooperations-ansätzen und Projekten auf verschiedenen institutionellen Ebenen.

Festzustellen ist, dass das Projektthema derzeit insbesondere von aktuellenFragen der EU-Osterweiterung, raum- und regionalstrukturellen wie auchstadtplanerischen Aspekten stark beeinflusst wird. Die Frage grenzüber-schreitender verkehrsrelevanter Entwicklungsprozesse im Detail (insbeson-dere Verkehrsverflechtungen, Harmonisierung Forschung und Methoden,Kooperation Verkehrsinfrastruktur) gewinnt zunehmend an Bedeutung.

Bestehende grenzübergreifende

Verkehrsverbindung Görlitz /

Zgorzelec

Integrierter Projektansatz

erforderte Recherche mit fachlich

breitem Spektrum

- 15 - Kurzbericht

Die Rechercheergebnisse verdeutlichen, dass es zwar bereits zahlreicheverschiedene Institutionen und Projekte gibt, die sich im weitesten Sinnemit Verkehrssystemen, verkehrsrelevanten Strukturen und verkehrsbeein-flussenden Rahmenbedingungen in Grenzräumen beschäftigen. Eine ko-operative Entwicklung grenzübergreifender integrierter Gesamtverkehrs-konzepte, die sowohl Verkehrsmodellansätze als auch Szenarien derRaum-, Stadt- und Verkehrsentwicklung unter Einbeziehung rechtlicherund finanzieller Gesichtspunkte berücksichtigt, fehlt bisher.

Beispiele anderer Grenzregionen

Die Analyse ausgewählter westdeutscher Grenzregionen zu den westeuro-päischen Nachbarn diente der Identifizierung von Übertragbarkeitsansätzenund bezog sich auf diverse projektrelevanter Aspekte. Neben einer Vielzahlunterschiedlicher Kooperationserfahrungen können auch zum Instrumen-teneinsatz Erfahrungen zumindest mittelbar herangezogen werden. Verän-derungsprozesse und Maßnahmen in den betrachteten Grenzregionen, diesich ggf. auf den deutsch / polnisch / tschechischen Grenzraum übertragenlassen, können vier wesentlichen Bereichen zugeordnet werden:

Die insbesondere im deutsch-französischen Grenzraum über die letztenJahrzehnte zu beobachtenden Veränderungen in der Wahl von Wohn- undArbeitsstandorten (Arbeitsstandort in der wirtschaftlich stärkeren Teilregi-on, Wohnstandort in der günstigeren Teilregion) können Hinweise auf zu-künftig zu erwartende Veränderungen hinsichtlich der Wahl von Arbeits-standorten auch im deutsch / polnisch / tschechischen Grenzraum geben.

Die Beispiele zeigen ebenfalls, dass auch bei relativ ähnlichen Preisniveausdes Güterangebots immer einzelne Güter oder Gütergruppen in einzelnenTeilregionen stärker nachgefragt werden, d. h. der grenzüberschreitendeEinkaufsverkehr wird immer eine wichtige Rolle spielen. Die Beispiele zei-gen auch, dass ohne das Hindernis von Grenzkontrollen in beiden Richtun-gen verstärkt Freizeitverkehre zu erwarten sind.

Als ein effektives Mittel zur Förderung der grenzüberschreitenden Koopera-tion und Integration auf der Ebene der Bürger und Unternehmen erschei-nen die in der Region Oberrhein eingerichteten Informations- und Bera-tungsstellen (INFOBEST) sinnvoll. Sie erleichtern den Bürgern und Unter-nehmen eigene Aktivitäten im jeweils andern Land zu realisieren. Außer-dem können die Beratungsstellen eine permanente Koordination zwischenden Ländern bereitstellen und neue Projekte zur Förderung der Integrationerleichtern.

In den westlichen Grenzregionen werden vermehrt grenzüberschreitendeVerkehrsverbünde gegründet. In einigen Regionen bestehen sie bereitserfolgreich (Salzburg), in anderen laufen verstärkte Bemühungen solcheVerkehrsverbünde einzurichten (Basel). Der liberalisierte Verkehrsmarkt inder EU bietet die Rahmenbedingungen für einen grenzüberschreitenden

zahlreiche Projekte im weiteren

thematischen Kontext

integrierte verkehrsorientierte

Ansätze fehlen bisher

breites Spektrum

projektrelevanter

Übertragbarkeitsansätze von

westdeutschen Grenzregionen

Veränderungen in der Wohn-

und Arbeitsstandortwahl mit

steigendem Verkehrsaufkommen

im Ergebnis

Grenzüberschreitender Einkaufs-

und Freizeitverkehr

Informations- und

Beratungsstellen

Grenzüberschreitende

Verkehrsverbünde

- 16 - Kurzbericht

Betrieb. Als erste Vorstufen zu einem Verkehrsverbund werden Fahrpläneund Tarife grenzüberschreitend harmonisiert.

Die Prozesshaftigkeit des Aufbaus grenzübergreifender Kooperationen wirdanhand der betrachteten Grenzregionen im west- und südwestdeutschenRaum deutlich. Selbst in Grenzregionen mit etablierter institutioneller Ko-operation bestimmen weiterhin kulturelle und andere Unterschiede dasKooperationsverhalten.

3 Untersuchungsergebnisse und Folgerungen fürdie Praxis

Folgende Ergebnisse bzw. Empfehlungen wurden auf der theoretischen,der modellstadtbezogenen bzw. der allgemeingültigen Ebene erzielt. Einedifferenzierte Übertragbarkeit der in den Modellstädten erzielten Ergebnis-se und Empfehlungen auf andere Grenzregionen lässt sich ableiten.

Raumordnung und Landesentwicklung

Den Grenzregionen und insbesondere den Doppelstädten sind mit dem EU-Erweiterungsprozess zusätzliche Funktionen übertragen worden, die überdie städtische bzw. regionale Ebene hinaus auch Bedeutung für die Landes-bzw. Wojewodschafts- und Regionsentwicklungen und auch die Entwick-lung des Grenzraumes haben. Im Kontext des europäischen Integrations-prozesses haben die Prozesse des Zusammenwachsens in den Grenzregio-nen eine Modellwirkung.

Dieser besonderen und zusätzlichen Funktion werden die bisherigen raum-ordnerischen Funktionszuweisungen nicht gerecht. Für den unmittelbarenProzess der Verwaltungskooperation als zusätzlicher Funktion fehlen denDoppel - bzw. Grenzstädten z. T. die finanziellen und personellen Mindest-ausstattungen, was die praktische Arbeit und das Zusammenwachsen starkeinschränkt.

Eine adäquate Verankerung dieser Rolle in den entsprechenden raumwirk-samen Planungen (z. B. Landesentwicklungsplanung), als auch eine ent-sprechende förderseitige bzw. kommunalfinanzausgleichsbezogene Unter-stützung dieser Funktionswahrnehmung erscheint unabdingbar.

Seitens der Bundesländer sollte die raumordnerische bzw. zentralörtlicheFunktion der Grenzstädte unter Berücksichtigung ihrer grenzübergreifen-den Rolle beleuchtet werden, um eine funktions- und aufgabenbezogeneAufwertung zu erreichen. Im Zusammenhang damit sollte die Möglichkeiteiner entsprechenden finanziellen Bewertung dieser Zusatzaufgabe imRahmen der Finanzausgleichsgesetze überprüft werden.

Grenzübergreifende Kooperation

als kontinuierlicher Prozess

Übertragbarkeitsansätze und

Übertragbarkeitsgrenzen

„Brennglas“ Grenzregionen

Funktionszuweisungen und

Finanzausstattung nicht an

zusätzliche Funktionen der

Grenzstädte angepasst

Verankerung in raumwirksamen

Planungen und finanzielle

Unterstützung erforderlich

Funktions- und

aufgabenbezogene Aufwertung

erforderlich

- 17 - Kurzbericht

Auf der polnischen und tschechischen Seite sollte ebenfalls eine entspre-chende Überprüfung mit dem Ziel der funktions- und aufgabenbezogenenAufwertung für die Grenzstädte vorgenommen werden. Auf der transnati-onalen Ebene zwischen der deutschen, polnischen und tschechischen Seitesollte die Möglichkeit einer entsprechenden Harmonisierung der Funktions-zuweisungen für die Grenzstädte erwogen werden.

Bei den anstehenden Entscheidungen auf Staats- und EU-Ebene zur Ver-längerung der noch bestehenden Freizügigkeitseinschränkungen insbeson-dere zum Arbeits- und Wohnungsmarkt sollten die Entwicklungen in denGrenzregionen berücksichtigt werden. Derzeit ist davon auszugehen, dasseine vollständige Ausschöpfung der nationalen Einschränkungsmöglichkei-ten dem Zusammenwachsen und der strukturellen Entwicklung der Grenz-regionen nicht zuträglich wäre.

Szenarienmethodik der Raum-, Stadt- und Verkehrsentwicklung

Angesichts der weiterhin schwer prognostizierbaren Entwicklungen in denGrenzregionen müssen geeignete grenzübergreifende Szenarien entwickeltwerden. In der Regel werden zukünftige Entwicklungen über Szenarien-prognosen oder andere „Was-wäre-wenn“-Analysen untersucht. Die Sze-narien sollten ein möglichst breites Spektrum möglicher Entwicklungenabdecken.

Die dem Verkehrsmodell zugrunde gelegte Szenarienmethodik mit derVertiefung eines „Impulsszenarios“ als Gestaltungsszenario sowie einesTransitszenarios als worst case Szenario hat sich in den Modellstädten be-währt. Durch das Aufzeigen des möglichen Entwicklungsspektrums unddas Abbilden insbesondere der verkehrlichen Entwicklungen, kann dieNotwendigkeit einer neuen Qualität der grenzübergreifenden Planung,aber auch der Eingriffsbedarf und das Steuerungspotenzial verdeutlichtwerden. Insbesondere für die polnische Seite ist derzeit eine typische Phaseder „Planungsliberalität“ bzgl. der Siedlungsentwicklung zu beobachten.Daneben beeinflussen insbesondere der potenzielle Motorisierungszuwachsund die Entwicklung des Verkehrsverhaltens auf der polnischen Seite diezukünftige Entwicklung.

Die Modellansätze sind prognosefähig, d. h. die Auswahl der relevantenEinflussgrößen erfolgte aufgrund ihrer funktionalen Abhängigkeit von derVerkehrsnachfrage.

Die entwickelten Szenarien bauen auf sieben wesentlichen Szenarienkom-ponenten auf: Rahmenbedingungen, Wirtschaft, Bevölkerung, Stadtent-wicklung & Wohnungsmarkt und Versorgung, Nationale Kultur & Zusam-menwachsen, Motorisierung & Verkehrsverhalten, Verkehrsinfrastrukturund -nutzung).

Transnational harmonisierte

Funktionszuweisungen prüfen

Einschränkungen bzgl.

Freizügigkeitsregelungen

erschweren Zusammenwachsen

Anwendung geeigneter

grenzübergreifender Szenarien

Verdeutlichung des

Eingriffsbedarfs und des

Steuerungspotenzials

prognosefähige Modellansätze

sieben Szenarienkomponenten

- 18 - Kurzbericht

Die im Grenzraum zu erwartenden Prozesse werden die Entwicklungen inden nächsten zehn bis 15 Jahren bestimmen. Es werden zwei Zeithorizonteempfohlen; als Kurzfristperspektive der Zeitraum bis 2010, als Langfristper-spektive der Zeitraum bis 2020.

Stadtentwicklung

In allen Grenzregionen werden die anstehenden „Aufhol- bzw. Anglei-chungsprozesse“ maßgebliche Auswirkungen auf die zukünftig gemeinsa-me Stadt- und Verkehrsentwicklung haben. Die auf polnischer Seite zubeobachtende Planungs- und Investitionsdynamik, „Planungsliberalität“und die sehr starken Suburbanisierungsbestrebungen werden zu starkenAuswirkungen auf die Siedlungs- und Verkehrsentwicklung führen.

Bezüglich der strukturellen und wirtschaftlichen Entwicklung wird es einer-seits weiter rein räumliche Verlagerungsprozesse geben, die zusätzlicheprivate und öffentliche Investitionen auslösen, ohne in der Summe eineErhöhung der Wirtschaftsleistung oder Arbeitsplatzanzahl zu bewirken.Andererseits werden weiterhin Investitionsmaßnahmen erfolgen, die zu-sätzliche Impulse auslösen, die auch grenzübergreifend und regional wir-ken werden. Bei den grenzübergreifenden Planungs- und Abstimmungs-prozessen ist eine stärkere Differenzierung bei der Steuerung von Verlage-rungs- und Neuinvestitionsmaßnahmen erforderlich, um die angestrebtenImpulswirkungen in Richtung der „gewünschten“ Entwicklungen zu för-dern.

Der dringendste Handlungsbedarf besteht bzgl. der Siedlungsentwicklungin der Steuerung der in größeren Grenzstädten Polens und Tschechiens zuerwartenden Suburbanisierungsdynamik im Segment des individuellenWohnbaus. Bei diesen Empfehlungen ist zu beachten, dass die „autono-me“ Wohnnachfrage nach individuellem Eigentum auf der polnischen Seitenur in den städtischen Randlagen gedeckt werden kann. Handlungsansätzebestehen hauptsächlich in der Steuerung der öffentlichen Flächenerschlie-ßung. Ziel wäre die Reduzierung bzw. zeitliche Staffelung der Entwicklun-gen. Flächenanteile befinden sich in der Verfügung der Kommune, sodasshier direkte Eingriffsmöglichkeiten bestehen.

Die sich weiter verschärfenden Wohnungsmarktdisparitäten in den Grenz-städten werden aufgrund zunächst weiter bestehenden Freizügigkeitsbe-schränkungen nicht kurzfristig ausgleichbar sein. Die sich mittelfristig er-öffnende Möglichkeit zum Ausgleich der gravierenden Wohnungsmarkt-disparitäten bietet jedoch die Chance, sowohl die lokalen Wohnungsmärk-te auf deutscher Seite weiter zu konsolidieren, als auch dem dringendenWohnbedarf auf polnischer bzw. tschechischer Seite zu begegnen. Im Zugeder weiteren Entwicklung zur Freizügigkeit sind regional begrenzt signifi-kante Wohnungsmarktnachfragen polnischer bzw. tschechischer Bürger inden deutschen Nachbarkommunen zu erwarten. In der künftigen Stadt-umbauplanung und Wohnungspolitik in den deutschen Kommunen sollte

langer Betrachtungszeitraum

erforderlich

zwei Zeithorizonte empfohlen

„Aufhol- bzw.

Angleichungsprozesse“

beeinflussen Stadt- und

Verkehrsentwicklung maßgeblich

Verlagerungsprozesse sowie

Investitionsmaßnahmen mit

zusätzlichen Impulsen

Dringender Handlungsbedarf zur

Siedlungsentwicklung

Steuerungspotenziale vorhanden

Chance zur Angleichung der

Wohnungsmarktdisparitäten

- 19 - Kurzbericht

eine mittelfristig zu erwartende Wohnungsnachfrage in geeigneten Seg-menten berücksichtigt werden.

Die Einzelhandelsentwicklung verläuft in allen Grenzregionen sehr unter-schiedlich. Signifikante Überkapazitäten und Verdrängungsprozesse sindinsbesondere in den größeren Städten zu erwarten. Hier werden nebenweiteren - verkehrserzeugenden - Nachfrageverlagerungen auch Standort-schließungen auf deutscher Seite erfolgen. Unterschiede in der Kaufkraft,dem Warenangebot und dem Lohnniveau werden sich in den nächstenzehn bis 20 Jahren nivellieren. Dennoch werden die großen und z. T. neuetablierten Einkaufszentren beispielsweise in den größeren polnischenStädten weiterhin eine hohe Attraktivität behalten. Angesichts der weiterzunehmenden Konkurrenzen und Überangebote an Einzelhandelsflächeninsbesondere im low-cost-Foodbereich sollten auf Basis zu erstellenderbzw. fortzuschreibender grenzübergreifender Einzelhandelskonzepte Neu-ansiedlungen und Schließungen stärker qualitativ beeinflusst werden.

Bezüglich der überwiegend kleinteiligen und höherwertigen Einzelhandels-strukturen in den Innenstädten auf beiden Grenzseiten werden die poten-ziellen Ergänzungs- bzw. Impulseffekte stark von der Angebotsentwicklungabhängen. Steuerungsmöglichkeiten bestehen hier auf der Akteursebeneder Einzelhändler / Dienstleister bzw. -gemeinschaften.

Im Bereich der gewerblich bzw. industriell nutzbaren Flächen besteheneinerseits noch enorme Potenziale erschlossener bzw. planungsrechtlichgesicherter Flächen; andererseits sind weiterhin großflächige Ansiedlungenzu erwarten, die spezifische Ansprüche aufweisen werden.

Die demographische Entwicklung, der Konsolidierungsdruck und die not-wendige Orientierung auf gemeinsame Infrastrukturentwicklungen und-betriebe erfordern in allen Grenzregionen eine grenzübergreifende integ-rierte Strukturplanung auf städtischer und / oder regionaler Ebene.

Diese muss als Dachprozess der gemeinsamen und der „eigenen“ Stadt-entwicklung etabliert werden und durch Selbstbindungsbeschlüsse aufbeiden Seiten umgesetzt werden. Die vorliegenden Ansätze für derartigeKonzepte sind überwiegend veraltet, nicht ausreichend sektoral differen-ziert bzw. qualifiziert. Die Grenzstädte bzw. -regionen müssen kurzfristigdie Aktualisierung und Qualifizierung der grenzübergreifenden Struktur-konzepte beginnen, da nur diese als Dachprozesse der Stadtentwicklungdie Vernetzung aller sektoralen grenzübergreifenden Planungen erlauben.

Im Rahmen dieser Strukturplanung sind geeignete Szenarien- und Progno-sen zu erstellen. Die Leitbildebene, für die in beiden Doppelstädten imRahmen von gemeinsamen Prozessen bereits wesentliche Ansätze geschaf-fen wurden, ist in diese Strukturplanungen zu integrieren.

Nachfrageverlagerungen bei

Einzelhandelsentwicklung zu

erwarten

Ergänzungseffekte inner-

städtischer Einzelhandels-

strukturen nutzen

Potenziale gewerblich nutzbarer

Flächen

Orientierung auf gemeinsame

Infrastrukturentwicklungen

Integrierte grenzübergreifende

Strukturkonzepte als

Dachprozesse der gemeinsamen

Stadt- und Verkehrsentwicklung

Geeignete Szenarien- und

Prognosen sowie

Leitbildevaluierungen

- 20 - Kurzbericht

Auch unter Berücksichtigung der bereits eingetretenen bzw. unvermeidba-ren negativen Siedlungsentwicklungen bestehen in beiden Doppelstädtennoch erhebliche Steuerungspotenziale. Dies betrifft insbesondere die ge-meinsame und ergänzende Innenstadtentwicklung, die für die anzustre-bende „Regionalstadtrolle“ von entscheidender Bedeutung ist. PositivesBeispiel sind die derzeitigen Planungs- und Bauaktivitäten auf dem Zgorze-lecer Neißeufer, die auch in Verbindung mit der Eröffnung der Altstadtbrü-cke einen zusätzlichen Entwicklungsschub für die gemeinsame Innenstadt-entwicklung erwarten lassen. Die weitere Reaktivierung bzw. Aufwertungder innerstädtischen Uferbereiche ist in den Stadtentwicklungspolitiken mithöchster Priorität zu forcieren.

Görlitz und Zgorzelec verfügen aufgrund der ausgewogenen Stadtgrößenund Bevölkerungsverteilungen und der ausgeprägten funktionalen Ergän-zungsansätze über bessere Voraussetzungen der gemeinsamen Stadtent-wicklung „auf gleicher Augenhöhe“, während in Frankfurt (Oder) / Slubiceaufgrund der Größenunterschiede die Abhängigkeit von der Entwicklung inFrankfurt (Oder) dominierender sein wird. Görlitz wird für Zgorzelec vorallem durch seine Altstadt eine steigende Attraktivität haben.

Verkehrsmodell grenzübergreifender Verkehr

Der entwickelte und erprobte integrierte Ansatz umfasst sowohl alle rele-vanten Verkehrsträger, als auch die die Verkehrsnachfrage bestimmendenSzenarienkomponenten. Mit Hilfe dieses integrierte Ansatzes können nega-tive Entwicklungen in ihren verschiedenen Auswirkungen analysiert sowieentsprechende gegenläufige Maßnahmen geplant und ihre Effekte analy-siert werden. Der Fokus der vorliegenden Studie liegt dabei auf der strate-gischen Planung, d. h. dem Erkennen wichtiger Entwicklungstrends undZusammenhänge.

Die Verkehrsnachfrage in den Grenzregionen lässt sich in vier verschiedene,in ihren Determinanten sehr unterschiedlichen, Hauptverkehrsrelationenunterscheiden:

• die eigentlichen grenzüberschreitenden Verkehre zwischen den jeweili-gen Städten auf polnischer und deutscher Seite,

• die Verkehrsrelationen innerhalb der jeweiligen Städte,

• die Verkehrsrelationen zwischen den Städten und dem jeweiligen Hin-terland und schließlich

• der ebenfalls grenzüberschreitende Transitverkehr, der i. d. R. an denStädten vorbei oder durch sie hindurch führt.

Das verwendete Verkehrsmodell beinhaltet die in der Verkehrsplanunggebräuchlichen vier Planungsstufen: Verkehrsaufkommen, Verkehrsvertei-lung, Verkehrsaufteilung (Modalwahl) sowie Verkehrswegewahl (Umle-gung). Der Modellansatz gehört zu den disaggregierten verhaltensorientier-

Noch erhebliche Steuerungs-

potenziale in den Modellstädten

zur gemeinsamen Etablierung als

Regionalstädte

Größen- und Funktions-

verhältnisse bestimmen

Partnerbeziehungen mit

Fokus auf der strategischen

Planung

Modellauswahl: Implemen-

tierung über VISEM und VISUM

- 21 - Kurzbericht

ten Verkehrsnachfragemodellen. Die Implementierung des Modells erfolgteüber die Verkehrplanungssoftware VISEM und VISUM.

Zentrale Eingangsgröße ist die Bevölkerungsentwicklung. Hier werden mitdem vorgeschlagenen Szenarienfächer für die deutschen Grenzkommunenim Impulsszenario zurückgehende Bevölkerungsverluste und im Transitsze-nario anhaltend starke Bevölkerungsverluste prognostiziert. Für die polni-schen Grenzkommunen werden räumlich differenzierte Entwicklungenunterstellt. Wegen des mittelfristig eintretenden demographischen Effekteswerden auch prosperierende Kommunen nur beim Eintritt des Impulssze-narios leichte Bevölkerungsgewinne generieren können.

Auf der teilräumlichen Ebene ergeben sich weitergehende verkehrsrelevan-te Disparitäten. Auf beiden Seiten der Grenze werden in den hoch verdich-teten und gut erschlossenen Stadtteilen Bevölkerungsverluste und stärkereÜberalterungen eintreten, während insbesondere auf polnischer Seite peri-phere Stadtteile starke Gewinne jüngerer Bevölkerungsgruppen generierenkönnen. Ungeachtet dieser Tendenzen werden hochattraktive Altstädtewie in Görlitz bei anhaltender Aufwertungspriorisierung einen Gegentrendauslösen können.

Für die künftige Siedlungs- und Verkehrsentwicklung ist die Haushaltsgrö-ßenentwicklung von entscheidender Bedeutung. Es bestehen sehr starkeDisparitäten der durchschnittlichen Haushaltsgröße zwischen ca. 2 Perso-nen pro Haushalt auf der deutschen Seite und z. T. über 3 Personen proHaushalt auf der polnischen bzw. tschechischen Seite. Auf deutscher Seitewird weitgehend szenarienunabhängig ein weiteres schwaches Sinken aufca. 1,9 Personen pro Haushalt angenommen, während auf der anderenGrenzseite die Dynamik der Haushaltsverkleinerung stark szenarienabhän-gig ist (bis 2020 auf 3 bis 2,5 Personen pro Haushalt).

Die Annahmen zur Entwicklung der Mobilität auf deutscher Seite basierenu. a. auf Analysen des deutschen Mobilitätspanels und erwarteten Mega-trends. Auf polnischer bzw. tschechischer Seite werden internationale Er-fahrungen in Transformationsländern, so z. B. Ljubljana (Slowenien) be-rücksichtigt.

Internationale Studien haben gezeigt, dass ein enger Zusammenhang zwi-schen der Motorisierung und dem verfügbaren Haushaltseinkommen be-steht. Dabei ist diese Abhängigkeit nicht linear. Ab einer identifizierbarenEinkommenshöhe steigt die Motorisierung überproportional an. Bei einempro Kopf Einkommen von etwa 5.000 USD p. a. erhöht sich bei einer wei-teren Steigerung des Einkommens die Motorisierung stark überproportio-nal. Dieser Zusammenhang erklärt die prognostizierten starken Steigerun-gen der Motorisierung in den polnischen Teilstädten von 50 bis 70 % biszum Jahr 2020, während für die deutschen Teilstädte nur noch eine relativgeringfügige Erhöhung der Motorisierung erwartet wird.

Bevölkerung wird auch im

Impulsszenario in den

Grenzregionen insgesamt weiter

sinken

teilräumlich starke

„verkehrserzeugende“

Verschiebungen zu Lasten der

Innenstädte zu erwarten

Haushaltsgrößenverkleinerung

auf polnischer und tschechischer

Seite stark szenarienabhängig

Mobilitätsentwicklung stark von

Wohlstandsentwicklung

abhängig

Motorisierungsanstieg um 50 bis

70 % in den polnischen

Teilstädten bis 2020 zu erwarten

- 22 - Kurzbericht

Schon jetzt lassen sich auf der polnischen Seite nach dem EU-Beitritt deutli-che Erhöhungen von Verbraucherpreisen beobachten. Es ist zu erwarten,dass dieser Entwicklung die Löhne bald folgen werden. Ohne Import-schranken für neue und gebrauchte Pkw wird dies sehr schnell zu einersteigenden Motorisierung führen.

Zur Prognose der grenzübergreifenden Verkehrsentwicklung ist die An-wendung differenzierter Attraktivitätsfaktoren für die Bereiche Arbeitsplät-ze, Freizeit, private Erledigungen und Einkaufsmöglichkeiten notwendig.Veränderte grenzüberschreitende Attraktivitäten beeinflussen entspre-chend die Struktur der Wegezwecke (Aktivitäten). Ein intensiverer Aus-tausch zwischen den Städten und der angenommene Zuzug von polni-schen bzw. tschechischen Bürgern in leer stehende Wohnungen auf deut-scher Seite wird zu mehr Verkehr zwischen den Städten führen. Die je nachSzenario eintretenden Attraktivitätsveränderungen sind insbesondere fürgemeinsame ÖPNV-Angebote in den Grenzregionen von hoher Bedeutung.

Eine vollständige Öffnung der Grenze (Schengenbeitritt Polen bis 2007)würde zu einer „Normalisierung“ der Verkehrsmittelwahl führen, d. h. zueinem relativ hohen Anteil an Pkw-Fahrten.

Eine verbesserte Einbindung des grenzüberschreitenden ÖV-Angebots indie jeweiligen städtischen Verkehrssysteme hätte das Potenzial, mehr Fahr-gäste anzuziehen. Erschwert wird dieses insbesondere durch die steigendeMotorisierung und Suburbanisierung auf polnischer bzw. tschechischerSeite.

Die mit dem integrierten grenzübergreifenden Verkehrsmodell erfolgtegrenzüberschreitende Modellierung und konsequente Ableitung der klein-räumigen Effekte ist für die Stadtverwaltungen und Verkehrsakteure derGrenzregionen von hohem Erkenntnisgehalt. Die fortschreibbaren Ergeb-nisse sind Grundlage sowohl strategischer Planungen als auch konkreterEntscheidungen für Verkehrsprojekte, wie der z. B. der Straßenbahnerwei-terung von Frankfurt (Oder) nach Slubice.

Optimierungsansätze bestehen insbesondere in der Verbesserung der Da-tenlage auf polnischer bzw. tschechischer Seite. Dies betrifft insbesonderedie Kleinräumigkeit der Basisdaten und die Verkehrsnachfrage.

Lokale grenzübergreifende Verkehrszählungen können hier mit beschränk-tem finanziellen und personellen Aufwand eine erhebliche Verbesserungder Datenlage bewirken. In Görlitz/Zgorzelec konnten so im Ergebnis einervom BMVBW unterstützen Verkehrszählung des Dresdener IngenieurbürosIVAS aktuelle Verkehrsbelastungen und -entwicklungen analysiert werden.Für die Überprüfung der Verkehrsmodellannahmen und -prognosen sindderartige Zählungen von hoher Bedeutung.

Preis- und Lohnentwicklung

sowie fallende Importschranken

für Pkw-Importe führen zu

starkem Motorisierungsanstieg

Attraktivtätsveränderungen

bestimmen die Entwicklung des

grenzübergreifenden Verkehrs

„Normalisierung“ der Verkehrs-

mittelwahl spätestens nach dem

Beitritt zu Schengenabkommen

positive Anwendungserfahr-

ungen des grenzübergreifenden

Verkehrsmodells für die

strategische Planung und die

Beurteilung von konkreten

Verkehrsinvestitionen

Datenlage sehr unterschiedlich

lokale grenzübergreifende

Verkehrszählungen erfolgreich

erprobt

- 23 - Kurzbericht

Die Anwendung und Fortschreibung der komplexen grenzübergreifendenVerkehrsmodelle stößt insbesondere in den Verwaltungen der Kleinstädteauf polnischer und tschechischer Seite an Kapazitäts- und Qualitätsgren-zen. Hier sind kooperative Lösungen zwischen den Verwaltungen der Städ-te und ggf. zusätzliche externe Unterstützungen notwendig.

Verkehrsentwicklung

Die zu erwartenden stadt- und siedlungsstrukturellen Veränderungen sindfür die künftige „lokale“ Verkehrsentwicklung von entscheidender Bedeu-tung. Im Gegensatz zur kaum beeinflussbaren Mobilitäts-, Motorisierungs-und Verkehrsverhaltensentwicklung besteht über die Steuerung der Sied-lungsentwicklung eine nicht zu unterschätzende Justierschraube zur Redu-zierung und Lenkung zusätzlicher Verkehre.

Auf polnischer Seite sollte daher die Steuerungsfunktion der Siedlungsent-wicklung für die Verkehrsentwicklung gegenüber der bisher dominieren-den Angebotsfunktion im Sinne eines integrierten Ansatzes stärker genutztwerden.

Eine grundlegende Voraussetzung wäre hier ein gemeinsames verkehrspoli-tisches, verkehrsträgerübergreifendes Leitbild der Städte, das aus dem ge-samtstädtischen Leitbild abgeleitet wird. Die „Vermarktung“ der Leitbilderund Verkehrskonzepte ist integraler Bestandteil dieser.

Die Umsetzung eines integrierten grenzüberschreitenden Verkehrssystemssollte mit einem gemeinsamen Stadt-, siedlungs- und verkehrspolitischenLeitbild beginnen, das im Rahmen des vorgeschlagenen Strukturkonzepteserarbeitet wird. Der nächste Schritt wäre ein gemeinsamer Gesamtver-kehrsplan in Anlehnung an das Instrument des Verkehrsentwicklungspla-nes, der in einen konkreten Zeit- und Umsetzungsplan mündet. Sowohl dasLeitbild, als auch der Verkehrsentwicklungsplan bedürfen einer kontinuier-lichen Fortschreibung mit kritischer Überprüfung der jeweils verwendetenPlanungsgrundlagen.

Die neu entstehenden Wohnbaugebiete in den Suburbanisierungsberei-chen der polnischen Städte sollten in die bestehenden ÖPNV-Netze einge-bunden werden. Hierzu sollten Streckenanpassungen der Regionalbusver-kehre bzw. der Stadtverkehrslinie beleuchtet werden.

In der Vorstufe zum Verkehrsverbund mit einheitlichen, auf beiden Seitender Grenze gültigen Fahrkarten ist eine Abstimmung der Fahrpläne not-wendig. Weiterhin werden grenzüberschreitende Fahrplaninformationenund Fahrkartenautomaten, die mehrere Währungen akzeptieren (wie z. B.in Basel), vorgeschlagen. Ein attraktives und aktives ÖV-Marketing er-scheint vor allem in Bezug auf die Erschließung neuer Kundengruppen inPolen und Tschechien unabdingbar.

gemeinsame Anwendung und

Fortschreibung der Verkehrs-

modelle als Pilotprojekt der

grenzübergreifenden Verwal-

tungskooperation

„Justierschraube“

Siedlungsentwicklung

Steuerungsfunktion der

Siedlungsentwicklung muss

stärker genutzt werden

Gemeinsame verkehrspolitische

Leitbilder Grundvoraussetzung

gemeinsame Verkehrsentwick-

lungsplanung als Module der

„neuen“ grenzübergreifenden

Strukturkonzepte

ÖPNV-Anbindung der

entstehenden Suburbani-

sierungsgebiete erforderlich

Stufenweiser Ausbau

einheitlicher Fahrpläne bzw.

Informationen

- 24 - Kurzbericht

Die ÖV-Verkehrssysteme auch der Modellstädte sollten langfristig in jeweilseinen Verkehrsverbund integriert werden.

Um auch in Zukunft die ÖV-Nachfrage halten zu können, müssten insbe-sondere auch auf deutscher Seite weitere permanente Anstrengungen un-ternommen werden. Im Hinblick auf eine älter werdende Gesellschaft soll-ten beispielsweise seniorenfreundliche Fahrzeuge und Haltestellen bereit-gestellt werden.

Letztendlich umfasst die grenzübergreifende Abstimmung alle Bereiche desVerkehrssystems, z. B. auch eine abgestimmte Parkraumbewirtschaftungund Sanktionierungen von Verkehrsverstößen. Insbesondere in Gör-litz/Zgorzelec besteht Bedarf und Potenzial zur Bereitstellung altstadtnaherParkräume, deren Nutzung über ein gemeinsames Leitsystem gesteuertwerden könnte.

Speziell zur Erreichung der Wirkungen der Impulsszenarios ist die Umset-zung verschiedener ergänzender verkehrlicher Maßnahmen zu erwägen.Ein konkretes Beispiel in den Modellstädten wäre z. B. die Etablierung eineszusammenhängenden Radwegenetzes.

In beiden Modellstädten ist im Rahmen der Diskussion zur Verkehrsent-wicklung auch die Ergänzung des bestehenden Brückennetzes diskutiertworden. Eine Bewertung der Notwendigkeit und der Standorte neuer Brü-cken wird Ergebnis der jeweiligen grenzüberschreitenden Verkehrskonzep-te sein.

Grenzübergreifende Straßenbahnerweiterung in den Modellstädten

Zu der in beiden Doppelstädten seit mehreren Jahren diskutierten Erweite-rung der deutschen Straßenbahnsysteme über die Grenze hinweg ist wäh-rend der FoPS-Projektlaufzeit in Frankfurt (Oder) eine positive Vorentschei-dung gefallen, in welche die Zwischenergebnisse des Projekts unmittelbareingeflossen sind. Wie auch in anderen Städten nimmt der Anpassungs-druck der „kleinen“ ostdeutschen Straßenbahnsysteme durch den dramati-schen Bevölkerungsrückgang stark zu. Grundsätzlich lassen sich zur Ver-knüpfung der Systemfrage Straßenbahn mit der Erweiterungsfrage folgen-de Empfehlungen ableiten:

• Beide Entscheidungen sollten gemeinsam getroffen werden, eine zeitli-che Trennung beider Entscheidungen ist nicht zu empfehlen.

• Die Entscheidungen sollten in naher Zukunft getroffen werden, da ei-nerseits mittelfristig Erneuerungsmaßnahmen für Fahrwege und Fahr-zeuge anstehen und eine attraktive grenzübergreifende Verkehrsver-bindung eine erhebliche unmittelbare und mittelbare Impulswirkungauf die Stadtentwicklung hätte.

• Die Entscheidung der Systemfrage wird dabei als erste Entscheidunganstehen.

grenzübergreifende Verkehrsver-

bünde als strategisches Ziel

stärkere Ausrichtung des ÖPNV-

Angebotes auf die Überalterung

der Gesellschaft

Gemeinsame Leitsysteme und

Parkraumbewirtschaftung

Notwendigkeit neuer Brücken

regional- und stadtspezifisch

sehr unterschiedlich

FoPS-Projektergebnisse flossen in

Straßenbahnnetzerweiterungs-

entscheidung in Frankfurt (Oder)

ein

- 25 - Kurzbericht

• Im Straßenbahnstammnetz werden aufgrund der demographischenEntwicklungen in den Stadtteilen, die aufgrund des Einwohnerpotenzi-als das „Rückrat“ der Straßenbahn bilden, Angebotsanpassungen er-folgen. Die Konzentration des Straßenbahn-Angebots auf die Haupt-achsen bei gleichzeitiger Flexibilisierung der Angebote im nachfrage-schwachen Bereich ist notwendig.

Mit den Entscheidungen der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt(Oder) vom 3. Februar 2005 zur Systemerhaltung bzw. Systemanpassungder Straßenbahn und zur Fortsetzung und Vertiefung der Planungsmaß-nahmen zur Verlängerung der Straßenbahn nach Slubice ist hier die strate-gische Weichenstellung erfolgt. Die Gutachten des Dresdener Büros VKTvom Herbst 2004 zur Optimierung des öffentlichen Verkehrs in Frankfurt(Oder) sowie zur Wirtschaftlichkeit einer Straßenbahnerweiterung nachSlubice bieten gute Voraussetzungen für eine Anpassung des vorhandenenÖV-Systems an die Veränderungen in der Siedlungsstruktur der StadtFrankfurt (Oder) unter Beibehaltung eines attraktiven ÖPNV-Angebots.

Aus dem Forschungsprojekt heraus konnten Empfehlungen aus den Ergeb-nissen des Verkehrsmodelles in die fachliche und politische Diskussion ein-fließen. Es wird empfohlen, Erkenntnisse aus dem vorliegenden For-schungsprojekt auch in die weitergehenden Planungen zu integrieren. Diesbetrifft insbesondere die Annahmen zur Siedlungsentwicklung und dieBerücksichtigung einer Bandbreite möglicher zukünftiger Entwicklungenüber die vorgestellten Szenarien. Angesichts der objektiv zu erwartendenVerschlechterungen der Rahmenbedingungen für den Straßenbahnbetrieb,ist das Risiko eines mittel- bis langfristig steigenden Kostendeckungsbei-trags jedoch nicht zu unterschätzen.

Prinzipiell könnte das Fahrgästepotenzial zwischen Görlitz und Zgorzeleceine Straßenbahnverbindung sinnvoll erscheinen lassen (dazu auch erwar-tete starke Verflechtung zwischen den Teilstädten). Auch vom Imageeffektund der Attraktivität des ÖV-Angebots wäre eine Straßenbahn prinzipielldie bessere Option. Der Stadt Görlitz wird kurzfristig eine systematischeBewertung der Systemfrage Straßenbahn mit ergänzender Betrachtung derErweiterungsfunktion empfohlen. Hierzu sollte auf das grundhafte Bewer-tungsmodell zum Systemwechselentscheid und die Erfahrungen in Frank-furt (Oder) zurückgegriffen werden.

ÖPNV-Finanzierung und -betrieb

Die europaweite Liberalisierung in der Verkehrsgesetzgebung wird auch zugrundlegenden Veränderungen in den Rahmenbedingungen der ÖPNV-Finanzierung führen. Das gegenwärtige System der ÖPNV-Finanzierung inDeutschland ist nur eingeschränkt transparent und effizient. Es bietet ge-ringe Anreize das Verkehrsangebot zu verbessern, neue Fahrgäste zu ge-winnen oder mit einem vorgegebenen Budget mehr Verkehrsleistung zuerbringen. Nicht die Leistung bestimmt die Höhe der Fördergelder, sondern

finanzielles Restrisiko der

Straßenbahnerweiterung

gegen potenzielle Impuls- und

Imagewirkungen abwägen

Görlitzer System- bzw.

Erweiterungsentscheidung steht

noch aus, ist aber zeitnah

notwendig

Chancen der EU-weiten

Liberalisierung der

Verkehrsgesetzgebung

- 26 - Kurzbericht

die Kosten einzelner Maßnahmen. Die Vielzahl von Förderinstrumenten istüberwiegend zweckgebunden und aufwandsorientiert und fließt zudem anden Kommunen vorbei direkt an die Verkehrsunternehmen. Damit habendie Kommunen nur beschränkte Einflussmöglichkeiten auf den ÖPNV.

Zukünftig müssen Leistungen (europaweit) ausgeschrieben werden. Ob-gleich die neueste europäische Rechtssprechung gewisse Einschränkungenbei Leistungen im Bereich der Daseinsvorsorge vorsieht, besteht weiter einstarker Druck hin zu einer Neuorientierung in der ÖPNV-Finanzierung. DieAnforderungen an die zukünftige ÖPNV-Finanzierung umfassen dabei:

• Wettbewerbsneutralität entsprechend der EU-Marktordnung

• flexible und bedarfsgerechte Anpassung an die lokalen Bedingungen

• Anreize für hohe Verkehrsleistungen, Kundenzufriedenheit und Kos-teneffizienz

• Trennung von politischen und unternehmerischen Aufgaben (d. h Ver-hältnis zwischen Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen)

• Transparenz des Mitteleinsatzes öffentlicher Gelder

• effiziente Verwendung der eingesetzten Budgets

• größere Handlungsspielräume für den Aufgabenträger, die einenWettbewerb um die besten Strategien des ÖPNV initiieren können.

Dabei wird die Zuständigkeit für Planung, Organisation und Finanzierungdes ÖPNV bei den Kommunen gebündelt. Die Budgets der Länder an dieAufgabenträger beinhalten leistungsbezogene Kriterien, die es ermögli-chen, besonders erfolgreiche Kommunen spezifisch zu fördern. Ein Beispielfür die Formulierung solcher leistungsbezogenen Kriterien bietet die neue,am 1. Januar 2005 in Kraft getretene ÖPNV-Finanzierungsverordnung(ÖPNVFV) des Landes Brandenburg.

Finanzierung

Für den unmittelbaren Prozess der Verwaltungskooperation in den Doppel-bzw. Grenzstädten als zusätzlicher Aufgabe fehlen den Städten z. T. diefinanziellen und personellen Mindestausstattungen, was das praktischeZusammenwachsen stark einschränkt. Hier wären für einen Übergangszeit-raum mit relativ begrenzten Finanzaufwendungen erhebliche Fortschritteerzielbar.

Mit der temporären projektbezogenen Begleitung des grenzübergreifendenZusammenwachsens im Rahmen verschiedenster Förderprojekte kann eineauf Dauer ausgerichtete Kooperation nicht etabliert werden. Zudem erfor-dern die Tätigkeiten fachlich und sprachlich qualifiziertes und mit den lo-kalen Themen und Akteuren vertrautes Personal.

ÖPNV-Finanzierungsverordnung

Land Brandenburg als Beispiel

„Zusatzaufgabe“ der

Grenzstädte nicht finanziert

Zusammenwachsen nur über

Projekte allein fördert nicht die

Kontinuität

- 27 - Kurzbericht

Zur Unterstützung und zum Aufbau des Kooperationsprozesses müssen dieGrenzstädte bzw. Regionen mit einem Mindestmaß an Finanzmitteln füreinen Übergangszeitraum (rund 5 Jahre) ausgestattet werden. DieseGrundfinanzierung darf aufgrund des ressortübergreifenden Charaktersder Zusammenarbeit auch nicht thematisch eingeschränkt werden. DieseAufgabe müsste aufgrund des ressortübergreifenden und „Zusatz“-Charakters im Rahmen des Länderfinanzausgleichs erfolgen.

Die Entwürfe des Europäischen Parlaments und Rats sehen für die Gestal-tung der Kohäsionspolitik für den künftigen Förderzeitraum 2007-2013wichtige Änderungen vor, die auch die grenzüberschreitende Zusammen-arbeit betreffen. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit soll über ge-meinsame Programme über das Ziel „Europäische territoriale Zusammenar-beit“ erfolgen. Auf der operativen Ebene werden künftig nationale Pro-gramme und regionale Programme bzw. operationelle Programme aufge-stellt, die keine konkreten Maßnahmen mehr benennen, sondern – zwecksanzustrebender Flexibilität – nur noch Schwerpunkte bzw. Prioritäten bein-halten. Darüber hinaus soll eine Verordnung zum Europäischen Verbundfür grenzüberschreitende Zusammenarbeit (EVGZ) erlassen werden. Mitdiesem einheitlichen europäischen Rechtsinstrument soll die grenzübergrei-fende Zusammenarbeit mit einer entsprechenden öffentlich-rechtlichenBasis sowohl für die strategisch-programmatische, als auch die projektori-entierte Zusammenarbeit ausgestattet werden.

Indem die konkrete Ausformulierung der Förderinhalte und Projekte imnächsten Förderzeitraum deutlicher auf die nationale/regionale Ebene ver-lagert wird, sind rechtzeitig Abstimmungen und Positionierungen hinsicht-lich der Ausrichtung der Förderung in den betroffenen Grenzräumen vor-zunehmen. Hinsichtlich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bedarfes konkreter Abstimmungsgespräche zwischen den hier „betroffenen“verschiedenen deutschen, polnischen und tschechischen Gebietskörper-schaften und Institutionen.

Aber auch auf lokaler Ebene sind frühzeitig konkrete Projektideen zu ent-werfen und in Form von gemeinsamen Strategien zu erstellen, um diese indie Diskussion über die Ausrichtung der grenzüberschreitenden und regio-nalen EU-Förderpolitik einfließen zu lassen und deren Umsetzung rechtzei-tig vorbereiten zu können. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt sind durch dieStädte Konzepte vorzubereiten, die als Grundlage für mögliche Förderpro-jekte dienen. In den Grenzräumen bedarf es hierzu konkreter Abstimmun-gen und der Vorbereitung ggf. gemeinsamer Entwicklungskonzepte.

Kooperation

Grenzübergreifende Stadt- und Verkehrsentwicklung in Grenzregionensind stark kooperations- und kommunikationsabhängige Handlungsfelder.Die allgemeine Entwicklung der grenzübergreifenden Kooperation spiegeltsich insofern unmittelbar wider.

Konnexitätsprinzip auch für die

Grenzregionen

Konkretisierung der grenzüber-

schreitenden Zusammenarbeit

über Reformen organisatorischer

Art vorgesehen

Konkrete grenzüberschreitende

Abstimmungsgespräche zur

Ausrichtung der künftigen EU-

Förderpolik

Neue Interventionsperiode muss

frühzeitig auch auf lokaler und

regionaler Ebene vorbereitet

werden

Wichtige Kooperationsfelder

Stadt- und Verkehrsentwicklung

- 28 - Kurzbericht

Zu konstatieren ist eine langjährige „erprobte“ Kommunikations- und Sit-zungskultur auf politischer Ebene, die jedoch auch überwiegend anlassori-entiert ist und zudem hohen Symbolcharakter hat. Auch auf Arbeitsebenegibt es zu einzelnen Themen bereits erfolgreiche Zusammenarbeitsansätze,so z. B. zum Thema Denkmalpflege. Es fehlt jedoch die Abdeckung allerrelevanten Themen und eine sachgerechte Vernetzung. Die fehlende struk-turierte Zusammenarbeit auf Arbeitsebene, die immer dringender wird,wird als das größte Defizit angesehen wird. Das sprachliche Problem istweiterhin gravierend und effektivitätsmindernd; weder in englisch, deutschnoch polnisch oder tschechisch ist eine sachgerechte Kommunikation mög-lich.

Daraus leiten sich folgende Empfehlungen zu drei zentralen Kooperations-bausteinen ab:

• kurzfristige Fortschreibung und Qualifizierung des grenzübergreifendenintegrierten Strukturkonzeptes

• stufenweiser Aufbau eines grenzübergreifenden Monitoringsystems;zunächst Entwicklugn eines Indikatorensets zur Stadt- und Verkehrs-entwicklung

• Einrichtung einer gemeinsamen Geschäftsstelle zur Bündelung allergrenzübergreifenden Kooperationsaktivitäten für zunächst 5 Jahre

Für den Aufbau einer strukturierten, auf Dauer orientierten grenzübergrei-fenden Kooperation ist der stufenweise Aufbau eines gemeinsamen Moni-torings von zentraler Bedeutung. Die Einrichtung eines grenzübergreifen-den Monitoringsystems erlaubt den Städten schneller und flexibler auf An-forderungen auf der lokalen oder überregionalen Ebene (z. B. Bundes- oderEU-Programme oder Finanzierungsmöglichkeiten) zu reagieren. Das Moni-toring stellt auch eine wichtige Grundlage für politische Entscheidungenbereit.

Wesentliche Datengrundlagen zur kleinräumigen Struktur von Bevölke-rung, Haushalt, zur Motorisierung, Erwerbstätigkeit und Ausbildung liegenin den deutschen Teilstädten i. d. R. bereits vor. Wichtig wäre hier nocheine Zusammenführung mit Daten zu Standorten von Einkaufsmöglichkei-ten, Schulen und Ausbildungsstätten, Arbeitsstätten und anderen verkehrs-verursachenden Standorten. Erste Schritte in diese Richtung stellen die Prü-fung der in Polen/Tschechien geltenden rechtlichen Grundlage, die Klärungder grundsätzlichen Möglichkeiten, administrativen Verantwortlichkeitenund nicht zuletzt der Kosten für diese Datensammlung dar.

Neben diesen Strukturdaten zu Bevölkerung und Wirtschaft sollten in ge-wissen Abständen auch Verkehrs- und Mobilitätserhebungen durchgeführtwerden. Diese sind für die Beobachtung der tatsächlichen Verkehrsbelas-tung einzelner Infrastrukturen, aber auch zur Identifikation von Verhaltens-veränderungen, die in der Planung berücksichtigt werden müssen, wichtig.

Kooperationserfolge in Projekten

und Einzelthemen

Defizite und Potenziale in der

Verbreiterung und Vernetzung

stufenweiser Aufbau eines

grenzübergreifenden

Monitorings

sukzessive Harmonisierung der

Datengrundlagen

Praktikable Verkehrs- und

Mobilitätserhebungen

- 29 - Kurzbericht

Darüber hinaus müssen nicht nur den Modellstädten, sondern auch denanderen Grenzregionen Hilfsmittel zum kontinuierlichen Datenaustauschder Stadt- und Verkehrsentwicklung an die Hand gegeben werden, welchedie Kooperation auf der - entscheidenden - „Arbeitsebene“ qualifizieren.

Das vorgeschlagene Geschäftsstellenmodell wird wie folgt skizziert:

• Aufbau einer gemeinsam getragenen grenzübergreifend tätigen Ge-schäftsstelle der betroffenen beiden Kommunen

• zentrale Koordinierungsstelle der Verwaltungen

• Öffentlichkeitsbüro für alle grenzübergreifenden Angelegenheiten

• Tätigkeitszeitraum ca. 5 Jahre mit dem Ziel der Vorbereitung der unmit-telbaren Verwaltungskooperation

• Besetzung mit je nach Stadtgröße ca. ein bis drei qualifizierten Mitar-beitern (Anforderung: interdisziplinäre Qualifikation, dreisprachig(deutsch / polnisch bzw. tschechisch / englisch) sowie Sekretariatskraft

• Disposition der vorhandenen Dolmetscherkapazitäten der Städte

• Ausstattung mit einem Mindestbudget für externe Kosten (z. B. zusätz-liche Dolmetscher, Sach- und Reisekosten etc.)

• unmittelbare Verwaltungsanbindung an die Stadtspitzen (Bürgermeis-ter oder Stabsstelle).

Zur Finanzierung sollte auch eine Mischfinanzierung aus den verschiedenenBund-/Länder- und insbesondere EU-Förderkulissen und Eigenanteilen ge-prüft werden.

Ausblick

Weitergehender Forschungsbedarf ist insbesondere in folgenden Themen-feldern festzustellen:

• Verkehrsmodellierung in Grenzräumen

Ein besonders problematischer und bisher kaum erforschter Bereich derModellierung grenzüberschreitender Verkehre betrifft die Abbildungder Bestimmungsgründe für Wege in das jeweils andere Land. Die hierverwendete Methode sollte beispielsweise über Befragungen oder an-dere empirischen Verfahren verfeinert werden.

• Gestaltung altersgerechter Verkehrssysteme

Dem Verkehrsverhalten, aber auch den spezifischen Bedürfnissen eineralternden Gesellschaft sollte besondere Aufmerksamkeit auch in denGrenzregionen geschenkt werden sollte. Speziell die öffentlichen Ver-kehrsmittel müssen in ihrer Angebotsgestaltung diesen Aspekt berück-sichtigen, um ihre Nutzer zu binden bzw. den Nutzerkreis zu vergrö-ßern.

Monitoring dient auch der

Kooperationsverbesserung auf

der entscheidenden Arbeits-

ebene

Gemeinsame Geschäftsstelle

auch zur Vorbereitung

dauerhafter grenzübergreifender

Verwaltungsstrukturen

Ergänzende empirische

Verfahren zur

Verkehrsmodellierung

Verkehrsverhalten und

Verkehrsansprüche einer

alternden Gesellschaft

- 30 - Kurzbericht

• Rechtanpassung der ÖPNV-Finanzierung in EU-Beitrittsländern

Mit dem räumlichen Schwerpunkt der östlichen deutschen Grenzregio-nen und denen der betroffenen Nachbarstaaten sind der Anpassungs-bedarf und die notwendigen Anpassungs- bzw. Harmonisierungsschrit-te zu untersuchen. Dabei sind unter Berücksichtigung nachlassenderFinanzierungskraft der öffentlichen Hand Entwicklungsszenarien zurÖPNV-Finanzierung und entsprechende Strategien zur Sicherung be-darfsgerechter ÖPNV-Strukturen zu ermitteln.

Die fachspezifische Verknüpfung und Vertiefung der in diesem und ande-ren Projekten entstandenen Netzwerke ist für den wissenschaftlichen undpraktischen Erfahrungsaustausch unabdingbar. Zu vielfältigen Einzelaspek-ten tauchen im praktischen Vollzug weitere Probleme vor Ort auf, die je-weils möglichst zeitnah geeigneten Lösungen zugeführt werden sollten.

Insgesamt würde eine noch stärkere ressortübergreifende Abstimmung zurgrenzübergreifenden Stadt- und Verkehrsentwicklung auf Bundes- undLandesebene gemeinsam mit der polnischen und tschechischen Seite zueiner weiteren Effektivierung der Kooperation in den Grenzregionen bei-tragen.

Für die Bürger und auch die Wirtschaft in den Grenzregionen sind darüberhinaus konkrete Umsetzungsprojekte von nicht zu unterschätzender Be-deutung, wie die Eröffnung der Altstadtbrücke in Görlitz/Zgorzelec zeigt.Insbesondere im ÖPNV-Bereich besteht hier hoher Handlungsdruck, umImpuls- und Signalwirkungen zu initiieren.

Anpassungs- bzw.

Harmonisierungsschritte

koordiniert durchführen

Verstetigung der Netzwerkarbeit

reale Verkehrsprojekte für den

notwendigen Impulseffekt

dringend