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Rizomania – die Wurzel- bärtigkeit der Zuckerrübe Das „süße“ Wurzelwerk der Zucker- rübe hat es nicht nur den Menschen angetan. Auch ein Virus namens Ri- zomania findet so viel Geschmack daran, dass es nicht mehr von ihm ab- lässt. Und wo immer es auftaucht, hin- terlässt es seine Spuren: Die Rüben bleiben klein und die Rübe ist – bart- ähnlich – mit vielen kurzen Wurzeln besetzt. Man spricht von der Wurzel- bärtigkeit. Je nach Virusbefall können dadurch regional bis zu 50 Prozent der möglichen Zuckerausbeute verlo- ren gehen. Das Virus ist auf 20–25 Pro- zent der deutschen Rübenanbau- fläche (ca. 500 000 Hektar) anzu- treffen. Die einzige Rettung sind bisher spe- ziell gezüchtete Sorten, denen das Virus zwar weniger anhaben kann, die aber bisher weniger Zucker erbringen als die anfälligeren Sorten mit besse- ren Ertragseigenschaften. Da die Landwirte aber gerade auf er- tragreiche Sorten angewiesen sind, Grüne Gentechnik im Pflanzenschutz haben die Züchter – zunächst im La- bor – die Gentechnik zu Hilfe genom- men. Es gelang ihnen, einer Rüben- sorte die Widerstandsfähigkeit ge- genüber dem Rizomania-Virus ein- zupflanzen. Im April 1993 konnten die so ausgerüsteten Rüben beweisen, dass sie auch unter Freilandbedin- gungen langfristig gesund bleiben und hohe Zuckererträge erbringen. Diese Widerstandsfähigkeit (Resis- tenz) erhielt die neue Rübensorte durch ein Gen, das eine Erbinforma- tion für die Produktion der Eiweißhül- len dieser Viren enthält. Es wurde in die Pflanzenzelle eingebracht und dort in die langen Fäden mit der Erb- substanz (Chromosomen) eingebun- den. Alle Rübenzellen produzieren nun diese Hüllen und täuschen bei ei- nem Angriff der Viren vor, dass die Pflanzen bereits befallen sind. Mit die- ser „Tarnung“ bleiben die Zucker- rüben von einer Virusinfektion ver- schont (s. S. 4). Bestimmte Eigenschaften gezielt übertragen Normalerweise muss der Züchter zahl- reiche Pflanzengenerationen abwar- ten, bis sich Kreuzungen als Erfolge oder auch Misserfolge herausstellen. Diese Prozesse dauern mindestens zehn Jahre. Eine langwierige Prozedur, die der Züchter mit der Gentechnik ver- einfachen und abkürzen kann. Zum Beispiel gibt es Getreidesorten, die ei- nen hohen Ertrag bringen, aber gegen- über bestimmten Pilzkrankheiten sehr anfällig sind. Will man dieses Manko beseitigen, muss man bei der Kreu- zung in Kauf nehmen, dass neben den gewünschten Eigenschaften auch we- niger günstige eingekreuzt werden. Um diese wieder los zu werden, sind Rück- kreuzungen notwendig. Schneller und gezielter kommt der Züchter ans Ziel, wenn er statt vieler Gene nur das eine Gen, beispielswei- se mit der Pilzresistenz-Information, Arbeitsblatt 12 Überlege: Was hast du bisher über „Gentechnik“ gehört? Was denkst du über den Einsatz von Gentechnik in der Landwirt- schaft? Chromosomen werden „kartiert“ Alle höheren Organismen bestehen aus Zellen. Seit vielen Jahrzehnten weiß man, dass sich in ihren Zell- kernen Chromosomen befinden, die in allen Körperzellen gleich sind. Die Chromosomen sind Knäuel langer Fäden von Desoxyribonukleinsäure (DNA), der Substanz, die die Erb- informationen speichert. Mit mole- kularbiologischen Methoden ist es heute möglich, eine exakte „Kartie- rung“ der Chromosomen vorzu- nehmen. So erfährt man, wo auf dem DNA-Molekül eines Chromosoms welche Gene angeordnet sind. * Molekularbiologie = Chemie der Lebens- vorgänge und ihre Mechanismen, z.B. in der Zelle 1 Rizomania resistente Zuckerrübensor- te zwischen zwei anfälligen Sorten Die Grundbausteine der Erb- substanz in einem Chromosom sind Basen: Adenin Guanin Thymin Cytosin Nahrungsmittel kcal mg Erbgut (DNA) 300 g Tomaten 60 75 500 g Kartoffeln 450 125 200 g Fleisch 460 100 0,5 l Bier 200 0,1 Gesamt 1.170 300 Aufnahme von pflanzlichem Erbgut (DNA) mit der täg- lichen Nahrung 300 mg DNA = ca. 7 x 10 10 Genome, die Gesamtheit der Gene

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Rizomania – die Wurzel-bärtigkeit der Zuckerrübe

Das „süße“ Wurzelwerk der Zucker-rübe hat es nicht nur den Menschenangetan. Auch ein Virus namens Ri-zomania findet so viel Geschmackdaran, dass es nicht mehr von ihm ab-lässt. Und wo immer es auftaucht, hin-terlässt es seine Spuren: Die Rübenbleiben klein und die Rübe ist – bart-ähnlich – mit vielen kurzen Wurzelnbesetzt. Man spricht von der Wurzel-bärtigkeit. Je nach Virusbefall könnendadurch regional bis zu 50 Prozentder möglichen Zuckerausbeute verlo-ren gehen. Das Virus ist auf 20–25 Pro-zent der deutschen Rübenanbau-fläche (ca. 500 000 Hektar) anzu-treffen.Die einzige Rettung sind bisher spe-ziell gezüchtete Sorten, denen dasVirus zwar weniger anhaben kann, dieaber bisher weniger Zucker erbringenals die anfälligeren Sorten mit besse-ren Ertragseigenschaften.Da die Landwirte aber gerade auf er-tragreiche Sorten angewiesen sind,

Grüne Gentechnik im Pflanzenschutz

haben die Züchter – zunächst im La-bor – die Gentechnik zu Hilfe genom-men. Es gelang ihnen, einer Rüben-sorte die Widerstandsfähigkeit ge-genüber dem Rizomania-Virus ein-zupflanzen. Im April 1993 konnten dieso ausgerüsteten Rüben beweisen,dass sie auch unter Freilandbedin-gungen langfristig gesund bleibenund hohe Zuckererträge erbringen.Diese Widerstandsfähigkeit (Resis-tenz) erhielt die neue Rübensortedurch ein Gen, das eine Erbinforma-tion für die Produktion der Eiweißhül-len dieser Viren enthält. Es wurde indie Pflanzenzelle eingebracht unddort in die langen Fäden mit der Erb-substanz (Chromosomen) eingebun-den. Alle Rübenzellen produzierennun diese Hüllen und täuschen bei ei-nem Angriff der Viren vor, dass diePflanzen bereits befallen sind. Mit die-ser „Tarnung“ bleiben die Zucker-rüben von einer Virusinfektion ver-schont (s. S. 4).

Bestimmte Eigenschaften gezielt übertragen

Normalerweise muss der Züchter zahl-reiche Pflanzengenerationen abwar-ten, bis sich Kreuzungen als Erfolgeoder auch Misserfolge herausstellen.Diese Prozesse dauern mindestenszehn Jahre. Eine langwierige Prozedur,die der Züchter mit der Gentechnik ver-einfachen und abkürzen kann. ZumBeispiel gibt es Getreidesorten, die ei-nen hohen Ertrag bringen, aber gegen-über bestimmten Pilzkrankheiten sehranfällig sind. Will man dieses Mankobeseitigen, muss man bei der Kreu-zung in Kauf nehmen, dass neben dengewünschten Eigenschaften auch we-niger günstige eingekreuzt werden. Umdiese wieder los zu werden, sind Rück-kreuzungen notwendig.Schneller und gezielter kommt derZüchter ans Ziel, wenn er statt vielerGene nur das eine Gen, beispielswei-se mit der Pilzresistenz-Information,

Arbeitsblatt 12

Überlege:

➡ Was hast du bisher über „Gentechnik“ gehört?

➡ Was denkst du über den Einsatzvon Gentechnik in der Landwirt-schaft?

Chromosomen werden „kartiert“

Alle höheren Organismen bestehenaus Zellen. Seit vielen Jahrzehntenweiß man, dass sich in ihren Zell-kernen Chromosomen befinden, diein allen Körperzellen gleich sind. DieChromosomen sind Knäuel langerFäden von Desoxyribonukleinsäure(DNA), der Substanz, die die Erb-informationen speichert. Mit mole-kularbiologischen Methoden ist esheute möglich, eine exakte „Kartie-rung“ der Chromosomen vorzu-nehmen. So erfährt man, wo auf demDNA-Molekül eines Chromosomswelche Gene angeordnet sind.* Molekularbiologie = Chemie der Lebens-

vorgänge und ihre Mechanismen, z.B. inder Zelle

1

Rizomania resistente Zuckerrübensor-te zwischen zwei anfälligen Sorten

Die Grundbausteine der Erb-substanz in einem Chromosom sind Basen:

AdeninGuanin

ThyminCytosin

Nahrungsmittel kcal mg Erbgut(DNA)

300 g Tomaten 60 75

500 g Kartoffeln 450 125

200 g Fleisch 460 100

0,5 l Bier 200 0,1

Gesamt 1.170 300

Aufnahme von pflanzlichemErbgut (DNA) mit der täg-lichen Nahrung

300 mg DNA = ca. 7 x 1010 Genome,die Gesamtheit der Gene

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in eine bestimmte Sorte mit anderenguten Eigenschaften einbauen kann. Ein weiterer Unterschied zur klassi-schen Züchtung ist, dass mit der Gen-technik Erbanlagen auch über Art-grenzen hinweg übertragen werdenkönnen. Das ist möglich, weil derGrundaufbau der Erbinformation beiallen Organismen gleich ist. Der Bau-plan eines jeden Lebewesens ist inden Genen enthalten.Die Gesamtheit der Gene eines Or-ganismus bezeichnet man als Ge-nom. Das Genom eines Menschen

gezielt Eigenschaftenbeeinflussen und da-durch für die Landwirt-schaft neue Pflanzen-sorten entwickeln, diehöhere Erträge ermög-lichen, die resistent ge-genüber Krankheitenund Schädlingen sindoder die ganz neueQualitätseigenschaf-ten bei Nahrungspflan-zen und nachwach-senden Rohstoffenaufweisen.All das hört sich neuar-tig an, lässt an künst-liche Kulturpflanzendenken. Aber schonseit über 8000 Jahrenbeeinflusst der Menschdie Evolution der Kul-turpflanzen. So wurdezum Beispiel von denMayas innerhalb weni-ger Jahrzehnte eineMaispflanze gezüch-tet, die mit der natür-lich vorkommenden Art

nichts mehr gemein hatte. Bisweilenkann man nicht einmal mehr die Ver-wandtschaft zwischen Nahrungs-pflanzen erkennen, die aus derselbenWildpflanze hervor gegangen sind, soder Rosenkohl und Kohlrabi, Blu-menkohl, Brokkoli und Grünkohl, diealle von einer einzigen Wildpflanze,dem Wildkohl abstammen. Auchohne Gentechnik glückte sogar eine

Kreuzung von Getreidearten überGattungsgrenzen hinweg, und zwarvon Weizen und Roggen. Das Ergeb-nis: Triticale, ein Mischwort aus Triti-cum (Weizen) und Secale (Roggen).Die Kreuzung gelang allerdings nichtauf dem Feld, sondern mit einer be-sonderen Methode im Labor.

Beantworte!

➡ Wie viele Gene hat das mensch-liche Genom?

➡ Wie viele Gene hat das Genomeiner Kulturpflanze etwa?

➡ Welche Aufgaben übernehmendie Gene im Organismus?

➡ „Gentechnische Pflanzen sindnicht künstlich!“ Erläutere die-sen Satz!

Erkläre

➡ was man unter „Kreuzung“versteht!

➡ warum Pflanzenveränderungendurch Kreuzungen so langwierigsind!

➡ was ein Gen ist!

enthält etwa 140 000 Gene, die Kul-turpflanzen kommen mit etwa 30000Genen aus, Bakterien enthalten etwa2000 Gene. Die Gene steuern die Bil-dung von Enzymen, die als Biokata-lysatoren der Zelle an den vielfältigenAbläufen in einem Organismus betei-ligt sind. Mit der Gentechnik kann man

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Durch klassische Züchtung erzielte Kohlarten

Wie werden Gene übertragen?

– Bodenbacterium transportiert GeneSchon seit Millionen Jahren trans-portiert ein Bodenbacterium, dasAgrobacterium tumefaciens, Gene indie Pflanzen. Es dringt über Verlet-zungen ein, schleust auf diese WeiseTeile seines Genmaterials ein undverankert so sein Erbgut in den Pflan-zen. Sichtbare Folgen sind die so ge-nannten Wurzelhalsgallen. Bei die-sem natürlichen Vorgang des Gen-transfers gelangt die genetische In-formation für die Gallenbildung unddie Synthese von Nährstoffen mit derBacterien-DNA in die Pflanzenzellen.

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Dieser natürliche Gentransfer wirdnun gentechnisch genutzt: Gene, dieman in eine Pflanze übertragen möch-te, setzt man als „Trittbrettfahrer“ indas Bacterium ein, während die fürdie Gallenbildung verantwortlichenGene in dem Agrobacterium rausge-schnitten werden. So bilden die ausden transformierten Zellen hervorge-henden Pflanzen keine Gallen, ver-fügen dafür aber über ein neues, in ihrGenom eingebautes Gen. Mit dieserMethode werden vor allem Gene aufzweikeimblättrige Pflanzen wie Raps,Kartoffeln, Zuckerrüben und viele Ge-müsearten übertragen.

– Mit der „Genkanone“ in die ZelleBei einkeimblättrigen Pflanzen, wieGräser und Getreidearten, funktio-niert die beschriebene Methode meis-tens nicht. Hier benutzt man eine sogenannte „Genkanone“. Das ist eineAnlage, mit der man DNA in Zellenschießen kann. Die DNA wird dazu anGold- oder Wolframpartikel gebun-den und dann als winzige Kügelchenauf das Gewebe direkt in die Pflan-zenzelle geschossen. Der Mais konn-te erst mit dieser Methode gentech-nisch erfolgreich verändert werden.

– Gentransfer mit StromstößenEin anderer Weg des direkten Gen-transfers ist das Einschleusen von DNAin zellwandfreie Zellen, in Protoplasten.Solche Zellen werden z.B. aus Blätterngewonnen. Die Zellwände baut man mit Hilfe von Enzymen ab. DieseProtoplasten werden gemeinsam miteiner DNA-Lösung in ein Glasgefäß ge-geben und in einem Elektroporatoreinem kurzen Stromstoß ausgesetzt.Dabei werden viele DNA-Moleküle indie Protoplasten befördert. Die Proto-plasten behalten ihre Fähigkeit zur Zell-teilung und Regeneration, so dass ausihnen wieder intakte gentechnisch ver-änderte Pflanzen heranwachsen.

den Nährwert wichtiger Grundnah-rungsmittel wie Mais, Sojabohne undRaps erhöht. Ein bis zu vierfach höhe-rer Gehalt an Lysin, einer essenziellenAminosäure, ist insbesondere für dieEiweißversorgung in den Entwick-lungsländern von großer Bedeutung.Die gentechnisch gewonnene „FlavrSavr“-Tomate kann an der Pflanzeausreifen, so dass sie wertvollere Ge-schmacks- und Inhaltsstoffe (z. B.Vitamine) ausbilden kann. Dank einesveränderten Zellwandabbaus mit Hil-fe eines zusätzlichen Enzyms bleibensie auf dem oftmals langen Trans-portweg ebenso fest wie die grüngepflückten Früchte.

Was will man mit der GrünenGentechnik erreichen?

Die Ziele, die man mit der Gentechnikerreichen will, sind dieselben, die manmit den herkömmlichen Methodender Züchtung anstrebt.

– Bessere NahrungsqualitätDabei geht es um eine Verbesserungdes Nährwerts, wie beispielsweisemehr Provitamin A im Reis oder einefür die menschliche Ernährung ge-eignetere Zusammensetzung des ausSojabohnen gewonnenen Öls. Es isthitzebeständiger und besitzt einenhöheren Gehalt an Aminosäuren, der

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Fasse zusammen:

➡ Mit welchen Verfahren bringtder Molekularbiologe die Genein die Pflanzenzellen?

Flavr Savr® – die „Antimatsch“-Tomate

PG-Gen

mRNA

Poly-Galacturonase

PG-Gen

mRNA-Doppel

AntisensePG-Gen Duplikat

nicht übersetzbarin Protein

reife Tomate – keine PG

Das Enzym Poly-Galacturonase (PG)zerstört in der reifenden Tomate dieformstabilisierenden Zellwände. DieTomate wird matschig. Durch die „Anti-sense“-Technik wird weniger Enzymgebildet. Die Tomate bleibt länger fest.

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Es können aber auch unerwünschteEigenschaften von Nahrungsmittelnentfernt werden. So ist es gelungen,mit der Gentechnik z.B. Allergene imReis zu inaktivieren, die bei vielenMenschen allergische Reaktionenauslösen. Ein ernstes Problem inJapan, wo Reis zu den Grundnah-rungsmitteln gehört.Wenn man eines Tages aus dem Reisauch bestimmte Eiweiße entfernenkann, die die Eisenaufnahme im Darmblockieren, wäre damit vielen Men-schen geholfen.

– Toleranzen und ResistenzenErste Erfolge mit dem Anbau gen-technisch veränderter Nutzpflanzengibt es bei der Toleranz gegenüberUnkrautbekämpfungsmitteln (Herbi-zide) und bei der Resistenz gegenüberViren, Bakterien, Insekten und Pilzen.Noch nicht geschafft hat man es bis heute, die Pflanzen z.B. gegen-über dem durch Dürre und höhereSalzkonzentrationen hervorgerufe-nen Stress tolerant zu machen. Manhofft, eines Tages aus solchen Grün-den unbrauchbare Böden in Kultur zu nehmen und Wasserreserven zuschonen.

H e r b i z i d t o l e r a n zSeit 1980 gibt es Herbizide, die ent-schieden umweltverträglichere Wirk-stoffe enthalten als frühere. Sie blei-ben nur kurz in der Umwelt, werdenschnell abgebaut, greifen aber auchdie Nutzpflanzen an. Deshalb wurdenNutzpflanzen gezüchtet, die dieseHerbizide tolerieren. Das erreicht manmit Genen eines Bodenbacteriums,das die Pflanze veranlasst, Proteinezu bilden, die das Herbizid abfangenund sofort zu einem für die Nutz-pflanzen ungefährlichen Produkt um-wandeln. Solche Toleranzen konntenbereits in mehreren Kulturpflanzen,z.B. Mais, Sojabohne, Raps undZuckerrübe übertragen werden. DerLandwirt braucht in diesen Fällen ge-gen Unkräuter erst dann vorzugehen,wenn sie sich schädlich bemerkbarmachen.

V i r e nlassen sich im Pflanzenbau nicht mitPflanzenschutzmitteln bekämpfen.Sie richten sich zumeist gegen Insek-ten, die diese Viren übertragen. Aus dem Erbmaterial eines Virus ge-lang es, jenes Gen zu isolieren und in

Gefahr für den Monarchfalter?

Amerikanische Wissenschaftler ha-ben im Labor gezielt Raupen desFalters mit Pollen gefüttert, die dasEiweiß des Bacillus thuringiensis(Bt) enthielten. Die so gefüttertenLarven wuchsen langsamer. So-fern sie das Puppenstadium er-reichten, waren sie im Durch-schnitt kleiner. Unklar ist aller-dings, ob die Raupen in der Naturebenfalls so viele transgene Pol-len aufnehmen und wie viele Fal-ter daran zugrunde gehen.

Gentransfer von Kultur- aufWildpflanzen?

Kreuzungen von Kulturpflanzenund nah verwandten Wildpflanzensind seit langem bekannt. Könnendeshalb ungewollt Wildpflanzen zuSuper-Unkräutern werden? Solche Pflanzen kommen außer-halb des Ackers nicht mit dem Her-bizid in Berührung. Deshalb ergibtsich für diese Kräuter kein Selek-tionsvorteil. Wenn solche Pflanzenauf dem Acker als Unkräuter auf-treten, wird der Landwirt nichts an-deres tun als schon immer in die-sen Fällen. Er bekämpft das Un-kraut problemlos mit einem Pflan-zenschutzmittel, gegen das es nichtresistent ist, oder mechanisch. Von vornherein ausgeschlossen isthierzulande ein Gentransfer bei Kul-turpflanzen, die hier keine ver-wandten Wildpflanzen haben, z. B.Mais, Tomaten und Kartoffeln.

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die Pflanze einzubauen, das die In-formation zur Herstellung des Virus-Hülleiweißes trägt. Die Präsenz desviralen Hülleiweißes macht die Pflan-ze widerstandsfähig gegen die Virus-krankheit (vergleichbar einem Impf-schutz beim Menschen).

I n s e k t e n r e s i s t e n zwird erfolgreich durch den Einbau eines Gens aus dem BodenbacteriumBacillus thuringiensis (Bt) in bestimmtePflanzenarten erreicht, die z.B. vomKartoffelkäfer oder dem Reisstängel-bohrer geschädigt werden.

setzt man auf Stoffe, die als natürlicheAbwehrreaktion auf eine Infektion inder Pflanze gebildet werden. Pilz-krankheiten vernichten zum Beispieljährlich 20 bis 40 Millionen TonnenReis. Mit pilzresistenten Sorten könn-te zusätzlich Nahrung für 100 bis 200Millionen Menschen gesichert werden.Bacillus thuringiensis wird seit etwa

40 Jahren in der Landwirtschaft, ein-schließlich des Biologischen Land-baus, als Pflanzenschutzmittel einge-setzt. Das von der gentechnisch ver-änderten Pflanze gebildete Eiweißwirkt ausschließlich gegen die Larvenbestimmter Falterarten. Diese Larvenbesitzen auf der Oberfläche ihres Ver-dauungstrakts spezielle Bindungs-stellen für dieses Eiweiß. Dort gebun-den, zerstört es Darmzellen, die für die Nährstoffaufnahme wichtig sindund führt so zum Tod der Insekten. Da-durch werden Ertragsverluste durchden Maiszünsler verhindert, der welt-weit in einer der drei wichtigstenGetreidearten 7 Prozent der Maiserntevernichtet. Das sind 40 Millionen Ton-nen pro Jahr.Für andere Lebewesen ist das Bt-Ei-weiß harmlos und wird wie die übrigenEiweiße in der Nahrung im Magen undDarm abgebaut.

P i l z r e s i s t e n z e nbefinden sich noch weitgehend im Sta-dium der Grundlagenforschung. Hier

Ein Befall mit dem Maiszünsler führtzu abgeknickten Maisrispen.

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Voraussetzungen für die Zulassung eines gentechnischveränderten Produkts

Ein gentechnisch verändertes Pro-dukt wird nur zugelassen, wenn esumfangreiche Sicherheitsprüfungenbestanden hat. Das Gentechnikge-setz regelt die Forschung, Entwick-lung, Freisetzung und den Handel mitgentechnisch veränderten Produk-ten. Es ist ein dichtes Regelwerk, dasden Verbraucher vorbeugend vor allenauch nur theore-tisch denkbarenRisiken schützt. Esschreibt deshalbgenau vor, wie eingentechnisch ver-ändertes Produktgeprüft werdenmuss, bevor es inden Verkauf und,im Falle von Nutz-pflanzen, auf dasFeld darf. DieGenehmigungsbe-hörde, das Robert-Koch-Institut inBerlin, prüft alleAnträge. Die Bun-desländer wachenüber die Einhaltungaller gesetzlichenAuflagen.

Gesundheitliche Folgen?

Bis heute sind alle Fremdgene, die ingentechnischen Experimenten ver-wendet werden, der Natur entnom-men. Das Ausbrechen eines Gensschafft kein neues Risiko, weil dasentsprechende Gen auch aus der ent-sprechenden Pflanze ausbrechenkönnte.Wer ein Lebensmittel isst, das bei-spielsweise statt amerikanischer süd-afrikanische Soja enthält, hat damitetwa hundert andere Gene aufge-nommen und damit hundert Eiweiß-stoffe, die vorher nicht in seinen Le-bensmitteln enthalten waren.

– AllergienJedes natürliche Eiweiß in unsererNahrung kann bei dazu veranlagtenMenschen Allergien auslösen. Alszum Beispiel vor vielen Jahren die ers-ten Kiwi-Früchte aus Neuseelandnach Deutschland kamen, traten dieersten Kiwi-Allergien auf. Selbst hei-mische Lebensmittel wie Erdbeeren,Milch und sogar Getreide können beimanchen Menschen Allergien aus-lösen. Jedes Lebensmittel trägt alsodas Potenzial in sich, bei manchenMenschen Allergien auszulösen.Mit der Gentechnik ist es möglich,Allergieauslöser in den Pflanzen zubeseitigen.Wie gut die Sicherheitsstandards beigentechnisch veränderten Pflanzengreifen, hat ein Fall gezeigt, bei demes gelungen war, ein Gen der Para-nuss in die Sojabohne einzubauen.Damit hätte der Mangel an einer be-sonders für Vegetarier wichtigen Ami-nosäure (Methionin) ausgeglichen

werden können. Als sich bei denSicherheitsprüfungen zeigte, dass mitdiesem Gen ein Allergieauslöser derNuss in die Sojabohne übernommenwurde, stoppte man sofort alle weite-ren Forschungen im Zusammenhangmit diesem Projekt.

– Umstrittene MarkergeneUm die Zellen zu finden, die ein neu-es Gen aufgenommen haben, nutztman ein zweites Gen, das mit derHaupteigenschaft kombiniert über-tragen wird. Dieses Markergen be-wirkt eine Resistenz gegenüber einemAntibiotikum. Die Pflanzenzellen wer-den auf einem Nährsubstrat herange-zogen, das mit dem Antibiotikum ver-setzt ist. So können nur diejenigenZellen überleben, die das neue Genmit der Antibiotika-Resistenz aufge-nommen haben. In den Zellen der gentechnisch ver-änderten Pflanzen ist das Antibiotika-Resistenzgen zwar noch vorhanden,

aber inaktiv. Das heißt, es besitzt kei-ne Funktion mehr. Die Pflanze kannes nicht erkennen und daher auchnicht „anschalten“. Weder die Pflan-ze selbst noch die Produkte, die beider Verarbeitung gewonnen werden,können deshalb eine Antibiotika-Re-sistenz auslösen. Eine Vielzahl wis-senschaftlicher Untersuchungen hatergeben, dass Bakterien im Darm desMenschen diese Resistenzgene nichtaufnehmen und ihr eigenes Genomeinbauen. Inzwischen gibt es in der Forschungund Entwicklung Alternativen zu die-sen Markergenen.

Erläutere

➡ die wesentlichen Ziele, die manmit der gentechnischen Verän-derung von Nahrungspflanzenverfolgt!

➡ Welche Veränderungen müssenan den Pflanzen vorgenommenwerden, um diese Ziele zu errei-chen?

➡ Welche Chancen eröffnen sichden Menschen durch dieseMaßnahmen?

➡ Erstelle eine Übersichtstabelle,in der du Ziele, Verfahren undihre Auswirkungen berücksich-tigst! Zur Diskussion gestellt:

➡ Die Sorge über Auswirkungenauf den Menschen durch dieAufnahme gentechnisch verän-derter Nahrungsmittel hört manimmer wieder. Wie beurteilst dudiese Sorge?

Flächen mit gentechnischveränderten Pflanzen nehmenrasch zu

Gegenwärtig sind weltweit 48 gen-technisch veränderte Pflanzen zu-gelassen, davon 35 in den USA. In der EU dürfen derzeit erst wenigetransgene Pflanzen landwirtschaftlichnutzbar angebaut werden. Nur der Im-port von gentechnisch verändertenSojabohnen, Mais und Raps fürVerarbeitungszwecke ist erlaubt.

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Zwischen 1998 und 1999 nahm dieAnbaufläche für gentechnisch verän-derte Pflanzen weltweit um 44 Pro-zent zu, und zwar von 29,1 MillionenHektar auf 39,9 Millionen Hektar(USA: 28,7 Millionen Hektar).

Gentechnik kann zwar den Welthun-ger nicht beseitigen, aber einen wich-tigen Beitrag dazu leisten. Fachleuteschätzen den Anteil der Biotechnolo-gie an der weltweiten Nahrungsmit-telproduktion auf 20 Prozent, in Afri-ka auf 5 bis 7 Prozent. Trotzdem istdie Biotechnologie für die Bekämp-fung des Hungers unverzichtbar. Fürdas Jahr 2010 wird damit gerechnet,dass weltweit auf 100 Millionen Hek-tar gentechnisch veränderte Pflanzenheranwachsen.

Biotechnologie für Entwick-lungsländer?

In den Entwicklungsländern lebt diearme Bevölkerung nur oder überwie-gend von einem einzigen Nahrungs-mittel. In Asien ist es der Reis. Als Fol-ge dieser einseitigen Ernährung lei-den über 200 Millionen Menschen un-ter einem Mangel an Vitamin A. Dasführt bei vielen Kindern dazu, dass sieerblinden, weil ihnen in einer ent-scheidenden Wachstumsphase dasVitamin A für die Entwicklung des Au-genlichts fehlt. Die herkömmlicheZüchtung hat es nicht geschafft, denReis mit der Fähigkeit auszustatten,dieses Vitamin zu bilden. Erst mit derGentechnik kann eine Reissorte ge-züchtet werden, die das Provitaminbildet und im Korn einlagert.Gentechnik ermöglicht den Entwick-lungsländern aber auch eine eigene

schnellere Agrarentwicklung und dieZüchtung von Sorten, die auf ihre spe-ziellen Standorte ausgerichtet sind.

D ü r r e t o l e r a n zBeispielsweise können Pflanzen, diemit weniger Wasser die gleichen Er-träge hervorbringen, die Versorgungüberall dort entscheidend verbes-sern, wo das Wasser die Nahrungs-produktion begrenzt. Immerhin müs-sen weltweit etwa 16 Prozent der Ge-treideflächen bewässert werden. Dabei kann man sich die Fähigkeitmancher Wüstenpflanzen zu Nutzemachen, Dürreperioden zu überste-hen. Diese Dürretoleranz ist genetischfestgelegt und kann mit Hilfe der Gen-technik auch auf andere Kulturpflan-zen übertragen werden, selbst wennsie anderen Pflanzenfamilien ange-hören.

S a l z t o l e r a n zDie wenigsten Kulturpflanzen könnenauf salzhaltigen Böden wachsen. Da-gegen vertragen bestimmte Arten vonWildpflanzen sogar ganz erheblicheSalzkonzentrationen. Auch dieseSalztoleranz ist genetisch vorgege-ben. Mit Hilfe der Gentechnik lassensich Pflanzen züchten, mit denen fürden Ackerbau bisher untauglicheBöden in Kultur genommen werdenkönnen.

S c h ä d l i c h e P f l a n z e n e i g e n s c h a f t e na u s m e r z e nZum Beispiel: die Cassava. Sie ist einebedeutende Nahrungspflanze in Afri-ka, enthält aber im RohzustandBlausäure, die erst durch langes Ko-chen zersetzt werden muss. Gelingt

Vorbeugung gegen Resistenzen

Die US-amerikanische Umwelt-schutzbehörde (EPA) will derResistenzentwicklung des Mais-zünslers gegenüber dem Bt-Maisvorbeugen. Deshalb mussten dieFarmer in der Saison 2000 mindes-tens 20 Prozent ihrer gesamtenMaisanbaufläche mit konventio-nellen Sorten bestellen. In Baum-woll-Anbaugebieten beträgt derMindestanteil sogar 50 Prozent.Beim ersten Anzeichen von Re-sistenzen müssen es die Farmersofort an die Behörden melden, die ein Frühwarnsystem erstellt haben.

Herausgeber: Industrieverband Agrar e.V.,Frankfurt (2000).Bildnachweis. S. 1 unten Agroconcept,oben F & H; S. 2 oben Nothdurft, untenBML, 1998; S. 3 oben Fonds der Chemi-schen Industrie, 1996, unten BML, 1998;S. 4 Novartis; S. 5 Nothdurft; S. 6 Noth-durft.

Beantworte:

➡ Wie bewertest du die Zahl von48 zugelassenen gentechnischveränderten Pflanzen?

➡ Sollte man deiner Meinungnach den Anbau transgenerPflanzen ausweiten?

➡ Inwiefern könnten die Entwick-lungsländer von der Gentechnikprofitieren?

es, der Pflanze die Fähigkeit anzu-züchten, ein Enzym zu bilden, das dieBlausäure zersetzt, würde die Verar-beitung einfacher und sicherer.Ertrag, Qualität und Resistenz vonNutzpflanzen sind also nicht nur wirt-schaftlich wichtige Ziele für die Pflan-zenzüchter, sondern genauso wichtigfür Landwirte und Verbraucher in allerWelt.

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