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SYNTAX X-BAR STRUKTUREN S. HACKMACK| UNI HB | LINGUISTIK 1 X–bar Phrasenstrukturen 1 Teil 1: Motivation. Die interne Struktur von Phrasen. Zunächst betrachten wir die folgende vereinfachte Phrasenstrukturgrammatik: S NP VP NP (Det) (AP) N (PP) VP V (NP) (PP) (PP) AP (Adv) A P P NP Mit Ausnahme der ersten Regel haben diese Regeln, obwohl sie inhaltlich variieren, die gleiche Form, wie das Regelschema für Phrasenstrukturen zeigt: XP ... X ... X ist Platzhalter für eine der lexikalischen Hauptkategorien (N, V, P, A); die Punkte sind Platzhalter für mögliche Ergänzungen. Abbildung 0 gibt die Regel in Form eines Baumes wieder. Darin gibt es nur zwei Ebenen: die Ebene des lexikalischen Kopfes X (und seiner potentiellen Ergänzungen) und die phrasale Ebene XP. Die Tatsache, dass (außer der Regel für den Satz) alle oa. Regeln diesem Schema entsprechen, resultiert aus der Art und Weise, wie wir die Konstituentenklassen NP, VP, PP usw. in der LV etabliert haben: Wir verwenden einerseits Distributionskriterien zur Klassenbildung – Beispiel: die Syntagmen Der Student, Der faule Student, Der faule Student mit langen Haaren usw. stehen in paradigmatischer Relation zu einander, insofern sie dieselbe Distribution aufweisen. Sie bilden mithin eine Teilmenge der Ausdrücke, die der Konstituentenklassen NP angehören. Andererseits nehmen wir Bezug auf die Binnenstruktur der Syntagmen und das Konzept »Kopf«: eine regierende Kategorie X bildet – zusammen mit ihren Abhängigen, falls vorhanden – eine Kategorie XP. Die Tatsache, dass eine Konstituentenklasse XP stets um einen lexikalischen Kopf X herum gruppiert ist, oder, anders ausgedrückt, dass wir in unserer Grammatik keine Regeln finden wie z.B. XP A B (C), ist genau das Resultat der letztgenannten Vorgehensweise. Die folgenden Beispiele gehen von einer Grammatik wie der oa. Mini-Grammatik aus. Die Frage ist: können die in den Beispielen vorgestellten Sachlagen damit adäquat beschrieben werden? 1. The old lady listens to the radio in the morning. (VP) 2. She was a student of linguistics at Bremen. (NP) Wir konzentrieren uns zunächst auf die Verbalphrase. Mit entsprechendem Lexikon kann sie wie folgt aus der oa. Phrasenstrukturgrammatik abgeleitet werden: VP V PP PP P NP P NP Det N Det N listens to the radio in the morning Abbildung 1 1 Dieser Text ist auf die Schnelle aus diversen Vorgängertexten zusammengeschustert und nicht stringent durchargumentiert und -strukturiert. Die verwendete Argumentation orientiert sich in weiten Teilen an Radford, Andrew: Transformational Grammar. A first course. Cambridge Textbooks in Linguistics, CUP: 1988 und bezieht sich exklusiv auf das Englische, für das dieser Ansatz gut geeignet ist. XP ... X ... Abbildung 0

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SYNTAX X-BAR STRUKTUREN

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X–bar Phrasenstrukturen1

Teil 1: Motivation. Die interne Struktur von Phrasen.

Zunächst betrachten wir die folgende vereinfachte Phrasenstrukturgrammatik:

S NP VP

NP (Det) (AP) N (PP)

VP V (NP) (PP) (PP)

AP (Adv) A

P P NP

Mit Ausnahme der ersten Regel haben diese Regeln, obwohl sie inhaltlich variieren, die gleiche Form, wie

das Regelschema für Phrasenstrukturen zeigt: XP ... X ...

X ist Platzhalter für eine der lexikalischen Hauptkategorien (N, V, P, A); die Punkte sind

Platzhalter für mögliche Ergänzungen. Abbildung 0 gibt die Regel in Form eines Baumes

wieder. Darin gibt es nur zwei Ebenen: die Ebene des lexikalischen Kopfes X (und seiner

potentiellen Ergänzungen) und die phrasale Ebene XP.

Die Tatsache, dass (außer der Regel für den Satz) alle oa. Regeln diesem Schema entsprechen, resultiert

aus der Art und Weise, wie wir die Konstituentenklassen NP, VP, PP usw. in der LV etabliert haben:

Wir verwenden einerseits Distributionskriterien zur Klassenbildung – Beispiel: die Syntagmen Der Student,

Der faule Student, Der faule Student mit langen Haaren usw. stehen in paradigmatischer Relation zu

einander, insofern sie dieselbe Distribution aufweisen. Sie bilden mithin eine Teilmenge der Ausdrücke, die

der Konstituentenklassen NP angehören.

Andererseits nehmen wir Bezug auf die Binnenstruktur der Syntagmen und das Konzept »Kopf«: eine

regierende Kategorie X bildet – zusammen mit ihren Abhängigen, falls vorhanden – eine Kategorie XP. Die

Tatsache, dass eine Konstituentenklasse XP stets um einen lexikalischen Kopf X herum gruppiert ist, oder,

anders ausgedrückt, dass wir in unserer Grammatik keine Regeln finden wie z.B. XP A B (C), ist genau das

Resultat der letztgenannten Vorgehensweise.

Die folgenden Beispiele gehen von einer Grammatik wie der oa. Mini-Grammatik aus. Die Frage ist: können

die in den Beispielen vorgestellten Sachlagen damit adäquat beschrieben werden?

1. The old lady listens to the radio in the morning. (VP)

2. She was a student of linguistics at Bremen. (NP)

Wir konzentrieren uns zunächst auf die Verbalphrase. Mit entsprechendem Lexikon kann sie wie folgt aus

der oa. Phrasenstrukturgrammatik abgeleitet werden:

VP

V PP PP

P NP P NP

Det N Det N

listens to the radio in the morning

Abbildung 1

1 Dieser Text ist auf die Schnelle aus diversen Vorgängertexten zusammengeschustert und nicht stringent durchargumentiert und -strukturiert. Die verwendete Argumentation orientiert sich in weiten Teilen an Radford, Andrew: Transformational Grammar. A first course. Cambridge Textbooks in Linguistics, CUP: 1988 und bezieht sich exklusiv auf das Englische, für das dieser Ansatz gut geeignet ist.

XP

... X ...

Abbildung 0

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Als individuelle Regel für diese VP haben wir VP V PP PP, d.h. dass die VP Die VP unmittelbar drei Töchter

dominiert: das V listens und dessen PP-Ergänzungen to the radio und in the morning. Das Verb und seine

Ergänzungen stehen nebeneinander auf einer Strukturebene, vom Kopf V ausgehend gelangt man ohne

Zwischenstufen auf die phrasale Ebene VP.

Diese Art der Darstellung trägt allerdings bestimmten Eigenschaften der VP nicht Rechnung. Mithilfe einiger

Methoden zur Satzanalyse kann nämlich gezeigt werden, dass die VP eine interne Struktur aufweist, die

komplexer ist, als in Abbildung 1 dargestellt.

PRONOMINALISIERUNG (DO–SO) (Die Teilketten, die pronominalisiert werden können, sind Konstituenten)

The old lady listens to the radio in the morning and her husband does so in the afternoon. Bei diesem

Test wurde nur ein Teil der VP durch do so pronominalisiert: [listen(s) to the radio].

SPERRSÄTZE (PSEUDO–CLEFT) (Die Teilketten, die als Objekt der Kopula im Sperrsatz wiedergegeben werden, sind Konstituenten)

What the old lady did in the morning was listen to the radio.

Auch dieser Test belegt, dass es sich bei [listen to the radio] um eine eigenständige Konstituente

handelt, sozusagen eine verbale Konstituente innerhalb der VP.

Es lohnt sich, an dieser Stelle darauf aufmerksam zu machen, dass die VP sowohl bei der do–so

Pronominalisierung als auch bei Sperrsätzen nicht tempusmarkiert wird, da die Tempusmarkierung

durch das Hilfsverb (do bzw. be) wiedergegeben wird. Auf diese Tatsache wird an späterer Stelle wieder

eingegangen.

KOORDINATION (Die Teilketten, die durch eine Konjunktion miteinander koordiniert werden können, sind Konstituenten, und zwar Konstituenten gleichen

Typs)

The old lady [listens to the radio] and reads the newspaper in the morning.

Wiederum wird nicht die gesamte VP mit der VP reads the newspaper durch and verknüpft, sondern

nur das Verb und die erste der beiden PP: listens to the radio.

Wenn wir davon ausgehen, dass nur gleichartige Elemente durch »und« verknüpft werden können, belegt

der Koordinationstestes noch etwas anderes Interessantes; nämlich dass die beiden PP zwar kategorial

gleich sind, dennoch nicht zum selben Typ gehören (koordinierte Phrasen sind jeweils unterstrichen):

The old lady listens to the radio in the morning and in the afternoon

The old lady listens to the radio and to some music

aber nicht

*The old lady listens to the radio and in the morning

Bei der Nominalphrase zeigt sich, bei genauerer Prüfung, ein ähnliches Bild. Nach der PS-Grammatik auf

Seite 1 sähe die diesem Baum zugeordnete Struktur so aus:

NP

Det N PP PP

P NP P NP

a student of linguistics at Bremen

Abbildung 2

Die Regel für diese NP ist: NP D N PP1 PP2

Hier dominiert die NP unmittelbar vier Töchter: den Determinator (a), den lexikalischen Kopf N (student)

und die beiden Präpositionalphrasen of linguistics und at Bremen. Analog zur VP kann jedoch auch für die

NP gezeigt werden, dass die Beziehung zwischen dem lexikalischem Kopf N (student) und seinen

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Ergänzungen komplexer ist, als die Ableitung in Abb 0 suggeriert. Auch für diese NP gilt, dass die

Reihenfolge der beiden PPs nicht beliebig ist:

3. * a student at Bremen of linguistics

Der Koordinationstest untermauert die Hypothese, dass die beiden PPs nicht zum gleichen Typ gehören

(unterstrichene Konstituente sind koordiniert):

KOORDINATION (Die Teilketten, die durch eine Konjunktion miteinander koordiniert werden können, sind Konstituenten, und zwar Konstituenten gleichen

Typs)

She was a student at Bremen and at Hamburg. She was a student of linguistics and of sports.

aber nicht *She was a student of linguistics and at Bremen.

Durch Pronominalisierung kann weiterhin gezeigt werden, dass, analog zur VP, der Kopf zusammen mit der

ersten PP eine eigene Konstituente bildet, in diesem Fall eine nominale Konstituente innerhalb der NP:

PRONOMINALISIERUNG (DO–SO) (Die Teilketten, die pronominalisiert werden können, sind Konstituenten)

John was in love with a student of linguistics at Bremen and Bill with one at Hamburg. In dieser

Konstruktion ist die durch one pronominalisierte Konstituente a student of linguistics.

Wir halten fest: sowohl in der VP als auch der NP tritt der Kopf mit jeweils 2 PP-Ergänzungen auf. Diese

Ergänzungen unterscheiden sich aber in ihrem syntaktischen Verhalten, sie sind zwar gleichkategorial, aber

doch unterschiedlich. Um diese unterschiedlichen Arten von Ergänzung voneinander zu unterscheiden,

werden im nächsten Abschnitt zwei Bezeichnungen eingeführt: Komplement (to the radio) und Adjunkt (in

the morning).

Komplemente und Adjunkte

Als ein Ursprung für die Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Typen von Ergänzung werden die

Arbeiten von Lucien Tesnière zitiert, der gemeinhin als Begründer der Dependenzgrammatik gilt. Am Titel

des 1959 postum veröffentlichten Buches Eléments de syntaxe structurale (dessen Manuskript allerdings

bereits in den 30er Jahren entstanden war), wird Tesnières strukturalistische Ausrichtung deutlich, in

welcher die sog. Konnexionen, die zwischen den einzelnen Elementen eines Satzes bestehen, eine zentrale

Rolle spielen. Auf Tesnière gehen die Begriffe Actant und Circonstant zurück, deren deutsche

Entsprechungen Aktant und Angabe lauten. Im eigentlichen Sinne finden sich für diese beiden die

folgenden Definitionen:

AKTANT: verbabhängiges Element, das auf irgendeine Art am Geschehen teilhat

ANGABE: verbabhängiges Element, das die Umstände des Geschehens angibt.

Unter Angaben sind dabei, wie durch deren Definition recht deutlich zum Ausdruck gebracht wird, im

weitesten Sinne adverbiale Bestimmungen des Verbs zu verstehen, Aktanten dagegen bezeichnen

typischerweise die vom Verb (welches Tesnière als Satznexus und somit Regens des gesamten Satzes

ansieht) abhängigen (substantivischen) Subjekt und Objekt(e).2 Die von Tesnière vorgebrachten

semantischen Identifikationskriterien für die Aktanten verweisen bereits auf die später im Rahmen der

Kasusgrammatik verwendeten semantischen Relationen:

In semantischer Hinsicht ist der erste Aktant der, welcher eine Tätigkeit ausführt [Entsprechung

mit AGENT]

2 Auf die grammatischen Funktionen werden wir in eigenen Sitzungen näher eingehen, hier verwenden wir Begriffe wie »Subjekt« und »Objekt« eher vorwissenschaftlich.

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Der zweite Aktant ist in semantischer Hinsicht der, welchem eine Tätigkeit/Handlung widerfährt

[Entsprechung mit PATIENT]

Semantisch gesehen ist es der dritte Aktant, zu zu dessen Nutzen oder Schaden etwas geschieht

[Entsprechung mit RECIPIENT bzw. BENEFICIARY] [TESNIÈRE 1980:100/1, eckige Klammern von mir]

Komplemente und Adjunkte weisen gemeinsame Eigenschaften mit Tesnières Aktanten und Angaben auf,

es besteht allerdings keine völlige Übereinstimmung. Ein wichtiges Unterscheidungskriterium besteht darin,

dass die Komplement/Adjunkt–Differenzierung nicht allein für Verben und deren Abhängige gilt, sondern

auf andere lexikalische Kategorien wie z.B. Substantive übertragen wird.

Zum Einstieg zunächst die folgenden Beispiele zu Verben:

4. a) John died in London.

b) John lived in London.3

Die beiden Beispielsätze haben die gleiche Struktur. Das einzige, in dem sie sich unterscheiden, ist das Verb:

died in Satz a) und lived in Satz b). Es ist aber nur bei Satz a) möglich, die Ergänzung in London zu tilgen,

ohne dass der Satz ungrammatisch wird:

5. a) John died.

aber nicht

b)* John lived.

Dieses ist ein Indiz dafür, dass es sich bei in London in Satz (-1) a) um eine andere Art der Ergänzung handelt

als in Satz (-1) b). In Satz (-1) a) hat die PP einen fakultativen Status, d.h. dass sich an der Grammatikalität

des Satzes nichts ändert, wenn die PP fehlt. In Satz (-1) b) dagegen muss die PP vorkommen, sie ist

obligatorisch, sonst ist der Satz ungrammatisch. In Satz (-1) a) ist die PP eine freie Angabe, während sie in

Satz (-1) b) eine notwendige Ergänzung ist. In diesem Fall würde man sagen, dass die PP in Satz (-1) a) ein

Adjunkt ist, die PP in Satz (-1) b) hingegen ein Komplement. Eine Möglichkeit also, um Komplemente von

Adjunkten zu unterscheiden, besteht darin, zu überprüfen, ob die Ergänzung obligatorisch ist oder nicht:

Die Elemente, die obligatorisch sind, sind Komplemente. Diese Aussage besagt allerdings nicht, dass all die

Elemente, die fakultativ sind, Adjunkte wären, wie die nächsten Beispiele mit einem Nomen zeigen:

6. a) (Mary is) a teacher of physics.

b) (Mary is) a teacher with little experience.

Die nicht–geklammerten NPs der Sätze (6) a) und b) haben jeweils die gleiche Struktur, nämlich

[D – N – PP]; wie der folgende Satz zeigt, können diesmal allerdings in beiden Fällen die

Präpositionalphrasen getilgt werden, ohne dass die Sätze ungrammatisch würden, d.h. dass die PPs jeweils

fakultativen Status haben: Mary is a teacher. Dennoch handelt es sich bei der PP in Satz (6) a) um ein

Komplement, bei der PP in Satz (6) b) um ein Adjunkt. Anhand der folgenden Paraphrase soll diese Aussage

geprüft werden:

7. a) Mary teaches physics.

aber nicht

b) ?Mary teaches little experience.

Bei der Umwandlung des Nomens teacher in das (ihm zugrundeliegende) Verb teach wird der

unterschiedliche Status der Präpositionalphrasen deutlich: bei teach handelt es sich um ein Verb, das eine

Relation herstellt zwischen einer Person (Mary), einem Gegenstand der gelehrt wird (physics), und einer

weiteren Person, der dieser Gegenstand gelehrt wird (die im Beispielsatz allerdings nicht auftaucht). Es

handelt sich dabei also um Vorgangsbeteiligte des durch das Verb ausgedrückten Prozesses.

3lived in der Bedeutung 'wohnen'.

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Eine Möglichkeit, solche Relationen darzustellen, ist es, die in der Prädikatenlogik üblichen Prädikat–

Argument Strukturen zu benutzen. Ein gegebener Ausdruck wird in ein Prädikat und dessen Argument(e)

zerlegt in der Form P(a), wobei P für Prädikat und a für Argument steht.

»Prädikation« kann ähnlich wie »Funktion« verstanden werden und bedeutet, dass eine Entität (z.B. durch

die Zuweisung bestimmter Attribute) näher spezifiziert wird, oder dass eine Beziehung zwischen zwei oder

mehreren Entitäten hergestellt wird. Das Lexem ill als Prädikat weist beispielsweise einer bestimmten

Entität, die durch das Argument ausgedrückt ist, die Eigenschaft zu, krank zu sein. Der Satz John is ill könnte

prädikatenlogisch wie folgt dargestellt werden: ILL(JOHN).

Prototypische Vertreter der Lexeme, die als Prädikate fungieren, sind Verben und Adjektive. Aber auch

Substantive können als Prädikat verstanden werden, wie das Nomen teacher gezeigt hat.

In diesem Zusammenhang kann der Begriff Valenz eingeführt werden, der aus der Chemie entlehnt ist und

sich auf die Zahl der Argumente, die ein Wort als Prädikat bindet, bezieht. Für die Verben die, kick und give

sind die Valenzangaben in der folgenden Tabelle zusammengefaßt:

Prädikat Argument(e) Wertigkeit/Valenz Beispiel

die x 1 John died

kick x,y 2 John kicked the ball

give x,y,z 3 John gave the book to Mary

Die Argumente können im Tesnièrschen Sinne als Handlungs– oder Vorgangsbeteiligte verstanden werden.

Wie im Beispiel mit teach deutlich wurde, kann es Ergänzungen geben, die als Komplement eines Prädikats

gelten, die aber dennoch nicht im Satz ausgedrückt sein müssen. Bei dem Verb devour müssen müssen

beide Argumente im Satz ausgedrückt sein, sonst würde der Satz ungrammatisch:

8. John devoured the pizza.

*John devoured.

Bei eat dagegen kann eines der beiden Argumente durchaus wegfallen:

9. John ate the pizza.

John ate.

Dieses Beispiel sollen erneut verdeutlichen, dass das Kriterium fakultativ/obligatorisch nicht hinreichend ist,

um Ergänzungen vom Typ Komplement von Ergänzungen vom Typ Adjunkt zu unterscheiden. Dieses wird

insbesondere in den Fällen deutlich, in denen es nicht um Verben, sondern beispielsweise um Substantive

geht. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die Ergänzungen eines Kopfes Argumentstatus haben oder

nicht.

Mit diesen Einsichten kommen wir auf die beiden NPs aus (-4) zurück:

Teach ist ein Verb, welches prädikatenlogisch etwa als TEACH(PERSON1,GEGENSTAND,PERSON2) Dargestellt würde,

in dem Beispiel also TEACH(MARY, PHYSICS,X). An dieser Schreibweise wird der relationale Charakter des

Verbes deutlich: er setzt die beiden Argumente in der Klammer auf eine bestimmmte Art in Beziehung und

stellt zwischen ihnen die Relation teach her. Dieser relationale Charakter von teach verliert sich auch nicht

dadurch, dass es nominalisiert wird, schließlich enthält auch das Nomen teacher implizit die Information,

dass ein bestimmter Gegenstand gelehrt wird. Durch die PP of physics wird genau dieser Gegenstand

wiedergegeben, sie ist Teil der Relation, die von dem Nomen teacher ausgedrückt wird und hat somit

Komplementstatus. Anders dagegen verhält es sich mit der PP in Satz (-4) b): die PP little experience ist

nicht Teil einer durch teacher ausgedrückten Relation sondern eine rein zusätzliche Angabe und hat

deshalb Adjunktstatus.

Somit kann auch der unterschiedliche Status der PPs in den Sätzen (-6) a) und b) erklärt werden: das Verb live

ist ein zweistelliges Prädikat; es stellt eine Relation her zwischen einer Person und einem Ort: LIVE(JOHN,

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LONDON), wobei die PP in London den Ort wiedergibt und somit Argument des Prädikates live ist. Das Verb die

dagegen ist einstellig, DIE(JOHN), die PP in London ist nicht das Argument dieses Prädikats, was bedeutet, dass

sie eine zusätzliche Angabe und somit ein Adjunkt ist.

In vielen Fällen ist der relationale Charakter eines Nomens oder Verbs aber nicht so offensichtlich wie in

den Beispielen (-6) und (-4). Es gibt diverse Nomen, die nicht so direkt aus Verben abgeleitet sind wie

teacher, die dennoch zwischen Ausdrücken Beziehungen herstellen. Ein Beispiel dafür ist das Nomen king.

Bei diesem Nomen ist keine Paraphrase wie in Beispiel (-3) möglich:

10. He was the king of England.

* He kinged England.

Dennoch enthält king implizit die Information, dass es ein König eines bestimmten Landes ist, und kann

somit als relationales Nomen gelten. Die PP of England drückt einen Teil der Relation aus, sie ist

Komplement zu king.

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass die Ergänzungen eines Kopfes, die in Bezug auf den Kopf

als Prädikat Argumentstatus haben, Komplemente sind. Nun haben wir also zwei Kriterien für die

Bestimmung von Ergänzungen:

o Die Ergänzungen, die obligatorisch sind, sind Komplemente (das heisst nicht, dass die

Ergänzungen, die fakultativ sind, automatisch Adjuntstatus haben!).

o Die Ergänzungen, die logisch Argument(e) eines Prädikats sind, sind syntaktisch Komplement(e)

Eingangs ist ausgesagt worden, dass die Unterscheidung Komplement/Adjunkt für alle Phrasen, also NP, VP,

PP und AP Gültigkeit hat. Für NPs und VPs sind diverse Beispiele aufgeführt worden, im nächsten Beispiel

folgt eine PP:

11. under the tree

Hier ist die Sachlage eindeutig: schon das erste Kriterium zur Bestimmung von Ergänzungen reicht, um die

NP the tree als Komplement zu identifizieren, vgl. :

Oscar slept under the tree vs. *Oscar slept under

Die NP ist obligatorisch und somit Komplement. Dies ist der Normalfall bei Präpositionalphrasen, nicht so

einfach dagegen ist die Frage, was denn wohl Adjunkt innerhalb der PP sein könnte, oder ob es überhaupt

Adjunkte innerhalb der PP gibt.

Das folgende Beipiel zeigt eine AP:

12. quite fond of Mary

Auch hier ist die Ergänzung, also die PP of Mary, obligatorisch und somit Komplement (vgl. *John is quite

fond). Ein weiteres Indiz für diese Annahme ist die Tatsache, dass die Wahl der Präposition eingeschränkt

ist:

13. John is quite fond

{

of*under*about

*for⋮ }

pizza.

Diese Beispiele zeigen, dass die PP, die auf fond folgt, als Kopf nur die Präposition of haben kann. Anders

ausgedrückt: Das Adjektiv fond fordert, dass der Kopf der nachfolgenden PP of ist. Dieser Umstand kann für

unser Beispiel informell wie folgt wiedergegeben werden:

fond: [+A , +__ PP[of]]

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Gleiches gilt auch für die VP aus Beispiel (1): listen legt der nachfolgenden PP die Beschränkung auf, dass als

Kopf nur die Präposition to in Frage kommt:4

listen: [+V, + __ PP[to]]

Als Faustregel kann somit gelten, dass eine Ergänzung, deren Auswahl vom Kopf stark beschränkt ist,

wahrscheinlich Komplementstatus hat.

Anhand des folgenden Beispieles soll nun ein weiterer Gesichtspunkt bei der Unterscheidung zwischen

Komplementen und Adjunkten herausgearbeitet werden:

14. the professor of English with glasses

Diese NP enthält zwei Präpositionalphrasen: of English und with glasses. Da professor, analog zu teacher,

ein relationales Nomen ist, und da die PP of English Teil dieser Relation ist, während die PP with glasses

außerhalb dieser Relation steht, kann die PP of English als Komplement und die PP with glasses als Adjunkt

identifiziert werden. Die beiden PPs können nun also wie folgt charakterisiert werden:

o die PP of English ist KOMPLEMENT zum Nomen professor;

o die PP with glasses ist ADJUNKT zu Nomen und PP1, professor of English.

Ein wichtiger Aspekt dieser Charakterisierung ist, dass das Adjunkt nicht Ergänzung zum Nomen professor,

sondern zum Nomen plus Komplement, also professor of English, ist. Der lexikalische Kopf plus dessen

Komplement(e) bilden eine Einheit, und auf diese Einheit bezieht sich das Adjunkt. Etwas informell könnte

diese Konstruktion etwa so dargestellt werden: [[Kopf + Komplement] Adjunkt].

Durch Pronomoninalisierung kann eine solche Einheit auch bestätigt werden:

15. I prefer the professor of English with glasses to the one with the beard

(one bezieht sich auf professor of English)

aber nicht

*I prefer the professor of English with glasses to the one of Linguistics

(one bezöge sich auf professor with glasses)

Auch das Vertauschen von Argument und Adjunkt resultiert in der Ungrammatikalität der Phrase:

16. * the professor with glasses of English

Dieses ist ein weiteres Indiz dafür, dass im Englischen der lexikalische Kopf und dessen Komplement(e) eine

geschlossene Einheit bilden, in die kein weiterer Ausdruck eingefügt werden darf: das Komplement muss

enger am Kopf stehen, als das Adjunkt. Diese Aussage hat im übrigen Gültigkeit für alle englischen Phrasen.

Hier kann man gut sehen, wie durch die Einführung der Begriffe »Komplement« und »Adjunkt« und der

Regel »Komplemente stehen in der englischen Sprache enger am Kopf als Adjunkte« eine ganze Reihe

sprachlicher Abweichungen erklärt werden können. Auf dieser Basis kann nämlich die Ungrammatikalität

der folgenden Sätze auf ein einziges Prinzip zurückgeführt werden:

*The king who drank a lot of England died, *The boy kissed in the garden the girl, *The student with long

hair of physics smokes, *Phil met in the pub John usw.

Um nun auf die ursprüngliche Beispiele in (1) und (2) zurückzukommen, sehen wir, dass die beiden PP-

Ergänzungen des Verbs bzw. des Nomens genau in dieses Muster passen: in listens to the radio in the

morning hat die PP to the radio Komplement-, die PP in the morning Adjunktstatus. In student of linguistics

at Bremen hat die PP of linguistics Komplement-, die PP at Bremen Adjunktstatus. Diese Unterscheidung

hat aber keinerlei Reflex in der Struktur, wie Abbildung 1) und Abbildung 2) zeigen.

4Es gibt für das Verb listen auch noch die Möglichkeit, die darauffolgende PP mit for zu bilden: He listened for the slightest sound. Listen for... unterscheidet sich allerdings semantisch von listen to..., insofern als listen to etwa mit zuhören, listen for dagegen mit horchen übersetzt werden könnte.

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Spezifikatoren

In der NP A Student of linguistics at Bremen gibt es noch eine weitere Ergänzung: den Determinator, hier

der unbestimmte Artikel a. Es ist ganz klar, dass es sich dabei weder um ein Adjunkt noch ein Komplement

handelt. Was ist die Funktion dieses Determinators? Semantisch betrachtet dient er dazu, die Referenz

eines nominalen Ausdruckes zu benennen. Angenommen, wir haben eine Menge von students of linguistics

at Bremen, so würde der bestimmte Artikel the ein ganz spezifisches Element dieser Menge herauspicken,

beispielsweise eines, welches in der konkreten Sprechsituation schon einmal aufgetreten ist. Der

unbestimmte Artikel hingegen (so er nicht generisch verwendet wird) hat hier individualisierende Funktion:

er sagt auch aus, dass es sich um ein Element der oa. Menge handelt, spezifiziert dieses aber im Gegensatz

zum bestimmten Artikel nicht. Wir verwenden für diese Art der Ergänzung die Bezeichung SPEZIFIKATOR.

In der Literatur findet das folgende Beispiel als Untermauerung dafür, dass das Nomen und die beiden PP

auch ohne den Determinator eine eigene Konstituente bilden:

17. Student of linguistics at Bremen though she was, she nevertheless has no idea of phrase–structure.

Diese Konstruktion läßt sich auch auf die Subjekts-NP im ersten Beispielsatz anwenden:

18. Old lady though she is, she still listens to the radio in the morning.

Bei dieser Art Konstruktion würde der Gebrauch des Determinators den Satz ungrammatisch machen:

19. * The old lady though she is, she still listens to the radio in the morning.

* The student of linguistics at Bremen though she was, she nevertheless has no idea of phrase-

structure.

Diese Tests zeigen, dass alle drei Ergänzungen innerhalb der NP, also Det und die beiden PP, einen

unterschiedlichen Status haben. PP1 ist Komplement; PP2 ist Adjunkt, der Determinator ist Spezifikator,

dazu noch eine nähere Erläuterung im nächsten Abschnitt.

Das Fazit dieser Überlegungen ist, dass die interne Struktur von lexikalischen Phrasen wie NP und VP

vielschichtiger ist, als bisher angenommen, dass mithin der Kopf und die ihn ergänzenden Phrasen nicht

gleichrangig eine Strukturebene bilden, sondern sich in Abhängigkeit davon, welchen Typs fragliche

Ergänzung ist, intern noch weitere Konstituenten bilden lassen. Diesem Fazit wird die

Phrasenstrukturgrammatik auf der ersten Seite nicht gerecht und müsste um folgende Kriterien erweitert

werden:

o innerhalb einer Phrase müssen mehr als nur zwei Ebenen zugelassen sein,

o es muss dabei die Möglichkeit bestehen, unterschiedliche Ergänzungstypen erkennbar zu machen.

Teil 2. Das X-bar Schema für NP, VP & Co.

In den nachfolgenden Abschnitten soll nun das X–bar Schema vorgestellt werden, mit welchem es möglich

ist, die unterschiedlichen Ergänzungstypen eines Kopfes über die Struktur zu kennzeichnen. Es gelten dabei

die folgenden Prämissen:

1. Alle Phrasen können mit dem gleichen Strukturprinzip dargestellt werden.

2. Jede Phrase verfügt über drei Strukturebenen: die lexikalische Ebene X, eine »Zwischenebene« X'

und die phrasale Ebene XP.

3. Es gibt drei verschiedene Typen von Ergänzung: Spezifikator, Adjunkt und Komplement. Diese

Typen sind in der Struktur kodiert.

SYNTAX X-BAR STRUKTUREN

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Das X- Bar Modell mit Komplement und Spezifikator

Abb. 4 zeigt das X-Bar Modell zunächst in seiner Grundform, d.h. nur mit den Ergänzungen Spezifikator und

Komplement:5

XP

<Spezifikator> X'

X <Komplement>

Abbildung 3: X-bar Schema mit Spezifikator und Komplement

Auch hier steht X für eine der lexikalischen Hauptkategorien: N, V, A und P. X ist der lexikalischen Kopf der

Phrase und bildet zusammen mit der Ergänzung vom Typ Komplement die Strukturebene X'. Diese bildet

zusammen mit der Ergänzung vom Typ Spezifikator die Strukturebene XP, also die Ebene der maximalen

Komplexität.

Die Unterschiede zum traditionellen Schema sind offenkundig: Der X-bar Baum verfügt statt über zwei

Strukturebenen (X und XP) über drei Strukturebenen: X, X' und XP. Dadurch werden, sozusagen

strukturimmanent, die Ergänzungen Spezifikator und Komplement unterschieden: ein Komplement ist

Schwester von X und Tochter von X', ein Spezifikator ist Schwester von X' und Tochter von XP. Zu den

prototypischen Vertretern der Spezifikatoren gehören die Determinatoren in der Nominalphrase, die dort

primär mit der Aufgabe betreut sind, die potentielle Referenz der NP zu beschränken. Auch Gradaverbien in

der AP werden zu den Spezifikatoren gezählt. Wir können nun diese Grundform des X-bar Modells in

Regeln6 fassen:

XP (<Spez(X)>) X'

X' X (<Komplement>)

Dieses Vorgehen erfüllt die Anforderungen, die im vorangehenden Abschnitt an eine

Phrasenstrukturgrammatik gestellt wurden:

o Innerhalb einer Phrase sind mehrere Strukturebenen vorhanden,

o Unterschiedliche Typen von Ergänzung werden (strukturimmanent) gekennzeichnet.

Auf der Strukturebene XP ist die »höchste« Stufe erreicht; sie kann durch keine weiteren Ausdrücke ergänzt

werden. Durch die Klammerung des Spezifikators und des Komplements wird deutlich, dass diese

Positionen nicht zwingend notwendig ausgefüllt sein müssen; so gibt es schließlich Phrasen, die keinen

Spezifikator oder kein Komplement haben und dennoch maximal komplex sind, wie z.B. Eigennamen als NP

oder intransitive Verben als VP:

20. John slept.

Die NP John kann nicht durch einen Spezifikator ergänzt werden: *The John slept; die VP slept hat kein

Komplement: *John slept the dog.

Die folgenden Beispiele illustrieren diese Ausführungen anhand verschiedener Phrasentypen:

5Die spitzen Klammern zeigen an, dass Spezifikator und Komplement Funktionsbezeichnungen sind. In der konkreten Anwendung stünden in diesen Positionen Konstituenten wie z.B. Det oder PP. 6Die lineare Anordnung der Ergänzungen, also Spezifikator vor dem Kopf und Komplement nach dem Kopf, ist nicht bindend und kann von Phrase zu Phrase variieren.

SYNTAX X-BAR STRUKTUREN

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21. the queen of England

NP

Det N'

The N PP

queen of England

Der lexikalische Kopf N (queen) verbindet sich mit der Komplements-PP of England zu einer N' Konstituente,

die zusammen mit dem Spezifikator die NP bildet. N' (queen of England) ist eine eigenständige

Konstituente innerhalb der NP, hat aber nicht maximale Komplexität, da sie noch durch den Spezifikator

ergänzt wird. NP ist die Ebene der Ableitung, auf der die Phrase ihre maximale Komplexität hat.

22. kissed Mary

VP

V'

V NP

kissed Mary

Die VP kissed Mary enthält neben dem Kopf kissed die Ergänzung NP (Mary). Diese NP fungiert als

Komplement zu kissed, also verbindet sich der Kopf mit der Komplements-NP zu einem V'. Da kein

Spezifikator vorhanden ist, gelangt man direkt auf die Ebene VP.

23. gave a book to John

VP

V'

V NP PP

gave a book to John

Diese VP enthält neben dem Kopf gave zwei Ergänzungen: eine NP the book und eine PP to John. Das Verb give

ist relational, es unterscheidet sich von einem Verb wie kissed allerdings dadurch, dass es nicht transitiv, sondern

bitransitiv ist. Somit haben beide Ergänzungen Komplementstatus, was daran erkennbar ist, dass beide

Schwestern des Kopfes V sind.

24. in the garden

Die PP in the garden hat als Ergänzung zum Kopf in die Komplements–NP the garden.

25. upset about his results

Diese AP enthält neben dem Kopf upset die Komplements–PP about his results.

26. so upset about his results

Hier kommt eine weitere Ergänzung hinzu: das Adverb so, welchem die Funktion des Spezifikators

zukommt.

Diese drei Phrasen haben die folgenden X–bar Baumstrukturen:

PP AP AP

P' A' Adv A'

P NP A PP so A PP

in the garden upset about his results upset about his results

Das X–Bar Modell mit Adjunkten

Die bisherigen X-Bar Bäume behandelten nur die Ergänzungen vom Typ Komplement und Spezifikator. Wie

verhält es sich aber mit Adjunkten? In dem Abschnitt über Komplemente und Adjunkte ist aussgesagt

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worden, dass der Kopf und das Komplement eine Einheit bildeten und dass das Adjunkt sich auf diese

Einheit bezieht, also [[Kopf + Komplement] Adjunkt]. Durch die X-Bar Struktur wird genau diese Einheit von

Kopf und Komplement durch die X1 Konstituente wiedergegeben. Eine Möglichkeit, Adjunkte in die X-Bar

Struktur mit aufzunehmen, wäre, den X-Bar Baum wie folgt zu verändern:

XP

<Spezifikator> X''

X' <Adjunkt>

X <Komplement>

Abbildung 4: X-bar Schema mit Spezifikator und Komplement und Adjunkt (vorläufig)

Die entsprechende Regeln lauteten:

XP (<Spez(X)>) X''

X'' X' (<Adjunkt>)

X' X (<Komplement>)

Hier hätte man also einfach eine weitere Zwischenebene eingezogen, die Phrase erschiene jetzt nicht auf

drei, sondern auf vier Struktrebenen: X, X', das »neue« X'' und XP. Das Modell würde also um eine Ebene

erweitert. Doch diese Möglichkeit, Adjunkte in das X-Bar Modell zu integrieren, hätte gravierende

Nachteile. Dazu das folgende Beispiel:

27. a student of linguistics at Bremen with a red jumper

Hier enthält die NP vier Ergänzungen: den Spezifikator a, die Komplements-PP of linguistics und die beiden Adjunkts-PPs at Bremen und with a red jumper. Durch Pronominalisierung kann gezeigt werden, dass jeweils beide Adjunkts–PPs zusammen mit der N' Konstituente student of linguistics pronominalisiert werden, d.h. mit N' eine eigene Konstituente bilden können:

28. Which student of linguistics at Bremen? The one with a red jumper.

Which student of linguistics with a red jumper? The one at Bremen.

Um diesen Erkenntnissen gerecht zu werden, müsste es also für jede Adjunkts–PP eine eigene

Strukturebene geben, so dass diese NP insgesamt nicht aus vier, sondern aus fünf Strukturebenenen

bestünde.

Die VP im folgenden Satz mit ihren drei Adjunkts-PPs müßte sogar über sechs Strukturebenen verfügen:

29. I drank a beer [with my friends] [in the pub] [on Monday]:

VP

V''''

V''' PP

V'' PP on Monday

V' PP in the pub

V NP with my friends

drank a beer

Eine solche Analyse ist umständlich und unbefriedigend. Zum einen bedeutet sie im Vergleich zur

Grundform einen Verlust an Generalisierung, da es erstens nicht mehr möglich ist, eine Obergrenze für

SYNTAX X-BAR STRUKTUREN

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maximale Komplexität zu definieren, und zweitens die einzelnen Ergänzungen nicht mehr einheitlich

definiert wären:

Ein Spezifikator in einer NP wie the leader of the pack wäre Schwester von N' und Tochter von NP, in einer

NP wie a student of physics at Bremen hingegen Schwester von N'' und Tochter von NP – ein zentraler

Faktor des X–bar Schemas wäre verloren.

Außerdem suggeriert eine solche Analyse, dass sich durch Hinzufügung von Adjunkten am grammatischen

Status von Konstituenten etwas ändert, was nicht der Fall ist. So hat beispielsweise ein V' ohne Adjunkt

diesselbe Distribution wie ein V' mit Adjunkt, es kann also in genau denselben Umgebungen auftauchen.

Um auf das o.a. Beispiel zurückzukommen: Die Syntagmen drank a beer, drank a beer with my friends,

drank a beer with my friends in the pub und drank a beer with my friends in the pub on monday können z.B.

allesamt in der Umgebung The fact that I ____ upset my boyfriend vorkommen:

30. The fact that I {

drank a beerdrank a beer with my best friends

drank a beer with my best friends in the pubdrank a beer with my best friends in the pub on Monday

} upset my husband.

Im folgenden soll nun gezeigt werden, wie Adjunkte in die Grundform des X-Bar Modells integriert werden

können, ohne dass die o.a. Nachteile dabei entstehen. Um dieses zu bewerkstelligen, wird eine rekursive

Regel in die Grammatik aufgenommen, nämlich

X' X' <Adjunkt>.

»Rekursiv« bedeutet in diesem Fall, dass das zu erweiternde Symbol der linken Seite der Regel (X') auf der

rechten Seite der Regel wieder erscheint, dass also die Regel auf sich selbst wieder anwendbar ist. Dadurch

enstehen die folgenden Strukturen:

XP entsprechende Regeln:

(<Spezifikator>) X' XP (<Spez(X)>) X'

X' <Adjunkt> X' X' <Adjunkt>

X (<Komplement>) X' X (<Komplement>)

Abbildung 5: X-bar Schema mit Spezifikator und Komplement und Adjunkt

Dies bedeutet, dass das Anhängen eines Adjunktes an eine X' Konstituente [Kopf + Komplement] wieder

eine X' Konstituente erzeugt, dieser Vorgang ist iterierbar, kann also wiederholt werden. Auf diese Art sind

die o.a. Mängel behoben und der grammatische Status von X' bleibt unverändert.

Einige Beispielphrasen:

31. NP: the discovery of gold in Alaska, an indecent proposal

NP NP

Det N' Det N'

the N' PP an AP N'

N PP in Alaska indecent N

discovery of gold proposal

SYNTAX X-BAR STRUKTUREN

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32. VP: talks to the mayor in London vs talks to the mayor of London (denken Sie an die 2. Sitzung)

VP

V'

V' PP

V PP in London

talks P'

P NP

to the mayor

VP

V'

V PP

talks P'

P NP

to Det N'

the N PP

mayor of London

33. VP: lived in London, died in London (siehe Beispiel 4)

VP VP

V' V'

V PP V' PP

lived in London V in London

died

Exkurs: Vorteile der hierarchischen Struktur in der NP

Nachstehend soll anhand etwas komplexerer Nominalphrasen, nämlich NP mit Koordination und NP mit

Relativsätzen, gezeigt werden, dass eine Hierarchisierung der Struktur Vorteile hat bei der Anwendung auf

konkrete Daten.

I. Koordination

Gegeben seien die folgenden, unterstrichenen Beispiel-NP:

34. Seine Mutter und meine Schwester können sich nicht riechen.

35. Zu Weihnachten schenke ich ihm Karten für das Konzert und eine CD von Beck.

Als mögliche PS-Regeln für die fettgedruckten NP kommen die folgenden beiden in Frage:

NP NP Konj NP

Konj und

Eine Konjunktion durch und stellt eine symmetrische Relation zwischen den beiden koordinierten NP dar,

die durch folgende Regel dargestellt werden kann:

SYNTAX X-BAR STRUKTUREN

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A und B B und A, also

o seine Mutter und meine Schwester meine Schwester und seine Mutter

o Karten für das Konzert und eine CD von Beck eine CD von Beck und Karten für das Konzert

Wie aber sieht das in den folgenden Beispielen aus:

36. Alte Männer und Frauen in die Rettungsboote!

37. Im Tierheim leben viele junge Hunde und Katzen.

Würde die oa. Regel hier stumpf angwendet, können wir die folgenden Äquivalenzen feststellen:

o Alte Männer und Frauen Frauen und alte Männer

viele junge Hunde und Katzen Katzen und viele junge Hunde

Das ist korrekt, nicht deutlich aber wird hier die Tatsache, dass beide NP mehr als nur eine Lesart

aufweisen, mithin mehrdeutig sind: Alte Männer und Frauen: das 'alte' kann sich auf Männer und Frauen

beziehen; viele junge Hunde und Katzen: hier können sich sowohl das 'viele' als auch 'viele junge' auch auf

Katzen beziehen. Über X-bar Strukturen kann dieser Tatsache in den verschiedenen PS-Bäumen für die NP

Rechnung getragen werden.

Für die Koordination (hier im Sinne einer beiordnenden kopulativen Verknüpfung mit und, oder etc.) gilt,

dass nur Konstituenten gleichen Typs miteinander koordiniert werden dürfen. »Gleichen Typs« heißt, dass

die Konstituenten einerseits zur selben lexikalischen Kategorie gehören (N, V, P usw.), andererseits von

derselben Strukturebene (entweder X' oder XP) sein müssen. Die Verknüpfung einer Kategorie K mit einer

Kategorie K ergibt – wieder eine Kategorie K. Nicht per »und« verknüpft werden können X–Konstituenten.

Dabei muss einfach berücksichtigt werden, dass X-Konstituenten den Status lexikalischer Elemente haben.

Würden wir zwei X zu einem neuen X koordinieren, könnten dadurch Lexeme wie beispielsweise

*JungeundMädchen oder *MannundMaus resultieren, die man wohl kaum in einem Lexikon findet. 7

Sehen wir uns jetzt an, wie der Semantik der NP viele junge Hunde und Katzen durch die hierarchische

Struktur der NP Rechnung getragen werden kann:

NP

NP Konj NP

Det N' und N'

Viele AP N' N

junge N Katzen

Hunde

7 Die Verknüpfung von X-Konstituenten fällt in den Bereich der Morphologie, und dort gelten z.T. andere Regeln als in

der Syntax. Ein zusammengesetztes Substantiv wie Hausfreund kann als Verknüpfung [N [N Haus] [ N Freund]] gesehen werden, eine solche Verknüpfung enthält aber kein und oder sonstige Konjunktionen. Bei der Komposition ist außerdem das Kriterium, dass die Konstituenten gleichen Typs sein müssen, außer Kraft gesetzt: bei Waschmaschine z.B. haben wir die Verknüpfung einer verbalen mit einer nominalen Kategorie.

Hier wurden zwei NP-Knoten koordiniert.

Der Geltungsbereich des Determinators

und der AP junge ist – deutlich erkennbar –

nur die N' Hunde, nicht aber die NP Katzen.

SYNTAX X-BAR STRUKTUREN

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NP

Det N'

Viele N' Konj N'

AP N' und N

junge N Katzen

Hunde

NP

Det N'

Viele AP N'

junge N' Konj N'

N und N

Hunde Katzen

II. Restriktive vs. nicht-restriktive Relativsätze in der NP

Über die folgenden Beispiele sollte zunächst die Problemstellung motiviert werden:

38. (a) Der Kater, der getigertes Fell hat, frisst, während der schwarz-weiße zusieht.

(b) Tom, der getigertes Fell hat, frisst, während Micki zusieht.

In den beiden fettgedruckten NP taucht jeweils der gleiche Relativsatz (der getigertes Fell hat) auf. Diese

Relativsätze haben in den NP Adjunktstatus haben. Sie gehören also zur gleichen Kategorie (Relativsatz, kurz

RelS) und haben die gleiche Funktion inne: Adjunkt. Dennoch unterscheidet sich das syntaktische Verhalten

der NP, in denen sie auftreten:

Nur in der ersten NP gibt es eine Paraphrase mit einer Präpositionalphrase, in der zweiten NP geht das

nicht:

39. (a) Der Kater mit getigertem Fell frisst, während der schwarz-weiße zusieht.

(b) *Tom mit getigertem Fell frisst, während Micki zusieht.

Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass in den 'b-Satz' wie folgt ein Adverb eingefügt werden kann:

40. Oskar, der übrigens getigertes Fell hat, frisst, während Kurt zusieht

Ein solches Adverb ist – insbesondere dann, wenn der Satz entsprechend betont wird – in der NP unter (a)

nicht möglich:

41. ?ˈDer Kater, der übrigens getigertes Fell hat, frisst, während der schwarz-weiße zusieht.

Während bezüglich Satz (a) folgende Frage problemlos gestellt werden kann:

42. Welcher Kater frisst...? Der, der getigertes Fell hat

erscheint eine solche Frage mit Bezug auf Satz (b) merkwürdig, da sie suggeriert, es gäbe im 'Universe of

Discourse' mehr als einen Tom:

43. ?Welcher Tom frisst...?, Der der getigertes Fell hat.

Hier wurden zwei N'-Knoten koordiniert.

Der Geltungsbereich der AP junge ist das

N'Hunde; der Geltungsbereich des

Determinators aber ist sowohl die N' junge

Hunde als auch die N' Katzen

Hier wurden wiederum zwei N'-Knoten ko-

ordiniert, allerdings derart, dass sich AP

junge und der Determinator viele sowohl

auf die N' Hunde als auch die N' Katzen

beziehen.

SYNTAX X-BAR STRUKTUREN

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Diese Unterschiede hängen allesamt damit zusammen, dass es sich im einen Fall um einen restriktiven, im

anderen Fall um einen nicht-restriktiven Relativsatz handelt :

RESTRIKTIV: Der Kater, der getigertes Fell hat

NICHT-RESTRIKTIV: Tom, der getigertes Fell hat

Diese Gegenüberstellung zeigt dabei klar, dass Restriktivität kein inhärentes Merkmal eines Relativsatzes

ist, schließlich haben wir es in Der Kater, der getigertes Fell hat und Tom, der getigertes Fell hat, mit dem

gleichen Relativsatz zu tun, einmal ist er restriktiv, einmal nicht. Es geht vielmehr darum, worauf sich der

Relativsatz bezieht, bzw. ob der Relativsatz etwas einschränkt oder nicht. Im ersten Fall, Der Kater, der

getigertes Fell hat, wird durch den Relativsatz eindeutig die Denotation des Substantives eingeschränkt. Die

gesamte NP referiert ja auf ein bestimmtes Objekt und durch den restriktiven Relativsatz wird deren Menge

eingeschränkt. Im zweiten Fall, Tom, der getigertes Fell hat, sieht die Sache anders aus. Hier wird durch

Verwendung des Eigennamens Tom schon gleich klar gestellt, um welches Objekt es sich handelt, das

Individuum ist somit von vorneherein eindeutig identifziert. Der Relativsatz dient hier also nicht dazu, die

Menge der potentiellen Referenten einzuschränken, sondern ist vielmehr eine zusätzliche Angabe. Diese

Tatsache ist daran zu erkennen, dass dieser Relativsatz das Adverb übrigens enthalten kann. Nur nicht-

restriktive Relativsätze können solche Adverbien enthalten, und man kann sie gleich erkennen:

44. Unsere Nachbarin, die tragischerweise einen schweren Unfall hatte

Das Auto, das außerdem viel zu teuer war

Die Aufgaben, die offenbar zu einfach waren

Um die Unterschiede auf einen Nenner zu bringen:

Restriktive Modifikationen liefern Information für die Identifikation von Objekten und schränken somit die Denotation ein,

Nicht-Restriktive Modifikation liefert Information über Eigenschaften etc. bereits identifizierter Objekte.

In den vorangegangem Text zu X-bar-Strukturen wurde ausgesagt, dass Adjunkte wie folgt in das Schema

integriert werden können:

X' (<Adjunkt>) X'.

An dieser Stelle nun kann präzisiert werden:

o restriktive Modifikation – dazu können, neben den restriktiven Relativsätzen, z.B. auch attributive

AP (ein roter Ball) oder PP (Studenten mit langen Haaren) gehören – wird auf der N'-Ebene in das

Schema integriert.

o Nicht-restriktive Modifikation dagegen – dazu können, neben den nicht-restriktivien

Relativsätzen, auch z.B. Appositionen (Barack Obama, der Präsident der USA) gehören – wird auf

der NP-Ebene integriert.

Das Verfahren dafür ist in beiden Fällen identisch: Adjunktion findet stets über Knotenverdoppelung statt.

Für die NP können wir nun folgende Annahme aufstellen:

N' <Adjunkt> N' = restriktive Modifikation

NP <Adjunkt> NP = nicht-restriktive Modifikation

Durch diese Repräsentation wird gut der unterschiedliche Status restriktiver und nicht-restriktiver

Relativsätze bzw. deren unterschiedlicher Geltungsbereich und deren unterschiedliche semantische klar.

Zum Abschluss betrachten wir uns Subjekts-NP aus den Sätzen

45. Die Frau, die beim Bio-Bäcker verkauft, hat uns Erdbeerkuchen versprochen

46. Die Mutter meines Freundes, die dort im Chor singt, geht in die Stiftskirche

SYNTAX X-BAR STRUKTUREN

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In (45) haben wir es klar mit einem restriktiven Relativsatz zu tun (Welche Frau? Die, die beim Bio-Bäcker

verkauft), in (46) dagegen mit einem nicht-restriktiven Relativsatz (???Welche Mutter meines Freundes?).

Entsprechend werden sie innerhalb der Strukturen an unterschiedlichen Positionen adjungiert:

NP NP

Det N' NP RelS

die N' RelS Det N' die dort im Chor singt

N die beim Biobäcker verkauft die N PP

Frau Mutter meines Freundes

Teil 3: X-bar für einfache Sätze

In diesem Abschnitt geht es darum, herauszuarbeiten, wie die X–bar Struktur auf Sätze anzuwenden ist. Um

dieses darzustellen, könnten wir uns die Sache völlig unabhängig von ihrer theoriegeschichtlichen

Grundlage ansehen – und so wird in vielen einführenden Werken auch verfahren. In dem vorliegenden Text

wollen wir aber doch einige Ausführungen über die Entwicklung der hier wesentlichen Konstrukte (genauer

gesagt, der sogenannten funktionalen Kategorien) machen. Damit schlagen wir nämlich gleich zwei Fliegen

mit einer Klappe: die Vermittlung (mindestens rudimentärer) Kenntnis über die theoretischen Grundlagen

der Art von Sprachbetrachtung, mit der wir uns bis dato beschäftigt haben, gehört in einer Syntax-

Einführung fest zum Programm. Außerdem erleichtert nach die Kenntnis über die Entwicklung bestimmter

Annahmen oder Begriffe manchmal deren Verständnis.

(Einige) theoretische Grundlagen

Die Art- und Weise, mit der Sätze in Form von X-bar Strukturen repräsentiert werden, ist eng mit der

sogenannten Government–and–Binding Theorie verbunden, einer der Modellvarianten generativer

Grammatik chomskyscher Prägung, die ab Anfang der 80er Jahre in Gebrauch kam. Eine der

charakteristischen Eigenschaften dieser Art von Grammatik besteht in der Annahme, dass die Darstellung

der syntaktischen Struktur von Sätzen nicht auf einer, sondern auf zwei Repräsentationsebenen erfolgt:

einer sogenannten 'tiefenstrukturellen und einer sogenannten 'oberflächenstrukturellen' Ebene. Was

bedeutet das, und wie ist man zu dieser Annahme gekommen?

Nun, in der Anfangszeit dieser Art von Grammatik, genauer gesagt zur Zeit der sogenannten 'Standard-

theorie', also Mitte der 60er Jahre, dienten die Konstrukte 'Tiefen-' und 'Oberflächenstruktur' z.B. dazu,

bestimmte Beziehungen zwischen Sätzen – beispielsweise die Aktiv-Passivbeziehung – auszudrücken

darüber, dass solchen Sätzen eine gemeinsame Tiefen-, aber unterschiedliche Oberflächenstrukturen

zugeordnet sind. Beispiel dafür: die Beziehung der einzelnen Sätze in einem Satzpaar wie

47. She kicked him.

He was kicked by her.

wurde darüber erklärt, dass beiden diesen Sätzen eine gemeinsame Tiefenstruktur zugrundeliegt, sich aber

die 'Oberflächenanordnung' und ggf. die morphologische Form der Elemente unterscheidet. Was sind das

für Ebenen?

Die tiefenstrukturelle Ebene wäre genau diejenige Ebene, auf der die (im weitesten Sinne) 'logisch-

semantische' Information enthalten ist, der beispielsweise zu entnehmen ist, 'wer was macht'. Dieser

SYNTAX X-BAR STRUKTUREN

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Sachverhalt (nämlich das sie ihn tritt) ist ja in beiden der oa. Sätze identisch - ergo weisen sie eine

gemeinsame Tiefenstruktur auf. Ihre Oberflächenstrukturen aber unterscheiden sich voneinander.

Die Tiefenstruktur ist also eine relativ abstrakte Ebene. Der Weg von der Tiefen- zur Oberflächstruktur

führte über eine Reihe von sogenannten Transformationen (deshalb auch die Bezeichnung generative

Transformationsgrammatik für diesen Ansatz), die – nach ganz bestimmten Regeln – Phrasenstrukturen auf

Phrasenstrukturen abbilden.

Diese Hintergründe sind für den vorliegenden Text insofern relevant, als auch in den neueren

Modellvarianten davon ausgegangen wird, dass die Darstellung der syntaktischen Struktur von Sätzen auf

zwei verschiedenen Ebenen verläuft. Diese Ebenen, die unter der Bezeichnung D-Struktur ('D' für deep) und

S-Struktur ('S' für surface), unterscheiden sich zwar in einer ganzen Reihe von Punkten von den Tiefen- und

Oberflächenstrukturen der Standardtheorie, haben mit diesen aber immer noch gemeinsam, dass über die

D-Struktur die dem Satz 'zugrundeliegende' logisch-semantische Information darstellen, die S-Struktur

darüberhinaus Angaben über die lineare Anordnung der einzelnen Phrasen oder auch der Kasusmarkierung

von Nominalphrasen usw. enthält.

Die funktionale Kategorie I(nfl)

In den Vorläufermodellen der Government–and–Binding Theorie hatte die Phrasenstrukturregel für Sätze

die folgende Form:

S NP Aux VP

Die Konstituente Aux beinhaltete – neben satzrelevanten Merkmalen wie z.B. Modus – die für die

Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat verantwortlichen Flexionsmerkmale, die in der neueren

Terminologie mit dem Ausdruck AGR (für engl. Agreement=Kongruenz) bezeichnet werden. 'Kongruenz'

bedeutet soviel wie Übereinstimmung, es geht letztendlich darum, dass ein Verb mit beispielsweise dem

Merkmal [3. Person] nicht mit einem Subjekt mit dem Merkmal [1. Person] kongruiert, was an der

Ungrammatikalität von *I goes home deutlich erkennbar ist. Ein Satz wie John kicks Phil hatte in etwa die

folgende Tiefenstruktur:

S

NP Aux VP

John [TNS:PRES

PERS:3NUM:SG

] love Phil

Die Merkmalsmatrix unter Aux gibt die für den Satz und die Kongruenz relevanten Flexionsmerkmale

wieder, im konkreten Fall die Angabe, dass das Tempus des Satzes present ist, Numerus singular usw.

Weiter sehen wir in der Tiefenstruktur, dass das Verb des Satzes, love, nicht flektiert, sondern in seiner

Stammform auftritt.

Über die Konstituente Aux wurde geregelt, dass Sätze wie

48. *The girls goes home

49. *I loves you

bei welchen das Subjekt nicht mit dem Verb übereinstimmt, ausgeschlossen werden. Eine sehr beliebte

Abkürzungskonvention für diese Merkmalsmatrix bestand und besteht darin, an ihrer Stelle einfach das

entsprechende Flexionssuffix zu verwenden (hier also -s für 3. Person Sing. Präs.).

Um aus einer solchen Tiefenstruktur, bei der die terminalen Knoten die Kette [John -s kick Phil] ergeben,

einen vernünftigen Satz zu erzeugen, wurde damals eine Transformation angewendet, die sich Affix–

SYNTAX X-BAR STRUKTUREN

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Hopping nannte. Der Name sagt eigentlich schon alles: das Affix, hier also -s, 'hüpft' an die richtige Position

und verbindet sich mit dem Verb zu einer Einheit:

50. John kicks Phil.

Auch in der generativen Grammatik jüngeren Datums gibt es eine vergleichbare Kategorie. Sie wird kurz mit

»Infl« oder einfach nur »I« bezeichnet – I steht für Inflection, also engl. für Flexion.8 Fortan wollen wir diese

Bezeichnung verwenden.

Zwischen Infl auf der einen und z.B. N oder V auf der anderen Seite herrscht ein fundamentaler

Unterschied: im Gegensatz zu den letztgenannten Kategorien, die lexikalische Kategorien sind, ist Infl eine

funktionale Kategorie. Was bedeutet das?

Nun, während die lexikalischen Kategorien N, A, P usw. Klassen sind, deren Elemente, also Lexeme oder

Wortstämme, einen eigenen, lexikalischen (bzw. begrifflichen) Inhalt haben, trifft dieses auf Infl nicht in

gleicher Weise zu: Infl ist Träger der Werte der sekundären grammatischen Kategorien Tempus, Numerus

usw. und also eher eine Art »Steuerkategorie«.9 Wenn wir ein paar entsprechende Phrasenstrukturregeln

vergleichen, tritt der Unterschied klar zutage:

Lexikalische Kategorien N, V, A etc.:

N schul–, katze–, frau–, kind–, hase–, buch–, nase– usw.

V geh–, les–, schlaf–, tret–, denk–, nies– usw.

Funktionale Kategorie Infl:

Infl [TNS:PRES

PERS:3NUM:SG

]

Der Kontrast zwischen den Kategorie–Typen ist deutlich zu sehen. Infl ist Träger der morphosyntaktischen

Merkmale, die der gesamte Satz trägt. Die Frage lautet jetzt: Wie kann eine Phrasenstrukturregel wie die

folgende in eine X-bar Struktur umgesetzt werden?

51. S NP Infl VP

Um diesen wichtigen Schritt zu erklären, müssen wir nun kurz etwas ausholen, denn die X–bar Strukturen

für funktionale Kategorien können nicht auf dieselbe Art eingeführt werden wie bei den lexikalischen

Kategorien im ersten Teil. Dort war der Ansatz eher induktiv, d.h. wir sind von den sprachlichen Daten

ausgegangen und haben mit zahlreichen Beispielen die Notwendigkeit für eine differenzierte Struktur

lexikalischer Phrasen demonstiert. Bei X–bar und den funktionalen Kategorien läuft der Weg eigentlich

andersherum: zunächst wird die Struktur vorgestellt, und dann gezeigt, welchen Nutzen diese Struktur

hat.10

Wie aus den bisherigen Ausführungen ersichtlich wird, ist der Begriff »Kopf« in der X-Bar Terminologie ein

zentraler Bestandteil. Um dieses nachzuvollziehen, betrachten wir erneut die Regeln einer X-Bar

Grammatik. Der Kopf von XP ist X', der Kopf von X' ist entweder wieder X' oder X. Letzlich bedeutet das,

dass sich von X über X' eine Linie zu XP ziehen lässt, die sogenannte »Kopflinie«:11

8 Infl entspricht zwar Aux, ist aber damit nicht identisch und hat, wie wir noch sehen werden, in den modernen Grammatikformen einen ganz anderen Stellenwert als Aux. So ist die 'Umbenennung', die vielleicht als Verkomplizierung gesehen wird, zu erklären. 9 Infl kann möglicherweise auch lexikalisch realisiert sein, dazu gleich noch mehr. 10 Diese Herangehensweise ist auch dadurch bedingt, dass wir hier nicht die für die Entstehung dieser Strukturen verantwortlichen Entwicklungen nachzeichnen können. 11Im Grunde genommen wird der Begriff »Kopf« in zwei unterschiedlichen Bedeutungen verwendet; einerseits so wie hier gerade dargestellt, andererseits ist natürlich X der Kopf der gesamten XP (anaolog zu N und NP)

SYNTAX X-BAR STRUKTUREN

S. HACKMACK| UNI HB | LINGUISTIK 20

XP

XP (<Spez>) X' (<Spez>) X'

X' X' (<Adjunkt>) X' (<Adjunkt>)

X' X (<Komplement>) X (<Komplement>)

Abbildung 6: Kopflinie

In allen Beispielen war der Kopf einer beliebigen XP eine der lexikalischen Kategorien N, V, A und P. Von

einem Lexikoneintrag für ein bestimmtes Lexem ausgehend werden die im Lexikon aufgeführten

syntaktischen und semantischen Merkmale eines Lexems X über die Kopflinie bis zur XP transportiert.

Diesen wichtigen Prozess nennt man »perkolieren«. Ein einfaches Beispiel verdeutlicht das Ganze: die NP

den Jungen in dem Satz Ich sehe den Jungen. Hier herrscht Übereinstimmung zwischen den

morphosyntaktischen Merkmalen der Gesamt–NP und ihres Kopfes, d.h. die Merkmale [NUM:SG KAS:AKK]

perkolieren die gesamte Phrase.

Es ist wohl ziemlich klar, worauf diese Ausführungen herauslaufen sollen: wenn Infl der Kopf des Satzes ist,

wird dadurch gewährleistet, dass die satzrelevanten Merkmale durch die Gesamt–Konstruktion

perkolieren. Danach wäre die VP das Komplement, die Subjekts–NP Spezifikator und wir erhalten damit die

folgende X-Bar Satzstruktur:

IP (= S)

NP I'

I VP

Abbildung 7: Struktur des einfachen Satzes

Wie alle X-bar-Beispiele mit lexikalischen Kategorien als Kopf gezeigt haben, herrscht eine enge Beziehung

zwischen Kopf und Komplement, insofern die Form des Komplementes vom Kopf determiniert ist (oder sein

kann). Beispiele: das Komplement von treten muß im Akkusativ stehen, dass Komplement von wegen muss

im Genitiv stehen usw. usf. Der Kopf regiert mithin sein(e) Komplement(e).

Wie die nachfolgenden deutschen Beispiele klar zeigen, herrscht zwischen Kopf und Spezifikator ebenfalls

eine besondere Beziehung:

52. a) *ein / eine Frau

b) *die / das Haus

c) *dem / des Mannes

Der Spezifikator muß jeweils eine bestimmte Form aufweisen, sonst ist die Konstruktion ungrammatisch.

Diese Form wird natürlich durch den Kopf vorgegeben. Das bedeutet, dass zwischen dem Kopf N und

Spezifikator eine Abhängigkeitsbeziehung vorliegt, in der der Spezifikator das Dependes darstellt. Aus den

Beispielen lässt sich die folgenden Generalisierung ableiten: Bezüglich Merkmalen wie NUMERUS, GENUS usw.

müssen Spezifikator-Det und N übereinstimmen.

Diese Übereinstimmung bezüglich bestimmter Merkmale kann wie folgt verallgemeinert und auf alle X–

Phrasen übertragen werden:

Spezifikator–Kopf–Kongruenz

o Der Spezifikator einer XP muß bezüglich relevanter Merkmale mit dem Kopf übereinstimmen

SYNTAX X-BAR STRUKTUREN

S. HACKMACK| UNI HB | LINGUISTIK 21

Unter dem Namen 'Spec–Head–Agreement' ist diese Beschränkung für Phrasen in der Fachliteratur ein

bekanntes Konstrukt. Ihr unterliegen alle XP – und somit natürlich auch die IP. Auf genau diese Art wird

bewerkstelligt, dass das Subjekt in der korrekten Form auftritt.

Die Tatsache, dass zwischen Kopf und Komplement einerseits und Kopf und Spezifikator andererseits ganz

enge Beziehungen vorliegen, die wir in den Phrasen mit lexikalischen Köpfen in zahlreichen Beispielen

gesehen haben, übertragen wir jetzt auf die Ebene des Satzes, um dort – mit Bezug auf die funktionale

Kategorie Infl – die Kongruenz zwischen Subjekts-NP und Verb zu steuern.

IP(=S)

NP I'

I VP

[MERKMALE]

… V …

Über Spezifikator-Kopf-Kongruenz einerseits und Rektion andererseits haben wir die wichtige Funktion, die

die Merkmale von Infl mit Bezug auf die Form der Subjekts-NP und der VP haben, genau ausbuchstabiert.

Wir fassen zusammen: im Rahmen der X–bar Theorie chomskyscher Prägung ist der Kopf des einfachen

Satzes die funktionale Kategorie I oder Infl. Diese ist Träger der für den Satz und die Kongruenz zwischen

Verb und Subjekt relevanten morphosyntaktischen Merkmale. Infl bildet zusammen mit seinem

Komplement, der VP des Satzes, Infl'. Infl' bildet zusammen mit seinem Spezifikator, der Subjekts–XP des

Satzes, die IP. Infl regiert die VP, determiniert also deren Form bezüglich Tempus, Person, Numerus usw.

Die Übereinstimmung von Infl und dem Subjekt wird über die 'Spezifikator–Kopf–Kongruenz', einer

allgemeinen Beschränkung von X–bar Phrasenstrukturen, geregelt.

Teil 4: X-bar für komplexe Sätze

Mit dem bis jetzt vorgestellten Schema sind wir in der Lage, die syntaktische Struktur 'einfacher'

Deklarativsätze des Englischen darzustellen, z.B. die Struktur des Satzes John ate the cake. Was wir nicht

können, sind Strukturbeschreibungen der folgenden Sätze:

53. The cake, John ate. (Satz mit Topikalisierung)

54. I know that John ate the cake. (Satz mit eingebettetem Satz)

55. I wonder what John ate (Satz mit eingebetteter Ergänzungssfrage)

56. For whom will John vote? (Ergänzungsfragesatz)

Wenn wir davon ausgehen, dass die Reihenfolge der Elemente im einfachen Satz eine Art Grundreihenfolge

darstellt (so ist der X–bar Baum für den Satz und die X–bar Struktur der Verbalphrase ja auch konzipiert),

dann stellt z.B. ein Satz mit einer Topikalisierung, wie in (52), eine Abweichung dieser Grundreihenfolge

dar:

57. John — ate — the cake

SUBJEKT — VERB — OBJEKT

vs.

58. The cake — John — ate

OBJEKT — SUBJEKT — VERB

Über die natürlichsprachliche Intuition ist aber ohne Zweifel klar, dass diese beiden Sätze etwas

miteinander zu tun haben. Man kann diese Intuition präzisieren, indem man die linguistischen Daten

Spezifikator–

Kopf–Kongruenz

Rektion

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benennt, die invariant sind: in beiden Sätzen ist John das Subjekt des Satzes, in beiden Fällen ist the cake

Objekt des Satzes. Die morphosyntaktischen Merkmale sind ebenfalls gleich, d.h. dass Infl in beiden Sätzen

dieselbe Merkmalsmatrix aufweist.

Ein wesentliches Ziel einer Grammatik besteht genau darin, solche Daten darzustellen und somit auch die

Beziehung zwischen den oa. Sätzen. Traditionellerweise wurde dazu in einer Transformationsgrammatik

eine Bewegungstransformation verwendet, bei der eine Konstituente aus ihrer ursprünglichen,

tiefenstrukturellen Position wegbewegt worden ist, d.h. sie wurde getilgt, um für die Bildung der

Oberflächenstruktur an einer anderen Stelle (hier: am Satzanfang) wieder eingefügt zu werden. Diesen

Vorgang wollen wir an ein paar Beispielen verdeutlichen, wobei wir zunächst nur auf die lineare

Reihenfolge der terminalen Knoten eingehen werden. Das ganze passen wir den moderneren Ansätzen an,

insofern wir, wie auch schon bei der Verbbewegung, annehmen, dass die wegbewegte Konstituente an

ihrem Ursprungsort eine Spur t hinterlässt.

John ate the cake: The cake, John ate t

Mary gave the keys to Sue: To Sue, Mary gave the keys t

John put the cup on the shelf: The cup, John put t on the shelf

I didn't know this answer: This answer, I didn't know t

usw.

In diesen Beispielsätzen findet jedesmal der gleiche Prozess statt: um die S-Struktur zu bilden, wird eine

Konstituente aus ihrer D-strukturellen Position an einen anderen Ort bewegt. Die Spur t verbindet jeweils

die wegbewegte Konstituente mit ihrer ursprünglicher Position, und dadurch ist auch auf der S-Struktur

erkennbar, welchen grammatischen Status die bewegte Konstitiuente hat: da per Definition Objekte in der

D-Struktur Schwestern (also Komplemente) von V sind, ist in allen Fällen klar, dass Objekte bewegt worden

sind.

Nehmen wir, um das Ganze zu erklären und gleichzeitig ein Problem zu verdeutlichen, die Bildung der S–

Struktur für The cake, John ate. Dafür betrachten wir zunächst den D–Strukturbaum:

IP

NP Infl'

John Infl VP

-ed V'

V NP

eat- the cake

Um den Satz zu topikalisieren, muss die Objekts–NP the cake an den Satzanfang bewegt werden, und an

dieser Stelle wird es problematisch. Die entscheidende Frage nämlich lautet: w o h i n genau wird sie

bewegt, an welchen Knoten wird sie gehängt? Diese Ungewißheit soll durch die Fragezeichen und die

wirren Linien im nachfolgenden Baum visualisiert werden:

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IP

NP Infl'

The cakej John Infl VP

-ed V'

V NP

eat- t

Man könnte nun auf den Gedanken kommen, einfach einen Knoten neu zu schaffen, also z.B. eine

Schwester zur NP John:

IP

NP NP I'

The cakej John I VP

In der Tat ist in alten Transformationsgrammatikmodellen genau so oder ähnlich verfahren worden: man

hat einen Knoten getilgt und einfach an einer anderen Stelle einen neuen Knoten hinzugefügt. Das

bedeutet, dass sich damals möglicherweise die Phrasenstrukturbäume der Oberflächenstruktur ganz

erheblich von ihren tiefenstrukturellen Korrelaten unterschieden haben.

Die Sache hat aber einen Haken. Wie bereits im ersten Teil deutlich wurde, als es um die Differenzierung

zwischen Komplementen und Adjunkten ging, besteht ein wesentlicher Zug der X–bar Strukturen darin, dass

bestimmte grammatische Relationen strukturimmanent gekennzeichnet sind. Das heißt, dass ich über die

Position einer Konstituente innerhalb des Strukturbaumes eindeutig erkennen kann, ob sie Adjunkt oder

Komplement oder Spezifikator ist. Bezüglich der grammatischen Funktionen (Subjekt, Objekt etc.) gelten in

der neueren generativen Grammatik die folgenden Annahmen:

o Das Subjekt des Satzes ist der Spezifikator von INFL

o Das/Die Objekt(e) des Satzes sind Komplemente von V

Diese Angaben gelten auch für S–Struktur. Würde man nun einfach Knoten hinzufügen, so würde die Vorgabe

der klar strukturellen Definition von grammatischen Relationen verwischt bzw. nicht mehr möglich. Das

vorliegende Beispiel zeigt das Problem: Wenn wir einfach einen weiteren Knoten an IP hängen, erhielten wir

einen weiteren Spezifikator von INFL — welcher der beiden ist dann das Subjekt? Es muss gewährleistet sein,

dass auch die S-Strukturen X–bar konform sind, und das ist eine X–bar Struktur mit zwei Spezifikatoren nicht.

Eine mögliche Lösung dieses Problems lautet: man muß eine Struktur für Sätze erschaffen, in der bereits

auf der D–strukturellen Ebene ein Landeplatz für topikalisierte Konstituenten vorliegt. Wie diese Struktur

aussieht, und was man noch so alles mit ihr anfangen kann, haben die nachfolgenden Abschnitte zum

Gegenstand.

Die funktionale Kategorie C(omp)

Die folgenden Sätze haben alle etwas gemeinsam, nämlich die Tatsache, dass sie einen durch eine

Konjunktion eingeleiteten eingebetteten Satz enthalten:

???

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59. I know [that John ate the cake]

60. He wondered [whether Phil left the house]

61. She asked [if Mary had sold the car]

62. I expect [for Fred to clean the kitchen]

Die nebensatzeinleitenden Konjunktionen that, whether, if, for usw. werden im Englischen mit dem Ausdruck

'Complementizer', kurz »Comp« oder »C«, bezeichnet. Dieses Comp darf nicht mit dem Komplement einer XP

verwechselt werden, leider sind die Bezeichnung diesbezüglich etwas irreführend.

In einer traditionellen generativen Grammatik sähen Phrasenstrukturregel für solche Sätze in etwa wie folgt

aus:

(1) S' Comp S

S NP Aux VP

Comp: {that, whether, if …}

Der Satz that John reads the book hätte damals in etwa die folgende Struktur:

S'

Comp S

that NP Aux VP

John -s read the book

Hier bildet ein einfacher Satz S, also John reads the book, zusammen mit seiner Schwesterkonstituente, der

Konjunktion Comp, also that, einen komplexen Satz S'. Auch diese Struktur gilt es wieder in eine X-bar

Struktur zu überführen. Dazu gehen wir von der Annahme aus, dass der Kopf der Konstruktion COMP ist,

und dessen Komplement ein Satz (den wir hier natürlich als IP bezeichnen).

C'

C IP

that John reads the book

Der Satz ist in dieser Konstruktion also Komplement der Konjunktion, hier that. Wie kann man das

begründen? Als wir die Kopf–Komplement Strukturen innerhalb der lexikalischen Phrasen genauer

betrachten, stellten wir fest, dass die Komplemente stets vom Kopf regiert werden, da dieser die Form (hier

z.B. Kasus) seines Komplementes bestimmt:

Betrachten wir nun die folgenden Sätze:

63. I think [that [{John fed the cats.*to feed the cats.

}]] vs. I wonder [whether [{John fed the cats.to feed the cats.

}]]

64. I expect [for [John {fed the cats.

to feed the cats.}]] vs. I wonder [if [{

John fed the cats.*to feed the cats.

}]]

Hier kann man die folgende Generalisierung treffen:

o auf die Konjunktion for folgt ein Satz, der im Infinitiv stehen muss,

o auf die Konjunktionen that und if folgt jeweils ein Satz, der nicht im Infinitiv stehen darf,

o auf die Konjunktion whether folgt ein Satz, der im Infinitiv stehen kann, aber nicht muss.

Wie es aussieht, hängt die Form des eingebetteten Satzes von der Konjunktion ab, und somit ist es

durchaus gerechtfertigt, eine Struktur zu postulieren, in der dieser Satz Komplement von C ist – über die

allgemeingültige Rektionsbeziehung zwischen Kopf und Komplement wird dann nämlich gewährleistet, dass

der eingebettete Satz eine korrekte Form erhält.

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An dieser Stelle lohnt sich vielleicht eine kurze Anmerkung dazu, wieso Comp (oder C) hier als

»funktionale« Kategorie eingeführt worden ist. Es hat doch eigentlich den Anschein, als sei es eine

lexikalische Kategorie, die eine Klasse von Wörtern wie eben that, for, whether oder im Deutschen dass, ob,

um usw. umfasst. Wie wir bereits bei der Kategorie Infl, die als Träger der morphosyntaktischen Merkmale

des Satzes definiert wurde, gesehen haben, kann auch eine funktionale Kategorie durchaus lexikalisch

realisiert sein (bei Infl z.B. durch die Modalverben). Für C gilt, wie für Infl auch, dass diese Kategorie im

Unterschied zu beispielsweise Nomen oder Verb im Grunde genommen keinen eigenen lexikalischen Gehalt

hat, sondern eine eher grammatische Aufgabe erfüllt. Ein weiteres, gut erkennbares Merkmal von

funktionalen Kategorien ist die Tatsache, dass die Kategorie ihrer Komplemente strikt festgelegt ist: so ist

das Komplement von Infl immer eine VP, das Komplement von C immer ein Satz. Zum Vergleich: ein V kann

beispielsweise ein nominales, ein präpositionales oder ein satzartiges Komplement usw. haben: kicks the

girl, lives in London, knows that John died.

Für die funktionale Kategorie C gilt – wie für Infl auch – dass sie Merkmalsträger für bestimmte

grammatische Merkmale ist. Kommen wir dafür auf die Beispiele mit den Konjunktionen zurück: die

Eigenschaft 'im Infinitiv stehen' bzw. 'nicht im Infinitiv stehen' wird über das binäre Merkmal [FINIT]

ausgedrückt. Für C bedeutet das folgende Optionen:

o C ist Träger des Merkmals [–FINIT] (dann kann es z.B. durch for oder whether realisiert sein)

o C ist Träger des Merkmals [+FINIT] (dann kann es z.B. durch that, if oder whether realisiert sein)

Der nebenstehende Baumgraph illustriert diesen Sachverhalt. Der

gestrichelte Pfeil soll verdeutlichen, dass die Form des eingebetteten

Satzes bezüglich [FINIT] durch C vorgegeben ist. Das Merkmal [–FINIT]

bzw. [+FINIT] perkoliert entlang der Kopflinie der IP, so dass natürlich

auch die Merkmalsmatrix in Infl das entsprechende Attribut trägt.

In der vorgeschlagenen Strukturfehlt aber etwas: bei C' ist ja nicht Schluß, denn wir nehmen an (siehe

erster Teil), dass alle XP (wie ja auch die IP bzw. S) nach dem gleichen X–bar Bauplan zwei Projektionsstufen

umspannen. Wir erweitern unser Schema entsprechend wie folgt:

CP

<Spezifikator> C'

C IP

that John reads the book

Zu dieser Struktur fallen einem (mindestens) zwei Fragen ein:

inwiefern macht es Sinn, C als Kopf der ganzen Konstruktion zu analysieren?

was ist der Spezifikator von C? Zunächst zum ersten Punkt. Betrachten wir dazu folgende Sätze:

65. I think [that [{that

*whether*if

} John slept]] vs. I wonder [ {*that

whetherif

} John slept]

Was hier deutlich werden soll, ist die Tatsache, dass die Wahl der Konjunktion (und also die Form des

eingebetteten Satzes) abhängig sind vom Verb des übergeordneten, des Matrixsatzes: auf ein Verb wie

think dürfen die Konjunktionen whether und if nicht folgen, die aber bei einem Verb wie wonder in

Ordnung sind — im Gegensatz zu that, welches wiederum auf think folgen darf. Der Unterschied zwischen

C'

C [FIN] IP[FIN]

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whether und if auf der einen Seite und that auf der anderen Seite kann recht einfach durch ein Merkmal

[INTERROGATIV] erfaßt werden, bei welchem folgende Zuordnung gilt:

that: [–INTERROGATIV]

whether / if: [+INTERROGATIV]

Wenn wir das Merkmal bezüglich der Form des eingebetteten Satzes, also [FINIT] hinzunehmen, erhalten

wir für diese drei Konjunktionen die folgenden Merkmalsmatrizes:

that:

IVINTERROGAT -

FINIT

whether:

IVINTERROGAT FINIT

if:

IVINTERROGAT FINIT

Die Form der Konjunktion, also des C, ist durch das Verb des übergeordneten Satzes bestimmt. Der

eingebettete Satz ist Komplement dieses Verbs, und im Grunde liegt zwischen V und CP genau dieselbe

Situation vor, wie zwischen C und IP, nämlich die Abhängigkeitsbeziehung zwischen Kopf und Komplement.

Über die Perkolation der Merkmale entlang der Kopflinie ist gewährleistet, dass C die entsprechende

Merkmalsmatrix hat.

Ein Beispiel soll das Ganze illustrieren. Es geht um die VP im Satz I [know that John sleeps].

VP

V'

V CP

know C'

C IP

that NP I'

John I VP

-s sleep

Wie man sieht, ist in diesem Baum immer der gleiche Mechanismus am Werk. Durch den Kopf der VP, CP

und IP ist jeweils vorgegeben, welche Eigenschaften dessen Komplement bezüglich bestimmter Kriterien

aufweisen muß, um wohlgeformt zu sein. Über die Kopflinine perkolieren diese Merkmale durch die

gesamte Komplements–Phrase.

Somit kann über die Annahme, dass auch die funktionale Kategorie C(omp) dem X–bar Schema für Phrasen

unterliegt, und also C der Kopf ist von Konstruktionen wie that Mary laughed, if John went away usw., auf

einfache Art deren Grammatikalität bezüglich der erörterten Merkmale, die ja vom Verb des

übergeordneten Satzes vorgegeben werden, gesteuert werden.

Was an dieser Stelle (erneut) deutlich werden sollte, ist, dass die X–bar Strukturen große ökonomische

Kraft haben. Die syntaktischen Beziehungen zwischen einem Verb und dessen Objekt haben auf einer

know fordert eine CP mit den Merkmalen (u.a.) [-INTERROGATIV] und [+FINIT]

that fordert eine IP mit dem Merkmal (u.a.) [+FINIT]

-s fordert eine VP mit den Merkmalen (u.a.) [+PRES] und [SINGULAR]

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bestimmten Ebene Gemeinsamkeiten mit den Beziehungen zwischen einer Konjunktion und dem durch

diese eingeleiteten Nebensatz. Über die Repräsentation dieser Elemente in analogen Strukturen können

allgemeine Strukturprinzipien formuliert werden, wie eben 'Köpfe regieren ihre Komplemente' oder Kopf

und Spezifikator müssen bezüglich bestimmter Merkmale übereinstimmen', die dann für alle Phrasen

Gültigkeit haben.

Kommen wir nun zum zweiten der oben angesprochenen Punkte: was ist der Spezifikator der CP? Diese Frage

kann schnell beantwortet werden, denn wir haben den Grundstein für die Antwort bereits im Abschnitt über

Sätze mit Topikalisierung gelegt. Dieser endete mit dem Problem, dass für topikalisierte Elemente nicht so

recht klar war, wohin sie eigentlich bewegt werden, es mithin keinen Landeplatz für diese Konstituenten gibt.

Genau in diese Lücke springt der Spezifikator der CP: eine bereits in der D–Struktur angelegte, aber zunächst

unbesetzte Position, die Elemente aufnehmen kann, die aus ihrer ursprünglichen Position wegbewegt

werden. Weiter oben ging es um den Satz The cake, John ate. Dieser kann mit den neu gewonnenen

Einsichten wie folgt dargestellt werden:

CP

<Spezifikator> C'

The cakei C IP

NP I'

John I VP

-ed V'

V NP

eat ti

Der eingebettete Satz in I wonder [what John ate] hat eine völlig analoge Struktur:

CP

<Spezifikator> C'

whati C IP

NP I'

John I VP

-ed V'

V NP

eat ti

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Über die Spur ti bzw. deren Index geht in beiden Fällen klar hervor, dass es sich bei den Elementen in der

Spezifikator–von–C–Position um die Objekte der Verben handelt.

Somit können wir verallgemeinert die

nebenstehende X–bar Struktur für

englische Sätze annehmen: Die CP ist

ist eine Projektion der Kategorie C. C

ist eine funktionale Kategorie, die u.a

Merkmale wie [FINIT] enthält und

durch eine nebensatzeinleitende

Konjunktion lexikalisch realisiert sein

kann. Der Spezifikator von C ist eine

Positionskategorie, die als Landeplatz

für bewegte Konstituenten fungiert. Komplement von C ist eine IP, die bezüglich bestimmter Merkmale mit

C übereinstimmen muß. Diese IP ist ihrerseits eine Projektion der Kategorie I. I ist eine funktionale

Kategorie, die Träger der für den Satz relevanten Merkmale wie z.B. [PAST] ist und durch Modalverben

oder das englische Dummy–do lexikalisch realisiert sein kann. Der Spezifikator der IP ist das Subjekt des

Satzes, das Komplement von I ist die Verbalphrase des Satzes. Sowohl Subjekt als auch Verbalphrase

müssen bezüglich bestimmter Merkmale mit I übereinstimmen.

CP

<Spezifkator> C'

C IP

<Subjekt> I'

I VP