Grundgesetz und Landesverfassung Europäische ... · Die Europäische Menschenrechtskonvention hat...

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Grundgesetz und Landesverfassung Europäische Menschenrechtskonvention Gemeindeordnung

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Grundgesetz und Landesverfassung

Europäische Menschenrechtskonvention

Gemeindeordnung

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GRUNDGESETZUND

LANDESVERFASSUNG

EUROPÄISCHE KONVENTIONzum Schutze der Menschenrechte

und Grundfreiheiten

GEMEINDEORDNUNG

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Herausgegeben von derLandeszentrale für politische Bildung

Rheinland-PfalzAm Kronberger Hof 6

55116 Mainz

42. Auflage, Mainz 2000

(erstmals herausgegeben 1957 vomInstitut für staatsbürgerliche Bildung in Rheinland-Pfalz)

Druck und Bindung: Progressdruck GmbH, Speyer

Umschlaggestaltung: Bernd Carow, Mainz

Politische Bildung

Lan

des

zent

rale

für

Rheinland - Pfalz

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INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Änderungstabelle Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

Europäische Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . 93

Die Mitgliedstaaten des Europarats . . . . . . . . . . . . . . 116

Landesverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Gemeindeordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

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VORWORT

Grundgesetz und Landesverfassungregeln die rechtliche Grundordnung desStaates und schreiben das Wertefunda-ment unseres Gemeinwesens fest. In derVerfassung als höchster Rechtsnorm wer-den die Leitprinzipien bestimmt, nach

denen staatliche Macht ausgeübt werden darf, etwa das Demokra-tie- und Rechtsstaatsprinzip. Sie hat die grundlegenden gesell-schaftlichen Wertentscheidungen zu treffen, beispielsweise dieUnantastbarkeit der Würde des Menschen.

Grundgesetz und Landesverfassung werden diesen Aufgaben seitmehr als 50 Jahren gerecht. Sie wurden behutsam geändert, um aufgesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren oder Orientierung aufneue Fragestellungen zu bieten. Alle Verfassungsänderungenbedurften und bedürfen zu Recht eines breiten politischen Kon-senses über Parteigrenzen hinweg, weil sie nur mit Zweidrittel-Mehrheit möglich sind.

Eine intensive Diskussion über die Reform des Grundgesetzes wur-de mit der Einheit Deutschlands begonnen. Im Ergebnis wurdenunter anderem die stärkere Förderung der Gleichberechtigung vonFrauen und Männern, das Staatsziel Umweltschutz und dasBenachteiligungsverbot für Behinderte in der Verfassung verankert.Die Landesregierung Rheinland-Pfalz hat sich überdies mit Erfolgdafür eingesetzt, dass die Rolle der Länder in einem geeinten Euro-pa auch verfassungsrechtlich abgesichert wurde.

Nachdem in Rheinland-Pfalz bereits 1993 die Direktwahl vonBürgermeistern und Landräten eingeführt wurde, sind mit derÄnderung unserer Landesverfassung vom 18. Mai 2000 weitereMöglichkeiten einer unmittelbaren Mitwirkung geschaffen wor-den: Volksbegehren wurden erleichtert, zusätzlich gibt es jetzt die„Volksinitiative“. Verankert wurde auch die Verfassungsbeschwerdebeim Verfassungsgerichtshof.

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Wichtige Fortschreibungen hat es im Grundrechtsabschnitt derLandesverfassung gegeben, beispielsweise bei der Gleichstellungvon Frauen und Männern, beim Datenschutz, bei der Achtung vonMinderheiten. Änderungen beziehen sich – neben Aussagen zursozialen Marktwirtschaft – auch auf Familie und Kinderrechte, aufdie Förderung von Kultur, Sport, Beschäftigung, Wohnraum unddie Integration Behinderter. Der Artikel zum Umweltschutz wurdepräziser gefasst und – anders als bislang auf Bundesebene möglich– auch der Tierschutz ausdrücklich verfassungsrechtlich verankert.

Die Europäische Menschenrechtskonvention hat große Bedeutungfür den Schutz von Grund- und Menschenrechten; darüber hinaushat inzwischen eine lebhafte Diskussion über einen gemeinsamenGrundrechtskatalog für die Europäische Union eingesetzt.

Ich wünsche mir, dass alle Bürgerinnen und Bürger, vor allemSchüler und Jugendliche, beim Lesen dieser Textausgabe erkennen,wie wichtig es ist, sich immer wieder mit den Grundlagen unseresdemokratischen Staates zu befassen. Nur so kann ein Verfassungs-patriotismus entstehen und Wurzeln fassen, der uns befähigt, dieHerausforderungen an unsere Gesellschaft im Geiste der Solidaritätund Gerechtigkeit und unter Wahrung der demokratischen Regelnzu meistern.

Kurt BeckMinisterpräsident von Rheinland-Pfalz

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Grundgesetz für dieBundesrepublik Deutschland

vom 23. Mai 1949

Gliederung

I. Die Grundrechte . . . . . . . . . . . Art. 1 – 19II. Der Bund und die Länder . . . . . . . Art. 20 – 37

III. Der Bundestag . . . . . . . . . . . . Art. 38 – 48IV. Der Bundesrat . . . . . . . . . . . . Art. 50 – 53

IVa. Gemeinsamer Ausschuß . . . . . . . . Art. 53 aV. Der Bundespräsident . . . . . . . . . Art. 54 – 61

VI. Die Bundesregierung . . . . . . . . . Art. 62 – 69VII. Die Gesetzgebung des Bundes . . . . Art. 70 – 82

VIII. Die Ausführung der Bundesgesetze unddie Bundesverwaltung . . . . . . . . . Art. 83 – 91

VIIIa. Gemeinschaftsaufgaben . . . . . . . . Art. 91 a– 91 bIX. Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . Art. 92 – 104X. Das Finanzwesen . . . . . . . . . . . Art. 104 a– 115

X a. Verteidigungsfall . . . . . . . . . . . Art. 115 a– 115 lXI. Übergangs- und Schlußbestimmungen Art. 116 – 146

Der Parlamentarische Rat hat am 23. Mai 1949 in Bonn am Rheinin öffentlicher Sitzung festgestellt, daß das am 8. Mai des Jahres1949 vom Parlamentarischen Rat beschlossene Grundgesetz für dieBundesrepublik Deutschland in der Woche vom 16.–22. Mai 1949durch die Volksvertretungen von mehr als Zweidritteln der betei-ligten deutschen Länder angenommen worden ist.

Auf Grund dieser Feststellung hat der Parlamentarische Rat, vertre-ten durch seine Präsidenten, das Grundgesetz ausgefertigt und ver-kündet.

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Das Grundgesetz wird hiermit gemäß Artikel 145 Absatz 3 imBundesgesetzblatt veröffentlicht.

Präambel

Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen,von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem ver-einten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deut-sche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundge-setz gegeben.Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Ber-lin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vor-pommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz,Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein undThüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Frei-heit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für dasgesamte Deutsche Volk.

I. Die Grundrechte

Artikel 1 [Menschenwürde, Rechtsverbindlichkeit der Grundrechte](1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten undzu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichenund unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jedermenschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit inder Welt.(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, voll-ziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendesRecht.

Artikel 2 [Freiheit der Person](1) Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit,soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die ver-fassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nurauf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

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Präambel GG

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Artikel 3 [Gleichheit vor dem Gesetz](1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördertdie tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauenund Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteilehin.(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung,seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seinesGlaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungenbenachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seinerBehinderung benachteiligt werden.

Artikel 4 [Glaubens- und Gewissensfreiheit](1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit desreligiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit derWaffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Artikel 5 [Freiheit der Meinungsäußerung, Freiheit von Kunst,Wissenschaft und Lehre]

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bildfrei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugängli-chen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit unddie Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film wer-den gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften derallgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutzeder Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. DieFreiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Artikel 6 [Ehe und Familie](1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz derstaatlichen Ordnung.(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht derEltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihreBetätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

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Artikel 3 GG

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(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kindernur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden,wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinderaus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorgeder Gemeinschaft.(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung diegleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklungund ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichenKindern.

Artikel 7 [Schulwesen](1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teil-nahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mitAusnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach.Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsun-terricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religions-gemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen ver-pflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewähr-leistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfender Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgeset-zen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulenin ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftli-chen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichenSchulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach denBesitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmi-gung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stel-lung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unter-richtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkenntoder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemein-schaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errich-tet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in derGemeinde nicht besteht.(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

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Artikel 7 GG

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Artikel 8 [Versammlungsfreiheit](1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oderErlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Rechtdurch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Artikel 9 [Vereins- und Koalitionsfreiheit](1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaftenzu bilden.(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Straf-gesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßigeOrdnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung rich-ten, sind verboten.(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- undWirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jeder-mann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Rechteinschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hieraufgerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach denArtikeln 12 a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrungund Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Ver-einigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Artikel 10 [Brief- und Postgeheimnis](1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnissind unverletzlich.(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes ange-ordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitli-chen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder derSicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetzbestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daßan die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von derVolksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.

Artikel 11 [Freizügigkeit](1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund einesGesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine

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Artikel 8 GG

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ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allge-meinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denenes zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder diefreiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder einesLandes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophenoder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugendvor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen,erforderlich ist.

Artikel 12 [Freie Berufswahl](1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Aus-bildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durchGesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden,außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle glei-chen öffentlichen Dienstleistungspflicht.(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Frei-heitsentziehung zulässig.

Artikel 12 a [Dienstpflicht](1) Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr anzum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder ineinem Zivilschutzverband verpflichtet werden.(2) Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffeverweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden. DieDauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nichtübersteigen. Das Nähere regelt ein Gesetz, das die Freiheit derGewissensentscheidung nicht beeinträchtigen darf und auch eineMöglichkeit des Ersatzdienstes vorsehen muß, die in keinemZusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte und des Bun-desgrenzschutzes steht.(3) Wehrpflichtige, die nicht zu einem Dienst nach Absatz 1 oder2 herangezogen sind, können im Verteidigungsfalle durch Gesetzoder auf Grund eines Gesetzes zu zivilen Dienstleistungen fürZwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbe-völkerung in Arbeitsverhältnisse verpflichtet werden; Verpflichtun-gen in öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse sind nur zur Wahr-nehmung polizeilicher Aufgaben oder solcher hoheitlichen Aufga-

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Artikel 12 GG

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ben der öffentlichen Verwaltung, die nur in einem öffentlich-recht-lichen Dienstverhältnis erfüllt werden können, zulässig. Arbeitsver-hältnisse nach Satz 1 können bei den Streitkräften, im Bereichihrer Versorgung sowie bei der öffentlichen Verwaltung begründetwerden; Verpflichtungen in Arbeitsverhältnisse im Bereich der Ver-sorgung der Zivilbevölkerung sind nur zulässig, um ihren lebens-notwendigen Bedarf zu decken oder ihren Schutz sicherzustellen.(4) Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an zivilen Dienstlei-stungen im zivilen Sanitäts- und Heilwesen sowie in der ortsfestenmilitärischen Lazarettorganisation nicht auf freiwilliger Grundlagegedeckt werden, so können Frauen vom vollendeten achtzehntenbis zum vollendeten fünfundfünfzigsten Lebensjahr durch Gesetzoder auf Grund eines Gesetzes zu derartigen Dienstleistungen her-angezogen werden. Sie dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffeleisten.(5) Für die Zeit vor dem Verteidigungsfalle können Verpflichtun-gen nach Absatz 3 nur nach Maßgabe des Artikels 80 a Abs. 1begründet werden. Zur Vorbereitung auf Dienstleistungen nachAbsatz 3, für die besondere Kenntnisse oder Fertigkeiten erforder-lich sind, kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes dieTeilnahme an Ausbildungsveranstaltungen zur Pflicht gemachtwerden. Satz 1 findet insoweit keine Anwendung.(6) Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an Arbeitskräften fürdie in Absatz 3 Satz 2 genannten Bereiche auf freiwilliger Grundla-ge nicht gedeckt werden, so kann zur Sicherung dieses Bedarfs dieFreiheit der Deutschen, die Ausübung eines Berufs oder denArbeitsplatz aufzugeben, durch Gesetz oder auf Grund eines Geset-zes eingeschränkt werden. Vor Eintritt des Verteidigungsfalles giltAbsatz 5 Satz 1 entsprechend.

Artikel 13 [Unverletzlichkeit der Wohnung](1) Die Wohnung ist unverletzlich.(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr imVerzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderenOrgane angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Formdurchgeführt werden.(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemandeine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat

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Artikel 13 GG

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begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richter-licher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachungvon Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich auf-hält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts aufandere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre.Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durcheinen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr imVerzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffenwerden.(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicher-heit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr,dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nurauf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahrim Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlichbestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entschei-dung ist unverzüglich nachzuholen.(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der beieinem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kanndie Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnetwerden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangtenErkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder derGefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeitder Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge istdie richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich überden nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich desBundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürf-tig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vomBundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage diesesBerichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährlei-sten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zurAbwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzel-ne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung drin-gender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, ins-besondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seu-chengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenom-men werden.

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Artikel 13 GG

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Artikel 14 [Gewährleistung des Eigentums](1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhaltund Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohleder Allgemeinheit dienen.(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, dasArt und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung istunter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und derBeteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung stehtim Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Artikel 15 [Überführung in Gemeineigentum]Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel könnenzum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art undAusmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder inandere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für dieEntschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

Artikel 16 [Staatsangehörigkeit, Auslieferung](1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden.Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund einesGesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintre-ten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden.

Artikel 16 a [Asylrecht](1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitglied-staat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderenDrittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über dieRechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze derMenschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staatenaußerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Vorausset-zungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustim-mung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einemhiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

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Artikel 14 GG

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(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf,können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund derRechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischenVerhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Ver-folgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oderBehandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer auseinem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachenvorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Ver-mutung politisch verfolgt wird.(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird inden Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlichunbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten,durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an derRechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfangkann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberück-sichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen vonMitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinanderund mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung derVerpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung derFlüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechteund Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaatensichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfungvon Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennungvon Asylentscheidungen treffen.

Artikel 17 [Petitionsrecht]Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mitanderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständi-gen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.

Artikel 17a [Einschränkung der Grundrechte im Wehrdienst](1) Gesetze über Wehrdienst und Ersatzdienst können bestimmen,daß für die Angehörigen der Streitkräfte und des Ersatzdiensteswährend der Zeit des Wehr- oder Ersatzdienstes das Grundrecht,seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zuverbreiten (Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz), das Grundrechtder Versammlungsfreiheit (Artikel 8) und das Petitionsrecht (Arti-

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Artikel 17 GG

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kel 17), soweit es das Recht gewährt, Bitten oder Beschwerden inGemeinschaft mit anderen vorzubringen, eingeschränkt werden.(2) Gesetze, die der Verteidigung einschließlich des Schutzes derZivilbevölkerung dienen, können bestimmen, daß die Grundrechteder Freizügigkeit (Artikel 11) und der Unverletzlichkeit der Woh-nung (Artikel 13) eingeschränkt werden.

Artikel 18 [Verwirkung von Grundrechten]Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefrei-heit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Ver-sammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9),das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigen-tum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16 a) zum Kampfegegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht,verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß wer-den durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.

Artikel 19 [Einschränkung der Grundrechte, Gewährleistung desRechtsweges]

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetzoder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß dasGesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdemmuß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehaltangetastet werden.(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Perso-nen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechtenverletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andereZuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweggegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

II. Der Bund und die Länder

Artikel 20 [Staatsform, Rechtsstaatlichkeit](1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer undsozialer Bundesstaat.

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Artikel 18 GG

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(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke inWahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetz-gebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, dievollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz undRecht gebunden.(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen,haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andereAbhilfe nicht möglich ist.

Artikel 20 a [Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen]Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Genera-tionen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfas-sungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maß-gabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und dieRechtsprechung.

Artikel 21 [Die Parteien](1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung desVolkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung mußdemokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über dieHerkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögenöffentlich Rechenschaft geben.(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrerAnhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grund-ordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestandder Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungs-widrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet dasBundesverfassungsgericht.(3) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

Artikel 22 [Bundesflagge]Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.

Artikel 23 [Die Europäische Union](1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundes-republik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Uni-on mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und födera-

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Artikel 20a GG

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tiven Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflich-tet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichba-ren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durchGesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertra-gen. Für die Begründung der Europäischen Union sowie für Ände-rungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelun-gen, durch die dieses Grundgesetz seinem Inhalt nach geändertoder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungenermöglicht werden, gilt Artikel 79 Abs. 2 und 3.(2) In Angelegenheiten der Europäischen Union wirken der Bun-destag und durch den Bundesrat die Länder mit. Die Bundesregie-rung hat den Bundestag und den Bundesrat umfassend und zumfrühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten.(3) Die Bundesregierung gibt dem Bundestag Gelegenheit zurStellungnahme vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten derEuropäischen Union. Die Bundesregierung berücksichtigt die Stel-lungnahmen des Bundestages bei den Verhandlungen. Das Nähereregelt ein Gesetz.(4) Der Bundesrat ist an der Willensbildung des Bundes zu beteili-gen, soweit er an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahmemitzuwirken hätte oder soweit die Länder innerstaatlich zuständigwären.(5) Soweit in einem Bereich ausschließlicher Zuständigkeiten desBundes Interessen der Länder berührt sind oder soweit im übrigender Bund das Recht zur Gesetzgebung hat, berücksichtigt die Bun-desregierung die Stellungnahme des Bundesrates. Wenn imSchwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrich-tung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betroffensind, ist bei der Willensbildung des Bundes insoweit die Auffas-sung des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen; dabei ist diegesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren. In Angele-genheiten, die zu Ausgabenerhöhungen oder Einnahmeminderun-gen für den Bund führen können, ist die Zustimmung der Bundes-regierung erforderlich.(6) Wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefug-nisse der Länder betroffen sind, soll die Wahrnehmung der Rechte,die der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäi-schen Union zustehen, vom Bund auf einen vom Bundesrat

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Artikel 23 GG

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benannten Vertreter der Länder übertragen werden. Die Wahrneh-mung der Rechte erfolgt unter Beteiligung und in Abstimmungmit der Bundesregierung; dabei ist die gesamtstaatliche Verantwor-tung des Bundes zu wahren.(7) Das Nähere zu den Absätzen 4 bis 6 regelt ein Gesetz, das derZustimmung des Bundesrates bedarf.

Artikel 24 [Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen]

(1) Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaat-liche Einrichtungen übertragen.(1 a) Soweit die Länder für die Ausübung der staatlichen Befugnis-se und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben zuständig sind, kön-nen sie mit Zustimmung der Bundesregierung Hoheitsrechte aufgrenznachbarschaftliche Einrichtungen übertragen.(2) Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem Systemgegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei indie Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die einefriedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen denVölkern der Welt herbeiführen und sichern.(3) Zur Regelung zwischenstaatlicher Streitigkeiten wird der BundVereinbarungen über eine allgemeine, umfassende, obligatorische,internationale Schiedsgerichtsbarkeit beitreten.

Artikel 25 [Vorrang des Völkerrechtes]Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil desBundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechteund Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.

Artikel 26 [Friedenssicherung](1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenom-men werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören,insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sindverfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.(2) Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmi-gung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehrgebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

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Artikel 24 GG

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Artikel 27 [Handelsflotte]Alle deutschen Kauffahrteischiffe bilden eine einheitliche Handels-flotte.

Artikel 28 [Normativbestimmungen für Landesverfassungen,Garantie der Selbstverwaltung]

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß denGrundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialenRechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In denLändern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretunghaben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen undgeheimen Wahlen hervorgegangen ist.Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die dieStaatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der EuropäischenGemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäi-schen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar.In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft dieGemeindeversammlung treten.(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angele-genheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze ineigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände habenim Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe derGesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung derSelbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigen-verantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeindenmit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftsbezogene Steuerquelle.(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnungder Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze1 und 2 entspricht.

Artikel 29 [Neugliederung des Bundesgebietes](1) Das Bundesgebiet kann neu gegliedert werden, um zu gewähr-leisten, daß die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit dieihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können. Dabei sinddie landsmannschaftliche Verbundenheit, die geschichtlichen undkulturellen Zusammenhänge, die wirtschaftliche Zweckmäßigkeitsowie die Erfordernisse der Raumordnung und der Landesplanungzu berücksichtigen.

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Artikel 27 GG

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(2) Maßnahmen zur Neugliederung des Bundesgebietes ergehendurch Bundesgesetz, das der Bestätigung durch Volksentscheidbedarf. Die betroffenen Länder sind zu hören.(3) Der Volksentscheid findet in den Ländern statt, aus derenGebieten oder Gebietsteilen ein neues oder neu umgrenztes Landgebildet werden soll (betroffene Länder). Abzustimmen ist über dieFrage, ob die betroffenen Länder wie bisher bestehenbleiben sollenoder ob das neue oder neu umgrenzte Land gebildet werden soll.Der Volksentscheid für die Bildung eines neuen oder neu umgrenz-ten Landes kommt zustande, wenn in dessen künftigem Gebietund insgesamt in den Gebieten oder Gebietsteilen eines betroffe-nen Landes, deren Landeszugehörigkeit im gleichen Sinne geändertwerden soll, jeweils eine Mehrheit der Änderung zustimmt. Erkommt nicht zustande, wenn im Gebiet eines der betroffenen Län-der eine Mehrheit die Änderung ablehnt; die Ablehnung ist jedochunbeachtlich, wenn in einem Gebietsteil, dessen Zugehörigkeit zudem betroffenen Land geändert werden soll, eine Mehrheit vonzwei Dritteln der Änderung zustimmt, es sei denn, daß imGesamtgebiet des betroffenen Landes eine Mehrheit von zwei Drit-teln die Änderung ablehnt.(4) Wird in einem zusammenhängenden, abgegrenzten Siedlungs-und Wirtschaftsraum, dessen Teile in mehreren Ländern liegenund der mindestens eine Million Einwohner hat, von einem Zehn-tel der in ihm zum Bundestag Wahlberechtigten durch Volksbegeh-ren gefordert, daß für diesen Raum eine einheitliche Landeszu-gehörigkeit herbeigeführt werde, so ist durch Bundesgesetz inner-halb von zwei Jahren entweder zu bestimmen, ob die Landeszu-gehörigkeit gemäß Absatz 2 geändert wird, oder daß in den betrof-fenen Ländern eine Volksbefragung stattfindet.(5) Die Volksbefragung ist darauf gerichtet festzustellen, ob eine indem Gesetz vorzuschlagende Änderung der LandeszugehörigkeitZustimmung findet. Das Gesetz kann verschiedene, jedoch nichtmehr als zwei Vorschläge der Volksbefragung vorlegen. Stimmteine Mehrheit einer vorgeschlagenen Änderung der Landeszu-gehörigkeit zu, so ist durch Bundesgesetz innerhalb von zwei Jah-ren zu bestimmen, ob die Landeszugehörigkeit gemäß Absatz 2geändert wird. Findet ein der Volksbefragung vorgelegter Vorschlageine den Maßgaben des Absatzes 3 Satz 3 und 4 entsprechende

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Artikel 29 GG

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Zustimmung, so ist innerhalb von zwei Jahren nach der Durch-führung der Volksbefragung ein Bundesgesetz zur Bildung des vor-geschlagenen Landes zu erlassen, das der Bestätigung durch Volks-entscheid nicht mehr bedarf.(6) Mehrheit im Volksentscheid und in der Volksbefragung ist dieMehrheit der abgegebenen Stimmen, wenn sie mindestens einViertel der zum Bundestag Wahlberechtigten umfaßt. Im übrigenwird das Nähere über Volksentscheid, Volksbegehren und Volksbe-fragung durch ein Bundesgesetz geregelt; dieses kann auch vorse-hen, daß Volksbegehren innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jah-ren nicht wiederholt werden können.(7) Sonstige Änderungen des Gebietsbestandes der Länder könnendurch Staatsverträge der beteiligten Länder oder durch Bundesge-setz mit Zustimmung des Bundesrates erfolgen, wenn das Gebiet,dessen Landeszugehörigkeit geändert werden soll, nicht mehr als50 000 Einwohner hat. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, dasder Zustimmung des Bundesrates und der Mehrheit der Mitgliederdes Bundestages bedarf. Es muß die Anhörung der betroffenenGemeinden und Kreise vorsehen.(8) Die Länder können eine Neugliederung für das jeweils von ihnenumfaßte Gebiet oder für Teilgebiete abweichend von den Vorschriftender Absätze 2 bis 7 durch Staatsvertrag regeln. Die betroffenen Gemein-den und Kreise sind zu hören. Der Staatsvertrag bedarf der Bestätigungdurch Volksentscheid in jedem beteiligten Land. Betrifft der Staatsver-trag Teilgebiete der Länder, kann die Bestätigung auf Volksentscheide indiesen Teilgebieten beschränkt werden; Satz 5 zweiter Halbsatz findetkeine Anwendung. Bei einem Volksentscheid entscheidet die Mehrheitder abgegebenen Stimmen, wenn sie mindestens ein Viertel der zumBundestag Wahlberechtigten umfaßt; das Nähere regelt ein Bundesge-setz. Der Staatsvertrag bedarf der Zustimmung des Bundestages.

Artikel 30 [Hoheitsrechte der Länder]Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung derstaatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundge-setz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.

Artikel 31 [Vorrang des Bundesrechtes]Bundesrecht bricht Landesrecht.

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Artikel 30 GG

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Artikel 32 [Auswärtige Beziehungen](1) Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist Sachedes Bundes.(2) Vor dem Abschlusse eines Vertrages, der die besonderen Ver-hältnisse eines Landes berührt, ist das Land rechtzeitig zu hören.(3) Soweit die Länder für die Gesetzgebung zuständig sind, kön-nen sie mit Zustimmung der Bundesregierung mit auswärtigenStaaten Verträge abschließen.

Artikel 33 [Staatsbürgerliche Rechte und Pflichten, Zugang zuöffentlichen Ämtern, öffentlicher Dienst]

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerli-chen Rechte und Pflichten.(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fach-lichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, dieZulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dien-ste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösenBekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nicht-zugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauungein Nachteil erwachsen.(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständigeAufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zuübertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treue-verhältnis stehen.(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichti-gung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zuregeln.

Artikel 34 [Haftung bei Amtspflichtverletzung]Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichenAmtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht,so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder dieKörperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder groberFahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruchauf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentlicheRechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

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Artikel 32 GG

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Artikel 35 [Rechts- und Amtshilfe](1) Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegensei-tig Rechts- und Amtshilfe.(2) Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentli-chen Sicherheit oder Ordnung kann ein Land in Fällen von beson-derer Bedeutung Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenz-schutzes zur Unterstützung seiner Polizei anfordern, wenn die Poli-zei ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur untererheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte. Zur Hilfe bei einerNaturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfallkann ein Land Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrich-tungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes undder Streitkräfte anfordern.(3) Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall dasGebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweites zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregie-rungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zurVerfügung zu stellen, sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzesund der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen.Maßnahmen der Bundesregierung nach Satz 1 sind jederzeit aufVerlangen des Bundesrates, im übrigen unverzüglich nach Beseiti-gung der Gefahr aufzuheben.

Artikel 36 [Bundesbeamte: Landsmannschaftlicher Grundsatz](1) Bei den obersten Bundesbehörden sind Beamte aus allen Län-dern in angemessenem Verhältnis zu verwenden. Die bei den übri-gen Bundesbehörden beschäftigten Personen sollen in der Regelaus dem Lande genommen werden, in dem sie tätig sind.(2) Die Wehrgesetze haben auch die Gliederung des Bundes inLänder und ihre besonderen landsmannschaftlichen Verhältnisse zuberücksichtigen.

Artikel 37 [Bundeszwang](1) Wenn ein Land die ihm nach dem Grundgesetze oder einemanderen Bundesgesetze obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt,kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates dienotwendigen Maßnahmen treffen, um das Land im Wege des Bun-deszwanges zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten.

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Artikel 35 GG

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(2) Zur Durchführung des Bundeszwanges hat die Bundesregie-rung oder ihr Beauftragter das Weisungsrecht gegenüber allen Län-dern und ihren Behörden.

III. Der Bundestag

Artikel 38 [Wahl und Mandat](1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in all-gemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahlgewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge undWeisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendethat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährig-keit eintritt.(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

Artikel 39 [Wahlperiode, Zusammentritt, Einberufung](1) Der Bundestag wird vorbehaltlich der nachfolgenden Bestim-mungen auf vier Jahre gewählt. Seine Wahlperiode endet mit demZusammentritt eines neuen Bundestages. Die Neuwahl findetfrühestens sechsundvierzig, spätestens achtundvierzig Monate nachBeginn der Wahlperiode statt. Im Falle einer Auflösung des Bun-destages findet die Neuwahl innerhalb von sechzig Tagen statt.(2) Der Bundestag tritt spätestens am dreißigsten Tag nach derWahl zusammen.(3) Der Bundestag bestimmt den Schluß und den Wiederbeginnseiner Sitzungen. Der Präsident des Bundestages kann ihn frühereinberufen. Er ist hierzu verpflichtet, wenn ein Drittel der Mitglie-der, der Bundespräsident oder der Bundeskanzler es verlangen.

Artikel 40 [Präsidium, Geschäftsordnung](1) Der Bundestag wählt seinen Präsidenten, dessen Stellvertreterund die Schriftführer. Er gibt sich eine Geschäftsordnung.(2) Der Präsident übt das Hausrecht und die Polizeigewalt imGebäude des Bundestages aus. Ohne seine Genehmigung darf inden Räumen des Bundestages keine Durchsuchung oder Beschlag-nahme stattfinden.

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Artikel 38 GG

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Artikel 41 [Wahlprüfung](1) Die Wahlprüfung ist Sache des Bundestages. Er entscheidet auch,ob ein Abgeordneter des Bundestages die Mitgliedschaft verloren hat.(2) Gegen die Entscheidung des Bundestages ist die Beschwerdean das Bundesverfassungsgericht zulässig.(3) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Artikel 42 [Öffentlichkeit der Sitzung, Beschlußfassung, Berichte](1) Der Bundestag verhandelt öffentlich. Auf Antrag eines Zehn-tels seiner Mitglieder oder auf Antrag der Bundesregierung kannmit Zweidrittelmehrheit die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.Über den Antrag wird in nichtöffentlicher Sitzung entschieden.(2) Zu einem Beschlusse des Bundestages ist die Mehrheit derabgegebenen Stimmen erforderlich, soweit dieses Grundgesetznichts anderes bestimmt. Für die vom Bundestage vorzunehmen-den Wahlen kann die Geschäftsordnung Ausnahmen zulassen.(3) Wahrheitsgetreue Berichte über die öffentlichen Sitzungen desBundestages und seiner Ausschüsse bleiben von jeder Verantwort-lichkeit frei.

Artikel 43 [Teilnahme der Regierungs- und Bundesratsmitglieder](1) Der Bundestag und seine Ausschüsse können die Anwesenheitjedes Mitgliedes der Bundesregierung verlangen.(2) Die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierungsowie ihre Beauftragten haben zu allen Sitzungen des Bundestagesund seiner Ausschüsse Zutritt. Sie müssen jederzeit gehört werden.

Artikel 44 [Untersuchungsausschüsse](1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels sei-ner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzuset-zen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweiseerhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Straf-prozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmelde-geheimnis bleibt unberührt.(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- undAmtshilfe verpflichtet.

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Artikel 41 GG

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(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterli-chen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des derUntersuchung zugrundeliegenden Sachverhalts sind die Gerichte frei.

Artikel 45 [Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union]Der Bundestag bestellt einen Ausschuß für die Angelegenheitender Europäischen Union. Er kann ihn ermächtigen, die Rechte desBundestages gemäß Artikel 23 gegenüber der Bundesregierungwahrzunehmen.

Artikel 45 a [Auswärtiger Ausschuß, Ausschuß für Verteidigung](1) Der Bundestag bestellt einen Ausschuß für auswärtige Angele-genheiten und einen Ausschuß für Verteidigung.(2) Der Ausschuß für Verteidigung hat auch die Rechte einesUntersuchungsausschusses. Auf Antrag eines Viertels seiner Mit-glieder hat er die Pflicht, eine Angelegenheit zum Gegenstand sei-ner Untersuchung zu machen.(3) Artikel 44 Absatz 1 findet auf dem Gebiet der Verteidigungkeine Anwendung.

Artikel 45 b [Wehrbeauftragter]Zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages beider Ausübung der parlamentarischen Kontrolle wird ein Wehrbeauf-tragter des Bundestages berufen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Artikel 45 c [Petitionsausschuß](1) Der Bundestag bestellt einen Petitionsausschuß, dem dieBehandlung der nach Artikel 17 an den Bundestag gerichteten Bit-ten und Beschwerden obliegt.(2) Die Befugnisse des Ausschusses zur Überprüfung vonBeschwerden regelt ein Bundesgesetz.

Artikel 46 [Indemnität, Immunität](1) Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstim-mung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestage oder ineinem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich ver-folgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortunggezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.

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Artikel 45 GG

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(2) Wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung darf ein Abgeord-neter nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortunggezogen oder verhaftet werden, es sei denn, daß er bei Begehung derTat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird.(3) Die Genehmigung des Bundestages ist ferner bei jeder anderenBeschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten oderzur Einleitung eines Verfahrens gegen einen Abgeordneten gemäßArtikel 18 erforderlich.(4) Jedes Strafverfahren und jedes Verfahren gemäß Artikel 18gegen einen Abgeordneten, jede Haft und jede sonstige Beschrän-kung seiner persönlichen Freiheit sind auf Verlangen des Bundes-tages auszusetzen.

Artikel 47 [Zeugnisverweigerungsrecht]Die Abgeordneten sind berechtigt, über Personen, die ihnen in ihrerEigenschaft als Abgeordnete oder denen sie in dieser EigenschaftTatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst dasZeugnis zu verweigern. Soweit dieses Zeugnisverweigerungsrechtreicht, ist die Beschlagnahme von Schriftstücken unzulässig.

Artikel 48 [Kandidatur, Mandatsschutz, Entschädigung](1) Wer sich um einen Sitz im Bundestage bewirbt, hat Anspruchauf den zur Vorbereitung seiner Wahl erforderlichen Urlaub.(2) Niemand darf gehindert werden, das Amt eines Abgeordnetenzu übernehmen und auszuüben. Eine Kündigung oder Entlassungaus diesem Grunde ist unzulässig.(3) Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihreUnabhängigkeit sichernde Entschädigung. Sie haben das Recht derfreien Benutzung aller staatlichen Verkehrsmittel. Das Nähereregelt ein Bundesgesetz.

Artikel 49 [aufgehoben]

IV. Der Bundesrat

Artikel 50 [Aufgabe]Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung undVerwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der EuropäischenUnion mit.

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Artikel 47 GG

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Artikel 51 [Zusammensetzung](1) Der Bundesrat besteht aus Mitgliedern der Regierungen derLänder, die sie bestellen und abberufen. Sie können durch andereMitglieder ihrer Regierungen vertreten werden.(2) Jedes Land hat mindestens drei Stimmen, Länder mit mehr alszwei Millionen Einwohnern haben vier, Länder mit mehr als sechsMillionen Einwohnern fünf, Länder mit mehr als sieben MillionenEinwohnern sechs Stimmen.(3) Jedes Land kann so viele Mitglieder entsenden, wie es Stimmenhat. Die Stimmen eines Landes können nur einheitlich und nurdurch anwesende Mitglieder oder deren Vertreter abgegeben werden.

Artikel 52 [Präsident, Geschäftsordnung](1) Der Bundesrat wählt seinen Präsidenten auf ein Jahr.(2) Der Präsident beruft den Bundesrat ein. Er hat ihn einzuberu-fen, wenn die Vertreter von mindestens zwei Ländern oder dieBundesregierung es verlangen.(3) Der Bundesrat faßt seine Beschlüsse mit mindestens der Mehr-heit seiner Stimmen. Er gibt sich eine Geschäftsordnung. Er ver-handelt öffentlich. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.(3 a) Für Angelegenheiten der Europäischen Union kann der Bun-desrat eine Europakammer bilden, deren Beschlüsse als Beschlüsse desBundesrates gelten; Artikel 51 Abs. 2 und 3 Satz 2 gilt entsprechend.(4) Den Ausschüssen des Bundesrates können andere Mitgliederoder Beauftragte der Regierungen der Länder angehören.

Artikel 53 [Teilnahme der Regierungsmitglieder]Die Mitglieder der Bundesregierung haben das Recht und auf Verlan-gen die Pflicht, an den Verhandlungen des Bundesrates und seinerAusschüsse teilzunehmen. Sie müssen jederzeit gehört werden. DerBundesrat ist von der Bundesregierung über die Führung derGeschäfte auf dem laufenden zu halten.

IVa. Gemeinsamer Ausschuß

Artikel 53a [Zusammensetzung und Aufgaben](1) Der Gemeinsame Ausschuß besteht zu zwei Dritteln aus Abge-ordneten des Bundestages, zu einem Drittel aus Mitgliedern des

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Artikel 51 GG

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Bundesrates. Die Abgeordneten werden vom Bundestage entspre-chend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen bestimmt; sie dürfennicht der Bundesregierung angehören. Jedes Land wird durch einvon ihm bestelltes Mitglied des Bundesrates vertreten; diese Mit-glieder sind nicht an Weisungen gebunden. Die Bildung desGemeinsamen Ausschusses und sein Verfahren werden durch eineGeschäftsordnung geregelt, die vom Bundestage zu beschließen istund der Zustimmung des Bundesrates bedarf.(2) Die Bundesregierung hat den Gemeinsamen Ausschuß überihre Planungen für den Verteidigungsfall zu unterrichten. DieRechte des Bundestages und seiner Ausschüsse nach Artikel 43Abs. 1 bleiben unberührt.

V. Der Bundespräsident

Artikel 54 [Wahl](1) Der Bundespräsident wird ohne Aussprache von der Bundes-versammlung gewählt. Wählbar ist jeder Deutsche, der das Wahl-recht zum Bundestage besitzt und das vierzigste Lebensjahr vollen-det hat.(2) Das Amt des Bundespräsidenten dauert fünf Jahre.Anschließende Wiederwahl ist nur einmal zulässig.(3) Die Bundesversammlung besteht aus den Mitgliedern desBundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die vonden Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen der Ver-hältniswahl gewählt werden.(4) Die Bundesversammlung tritt spätestens dreißig Tage vorAblauf der Amtszeit des Bundespräsidenten, bei vorzeitiger Beendi-gung spätestens dreißig Tage nach diesem Zeitpunkt zusammen.Sie wird von dem Präsidenten des Bundestages einberufen.(5) Nach Ablauf der Wahlperiode beginnt die Frist des Absatzes 4Satz 1 mit dem ersten Zusammentritt des Bundestages.(6) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder derBundesversammlung erhält. Wird diese Mehrheit in zwei Wahlgän-gen von keinem Bewerber erreicht, so ist gewählt, wer in einemweiteren Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinigt.(7) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

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Artikel 54 GG

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Artikel 55 [Unvereinbarkeiten](1) Der Bundespräsident darf weder der Regierung noch einergesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landesangehören.(2) Der Bundespräsident darf kein anderes besoldetes Amt, keinGewerbe und keinen Beruf ausüben und weder der Leitung nochdem Aufsichtsrate eines auf Erwerb gerichteten Unternehmensangehören.

Artikel 56 [Amtseid]Der Bundespräsident leistet bei seinem Amtsantritt vor den ver-sammelten Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates fol-genden Eid:„Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohl des DeutschenVolkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden,das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidi-gen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeitgegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden.

Artikel 57 [Vertretung]Die Befugnisse des Bundespräsidenten werden im Falle seiner Ver-hinderung oder bei vorzeitiger Erledigung des Amtes durch denPräsidenten des Bundesrates wahrgenommen.

Artikel 58 [Gegenzeichnung]Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidenten bedürfen zuihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oderdurch den zuständigen Bundesminister. Dies gilt nicht für die Ernen-nung und Entlassung des Bundeskanzlers, die Auflösung des Bundes-tages gemäß Artikel 63 und das Ersuchen gemäß Art. 69 Abs. 3.

Artikel 59 [Völkerrechtliche Vertretung des Bundes](1) Der Bundespräsident vertritt den Bund völkerrechtlich. Erschließt im Namen des Bundes die Verträge mit auswärtigen Staa-ten. Er beglaubigt und empfängt die Gesandten.(2) Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundesregeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezie-hen, bedürfen der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils

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Artikel 55 GG

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für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in derForm eines Bundesgesetzes. Für Verwaltungsabkommen gelten dieVorschriften über die Bundesverwaltung entsprechend.

Artikel 59a [aufgehoben]

Artikel 60 [Beamtenernennung, Begnadigungsrecht, Immunität](1) Der Bundespräsident ernennt und entläßt die Bundesrichter,die Bundesbeamten, die Offiziere und Unteroffiziere, soweitgesetzlich nichts anderes bestimmt ist.(2) Er übt im Einzelfalle für den Bund das Begnadigungsrecht aus.(3) Er kann diese Befugnisse auf andere Behörden übertragen.(4) Die Absätze 2 bis 4 des Artikels 46 finden auf den Bundesprä-sidenten entsprechende Anwendung.

Artikel 61 [Anklage vor dem Bundesverfassungsgericht](1) Der Bundestag oder der Bundesrat können den Bundespräsi-denten wegen vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes odereines anderen Bundesgesetzes vor dem Bundesverfassungsgerichtanklagen. Der Antrag auf Erhebung der Anklage muß von minde-stens einem Viertel der Mitglieder des Bundestages oder einemViertel der Stimmen des Bundesrates gestellt werden. Der Beschlußauf Erhebung der Anklage bedarf der Mehrheit von zwei Drittelnder Mitglieder des Bundestages oder von zwei Dritteln der Stim-men des Bundesrates. Die Anklage wird von einem Beauftragtender anklagenden Körperschaft vertreten.(2) Stellt das Bundesverfassungsgericht fest, daß der Bundespräsi-dent einer vorsätzlichen Verletzung des Grundgesetzes oder einesanderen Bundesgesetzes schuldig ist, so kann es ihn des Amtes fürverlustig erklären. Durch einstweilige Anordnung kann es nach derErhebung der Anklage bestimmen, daß er an der Ausübung seinesAmtes verhindert ist.

VI. Die Bundesregierung

Artikel 62 [Zusammensetzung]Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und aus denBundesministern.

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Artikel 59a GG

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Artikel 63 [Wahl des Bundeskanzlers](1) Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidentenvom Bundestage ohne Aussprache gewählt.(2) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder desBundestages auf sich vereinigt. Der Gewählte ist vom Bundespräsi-denten zu ernennen.(3) Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundes-tag binnen vierzehn Tagen nach dem Wahlgange mit mehr als derHälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen.(4) Kommt eine Wahl innerhalb dieser Frist nicht zustande, so findetunverzüglich ein neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die mei-sten Stimmen erhält. Vereinigt der Gewählte die Stimmen der Mehr-heit der Mitglieder des Bundestages auf sich, so muß der Bundespräsi-dent ihn binnen sieben Tagen nach der Wahl ernennen. Erreicht derGewählte diese Mehrheit nicht, so hat der Bundespräsident binnen sie-ben Tagen entweder ihn zu ernennen oder den Bundestag aufzulösen.

Artikel 64 [Ernennung, Entlassung und Amtseid derBundesminister]

(1) Die Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlersvom Bundespräsidenten ernannt und entlassen.(2) Der Bundeskanzler und die Bundesminister leisten bei der Amts-übernahme vor dem Bundestage den in Artikel 56 vorgesehenen Eid.

Artikel 65 [Stellung des Bundeskanzlers und der Bundesminister,Geschäftsverteilung]

Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägtdafür die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jederBundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und untereigener Verantwortung. Über Meinungsverschiedenheiten zwi-schen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung. DerBundeskanzler leitet ihre Geschäfte nach einer von der Bundesre-gierung beschlossenen und vom Bundespräsidenten genehmigtenGeschäftsordnung.

Artikel 65 a [Befehls- und Kommandogewalt]Der Bundesminister für Verteidigung hat die Befehls- und Kom-mandogewalt über die Streitkräfte.

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Artikel 63 GG

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Artikel 66 [Unvereinbarkeiten]Der Bundeskanzler und die Bundesminister dürfen kein anderesbesoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben undweder der Leitung noch ohne Zustimmung des Bundestages demAufsichtsrate eines auf Erwerb gerichteten Unternehmensangehören.

Artikel 67 [Mißtrauensvotum](1) Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Mißtrauen nurdadurch aussprechen, daß er mit der Mehrheit seiner Mitgliedereinen Nachfolger wählt und den Bundespräsidenten ersucht, denBundeskanzler zu entlassen. Der Bundespräsident muß dem Ersu-chen entsprechen und den Gewählten ernennen.(2) Zwischen dem Antrage und der Wahl müssen achtundvierzigStunden liegen.

Artikel 68 [Vertrauensfrage](1) Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen aus-zusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder desBundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bun-deskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen.Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit derMehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt.(2) Zwischen dem Antrage und der Abstimmung müssen acht-undvierzig Stunden liegen.

Artikel 69 [Stellvertreter des Bundeskanzlers, Amtsdauer derRegierung]

(1) Der Bundeskanzler ernennt einen Bundesminister zu seinemStellvertreter.(2) Das Amt des Bundeskanzlers oder eines Bundesministersendigt in jedem Falle mit dem Zusammentritt eines neuen Bundes-tages, das Amt eines Bundesministers auch mit jeder anderen Erle-digung des Amtes des Bundeskanzlers.(3) Auf Ersuchen des Bundespräsidenten ist der Bundeskanzler,auf Ersuchen des Bundeskanzlers oder des Bundespräsidenten einBundesminister verpflichtet, die Geschäfte bis zur Ernennung sei-nes Nachfolgers weiterzuführen.

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Artikel 66 GG

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VII. Die Gesetzgebung des Bundes

Artikel 70 [Gesetzgebungsrecht der Länder](1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit diesesGrundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.(2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Län-dern bemißt sich nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes überdie ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung.

Artikel 71 [Ausschließliche Gesetzgebung des Bundes]Im Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes habendie Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweitsie hierzu in einem Bundesgesetze ausdrücklich ermächtigt werden.

Artikel 72 [Konkurrierende Gesetzgebung](1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Län-der die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bundvon seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch GesetzGebrauch gemacht hat.(2) Der Bund hat in diesem Bereich das Gestzgebungsrecht, wennund soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse imBundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftsein-heit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Rege-lung erforderlich macht.(3) Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß eine bundes-gesetzliche Regelung, für die eine Erforderlichkeit im Sinne desAbsatz 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werdenkann.

Artikel 73 [Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung]Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:1. die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung ein-

schließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung;2. die Staatsangehörigkeit im Bunde;3. die Freizügigkeit, das Paßwesen, die Ein- und Auswanderung

und die Auslieferung;4. das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte

sowie die Zeitbestimmung;

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Artikel 70 GG

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5. die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- undSchiffahrtsverträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs undden Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande ein-schließlich des Zoll- und Grenzschutzes;

6. den Luftverkehr;6 a. den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im

Eigentum des Bundes stehen (Eisenbahnen des Bundes), denBau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegender Eisenbahnen des Bundes sowie die Erhebung von Entgel-ten für die Benutzung dieser Schienenwege;

7. das Postwesen und die Telekommunikation;8. die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der

bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechtesstehenden Personen;

9. den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und dasVerlagsrecht;

10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Ländera) in der Kriminalpolizei,b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundord-

nung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes odereines Landes (Verfassungsschutz) und

c) zum Schutze gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, diedurch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vor-bereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepu-blik Deutschland gefährden,

sowie die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes unddie internationale Verbrechensbekämpfung;

11. die Statistik für Bundeszwecke.

Artikel 74 [Umfang der konkurrierenden Gesetzgebung](1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende

Gebiete:1. das bürgerliche Recht, das Strafrecht und den Strafvollzug, die

Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren, die Rechtsan-waltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;

2. das Personenstandswesen;3. das Vereins- und Versammlungsrecht;

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Artikel 74 GG

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4. das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;4 a. das Waffen- und das Sprengstoffrecht;5. (aufgehoben)6. die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;7. die öffentliche Fürsorge;8. (aufgehoben)9. die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;

10. die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterblie-benen und die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen;

10 a. die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges undOpfer von Gewaltherrschaft;

11. das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirt-schaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwe-sen, privatrechtliches Versicherungswesen);

11 a. die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichenZwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, diediesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die beiFreiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlenentstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe;

12. das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, desArbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozial-versicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;

13. die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung derwissenschaftlichen Forschung;

14. das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten derArtikel 73 und 74 in Betracht kommt;

15. die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzenund Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andereFormen der Gemeinwirtschaft;

16. die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;17. die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung,

die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- undforstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfi-scherei und den Küstenschutz;

18. den Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht derErschließungsbeiträge) und das landwirtschaftliche Pachtwe-sen, das Wohnungswesen, das Siedlungs- und Heimstättenwe-sen;

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Artikel 74 GG

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19. die Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbareKrankheiten bei Menschen und Tieren, die Zulassung zu ärztli-chen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, den Ver-kehr mit Arzneien, Heil- und Betäubungsmitteln und Giften;

19 a. die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und dieRegelung der Krankenhauspflegesätze;

20. den Schutz beim Verkehr mit Lebens- und Genußmitteln,Bedarfsgegenständen, Futtermitteln und land- und forstwirt-schaftlichem Saat- und Pflanzgut; den Schutz der Pflanzengegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;

21. die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, dieBinnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen unddie dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasser-straßen;

22. den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und dieUnterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie dieErhebung und Verteilung von Gebühren für die Benutzungöffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;

23. die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind,mit Ausnahme der Bergbahnen;

24. die Abfallbeseitigung, die Luftreinhaltung und die Lärm-bekämpfung;

25. die Staatshaftung;26. die künstliche Befruchtung beim Menschen, die Untersu-

chung und die künstliche Veränderung von Erbinformationensowie Regelungen zur Transplantation von Organen undGeweben.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 bedürfen der Zustimmung desBundesrates.

Artikel 74 a [Besoldung und Versorgung der Angehörigen desöffentlichen Dienstes]

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich ferner auf dieBesoldung und Versorgung der Angehörigen des öffentlichenDienstes, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treuever-hältnis stehen, soweit dem Bund nicht nach Artikel 73 Nr. 8 dieausschließliche Gesetzgebung zusteht.

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Artikel 74 a GG

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(2) Bundesgesetze nach Absatz 1 bedürfen der Zustimmung desBundesrates.(3) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen auch Bundesgeset-ze nach Artikel 73 Nr. 8, soweit sie andere Maßstäbe für den Auf-bau oder die Bemessung der Besoldung und Versorgung einschließ-lich der Bewertung der Ämter oder andere Mindest- oder Höchst-beträge vorsehen als Bundesgesetze nach Absatz 1.(4) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Besoldungund Versorgung der Landesrichter. Für Gesetze nach Artikel 98Abs. 1 gilt Absatz 3 entsprechend.

Artikel 75 [Rahmenvorschriften des Bundes](1) Der Bund hat das Recht, unter den Voraussetzungen des Arti-kels 72 Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder zuerlassen über:1. die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienste der Länder,

Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichenRechtes stehenden Personen, soweit Artikel 74 a nichts ande-res bestimmt;

1 a. die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens;2. die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse;3. das Jagdwesen, den Naturschutz und die Landschaftspflege;4. die Bodenverteilung, die Raumordnung und den Wasserhaushalt;5. das Melde- und Ausweiswesen;6. den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins

Ausland. Artikel 72 Abs. 3 gilt entsprechend.(2) Rahmenvorschriften dürfen nur in Ausnahmefällen in Einzel-heiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten.(3) Erläßt der Bund Rahmenvorschriften, so sind die Länder ver-pflichtet, innerhalb einer durch das Gesetz bestimmten angemesse-nen Frist die erforderlichen Landesgesetze zu erlassen.

Artikel 76 [Einbringung](1) Die Gesetzesvorlagen werden beim Bundestage durch die Bun-desregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bun-desrat eingebracht.

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Artikel 75 GG

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(2) Vorlagen der Bundesregierung sind zunächst dem Bundesratzuzuleiten. Der Bundesrat ist berechtigt, innerhalb von sechsWochen zu diesen Vorlagen Stellung zu nehmen. Verlangt er auswichtigem Grunde, insbesondere mit Rücksicht auf den Umfangeiner Vorlage, eine Fristverlängerung, so beträgt die Frist neunWochen. Die Bundesregierung kann eine Vorlage, die sie bei derZuleitung an den Bundesrat ausnahmsweise als besonders eilbe-dürftig bezeichnet hat, nach drei Wochen oder, wenn der Bundes-rat ein Verlangen nach Satz 3 geäußert hat, nach sechs Wochendem Bundestag zuleiten, auch wenn die Stellungnahme des Bun-desrates noch nicht bei ihr eingegangen ist; sie hat die Stellungnah-me des Bundesrates unverzüglich nach Eingang dem Bundestagnachzureichen. Bei Vorlagen zur Änderung dieses Grundgesetzesund zur Übertragung von Hoheitsrechten nach Artikel 23 oderArtikel 24 beträgt die Frist zur Stellungnahme neun Wochen; Satz4 findet keine Anwendung.(3) Vorlagen des Bundesrates sind dem Bundestag durch die Bun-desregierung innerhalb von sechs Wochen zuzuleiten. Sie soll hier-bei ihre Auffassung darlegen. Verlangt sie aus wichtigem Grunde,insbesondere mit Rücksicht auf den Umfang einer Vorlage, eineFristverlängerung, so beträgt die Frist neuen Wochen. Wenn derBundesrat eine Vorlage ausnahmsweise als besonders eilbedürftigbezeichnet hat, beträgt die Frist drei Wochen oder, wenn die Bun-desregierung ein Verlangen nach Satz 3 geäußert hat, sechsWochen. Bei Vorlagen zur Änderung dieses Grundgesetzes und zurÜbertragung von Hoheitsrechten nach Artikel 23 oder Artikel 24beträgt die Frist neun Wochen; Satz 4 findet keine Anwendung.Der Bundestag hat über die Vorlagen in angemessener Frist zuberaten und Beschluß zu fassen.

Artikel 77 [Gang der Gesetzgebung, Vermittlungsausschuß](1) Die Bundesgesetze werden vom Bundestage beschlossen. Siesind nach ihrer Annahme durch den Präsidenten des Bundestagesunverzüglich dem Bundesrate zuzuleiten.(2) Der Bundesrat kann binnen drei Wochen nach Eingang desGesetzesbeschlusses verlangen, daß ein aus Mitgliedern des Bun-destages und des Bundesrates für die gemeinsame Beratung von

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Artikel 77 GG

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Vorlagen gebildeter Ausschuß einberufen wird. Die Zusammenset-zung und das Verfahren dieses Ausschusses regelt eine Geschäfts-ordnung, die vom Bundestag beschlossen wird und der Zustim-mung des Bundesrates bedarf. Die in diesen Ausschuß entsandtenMitglieder des Bundesrates sind nicht an Weisungen gebunden. Istzu einem Gesetze die Zustimmung des Bundesrates erforderlich, sokönnen auch der Bundestag und die Bundesregierung die Einberu-fung verlangen. Schlägt der Ausschuß eine Änderung des Gesetzes-beschlusses vor, so hat der Bundestag erneut Beschluß zu fassen.(2a) Soweit zu einem Gesetz die Zustimmung des Bundesrateserforderlich ist, hat der Bundesrat, wenn ein Verlangen nach Absatz2 Satz 1 nicht gestellt oder das Vermittlungsverfahren ohne einenVorschlag zur Änderung des Gesetzesbeschlusses beendet ist, inangemessener Frist über die Zustimmung Beschluß zu fassen.(3) Soweit zu diesem Gesetze die Zustimmung des Bundesratesnicht erforderlich ist, kann der Bundesrat, wenn das Verfahrennach Absatz 2 beendigt ist, gegen ein vom Bundestage beschlosse-nes Gesetz binnen zwei Wochen Einspruch einlegen. Die Ein-spruchsfrist beginnt im Falle des Absatzes 2 letzter Satz mit demEingange des vom Bundestage erneut gefaßten Beschlusses, in allenanderen Fällen mit dem Eingange der Mitteilung des Vorsitzendendes in Absatz 2 vorgesehenen Ausschusses, daß das Verfahren vordem Ausschusse abgeschlossen ist.(4) Wird der Einspruch mit der Mehrheit der Stimmen des Bun-desrates beschlossen, so kann er durch Beschluß der Mehrheit derMitglieder des Bundestages zurückgewiesen werden. Hat der Bun-desrat den Einspruch mit einer Mehrheit von mindestens zweiDritteln seiner Stimmen beschlossen, so bedarf die Zurückweisungdurch den Bundestag einer Mehrheit von zwei Dritteln, mindestensder Mehrheit der Mitglieder des Bundestages.

Artikel 78 [Zustandekommen der Gesetze]Ein vom Bundestage beschlossenes Gesetz kommt zustande, wennder Bundesrat zustimmt, den Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2nicht stellt, innerhalb der Frist des Artikels 77 Abs. 3 keinen Ein-spruch einlegt oder ihn zurücknimmt oder wenn der Einspruchvom Bundestage überstimmt wird.

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Artikel 78 GG

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Artikel 79 [Änderung des Grundgesetzes](1) Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, dasden Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt. Beivölkerrechtlichen Verträgen, die eine Friedensregelung, die Vorberei-tung einer Friedensregelung oder den Abbau einer besatzungsrechtli-chen Ordnung zum Gegenstand haben oder der Verteidigung der Bun-desrepublik zu dienen bestimmt sind, genügt zur Klarstellung, daß dieBestimmungen des Grundgesetzes dem Abschluß und dem Inkraftset-zen der Verträge nicht entgegenstehen, eine Ergänzung des Wortlautesdes Grundgesetzes, die sich auf diese Klarstellung beschränkt.(2) Ein solches Gesetz bedarf der Zustimmung von zwei Drittelnder Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen desBundesrates.(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliede-rung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung derLänder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.

Artikel 80 [Erlaß von Rechtsverordnungen](1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesministeroder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungenzu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteiltenErmächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlageist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daßeine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zurÜbertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlichanderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen derBundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze undGebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens undder Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung desEntgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen desBundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen sowie Rechts-verordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmungdes Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage desBundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaßvon Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.

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Artikel 79 GG

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(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von BundesgesetzenLandesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlas-sen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.

Artikel 80 a [Anwendung von Rechtsvorschriften](1) Ist in diesem Grundgesetz oder in einem Bundesgesetz überdie Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerungbestimmt, daß Rechtsvorschriften nur nach Maßgabe dieses Arti-kels angewandt werden dürfen, so ist die Anwendung außer imVerteidigungsfalle nur zulässig, wenn der Bundestag den Eintrittdes Spannungsfalles festgestellt oder wenn er der Anwendungbesonders zugestimmt hat. Die Feststellung des Spannungsfallesund die besondere Zustimmung in den Fällen des Artikels 12 aAbs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 2 bedürfen einer Mehrheit von zweiDritteln der abgegebenen Stimmen.(2) Maßnahmen auf Grund von Rechtsvorschriften nach Absatz 1sind aufzuheben, wenn der Bundestag es verlangt.(3) Abweichend von Absatz 1 ist die Anwendung solcher Rechts-vorschriften auch auf der Grundlage und nach Maßgabe einesBeschlusses zulässig, der von einem internationalen Organ im Rah-men eines Bündnisvertrages mit Zustimmung der Bundesregierunggefaßt wird. Maßnahmen nach diesem Absatz sind aufzuheben,wenn der Bundestag es mit der Mehrheit seiner Mitglieder verlangt.

Artikel 81 [Gesetzgebungsnotstand](1) Wird im Falle des Artikels 68 der Bundestag nicht aufgelöst, sokann der Bundespräsident auf Antrag der Bundesregierung mitZustimmung des Bundesrates für eine Gesetzesvorlage den Gesetz-gebungsnotstand erklären, wenn der Bundestag sie ablehnt, obwohldie Bundesregierung sie als dringlich bezeichnet hat. Das gleichegilt, wenn eine Gesetzesvorlage abgelehnt worden ist, obwohl derBundeskanzler mit ihr den Antrag des Artikels 68 verbunden hatte.(2) Lehnt der Bundestag die Gesetzesvorlage nach Erklärung desGesetzgebungsnotstandes erneut ab oder nimmt er sie in einer für dieBundesregierung als unannehmbar bezeichneten Fassung an, so gilt dasGesetz als zustande gekommen, soweit der Bundesrat ihm zustimmt.Das gleiche gilt, wenn die Vorlage vom Bundestage nicht innerhalb vonvier Wochen nach der erneuten Einbringung verabschiedet wird.

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Artikel 80a GG

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(3) Während der Amtszeit eines Bundeskanzlers kann auch jedeandere vom Bundestage abgelehnte Gesetzesvorlage innerhalb einerFrist von sechs Monaten nach der ersten Erklärung des Gesetzge-bungsnotstandes gemäß Absatz 1 und 2 verabschiedet werden. NachAblauf der Frist ist während der Amtszeit des gleichen Bundeskanz-lers eine weitere Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes unzulässig.(4) Das Grundgesetz darf durch ein Gesetz, das nach Absatz 2zustande kommt, weder geändert noch ganz oder teilweise außerKraft oder außer Anwendung gesetzt werden.

Artikel 82 [Ausfertigung, Verkündung, Inkrafttreten](1) Die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustandegekommenen Gesetze werden vom Bundespräsidenten nachGegenzeichnung ausgefertigt und im Bundesgesetzblatte verkün-det. Rechtsverordnungen werden von der Stelle, die sie erläßt, aus-gefertigt und vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung imBundesgesetzblatte verkündet.(2) Jedes Gesetz und jede Rechtsverordnung soll den Tag desInkrafttretens bestimmen. Fehlt eine solche Bestimmung, so tretensie mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf des Tages in Kraft, andem das Bundesgesetzblatt ausgegeben worden ist.

VIII. Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung

Artikel 83 [Grundsatz der Ausführung durch die Länder]Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus,soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt.

Artikel 84 [Landeseigene Verwaltung](1) Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheitaus, so regeln sie die Einrichtung der Behörden und das Verwal-tungsverfahren, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung desBundesrates etwas anderes bestimmen.(2) Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesratesallgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen.(3) Die Bundesregierung übt die Aufsicht darüber aus, daß dieLänder die Bundesgesetze dem geltenden Rechte gemäß ausführen.

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Artikel 82 GG

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Die Bundesregierung kann zu diesem Zwecke Beauftragte zu denobersten Landesbehörden entsenden, mit deren Zustimmung und,falls diese Zustimmung versagt wird, mit Zustimmung des Bundes-rates auch zu den nachgeordneten Behörden.(4) Werden Mängel, die die Bundesregierung bei der Ausführungder Bundesgesetze in den Ländern festgestellt hat, nicht beseitigt,so beschließt auf Antrag der Bundesregierung oder des Landes derBundesrat, ob das Land das Recht verletzt hat. Gegen denBeschluß des Bundesrates kann das Bundesverfassungsgericht ange-rufen werden.(5) Der Bundesregierung kann durch Bundesgesetz, das der Zustim-mung des Bundesrates bedarf, zur Ausführung von Bundesgesetzendie Befugnis verliehen werden, für besondere Fälle Einzelweisungenzu erteilen. Sie sind, außer wenn die Bundesregierung den Fall fürdringlich erachtet, an die obersten Landesbehörden zu richten.

Artikel 85 [Auftragsverwaltung](1) Führen die Länder die Bundesgesetze im Auftrage des Bundesaus, so bleibt die Einrichtung der Behörden Angelegenheit derLänder, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundes-rates etwas anderes bestimmen.(2) Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesratesallgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen. Sie kann die einheitli-che Ausbildung der Beamten und Angestellten regeln. Die Leiterder Mittelbehörden sind mit ihrem Einvernehmen zu bestellen.(3) Die Landesbehörden unterstehen den Weisungen der zuständi-gen obersten Bundesbehörden. Die Weisungen sind, außer wenndie Bundesregierung es für dringlich erachtet, an die obersten Lan-desbehörden zu richten. Der Vollzug der Weisung ist durch dieobersten Landesbehörden sicherzustellen.(4) Die Bundesaufsicht erstreckt sich auf Gesetzmäßigkeit undZweckmäßigkeit der Ausführung. Die Bundesregierung kann zudiesem Zwecke Bericht und Vorlage der Akten verlangen undBeauftragte zu allen Behörden entsenden.

Artikel 86 [Bundeseigene Verwaltung]Führt der Bund die Gesetze durch bundeseigene Verwaltung oderdurch bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des

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Artikel 85 GG

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öffentlichen Rechtes aus, so erläßt die Bundesregierung, soweitnicht das Gesetz Besonderes vorschreibt, die allgemeinen Verwal-tungsvorschriften. Sie regelt, soweit das Gesetz nichts anderesbestimmt, die Einrichtung der Behörden.

Artikel 87 [Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete](1) In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbauwerden geführt der Auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwaltungund nach Maßgabe des Artikels 89 die Verwaltung der Bundeswasser-straßen und der Schiffahrt. Durch Bundesgesetz können Bundesgrenz-schutzbehörden, Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- undNachrichtenwesen, für die Kriminalpolizei und zur Sammlung vonUnterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegenBestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewaltoder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belangeder Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden.(2) Als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechteswerden diejenigen sozialen Versicherungsträger geführt, deren Zustän-digkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.Soziale Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich überdas Gebiet eines Landes, aber nicht über mehr als drei Länder hin-aus erstreckt, werden abweichend von Satz 1 als landesunmittelbareKörperschaften des öffentlichen Rechtes geführt, wenn das auf-sichtsführende Land durch die beteiligten Länder bestimmt ist.(3) Außerdem können für Angelegenheiten, für die dem Bunde dieGesetzgebung zusteht, selbständige Bundesoberbehörden und neuebundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichenRechtes durch Bundesgesetz errichtet werden. Erwachsen dem Bun-de auf Gebieten, für die ihm die Gesetzgebung zusteht, neue Aufga-ben, so können bei dringendem Bedarf bundeseigene Mittel- undUnterbehörden mit Zustimmung des Bundesrates und der Mehr-heit der Mitglieder des Bundestages errichtet werden.

Artikel 87 a [Stärke der Streitkräfte](1) Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlen-mäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sichaus dem Haushaltsplan ergeben.

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Artikel 87 GG

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(2) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetztwerden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.(3) Die Streitkräfte haben im Verteidigungsfalle und im Span-nungsfalle die Befugnis, zivile Objekte zu schützen und Aufgabender Verkehrsregelung wahrzunehmen, soweit dies zur Erfüllungihres Verteidigungsauftrages erforderlich ist. Außerdem kann denStreitkräften im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle derSchutz ziviler Objekte auch zur Unterstützung polizeilicher Maß-nahmen übertragen werden: die Streitkräfte wirken dabei mit denzuständigen Behörden zusammen.(4) Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder diefreiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder einesLandes kann die Bundesregierung, wenn die Voraussetzungen desArtikels 91 Abs. 2 vorliegen und die Polizeikräfte sowie der Bundes-grenzschutz nicht ausreichen, Streitkräfte zur Unterstützung der Poli-zei und des Bundesgrenzschutzes beim Schutze von zivilen Objektenund bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneterAufständischer einsetzen. Der Einsatz von Streitkräften ist einzustel-len, wenn der Bundestag oder der Bundesrat es verlangen.

Artikel 87 b [Bundeswehrverwaltung](1) Die Bundeswehrverwaltung wird in bundeseigener Verwaltungmit eigenem Verwaltungsunterbau geführt. Sie dient den Aufgabendes Personalwesens und der unmittelbaren Deckung des Sachbe-darfs der Streitkräfte. Aufgaben der Beschädigtenversorgung unddes Bauwesens können der Bundeswehrverwaltung nur durch Bun-desgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, übertragenwerden. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Geset-ze, soweit sie die Bundeswehrverwaltung zu Eingriffen in RechteDritter ermächtigen; das gilt nicht für Gesetze auf dem Gebiete desPersonalwesens.(2) Im übrigen können Bundesgesetze, die der Verteidigung ein-schließlich des Wehrersatzwesens und des Schutzes der Zivilbevöl-kerung dienen, mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, daßsie ganz oder teilweise in bundeseigener Verwaltung mit eigenemVerwaltungsunterbau oder von den Ländern im Auftrage des Bun-des ausgeführt werden. Werden solche Gesetze von den Ländern

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Artikel 87 b GG

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im Auftrage des Bundes ausgeführt, so können sie mit Zustim-mung des Bundesrates bestimmen, daß die der Bundesregierungund den zuständigen obersten Bundesbehörden auf Grund desArtikels 85 zustehenden Befugnisse ganz oder teilweise Bunde-soberbehörden übertragen werden; dabei kann bestimmt werden,daß diese Behörden beim Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschrif-ten gemäß Artikel 85 Abs. 2 Satz 1 nicht der Zustimmung desBundesrates bedürfen.

Artikel 87 c [Sonderfall einer Auftragsverwaltung]Gesetze, die auf Grund des Artikels 74 Nr. 11 a ergehen, könnenmit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, daß sie von denLändern im Auftrage des Bundes ausgeführt werden.

Artikel 87 d [Luftverkehrsverwaltung](1) Die Luftverkehrsverwaltung wird in bundeseigener Verwaltunggeführt. Über die öffentlich-rechtliche oder privat-rechtliche Orga-nisationsform wird durch Bundesgesetz entschieden.(2) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesratesbedarf, können Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung den Ländernals Auftragsverwaltung übertragen werden.

Artikel 87 e [Eisenbahnen des Bundes](1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bun-des wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Durch Bundesge-setz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Län-dern als eigene Angelegenheit übertragen werden.(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen desBundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwal-tung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmenin privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum desBundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens denBau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegenumfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unter-nehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehr-heit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. DasNähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

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Artikel 87 c GG

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(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, ins-besondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt desSchienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Ver-kehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht denSchienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird.Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustim-mung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfenferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Auf-spaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragungvon Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie dieStillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regelnoder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.

Artikel 87 f [Postwesen und Telekommunikation](1) Nach Maßgabe eines Bundesgesetzes, das der Zustimmung desBundesrates bedarf, gewährleistet der Bund im Bereich des Postwe-sens und der Telekommunikation flächendeckend angemesseneund ausreichende Dienstleistungen.(2) Dienstleistungen im Sinne des Absatzes 1 werden als privat-wirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem SondervermögenDeutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durchandere private Anbieter erbracht. Hoheitsaufgaben im Bereich desPostwesens und der Telekommunikation werden in bundeseigenerVerwaltung ausgeführt.(3) Unbeschadet des Absatzes 2 Satz 2 führt der Bund in derRechtsform einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichenRechts einzelne Aufgaben in bezug auf die aus dem Sondervermö-gen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen nachMaßgabe eines Bundesgesetzes aus.

Artikel 88 [Bundesbank]Der Bund errichtet eine Währungs- und Notenbank als Bundes-bank. Ihre Aufgaben und Befugnisse können im Rahmen derEuropäischen Union der Europäischen Zentralbank übertragenwerden, die unabhängig ist und dem vorrangigen Ziel der Siche-rung der Preisstabilität verpflichtet.

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Artikel 87 f GG

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Artikel 89 [Bundeswasserstraßen](1) Der Bund ist Eigentümer der bisherigen Reichswasserstraßen.(2) Der Bund verwaltet die Bundeswasserstraßen durch eigeneBehörden. Er nimmt die über den Bereich eines Landes hinausge-henden staatlichen Aufgaben der Binnenschiffahrt und die Aufga-ben der Seeschiffahrt wahr, die ihm durch Gesetz übertragen wer-den. Er kann die Verwaltung von Bundeswasserstraßen, soweit sieim Gebiete eines Landes liegen, diesem Lande auf Antrag als Auf-tragsverwaltung übertragen. Berührt eine Wasserstraße das Gebietmehrerer Länder, so kann der Bund das Land beauftragen, für dasdie beteiligten Länder es beantragen.(3) Bei der Verwaltung, dem Ausbau und dem Neubau von Was-serstraßen sind die Bedürfnisse der Landeskultur und der Wasser-wirtschaft im Einvernehmen mit den Ländern zu wahren.

Artikel 90 [Bundesstraßen des Fernverkehrs](1) Der Bund ist Eigentümer der bisherigen Reichsautobahnenund Reichsstraßen.(2) Die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstver-waltungskörperschaften verwalten die Bundesautobahnen und son-stigen Bundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrage des Bundes.(3) Auf Antrag eines Landes kann der Bund Bundesautobahnenund sonstige Bundesstraßen des Fernverkehrs, soweit sie im Gebietdieses Landes liegen, in bundeseigene Verwaltung übernehmen.

Artikel 91 [Einsatz von Polizeikräften im Staatsnotstand](1) Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder diefreiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder einesLandes kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder sowie Kräfteund Einrichtungen anderer Verwaltungen und des Bundesgrenz-schutzes anfordern.(2) Ist das Land, in dem die Gefahr droht, nicht selbst zurBekämpfung der Gefahr bereit oder in der Lage, so kann die Bun-desregierung die Polizei in diesem Lande und die Polizeikräfteanderer Länder ihren Weisungen unterstellen sowie Einheiten desBundesgrenzschutzes einsetzen. Die Anordnung ist nach Beseiti-gung der Gefahr, im übrigen jederzeit auf Verlangen des Bundesra-tes aufzuheben. Erstreckt sich die Gefahr auf das Gebiet mehr als

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Artikel 89 GG

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eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksa-men Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen Weisun-gen erteilen; Satz 1 und Satz 2 bleiben unberührt.

VIII a. Gemeinschaftsaufgaben

Artikel 91 a [Mitwirkung des Bundes bei Gemeinschaftsaufgaben](1) Der Bund wirkt auf folgenden Gebieten bei der Erfüllung vonAufgaben der Länder mit, wenn diese Aufgaben für die Gesamtheitbedeutsam sind und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserungder Lebensverhältnisse erforderlich ist (Gemeinschaftsaufgaben):1. Ausbau und Neubau von Hochschulen einschließlich der

Hochschulkliniken,2. Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur,3. Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes.

(2) Durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates werdendie Gemeinschaftsaufgaben näher bestimmt. Das Gesetz soll allge-meine Grundsätze für ihre Erfüllung enthalten.(3) Das Gesetz trifft Bestimmungen über das Verfahren und überEinrichtungen für eine gemeinsame Rahmenplanung. Die Aufnah-me eines Vorhabens in die Rahmenplanung bedarf der Zustim-mung des Landes, in dessen Gebiet es durchgeführt wird.(4) Der Bund trägt in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 dieHälfte der Ausgaben in jedem Land. In den Fällen des Absatzes 1Nr. 3 trägt der Bund mindestens die Hälfte; die Beteiligung ist füralle Länder einheitlich festzusetzen. Das Nähere regelt das Gesetz.Die Bereitstellung der Mittel bleibt der Feststellung in den Haus-haltsplänen des Bundes und der Länder vorbehalten.(5) Bundesregierung und Bundesrat sind auf Verlangen über dieDurchführung der Gemeinschaftsaufgaben zu unterrichten.

Artikel 91 b [Zusammenwirken von Bund und Ländern beiBildungs- und Forschungsplanung]

Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen bei derBildungsplanung und bei der Förderung von Einrichtungen undVorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionalerBedeutung zusammenwirken. Die Aufteilung der Kosten wird inder Vereinbarung geregelt.

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Artikel 91 a GG

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IX. Die Rechtsprechung

Artikel 92 [Organe der rechtsprechenden Gewalt]Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wirddurch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundge-setze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte derLänder ausgeübt.

Artikel 93 [Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts](1) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:1. über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlaß von Strei-

tigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten einesobersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durchdieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines ober-sten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind;

2. bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förm-liche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Lan-desrecht mit diesem Grundgesetze oder die Vereinbarkeit vonLandesrecht und sonstigem Bundesrechte auf Antrag der Bun-desregierung, einer Landesregierung oder eines Drittels derMitglieder des Bundestages;

2 a. bei Meinungsverschiedenheiten, ob ein Gesetz den Vorausset-zungen des Artikels 72 Abs. 2 entspricht, auf Antrag des Bun-desrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung einesLandes;

3. bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichtendes Bundes und der Länder, insbesondere bei der Ausführungvon Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung derBundesaufsicht;

4. in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen demBunde und den Ländern, zwischen verschiedenen Ländernoder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer Rechts-weg gegeben ist;

4 a.über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit derBehauptung erhoben werden können, durch die öffentlicheGewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner inArtikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenenRechte verletzt zu sein;

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Artikel 92 GG

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4 b.über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemein-deverbänden wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwal-tung nach Artikel 28 durch ein Gesetz, bei Landesgesetzenjedoch nur, soweit nicht Beschwerde beim Landesverfassungs-gericht erhoben werden kann;

5. in den übrigen in diesem Grundgesetze vorgesehenen Fällen.(2) Das Bundesverfassungsgericht wird ferner in den ihm sonstdurch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen tätig.

Artikel 94 [Zusammensetzung des Bundesverfassungsgerichts](1) Das Bundesverfassungsgericht besteht aus Bundesrichtern undanderen Mitgliedern. Die Mitglieder des Bundesverfassungsgerich-tes werden je zur Hälfte vom Bundestage und vom Bundesrategewählt. Sie dürfen weder dem Bundestage, dem Bundesrate, derBundesregierung noch entsprechenden Organen eines Landesangehören.(2) Ein Bundesgesetz regelt seine Verfassung und das Verfahrenund bestimmt, in welchen Fällen seine Entscheidungen Gesetzes-kraft haben. Es kann für Verfassungsbeschwerden die vorherigeErschöpfung des Rechtsweges zur Voraussetzung machen und einbesonderes Annahmeverfahren vorsehen.

Artikel 95 [Oberste Gerichtshöfe](1) Für die Gebiete der ordentlichen, der Verwaltungs-, derFinanz-, der Arbeits- und der Sozialgerichtsbarkeit errichtet derBund als oberste Gerichtshöfe den Bundesgerichtshof, das Bundes-verwaltungsgericht, den Bundesfinanzhof, das Bundesarbeitsgerichtund das Bundessozialgericht.(2) Über die Berufung der Richter dieser Gerichte entscheidet derfür das jeweilige Sachgebiet zuständige Bundesminister gemeinsammit einem Richterwahlausschuß, der aus den für das jeweiligeSachgebiet zuständigen Ministern der Länder und einer gleichenAnzahl von Mitgliedern besteht, die vom Bundestage gewählt wer-den.(3) Zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist einGemeinsamer Senat der in Absatz 1 genannten Gerichte zu bilden.Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

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Artikel 94 GG

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Artikel 96 [Obere Bundesgerichte](1) Der Bund kann für Angelegenheiten des gewerblichen Rechts-schutzes ein Bundesgericht errichten.(2) Der Bund kann Wehrstrafgerichte für die Streitkräfte als Bundes-gerichte errichten. Sie können die Strafgerichtsbarkeit nur im Vertei-digungsfalle sowie über Angehörige der Streitkräfte ausüben, die indas Ausland entsandt oder an Bord von Kriegsschiffen eingeschifftsind. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz. Diese Gerichte gehörenzum Geschäftsbereich des Bundesjustizministers. Ihre hauptamtlichenRichter müssen die Befähigung zum Richteramt haben.(3) Oberster Gerichtshof für die in Absatz 1 und 2 genanntenGerichte ist der Bundesgerichtshof.(4) Der Bund kann für Personen, die zu ihm in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, Bundesgerichte zur Entschei-dung in Disziplinarverfahren und Beschwerdeverfahren errichten.(5) Für Strafverfahren auf den Gebieten des Artikels 26 Abs. 1und des Staatsschutzes kann ein Bundesgesetz mit Zustimmungdes Bundesrates vorsehen, daß Gerichte der Länder Gerichtsbarkeitdes Bundes ausüben.

Artikel 97 [Richterliche Unabhängigkeit](1) Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.(2) Die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Rich-ter können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidungund nur aus Gründen und unter den Formen, welche die Gesetzebestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oder dauernd oderzeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder inden Ruhestand versetzt werden. Die Gesetzgebung kann Alters-grenzen festsetzen, bei deren Erreichung auf Lebenszeit angestellteRichter in den Ruhestand treten. Bei Veränderung der Einrichtungder Gerichte oder ihrer Bezirke können Richter an ein anderesGericht versetzt oder aus dem Amte entfernt werden, jedoch nurunter Belassung des vollen Gehaltes.

Artikel 98 [Rechtsstellung der Richter, Richteranklage](1) Die Rechtsstellung der Bundesrichter ist durch besonderesBundesgesetz zu regeln.(2) Wenn ein Bundesrichter im Amte oder außerhalb des Amtes

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Artikel 96 GG

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gegen die Grundsätze des Grundgesetzes oder gegen die verfas-sungsmäßige Ordnung eines Landes verstößt, so kann das Bundes-verfassungsgericht mit Zweidrittelmehrheit auf Antrag des Bundes-tages anordnen, daß der Richter in ein anderes Amt oder in denRuhestand zu versetzen ist. Im Falle eines vorsätzlichen Verstoßeskann auf Entlassung erkannt werden.(3) Die Rechtsstellung der Richter in den Ländern ist durchbesondere Landesgesetze zu regeln. Der Bund kann Rahmenvor-schriften erlassen, soweit Artikel 74 a Abs. 4 nichts anderesbestimmt.(4) Die Länder können bestimmen, daß über die Anstellung derRichter in den Ländern der Landesjustizminister gemeinsam miteinem Richterwahlausschuß entscheidet.(5) Die Länder können für Landesrichter eine Absatz 2 entspre-chende Regelung treffen. Geltendes Landesverfassungsrecht bleibtunberührt. Die Entscheidung über eine Richteranklage steht demBundesverfassungsgericht zu.

Artikel 99 [Entscheidung landesrechtlicher Streitigkeiten durch dasBundesverfassungsgericht]

Dem Bundesverfassungsgerichte kann durch Landesgesetz die Ent-scheidung von Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes,den in Artikel 95 Abs. 1 genannten obersten Gerichtshöfen für denletzten Rechtszug die Entscheidung in solchen Sachen zugewiesenwerden, bei denen es sich um die Anwendung von Landesrechthandelt.

Artikel 100 [Einholung verfassungsrechtlicher Entscheidungen](1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei derEntscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahrenauszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassungeines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitig-keiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Ver-letzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bun-desverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sichum die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oderum die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesge-setze handelt.

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Artikel 99 GG

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(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völker-rechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rech-te und Pflichten für den einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat dasGericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung desGrundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsge-richtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abwei-chen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichtes einzuholen.

Artikel 101 [Unzulässigkeit von Ausnahmegerichten](1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinemgesetzlichen Richter entzogen werden.(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetzerrichtet werden.

Artikel 102 [Abschaffung der Todesstrafe]Die Todesstrafe ist abgeschafft.

Artikel 103 [Grundrechte im Strafrecht und Strafprozeß](1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeitgesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinenStrafgesetze mehrmals bestraft werden.

Artikel 104 [Freiheitsentziehung](1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichenGesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen For-men beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder see-lisch noch körperlich mißhandelt werden.(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehunghat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicherAnordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich einerichterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf auseigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Endedes Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. DasNähere ist gesetzlich zu regeln.

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Artikel 101 GG

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(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläu-fig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahmedem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mit-zuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendun-gen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einenmit Gründen versehenen, schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oderdie Freilassung anzuordnen.(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnungoder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich einAngehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauenszu benachrichtigen.

X. Das Finanzwesen

Artikel 104 a [Verteilung der Ausgaben auf Bund und Länder](1) Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, diesich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit diesesGrundgesetz nichts anderes bestimmt.(2) Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, trägt der Bunddie sich daraus ergebenden Ausgaben.(3) Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und von denLändern ausgeführt werden, können bestimmen, daß die Geldlei-stungen ganz oder zum Teil vom Bund getragen werden. Bestimmtdas Gesetz, daß der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr trägt,wird es im Auftrage des Bundes durchgeführt. Bestimmt dasGesetz, daß die Länder ein Viertel der Ausgaben oder mehr tragen,so bedarf es der Zustimmung des Bundesrates.(4) Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für besondersbedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeinde-verbände) gewähren, die zur Abwehr einer Störung des gesamtwirt-schaftlichen Gleichgewichts oder zum Ausgleich unterschiedlicherWirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirt-schaftlichen Wachstums erforderlich sind. Das Nähere, insbeson-dere die Arten der zu fördernden Investitionen, wird durch Bun-desgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, oder aufGrund des Bundeshaushaltsgesetzes durch Verwaltungsvereinba-rung geregelt.

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Artikel 104 a GG

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(5) Der Bund und die Länder tragen die bei ihren Behörden ent-stehenden Verwaltungsausgaben und haften im Verhältnis zueinan-der für eine ordnungsgemäße Verwaltung. Das Nähere bestimmtein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

Artikel 105 [Zuständigkeitsverteilung in der Finanzgesetzgebung](1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölleund Finanzmonopole.(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übri-gen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oderzum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2vorliegen.(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über dieörtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sienicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind.(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländernoder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teilzufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Artikel 106 [Verteilung der Steuern](1) Der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der fol-genden Steuern stehen dem Bund zu:1. die Zölle,2. die Verbrauchsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 2 den Län-

dern, nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam oder nachAbsatz 6 den Gemeinden zustehen,

3. die Straßengüterverkehrsteuer,4. die Kapitalverkehrsteuern, die Versicherungsteuer und die

Wechselsteuer,5. die einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung

des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben,6. die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körper-

schaftsteuer,7. Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften.

(2) Das Aufkommen der folgenden Steuern steht den Ländern zu:1. die Vermögensteuer,2. die Erbschaftsteuer,3. die Kraftfahrzeugsteuer,

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Artikel 105 GG

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4. die Verkehrsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 1 dem Bundoder nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam zustehen,

5. die Biersteuer,6. die Abgabe von Spielbanken.

(3) Das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuerund der Umsatzsteuer steht dem Bund und den Ländern gemeinsamzu (Gemeinschaftsteuern), soweit das Aufkommen der Einkommen-steuer nicht nach Absatz 5 und das Aufkommen der Umsatzsteuernicht nach Absatz 5a den Gemeinden zugewiesen wird. Am Auf-kommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer sind derBund und die Länder je zur Hälfte beteiligt. Die Anteile von Bundund Ländern an der Umsatzsteuer werden durch Bundesgesetz, dasder Zustimmung des Bundesrates bedarf, festgesetzt. Bei der Festset-zung ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:1. Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die

Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigenAusgaben. Dabei ist der Umfang der Ausgaben unter Berück-sichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung zu ermitteln.

2. Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind soaufeinander abzustimmen, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eineÜberbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheit-lichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird.

Zusätzlich werden in die Festsetzung der Anteile von Bund undLändern an der Umsatzsteuer Steuermindereinnahmen einbezogen,die den Ländern ab 1. Januar 1996 aus der Berücksichtigung vonKindern im Einkommenssteuerrecht entstehen. Das Nähere be-stimmt das Bundesgesetz nach Satz 3.(4) Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer sindneu festzusetzen, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnah-men und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich andersentwickelt; Steuermindereinnahmen, die nach Absatz 3 Satz 5 indie Festsetzung der Umsatzsteueranteile zusätzlich einbezogen wer-den, bleiben hierbei unberücksichtigt. Werden den Ländern durchBundesgesetz zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen ent-zogen, so kann die Mehrbelastung durch Bundesgesetz, das derZustimmung des Bundesrates bedarf, auch mit Finanzzuweisungendes Bundes ausgeglichen werden, wenn sie auf einen kurzen Zeit-raum begrenzt ist. In dem Gesetz sind die Grundsätze für die

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Artikel 106 GG

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Bemessung dieser Finanzzuweisungen und für ihre Verteilung aufdie Länder zu bestimmen.(5) Die Gemeinden erhalten einen Anteil an dem Aufkommen derEinkommensteuer, der von den Ländern an ihre Gemeinden aufder Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohnerweiterzuleiten ist. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das derZustimmung des Bundesrates bedarf. Es kann bestimmen, daß dieGemeinden Hebesätze für den Gemeindeanteil festsetzen.(5 a) Die Gemeinden erhalten ab dem 1. Januar 1998 einen Anteilan dem Aufkommen der Umsatzsteuer. Er wird von den Ländernauf der Grundlage eines orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüsselsan ihre Gemeinden weitergeleitet. Das Nähere wird durch Bundes-gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt.(6) Das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer steht denGemeinden, das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Auf-wandsteuern steht den Gemeinden oder nach Maßgabe der Landes-gesetzgebung den Gemeindeverbänden zu. Den Gemeinden ist dasRecht einzuräumen, die Hebesätze der Grundsteuer und Gewerbe-steuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Bestehen in einem Landkeine Gemeinden, so steht das Aufkommen der Grundsteuer undGewerbesteuer sowie der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuerndem Land zu. Bund und Länder können durch eine Umlage an demAufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden. Das Nähere überdie Umlage bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung desBundesrates bedarf. Nach Maßgabe der Landesgesetzgebung könnendie Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der Gemeindeanteil vomAufkommen der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer alsBemessungsgrundlagen für Umlagen zugrunde gelegt werden.(7) Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemein-schaftsteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden ins-gesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hun-dertsatz zu. Im übrigen bestimmt die Landesgesetzgebung, ob undinwieweit das Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden(Gemeindeverbänden) zufließt.(8) Veranlaßt der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden(Gemeindeverbänden) besondere Einrichtungen, die diesen Län-dern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) unmittelbar Mehr-ausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen) verursa-

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Artikel 106 GG

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chen, gewährt der Bund den erforderlichen Ausgleich, wenn undsoweit den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) nichtzugemutet werden kann, die Sonderbelastungen zu tragen. Ent-schädigungsleistungen Dritter und finanzielle Vorteile, die diesenLändern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) als Folge der Ein-richtungen erwachsen, werden bei dem Ausgleich berücksichtigt.(9) Als Einnahmen und Ausgaben der Länder im Sinne diesesArtikels gelten auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden(Gemeindeverbände).

Artikel 106 a [Öffentlicher Personennahverkehr]Den Ländern steht ab 1. Januar 1996 für den öffentlichen Perso-nennahverkehr ein Betrag aus dem Steueraufkommen des Bundeszu. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung desBundesrates bedarf. Der Betrag nach Satz 1 bleibt bei der Bemes-sung der Finanzkraft nach Artikel 107 Abs. 2 unberücksichtigt.

Artikel 107 [Landessteuern und Länderfinanzausgleich](1) Das Aufkommen der Landessteuern und der Länderanteil amAufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer ste-hen den einzelnen Ländern insoweit zu, als die Steuern von denFinanzbehörden in ihrem Gebiet vereinnahmt werden (örtliches Auf-kommen). Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesra-tes bedarf, sind für die Körperschaftsteuer und die Lohnsteuer nähereBestimmungen über die Abgrenzung sowie über Art und Umfang derZerlegung des örtlichen Aufkommens zu treffen. Das Gesetz kannauch Bestimmungen über die Abgrenzung und Zerlegung des örtli-chen Aufkommens anderer Steuern treffen. Der Länderanteil am Auf-kommen der Umsatzsteuer steht den einzelnen Ländern nach Maßga-be ihrer Einwohnerzahl zu; für einen Teil, höchstens jedoch für einViertel dieses Länderanteils, können durch Bundesgesetz, das derZustimmung des Bundesrates bedarf, Ergänzungsanteile für die Län-der vorgesehen werden, deren Einnahmen aus den Landessteuern undaus der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer je Einwohnerunter dem Durchschnitt der Länder liegen.(2) Durch das Gesetz ist sicherzustellen, daß die unterschiedlicheFinanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird; hierbei sind dieFinanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindever-

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Artikel 106 a GG

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bände) zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für die Ausgleichsan-sprüche der ausgleichsberechtigten Länder und für die Ausgleichsver-bindlichkeiten der ausgleichspflichtigen Länder sowie die Maßstäbefür die Höhe der Ausgleichsleistungen sind in dem Gesetz zu bestim-men. Es kann auch bestimmen, daß der Bund aus seinen Mitteln lei-stungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckungihres allgemeinen Finanzbedarfs (Ergänzungszuweisungen) gewährt.

Artikel 108 [Bundes- und Landesfinanzverwaltung,Finanzgerichtsbarkeit]

(1) Zölle, Finanzmonopole, die bundesgesetzlich geregelten Ver-brauchsteuern einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer und dieAbgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften werdendurch Bundesfinanzbehörden verwaltet. Der Aufbau dieser Behör-den wird durch Bundesgesetz geregelt. Die Leiter der Mittelbehör-den sind im Benehmen mit den Landesregierungen zu bestellen.(2) Die übrigen Steuern werden durch Landesfinanzbehörden ver-waltet. Der Aufbau dieser Behörden und die einheitliche Ausbil-dung der Beamten können durch Bundesgesetz mit Zustimmungdes Bundesrates geregelt werden. Die Leiter der Mittelbehördensind im Einvernehmen mit der Bundesregierung zu bestellen.(3) Verwalten die Landesfinanzbehörden Steuern, die ganz oderzum Teil dem Bund zufließen, so werden sie im Auftrage des Bun-des tätig. Artikel 85 Abs. 3 und 4 gilt mit der Maßgabe, daß an dieStelle der Bundesregierung der Bundesminister der Finanzen tritt.(4) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesratesbedarf, kann bei der Verwaltung von Steuern ein Zusammenwir-ken von Bundes- und Landesfinanzbehörden sowie für Steuern, dieunter Absatz 1 fallen, die Verwaltung durch Landesfinanzbehördenund für andere Steuern die Verwaltung durch Bundesfinanzbehör-den vorgesehen werden, wenn und soweit dadurch der Vollzug derSteuergesetze erheblich verbessert oder erleichtert wird. Für die denGemeinden (Gemeindeverbänden) allein zufließenden Steuernkann die den Landesfinanzbehörden zustehende Verwaltung durchdie Länder ganz oder zum Teil den Gemeinden (Gemeindeverbän-den) übertragen werden.(5) Das von den Bundesfinanzbehörden anzuwendende Verfahrenwird durch Bundesgesetz geregelt. Das von den Landesfinanzbehör-

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Artikel 108 GG

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den und in den Fällen des Absatzes 4 Satz 2 von den Gemeinden(Gemeindeverbänden) anzuwendende Verfahren kann durch Bun-desgesetz mit Zustimmung des Bundesrates geregelt werden.(6) Die Finanzgerichtsbarkeit wird durch Bundesgesetz einheitlichgeregelt.(7) Die Bundesregierung kann allgemeine Verwaltungsvorschriftenerlassen, und zwar mit Zustimmung des Bundesrates, soweit dieVerwaltung den Landesfinanzbehörden oder Gemeinden (Gemein-deverbänden) obliegt.

Artikel 109 [Haushaltswirtschaft in Bund und Ländern](1) Bund und Länder sind in ihrer Haushaltswirtschaft selbständigund voneinander unabhängig.(2) Bund und Länder haben bei ihrer Haushaltswirtschaft denErfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rech-nung zu tragen.(3) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesratesbedarf, können für Bund und Länder gemeinsam geltendeGrundsätze für das Haushaltsrecht, für eine konjunkturgerechteHaushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung auf-gestellt werden.(4) Zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleich-gewichts können durch Bundesgesetz, das der Zustimmung desBundesrates bedarf, Vorschriften über1. Höchstbeträge, Bedingungen und Zeitfolge der Aufnahme von

Krediten durch Gebietskörperschaften und Zweckverbände und2. eine Verpflichtung von Bund und Ländern, unverzinsliche

Guthaben bei der Deutschen Bundesbank zu unterhalten(Konjunkturausgleichsrücklagen),

erlassen werden. Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverord-nungen können nur der Bundesregierung erteilt werden. DieRechtsverordnungen bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.Sie sind aufzuheben, soweit der Bundestag es verlangt; das Näherebestimmt das Bundesgesetz.

Artikel 110 [Haushaltsplan](1) Alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes sind in den Haus-haltsplan einzustellen; bei Bundesbetrieben und bei Sondervermö-

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Artikel 109 GG

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gen brauchen nur die Zuführungen oder die Ablieferungen einge-stellt zu werden. Der Haushaltsplan ist in Einnahme und Ausgabeauszugleichen.(2) Der Haushaltsplan wird für ein oder mehrere Rechnungsjahre,nach Jahren getrennt, vor Beginn des ersten Rechnungsjahresdurch das Haushaltsgesetz festgestellt. Für Teile des Haushaltspla-nes kann vorgesehen werden, daß sie für unterschiedliche Zeiträu-me, nach Rechnungsjahren getrennt, gelten.(3) Die Gesetzesvorlage nach Abs. 2 Satz 1 sowie Vorlagen zurÄnderung des Haushaltsgesetzes und des Haushaltsplanes werdengleichzeitig mit der Zuleitung an den Bundesrat beim Bundestageeingebracht; der Bundesrat ist berechtigt, innerhalb von sechsWochen, bei Änderungsvorlagen innerhalb von drei Wochen, zuden Vorlagen Stellung zu nehmen.(4) In das Haushaltsgesetz dürfen nur Vorschriften aufgenommenwerden, die sich auf die Einnahmen und die Ausgaben des Bundesund auf den Zeitraum beziehen, für den das Haushaltsgesetzbeschlossen wird. Das Haushaltsgesetz kann vorschreiben, daß dieVorschriften erst mit der Verkündung des nächsten Haushaltsgeset-zes oder bei Ermächtigung nach Artikel 115 zu einem späterenZeitpunkt außer Kraft treten.

Artikel 111 [Haushaltsvorgriff ](1) Ist bis zum Schluß eines Rechnungsjahres der Haushaltsplanfür das folgende Jahr nicht durch Gesetz festgestellt, so ist bis zuseinem Inkrafttreten die Bundesregierung ermächtigt, alle Ausga-ben zu leisten, die nötig sind,a) um gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten und gesetz-

lich beschlossene Maßnahmen durchzuführen,b) um die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Bundes zu

erfüllen,c) um Bauten, Beschaffungen und sonstige Leistungen fortzusetzen

oder Beihilfen für diese Zwecke weiter zu gewähren, soferndurch den Haushaltsplan eines Vorjahres bereits Beträge bewil-ligt worden sind.

(2) Soweit nicht auf besonderem Gesetz beruhende Einnahmenaus Steuern, Abgaben und sonstigen Quellen oder die Betriebsmit-telrücklage die Ausgaben unter Absatz 1 decken, darf die Bundesre-

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Artikel 111 GG

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gierung die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftsführung erfor-derlichen Mittel bis zur Höhe eines Viertels der Endsumme desabgelaufenen Haushaltsplanes im Wege des Kredits flüssig machen.

Artikel 112 [Überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben]Überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen derZustimmung des Bundesministers der Finanzen. Sie darf nur imFalle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisseserteilt werden. Näheres kann durch Bundesgesetz bestimmt werden.

Artikel 113 [Erhöhung der Ausgaben](1) Gesetze, welche die von der Bundesregierung vorgeschlagenenAusgaben des Haushaltsplanes erhöhen oder neue Ausgaben in sichschließen oder für die Zukunft mit sich bringen, bedürfen derZustimmung der Bundesregierung. Das gleiche gilt für Gesetze,die Einnahmeminderungen in sich schließen oder für die Zukunftmit sich bringen. Die Bundesregierung kann verlangen, daß derBundestag die Beschlußfassung über solche Gesetze aussetzt. Indiesem Fall hat die Bundesregierung innerhalb von sechs Wochendem Bundestage eine Stellungnahme zuzuleiten.(2) Die Bundesregierung kann innerhalb von vier Wochen, nach-dem der Bundestag das Gesetz beschlossen hat, verlangen, daß derBundestag erneut Beschluß faßt.(3) Ist das Gesetz nach Artikel 78 zustande gekommen, kann dieBundesregierung ihre Zustimmung nur innerhalb von sechsWochen und nur dann versagen, wenn sie vorher das Verfahrennach Absatz 1 Satz 3 und 4 oder nach Absatz 2 eingeleitet hat.Nach Ablauf dieser Frist gilt die Zustimmung als erteilt.

Artikel 114 [Rechnungslegung, Rechnungsprüfung](1) Der Bundesminister der Finanzen hat dem Bundestage unddem Bundesrate über alle Einnahmen und Ausgaben sowie über dasVermögen und die Schulden im Laufe des nächsten Rechnungsjah-res zur Entlastung der Bundesregierung Rechnung zu legen.(2) Der Bundesrechnungshof, dessen Mitglieder richterlicheUnabhängigkeit besitzen, prüft die Rechnung sowie die Wirt-schaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirt-schaftsführung. Er hat außer der Bundesregierung unmittelbar

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Artikel 112 GG

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dem Bundestage und dem Bundesrate jährlich zu berichten. Imübrigen werden die Befugnisse des Bundesrechnungshofes durchBundesgesetz geregelt.

Artikel 115 [Kreditaufnahme, Bürgschaftsübernahme und andereGewährleistungen]

(1) Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürg-schaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Aus-gaben in künftigen Rechnungsjahren führen können, bedürfeneiner der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächti-gung durch Bundesgesetz. Die Einnahmen aus Krediten dürfen dieSumme der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investi-tionen nicht überschreiten; Ausnahmen sind nur zulässig zurAbwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts.Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.(2) Für Sondervermögen des Bundes können durch BundesgesetzAusnahmen von Absatz 1 zugelassen werden.

X a. Verteidigungsfall

Artikel 115 a [Feststellung des Verteidigungsfalles](1) Die Feststellung, daß das Bundesgebiet mit Waffengewaltangegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht (Ver-teidigungsfall), trifft der Bundestag mit Zustimmung des Bundes-rates. Die Feststellung erfolgt auf Antrag der Bundesregierung undbedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stim-men, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages.(2) Erfordert die Lage unabweisbar ein sofortiges Handeln undstehen einem rechtzeitigen Zusammentritt des Bundestages un-überwindliche Hindernisse entgegen oder ist er nicht beschlußfä-hig, so trifft der Gemeinsame Ausschuß diese Feststellung mit einerMehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestensder Mehrheit seiner Mitglieder.(3) Die Feststellung wird vom Bundespräsidenten gemäß Artikel82 im Bundesgesetzblatte verkündet. Ist dies nicht rechtzeitig mög-lich, so erfolgt die Verkündung in anderer Weise; sie ist im Bundes-gesetzblatte nachzuholen, sobald die Umstände es zulassen.(4) Wird das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen und sinddie zuständigen Bundesorgane außerstande, sofort die Feststellung

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Artikel 115 GG

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nach Absatz 1 Satz 1 zu treffen, so gilt diese Feststellung als getrof-fen und als zu dem Zeitpunkt verkündet, in dem der Angriffbegonnen hat. Der Bundespräsident gibt diesen Zeitpunktbekannt, sobald die Umstände es zulassen.(5) Ist die Feststellung des Verteidigungsfalles verkündet und wirddas Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen, so kann der Bun-despräsident völkerrechtliche Erklärungen über das Bestehen desVerteidigungsfalles mit Zustimmung des Bundestages abgeben.Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 tritt an die Stelle desBundestages der Gemeinsame Ausschuß.

Artikel 115 b [Übergang der Befehls- und Kommandogewalt auf denBundeskanzler]

Mit der Verkündung des Verteidigungsfalles geht die Befehls- undKommandogewalt über die Streitkräfte auf den Bundeskanzler über.

Artikel 115 c [Erweiterung der Gesetzgebungskompetenz desBundes]

(1) Der Bund hat für den Verteidigungsfall das Recht der konkur-rierenden Gesetzgebung auch auf den Sachgebieten, die zurGesetzgebungszuständigkeit der Länder gehören. Diese Gesetzebedürfen der Zustimmung des Bundesrates.(2) Soweit es die Verhältnisse während des Verteidigungsfalleserfordern, kann durch Bundesgesetz für den Verteidigungsfall1. bei Enteignungen abweichend von Artikel 14 Abs. 3 Satz 2 die

Entschädigung vorläufig geregelt werden,2. für Freiheitsentziehungen eine von Artikel 104 Abs. 2 Satz 3

und Abs. 3 Satz 1 abweichende Frist, höchstens jedoch einesolche von vier Tagen, für den Fall festgesetzt werden, daß einRichter nicht innerhalb der für Normalzeiten geltenden Fristtätig werden konnte.

(3) Soweit es zur Abwehr eines gegenwärtigen oder unmittelbardrohenden Angriffs erforderlich ist, kann für den Verteidigungsfalldurch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates die Verwal-tung und das Finanzwesen des Bundes und der Länder abweichendvon den Abschnitten VIII, VIII a und X geregelt werden, wobei dieLebensfähigkeit der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände,insbesondere auch in finanzieller Hinsicht, zu wahren ist.

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Artikel 115 b GG

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(4) Bundesgesetze nach den Absätzen 1 und 2 Nr. 1 dürfen zurVorbereitung ihres Vollzuges schon vor Eintritt des Verteidigungs-falles angewandt werden.

Artikel 115 d [Dringliche Gesetzesvorlagen](1) Für die Gesetzgebung des Bundes gilt im Verteidigungsfalleabweichend von Artikel 76 Abs. 2, Artikel 77 Abs. 1 Satz 2 undAbs. 2 bis 4, Artikel 78 und Artikel 82 Abs. 1 die Regelung derAbsätze 2 und 3.(2) Gesetzesvorlagen der Bundesregierung, die sie als dringlichbezeichnet, sind gleichzeitig mit der Einbringung beim Bundestagedem Bundesrate zuzuleiten. Bundestag und Bundesrat beraten die-se Vorlagen unverzüglich gemeinsam. Soweit zu einem Gesetze dieZustimmung des Bundesrates erforderlich ist, bedarf es zumZustandekommen des Gesetzes der Zustimmung der Mehrheit sei-ner Stimmen. Das Nähere regelt eine Geschäftsordnung, die vomBundestage beschlossen wird und der Zustimmung des Bundes-rates bedarf.(3) Für die Verkündung der Gesetze gilt Artikel 115 a Abs. 3 Satz2 entsprechend.

Artikel 115 e [Stellung des Gemeinsamen Ausschusses](1) Stellt der Gemeinsame Ausschuß im Verteidigungsfalle miteiner Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, min-destens mit der Mehrheit seiner Mitglieder, fest, daß dem rechtzei-tigen Zusammentritt des Bundestages unüberwindliche Hindernis-se entgegenstehen oder daß dieser nicht beschlußfähig ist, so hatder Gemeinsame Ausschuß die Stellung von Bundestag und Bun-desrat und nimmt deren Rechte einheitlich wahr.(2) Durch ein Gesetz des Gemeinsamen Ausschusses darf dasGrundgesetz weder geändert noch ganz oder teilweise außer Kraftoder außer Anwendung gesetzt werden. Zum Erlaß von Gesetzennach Artikel 23 Abs. 1 Satz 2, Artikel 24 Abs. 1 oder Artikel 29 istder Gemeinsame Ausschuß nicht befugt.

Artikel 115 f [Einsatz des Bundesgrenzschutzes, Weisungsbefugnisgegenüber den Ländern]

(1) Die Bundesregierung kann im Verteidigungsfalle, soweit es dieVerhältnisse erfordern,

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Artikel 115 d GG

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1. den Bundesgrenzschutz im gesamten Bundesgebiete einsetzen;2. außer der Bundesverwaltung auch den Landesregierungen und,

wenn sie es für dringlich erachtet, den Landesbehörden Wei-sungen erteilen und diese Befugnis auf von ihr zu bestimmendeMitglieder der Landesregierungen übertragen.

(2) Bundestag, Bundesrat und der Gemeinsame Ausschuß sindunverzüglich von den nach Absatz 1 getroffenen Maßnahmen zuunterrichten.

Artikel 115 g [Stellung des Bundesverfassungsgerichts imVerteidigungsfall]

Die verfassungsmäßige Stellung und die Erfüllung der verfas-sungsmäßigen Aufgaben des Bundesverfassungsgerichtes und sei-ner Richter dürfen nicht beeinträchtigt werden. Das Gesetz überdas Bundesverfassungsgericht darf durch ein Gesetz des Gemein-samen Ausschusses nur insoweit geändert werden, als dies auchnach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes zur Aufrechter-haltung der Funktionsfähigkeit des Gerichtes erforderlich ist. Biszum Erlaß eines solchen Gesetzes kann das Bundesverfassungsge-richt die zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Gerichtes erfor-derlichen Maßnahmen treffen. Beschlüsse nach Satz 2 und Satz 3faßt das Bundesverfassungsgericht mit der Mehrheit der anwesen-den Richter.

Artikel 115 h [Ablaufende Wahlperioden und Amtszeiten](1) Während des Verteidigungsfalles ablaufende Wahlperioden desBundestages oder der Volksvertretungen der Länder enden sechsMonate nach Beendigung des Verteidigungsfalles. Die im Verteidi-gungsfalle ablaufende Amtszeit des Bundespräsidenten sowie bei vor-zeitiger Erledigung seines Amtes die Wahrnehmung seiner Befugnis-se durch den Präsidenten des Bundesrates enden neun Monate nachBeendigung des Verteidigungsfalles. Die im Verteidigungsfalle ablau-fende Amtszeit eines Mitgliedes des Bundesverfassungsgerichtesendet sechs Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalles.(2) Wird eine Neuwahl des Bundeskanzlers durch den Gemeinsa-men Ausschuß erforderlich, so wählt dieser einen neuen Bundes-kanzler mit der Mehrheit seiner Mitglieder; der Bundespräsidentmacht dem Gemeinsamen Ausschuß einen Vorschlag. Der

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Artikel 115 g GG

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Gemeinsame Ausschuß kann dem Bundeskanzler das Mißtrauennur dadurch aussprechen, daß er mit der Mehrheit von zwei Drit-teln seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt.(3) Für die Dauer des Verteidigungsfalles ist die Auflösung desBundestages ausgeschlossen.

Artikel 115 i [Maßnahmebefugnis der Landesregierungen](1) Sind die zuständigen Bundesorgane außerstande, die notwen-digen Maßnahmen zur Abwehr der Gefahr zu treffen, und erfor-dert die Lage unabweisbar ein sofortiges selbständiges Handeln ineinzelnen Teilen des Bundesgebietes, so sind die Landesregierungenoder die von ihnen bestimmten Behörden oder Beauftragtenbefugt, für ihren Zuständigkeitsbereich Maßnahmen im Sinne desArtikels 115 f Abs. 1 zu treffen.(2) Maßnahmen nach Absatz 1 können durch die Bundesregie-rung, im Verhältnis zu Landesbehörden und nachgeordneten Bun-desbehörden auch durch die Ministerpräsidenten der Länder,jederzeit aufgehoben werden.

Artikel 115 k [Entgegenstehendes Recht, Außerkrafttreten vonNotstandsbestimmungen]

(1) Für die Dauer ihrer Anwendbarkeit setzen Gesetze nach denArtikeln 115 c, 115 e und 115 g und Rechtsverordnungen, die aufGrund solcher Gesetze ergehen, entgegenstehendes Recht außerAnwendung. Dies gilt nicht gegenüber früherem Recht, das aufGrund der Artikel 115 c, 115 e und 115 g erlassen worden ist.(2) Gesetze, die der Gemeinsame Ausschuß beschlossen hat, undRechtsverordnungen, die auf Grund solcher Gesetze ergangen sind,treten spätestens sechs Monate nach Beendigung des Verteidi-gungsfalles außer Kraft.(3) Gesetze, die von den Artikeln 91 a, 91 b, 104 a, 106 und 107abweichende Regelungen enthalten, gelten längstens bis zum Endedes zweiten Rechnungsjahres, das auf die Beendigung des Verteidi-gungsfalles folgt. Sie können nach Beendigung des Verteidigungs-falles durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates geän-dert werden, um zu der Regelung gemäß den Abschnitten VIII aund X überzuleiten.

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Artikel 115 i GG

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Artikel 115 l [Aufhebung von Gesetzen des GemeinsamenAusschusses]

(1) Der Bundestag kann jederzeit mit Zustimmung des Bundesra-tes Gesetze des Gemeinsamen Ausschusses aufheben. Der Bundes-rat kann verlangen, daß der Bundestag hierüber beschließt. Sonsti-ge zur Abwehr der Gefahr getroffene Maßnahmen des Gemeinsa-men Ausschusses oder der Bundesregierung sind aufzuheben, wennder Bundestag und der Bundesrat es beschließen.(2) Der Bundestag kann mit Zustimmung des Bundesrates jeder-zeit durch einen vom Bundespräsidenten zu verkündendenBeschluß den Verteidigungsfall für beendet erklären. Der Bundes-rat kann verlangen, daß der Bundestag hierüber beschließt. DerVerteidigungsfall ist unverzüglich für beendet zu erklären, wenndie Voraussetzungen für seine Feststellung nicht mehr gegebensind.(3) Über den Friedensschluß wird durch Bundesgesetz entschieden.

XI. Übergangs- und Schlußbestimmungen

Artikel 116 [Begriffsbestimmung „Deutscher“, Wiedereinbürgerung](1) Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlichanderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsan-gehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscherVolkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling indem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31.Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.(2) Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30.Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit auspolitischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen wordenist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern.Sie gelten als nicht ausgebürgert, sofern sie nach dem 8. Mai 1945ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben und nicht einenentgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht haben.

Artikel 117 [Aussetzung des Inkrafttretens zweier Grundrechte](1) Das dem Artikel 3 Abs. 2 entgegenstehende Recht bleibt bis zuseiner Anpassung an diese Bestimmung des Grundgesetzes inKraft, jedoch nicht länger als bis zum 31. März 1953.

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Artikel 115 l GG

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(2) Gesetze, die das Recht der Freizügigkeit mit Rücksicht auf diegegenwärtige Raumnot einschränken, bleiben bis zu ihrer Aufhe-bung durch Bundesgesetz in Kraft.

Artikel 118 [Neugliederung der badischen und württembergischenLänder]

Die Neugliederung in dem die Länder Baden, Württemberg-Badenund Württemberg-Hohenzollern umfassenden Gebiete kannabweichend von den Vorschriften des Artikels 29 durch Vereinba-rung der beteiligten Länder erfolgen. Kommt eine Vereinbarungnicht zustande, so wird die Neugliederung durch Bundesgesetzgeregelt, das eine Volksbefragung vorsehen muß.

Artikel 118 a [Neugliederung der Länder Berlin und Brandenburg]Die Neugliederung in dem die Länder Berlin und Brandenburgumfassenden Gebiet kann abweichend von den Vorschriften desArtikels 29 unter Beteiligung ihrer Wahlberechtigten durch Verein-barung beider Länder erfolgen.

Artikel 119 [Flüchtlinge und Vertriebene]In Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen, insbesonde-re zu ihrer Verteilung auf die Länder, kann bis zu einer bundesge-setzlichen Regelung die Bundesregierung mit Zustimmung desBundesrates Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen. Für beson-dere Fälle kann dabei die Bundesregierung ermächtigt werden,Einzelweisungen zu erteilen. Die Weisungen sind außer bei Gefahrim Verzuge an die obersten Landesbehörden zu richten.

Artikel 120 [Besatzungskosten, Kriegsfolgelasten undSozialleistungen]

(1) Der Bund trägt die Aufwendungen für Besatzungskosten und diesonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten nach näherer Bestim-mung von Bundesgesetzen. Soweit diese Kriegsfolgelasten bis zum1. Oktober 1969 durch Bundesgesetze geregelt worden sind, tragenBund und Länder im Verhältnis zueinander die Aufwendungen nachMaßgabe dieser Bundesgesetze. Soweit Aufwendungen für Kriegsfolge-lasten, die in Bundesgesetzen weder geregelt worden sind noch geregeltwerden, bis zum 1. Oktober 1965 von den Ländern, Gemeinden(Gemeindeverbänden) oder sonstigen Aufgabenträgern, die Aufgaben

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Artikel 118 GG

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von Ländern oder Gemeinden erfüllen, erbracht worden sind, ist derBund zur Übernahme von Aufwendungen dieser Art auch nach diesemZeitpunkt nicht verpflichtet. Der Bund trägt die Zuschüsse zu denLasten der Sozialversicherung mit Einschluß der Arbeitslosenversiche-rung und der Arbeitslosenhilfe. Die durch diesen Absatz geregelte Ver-teilung der Kriegsfolgelasten auf Bund und Länder läßt die gesetzlicheRegelung von Entschädigungsansprüchen für Kriegsfolgen unberührt.(2) Die Einnahmen gehen auf den Bund zu demselben Zeitpunkteüber, an dem der Bund die Ausgaben übernimmt.

Artikel 120 a [Lastenausgleich](1) Die Gesetze, die der Durchführung des Lastenausgleichs die-nen, können mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, daß sieauf dem Gebiete der Ausgleichsleistungen teils durch den Bund,teils im Auftrage des Bundes durch die Länder ausgeführt werdenund daß die der Bundesregierung und den zuständigen oberstenBundesbehörden auf Grund des Artikels 85 insoweit zustehendenBefugnisse ganz oder teilweise dem Bundesausgleichsamt übertra-gen werden. Das Bundesausgleichsamt bedarf bei Ausübung dieserBefugnisse nicht der Zustimmung des Bundesrates; seine Weisun-gen sind, abgesehen von den Fällen der Dringlichkeit, an die ober-sten Landesbehörden (Landesausgleichsämter) zu richten.(2) Artikel 87 Abs. 3 Satz 2 bleibt unberührt.

Artikel 121 [Begriffsbestimmung der Mehrheit der Mitglieder derVolksvertretung]

Mehrheit der Mitglieder des Bundestages und der Bundesver-sammlung im Sinne dieses Grundgesetzes ist die Mehrheit ihrergesetzlichen Mitgliederzahl.

Artikel 122 [Zeitpunkt der Überleitung der Gesetzgebung](1) Vom Zusammentritt des Bundestages an werden die Gesetzeausschließlich von den in diesem Grundgesetze anerkanntengesetzgebenden Gewalten beschlossen.(2) Gesetzgebende und bei der Gesetzgebung beratend mitwirken-de Körperschaften, deren Zuständigkeit nach Absatz 1 endet, sindmit diesem Zeitpunkt aufgelöst.

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Artikel 120 a GG

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Artikel 123 [Fortgeltung bisherigen Rechts, bestehende Staatsverträge](1) Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestagesgilt fort, soweit es dem Grundgesetze nicht widerspricht.(2) Die vom Deutschen Reich abgeschlossenen Staatsverträge, diesich auf Gegenstände beziehen, für die nach diesem Grundgesetzedie Landesgesetzgebung zuständig ist, bleiben, wenn sie nach all-gemeinen Rechtsgrundsätzen gültig sind und fortgelten, unterVorbehalt aller Rechte und Einwendungen der Beteiligten inKraft, bis neue Staatsverträge durch die nach diesem Grundgesetzezuständigen Stellen abgeschlossen werden oder ihre Beendigungauf Grund der in ihnen enthaltenen Bestimmungen anderweitigerfolgt.

Artikel 124 [Fortgeltendes Recht der ausschließlichen Gesetzgebung]Recht, das Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung des Bun-des betrifft, wird innerhalb seines Geltungsbereiches Bundesrecht.

Artikel 125 [Fortgeltendes Recht der konkurrierendenGesetzgebung]

Recht, das Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung des Bun-des betrifft, wird innerhalb seines Geltungsbereiches Bundesrecht,1. soweit es innerhalb einer oder mehrerer Besatzungszonen ein-

heitlich gilt,2. soweit es sich um Recht handelt, durch das nach dem 8. Mai

1945 früheres Reichsrecht abgeändert worden ist.

Artikel 125 a [Fortdauer von Bundesrecht](1) Recht, das als Bundesrecht erlassen worden ist, aber wegenÄnderung der Artikel 74 Abs. 1 oder 75 Abs. 1 nicht mehr alsBundesrecht erlassen werden könnte, gilt als Bundesrecht fort. Eskann durch Landesrecht ersetzt werden.(2) Recht, das auf Grund des Artikels 72 Abs. 2 in der bis zum …(einsetzen: Datum des Inkrafttretens des Gesetzes) geltenden Fas-sung erlassen worden ist, gilt als Bundesrecht fort. Durch Bundes-gesetz kann bestimmt werden, daß es durch Landesrecht ersetztwerden kann. Entsprechendes gilt für Bundesrecht, das vor diesemZeitpunkt erlassen worden ist und das nach Artikel 75 Abs. 2 nichtmehr erlassen werden könnte.

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Artikel 123 GG

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Artikel 126 [Entscheidung über Fortgelten von Recht alsBundesrecht]

Meinungsverschiedenheiten über das Fortgelten von Recht alsBundesrecht entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

Artikel 127 [Rechtsangleichung in der französischen Zone und inBerlin]

Die Bundesregierung kann mit Zustimmung der Regierungen derbeteiligten Länder Recht der Verwaltung des Vereinigten Wirt-schaftsgebietes, soweit es nach Artikel 124 oder 125 als Bundes-recht fortgilt, innerhalb eines Jahres nach Verkündung diesesGrundgesetzes in den Ländern Baden, Groß-Berlin, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern in Kraft setzen.

Artikel 128 [Fortgeltendes Weisungsrecht]Soweit fortgeltendes Recht Weisungsrechte im Sinne des Artikels84 Abs. 5 vorsieht, bleiben sie bis zu einer anderweitigen gesetzli-chen Regelung bestehen.

Artikel 129 [Ermächtigungen im fortgeltenden Recht](1) Soweit in Rechtsvorschriften, die als Bundesrecht fortgelten,eine Ermächtigung zum Erlasse von Rechtsverordnungen oder all-gemeinen Verwaltungsvorschriften sowie zur Vornahme von Ver-waltungsakten enthalten ist, geht sie auf die nunmehr sachlichzuständigen Stellen über. In Zweifelsfällen entscheidet die Bundes-regierung im Einvernehmen mit dem Bundesrate; die Entschei-dung ist zu veröffentlichen.(2) Soweit in Rechtsvorschriften, die als Landesrecht fortgelten,eine solche Ermächtigung enthalten ist, wird sie von den nach Lan-desrecht zuständigen Stellen ausgeübt.(3) Soweit Rechtsvorschriften im Sinne der Absätze 1 und 2 zuihrer Änderung oder Ergänzung oder zum Erlaß von Rechtsvor-schriften an Stelle von Gesetzen ermächtigen, sind diese Ermächti-gungen erloschen.(4) Die Vorschriften der Absätze 1 und 2 gelten entsprechend,soweit in Rechtsvorschriften auf nicht mehr geltende Vorschriftenoder nicht mehr bestehende Einrichtungen verwiesen ist.

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Artikel 126 GG

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Artikel 130 [Unterstellung bestehender Verwaltungseinrichtungen](1) Verwaltungsorgane und sonstige der öffentlichen Verwaltungoder Rechtspflege dienende Einrichtungen, die nicht auf Landes-recht oder Staatsverträgen zwischen Ländern beruhen, sowie dieBetriebsvereinigung der südwestdeutschen Eisenbahnen und derVerwaltungsrat für das Post- und Fernmeldewesen für das französi-sche Besatzungsgebiet unterstehen der Bundesregierung. Dieseregelt mit Zustimmung des Bundesrates die Überführung, Auflö-sung oder Abwicklung.(2) Oberster Disziplinarvorgesetzter der Angehörigen dieser Ver-waltungen und Einrichtungen ist der zuständige Bundesminister.(3) Nicht landesunmittelbare und nicht auf Staatsverträgen zwi-schen den Ländern beruhende Körperschaften und Anstalten desöffentlichen Rechtes unterstehen der Aufsicht der zuständigenobersten Bundesbehörde.

Artikel 131 [Rechtsverhältnisse ehemaliger Angehöriger desöffentlichen Dienstes]

Die Rechtsverhältnisse von Personen einschließlich der Flüchtlingeund Vertriebenen, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienstestanden, aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründenausgeschieden sind und bisher nicht oder nicht ihrer früheren Stel-lung entsprechend verwendet werden, sind durch Bundesgesetz zuregeln. Entsprechendes gilt für Personen einschließlich der Flücht-linge und Vertriebenen, die am 8. Mai 1945 versorgungsberechtigtwaren und aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründenkeine oder keine entsprechende Versorgung mehr erhalten. Bis zumInkrafttreten des Bundesgesetzes können vorbehaltlich anderweiti-ger landesrechtlicher Regelung Rechtsansprüche nicht geltendgemacht werden.

Artikel 132 [Pensionierung von Beamten](1) Beamte und Richter, die im Zeitpunkte des Inkrafttretens die-ses Grundgesetzes auf Lebenszeit angestellt sind, können binnensechs Monaten nach dem ersten Zusammentritt des Bundestages inden Ruhestand oder Wartestand oder in ein Amt mit niedrigeremDiensteinkommen versetzt werden, wenn ihnen die persönlicheoder fachliche Eignung für ihr Amt fehlt. Auf Angestellte, die in

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Artikel 130 GG

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einem unkündbaren Dienstverhältnis stehen, findet diese Vor-schrift entsprechende Anwendung. Bei Angestellten, deren Dienst-verhältnis kündbar ist, können über die tarifmäßige Regelung hin-ausgehende Kündigungsfristen innerhalb der gleichen Frist aufge-hoben werden.(2) Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf Angehörigedes öffentlichen Dienstes, die von den Vorschriften über die„Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus“ nichtbetroffen oder die anerkannte Verfolgte des Nationalsozialismussind, sofern nicht ein wichtiger Grund in ihrer Person vorliegt.(3) Den Betroffenen steht der Rechtsweg gemäß Artikel 19 Abs. 4offen.(4) Das Nähere bestimmt eine Verordnung der Bundesregierung,die der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

Artikel 133 [Rechtsnachfolge der Verwaltung des VereinigtenWirtschaftsgebietes]

Der Bund tritt in die Rechte und Pflichten der Verwaltung desVereinigten Wirtschaftsgebietes ein.

Artikel 134 [Überleitung des Reichsvermögens](1) Das Vermögen des Reiches wird grundsätzlich Bundesvermögen.(2) Soweit es nach seiner ursprünglichen Zweckbestimmung über-wiegend für Verwaltungsaufgaben bestimmt war, die nach diesemGrundgesetze nicht Verwaltungsaufgaben des Bundes sind, ist esunentgeltlich auf die nunmehr zuständigen Aufgabenträger und,soweit es nach seiner gegenwärtigen, nicht nur vorübergehendenBenutzung Verwaltungsaufgaben dient, die nach diesem Grundge-setz nunmehr von den Ländern zu erfüllen sind, auf die Länder zuübertragen. Der Bund kann auch sonstiges Vermögen den Ländernübertragen.(3) Vermögen, das dem Reich von den Ländern und Gemeinden(Gemeindeverbänden) unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde,wird wiederum Vermögen der Länder und Gemeinden (Gemeinde-verbände), soweit es nicht der Bund für eigene Verwaltungsaufga-ben benötigt.(4) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung desBundesrates bedarf.

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Artikel 133 GG

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Artikel 135 [Vermögensregelung bei Wechsel der Länderzugehörigkeit](1) Hat sich nach dem 8. Mai 1945 bis zum Inkrafttreten diesesGrundgesetzes die Landeszugehörigkeit eines Gebietes geändert, sosteht in diesem Gebiete das Vermögen des Landes, dem das Gebietangehört hat, dem Lande zu, dem es jetzt angehört.(2) Das Vermögen nicht mehr bestehender Länder und nichtmehr bestehender anderer Körperschaften und Anstalten desöffentlichen Rechtes geht, soweit es nach seiner ursprünglichenZweckbestimmung überwiegend für Verwaltungsaufgabenbestimmt war, oder nach seiner gegenwärtigen, nicht nur vorüber-gehenden Benutzung überwiegend Verwaltungsaufgaben dient, aufdas Land oder die Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rech-tes über, die nunmehr diese Aufgaben erfüllen.(3) Grundvermögen nicht mehr bestehender Länder geht einschließ-lich des Zubehörs, soweit es nicht bereits zu Vermögen im Sinne desAbsatzes 1 gehört, auf das Land über, in dessen Gebiet es gelegen ist.(4) Sofern ein überwiegendes Interesse des Bundes oder das besonde-re Interesse eines Gebietes es erfordert, kann durch Bundesgesetz einevon den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelung getroffen werden.(5) Im übrigen wird die Rechtsnachfolge und die Auseinanderset-zung, soweit sie nicht bis zum 1. Januar 1952 durch Vereinbarungzwischen den beteiligten Ländern oder Körperschaften oderAnstalten des öffentlichen Rechts erfolgt, durch Bundesgesetz gere-gelt, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.(6) Beteiligungen des ehemaligen Landes Preußen an Unternehmendes privaten Rechtes gehen auf den Bund über. Das Nähere regeltein Bundesgesetz, das auch Abweichendes bestimmen kann.(7) Soweit über Vermögen, das einem Lande oder einer Körper-schaft oder Anstalt des öffentlichen Rechtes nach den Absätzen 1und 3 zufallen würde, von dem danach Berechtigten durch einLandesgesetz, auf Grund eines Landesgesetzes oder in anderer Wei-se bei Inkrafttreten des Grundgesetzes verfügt worden war, gilt derVermögensübergang als vor der Verfügung erfolgt.

Artikel 135 a [Alte Verbindlichkeiten](1) Durch die in Artikel 134 Abs. 4 und Artikel 135 Abs. 5 vorbe-haltene Gesetzgebung des Bundes kann auch bestimmt werden,daß nicht oder nicht in voller Höhe zu erfüllen sind

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Artikel 135 GG

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1. Verbindlichkeiten des Reiches sowie Verbindlichkeiten des ehe-maligen Landes Preußen und sonstiger nicht mehr bestehenderKörperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts.

2. Verbindlichkeiten des Bundes oder anderer Körperschaftenund Anstalten des öffentlichen Rechts, welche mit dem Über-gang von Vermögenswerten nach Artikel 89, 90, 134 und 135im Zusammenhang stehen, und Verbindlichkeiten dieserRechtsträger, die auf Maßnahmen der in Nummer 1 bezeich-neten Rechtsträger beruhen.

3. Verbindlichkeiten der Länder und Gemeinden (Gemeindever-bände), die aus Maßnahmen entstanden sind, welche dieseRechtsträger vor dem 1. August 1945 zur Durchführung vonAnordnungen der Besatzungsmächte oder zur Beseitigung eineskriegsbedingten Notstandes im Rahmen dem Reich obliegen-der oder vom Reich übertragener Verwaltungsaufgaben getrof-fen haben.

(2) Absatz 1 findet entsprechende Anwendung auf Verbindlichkei-ten der Deutschen Demokratischen Republik oder ihrer Rechtsträ-ger sowie auf Verbindlichkeiten des Bundes oder anderer Körper-schaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, die mit dem Über-gang von Vermögenswerten der Deutschen Demokratischen Repu-blik auf Bund, Länder und Gemeinden im Zusammenhang stehen,und auf Verbindlichkeiten, die auf Maßnahmen der DeutschenDemokratischen Republik oder ihrer Rechtsträger beruhen.

Artikel 136 [Erster Zusammentritt des Bundesrates](1) Der Bundesrat tritt erstmalig am Tage des ersten Zusammen-trittes des Bundestages zusammen.(2) Bis zur Wahl des ersten Bundespräsidenten werden dessenBefugnisse von dem Präsidenten des Bundesrates ausgeübt. DasRecht der Auflösung des Bundestages steht ihm nicht zu.

Artikel 137 [Wählbarkeit von Angehörigen des öffentlichenDienstes]

(1) Die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichenDienstes, Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten auf Zeit und Rich-tern im Bund, in den Ländern und den Gemeinden kann gesetz-lich beschränkt werden.

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Artikel 136 GG

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(2) Für die Wahl des ersten Bundestages, der ersten Bundesver-sammlung und des ersten Bundespräsidenten der Bundesrepublikgilt das vom Parlamentarischen Rat zu beschließende Wahlgesetz.(3) Die dem Bundesverfassungsgerichte gemäß Artikel 41 Abs. 2zustehende Befugnis wird bis zu seiner Errichtung von dem Deut-schen Obergericht für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet wahrge-nommen, das nach Maßgabe seiner Verfahrensordnung entschei-det.

Artikel 138 [Süddeutsches Notariat]Änderungen der Einrichtungen des jetzt bestehenden Notariats inden Ländern Baden, Bayern, Württemberg-Baden und Württem-berg-Hohenzollern bedürfen der Zustimmung der Regierungendieser Länder.

Artikel 139 [Fortgelten von Vorschriften über Entnazifizierung]Die zur „Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismusund Militarismus“ erlassenen Rechtsvorschriften werden von denBestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt.

Artikel 140 [Weitergeltung von Artikeln der Weimarer Verfassungbetreffend Religionsgemeinschaften]

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 derdeutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil diesesGrundgesetzes.

A r t i k e l 1 3 6 We i m a r e r Ve r f a s s u n g(1) Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichtenwerden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingtnoch beschränkt.(2) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte sowiedie Zulassung zu öffentlichen Ämtern sind unabhängig von demreligiösen Bekenntnis.(3) Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offen-baren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach derZugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davonRechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnetestatistische Erhebung dies erfordert.

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Artikel 138 GG

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(4) Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlich-keit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benut-zung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.

A r t i k e l 1 3 7 We i m a r e r Ve r f a s s u n g(1) Es besteht keine Staatskirche.(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wirdgewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschafteninnerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angele-genheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle gelten-den Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staatesoder der bürgerlichen Gemeinde.(4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach denallgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.(5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffent-lichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religions-gesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren,wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder dieGewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffent-lich-rechtliche Religionsgemeinschaften zu einem Verbande zusam-men, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körper-schaft.(6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffent-lichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichenSteuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen BestimmungenSteuern zu erheben.(7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleich-gestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauungzur Aufgabe machen.(8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitereRegelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.

A r t i k e l 1 3 8 We i m a r e r Ve r f a s s u n g(1) Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhen-den Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durchdie Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt dasReich auf.

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Artikel 140 GG

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(2) Das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaftenund religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- undWohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und son-stigen Vermögen werden gewährleistet.

A r t i k e l 1 3 9 We i m a r e r Ve r f a s s u n gDer Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben alsTage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlichgeschützt.

A r t i k e l 1 4 1 We i m a r e r Ve r f a s s u n gSoweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, inKrankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstal-ten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiö-ser Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist.

Artikel 141 [Aufrechterhaltung landesrechtlicher Regelung desReligionsunterrichts]

Artikel 7 Abs. 3 Satz 1 findet keine Anwendung in einem Lande,in dem am 1. Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelungbestand.

Artikel 142 [Fortsetzung landesrechtlicher Grundrechte]Ungeachtet der Vorschrift des Artikels 31 bleiben Bestimmungender Landesverfassungen auch insoweit in Kraft, als sie in Überein-stimmung mit den Artikeln 1 bis 18 dieses Grundgesetzes Grund-rechte gewährleisten.

Artikel 142 a [aufgehoben]

Artikel 143 [Abweichungen vom Grundgesetz](1) Recht in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrags genanntenGebiet kann längstens bis zum 31. Dezember 1992 von Bestimmun-gen dieses Grundgesetzes abweichen, soweit und solange infolge derunterschiedlichen Verhältnisse die völlige Anpassung an die grundge-setzliche Ordnung noch nicht erreicht werden kann. Abweichungendürfen nicht gegen Artikel 19 Abs. 2 verstoßen und müssen mit denin Artikel 79 Abs. 3 genannten Grundsätzen vereinbar sein.

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Artikel 141 GG

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(2) Abweichungen von den Abschnitten II, VIII, VIII a, IX, X undXI sind längstens bis zum 31. Dezember 1995 zulässig.(3) Unabhängig von Absatz 1 und 2 haben Artikel 41 des Eini-gungsvertrags und Regelungen zu seiner Durchführung auch inso-weit Bestand, als sie vorsehen, daß Eingriffe in das Eigentum aufdem in Artikel 3 dieses Vertrages genannten Gebiet nicht mehrrückgängig gemacht werden.

Artikel 143 a [Übergangsregelungen für die Bundeseisenbahnen](1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über alle Ange-legenheiten, die sich aus der Umwandlung der in bundeseigenerVerwaltung geführten Bundeseisenbahnen in Wirtschaftsunterneh-men ergeben. Artikel 87 e Abs. 5 findet entsprechende Anwen-dung. Beamte der Bundeseisenbahnen können durch Gesetz unterWahrung ihrer Rechtsstellung und der Verantwortung desDienstherrn einer privat-rechtlich organisierten Eisenbahn desBundes zur Dienstleistung zugewiesen werden.(2) Gesetze nach Absatz 1 führt der Bund aus.(3) Die Erfüllung der Aufgaben im Bereich des Schienenpersonen-nahverkehrs der bisherigen Bundeseisenbahnen ist bis zum 31.Dezember 1995 Sache des Bundes. Dies gilt auch für die entspre-chenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung. Das Näherewird durch Bundesgesetz geregelt, das der Zustimmung des Bun-desrates bedarf.

Artikel 143 b [Übergangsregelungen für die Deutsche Bundespost](1) Das Sondervermögen Deutsche Bundespost wird nach Maßga-be eines Bundesgesetzes in Unternehmen privater Rechtsformumgewandelt. Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebungüber alle sich hieraus ergebenden Angelegenheiten.(2) Die vor der Umwandlung bestehenden ausschließlichen Rech-te des Bundes können durch Bundesgesetz für eine Übergangszeitden aus der Deutschen Bundespost POSTDIENST und der Deut-schen Bundespost TELEKOM hervorgegangenen Unternehmenverliehen werden. Die Kapitalmehrheit am Nachfolgeunternehmender Deutschen Bundespost POSTDIENST darf der Bund frühe-stens fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes aufgeben. Dazubedarf es eines Bundesgesetzes mit Zustimmung des Bundesrates.

86

Artikel 143 a GG

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(3) Die bei der Deutschen Bundespost tätigen Bundesbeamtenwerden unter Wahrung ihrer Rechtsstellung und der Verantwor-tung des Dienstherrn bei den privaten Unternehmen beschäftigt.Die Unternehmen üben Dienstherrenbefugnisse aus. Das Näherebestimmt ein Bundesgesetz.

Artikel 144 [Annahme des Grundgesetzes, Geltungsbereich](1) Dieses Grundgesetz bedarf der Annahme durch die Volksver-tretung in zwei Dritteln der deutschen Länder, in denen eszunächst gelten soll.(2) Soweit die Anwendung dieses Grundgesetzes in einem der inArtikel 23 aufgeführten Länder oder in einem Teile eines dieserLänder Beschränkungen unterliegt, hat das Land oder der Teil desLandes das Recht, gemäß Artikel 38 Vertreter in den Bundestagund gemäß Artikel 50 Vertreter in den Bundesrat zu entsenden.

Artikel 145 [Inkrafttreten des Grundgesetzes](1) Der Parlamentarische Rat stellt in öffentlicher Sitzung unterMitwirkung der Abgeordneten Groß-Berlins die Annahme diesesGrundgesetzes fest, fertigt es aus und verkündet es.(2) Dieses Grundgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Verkündungin Kraft.(3) Es ist im Bundesgesetzblatte zu veröffentlichen.

Artikel 146 [Geltungsdauer des Grundgesetzes]Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und FreiheitDeutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seineGültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, dievon dem deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen wor-den ist.

87

Artikel 144 GG

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Änderungstabelle zum Grundgesetz

Bundes-Lfd. Änderndes Gesetz Datum gesetz- Geänderte Art derNr. blatt I Artikel Änderung

Seite

1. Strafrechtsänderungsgesetz 30. 8. 1951 739 143 aufgehoben

2. Gesetz zur Einfügung 14. 8. 1952 445 120 a eingefügteines Art. 120 a in dasGrundgesetz

3. Gesetz zur Änderung 20. 4. 1953 130 107 geändertdes Art. 107 des Grund-gesetzes

4. Gesetz zur Ergänzung 26. 3. 1954 45 73 Nr. 1 geändertdes Grundgesetzes 79 Abs. 1

Satz 2,

142 a eingefügt

5. Zweites Gesetz zur Än- 25. 12. 1954 517 107 geändertderung des Art. 107 desGrundgesetzes

6. Finanzverfassungsgesetz 23. 12. 1955 817 106, 107 geändert

7. Gesetz zur Ergänzung 19. 3. 1956 111 1 Abs. 3, geändertdes Grundgesetzes 12, 36, 49,

60 Abs. 1,96 Abs. 3,137 Abs. 1

17 a, 45 a, eingefügt45 b, 59 a,65 a, 87 a,87 b, 96 a, 143

8. Gesetz zur Änderung 24. 12. 1956 1077 106 Abs. 2, geändertund Ergänzung des 6–8Art. 106 des Grundge-setzes

9. Gesetz zur Einfügung 22. 10. 1957 1745 135 a eingefügteines Art. 135 a in dasGrundgesetz

10. Gesetz zur Ergänzung 23. 12. 1959 813 74 Nr. 11 a, eingefügtdes Grundgesetzes 87 c

11. Gesetz zur Einfügung 6. 2. 1961 65 87 d eingefügteines Artikels über dieLuftverkehrsverwaltungin das Grundgesetz

12. Zwölftes Gesetz zur 6. 3. 1961 141 96 Abs. 3, aufgehobenÄnderung des Grundgesetzes 96 a geändert

13. Dreizehntes Gesetz zur 16. 6. 1965 513 74 Nr. 10 geändertÄnderung des Grund- 10 a eingefügtgesetzes

88

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14. Vierzehntes Gesetz zur 30. 7. 1965 649 120 Abs. 1 geändertÄnderung des Grund-gesetzes

15. Fünfzehntes Gesetz zur 8. 6. 1967 581 109 geändertÄnderung des Grund-gesetzes

16. Sechzehntes Gesetz zur 18. 6. 1968 657 92, 95 geändertÄnderung des Grund- 96 aufgehobengesetzes 96a, 99, 100 geändert

17. Siebzehntes Gesetz zur 24. 6. 1968 709 9 Abs. 3, geändertErgänzung des Grund- 10, 11 Abs. 2,gesetzes 12

12 a eingefügt

19 Abs. 4, geändert20, 35

Abschn. IVa eingefügt

59 a, 65 a aufgehobenAbs. 2

73 Nr. 1 geändert

80 a eingefügt

87 a, 91 geändert

Abschn. X a

115 a–115 l eingefügt

142 a, 143 aufgehoben

18. Achtzehntes Gesetz zur 15. 11. 1968 1177 76 Abs. 2 geändertÄnderung des Grund- Satz 2,gesetzes 77 Abs. 2

Satz 1,77 Abs. 3Satz 1,77 Abs. 3Satz 2

19. Neunzehntes Gesetz 29. 1. 1969 97 93 Abs. 1 geändertzur Änderung des Grund- Satz 1,gesetzes 94 Abs. 2

20. Zwanzigstes Gesetz zur 12. 5. 1969 357 109 Abs. 3, geändertÄnderung des Grund- 110, 112,gesetzes 113, 114, 115

21. Einundzwanzigstes 12. 5. 1969 359 91 a, 91 b, eingefügtGesetz zur Änderung 104 ades Grundgesetzes (Fi- 105, 106, geändertnanzreformgesetz) 107, 108,

115 c Abs. 3

89

Bundes-Lfd. Änderndes Gesetz Datum gesetz- Geänderte Art derNr. blatt I Artikel Änderung

Seite

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22. Zweiundzwanzigstes 12. 5. 1969 363 74, 75, 96 geändertGesetz zur Änderung Abs. 4des Grundgesetzes

23. Dreiundzwanzigstes 17. 7. 1969 817 76 Abs. 3 geändertGesetz zur Änderung Satz 1des Grundgesetzes

24. Vierundzwanzigstes 28. 7. 1969 985 120 Abs. 1 geändertGesetz zur Änderung Satz 2des Grundgesetzes

25. Fünfundzwanzigstes 19. 8. 1969 1241 29 geändertGesetz zur Änderungdes Grundgesetzes

26. Sechsundzwanzigstes 26. 8. 1969 1357 96 Abs. 5 eingefügtGesetz zur Änderungdes Grundgesetzes

27. Siebenundzwanzigstes 31. 7. 1970 1161 38 Abs. 2, geändertGesetz zur Änderung 91 a Abs. 1des Grundgesetzes

28. Achtundzwanzigstes 18. 3. 1971 206 74 a eingefügtGesetz zur Änderung 75, 98 Abs. 3 geändertdes Grundgesetzes

29. Neunundzwanzigstes 18. 3. 1971 207 74 Nr. 20 geändertGesetz zur Änderungdes Grundgesetzes

30. Dreißigstes Gesetz zur 12. 4. 1972 593 74 Nr. 24 eingefügtÄnderung des Grund-gesetzes

31. Einunddreißigstes Gesetz 2. 8. 1972 1305 35 Abs. 2, geändertzur Änderung des Grund- 73 Nr. 10.gesetzes

74 Nr. 4 a, eingefügt

87 Abs. 1 geändertSatz 2

32. Zweiunddreißigstes 15. 7. 1975 1901 45 c eingefügtGesetz zur Änderungdes Grundgesetzes

33. Dreiunddreißigstes 23. 8. 1976 2381 29, 39 Abs. 1 neugefaßtGesetz zur Änderung und 2des Grundgesetzes 45 aufgehoben

45 a Abs. 1Satz 2,49

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Bundes-Lfd. Änderndes Gesetz Datum gesetz- Geänderte Art derNr. blatt I Artikel Änderung

Seite

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34. Vierunddreißigstes 23. 8. 1976 2383 74 Nr. 4 a neugefaßtGesetz zur Änderungdes Grundgesetzes

35. Fünfunddreißigstes 21. 12. 1983 1481 21 Abs. 1 geändertGesetz zur Änderung Satz 4des Grundgesetzes

36. Zustimmungsgesetz zum 23. 9. 1990 BGBl. II Präambel,Einigungsvertrag 885 51 Abs. 2,

135 a, 146 geändert

143 eingefügt

23 aufgehoben

37. Gesetz zur Änderung 14. 7. 1992 BGBl. I 87 d Abs. 1 geändertdes Grundgesetzes 1254

38. Gesetz zur Änderung 21. 12. 1992 2086 23,des Grundgesetzes 24 Abs. 1 a,

28 Abs. 1Satz 3,45,52 Abs. 3 a88 Satz 2 eingefügt50,115 e Abs. 2Satz 2 neugefaßt

39. Gesetz zur Änderung 28. 6. 1993 1002 16 geändertdes Grundgesetzes 16 a eingefügt

18 geändert

40. Gesetz zur Änderung 20. 12. 1993 2089 73 Nr. 6 a eingefügtdes Grundgesetzes 74 Nr. 23 neugefaßt

80 Abs. 2 geändert87 Abs. 1Satz 187 e eingefügt106 a143 a

41. Gesetz zur Änderung 30. 8. 1994 2245 73 Nr. 7 neugefaßtdes Grundgesetzes 80 Abs. 2

87 Abs. 1Satz 1 geändert87 f143 b eingefügt

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Seite

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42. Gesetz zur Änderung 27. 10. 1994 3146 3 Abs. 2 geändertdes Grundgesetzes Satz 2

3 Abs. 3Satz 228 Abs. 2Satz 329 Abs. 7Satz 1,Abs. 874 Abs. 1und 275 Abs. 1,2 und 380 Abs. 3und 487 Abs. 2Satz 220 a eingefügt77 Abs. 2 a93 Abs. 1,Nr. 2 a.118 a125 a72 neugefaßt76 Abs. 2und 3

43. Gesetz zur Änderung 3. 11. 1995 1492 106 Abs. 3 geändertdes Grundgesetzes und 4

44. Gesetz zur Änderung 20. 10. 1997 2470 28 Abs. 2 geändertdes Grundgesetzes Satz 3

106 Abs. 3Satz 1Abs. 6Sätze 1 bis 3und Satz 6106 Abs. 5 a eingefügt

45. Gesetz zur Änderung 26. 03. 1998 610 13 Abs. 3 neugefaßtdes Grundgesetzes 13 Abs. 4 eingefügt

bis 7

46. Gesetz zur Änderung 16. 07. 1998 1822 39 Abs. 1 geändertdes Grundgesetzes

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Bundes-Lfd. Änderndes Gesetz Datum gesetz- Geänderte Art derNr. blatt I Artikel Änderung

Seite

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Gesetz über die Konventionzum Schutze

der Menschenrechte undGrundfreiheiten

Vom 7. August 1952

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel IDer in Rom am 4. November 1950 von den Regierungen der Mit-gliedstaaten des Europarates unterzeichneten Konvention zumSchutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten wird zuge-stimmt.

Artikel II(1) Die Konvention wird nachstehend mit Gesetzeskraft veröffent-licht.(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, die Zuständigkeit derKommission für Menschenrechte nach Artikel 25 der Konventionanzuerkennen.(3) Die Bundesregierung wird ermächtigt, die Gerichtsbarkeit desEuropäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nach Artikel 46der Konvention in allen die Auslegung und Anwendung dieserKonvention betreffenden Angelegenheiten als obligatorisch anzuer-kennen.…

Artikel IIIDie Konvention gilt im gesamten Geltungsbereich des Grundgeset-zes.…Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates sind gewahrt.Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet.

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Der anschließende Text gibt vollständig nur die in der Konventionsowie den Zusatzvereinbarungen verbürgten Menschenrechte undGrundfreiheiten wieder; von den umfangreichen Verfahrensvorschrif-ten werden nur die zentralen Bestimmungen aufgenommen. Die Kon-vention ist am 3. 9. 1953 für die Bundesrepublik in Kraft getreten.

(Übersetzung)Europäische Konvention zum Schutze der

Menschenrechte und Grundfreiheiten

vom 4. November 1950 (Stand: 1. Januar 1993)

In Erwägung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dievon der Generalversammlung der Vereinten Nationen am10. Dezember 1948 verkündet wurde;in der Erwägung, daß diese Erklärung bezweckt, die allgemeineund wirksame Anerkennung und Einhaltung der darin erklärtenRechte zu gewährleisten;in der Erwägung, daß das Ziel des Europarates die Herbeiführungeiner größeren Einigkeit unter seinen Mitgliedern ist und daß einesder Mittel zur Erreichung dieses Zieles in der Wahrung und in derEntwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten besteht;unter erneuter Bekräftigung ihres tiefen Glaubens an diese Grund-freiheiten, welche die Grundlage der Gerechtigkeit und des Frie-dens in der Welt bilden, und deren Aufrechterhaltung wesentlichauf einem wahrhaft demokratischen politischen Regime einerseitsund auf einer gemeinsamen Auffassung und Achtung der Men-schenrechte andererseits beruht, von denen sie sich herleiten;entschlossen, als Regierungen europäischer Staaten, die vom glei-chen Geiste beseelt sind und ein gemeinsames Erbe an geistigenGütern, politischen Überlieferungen, Achtung der Freiheit undVorherrschaft des Gesetzes besitzen, die ersten Schritte auf demWege zu einer gemeinsamen Garantie gewisser in der AllgemeinenErklärung verkündeter Rechte zu unternehmen; vereinbaren dieunterzeichneten Regierungen als Mitglieder des Europarates fol-gendes:

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Artikel 1 [Schutzgarantie der Vertragsstaaten]Die Hohen Vertragschließenden Teile sichern allen ihrer Herr-schaftsgewalt unterstehenden Personen die in Abschnitt I dieserKonvention niedergelegten Rechte und Freiheiten zu.

Abschnitt I: Menschenrechte und Grundfreiheiten

Artikel 2 [Das Recht aller auf Leben](1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlichgeschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, dasvon einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafebedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eineabsichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrach-tet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwen-dung ergibt:a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger

Gewaltanwendung sicherzustellen;b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das

Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zuverhindern;

c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Auf-stand zu unterdrücken.

Artikel 3 [Verbot der Folter]Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigenderStrafe oder Behandlung unterworfen werden.

Artikel 4 [Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit](1) Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten wer-den.(2) Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeitzu verrichten.(3) Als „Zwangs- oder Pflichtarbeit“ im Sinne dieses Artikels giltnicht:a) jede Arbeit, die normalerweise von einer Person verlangt wird,

die unter den von Artikel 5 der vorliegenden Konvention vor-gesehenen Bedingungen in Haft gehalten oder bedingt freige-lassen worden ist;

95

Artikel 1 EMRK

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b) jede Dienstleistung militärischen Charakters, oder im Falle derVerweigerung aus Gewissensgründen in Ländern, wo diese alsberechtigt anerkannt ist, eine sonstige anstelle der militärischenDienstpflicht tretende Dienstleistung;

c) jede Dienstleistung im Falle von Notständen und Katastrophen,die das Leben oder das Wohl der Gemeinschaft bedrohen;

d) jede Arbeit oder Dienstleistung, die zu den normalen Bürger-pflichten gehört.

Artikel 5 [Recht auf Freiheit und Sicherheit](1) Jeder Mensch hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. DieFreiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen undnur auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Wege entzogen werden:a) wenn er rechtmäßig nach Verurteilung durch ein zuständiges

Gericht in Haft gehalten wird;b) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft

gehalten wird wegen Nichtbefolgung eines rechtmäßigenGerichtsbeschlusses oder zur Erzwingung der Erfüllung einerdurch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung;

c) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haftgehalten wird zum Zwecke seiner Vorführung vor die zuständi-ge Gerichtsbehörde, sofern hinreichender Verdacht dafür be-steht, daß der Betreffende eine strafbare Handlung begangenhat, oder begründeter Anlaß zu der Annahme besteht, daß esnotwendig ist, den Betreffenden an der Begehung einer strafba-ren Handlung oder an der Flucht nach Begehung einer solchenzu hindern;

d) wenn es sich um die rechtmäßige Haft eines Minderjährigenhandelt, die zum Zwecke überwachter Erziehung angeordnetist, oder um die rechtmäßige Haft eines solchen, die zwecksVorführung vor die zuständige Behörde verhängt ist;

e) wenn er sich in rechtmäßiger Haft befindet, weil er eine Gefah-renquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten bildet,oder weil er geisteskrank, Alkoholiker, rauschgiftsüchtig oderLandstreicher ist;

f ) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haftgehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in dasStaatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn

96

Artikel 5 EMRK

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schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betrof-fen ist.

(2) Jeder Festgenommene muß unverzüglich und in einer ihm ver-ständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme und überdie gegen ihn erhobenen Beschuldigungen unterrichtet werden.(3) Jede nach der Vorschrift des Absatzes 1 c dieses Artikels festge-nommene oder in Haft gehaltene Person muß unverzüglich einemRichter oder einem anderen, gesetzlich zur Ausübung richterlicherFunktionen ermächtigten Beamten vorgeführt werden. Er hatAnspruch auf Aburteilung innerhalb einer angemessenen Frist oderauf Haftentlassung während des Verfahrens. Die Freilassung kannvon der Leistung einer Sicherheit für das Erscheinen vor Gerichtabhängig gemacht werden.(4) Jeder, der seiner Freiheit durch Festnahme oder Haft beraubtist, hat das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem von einemGericht unverzüglich über die Rechtmäßigkeit der Haft entschie-den wird und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassungangeordnet wird.(5) Jeder, der entgegen den Bestimmungen dieses Artikels vonFestnahme oder Haft betroffen worden ist, hat Anspruch auf Scha-denersatz.

Artikel 6 [Recht auf gerichtliches Gehör – Rechte des Angeklagten](1) Jedermann hat Anspruch darauf, daß seine Sache in billigerWeise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehörtwird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, aufGesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprücheund Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihnerhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Das Urteilmuß öffentlich verkündet werden, jedoch kann die Presse und dieÖffentlichkeit während der gesamten Verhandlung oder eines Tei-les derselben im Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ord-nung oder der nationalen Sicherheit in einem demokratischenStaat ausgeschlossen werden, oder wenn die Interessen von Jugend-lichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozeßparteien es ver-langen oder, und zwar unter besonderen Umständen, wenn dieöffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beein-trächtigen würde, in diesem Fall jedoch nur in dem nach Auffas-sung des Gerichts erforderlichen Umfang.

97

Artikel 6 EMRK

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(2) Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet,daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldigist.(3) Jeder Angeklagte hat mindestens (englischer Text) insbesonde-re (französischer Text) die folgenden Rechte:a) unverzüglich in einer für ihn verständlichen Sprache in allen

Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erho-benen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden;

b) über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung sei-ner Verteidigung zu verfügen;

c) sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines Verteidigersseiner Wahl zu erhalten und, falls er nicht über die Mittel zurBezahlung eines Verteidigers verfügt, unentgeltlich den Bei-stand eines Pflichtverteidigers zu erhalten, wenn dies im Inter-esse der Rechtspflege erforderlich ist;

d) Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassenund die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unterdenselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwir-ken;

e) die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen,wenn er die Verhandlungssprache des Gerichts nicht verstehtoder sich nicht darin ausdrücken kann.

Artikel 7 [Nulla poena sine lege](1) Niemand kann wegen einer Handlung oder Unterlassung ver-urteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischemoder internationalem Recht nicht strafbar war. Ebenso darf keinehöhere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung der strafbarenHandlung angedrohte Strafe verhängt werden.(2) Durch diesen Artikel darf die Verurteilung oder Bestrafungeiner Person nicht ausgeschlossen werden, die sich einer Handlungoder Unterlassung schuldig gemacht hat, welche im Zeitpunktihrer Begehung nach den von den zivilisierten Völkern allgemeinanerkannten Rechtsgrundsätzen strafbar war.

Artikel 8 [Gebot der Achtung der privaten Sphäre](1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Fami-lienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

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Artikel 7 EMRK

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(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung diesesRechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgese-hen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischenGesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe undOrdnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigungder Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen,zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz derRechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Artikel 9 [Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit](1) Jedermann hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- undReligionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit des einzelnenzum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung, sowie dieFreiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder inGemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottes-dienst, Unterricht, durch die Ausübung und Beachtung religiöserGebräuche auszuüben.(2) Die Religions- und Bekenntnisfreiheit darf nicht Gegenstandanderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die ineiner demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen imInteresse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung,Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Frei-heiten anderer sind.

Artikel 10 [Recht der freien Meinungsäußerung](1) Jeder hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Rechtschließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfangund zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffeöffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein.Dieser Artikel schließt nicht aus, daß die Staaten Rundfunk-, Film-oder Fernsehunternehmen einem Genehmigungsverfahren unter-werfen.(2) Da die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und Verantwor-tung mit sich bringt, kann sie bestimmten, vom Gesetz vorgesehe-nen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Straf-androhungen unterworfen werden, wie sie vom Gesetz vorgeschrie-ben und in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse dernationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der

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Artikel 9 EMRK

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öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung undder Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und derMoral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer, umdie Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oderdas Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zugewährleisten, unentbehrlich sind.

Artikel 11 [Versammlungs- und Vereinsfreiheit](1) Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammelnund sich frei mit anderen zusammenzuschließen, einschließlich desRechts, zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bildenund diesen beizutreten.(2) Die Ausübung dieser Rechte darf keinen anderen Einschrän-kungen unterworfen werden als den vom Gesetz vorgesehenen, diein einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der äußeren undinneren Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung und derVerbrechensverhütung, zum Schutze der Gesundheit und derMoral oder zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer not-wendig sind. Dieser Artikel verbietet nicht, daß die Ausübung die-ser Rechte für Mitglieder der Streitkräfte, der Polizei oder derStaatsverwaltung gesetzlichen Einschränkungen unterworfen wird.

Artikel 12 [Recht auf Ehe und Familie]Mit Erreichung des Heiratsalters haben Männer und Frauen dasRecht, im Rahmen der einschlägigen nationalen Gesetze, eine Eheeinzugehen und eine Familie zu gründen.

Artikel 13 [Beschwerdemöglichkeit bei Verletzung der Rechte oderFreiheiten der Konvention]

Sind die in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte undFreiheiten verletzt worden, so hat der Verletzte das Recht, einewirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen,selbst wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, diein amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.

Artikel 14 [Verbot der Diskriminierung]Der Genuß der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rech-te und Freiheiten muß ohne Unterschied des Geschlechts, der Ras-se, Hautfarbe, Sprache, Religion, politischen oder sonstigen An-

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Artikel 11 EMRK

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schauungen, nationalen oder sozialen Herkunft, Zugehörigkeit zueiner nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder dessonstigen Status gewährleistet werden.

Artikel 15 [Einschränkung der Rechte und Freiheiten in Kriegs- undNotstandsfällen]

(1) Im Falle eines Krieges oder eines anderen öffentlichen Not-standes, der das Leben der Nation bedroht, kann jeder der HohenVertragschließenden Teile Maßnahmen ergreifen, welche die indieser Konvention vorgesehenen Verpflichtungen in dem Umfang,den die Lage unbedingt erfordert, und unter der Bedingung außerKraft setzen, daß diese Maßnahmen nicht in Widerspruch zu densonstigen völkerrechtlichen Verpflichtungen stehen.(2) Die vorstehende Bestimmung gestattet kein Außerkraftsetzendes Artikels 2 außer bei Todesfällen, die auf rechtmäßige Kriegs-handlungen zurückzuführen sind, oder der Artikel 3, 4 (Absatz 1)und 7.(3) Jeder Hohe Vertragschließende Teil, der dieses Recht derAußerkraftsetzung ausübt, hat den Generalsekretär des Europaratseingehend über die getroffenen Maßnahmen und deren Gründe zuunterrichten. Er muß den Generalsekretär des Europarats auchüber den Zeitpunkt in Kenntnis setzen, in dem diese Maßnahmenaußer Kraft getreten sind und die Vorschriften der Konventionwieder volle Anwendung finden.

Artikel 16 [Beschränkung der politischen Tätigkeit von Ausländern]Keine der Bestimmungen der Artikel 10, 11 und 14 darf so ausge-legt werden, daß sie den Hohen Vertragschließenden Parteien ver-bietet, die politische Tätigkeit von Ausländern Beschränkungen zuunterwerfen.

Artikel 17 [Regel für die Auslegung]Keine Bestimmung dieser Konvention darf dahin ausgelegt wer-den, daß sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person dasRecht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zubegehen, die auf die Abschaffung der in der vorliegenden Konven-tion festgelegten Rechte und Freiheiten oder auf weitergehendeBeschränkungen dieser Rechte und Freiheiten, als in der Konven-tion vorgesehen, hinzielt.

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Artikel 15 EMRK

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Artikel 18 [Mißbrauchsverbot]Die nach der vorliegenden Konvention gestatteten Einschränkun-gen dieser Rechte und Freiheiten dürfen nicht für andere Zweckeals die vorgesehenen angewandt werden.

Abschnitt II: Errichtung einer Europäischen Kommissionund eines Europäischen Gerichtshofs fürMenschenrechte

Artikel 19Um die Einhaltung der Verpflichtungen, welche die Hohen Ver-tragschließenden Teile in dieser Konvention übernommen haben,sicherzustellen, werden errichtet:a) eine Europäische Kommission für Menschenrechte, im folgen-

den „Kommission“ genannt;b) ein Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, im folgen-

den „Gerichtshof“ genannt.

Abschnitt III: Zusammensetzung, Aufgaben und Verfahrender Europäischen Kommission

Artikel 20 [Zusammensetzung der Kommission]Die Zahl der Mitglieder der Kommission entspricht derjenigen derHohen Vertragschließenden Teile. Der Kommission darf jeweilsnur ein Angehöriger jedes einzelnen Staates angehören.…

Artikel 23 [Stellung der Mitglieder]Die Mitglieder der Kommission gehören der Kommission nur alsEinzelpersonen an. Während ihrer Amtszeit dürfen sie keine Stel-lung innehaben, die mit ihrer Unabhängigkeit und Unparteilich-keit als Mitglieder der Kommission oder mit der für dieses Amterforderlichen Verfügbarkeit unvereinbar ist.

Artikel 24 [Verletzung der Konvention durch andere Vertragsstaaten]Jeder Hohe Vertragschließende Teil kann durch Vermittlung desGeneralsekretärs des Europarats die Kommission mit jeder angebli-

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Artikel 18 EMRK

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chen Verletzung der Bestimmungen der vorliegenden Konventiondurch einen anderen Hohen Vertragschließenden Teil befassen.

Artikel 25 [Individualbeschwerde](1) Die Kommission kann durch ein an den Generalsekretär desEuroparats gerichtetes Gesuch jeder natürlichen Person, nichtstaat-lichen Organisation oder Personenvereinigung angegangen werden,die sich durch eine Verletzung der in dieser Konvention anerkann-ten Rechte durch einen der Hohen Vertragschließenden Teilebeschwert fühlt, vorausgesetzt, daß der betreffende Hohe Vertrag-schließende Teil eine Erklärung abgegeben hat, wonach er dieZuständigkeit der Kommission zur Entgegennahme solcher Gesu-che anerkannt hat. Die Hohen Vertragschließenden Teile, die einesolche Erklärung abgegeben haben, verpflichten sich, die wirksameAusübung dieses Rechts in keiner Weise zu behindern.…

Artikel 26 [Voraussetzungen und Fristen]Die Kommission kann sich mit einer Angelegenheit erst nachErschöpfung der innerstaatlichen Rechtsmittelverfahren in Über-einstimmung mit den allgemein anerkannten Grundsätzen des Völ-kerrechts und innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach demErgehen der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung befassen.

Artikel 27 [Zurückverweisung von Gesuchen](1) Die Kommission befaßt sich nicht mit einem gemäß Artikel25 eingereichten Gesuch, wenn esa) anonym ist;b) mit einem schon vorher von der Kommission geprüften

Gesuch übereinstimmt oder einer anderen internationalenUntersuchungs- oder Ausgleichsinstanz unterbreitet worden ist,und wenn es keine neuen Tatsachen enthält.

(2) Die Kommission behandelt jedes gemäß Artikel 25 unterbrei-tete Gesuch als unzulässig, wenn sie es für unvereinbar mit denBestimmungen dieser Konvention, für offensichtlich unbegründetoder für einen Mißbrauch des Beschwerderechts hält.(3) Die Kommission weist jedes Gesuch zurück, das sie gemäßArtikel 26 für unzulässig hält.

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Artikel 25 EMRK

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Artikel 28 [Verfahren](1) Falls die Kommission das Gesuch annimmt,a) hat sie zum Zweck der Tatsachenfeststellung mit den Vertretern

der Parteien eine kontradiktorische Prüfung und, falls erforder-lich, eine Untersuchung der Angelegenheit vorzunehmen; diebetreffenden Staaten haben, nachdem ein Meinungsaustauschmit der Kommission stattgefunden hat, alle Erleichterungen,die zur wirksamen Durchführung der Untersuchung erforder-lich sind, zu gewähren;

b) hat sie sich gleichzeitig zur Verfügung der beteiligten Parteienzu halten, damit eine gütliche Regelung der Angelegenheit aufder Grundlage der Achtung der Menschenrechte, wie sie indieser Konvention niedergelegt sind, erreicht werden kann.

(2) Gelingt es der Kommission, eine gütliche Regelung zu erzie-len, so hat sie einen Bericht anzufertigen, der den beteiligten Staa-ten, dem Ministerausschuß und dem Generalsekretär des Europa-rates zur Veröffentlichung zu übersenden ist. Der Bericht hat sichauf eine kurze Angabe des Sachverhalts und der erzielten Lösungzu beschränken.…

Artikel 31 [Bericht und Empfehlung an den Ministerausschuß](1) Wird die Prüfung eines Gesuches nicht gemäß Art. 28 (Abs.2), 29 oder 30 abgeschlossen, so hat die Kommission einen Berichtüber den Sachverhalt anzufertigen und zu der Frage Stellung zunehmen, ob sich aus den festgestellten Tatsachen ergibt, daß derbetreffende Staat seine Verpflichtungen aus der Konvention verletzthat. In diesem Bericht können die Ansichten sämtlicher Mitgliederder Kommission über diesen Punkt aufgenommen werden.(2) Der Bericht ist dem Ministerausschuß vorzulegen; er ist auchden beteiligten Staaten vorzulegen, die nicht das Recht haben, ihnzu veröffentlichen.(3) Bei der Vorlage des Berichts an den Ministerausschuß hat dieKommission das Recht, von sich aus die ihr geeignet erscheinen-den Vorschläge zu unterbreiten.

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Artikel 28 EMRK

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Artikel 32 [Entscheidung des Ministerausschusses](1) Wird die Frage nicht innerhalb eines Zeitraums von dreiMonaten, vom Datum der Vorlage des Berichts an den Minister-ausschuß an gerechnet, gemäß Artikel 48 dieser Konvention, demGerichtshof vorgelegt, so entscheidet der Ministerausschuß mitZweidrittelmehrheit der zur Teilnahme an den Sitzungen des Aus-schusses berechtigten Mitglieder, ob die Konvention verletzt wor-den ist.(2) Wird eine Verletzung der Konvention bejaht, so hat der Mini-sterausschuß einen Zeitraum festzusetzen, innerhalb dessen derbetreffende Hohe Vertragschließende Teil die in der Entscheidungdes Ministerausschusses vorgesehenen Maßnahmen durchzuführenhat.(3) Trifft der betreffende Hohe Vertragschließende Teil innerhalbdes vorgeschriebenen Zeitraumes keine befriedigenden Maßnah-men, so beschließt der Ministerausschuß mit der in vorstehendemAbsatz 1 vorgeschriebenen Mehrheit, auf welche Weise seineursprüngliche Entscheidung vollstreckt werden soll, und veröffent-licht den Bericht.(4) Die Hohen Vertragschließenden Teile verpflichten sich, jedeEntscheidung des Ministerausschusses, die in Anwendung der vor-stehenden Absätze ergeht, für sich als bindend anzuerkennen.…

Abschnitt IV: Zusammensetzung, Aufgaben und Verfahrendes Europäischen Gerichtshofs

Artikel 38 [Zahl der Richter]Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte besteht ausebensovielen Richtern, wie der Europarat Mitglieder zählt. DemGerichtshof darf jeweils nur ein Angehöriger jedes einzelnen Staa-tes angehören.…

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Artikel 32 EMRK

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Artikel 44 [Parteifähigkeit]Das Recht, vor dem Gerichtshof als Parteien aufzutreten, habennur die Hohen Vertragschließenden Teile und die Kommission.

Artikel 45 [Zuständigkeit]Die Zuständigkeit des Gerichtshofs umfaßt alle die Auslegung undAnwendung dieser Konvention betreffenden Fälle, die ihm nachArtikel 48 von den Hohen Vertragschließenden Teilen oder derKommission unterbreitet werden.

Artikel 46 [Unterwerfung der Hohen Vertragschließenden Teileunter die Gerichtsbarkeit]

(1) Jeder der Hohen Vertragschließenden Teile kann jederzeit dieErklärung abgeben, daß er die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofsohne weiteres und ohne besonderes Abkommen für alle Angelegen-heiten, die sich auf die Auslegung und die Anwendung dieser Kon-vention beziehen, als obligatorisch anerkennt.(2) Die oben bezeichneten Erklärungen können bedingungslosoder unter der Bedingung der Gegenseitigkeit seitens mehrereroder einzelner Vertragschließender Teile, oder unter Beschränkungauf einen bestimmten Zeitraum abgegeben werden.(3) Diese Erklärungen sind beim Generalsekretär des Europaratszu hinterlegen; dieser übermittelt den Hohen VertragschließendenTeilen Abschriften davon.

Artikel 47 [Voraussetzung einer Entscheidung]Der Gerichtshof darf sich mit einem Fall nur befassen, nachdemdie Kommission festgestellt hat, daß die Versuche zur Erzielungeiner gütlichen Regelung fehlgeschlagen sind, und nur innerhalbder in Artikel 32 vorgesehenen Dreimonatsfrist.

Artikel 48 [Legitimation für Klage]Das Recht, ein Verfahren vor dem Gerichtshof anzustrengen,haben nur die nachstehend angeführten Stellen, und zwar entwe-der unter der Voraussetzung, daß der in Frage kommende HoheVertragschließende Teil, wenn nur einer beteiligt ist, oder alleHohen Vertragschließenden Teile, wenn mehrere beteiligt sind, der

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Artikel 44 EMRK

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obligatorischen Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterworfen sind,oder aber, falls dies nicht zutrifft, unter der Voraussetzung, daß derin Frage kommende eine Hohe Vertragschließende Teil oder alleHohen Vertragschließenden Teile zustimmen:a) die Kommission;b) der Hohe Vertragschließende Teil, dessen Staatsangehöriger der

Verletzte ist;c) der Hohe Vertragschließende Teil, der die Kommission mit

dem Fall befaßt hat;d) der Hohe Vertragschließende Teil, gegen den sich die

Beschwerde richtet.

Artikel 49 [Entscheidung über Zuständigkeit]Wird die Zuständigkeit des Gerichtshofs bestritten, so entscheidetdieser hierüber selbst.

Artikel 50 [Zubilligung einer Entschädigung]Erklärt die Entscheidung des Gerichtshofs, daß eine Entscheidungoder Maßnahme einer gerichtlichen oder sonstigen Behörde einesder Hohen Vertragschließenden Teile ganz oder teilweise mit denVerpflichtungen aus dieser Konvention in Widerspruch steht, undgestatten die innerstaatlichen Gesetze des erwähnten Hohen Ver-tragschließenden Teils nur eine unvollkommene Wiedergutma-chung für die Folgen dieser Entscheidung oder Maßnahme, so hatdie Entscheidung des Gerichtshofs der verletzten Partei gegebenen-falls eine gerechte Entschädigung zuzubilligen.

Artikel 51 [Urteilsbegründung](1) Das Urteil des Gerichtshofs ist zu begründen.(2) Bringt das Urteil im ganzen oder in einzelnen Teilen nicht dieübereinstimmende Ansicht der Richter zum Ausdruck, so hat jederRichter das Recht, eine Darlegung seiner eigenen Ansicht beizufügen.

Artikel 52 [Rechtskraft]Die Entscheidung des Gerichtshofs ist endgültig.

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Artikel 49 EMRK

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Artikel 53 [Unterwerfung unter die Entscheidung]Die Hohen Vertragschließenden Teile übernehmen die Verpflich-tung, sich in allen Fällen, an denen sie beteiligt sind, nach der Ent-scheidung des Gerichtshofs zu richten.

Artikel 54 [Vollstreckung der Entscheidung]Das Urteil des Gerichtshofs ist dem Ministerausschuß zuzuleiten;dieser überwacht seine Durchführung.…

Abschnitt V: Nationale Garantie, Kosten, Immunität, Gel-tungsbereich, Beitritt, Kündigung

Artikel 58 [Kosten]Die Kosten der Kommission und des Gerichtshofs werden vomEuroparat getragen.

Artikel 59 [Immunität der Mitglieder der Kommission und desGerichts]

Die Mitglieder der Kommission und des Gerichtshofs genießen beider Ausübung ihres Amtes die in Artikel 40 der Satzung des Euro-parats und den auf Grund dieses Artikels abgeschlossenen Abkom-men vorgesehenen Vorrechte und Immunitäten.

Artikel 60 [Auslegungsregeln]Keine Bestimmung dieser Konvention darf als Beschränkung oderMinderung eines der Menschenrechte und Grundfreiheiten ausge-legt werden, die in den Gesetzen eines Hohen VertragschließendenTeils oder einer anderen Vereinbarung, an der er beteiligt ist, fest-gelegt sind.…

Geschehen zu Rom am 4. November 1950 in englischer und fran-zösischer Sprache, wobei die beiden Texte in gleicher Weise maßge-bend sind, in einer einzigen Ausfertigung, die in den Archiven desEuroparats verwahrt wird. Der Generalsekretär wird allen Unter-zeichnern beglaubigte Abdrucke übermitteln.

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Artikel 53 EMRK

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Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze derMenschenrechte und Grundfreiheiten

Vom 20. März 19521

Entschlossen, Maßnahmen zur kollektiven Sicherung gewisserRechte und Freiheiten außer denjenigen zu treffen, die bereits imTeil I der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konven-tion zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (nach-stehend als „Konvention“ bezeichnet) berücksichtigt sind,vereinbaren die unterzeichneten Regierungen, die Mitglieder desEuroparates sind, folgendes:

Artikel 1 [Recht auf Eigentum]Jede natürliche oder juristische Person hat ein Recht auf Achtungihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen wer-den, es sei denn, daß das öffentliche Interesse es verlangt, und nurunter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze desVölkerrechts vorgesehenen Bedingungen.Die vorstehenden Bestimmungen beeinträchtigen jedoch in keinerWeise das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die erfür die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mitdem Allgemeininteresse oder zur Sicherung der Zahlung derSteuern, sonstiger Abgaben oder von Geldstrafen für erforderlichhält.

Artikel 2 [Recht auf Bildung]Das Recht auf Bildung darf niemandem verwehrt werden. DerStaat hat bei Ausübung der von ihm auf dem Gebiete der Erzie-hung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht derEltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechendihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungensicherzustellen.

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ZEMRK

1 Für die Bundesrepublik Deutschland ist das Protokoll am 13. 2. 1957 in Kraft getreten.

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Artikel 3 [Freie und geheime Wahlen]Die Hohen Vertragschließenden Teile verpflichten sich, in ange-messenen Zeitabständen freie und geheime Wahlen unter Bedin-gungen abzuhalten, welche die freie Äußerung der Meinung desVolkes bei der Wahl der gesetzgebenden Körperschaften gewährlei-sten.…

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ZEMRK

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Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Men-schenrechte und Grundfreiheiten, durch das gewisse Rechteund Freiheiten gewährleistet werden, die nicht bereits in derKonvention oder im ersten Zusatzprotokoll enthalten sind

Vom 16. September 19631

Die Unterzeichnerregierungen, die Mitglieder des Europarates sind– entschlossen, Maßnahmen zur kollektiven Gewährleistunggewisser Rechte und Freiheiten zu treffen, die in Abschnitt Ider am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konventi-on zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (imfolgenden als „Konvention“ bezeichnet) und in den Artikeln 1bis 3 des am 20. März 1952 in Paris unterzeichneten erstenZusatzprotokolls zur Konvention noch nicht enthalten sind –

haben folgendes vereinbart:

Artikel 1 [Verbot des Freiheitsentzuges bei Nichterfüllung einervertraglichen Verpflichtung]

Niemand darf die Freiheit allein deshalb entzogen werden, weil ernicht in der Lage ist, eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen.

Artikel 2 [Recht auf Freizügigkeit](1) Jedermann, der sich regelmäßig im Hoheitsgebiet eines Staatesaufhält, hat das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohn-sitz frei zu wählen.(2) Jedermann steht es frei, jedes Land, einschließlich seines eige-nen, zu verlassen.(3) Die Ausübung dieser Rechte darf keinen anderen Einschrän-kungen unterworfen werden als denen, die gesetzlich vorgesehenund in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationa-len oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung deröffentlichen Ordnung, der Verhütung von Straftaten, des Schutzesder Gesundheit oder der Moral oder des Schutzes der Rechte undFreiheiten anderer notwendig sind.(4) Die in Absatz 1 anerkannten Rechte können ferner fürbestimmte Gebiete Einschränkungen unterworfen werden, die

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4. ZEMRK

1 Für die Bundesrepublik Deutschland ist das Protokoll am 1. 6. 1968 in Kraft getreten.

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gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaftdurch das öffentliche Interesse gerechtfertigt sind.

Artikel 3 [Verbot der Einzel- oder Kollektivausweisung vonStaatsangehörigen]

(1) Niemand darf aus dem Hoheitsgebiet des Staates, dessenStaatsangehöriger er ist, durch eine Einzel- oder eine Kollektiv-maßnahme ausgewiesen werden.(2) Niemand darf das Recht entzogen werden, in das Hoheitsge-biet des Staates einzureisen, dessen Staatsangehöriger er ist.

Artikel 4 [Verbot der Kollektivausweisung von Ausländern]Kollektivausweisungen von Ausländern sind nicht zulässig.…

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4. ZEMRK

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Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze derMenschenrechte und Grundfreiheiten über die

Abschaffung der Todesstrafe

Vom 28. April 19831

Die Mitgliedstaaten des Europarats, die dieses Protokoll zu der am4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zumSchutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im folgendenals „Konvention“ bezeichnet) unterzeichnen –

in der Erwägung, daß die in verschiedenen Mitgliedstaaten desEuroparats eingetretene Entwicklung eine allgemeine Tendenzzugunsten der Abschaffung der Todesstrafe zum Ausdruckbringt –

haben folgendes vereinbart:

Artikel 1 [Abschaffung der Todesstrafe]Die Todesstrafe ist abgeschafft. Niemand darf zu dieser Strafe ver-urteilt oder hingerichtet werden.

Artikel 2 [Ausnahmen für Kriegszeiten]Ein Staat kann durch Gesetz die Todesstrafe für Taten vorsehen,welche in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr began-gen werden; diese Strafe darf nur in den Fällen, die im Recht vor-gesehen sind, und in Übereinstimmung mit dessen Bestimmungenangewendet werden. Der Staat übermittelt dem Generalsekretärdes Europarats die einschlägigen Rechtsvorschriften.

Artikel 3 [Kriegs- und Notstandsfälle]Die Bestimmungen dieses Protokolls dürfen nicht nach Artikel 15der Konvention außer Kraft gesetzt werden.…

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6. ZEMRK

1 Für die Bundesrepublik Deutschland ist das Protokoll am 1. 8. 1989 in Kraft getreten.

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Protokoll Nr. 7 zur Konvention zum Schutze derMenschenrechte und Grundfreiheiten

Vom 22. November 19841

Die Mitgliedstaaten des Europarates, die dieses Protokoll unter-zeichnen – entschlossen, weitere Maßnahmen zur kollektivenGewährleistung gewisser Rechte und Freiheiten durch die am4. November 1950 in Rom unterzeichnete Konvention zumSchutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im folgen-den als „Konvention“ bezeichnet) zu treffen –

haben folgendes vereinbart:

Artikel 1 [Schutz vor willkürlicher Ausweisung](1) Ein Ausländer, der seinen rechtmäßigen Aufenthalt imHoheitsgebiet eines Staates hat, darf aus diesem nur auf Grundeiner rechtmäßig ergangenen Entscheidung ausgewiesen werden;ihm muß gestattet werden,a) Gründe vorzubringen, die gegen seine Ausweisung sprechen,b) seinen Fall prüfen zu lassen undc) sich zu diesem Zweck vor der zuständigen Behörde oder vor

einer oder mehreren von dieser Behörde bestimmten Personenvertreten zu lassen.

(2) Ein Ausländer kann vor Ausübung der im Abs. 1 lit. a, b und cgenannten Rechte ausgewiesen werden, wenn die Ausweisung imInteresse der öffentlichen Ordnung erforderlich ist oder aus Grün-den der nationalen Sicherheit erfolgt.

Artikel 2 [Rechtsweggarantie in Strafsachen](1) Wer von einem Gericht wegen einer strafbaren Handlung ver-urteilt worden ist, hat das Recht, das Urteil von einem übergeord-neten Gericht nachprüfen zu lassen. Die Ausübung dieses Rechts,einschließlich der Gründe, aus denen es ausgeübt werden kann,richtet sich nach dem Gesetz.(2) Ausnahmen von diesem Recht sind für strafbare Handlungengeringfügiger Art, wie sie durch Gesetz näher bestimmt sind, oder

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7. ZEMRK

1 Die Bundesrepublik Deutschland hat das Protokoll am 19. 3. 1985 unterschrieben, aber bislang nochnicht ratifiziert.

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in Fällen möglich, in denen das Verfahren gegen eine Person inerster Instanz vor dem obersten Gericht stattgefunden hat oder indenen sie nach einem gegen ihren Freispruch eingelegten Rechts-mittel verurteilt worden ist.

Artikel 3 [Entschädigung für Folgen eines Fehlurteils]Ist jemand wegen einer strafbaren Handlung rechtskräftig verur-teilt und ist das Urteil später aufgehoben oder der Verurteilte be-gnadigt worden, weil eine neue oder eine neu bekannt gewordeneTatsache schlüssig beweist, daß ein Fehlurteil vorlag, so ist derjeni-ge, der auf Grund eines solchen Urteils eine Strafe verbüßt hat,entsprechend dem Gesetz oder der Übung des betreffenden Staateszu entschädigen, sofern nicht nachgewiesen wird, daß das nichtrechtzeitige Bekanntwerden der betreffenden Tatsache ganz oderteilweise ihm zuzuschreiben ist.

Artikel 4 [Strafklageverbrauch, Verbot der Doppelbestrafung](1) Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der erbereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staa-tes rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einemStrafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oderbestraft werden.(2) Abs. 1 schließt die Wiederaufnahme des Verfahrens nach demGesetz und dem Strafverfahrensrecht des betreffenden Staates nichtaus, falls neue oder neu bekannt gewordene Tatsachen vorliegenoder das vorausgegangene Verfahren schwere, den Ausgang des Ver-fahrens berührende Mängel aufweist.(3) Dieser Artikel darf nicht nach Artikel 15 der Konventionaußer Kraft gesetzt werden.

Artikel 5 [Gleichberechtigung in Ehe und Familie]Ehegatten haben untereinander und in ihren Beziehungen zu ihrenKindern gleiche Rechte und Pflichten privatrechtlicher Art hin-sichtlich der Eheschließung, während der Ehe und bei Auflösungder Ehe. Dieser Artikel verwehrt es den Staaten nicht, die im Inter-esse der Kinder notwendigen Maßnahmen zu treffen.…

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7. ZEMRK

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Albanien

Andorra

Belgien

Bulgarien

Dänemark

Deutschland

Estland

Finnland

Frankreich

Griechenland

Großbritannien

Irland

Island

Italien

Kroatien

Lettland

Liechtenstein

Litauen

Luxemburg

Malta

Mazedonien

Moldau

Niederlande

Norwegen

Österreich

Polen

Portugal

Rumänien

Rußland

San Marino

Schweden

Schweiz

Slowakei

Slowenien

Spanien

Tschechien

Türkei

Ukraine

Ungarn

Zypern

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Die Mitgliedstaaten des Europarats

nach dem Stand von Januar 2000

Gäste: Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Bosnien-Herzegowina.Beobachter: USA

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Verfassungfür

Rheinland-PfalzVom 18. Mai 1947

Erster Hauptteil:Grundrechte und Grundpflichten

I. Abschnitt: Die Einzelperson1. Freiheitsrechte2. Gleichheitsrechte3. Öffentliche Pflichten

II. Abschnitt: Ehe und FamilieIII. Abschnitt: Schule, Bildung und KulturpflegeIV. Abschnitt: Kirchen und ReligionsgemeinschaftenV. Abschnitt: Selbstverwaltung der Gemeinden und

GemeindeverbändeVI. Abschnitt: Die Wirtschafts- und Sozialordnung

VII. Abschnitt: Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen

Zweiter Hauptteil:Aufbau und Aufgaben des Staates

I. Abschnitt: Die Grundlagen des StaatesII. Abschnitt: Organe des Volkswillens

1. Der Landtag2. Die Landesregierung

III. Abschnitt: Die GesetzgebungIV. Abschnitt: Das FinanzwesenV. Abschnitt: Die Rechtsprechung

VI. Abschnitt: Die VerwaltungVII. Abschnitt: Der Schutz der Verfassung und

der VerfassungsgerichtshofVIII. Abschnitt: Übergangs- und Schlußbestimmungen

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Vorspruch

Im Bewußtsein der Verantwortung vor Gott, dem Urgrund desRechts und Schöpfer aller menschlichen Gemeinschaft, von demWillen beseelt, die Freiheit und Würde des Menschen zu sichern,das Gemeinschaftsleben nach dem Grundsatz der sozialen Gerech-tigkeit zu ordnen, den wirtschaftlichen Fortschritt aller zu fördernund ein neues demokratisches Deutschland als lebendiges Gliedder Völkergemeinschaft zu formen, hat sich das Volk von Rhein-land-Pfalz diese Verfassung gegeben:

Erster HauptteilGrundrechte und Grundpflichten

I. Abschnitt: Die Einzelperson1. Freiheitsrechte

Artikel 1 [Freiheit des Menschen, Aufgabe des Staates](1) Der Mensch ist frei. Er hat ein natürliches Recht auf die Ent-wicklung seiner körperlichen und geistigen Anlagen und auf diefreie Entfaltung seiner Persönlichkeit innerhalb der durch dasnatürliche Sittengesetz gegebenen Schranken.(2) Der Staat hat die Aufgabe, die persönliche Freiheit und Selb-ständigkeit des Menschen zu schützen sowie das Wohlergehen deseinzelnen und der innerstaatlichen Gemeinschaften durch die Ver-wirklichung des Gemeinwohls zu fördern.(3) Die Rechte und Pflichten der öffentlichen Gewalt werdendurch die naturrechtlich bestimmten Erfordernisse des Gemein-wohls begründet und begrenzt.(4) Die Organe der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwal-tung sind zur Wahrung dieser Grundsätze verpflichtet.

Artikel 2 [Grundsatz der Gesetzmäßigkeit]Niemand kann zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldunggezwungen werden, zu der ihn nicht das Gesetz verpflichtet.

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Vorspruch LV

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Artikel 3 [Unantastbarkeit des Lebens, Körperliche Unversehrtheit](1) Das Leben des Menschen ist unantastbar.(2) Für den Schutz des ungeborenen Lebens ist insbesondere durchumfassende Aufklärung, Beratung und soziale Hilfe zu sorgen.(3) Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit sind nur auf Grundeines Gesetzes statthaft.

Artikel 4 [Schutz der persönlichen Ehre]Die Ehre des Menschen steht unter dem Schutz des Staates. Belei-digungen, die sich gegen einzelne Personen oder Gruppen wegenihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse, einer religiösen, weltanschauli-chen oder anerkannten politischen Gemeinschaft richten, sollendurch öffentliche Klage verfolgt werden.

Artikel 4a [Schutz der personenbezogenen Daten](1) Jeder Mensch hat das Recht, über die Erhebung und weitereVerarbeitung seiner personenbezogenen Daten selbst zu bestim-men. Jeder Mensch hat das Recht auf Auskunft über ihn betreffen-de Daten und auf Einsicht in amtliche Unterlagen, soweit diesesolche Daten enthalten.(2) Diese Rechte dürfen nur durch Gesetz oder aufgrund einesGesetzes eingeschränkt werden, soweit überwiegende Interessen derAllgemeinheit es erfordern.

Artikel 5 [Freiheit der Person, Rechtsgarantien beiFreiheitsentziehung]

(1) Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Eine Beeinträchti-gung oder Entziehung der persönlichen Freiheit durch die öffentli-che Gewalt ist nur auf Grund von Gesetzen und in den von diesenvorgeschriebenen Formen zulässig.(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehunghat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicherAnordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich einerichterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf auseigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Endedes Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. DasNähere ist gesetzlich zu regeln.

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Artikel 3 LV

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(3) Jeder wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung vorläufigFestgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme demRichter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzutei-len, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zugeben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Grün-den versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Frei-lassung anzuordnen.(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnungoder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich einAngehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauenszu benachrichtigen.(5) Jede Mißhandlung eines Festgenommenen ist untersagt.

Artikel 6 [Grundrechte des Angeklagten](1) Jedermann hat Anspruch auf seinen gesetzlichen Richter.Ausnahmegerichte sind unstatthaft.(2) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.(3) Strafen können nur verhängt werden auf Grund von Gesetzen,die zur Zeit der Begehung der Tat in Geltung waren.(4) Niemand darf zweimal für dieselbe Tat bestraft werden. Alsschuldig gilt nur, wer rechtskräftig für schuldig erklärt ist.

Artikel 7 [Unverletzlichkeit der Wohnung](1) Die Wohnung ist unverletzlich.(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr imVerzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderenOrgane angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Formdurchgeführt werden.(3) Zur Behebung öffentlicher Notstände können die Behördendurch Gesetz zu Eingriffen und Einschränkungen ermächtigt wer-den.

Artikel 8 [Glaubens- und Gewissensfreiheit](1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und der Überzeu-gung ist gewährleistet.(2) Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte werden durchdie Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch be-schränkt.

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Artikel 6 LV

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(3) Die Teilnahme an Handlungen, Feierlichkeiten oder Übungenvon Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften darf wedererzwungen noch verhindert werden. Die Benutzung einer religiö-sen Eidesformel steht jedem frei.

Artikel 9 [Kunst- und Wissenschaftsfreiheit](1) Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei.(2) Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Ver-fassung.

Artikel 10 [Zensurverbot](1) Jedermann hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift undBild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemeinzugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Niemand darfihn deshalb benachteiligen. Die Pressefreiheit und die Freiheit derBerichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.Eine Zensur findet nicht statt.(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften derallgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutzeder Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Artikel 11 [Petitionsrecht]Jedermann hat das Recht, sich mit Eingaben an die Behörden oderan die Volksvertretung zu wenden.

Artikel 12 [Versammlungsfreiheit](1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oderErlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Rechtdurch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Artikel 13 [Vereinigungsfreiheit](1) Jedermann hat das Recht, zu Zwecken, die der Verfassung oderden Gesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine oder Gesellschaften zubilden.(2) Der Erwerb der Rechtsfähigkeit darf einem Verein nicht des-halb versagt werden, weil er einen politischen, religiösen oder welt-anschaulichen Zweck verfolgt.

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Artikel 9 LV

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Artikel 14 [Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis]Das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis ist ge-währleistet. Ausnahmen bestimmt das Gesetz.

Artikel 15 [Freizügigkeit](1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit. Sie haben das Recht,sich an jedem Orte aufzuhalten und niederzulassen, Grundstückezu erwerben und jeden Erwerbszweig zu betreiben. Einschränkun-gen bedürfen des Gesetzes.(2) (aufgehoben)

Artikel 16 [Auslieferung, Asylrecht](1) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden.(2) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

2. Gleichheitsrechte

Artikel 17 [Gleichheit vor dem Gesetz, Gleichberechtigung](1) Alle sind vor dem Gesetz gleich.(2) Willkürliche Begünstigung oder Benachteiligung von Einzel-personen oder Personengruppen sind den Organen der Gesetzge-bung, Rechtsprechung und Verwaltung untersagt.(3) Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Der Staat ergreiftMaßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Staatund Gesellschaft, insbesondere im Beruf, in Bildung und Ausbil-dung, in der Familie sowie im Bereich der sozialen Sicherung. ZumAusgleich bestehender Ungleichheiten sind Maßnahmen, die derGleichstellung dienen, zulässig.(4) Der Staat achtet ethnische und sprachliche Minderheiten.

Artikel 18 [Adelsbezeichnungen, Titel, Orden, Ehrenzeichen](1) Alle öffentlich-rechtlichen Vorteile und Nachteile der Geburtoder des Standes sind aufgehoben. Adelsbezeichnungen gelten nurals Bestandteil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.(2) Titel dürfen nur verliehen werden, wenn sie ein Amt odereinen Beruf bezeichnen. Akademische Grade fallen nicht unter die-ses Verbot.(3) Orden und Ehrenzeichen dürfen vom Staat nur nach Maßgabeder Gesetze verliehen werden.

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Artikel 14 LV

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Artikel 19 [Zulassung zu öffentlichen Ämtern]Alle Deutschen, ohne Unterschied der Rasse, des Religionsbe-kenntnisses, der Parteizugehörigkeit oder des Geschlechtes, sindnach Maßgabe der Gesetze und entsprechend ihrer Befähigungund ihrer Leistungen zu den öffentlichen Ämtern zugelassen,sofern sie die Gewähr dafür bieten, ihr Amt nach den Vorschriftenund im Geiste der Verfassung zu führen.

Artikel 19a [Rechtsgewährung für EU-Angehörige]Rechte, welche die Verfassung allen Deutschen gewährt, stehenauch Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates der Europäi-schen Union zu, soweit diese nach dem Recht der EuropäischenUnion Anspruch auf Gleichbehandlung haben.

3. Öffentliche Pflichten

Artikel 20 [Staatsbürgerliche Treupflicht]Jeder Staatsbürger hat seine Treupflicht gegenüber Staat und Verfas-sung zu erfüllen, die Gesetze zu befolgen und seine körperlichen undgeistigen Kräfte so zu betätigen, wie es dem Gemeinwohl entspricht.

Artikel 21 [Ehrenämter](1) Jeder Staatsbürger hat nach Maßgabe der Gesetze die Pflichtzur Übernahme von Ehrenämtern.(2) Jedermann ist verpflichtet, nach Maßgabe der Gesetze persön-liche Dienste für Staat und Gemeinde zu leisten.

Artikel 22 [Nothilfepflicht]Jedermann ist bei Unglücksfällen und besonderen Notständennach Maßgabe der Gesetze zur Leistung von Nothilfe verpflichtet.

II. Abschnitt: Ehe und FamilieArtikel 23 [Ehe und Familie](1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz derstaatlichen Ordnung.(2) Besondere Fürsorge wird Familien mit Kindern, Müttern undAlleinerziehenden sowie Familien mit zu pflegenden Angehörigenzuteil.

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Artikel 19 LV

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(3) Das Recht der Kirchen und Religionsgemeinschaften, die reli-giösen Verpflichtungen bezüglich der Ehe mit verbindlicher Wir-kung für ihre Mitglieder selbständig zu regeln, bleibt unberührt.

Artikel 24 [Schutz der Kinder]Jedes Kind hat ein Recht auf Entwicklung und Entfaltung. Diestaatliche Gemeinschaft schützt und fördert die Rechte des Kindes.Nicht eheliche Kinder haben den gleichen Anspruch auf Förde-rung wie eheliche Kinder. Kinder genießen besonderen Schutz ins-besondere vor körperlicher und seelischer Misshandlung und Ver-nachlässigung.

Artikel 25 [Elternrecht, Jugendschutz](1) Die Eltern haben das natürliche Recht und die oberste Pflicht,ihre Kinder zur leiblichen, sittlichen und gesellschaftlichen Tüch-tigkeit zu erziehen. Staat und Gemeinden haben das Recht und diePflicht, die Erziehungsarbeit der Eltern zu überwachen und zuunterstützen.(2) Die Jugend ist gegen Ausbeutung sowie gegen sittliche, geistigeund körperliche Verwahrlosung durch staatliche und gemeindlicheMaßnahmen und Einrichtungen zu schützen. (3) Fürsorgemaßnahmen im Wege des Zwanges können nur aufgesetzlicher Grundlage angeordnet werden, wenn durch ein Versa-gen des Erziehungsberechtigten oder aus anderen Gründen dasWohl des Kindes gefährdet wird.

Artikel 26 [Mitwirkung der Kirchen]In den Angelegenheiten der Pflege und Förderung der Familie undder Erziehung der Jugend ist die Mitwirkung der Kirchen, Religi-ons- und Weltanschauungsgemeinschaften und Verbände der frei-en Wohlfahrtspflege nach Maßgabe der Gesetze gewährleistet.

III. Abschnitt: Schule, Bildung und KulturpflegeArtikel 27 [Elternrecht und Schulwesen](1) Das natürliche Recht der Eltern, über die Erziehung ihrer Kin-der zu bestimmen, bildet die Grundlage für die Gestaltung desSchulwesens.

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Artikel 24 LV

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(2) Staat und Gemeinde haben das Recht und die Pflicht, unterBerücksichtigung des Elternwillens die öffentlichen Voraussetzun-gen und Einrichtungen zu schaffen, die eine geordnete Erziehungder Kinder sichern.(3) Das gesamte Schulwesen untersteht der Aufsicht des Staates.Die Schulaufsicht wird durch hauptamtlich tätige fachlich vorge-bildete Beamte ausgeübt.

Artikel 28 [Öffentliche und private Schulen]Der Ausbildung der Jugend dienen öffentliche und private Schu-len. Bei Einrichtung öffentlicher Schulen wirken Land undGemeinden zusammen. Auch die Kirchen und Religionsgemein-schaften werden als Bildungsträger anerkannt.

Artikel 29 [Christliche Gemeinschaftsschule]Die öffentlichen Grund-, Haupt- und Sonderschulen sind christli-che Gemeinschaftsschulen.

Artikel 30 [Privatschulen](1) Privatschulen als Ersatz für öffentliche Schulen, einschließlichder Hochschulen, können mit staatlicher Genehmigung errichtetund betrieben werden. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn diePrivatschulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in derwissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter denöffentlichen Schulen zurückstehen und die wirtschaftliche undrechtliche Stellung der Lehrkräfte genügend gesichert ist. Lehrer anPrivatschulen unterliegen auch der Bestimmung des Artikels 36.(2) Eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen derEltern ist untersagt.(3) Privatschulen als Ersatz für öffentliche Schulen erhalten aufAntrag angemessene öffentliche Finanzhilfe. Das Nähere über Vor-aussetzungen und die Höhe der öffentlichen Finanzhilfe regelt einGesetz.

Artikel 31 [Begabtenhilfe]Jedem jungen Menschen soll zu einer seiner Begabung entspre-chenden Ausbildung verholfen werden. Begabten soll der Besuchvon höheren und Hochschulen, nötigenfalls aus öffentlichen Mit-teln, ermöglicht werden.

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Artikel 28 LV

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Artikel 32 [aufgehoben]

Artikel 33 [Grundsätze für die Schulerziehung]Die Schule hat die Jugend zur Gottesfurcht und Nächstenliebe,Achtung und Duldsamkeit, Rechtlichkeit und Wahrhaftigkeit, zurLiebe zu Volk und Heimat, zum Verantwortungsbewußtsein fürNatur und Umwelt, zu sittlicher Haltung und beruflicher Tüchtig-keit und in freier, demokratischer Gesinnung im Geiste der Völ-kerversöhnung zu erziehen.

Artikel 34 [Religionsunterricht]Der Religionsunterricht ist an allen Schulen mit Ausnahme derbekenntnisfreien Privatschulen ordentliches Lehrfach. Er wirderteilt im Auftrag und in Übereinstimmung mit den Lehren undSatzungen der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft.Lehrplan und Lehrbücher für den Religionsunterricht sind im Ein-vernehmen mit der betreffenden Kirche oder Religionsgemein-schaft zu bestimmen. Kein Lehrer kann gezwungen oder darangehindert werden, Religionsunterricht zu erteilen. Zur Erteilungdes Religionsunterrichts bedürfen die Lehrer der Bevollmächtigungdurch die Kirchen oder Religionsgemeinschaften. Die Kirchen undReligionsgemeinschaften haben das Recht, im Benehmen mit derstaatlichen Aufsichtsbehörde den Religionsunterricht zu beaufsich-tigen und Einsicht in seine Erteilung zu nehmen.

Artikel 35 [Teilnahme am Religionsunterricht](1) Die Teilnahme am Religionsunterricht kann durch die Wil-lenserklärung der Eltern oder der Jugendlichen nach Maßgabe desGesetzes abgelehnt werden.(2) Für Jugendliche, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen,ist ein Unterricht über die allgemein anerkannten Grundsätze desnatürlichen Sittengesetzes zu erteilen.

Artikel 36 [Lehrerberuf]Lehrer haben ihr Amt als Erzieher im Sinne der Grundsätze derVerfassung auszuüben.

Artikel 37 [Volksbildungswesen]Das Volksbildungswesen einschließlich der Volksbüchereien undVolkshochschulen soll von Staat und Gemeinden gefördert werden.

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Artikel 32 LV

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Die Errichtung privater oder kirchlicher Volksbildungseinrichtun-gen ist gestattet.

Artikel 38 [Höheres Schulwesen]Bei der Gestaltung des höheren Schulwesens ist das klassisch-humanistische Bildungsideal neben den anderen Bildungszielengleichberechtigt zu berücksichtigen.

Artikel 39 [Hochschulwesen](1) Die Hochschulen haben das Recht der Selbstverwaltung. DieFreiheit von Forschung und Lehre wird ihnen verbürgt. Die theo-logischen Fakultäten an den staatlichen Hochschulen bleibenerhalten.(2) Die Studenten sind berufen, bei der Erledigung ihrer eigenenAngelegenheiten im Wege der Selbstverwaltung mitzuwirken.(3) Jeder Student ist verpflichtet, neben seinem Fachstudium all-gemeinbildende, insbesondere staatsbürgerkundliche Vorlesungenzu hören.(4) Das Recht der Studenten, sich an den Hochschulen im Rah-men der für alle geltenden Gesetze zu Vereinigungen zusammenzu-schließen, wird gewährleistet.(5) Der Zugang zum Hochschulstudium steht jedermann offen.Werktätigen, die sich durch Begabung, Fleiß und Leistungen aus-zeichnen, ist auch ohne Reifezeugnis einer höheren Lehranstaltdurch Einrichtung besonderer Vorbereitungskurse und Prüfungendie Möglichkeit des Hochschulstudiums zu geben. Jeder Erwachse-ne hat das Recht, sich als Gasthörer an den Hochschulen einschrei-ben zu lassen.(6) Das Nähere wird durch Gesetz bestimmt.

Artikel 40 [Förderung von Kunst und Kultur](1) Das künstlerische und kulturelle Schaffen ist durch das Land,die Gemeinden und Gemeindeverbände zu pflegen und zu fördern.(2) Die Erzeugnisse der geistigen Arbeit, die Rechte der Urheber,Erfinder und Künstler genießen den Schutz und die Fürsorge desStaates.(3) Der Staat nimmt die Denkmäler der Kunst, der Geschichteund der Natur sowie die Landschaft in seine Obhut und Pflege.

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Artikel 38 LV

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Die Teilnahme an den Kulturgütern des Lebens ist dem gesamtenVolke zu ermöglichen.(4) Der Sport ist durch das Land, die Gemeinden und Gemeinde-verbände zu pflegen und zu fördern.

IV. Abschnitt: Kirchen und Religionsgemeinschaften

Artikel 41 [Freiheiten der Kirchen und Religionsgemeinschaften](1) Die Kirchen sind anerkannte Einrichtungen für die Wahrungund Festigung der religiösen und sittlichen Grundlagen des mensch-lichen Lebens. Die Freiheit, Religionsgemeinschaften zu bilden, Reli-gionsgemeinschaften zusammenzuschließen und sich zu öffentlichengottesdienstlichen Handlungen zu vereinigen, ist gewährleistet.(2) Die Kirchen und Religionsgemeinschaften haben das Recht,sich ungehindert zu entfalten. Sie sind von staatlicher Bevormun-dung frei und ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selb-ständig. Sie verleihen ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staatesoder der bürgerlichen Gemeinden. Die Kirchen und Religionsge-meinschaften genießen in ihrem Verkehr mit den Gläubigen volleFreiheit. Hirtenbriefe, Verordnungen, Anweisungen, Amtsblätterund sonstige die geistliche Leitung der Gläubigen betreffende Ver-fügungen können ungehindert veröffentlicht und zur Kenntnis derGläubigen gebracht werden.(3) Die für alle geltenden verfassungsmäßigen Pflichten bleibenunberührt.

Artikel 42 [Kirchliche Hochschulen]Die Kirchen und Religionsgemeinschaften haben das Recht, zurAusbildung ihrer Geistlichen und Religionsdiener eigene Hoch-schulen, Seminarien und Konvikte zu errichten und zu unterhal-ten. Die Leitung und Verwaltung, der Lehrbetrieb und die Beauf-sichtigung dieser Lehranstalten ist selbständige Angelegenheit derKirchen und Religionsgemeinschaften.

Artikel 43 [Rechtsform von Kirchen und Religionsgemeinschaften](1) Die Kirchen und Religionsgemeinschaften erwerben dieRechtsfähigkeit nach den Vorschriften des allgemeinen Rechts.

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Artikel 41 LV

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(2) Die Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie ihre Einrich-tungen bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit siees bisher waren; anderen Religionsgemeinschaften sowie künftigenStiftungen sind auf ihren Antrag die gleichen Eigenschaften zu ver-leihen, wenn sie durch ihre Satzungen und die Zahl ihrer Mitglie-der die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere öffent-lich-rechtliche Religionsgemeinschaften zu einem Verband zusam-men, so ist auch dieser Körperschaft des öffentlichen Rechts.(3) Die Kirchen und Religionsgemeinschaften, die öffentlich-rechtliche Körperschaften sind, dürfen auf Grund der ordentlichenSteuerlisten Steuern erheben.(4) Gesellschaften, die sich die Pflege einer Weltanschauung zurAufgabe machen und deren Bestrebungen dem Gesetz nicht wider-sprechen, genießen die gleichen Rechte.

Artikel 44 [Eigentum und andere Rechte der Kirchen]Das Eigentum und andere Rechte der Kirchen, Religions- undWeltanschauungsgemeinschaften sowie ihrer Einrichtungen anihrem für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszweckebestimmten Vermögen werden gewährleistet.

Artikel 45 [Staatliche Leistungen an die Kirchen]Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhendenbisherigen Leistungen des Staates, der politischen Gemeinden undGemeindeverbände an die Kirchen und sonstigen Religionsge-meinschaften sowie an ihre Anstalten, Stiftungen, Vermögensmas-sen und Vereinigungen bleiben aufrechterhalten.

Artikel 46 [Gemeinnützigkeit]Die von Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaftenoder ihren Organisationen unterhaltenen sozialen Einrichtungenund Schulen werden als gemeinnützig anerkannt.

Artikel 47 [Sonn- und Feiertage]Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage sind als Tageder religiösen Erbauung, seelischen Erhebung und Arbeitsruhegesetzlich geschützt.

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Artikel 44 LV

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Artikel 48 [Seelsorge in Krankenhäusern, Strafanstalten u.a.](1) In Krankenhäusern, Strafanstalten und sonstigen öffentlichenAnstalten und Einrichtungen ist den Kirchen und Religionsge-meinschaften Gelegenheit zur Vornahme von Gottesdiensten undAusübung der geordneten Seelsorge zu geben.(2) Für die entsprechenden Voraussetzungen ist Sorge zu tragen.

V. Abschnitt: Selbstverwaltung der Gemeinden undGemeindeverbände

Artikel 49 [Kommunale Selbstverwaltung, KommunalerFinanzausgleich]

(1) Die Gemeinden sind in ihrem Gebiet unter eigener Verant-wortung die ausschließlichen Träger der gesamten örtlichen öffent-lichen Verwaltung. Sie können jede öffentliche Aufgabe überneh-men, soweit sie nicht durch ausdrückliche gesetzliche Vorschriftanderen Stellen im dringenden öffentlichen Interesse ausschließlichzugewiesen werden.(2) Die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihrer gesetzlichenZuständigkeit die gleiche Stellung.(3) Das Recht der Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten ist denGemeinden und Gemeindeverbänden gewährleistet. Die Aufsichtdes Staates beschränkt sich darauf, daß ihre Verwaltung im Ein-klang mit den Gesetzen geführt wird.(4) Den Gemeinden und Gemeindeverbänden oder ihren Vorstän-den können durch Gesetz oder Rechtsverordnung staatliche Aufga-ben zur Erfüllung nach Anweisung übertragen werden.(5) Der Staat hat den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zurDurchführung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erfor-derlichen Mittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zusichern. Er stellt ihnen für ihre freiwillige öffentliche Tätigkeit in eige-ner Verantwortung zu verwaltende Einnahmequellen zur Verfügung.(6) (aufgehoben)

Artikel 50 [Kommunale Vertretungskörperschaften](1) Die Bürger wählen in den Gemeinden und Gemeindeverbändendie Vertretungskörperschaften sowie die Bürgermeister und Landrätenach den Grundsätzen des Artikels 76. Auch Angehörige anderer

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Artikel 48 LV

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Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind nach Maßgabe desRechts der Europäischen Union wahlberechtigt und wählbar. DieVertretungskörperschaft wählt den Bürgermeister oder Landrat,wenn zu der Wahl durch die Bürger keine gültige Bewerbung ein-gereicht wird. Dies gilt auch, wenn zu der Wahl und einer Wieder-holungswahl nach Satz 1 nur eine gültige Bewerbung eingereichtworden ist und der Bewerber in beiden Wahlen nicht gewählt wird.(2) Das Nähere regelt das Gesetz.

VI. Abschnitt: Die Wirtschafts- und Sozialordnung

Artikel 51 [Wirtschaftsordnung]Die soziale Marktwirtschaft ist die Grundlage der Wirtschaftsord-nung. Sie trägt zur Sicherung und Verbesserung der Lebens- undBeschäftigungsbedingungen der Menschen bei, indem sie wirt-schaftliche Freiheiten mit sozialem Ausgleich, sozialer Absicherungund dem Schutz der Umwelt verbindet. In diesem Rahmen ist aufeine ausgewogene Unternehmensstruktur hinzuwirken.

Artikel 52 [Wirtschaftsfreiheit](1) Die Vertragsfreiheit, die Gewerbefreiheit, die Freiheit der Ent-wicklung persönlicher Entschlußkraft und die Freiheit selbständi-ger Betätigung des einzelnen bleiben in der Wirtschaft erhalten.(2) Die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen findet ihre Grenzenin der Rücksicht auf die Rechte des Nächsten und auf die Erfor-dernisse des Gemeinwohls. Jeder Mißbrauch wirtschaftlicher Frei-heit oder Macht ist unzulässig.

Artikel 53 [Schutz der Arbeitskraft](1) Die menschliche Arbeitskraft ist als persönliche Leistung undgrundlegender Wirtschaftsfaktor gegen Ausbeutung, Betriebsgefah-ren und sonstige Schädigungen zu schützen.(2) Das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände wirkendarauf hin, dass jeder seinen Lebensunterhalt durch frei gewählteArbeit verdienen kann.(3) Der Erhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, demSchutze der Mutterschaft, der Vorsorge gegen die wirtschaftlichenFolgen von Alter, Schwächen, Wechselfällen des Lebens und dem

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Artikel 51 LV

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Schutze gegen die Folgen unverschuldeter Arbeitslosigkeit, dient einedem ganzen Volk zugängliche Sozial- und Arbeitslosenversicherung.(4) Sozial- und Arbeitslosenversicherung unterstehen der Selbst-verwaltung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Aufgaben desStaates sind auf die Führung der Aufsicht und die Förderung ihrerTätigkeit und Einrichtungen zu beschränken.(5) Das Nähere regelt das Gesetz.

Artikel 54 [Arbeitsrecht](1) Für alle Arbeitnehmer ist ein einheitliches Arbeitsrecht zuschaffen. Im Rahmen dieses Arbeitsrechts können Gesamtvereinba-rungen nur zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgeberver-tretungen abgeschlossen oder durch verbindlich erklärte Schieds-sprüche ersetzt werden. Schiedssprüche schaffen verbindlichesRecht, das durch private Vereinbarungen zuungunsten der Arbeit-nehmer nicht abgedungen werden kann.(2) Das Schlichtungswesen wird gesetzlich geregelt.

Artikel 55 [Arbeitsschutz](1) Die Arbeitsbedingungen sind so zu gestalten, daß sie dieGesundheit, die Würde, das Familienleben und die kulturellenAnsprüche der Arbeitnehmer sichern.(2) Frauen und Jugendlichen ist ein besonderer Schutz zugewähren, und die leibliche, sittliche und geistige Entwicklung derJugend ist zu fördern.(3) Gewerbsmäßige Kinderarbeit ist verboten. Ausnahmen regeltdas Gesetz.

Artikel 56 [Arbeitsentgelt und Gewinnanteil, Gleicher Lohn](1) Das Arbeitsentgelt muß der Leistung entsprechen, zumLebensbedarf für den Arbeitenden und seine Familie ausreichenund ihnen die Teilnahme an den allgemeinen Kulturgütern ermög-lichen. Darüber hinaus soll dem Arbeitnehmer in geeigneter Weiseein gerechter Anteil am Reinertrag je nach Art und Leistungs-fähigkeit der Unternehmungen durch Vereinbarung gesichert wer-den.(2) Männer, Frauen und Jugendliche haben grundsätzlich für glei-che Tätigkeit und Leistung Anspruch auf den gleichen Lohn.

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Artikel 54 LV

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Artikel 57 [Arbeitszeit und Urlaub](1) Der 8-Stunden-Tag ist die gesetzliche Regel. Sonntage undgesetzliche Feiertage sind arbeitsfrei. Ausnahmen sind zuzulassen,wenn es das Gemeinwohl erfordert.(2) Der 1. Mai ist gesetzlicher Feiertag für alle arbeitenden Men-schen.(3) Das Arbeitsentgelt für die in die Arbeitszeit fallenden gesetzli-chen Feiertage ist zu zahlen.(4) Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf einen bezahlten Urlaubnach Maßgabe des Gesetzes.

Artikel 58 [Berufsfreiheit]Jeder Deutsche ist berechtigt, in Übereinstimmung mit den Erfor-dernissen des Gemeinwohls seinen Beruf frei zu wählen und ihnnach Maßgabe des Gesetzes in unbehinderter Freizügigkeit auszu-üben.

Artikel 59 [Öffentliche Ehrenämter, Arbeitszeit und Verdienstausfall](1) Wer in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis steht, hat dasRecht auf die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte und auf diezur Ausübung ihm übertragener öffentlicher Ehrenämter benötigteFreizeit.(2) Er hat Anspruch auf angemessenen Ersatz seines Verdienstaus-falls. Das Nähere regelt das Gesetz.

Artikel 60 [Eigentumsgarantie, Enteignung](1) Das Eigentum ist ein Naturrecht und wird vom Staat gewähr-leistet. Jedermann darf auf Grund der Gesetze Eigentum erwerbenund darüber verfügen. Das Recht der Verfügung über das Eigen-tum schließt das Recht der Vererbung und Schenkung ein.(2) Eigentum verpflichtet gegenüber dem Volk. Sein Gebrauchdarf nicht dem Gemeinwohl zuwiderlaufen.(3) Einschränkung oder Entziehung des Eigentums sind nur aufgesetzlicher Grundlage zulässig, wenn es das Gemeinwohl verlangt.Dies gilt auch für Urheber- und Erfinderrechte.(4) Enteignung darf nur gegen angemessene Entschädigung erfol-gen. Angemessen ist jede Entschädigung, die die Belange der ein-zelnen Beteiligten sowie die Forderung des Gemeinwohls berück-

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Artikel 57 LV

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sichtigt. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalleder ordentliche Rechtsweg offen.

Artikel 61 [Verstaatlichung](1) Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel kön-nen zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Artund Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oderin andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für dieEntschädigung gilt Artikel 60 Abs. 4 entsprechend.(2) Bei der Überführung der Unternehmen in Gemeineigentumoder in andere Formen der Gemeinwirtschaft ist eine übermä-ßige Zusammenballung wirtschaftlicher Macht in einer Hand durchBeteiligung der im Betrieb tätigen Arbeitnehmer, von Gemeindenund Gemeindeverbänden sowie Privatpersonen zu verhindern.(3) Gemeinwirtschaftliche Unternehmen sollen, wenn es ihremwirtschaftlichen Zweck entspricht, in einer privatwirtschaftlichenUnternehmungsform geführt werden.

Artikel 62 [Banken- und Versicherungsaufsicht]Die Banken, Versicherungen und sonstigen Geldinstitute unterlie-gen der Aufsicht des Staates. Der Staat hat unter Zuziehung derKräfte der Wirtschaftsselbstverwaltung die Maßnahmen zu treffen,welche eine Lenkung der Geldinvestition in volkswirtschaftlicherwünschtem Sinne sicherstellen.

Artikel 63 [Wohnraum]Das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände wirken auf dieSchaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum hin.

Artikel 64 [Integration Behinderter]Das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände schützen behin-derte Menschen vor Benachteiligung und wirken auf ihre Integrati-on und die Gleichwertigkeit ihrer Lebensbedingungen hin.

Artikel 65 [Mittelstand und Genossenschaftswesen](1) Die selbständigen Betriebe der Landwirtschaft, der Industrie,des Gewerbes, Handwerks und Handels sind in der Erfüllung ihrervolkswirtschaftlichen Aufgabe mit geeigneten Mitteln zu fördern.

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Artikel 61 LV

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(2) Dies gilt auch für den Ausbau genossenschaftlicher Selbsthilfe.(3) Das Genossenschaftswesen ist zu fördern.

Artikel 66 [Koalitionsfreiheit, Streikrecht](1) Die Vereinigungsfreiheit zur Wahrung und Förderung derArbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist für jedermann und füralle Berufe gewährleistet. Abreden oder Maßnahmen, welche dieseFreiheit ohne gesetzliche Grundlage einzuschränken oder zu behin-dern suchen, sind unzulässig.(2) Das Streikrecht der Gewerkschaften im Rahmen der Gesetzewird anerkannt.

Artikel 67 [Mitwirkung und Mitbestimmung](1) Alle in der Wirtschaft tätigen Menschen sollen in gemein-schaftlicher Verantwortung an der Lösung der wirtschafts- undsozialpolitischen Aufgaben mitwirken, um damit die wirtschaftli-chen und gesellschaftlichen Gegensätze zu überbrücken.(2) Zum Zwecke dieser Mitwirkung und Wahrung ihrer wirt-schaftlichen und sozialen Interessen erhalten die ArbeitnehmerVertretungen in Betriebsräten.(3) Die Betriebsvertretungen sind insbesondere berechtigt, zu denVersammlungen der Gesellschaften, ihrer Aufsichtsräte usw. eineangemessene Zahl Vertreter mit Sitz und Stimme zu entsenden.(4) Bei Beschlüssen des Unternehmers, welche die Belange derBelegschaft ernsthaft beeinträchtigen können, hat die Betriebsver-tretung mitzuwirken.(5) Das Nähere regelt das Gesetz.

Artikel 68 [Wirtschaftsgemeinschaften]Den Vereinigungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern obliegtauf der Grundlage ihrer Gleichberechtigung die Wahrnehmungihrer Interessen bei der Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbe-dingungen. Sie sind zu Gesetzentwürfen wirtschafts- und sozialpo-litischen Inhalts und bei allen wirtschaftlichen und sozialen Maß-nahmen der Landesregierung von grundsätzlicher Bedeutung zuhören.

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Artikel 66 LV

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VII. Abschnitt: Schutz der natürlichen LebensgrundlagenArtikel 69 [Umweltschutz](1) Der Schutz von Natur und Umwelt als Grundlage gegenwärti-gen und künftigen Lebens ist Pflicht des Landes, der Gemeindenund Gemeindeverbände sowie aller Menschen.(2) Besonders zu schützen sind Boden, Luft und Wasser. Ihre Nut-zung ist der Allgemeinheit und künftigen Generationen verpflichtet.(3) Auf den sparsamen Gebrauch und die Wiederverwendung vonRohstoffen sowie auf die sparsame Nutzung von Energie ist hinzu-wirken.

Artikel 70 [Tierschutz]Tiere werden als Mitgeschöpfe geachtet. Sie werden im Rahmender Gesetze vor vermeidbaren Leiden und Schäden geschützt.

Artikel 71 bis 73 [aufgehoben]

Zweiter HauptteilAufbau und Aufgaben des Staates

I. Abschnitt: Die Grundlagen des StaatesArtikel 74 [Demokratie und Sozialstaat, Volkssouveränität](1) Rheinland-Pfalz ist ein demokratischer und sozialer GliedstaatDeutschlands.(2) Träger der Staatsgewalt ist das Volk.(3) Landesfarben und Landeswappen bestimmt ein Gesetz.

Artikel 74a [Rheinland-Pfalz und Europa]Rheinland-Pfalz fördert die europäische Vereinigung und wirkt beider Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatli-chen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatzder Subsidiarität verpflichtet ist. Rheinland-Pfalz tritt für die Betei-ligung eigenständiger Regionen an der Willensbildung derEuropäischen Union und des vereinten Europa ein. Es arbeitet mitanderen europäischen Regionen zusammen und unterstützt grenz-überschreitende Beziehungen zwischen benachbarten Gebietskör-perschaften und Einrichtungen.

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Artikel 69 LV

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Artikel 75 [Staatsorgane, Staatsbürger](1) Das Volk handelt nach den Bestimmungen dieser Verfassungdurch seine Staatsbürger und die von ihnen bestellten Organe.(2) Staatsbürger sind alle Deutschen, die in Rheinland-Pfalz woh-nen oder sich sonst gewöhnlich dort aufhalten. Das Nähere regeltein Gesetz.

Artikel 76 [Wahlgrundsätze](1) Wahlen und Volksentscheide auf Grund dieser Verfassung sindallgemein, gleich, unmittelbar, geheim und frei.(2) Zur Teilnahme berechtigt sind alle Staatsbürger, die das 18.Lebensjahr vollendet haben und nicht vom Stimmrecht ausge-schlossen sind.(3) Die Teilnahmeberechtigung kann von einer bestimmten Dauerdes Aufenthalts im Lande und, wenn der Staatsbürger mehrereWohnungen innehat, auch davon abhängig gemacht werden, daßseine Hauptwohnung im Lande liegt.(4) Das Nähere regelt das Gesetz.

Artikel 77 [Gewaltenteilung](1) Die verfassungsmäßige Trennung der gesetzgebenden, recht-sprechenden und vollziehenden Gewalt ist unantastbar.(2) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, dieRechtsprechung und die vollziehende Gewalt sind an Gesetz undRecht gebunden.

Artikel 78 [Gliederung des Landes](1) Das Land Rheinland-Pfalz umfaßt die Bezirke Koblenz, Mon-tabaur, Rheinhessen und Trier und die Pfalz.(2) Über Selbstverwaltungsrechte der einzelnen Landesteile, insbe-sondere der Pfalz, befindet das Gesetz.

II. Abschnitt: Organe des Volkswillens1. Der Landtag

Artikel 79 [Landtag, Landtagsabgeordnete](1) Der Landtag ist das vom Volk gewählte oberste Organ derpolitischen Willensbildung. Er vertritt das Volk, wählt den Mini-

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Artikel 79 LV

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sterpräsidenten und bestätigt die Landesregierung, beschließt dieGesetze und den Landeshaushalt, kontrolliert die vollziehendeGewalt und wirkt an der Willensbildung des Landes mit in derBehandlung öffentlicher Angelegenheiten, in europapolitischenFragen und nach Maßgabe von Vereinbarungen zwischen Landtagund Landesregierung.(2) Der Landtag besteht aus vom Volk gewählten Abgeordneten.Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, nur ihrem Gewissen unter-worfen und an Aufträge nicht gebunden.

Artikel 80 [Landtagswahl](1) Die Abgeordneten werden nach den Grundsätzen einer mitder Personenwahl verbundenen Verhältniswahl gewählt.(2) Wählbar ist jeder Stimmberechtigte, der das Alter erreicht hat,mit dem die Volljährigkeit eintritt.(3) Der Wahltag muß ein Sonntag sein.(4) Das Nähere regelt das Wahlgesetz. Es kann bestimmen, daßLandtagssitze nur solchen Wahlvorschlägen zugeteilt werden, diemindestens 5 vom Hundert der im Lande abgegebenen gültigenStimmen erreicht haben.

Artikel 81 [Mandatsverzicht]Der Abgeordnete kann auf die Mitgliedschaft im Landtag jederzeitverzichten. Der Verzicht ist persönlich gegenüber dem Präsidentendes Landtags zu erklären und ist unwiderruflich.

Artikel 82 [Wahlprüfung]Die Gültigkeit der Wahlen prüft ein vom Landtag gebildeter Wahl-prüfungsausschuß. Dieser entscheidet auch darüber, ob ein Abgeord-neter die Mitgliedschaft infolge nachträglicher Änderung des Wahl-ergebnisses, Verlusts der Wahlfähigkeit oder Verzichts verloren hatoder nachträglich zu Recht berufen worden ist. Gegen die Entschei-dung des Wahlprüfungsausschusses ist die Beschwerde an den Verfas-sungsgerichtshof zulässig. Das Nähere, insbesondere über Einrich-tung und Verfahren des Wahlprüfungsausschusses wird durch Gesetzbestimmt.

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Artikel 80 LV

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Artikel 83 [Wahlperiode und Zusammentritt des Landtages](1) Der Landtag wird vorbehaltlich der nachfolgenden Bestim-mungen auf fünf Jahre gewählt. Seine Wahlperiode beginnt mitseinem Zusammentritt und endet mit dem Zusammentritt desnächsten Landtags. Der Landtag versammelt sich in der Regel amSitze der Landesregierung.(2) Die Neuwahl findet frühestens 58 und spätestens 60 Monatenach Beginn der Wahlperiode statt. Der Landtag tritt spätestensam 30. Tag nach seiner Wahl zusammen.(3) Der Präsident des Landtags muss ihn jederzeit berufen, wenndie Landesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Landtagses verlangt.(4) Der Landtag bestimmt den Schluss und den Wiederbeginn sei-ner Sitzungen.

Artikel 84 [Vorzeitige Auflösung des Landtages, Neuwahl](1) Der Landtag kann sich durch Beschluß der Mehrheit seinerMitglieder selbst auflösen.(2) Die Neuwahl eines aufgelösten Landtages findet spätestens am6. Sonntag nach der Auflösung statt.

Artikel 85 [Geschäftsordnung, Präsidium](1) Der Landtag gibt sich seine Geschäftsordnung.(2) Er wählt seinen Präsidenten und dessen Stellvertreter. Präsi-dent und Stellvertreter führen ihre Geschäfte bis zum Zusammen-tritt eines neuen Landtags fort; sie genießen dabei die in den Arti-keln 93 bis 97 festgelegten Rechte.(3) Der Präsident verwaltet die gesamten wirtschaftlichen Angele-genheiten des Landtags nach Maßgabe des Landeshaushaltsgeset-zes. Er ernennt und entläßt im Benehmen mit dem Vorstand alleBediensteten des Landtags und führt über sie die Dienstaufsicht.Er vertritt das Land in allen Angelegenheiten seiner Verwaltung. Erübt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Landtagsgebäude aus.

Artikel 85a [Fraktionen](1) Abgeordnete können sich zu Fraktionen zusammenschließen.Das Nähere regelt die Geschäftsordnung des Landtags.

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Artikel 83 LV

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(2) Die Fraktionen wirken insbesondere durch die Koordinationder parlamentarischen Tätigkeit an der Erfüllung der Aufgaben desLandtags mit. Ihre innere Organisation und ihre Arbeitsweise müs-sen den Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie entspre-chen.(3) Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben ist den Fraktionen eineangemessene Ausstattung zu gewährleisten. Das Nähere über dieAusstattung, die Rechnungslegung und die Prüfung der Rechnungdurch den Rechnungshof regelt ein Gesetz.

Artikel 85b [Parlamentarische Opposition](1) Parlamentarische Opposition ist ein grundlegender Bestandteilder parlamentarischen Demokratie.(2) Die Fraktionen und die Mitglieder des Landtags, welche dieLandesregierung nicht stützen, haben das Recht auf ihrer Stellungentsprechende Wirkungsmöglichkeiten in Parlament und Öffent-lichkeit. Ihre besonderen Aufgaben sind im Rahmen der Ausstat-tung nach Artikel 85 a Abs. 3 zu berücksichtigen.

Artikel 86 [Öffentlichkeit der Verhandlungen]Der Landtag verhandelt öffentlich. Auf Antrag von 10 Abgeordne-ten, einer Fraktion oder der Landesregierung kann die Öffentlich-keit mit Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen werden; über denAntrag wird in nichtöffentlicher Sitzung verhandelt.

Artikel 87 [Berichtsfreiheit]Wahrheitsgetreue Berichte über die Verhandlungen in den öffentli-chen Sitzungen des Landtags oder seiner Ausschüsse bleiben vonjeder Veranwortlichkeit frei.

Artikel 88 [Beschlußfassung](1) Der Landtag ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte derMitglieder anwesend ist.(2) Zu einem Beschluß des Landtags ist die Mehrheit der abgege-benen Stimmen erforderlich, soweit die Verfassung nichts anderesbestimmt. Für die vom Landtag vorzunehmenden Wahlen könnenGesetz oder Geschäftsordnung Ausnahmen vorsehen.

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Artikel 85b LV

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Artikel 89 [Anwesenheit der Landesregierung](1) Der Landtag und seine Ausschüsse können die Anwesenheitjedes Mitglieds der Landesregierung verlangen.(2) Die Mitglieder der Landesregierung und ihre Beauftragtenhaben zu den Sitzungen Zutritt.(3) Auf Verlangen müssen sie auch außerhalb der Tagesordnunggehört werden.(4) Sie unterstehen der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden.

Artikel 89a [Parlamentarische Anfragen, Erteilung von Auskünften](1) Parlamentarische Anfragen hat die Landesregierung unverzüg-lich zu beantworten.(2) Jedes Mitglied eines Landtagsausschusses kann verlangen, daßdie Landesregierung dem Ausschuss zu Gegenständen seiner Bera-tung Auskünfte erteilt.(3) Die Landesregierung kann die Beantwortung von parlamenta-rischen Anfragen und die Erteilung von Auskünften ablehnen,wenn1. dem Bekanntwerden des Inhalts Staatsgeheimnisse oder

schutzwürdige Interessen Einzelner entgegenstehen oder2. die Funktionsfähigkeit oder Eigenverantwortung der Landesre-

gierung beeinträchtigt werden.Die Berufung auf Gründe des Satzes 1 Nr. 1 ist ausgeschlossen,wenn Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden geheimhaltungsbe-dürftiger Tatsachen in der Öffentlichkeit getroffen sind und derunantastbare Bereich privater Lebensgestaltung nicht betroffen ist.Die Ablehnung ist zu begründen.

Artikel 89b [Unterrichtung durch die Landesregierung](1) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag frühzeitig über1. ihre Gesetzentwürfe,2. den Gegenstand beabsichtigter Staatsverträgeund, soweit es sich um Gegenstände von erheblicher landespoliti-scher Bedeutung handelt, über3. Angelegenheiten der Landesplanung,4. Bundesratsangelegenheiten,5. Entwürfe von Verwaltungsabkommen,

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Artikel 89 LV

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6. die Zusammenarbeit mit dem Bund, den Ländern, den Regio-nen, anderen Staaten und zwischenstaatlichen Einrichtungen,

7. Angelegenheiten der Europäischen Union.(2) Die Landesregierung kann die Unterrichtung ablehnen, wenndiese ihre Funktionsfähigkeit oder Eigenverantwortung oderschutzwürdige Interessen Einzelner beeinträchtigen würde.(3) Das Nähere regeln Landtag und Landesregierung durch Ver-einbarung. Diese Vereinbarung bezieht auch die Unterrichtungüber Entwürfe von Rechtsverordnungen ein.

Artikel 90 [Eingaben an den Landtag, Auskunftsrecht]Der Landtag kann an ihn gerichtete Eingaben der Landesregierungüberweisen und von ihr Auskunft über eingegangene Anträge undBeschwerden verlangen.

Artikel 90 a [Petitionsausschuß](1) Der Landtag bestellt einen Petitionsausschuß, dem die Ent-scheidung über die nach Artikel 11 an den Landtag gerichtetenEingaben obliegt. Der Landtag kann die Entscheidung des Petiti-onsausschusses aufheben.(2) Die Landesregierung und alle Behörden des Landes sowie dieKörperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,soweit sie der Aufsicht des Landes unterstehen, sind verpflichtet, demPetitionsausschuß jederzeit Zutritt zu den von ihnen verwaltetenöffentlichen Einrichtungen zu gestatten, die notwendigen Auskünftezu erteilen und die erforderlichen Akten zugängig zu machen. Diegleichen Verpflichtungen treffen juristische Personen des Privatrechts,nichtrechtsfähige Vereinigungen und natürliche Personen, soweit sieunter der Aufsicht des Landes öffentlich-rechtliche Tätigkeit ausüben.(3) Zutritt, Auskunft und Aktenvorlage dürfen nur verweigertwerden, soweit zwingende Geheimhaltungsgründe entgegenstehenoder zu besorgen ist, daß dem Bund oder einem deutschen LandNachteile bereitet würden oder einem Dritten ein erheblicher,nicht wiedergutzumachender Schaden entstehen würde. Die Ent-scheidung über die Verweigerung trifft der zuständige Minister; erhat sie vor dem Landtag zu vertreten.(4) Das Nähere regelt die Geschäftsordnung des Landtags.

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Artikel 90 LV

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Artikel 91 [Untersuchungsausschüsse](1) Der Landtag hat das Recht und auf Antrag von einem Fünftelseiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzuset-zen. Die Zahl ihrer Mitglieder bestimmt der Landtag, doch mußjede Fraktion vertreten sein.(2) Diese Ausschüsse erheben Beweis in öffentlicher Verhandlung.(3) Die Öffentlichkeit kann mit Zweidrittelmehrheit ausgeschlos-sen werden. Gerichte und Verwaltungsbehörden sind verpflichtet,dem Ersuchen der Ausschüsse um Beweiserhebung Folge zu leisten.Die Akten der Behörden und öffentlich-rechtlichen Körperschaf-ten sind ihnen auf Verlangen vorzulegen.(4) Auf die Erhebungen der Ausschüsse und der von ihnen ersuch-ten Behörden finden die Vorschriften der Strafprozeßordnungsinngemäße Anwendung, doch bleibt das Brief-, Post-, Telegra-phen- und Fernsprechgeheimnis unberührt.

Artikel 92 [Zwischenausschuß]Der Landtag bestellt zur Wahrung der Rechte der Volksvertretunggegenüber der Landesregierung für die Zeit nach der Auflösung desLandtags bis zum Zusammentritt des neuen Landtags einen ständi-gen Ausschuß (Zwischenausschuß), der die Rechte eines Untersu-chungsausschusses hat. Seine Mitglieder genießen den Schutz derArtikel 93 bis 97.

Artikel 93 [Indemnität]Kein Abgeordneter darf zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstim-mung oder wegen der in Ausübung seines Mandats getanen Äuße-rungen gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalbder Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.

Artikel 94 [Immunität](1) Kein Abgeordneter kann ohne Genehmigung des Landtagswegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchunggezogen oder verhaftet werden, es sei denn, daß er bei Ausübungder Tat oder spätestens am folgenden Tage festgenommen wird.(2) Die gleiche Genehmigung ist bei jeder anderen Beschränkungder persönlichen Freiheit erforderlich, welche die Ausübung desMandats beeinträchtigt.

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Artikel 91 LV

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(3) Jedes Strafverfahren gegen einen Abgeordneten und jede Haftoder sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit wird aufVerlangen des Landtags aufgehoben.(4) Der Landtag kann die Entscheidung einem Ausschuß übertra-gen, der mit Zweidrittelmehrheit beschließt. Er kann die Entschei-dung des Ausschusses aufheben.

Artikel 95 [Zeugnisverweigerungsrecht](1) Abgeordnete sind berechtigt, über Personen, die ihnen oderdenen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowieüber diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern. Soweit die-ses Zeugnisverweigerungsrecht reicht, ist die Beschlagnahme vonSchriftstücken unzulässig.(2) Eine Durchsuchung oder Beschlagnahme darf in den Räumendes Landtags nur mit Zustimmung des Präsidenten vorgenommenwerden.

Artikel 96 [Mandatsbewerbung und -ausübung](1) Wer sich um einen Sitz im Landtag bewirbt, hat Anspruch aufden zur Vorbereitung seiner Wahl erforderlichen Urlaub. Niemanddarf gehindert werden, das Amt eines Abgeordneten zu überneh-men und auszuüben. Eine Kündigung oder Entlassung aus diesemGrunde ist unzulässig.(2) Auf Geistliche und Ordensleute finden diese Bestimmungenkeine Anwendung.

Artikel 97 [Aufwandsentschädigung, Ausstattung](1) Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihreUnabhängigkeit sichernde Entschädigung und auf eine zur Aus-übung des Mandats erforderliche Ausstattung nach Maßgabe einesLandesgesetzes.(2) Ein Verzicht auf diese Entschädigung ist unstatthaft.

2. Die LandesregierungArtikel 98 [Zusammensetzung der Landesregierung, Wahl des

Ministerpräsidenten](1) Die Landesregierung besteht aus dem Ministerpräsidenten undden Ministern.

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Artikel 95 LV

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(2) Der Landtag wählt ohne Aussprache den Ministerpräsidentenmit der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl. Der Minister-präsident ernennt und entläßt die Minister. Die Regierung bedarfzur Übernahme der Geschäfte der ausdrücklichen Bestätigung desLandtags. Zur Entlassung eines Ministers ist die Zustimmung desLandtags erforderlich.(3) Treten der Ministerpräsident, die Landesregierung oder einMinister zurück, so haben sie die Geschäfte so lange weiterzu-führen, bis ein neuer Ministerpräsident gewählt, eine neue Regie-rung oder ein neuer Minister bestätigt worden ist.

Artikel 99 [Parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung](1) Der Ministerpräsident, die Landesregierung und die Ministerbedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtags.(2) Sie müssen zurücktreten, wenn ihnen der Landtag mit derMehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl das Vertrauen entzieht.(3) Der Antrag auf Entziehung des Vertrauens darf frühestens amzweiten Tage nach Schluß der Aussprache und muß spätestens bin-nen einer Woche nach seiner Einbringung erledigt werden; überihn wird namentlich abgestimmt.(4) Wird dem Ministerpräsidenten, der Landesregierung, odereinem Minister das Vertrauen entzogen, so haben sie die Geschäfteso lange weiterzuführen, bis ein neuer Ministerpräsident gewählt,eine neue Regierung oder ein neuer Minister bestätigt worden ist.(5) Falls der Landtag nicht innerhalb von 4 Wochen nach demBeschluß, der Landesregierung das Vertrauen zu entziehen, einerneuen Regierung das Vertrauen ausspricht, ist er aufgelöst.

Artikel 100 [Amtseid](1) Der Ministerpräsident und die Minister leisten bei ihremAmtsantritt vor dem Landtag folgenden Eid:„Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daßich mein Amt unparteiisch, getreu der Verfassung und den Geset-zen zum Wohl des Volkes führen werde, so wahr mir Gott helfe.“(2) Die Vorschrift des Artikels 8 Abs. 3 Satz 2 bleibt unberührt.

Artikel 101 [Vertretung des Landes, Staatsverträge]Der Ministerpräsident vertritt das Land Rheinland-Pfalz nachaußen. Staatsverträge bedürfen der Zustimmung des Landtagsdurch Gesetz.

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Artikel 99 LV

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Artikel 102 [Ernennung und Entlassung der Staatsbeamten]Der Ministerpräsident ernennt und entläßt die Beamten und Richterdes Landes, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

Artikel 103 [Begnadigungsrecht, Amnestie](1) Der Ministerpräsident hat das Recht, im Wege der Gnaderechtskräftig erkannte Strafen zu erlassen oder zu mildern. DurchGesetz kann dieses Recht bei Verurteilung durch die ordentlichenGerichte dem Minister der Justiz, in den übrigen Fällen jedemMinister für seinen Geschäftsbereich übertragen werden.(2) Amnestien bedürfen des Gesetzes.

Artikel 104 [Richtlinienkompetenz, Ressortprinzip]Der Ministerpräsident bestimmt die Richtlinien der Politik und istdafür dem Landtag verantwortlich. Innerhalb dieser Richtlinienleitet jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbständig und untereigener Verantwortung gegenüber dem Landtag. Das Weitere regeltdie Landesregierung durch ihre Geschäftsordnung.

Artikel 105 [Ministerpräsident und Landesregierung](1) Der Ministerpräsident führt den Vorsitz in der Landesregie-rung. Bei Stimmengleichheit gibt seine Stimme den Ausschlag.(2) Die Landesregierung beschließt über die Zuständigkeit dereinzelnen Minister, soweit darüber nicht gesetzliche Vorschriftengetroffen sind. Die Beschlüsse sind unverzüglich dem Landtag vor-zulegen und auf sein Verlangen zu ändern oder außer Kraft zu set-zen. Der Ministerpräsident bestimmt seinen Stellvertreter mitZustimmung des Landtags.(3) Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbe-reich mehrerer Minister berühren, sind der Landesregierung zurBeratung und Beschlußfassung zu unterbreiten.

Artikel 106 [Besoldungsanspruch]Die Mitglieder der Landesregierung haben Anspruch auf Besoldung.

III. Abschnitt: Die GesetzgebungArtikel 107 [Formen der Gesetzgebung]Die Gesetzgebung wird ausgeübt

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Artikel 102 LV

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1. durch das Volk im Wege des Volksentscheids,2. durch den Landtag.

Artikel 108 [Gesetzesinitiativen]Gesetzesvorlagen können im Wege des Volksbegehrens, aus derMitte des Landtags oder durch die Landesregierung eingebrachtwerden.

Artikel 108a [Volksinitiative](1) Staatsbürger haben das Recht, den Landtag im Rahmen seinerEntscheidungszuständigkeit mit bestimmten Gegenständen derpolitischen Willensbildung zu befassen (Volksinitiative). EinerVolksinitiative kann auch ein ausgearbeiteter Gesetzentwurf zuGrunde liegen, soweit er nicht Finanzfragen, Abgabengesetze undBesoldungsordnungen betrifft.(2) Die Volksinitiative muss von mindestens 30 000 Stimmbe-rechtigten unterzeichnet sein. Der Landtag beschließt innerhalbvon drei Monaten nach dem Zustandekommen der Volksinitiativeüber deren Gegenstand. Stimmt er einer Volksinitiative, die einenGesetzentwurf zum Gegenstand hat, in der in Satz 2 genanntenFrist nicht zu, können die Vertreter der Volksinitiative die Durch-führung eines Volksbegehrens beantragen.(3) Das Nähere regelt das Wahlgesetz. Dabei kann auch vorgese-hen werden, dass Unterschriften für die Volksinitiative binnenbestimmter Frist beizubringen sind.

Artikel 109 [Volksbegehren, Volksentscheid](1) Volksbegehren können darauf gerichtet werden

1. Gesetze zu erlassen, zu ändern oder aufzuheben,2. den Landtag aufzulösen.

(2) Sie sind an die Landesregierung zu richten und von ihr miteiner eigenen Stellungnahme unverzüglich dem Landtag zu unter-breiten. Dem Volksbegehren muß im Falle des Absatzes 1 Nr. 1 einausgearbeiteter Gesetzentwurf zugrunde liegen.(3) Volksbegehren können von 300 000 Stimmberechtigtengestellt werden, es sei denn, dass die Verfassung etwas anderes vor-schreibt. Die Eintragungsfrist für Volksbegehren beträgt zweiMonate und hat innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe

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Artikel 108 LV

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der Zulassung des Volksbegehrens zu beginnen. Volksbegehrenüber Finanzfragen, Abgabengesetze und Besoldungsordnungensind unzulässig.(4) Entspricht der Landtag einem Volksbegehren nicht innerhalbvon drei Monaten, so findet innerhalb von weiteren drei Monatenein Volksentscheid statt. Legt der Landtag dem Volk im Falle desAbsatzes 1 Nr. 1 einen eigenen Gesetzentwurf vor, so verlängert sichdie Frist zur Durchführung des Volksentscheids auf sechs Monate.Die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen entscheidet überAnnahme oder Ablehnung; ein Gesetz kann jedoch nur beschlossenund der Landtag nur aufgelöst werden, wenn sich mindestens einViertel der Stimmberechtigten an der Abstimmung beteiligt.(5) Das Nähere bestimmt das Wahlgesetz. Dabei kann auch vorge-sehen werden, dass Unterschriften im Zulassungsverfahren binnenbestimmter Frist beizubringen sind.

Artikel 110 [Durchführungsverordnungen](1) Die Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung kannnur durch Gesetz erteilt werden. Das Gesetz muß Inhalt, Zweckund Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. In der Ver-ordnung ist die Rechtsgrundlage anzugeben. Ist durch Gesetz vor-gesehen, daß eine Ermächtigung weiterübertragen werden kann, sobedarf es zu ihrer Übertragung einer Rechtsverordnung.(2) Die zur Ausführung von Gesetzen erforderlichen Rechtsver-ordnungen und Verwaltungsvorschriften erläßt, soweit nichtanders bestimmt ist, die Landesregierung.

Artikel 111 [Katastrophenfall]Erfordert die Behebung eines ungewöhnlichen Notstandes, derdurch Naturkatastrophen oder andere äußere Einwirkungen verur-sacht ist, dringliche Maßnahmen, so kann die LandesregierungVerordnungen mit Gesetzeskraft erlassen. Diese dürfen der Verfas-sung nicht zuwiderlaufen. Sie sind dem Landtag oder dem Zwi-schenausschuß sofort zur Genehmigung vorzulegen. Wird sie ver-sagt, so tritt die Verordnung außer Kraft.

Artikel 112 [Innerer Notstand]Wird die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestörtund dadurch der verfassungsmäßige Bestand des Landes gefährdet,

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Artikel 110 LV

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so kann die Landesregierung alle notwendigen Maßnahmen tref-fen, insbesondere Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen. DieGrundrechte dürfen nicht angetastet werden. Von allen hiernachgetroffenen Maßnahmen hat die Landesregierung gleichzeitig demLandtag oder dem Zwischenausschuß Kenntnis zu geben. Sie sindauf dessen Verlangen außer Kraft zu setzen.

Artikel 113 [Ausfertigung und Verkündung von Gesetzen](1) Der Ministerpräsident hat die verfassungsgemäß zustandegekommenen Gesetze auszufertigen und innerhalb eines Monatsim Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz zuverkünden.(2) Jedes Gesetz soll den Tag seines Inkrafttretens bestimmen.Fehlt eine solche Bestimmung, so tritt es mit dem 14. Tag nach derAusgabe des Gesetz- und Verordnungsblattes in Kraft.(3) Die Verkündung von Rechtsverordnung regelt das Gesetz.

Artikel 114 [Aussetzung der Verkündung]Die Verkündung eines Landesgesetzes ist zum Zwecke der Durch-führung eines Volksentscheids auszusetzen, wenn es ein Drittel desLandtags verlangt. Erklärt der Landtag ein Gesetz für dringlich, sokann der Ministerpräsident es ungeachtet dieses Verlangens ver-künden. Die Aussetzung von Gesetzen über Finanzfragen, vonAbgabengesetzen und Besoldungsordnungen ist unzulässig.

Artikel 115 [Volksentscheid bei Aussetzung](1) Ein nach Artikel 114 ausgesetztes Gesetz ist dem Volksent-scheid zu unterbreiten, wenn 150 000 Stimmberechtigte dies imWege des Volksbegehrens verlangen. Die Eintragungsfrist für dasVolksbegehren beträgt einen Monat und hat innerhalb von dreiMonaten nach Bekanntgabe der Zulassung des Volksbegehrens zubeginnen.(2) Wird der Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens nichtinnerhalb eines Monats nach dem Gesetzesbeschluss gestellt oderkommt das Volksbegehren nicht zu Stande, hat der Ministerpräsi-dent das Gesetz zu verkünden.

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Artikel 113 LV

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IV. Abschnitt: FinanzwesenArtikel 116 [Landeshaushalt](1) Alle Einnahmen und Ausgaben des Landes sind in den Haus-haltsplan einzustellen; bei Landesbetrieben und bei Sondervermö-gen brauchen nur die Zuführungen und die Ablieferungen einge-stellt zu werden. Der Haushaltsplan ist in Einnahme und Ausgabeauszugleichen.(2) Der Haushaltsplan wird für ein Haushaltsjahr oder für mehre-re Haushaltsjahre, nach Jahren getrennt, vor Beginn des Haushalts-jahres, bei mehreren Haushaltsjahren vor Beginn des ersten Haus-haltsjahres, durch das Haushaltsgesetz festgestellt. Für Teile desHaushaltsplans kann vorgesehen werden, daß sie für unterschiedli-che Zeiträume, nach Haushaltsjahren getrennt, gelten.(3) In das Haushaltsgesetz dürfen nur Vorschriften aufgenommenwerden, die sich auf die Einnahmen und die Ausgaben des Landesund auf den Zeitraum beziehen, für den das Haushaltsgesetzbeschlossen wird. Das Haushaltsgesetz kann vorschreiben, daß dieVorschriften erst mit der Verkündung des nächsten Haushaltsgeset-zes oder bei Ermächtigung nach Artikel 117 zu einem späterenZeitpunkt außer Kraft treten.(4) Ist bis zum Schluß eines Haushaltsjahres der Haushaltsplan fürdas folgende Jahr nicht durch Gesetz festgestellt, so führt die Lan-desregierung den Haushalt zunächst nach dem Haushaltsplan desVorjahres weiter.(5) Soweit die Einnahmen aus Steuern, Abgaben und sonstigenQuellen nicht ausreichen, die nach Absatz 4 zulässigen Ausgabenzu decken, darf die Landesregierung die zur Aufrechterhaltung derWirtschaftsführung erforderlichen Mittel bis zur Höhe eines Vier-tels der Endsumme des abgelaufenen Haushaltsplans im Wege desKredits beschaffen.

Artikel 117 [Kreditaufnahme]Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaf-ten, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgabenin künftigen Haushaltsjahren führen können, bedürfen einerErmächtigung durch Gesetz, die der Höhe nach bestimmbar ist.Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der im Haushalts-plan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschrei-

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Artikel 116 LV

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ten; Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung desgesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Das Nähere wird durchGesetz geregelt.

Artikel 118 [Haushaltsabweichungen]Der Landtag darf Mehrausgaben oder Mindereinnahmen gegen-über dem Entwurf der Landesregierung oder dem festgestelltenHaushaltsplan nur beschließen, wenn Deckung gewährleistet ist.Der Beschluß bedarf der Zustimmung der Landesregierung.

Artikel 119 [Haushaltsüberschreitungen]Überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen derZustimmung des Ministers der Finanzen. Sie darf nur im Falle einesunvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden.

Artikel 120 [Rechenschaftspflicht des Finanzministers,Landesrechnungshof]

(1) Der Minister der Finanzen hat dem Landtag zur Entlastungder Landesregierung im Laufe des nächsten Haushaltjahres überalle Einnahmen und Ausgaben Rechnung zu legen sowie eineÜbersicht über das Vermögen und die Schulden vorzulegen.(2) Der Rechnungshof prüft die Rechnung über die Einnahmenund Ausgaben, die Übersicht über das Vermögen und die Schuldensowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haus-halts- und Wirtschaftsführung. Seine Mitglieder besitzen richterli-che Unabhängigkeit. Der Präsident und der Vizepräsident werdenauf Vorschlag des Ministerpräsidenten ohne Aussprache vom Land-tag gewählt und vom Ministerpräsidenten ernannt. Der Rech-nungshof berichtet jährlich dem Landtag und der Landesregierung.Das Nähere über Stellung und Aufgaben des Rechnungshofs wirddurch Gesetz geregelt.

V. Abschnitt: Die Rechtsprechung

Artikel 121 [Richterliche Gewalt]Die richterliche Gewalt üben im Namen des Volkes unabhängige,allein der Verfassung, dem Gesetz und ihrem Gewissen unterworfe-ne Richter aus.

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Artikel 118 LV

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Artikel 122 [Rechtsstellung der Richter](1) Die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Rich-ter werden auf Lebenszeit berufen.(2) Sie können gegen ihren Willen nur kraft richterlicher Ent-scheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, welchedie Gesetze bestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oderdauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andereStelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Die Gesetzgebungkann Altersgrenzen festsetzen, bei deren Erreichung auf Lebenszeitangestellte Richter in den Ruhestand treten. Bei Veränderung derEinrichtung der Gerichte oder ihrer Bezirke können Richter an einanderes Gericht versetzt oder aus dem Amt entfernt werden,jedoch nur unter Belassung des vollen Gehalts.

Artikel 123 [Laienrichter](1) In der Rechtspflege wirken Männer und Frauen aus dem Volkemit in den Fällen, die das Gesetz bestimmt.(2) Die Vorschriften des Artikels 122 finden auf diese Laienrichterkeine Anwendung.

Artikel 124 [Verwaltungsgerichte]Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten ver-letzt, so steht ihm der Rechtsweg offen.

VI. Abschnitt: Die Verwaltung

Artikel 125 [Ausübung staatlicher Hoheitsrechte]Die Hoheitsrechte des Staates werden in der Regel von Berufs-oder Ehrenbeamten ausgeübt.

Artikel 126 [Stellung der Berufsbeamten](1) Berufsbeamte werden in der Regel auf Lebenszeit ernannt,nachdem sie sich fachlich bewährt und Treue zur demokratischenVerfassung bewiesen haben.(2) Nach der Anstellung auf Lebenszeit kann ihre Entfernung ausdem Amt nur nach Maßgabe eines Gesetzes erfolgen.

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Artikel 122 LV

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Artikel 127 [Rechte und Pflichten der Beamten](1) Alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes sind Diener desganzen Volkes, nicht einer Partei. Die Freiheit der politischen Betäti-gung und die Vereinigungsfreiheit werden ihnen gewährleistet.(2) (aufgehoben)

Artikel 128 [Amtshaftung]Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichenAmtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht,so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder dieKörperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder bei groberFahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten.

VII. Abschnitt: Der Schutz der Verfassung und derVerfassungsgerichtshof

Artikel 129 [Verfassungsänderung](1) Ein verfassungsänderndes Gesetz kommt nur zustande, wenn dasGesetz den Wortlaut der Landesverfassung ausdrücklich ändert oderergänzt und der Landtag es mit einer Mehrheit von zwei Dritteln dergesetzlichen Mitgliederzahl oder das Volk im Wege des Volksentschei-des mit der Mehrheit der Stimmberechtigten beschließt.(2) Unzulässig sind jedoch verfassungsändernde Gesetze, welchedie im Vorspruch, in Artikel 1 und Artikel 74 niedergelegtenGrundsätze verletzen.(3) Die Vorschriften dieses Artikels sind unabänderlich.

Artikel 130 [Normenkontrollverfahren](1) Die Landesregierung, der Landtag und jede Landtagsfraktionkönnen eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs darüberbeantragen, ob ein Gesetz oder die sonstige Handlung eines Verfas-sungsorgans, soweit es sich nicht um eine Gesetzesvorlage handelt,verfassungswidrig ist. Den Antrag können auch andere Beteiligte,die durch diese Verfassung oder in der Geschäftsordnung eines Ver-fassungsorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind, sowie Kör-perschaften des öffentlichen Rechts stellen, soweit sie geltendmachen, durch das Gesetz oder die sonstige Handlung eines Ver-fassungsorgans in eigenen Rechten verletzt zu sein.

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Artikel 127 LV

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(2) Das gleiche Recht steht jedem Betroffenen hinsichtlich derFrage zu, ob die verfassungsmäßigen Voraussetzungen einer Soziali-sierung gem. Artikel 61 gegeben sind.(3) Hält ein Gericht ein Landesgesetz, auf dessen Gültigkeit es beider Entscheidung ankommt, mit dieser Verfassung nicht für ver-einbar, so ist das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung desVerfassungsgerichtshofes einzuholen.

Artikel 130a [Verfassungsbeschwerde]Jeder kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt desLandes in einem seiner in dieser Verfassung enthaltenen Rechteverletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsge-richtshof erheben.

Artikel 131 [Ministeranklage](1) Jedes Mitglied der Landesregierung, das in oder bei seinerAmtsführung die Verfassung oder ein Gesetz vorsätzlich oder grobfahrlässig verletzt oder die öffentliche Sicherheit und Wohlfahrt desLandes schuldhaft schwer gefährdet hat, kann während seinerAmtszeit und innerhalb von 10 Jahren nach seinem Ausscheidenaus dem Amt vom Landtag angeklagt werden.(2) Die Anklageerhebung muß von 30 Mitgliedern des Landtagsschriftlich beantragt und mit verfassungsändernder Mehrheitbeschlossen werden.(3) Wird die Schuld des Angeklagten festgestellt, so ist auf seineEntlassung zu erkennen, wenn er sich noch im Amt befindet.Daneben können einzeln oder nebeneinander, auf Zeit oder fürdauernd verhängt werden: teilweise oder völlige Vermögenseinzie-hung, Verlust öffentlich-rechtlicher Versorgungsansprüche,Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter, Verlust des Wahl-rechts, der Wählbarkeit und des Rechts zu politischer Tätigkeitjeder Art, Wohn- und Aufenthaltsbeschränkungen.(4) Eine Strafverfolgung nach den allgemeinen Strafgesetzen wirddurch dieses Verfahren nicht gehindert.(5) Das Weitere bestimmt ein Gesetz.

Artikel 132 [Richteranklage](1) Verletzt ein Richter vorsätzlich seine Pflicht, das Recht zu fin-den, oder verstößt er im Amt oder außerhalb desselben gegen die

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Artikel 130a LV

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Grundsätze der Verfassung, so kann der Ministerpräsident denGeneralstaatsanwalt anweisen, Anklage vor dem Bundesverfas-sungsgericht zu erheben.(2) (aufgehoben)

Artikel 133 [aufgehoben]

Artikel 134 [Organisation des Verfassungsgerichtshofes](1) Es wird ein Verfassungsgerichtshof gebildet.(2) Er besteht aus dem Präsidenten des Oberverwaltungsgerichtsals Vorsitzendem, aus drei weiteren Berufsrichtern und aus fünfweiteren Mitgliedern, die nicht die Befähigung zum Richteramthaben müssen (ordentliche Mitglieder). Ferner gehören ihm derVizepräsident des Oberverwaltungsgerichts als Vertreter des Vor-sitzenden, drei weitere Berufsrichter sowie fünf weitere Mitglieder,die nicht die Befähigung zum Richteramt haben müssen, als Ver-treter der ordentlichen Mitglieder an (stellvertretende Mitglieder).(3) Die ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder, mit Aus-nahme des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Oberverwal-tungsgerichts, werden vom Landtag mit Zweidrittelmehrheit aufdie Dauer von sechs Jahren gewählt. Eine Wiederwahl ist nur ein-mal zulässig. Nach Ablauf ihrer Amtszeit führen sie ihre Amtsge-schäfte bis zur Wahl des Nachfolgers fort. Die Wahl soll frühestensdrei Monate und spätestens einen Monat vor Ablauf der Amtszeitdes bisherigen Amtsinhabers erfolgen.(4) Die nach Absatz 3 zu wählenden berufsrichterlichen Mitglie-der werden aus einer Liste gewählt, die mindestens die doppelteZahl der zu Wählenden enthält und die der Präsident des Oberver-waltungsgerichts aufstellt. Die übrigen zu wählenden Mitgliederdürfen weder dem Landtag noch der Landesregierung angehören.(5) Die Geschäfte des Verfassungsgerichtshofs werden beim Ober-verwaltungsgericht geführt.

Artikel 135 [Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes](1) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet darüber1. ob ein Gesetz oder die sonstige Handlung eines Verfassungsor-

gans verfassungswidrig ist (Artikel 130 Abs. 1 und 3),

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Artikel 133 LV

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2. ob ein verfassungsänderndes Gesetz unzulässig ist (Artikel 129und 130),

3. ob die Voraussetzungen für eine Sozialisierung vorliegen (Arti-kel 130 Abs. 2),

ferner entscheidet er4. über Verfassungsbeschwerden (Artikel 130 a),5. über Beschwerden gegen Entscheidungen des Wahlprüfungs-

ausschusses des Landtags (Artikel 82),6. über die Anklage gegen Mitglieder der Landesregierung (Arti-

kel 131),7. in den übrigen ihm durch Landesgesetz zugewiesenen Fällen.

(2) Das Nähere über Einrichtung und Verfahren des Verfassungs-gerichtshofs wird durch Gesetz bestimmt. Es kann vorschreiben,dass Anträge von Körperschaften des öffentlichen Rechts nachArtikel 130 Abs. 1 Satz 2 und von Betroffenen nach Artikel 130Abs. 2 sowie Verfassungsbeschwerden nach Artikel 130 a erst nachder Erschöpfung des Rechtswegs und nur innerhalb bestimmterFristen zulässig sind und dass Verfassungsbeschwerden unzulässigsind, soweit die öffentliche Gewalt des Landes Bundesrecht aus-führt oder anwendet. Das Gesetz kann für Verfahren des einstwei-ligen Rechtsschutzes und für Verfassungsbeschwerden vorsehen,dass der Verfassungsgerichtshof abweichend von Artikel 134 Abs. 2in kleinerer Besetzung entscheidet.(3) Die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs vollstrecktder Ministerpräsident. Richtet sich die Vollstreckung gegen dieLandesregierung oder den Ministerpräsidenten, so erfolgt sie durchden Vorsitzenden des Verfassungsgerichtshofs.

Artikel 136 [Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs](1) Die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs binden alleVerfassungsorgane, Gerichte und Behörden des Landes.(2) Eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, welche dieVerfassungswidrigkeit eines Gesetzes oder der sonstigen Handlun-gen eines Verfassungsorgans oder die Unzulässigkeit einer Verfas-sungsänderung ausspricht, hat Gesetzeskraft.

156

Artikel 136 LV

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VIII. Abschnitt: Übergangs- und Schlußbestimmungen

Artikel 137 [Weitergeltung früheren Rechts](1) Das in Rheinland-Pfalz geltende Recht bleibt in Kraft, soweitdiese Verfassung nicht entgegensteht.(2) (aufgehoben)

Artikel 138 [Ersatz aufgehobener Vorschriften und Einrichtungen]Soweit in Gesetzen oder Verordnungen auf Vorschriften und Ein-richtungen verwiesen ist, die durch diese Verfassung aufgehobensind, treten an ihre Stelle die entsprechenden Vorschriften undEinrichtungen dieser Verfassung.

Artikel 139 [Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts](1) Allen natürlichen und juristischen Personen einschließlich derKirchen, Religionsgemeinschaften und Gewerkschaften sowie ihrerAnstalten, Stiftungen, Vermögensmassen und Vereinigungen sindauf Antrag jene Vermögensstücke zurückzugeben, die ihnen durchMaßnahmen des Staates oder der Nationalsozialistischen Parteioder ihrer Hilfsorganisationen in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis8. Mai 1945 aus politischen Gründen entzogen worden sind.(2) Die Opfer des Faschismus, die Kriegsopfer und ihre Hin-terbliebenen haben Anspruch auf eine angemessene Versorgung.(3) Für Geld- und Sachwertverluste als Folgen nationalsozialisti-scher Kriegs- und Wirtschaftspolitik hat ein sozialer Lastenaus-gleich zu erfolgen.

Artikel 140 [Wiedergutmachung und Grundrechte]Die verfassungsmäßig anerkannten Freiheiten und Rechte könnennicht den Bestimmungen entgegengehalten werden, die ergangensind oder vor dem 1. Januar 1950 noch ergehen werden, um denNationalsozialismus und den Militarismus zu überwinden und dasvon ihm verschuldete Unrecht wiedergutzumachen.

Artikel 141 [Vorrang der künftigen Deutschen Verfassung vor derLandesverfassung]

Bestimmungen dieser Verfassung, die der künftigen DeutschenVerfassung widersprechen, treten außer Kraft, sobald diese rechts-wirksam wird.

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Artikel 137 LV

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Artikel 142 [Wahl zum ersten Landtag, Volksabstimmung überLandesverfassung]

(1) Die Wahlen zum ersten Landtag finden gleichzeitig mit derVolksabstimmung über diese Verfassung statt.(2) Solange Wahlen auf Grund der Bezirkswahlordnung nichtstattgefunden haben, besteht der Bezirkstag aus den im Regie-rungsbezirk zum Landtag Rheinland-Pfalz gewählten Abgeordne-ten.

Artikel 143 [Gesetze zur Ausführung von Verfassungsbestimmungen](1) Die Regierung hat die zur Ausführung von Verfassungsbestim-mungen erforderlichen Gesetze spätestens binnen drei Jahren nachdem Zusammentreten des Landtages den gesetzgebenden Körper-schaften zur Beschlußfassung vorzulegen.(2) (aufgehoben)

Artikel 143 a [Anpassung des Wahlgesetzes]Das Wahlgesetz ist innerhalb eines Jahres nach dem In-Kraft-Tre-ten dieses Artikels an die Bestimmungen der Artikel 108 a, 109und 115 anzupassen. Bis zu dieser Anpassung gelten für Volksbe-gehren und Volksentscheid die am Tage vor dem In-Kraft-Tretendieses Artikels geltenden Bestimmungen fort; eine Volksinitiativefindet erst auf der Grundlage dieser Anpassung statt. Auf ein imZeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Anpassung des Wahlgesetzesbereits zugelassenes Volksbegehren einschließlich einesanschließenden Volksentscheids sind die am Tage vor dem In-Kraft-Treten dieses Artikels geltenden Bestimmungen weiterhinanzuwenden.

Artikel 143 b [Geltung der Bestimmung in Artikel 134 und Artikel 130]

(1) Die Bestimmungen über Amtszeit und Wiederwahl der nachArtikel 134 zu wählenden Mitglieder des Verfassungsgerichtshofsgelten erstmals für die nach dem In-Kraft-Treten dieses Artikels zuwählenden Mitglieder. Eine bei In-Kraft-Treten dieses Artikels lau-fende Amtszeit gilt als Amtszeit im Sinne der Bestimmung über dieWiederwahl.

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Artikel 142 LV

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(2) Auf die im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Artikels beidem Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren findet Artikel130 Abs. 1 keine Anwendung. Auf diese Verfahren ist Artikel 130Abs. 1 in der am Tage vor dem In-Kraft-Treten dieses Artikels gel-tenden Fassung weiterhin anzuwenden.

Artikel 143 c [Übergangsregelung für Landräte]Die bei Inkrafttreten dieses Artikels im Amt befindlichen staatli-chen Landräte auf Zeit bleiben bis zum Ablauf ihrer Amtszeit imAmt, sofern das Beamtenverhältnis nicht aus sonstigen Gründenvorher endet.

Artikel 143 d [Übergangsregelung für Bürgermeister und Landräte]Die bei Inkrafttreten dieses Artikels im Amt befindlichen Bürger-meister und Landräte bleiben bis zum Ablauf ihrer Amtszeit, läng-stens jedoch bis zum 31. Dezember 2001, im Amt, sofern dasBeamtenverhältnis nicht aus sonstigen Gründen vorher endet. Ent-sprechendes gilt für Personen, die bei Inkrafttreten dieses Artikelszum Bürgermeister oder Landrat gewählt sind und ihr Amt nochnicht angetreten haben.

Artikel 144 [Inkrafttreten der Verfassung](1) Diese Verfassung tritt mit ihrer Annahme durch das Volk inKraft.(2) Die vorläufige Landesregierung gilt bis zur Bildung einer neu-en Regierung als geschäftsführende Regierung im Sinne des Arti-kels 99 Abs. 4.(3) Der Hauptausschuß der Beratenden Versammlung gilt als Aus-schuß im Sinne des Artikels 92.(4) Die am Tage der Annahme dieser Verfassung durch das Volkgewählten Abgeordneten bilden den 1. Landtag im Sinne dieserVerfassung.

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Artikel 143c LV

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Gemeindeordnung (GemO)in der Fassung vom 31. Januar 1994

zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. Juli 1998

( D i e a n s c h l i e ß e n d e n Te x t e s t e l l e n n u r e i n e nA u s z u g a u s d e r G e m e i n d e o r d n u n g d a r )

1. KapitelGrundlagen der Gemeinden

1. und 2. AbschnittWesen, Aufgaben und Rechtsstellung

Gemeindegebiet

§ 1We s e n u n d R e c h t s s t e l l u n g

d e r G e m e i n d e n(1) Die Gemeinde ist Grundlage und zugleich Glied des demokra-tischen Staates. Sie ist berufen, das Wohl ihrer Einwohner zu för-dern.(2) Die Gemeinden sind Gebietskörperschaften. Sie sind in ihremGebiet unter eigener Verantwortung im Rahmen der Verfassungund der Gesetze allein Träger der gesamten örtlichen öffentlichenVerwaltung.(3) Eingriffe in die Rechte der Gemeinden sind nur durch Gesetzoder auf Grund eines Gesetzes zulässig. Rechtsverordnungen, dieEingriffe in die Rechte der Gemeinden enthalten oder zulassen,bedürfen der Zustimmung des fachlich zuständigen Ministeriums;dies gilt nicht für Rechtsverordnungen der Landesregierung.

§ 2A u f g a b e n d e r G e m e i n d e n

(1) Die Gemeinden können in ihrem Gebiet jede öffentliche Auf-gabe der örtlichen Gemeinschaft übernehmen, soweit diese nichtdurch Gesetz ausdrücklich anderen Stellen im dringenden öffentli-chen Interesse ausschließlich zugewiesen wird (freie Selbstverwal-

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tungsaufgaben). Sie erfüllen als Pflichtaufgaben der Selbstverwal-tung die ihnen als solche durch Gesetz übertragenen Aufgaben.(2) Soweit den Gemeinden durch Gesetz oder auf Grund einesGesetzes staatliche Aufgaben übertragen sind (Auftragsangelegenhei-ten), erfüllen sie diese nach Weisung der zuständigen Behörden. Siestellen die zur Durchführung dieser Aufgaben erforderlichen Bedien-steten, Einrichtungen und Mittel zur Verfügung, soweit durch Gesetzoder auf Grund eines Gesetzes nicht etwas anderes bestimmt ist.(3) Neue Aufgaben können den Gemeinden nur durch Gesetzübertragen werden. Dabei ist gleichzeitig, soweit erforderlich, dieAufbringung der Mittel zu regeln. Rechtsverordnungen zur Durch-führung solcher Gesetze bedürfen der Zustimmung des fachlichzuständigen Ministeriums, soweit sie gemeindliche Belange be-rühren; dies gilt nicht für Rechtsverordnungen der Landesregierung.(4) Die Ausführung von Landes- und Bundesgesetzen sowie desRechts der Europäischen Gemeinschaften kann den Gemeindenauch durch Rechtsverordnung übertragen werden, wenn damitKosten, die über die laufenden Verwaltungskosten hinausgehen,nicht verbunden sind oder wenn diese Kosten in anderer Formbesonders gedeckt werden. Soweit ein Gesetz nichts anderesbestimmt, wird die Rechtsverordnung von der Landesregierungerlassen; sie kann diese Befugnis durch Rechtsverordnung auf dasMinisterium, dessen Geschäftsbereich berührt wird, übertragen, dasder Zustimmung des fachlich zuständigen Ministeriums bedarf.(6) Die Verwirklichung des Verfassungsauftrags der Gleichberechti-gung von Frau und Mann ist auch eine Aufgabe der Gemeinden. Inverbandsfreien Gemeinden wird durch die Einrichtung von Gleich-stellungsstellen oder durch vergleichbare Maßnahmen sichergestellt,daß die Verwirklichung dieses Auftrags bei der gemeindlichen Auf-gabenwahrnehmung erfolgt. In kreisfreien Städten sind Gleichstel-lungsstellen einzurichten und hauptamtlich zu besetzen.

§ 3S i c h e r u n g d e r M i t t e l

(1) Das Land sichert den Gemeinden die zur Durchführung ihrereigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mitteldurch das Recht zur Erhebung eigener Abgaben und durch denFinanzausgleich. Das Nähere bestimmen die Gesetze.

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§ 3 GemO

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§ 6G r o ß e k r e i s a n g e h ö r i g e S t ä d t e

(1) Kreisangehörige Städte mit mehr als 25 000 Einwohnern kön-nen durch Gesetz oder auf ihren Antrag durch Rechtsverordnungder Landesregierung zu großen kreisangehörigen Städten erklärtwerden.

§ 7K r e i s f r e i e S t ä d t e

(1) Städte, die nach bisherigem Recht keinem Landkreisangehören, sind kreisfrei.

§ 10G e b i e t s ä n d e r u n g e n

Aus Gründen des Gemeinwohls können1. Gemeinden aufgelöst und ihr Gebiet in eine oder mehrere ande-

re Gemeinden eingegliedert werden,2. Gemeinden aufgelöst und aus ihrem Gebiet eine oder mehrere

neue Gemeinden gebildet werden,3. Gebietsteile aus einer oder mehreren Gemeinden ausgegliedert

und aus ihnen eine neue Gemeinde gebildet werden,4. Gebietsteile aus einer Gemeinde ausgegliedert und in eine ande-

re Gemeinde eingegliedert werden.

3. und 4. AbschnittEinwohner und Bürger

Satzungen

§ 13B e g r i f f

(1) Einwohner der Gemeinde ist, wer in der Gemeinde wohnt.(2) Bürger der Gemeinde ist jeder Einwohner, der1. Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes

oder Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates derEuropäischen Union ist,

2. das 18. Lebensjahr vollendet hat und3. wenigstens drei Monate in der Gemeinde wohnt.

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§ 6 GemO

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Wer in mehreren Gemeinden wohnt, erwirbt das Bürgerrecht nurin der Gemeinde, in der er seine Hauptwohnung (§ 16 Abs. 2 desMeldegesetzes) hat.(3) Das Bürgerrecht erlischt, wenn die Voraussetzungen des Absat-zes 2 entfallen sowie bei Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zubekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, für dieDauer des Verlustes.

§ 14R e c h t e u n d P f l i c h t e n

(1) Die Bürger der Gemeinde haben das Recht, nach den Bestim-mungen des Kommunalwahlgesetzes den Gemeinderat und denBürgermeister zu wählen und zum Mitglied des Gemeinderatsgewählt zu werden.(2) Die Einwohner der Gemeinde sind im Rahmen des geltendenRechts berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zubenutzen, und verpflichtet, die Gemeindelasten zu tragen.(3) Personen, die nicht in der Gemeinde wohnen, aber in ihremGebiet Grundstücke besitzen oder ein Gewerbe betreiben, habendie gleichen Rechte und Pflichten wie die Einwohner, soweit sichdiese aus dem Grundbesitz oder dem Gewerbebetrieb ergeben.(4) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für juristische Perso-nen und Personenvereinigungen.

§ 15U n t e r r i c h t u n g u n d B e r a t u n g d e r E i n w o h n e r

(1) Die Gemeindeverwaltung hat die Einwohner über wichtigeAngelegenheiten aus dem Bereich der örtlichen Verwaltung ingeeigneter Form zu unterrichten.(2) Die Gemeindeverwaltung soll im Rahmen ihrer rechtlichenund tatsächlichen Möglichkeiten die Einwohner in Angelegenhei-ten ihres Aufgabenbereiches beraten sowie über Zuständigkeiten inVerwaltungsangelegenheiten Auskünfte erteilen.(3) Gemeinden mit hauptamtlicher Verwaltung haben die Ein-wohner über ihren Verwaltungsgliederungs- und Geschäftsvertei-lungsplan in geeigneter Form zu unterrichten und ihn im Dienst-gebäude an geeigneter Stelle auszuhängen.(4) Die Gemeindeverwaltung hat eine Sammlung der geltenden

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§ 14 GemO

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Gesetze und Rechtsverordnungen des Bundes und des Landessowie eine Sammlung aller im Gemeindegebiet geltenden Satzun-gen zur Einsicht durch die Einwohner während der Sprechzeitender Gemeindeverwaltung bereitzuhalten. Gegen Erstattung derKosten sind Auszüge anzufertigen.

§ 16E i n w o h n e r v e r s a m m l u n g

(1) Zum Zwecke der Unterrichtung der Einwohner und Bürgersoll mindestens einmal im Jahr, im übrigen nach Bedarf, eine Ein-wohnerversammlung abgehalten werden. Sie kann auf Teile desGemeindegebiets oder bestimmte Angelegenheiten beschränkt wer-den. Eine Einwohnerversammlung ist unverzüglich einzuberufen,wenn dies der Gemeinderat unter Bezeichnung des Gegenstandsmit der Mehrheit der gesetzlichen Zahl seiner Mitgliederbeschließt. Gegenstand einer Einwohnerversammlung können nurFragen aus dem Bereich der örtlichen Verwaltung sein.(2) Die Einwohnerversammlung wird vom Bürgermeister einberu-fen. Die Einberufung ist vom Bürgermeister unter Angabe vonZeit, Ort und Gegenstand mindestens eine Woche vor dem festge-setzten Termin öffentlich bekanntzumachen.(3) Der Bürgermeister leitet die Einwohnerversammlung; er sorgtfür die Aufrechterhaltung der Ordnung und übt das Hausrecht aus.Neben dem Bürgermeister haben auch die zuständigen Beigeordne-ten das Recht, die Versammlung über Gegenstände ihres Geschäfts-bereichs zu unterrichten. Der Bürgermeister hat den im Gemeinde-rat vertretenen Fraktionen vor der Aussprache Gelegenheit zu geben,zu den Gegenständen der Unterrichtung Stellung zu nehmen. Beider Aussprache können nur Einwohner und Bürger das Wort erhal-ten; der Versammlungsleiter kann hiervon Ausnahmen zulassen.(4) Der Bürgermeister hat den Gemeinderat über den Verlauf derEinwohnerversammlung zu unterrichten.

§ 16aF r a g e s t u n d e

Der Gemeinderat kann bei öffentlichen Sitzungen Einwohnernund den ihnen nach § 14 Abs. 3 und 4 gleichgestellten Personenund Personenvereinigungen die Gelegenheit geben, Fragen aus

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§ 16 GemO

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dem Bereich der örtlichen Verwaltung zu stellen sowie Anregungenund Vorschläge zu unterbreiten. Das Nähere bestimmt dieGeschäftsordnung.

§ 16 bA n r e g u n g e n u n d B e s c h w e r d e n

Jeder hat das Recht, sich schriftlich mit Anregungen undBeschwerden aus dem Bereich der örtlichen Verwaltung an denGemeinderat zu wenden. Soweit der Bürgermeister kraft Gesetzeszuständig ist, hat der Gemeinderat ihm die Behandlung der Anre-gungen und Beschwerden zu überlassen. Zur Erledigung der son-stigen Anregungen und Beschwerden kann der Gemeinderat einenAusschuß bilden. Der Antragsteller ist über die Behandlung derAnregungen und Beschwerden zu unterrichten.

§ 16 cB e t e i l i g u n g v o n K i n d e r n u n d J u g e n d l i c h e n

Die Gemeinde soll bei Planungen und Vorhaben, die die Interessenvon Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessenerWeise beteiligen. Hierzu soll die Gemeinde über die in diesemGesetz vorgesehene Beteiligung der Einwohner hinaus geeigneteVerfahren entwickeln und durchführen.

§ 17E i n w o h n e r a n t r a g

(1) Die Bürger und die Einwohner, die das 16. Lebensjahr vollen-det haben, können beantragen, daß der Gemeinderat über bestimm-te Angelegenheiten der örtlichen Selbstverwaltung, für deren Ent-scheidung er zuständig ist, berät und entscheidet (Einwohneran-trag). Dem Antrag braucht nicht entsprochen zu werden, wenn die-selbe Angelegenheit innerhalb der laufenden Wahlzeit des Gemein-derats bereits Gegenstand eines zulässigen Einwohnerantrags war.(2) Der Einwohnerantrag muß ein bestimmtes Begehren mitBegründung enthalten. Er muß schriftlich bei der Gemeindever-waltung eingereicht werden und bis zu drei Personen benennen,die berechtigt sind, den Einwohnerantrag zu vertreten.(3) Die Zahl der für einen Einwohnerantrag erforderlichen Unter-schriften beträgt:

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§ 16 b GemO

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1. in Gemeinden bis zu 3 000 Einwohnern5 v. H. der Einwohner, höchstens jedoch 120,

2. in Gemeinden mit 3 001 bis 10 000 Einwohnern4 v. H. der Einwohner, höchstens jedoch 300,

3. in Gemeinden mit 10 001 bis 50 000 Einwohnern3 v. H. der Einwohner, höchstens jedoch 1 000,

4. in Gemeinden mit mehr als 50 000 Einwohnern2 v. H. der Einwohner, höchstens jedoch 2 000.

(4) Jede Unterschriftenliste muß den vollen Wortlaut des Einwoh-nerantrags enthalten. Eintragungen, welche die Person des Unter-zeichners nach Namen und Anschrift nicht zweifelsfrei erkennenlassen, sind ungültig.(5) Die Voraussetzungen der Absätze 1 bis 4 müssen im Zeitpunktdes Eingangs des Einwohnerantrags bei der Gemeindeverwaltungerfüllt sein.(6) Über die Zulässigkeit des Einwohnerantrags entscheidet derGemeinderat. Zuvor prüft die Gemeindeverwaltung, in Ortsge-meinden die Verbandsgemeindeverwaltung, die Gültigkeit der Ein-tragungen in die Unterschriftenlisten. Ist der Einwohnerantragzulässig, so hat der Gemeinderat ihn innerhalb einer Frist von dreiMonaten nach Eingang zu beraten und darüber zu entscheiden.Der Gemeinderat hat die nach Absatz 2 Satz 2 im Einwohneran-trag genannten Personen zu hören. Die Entscheidung des Gemein-derats ist mit den sie tragenden wesentlichen Gründen öffentlichbekanntzumachen.(7) In Gemeinden, die Ortsbezirke gebildet haben, können in ein-zelnen Ortsbezirken Einwohneranträge gestellt werden, die Angele-genheiten des Ortsbezirks betreffen. Hierfür gelten die Absätze 1bis 6 ensprechend mit der Maßgabe,1. daß antrags- und unterschriftsberechtigt nur ist, wer im Orts-

bezirk wohnt,2. daß die Berechnung der Unterschriftenzahl sich nur nach der

Zahl der im Ortsbezirk wohnhaften Einwohner richtet,3. daß, soweit dem Ortsbeirat die abschließende Entscheidung

übertragen ist, dieser auf Antrag der Antragsteller über dasBegehren des Einwohnerantrags berät und entscheidet,

4. daß der Ortsbeirat, soweit die Voraussetzungen der Nummer 3nicht gegeben sind, zu dem Einwohnerantrag Stellung nimmt.

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§ 17 GemO

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§ 17 aB ü r g e r b e g e h r e n u n d B ü r g e r e n t s c h e i d

(1) Die Bürger einer Gemeinde können über eine wichtige Ange-legenheit der Gemeinde einen Bürgerentscheid beantragen (Bür-gerbegehren). Wichtige Angelegenheiten sind:1. die Errichtung, wesentliche Erweiterung und Aufhebung einer

öffentlichen Einrichtung, die der Gesamtheit der Einwohnerzu dienen bestimmt ist,

2. die Änderung des Gemeindegebiets und die Änderung desGebiets von Verbandsgemeinden nach § 65 Abs. 2,

3. die Bildung, Änderung und Auflösung von Ortsbezirken.In der Hauptsatzung kann bestimmt werden, welche weiterenGemeindeangelegenheiten als wichtig gelten.(2) Ein Bürgerentscheid ist nicht zulässig über1. Angelegenheiten, die kraft Gesetzes dem Bürgermeister obliegen,2. Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung,3. die Rechtsverhältnisse der Ratsmitglieder, des Bürgermeisters,

der Beigeordneten und der sonstigen Gemeindebediensteten,4. die Haushaltssatzung, den Haushaltsplan mit den Anlagen, das

Haushaltssicherungskonzept, die Abgabensätze und die Tarife derVersorgungs-, Entsorgungs- und Verkehrsbetriebe der Gemeinde,

5. die Jahresrechnung der Gemeinde, die Entlastung des Bürger-meisters und der Beigeordneten und die Feststellung der Jah-resabschlüsse der Eigenbetriebe,

6. die Aufstellung, Änderung und Aufhebung von Bauleitplänen,7. Vorhaben, für deren Zulassung ein Planfeststellungsverfahren

oder ein förmliches Verwaltungsverfahren mit Öffentlichkeits-beteiligung erforderlich ist,

8. Entscheidungen in Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahrensowie

9. gesetzwidrige Anträge.(3) Das Bürgerbegehren ist schriftlich bei der Gemeindeverwal-tung einzureichen; richtet es sich gegen einen Beschluß desGemeinderats, muß es innerhalb von zwei Monaten nach derBeschlußfassung eingereicht sein. Es muß die zu entscheidendeGemeindeangelegenheit in Form einer mit „Ja“ oder „Nein“ zubeantwortenden Frage, eine Begründung und einen nach dengesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag für die

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§ 17 a GemO

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Deckung der Kosten der begehrten Maßnahme enthalten sowie biszu drei Personen benennen, die berechtigt sind, das Bürgerbegeh-ren zu vertreten. Das Bürgerbegehren muß von mindestens 15v. H. der bei der letzten Wahl zum Gemeinderat festgestellten Zahlder wahlberechtigten Einwohner unterzeichnet sein, jedoch1. in Gemeinden mit bis zu 50 000 Einwohnern

höchstens von 3 000 Einwohnern,2. in Gemeinden mit 50 001 bis 100 000 Einwohnern

höchstens von 6 000 Einwohnern,3. in Gemeinden mit 100 001 bis 200 000 Einwohnern

höchstens von 12 000 Einwohnern,4. in Gemeinden mit mehr als 200 000 Einwohnern

höchstens von 24 000 Einwohnern.Unterschriftsberechtigt sind nur die nach den Bestimmungen desKommunalwahlgesetzes Wahlberechtigten. Jede Unterschriftenlistemuß den vollen Wortlaut des Bürgerbegehrens enthalten. Eintra-gungen, welche die Person des Unterzeichners nach Namen undAnschrift nicht zweifelsfrei erkennen lassen, sind ungültig.(4) Ein Bürgerbegehren darf nur Angelegenheiten zum Gegenstandhaben, über die innerhalb der letzten drei Jahre nicht bereits ein Bür-gerentscheid durchgeführt worden ist. Über die Zulässigkeit des Bür-gerbegehrens entscheidet der Gemeinderat nach Anhörung der dasBürgerbegehren vertretenden Personen. Zuvor prüft die Gemeinde-verwaltung, in Ortsgemeinden die Verbandsgemeindeverwaltung,die Gültigkeit der Eintragungen in die Unterschriftenlisten.(5) Der Bürgerentscheid entfällt, wenn der Gemeinderat dieDurchführung der mit dem Bürgerbegehren verlangten Maßnah-me beschließt.(6) Wird ein Bürgerentscheid durchgeführt, müssen den Bürgernzuvor die von den Gemeindeorganen vertretenen Auffassungen inder Form einer öffentlichen Bekanntmachung dargelegt werden.(7) Bei einem Bürgerentscheid ist die gestellte Frage in dem Sinneentschieden, in dem sie von der Mehrheit der gültigen Stimmenbeantwortet wurde, sofern diese Mehrheit mindestens 30 v. H. derStimmberechtigten beträgt. Bei Stimmengleichheit gilt die Frageals mit „Nein“ beantwortet. Ist die nach Satz 1 erforderliche Mehr-heit nicht erreicht worden, hat der Gemeinderat über die Angele-genheit zu entscheiden.

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§ 17 a GemO

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(8) Der Bürgerentscheid, der die nach Absatz 7 Satz 1 erforderli-che Mehrheit erhalten hat, steht einem Beschluß des Gemeinderatsgleich. § 42 findet keine Anwendung. Der Gemeinderat kanneinen Bürgerentscheid frühestens nach drei Jahren abändern.(9) Das Nähere bestimmt das Kommunalwahlgesetz.

§ 1 8E h r e n a m t , e h r e n a m t l i c h e T ä t i g k e i t

(1) Die Bürger sind berechtigt und verpflichtet, ein Ehrenamt fürdie Gemeinde zu übernehmen; die Verpflichtung gilt nicht für dasEhrenamt des Bürgermeisters, der Beigeordneten, der Ortsvorste-her, der Ratsmitglieder, der Mitglieder von Ausschüssen desGemeinderats, der Mitglieder des Ausländerbeirates und der Mit-glieder der Ortsbeiräte und der Mitglieder der Ortsbeiräte.(2) Die Einwohner, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, sindberechtigt, und die Einwohner, die das 18. Lebensjahr vollendethaben, sind berechtigt und verpflichtet, eine vorübergehendeehrenamtliche Tätigkeit für die Gemeinde auszuüben.(3) Soweit durch Gesetz nicht etwas anderes bestimmt ist, werdendie Bürger zu einem Ehrenamt vom Gemeinderat gewählt und dieEinwohner zu ehrenamtlicher Tätigkeit vom Bürgermeisterbestellt. Mit dem Verlust des Bürgerrechts in der Gemeinde endetauch das Ehrenamt.(4) Wer ein Ehrenamt oder eine ehrenamtliche Tätigkeit ausübt,hat Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen baren Auslagen und desVerdienstausfalls. Personen, die keinen Verdienstausfall geltendmachen können, können einen Nachteilsausgleich erhalten. Ehren-amtliche Bürgermeister erhalten eine Aufwandsentschädigung; eh-renamtliche Beigeordnete und Ortsvorsteher sowie Bürger, die einanderes Ehrenamt ausüben, können eine Aufwandsentschädigungerhalten. Das Nähere, insbesondere die Voraussetzungen und dieHöhe, bestimmt die Hauptsatzung im Rahmen von Richtlinien, diedas fachlich zuständige Ministerium durch Rechtsverordnung erläßt.(5) Das fachlich zuständige Ministerium wird ermächtigt, durchRechtsverordnung die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwen-dung an ehrenamtliche Bürgermeister, ehrenamtliche Beigeordneteund Ortsvorsteher zu regeln. Dabei sind die Anspruchsvorausset-zungen, die Höhe sowie die Zahlungsweise der Zuwendung ent-

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§ 18 GemO

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sprechend dem Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Son-derzuwendung in der Fassung vom 15. Dezember 1998 (BGBl. IS. 3642) in der jeweils geltenden Fassung mit der Maßgabe festzu-legen, dass ein Sonderbetrag für Kinder nicht gewährt wird.(6) Für Bürger, die zu Ehrenbeamten ernannt werden, geltenanstelle der §§ 20 und 21 die Vorschriften des Beamtenrechts.

§ 18 aA r b e i t s r e c h t l i c h e u n d d i e n s t r e c h t l i c h e

S i c h e r u n g(1) Die Bewerbung um ein Ehrenamt oder eine ehrenamtlicheTätigkeit sowie die Annahme und die Ausübung dürfen nichtbehindert werden. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nichtig.(2) Wer ein Ehrenamt oder eine ehrenamtliche Tätigkeit ausübt,darf, wenn er in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis steht, nichtaus diesem Grunde entlassen, gekündigt oder in eine andereGemeinde versetzt werden.(3) Ratsmitglieder sowie ehrenamtliche Bürgermeister, Beigeord-nete und Ortsvorsteher können nur mit ihrer Zustimmung aufeinen anderen Arbeitsplatz umgesetzt werden, es sei denn, daß ihreBelassung auf dem bisherigen Arbeitsplatz aus zwingenden betrieb-lichen Gründen dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann.(4) Die Kündigung der Arbeitsverhältnisse der Ratsmitglieder, derehrenamtlichen Bürgermeister, Beigeordneten und Ortsvorsteherist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeit-geber zur Kündigung nach § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchesberechtigen; dies gilt nicht für Kündigungen während der Probe-zeit. Für die Bewerber zum Gemeinderat besteht in der Reihenfol-ge des Wahlvorschlags bis zu der in § 29 Abs. 2 bestimmten Zahlund für Bewerber für das Amt des ehrenamtlichen Bürgermeistersder Kündigungsschutz mit dem Eingang des Wahlvorschlags beimWahlleiter. § 15 Abs. 4 und 5 des Kündigungsschutzgesetzes giltentsprechend.(5) Die für die Wahrnehmung eines Ehrenamts oder einer ehren-amtlichen Tätigkeit notwendige freie Zeit ist auf Antrag demjeni-gen, der in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis steht, zugewähren.

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§ 18a GemO

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§ 19A b l e h n u n g s g r ü n d e

(1) Bürger und Einwohner können aus wichtigem Grund dieÜbernahme eines Ehrenamts oder einer ehrenamtlichen Tätigkeitablehnen oder ihr Ausscheiden verlangen. Ob ein wichtiger Grundvorliegt, entscheidet bei einem Ehrenamt der Gemeinderat, beiehrenamtlicher Tätigkeit der Bürgermeister.

§ 22A u s s c h l i e ß u n g s g r ü n d e

(1) Bürger oder Einwohner, die ein Ehrenamt oder eine ehrenamt-liche Tätigkeit ausüben, sowie hauptamtliche Bürgermeister undBeigeordnete dürfen nicht beratend oder entscheidend mitwirken,1. wenn die Entscheidung ihnen selbst, ihrem Ehegatten, ihrem

geschiedenen Ehegatten, ihren Verwandten bis zum drittenGrade, den Ehegatten ihrer Verwandten bis zum zweitenGrade, ihren Verschwägerten bis zum zweiten Grade oder einervon ihnen kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretenen Personeinen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann oder

2. wenn sie zu dem Beratungsgegenstand in anderer als öffent-licher Eigenschaft ein Gutachten abgegeben haben oder sonsttätig geworden sind oder

3. wenn siea) bei einer natürlichen oder juristischen Person oder einer

Vereinigung gegen Entgelt beschäftigt sind oderb) bei juristischen Personen als Mitglied des Vorstands, des

Aufsichtsrats oder eines gleichartigen Organs tätig sind,sofern sie diesem Organ nicht als Vertreter der Gemeindeangehören oder

c) Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechtsoder Vorstandsmitglied eines nichtrechtsfähigen Vereins sind

und die unter den Buchstaben a bis c Bezeichneten ein unmit-telbares persönliches oder wirtschaftliches Interesse an der Ent-scheidung haben. Satz 1 Nr. 3 Buchst. a gilt nicht, wenn nachden tatsächlichen Umständen der Beschäftigung anzunehmenist, daß der Betroffene sich deswegen nicht in einem Interes-senwiderstreit befindet.

(2) Die Bestimmungen des Absatzes 1 gelten nicht für Wahlen,ferner nicht, wenn die in Absatz 1 bezeichneten Personen lediglich

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§ 22 GemO

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als Angehörige einer Berufsgruppe oder eines Bevölkerungsteils,deren gemeinsame Belange berührt werden, betroffen sind.(3) Ein ausgeschlossenes Ratsmitglied ist berechtigt, bei eineröffentlichen Sitzung sich in dem für die Zuhörer bestimmten Teildes Sitzungsraums aufzuhalten.

§ 23E h r e n b ü r g e r

(1) Der Gemeinderat kann Persönlichkeiten, die sich um dieGemeinde besonders verdient gemacht haben, zu Ehrenbürgernwählen. Besondere Rechte und Pflichten werden hierdurch nichtbegründet.

§ 24S a t z u n g s b e f u g n i s

(1) Die Gemeinden können im Rahmen ihrer Aufgaben und derGesetze Satzungen erlassen. Satzungen über Auftragsangelegenheiten(§ 2 Abs. 2) bedürfen einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung.(2) Die Satzung wird vom Gemeinderat in öffentlicher Sitzungbeschlossen.(3) Die Satzung ist öffentlich bekanntzumachen. Die Satzung sollden Tag bestimmen, an dem sie in Kraft tritt. Ist dieser Tag nichtbestimmt, so tritt sie am Tag nach der öffentlichen Bekanntma-chung in Kraft.

§ 26A n s c h l u ß - u n d B e n u t z u n g s z w a n g

(1) Die Gemeinden können bei öffentlichem Bedürfnis durch Sat-zung für Grundstücke ihres Gebiets den Anschluß an Wasserver-sorgung, Abwasserbeseitigung, Straßenreinigung, Fernheizung, vonHeizungsanlagen an bestimmte Energieversorgungseinrichtungensowie den Anschluß an andere dem Gemeinwohl dienende Ein-richtungen vorschreiben (Anschlußzwang). Sie können durch Sat-zung bei öffentlichem Bedürfnis auch die Benutzung dieser undanderer dem Gemeinwohl dienender Einrichtungen vorschreiben(Benutzungszwang).

§ 27Ö f f e n t l i c h e B e k a n n t m a c h u n g

(1) Öffentliche Bekanntmachungen der Gemeinde können ineiner Zeitung oder in einem Amtsblatt erfolgen.

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§ 23 GemO

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2. KapitelVerfassung und Verwaltung der Gemeinden

1. und 2. AbschnittGemeindeorgane

Gemeinderat

§ 28(1) Organe der Gemeinde sind der Gemeinderat und der Bürger-meister. Sie verwalten die Gemeinde nach den Bestimmungen die-ses Gesetzes.(2) Der Gemeinderat führt in den Städten die Bezeichnung Stadt-rat. Der Bürgermeister führt in den kreisfreien und in den großenkreisangehörigen Städten die Amtsbezeichnung Oberbürgermei-ster.

§ 29B i l d u n g d e s G e m e i n d e r a t s ,

Z a h l d e r R a t s m i t g l i e d e r(1) Der Gemeinderat besteht aus den gewählten Ratsmitgliedernund dem Vorsitzenden. Die Ratsmitglieder werden von den Bür-gern der Gemeinde in allgemeiner, gleicher, geheimer, unmittelba-rer und freier Wahl auf die Dauer von fünf Jahren gewählt. DasNähere bestimmt das Kommunalwahlgesetz.(2) Die Zahl der gewählten Ratsmitglieder beträgt in Gemeindenbis zu 300 Einwohnern 6mit mehr als 300 bis 500 Einwohnern 8mit mehr als 500 bis 1 000 Einwohnern 12mit mehr als 1 000 bis 2 500 Einwohnern 16mit mehr als 2 500 bis 5 000 Einwohnern 20mit mehr als 5 000 bis 7 500 Einwohnern 22mit mehr als 7 500 bis 10 000 Einwohnern 24mit mehr als 10 000 bis 15 000 Einwohnern 28mit mehr als 15 000 bis 20 000 Einwohnern 32mit mehr als 20 000 bis 30 000 Einwohnern 36mit mehr als 30 000 bis 40 000 Einwohnern 40mit mehr als 40 000 bis 60 000 Einwohnern 44

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§ 28 GemO

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mit mehr als 60 000 bis 80 000 Einwohnern 48mit mehr als 80 000 bis 100 000 Einwohnern 52mit mehr als 100 000 bis 150 000 Einwohnern 56mit mehr als 150 000 Einwohnern 60.Veränderungen der Einwohnerzahl werden erst bei der nächstenWahl berücksichtigt.

§ 30R e c h t e u n d P f l i c h t e n d e r R a t s m i t g l i e d e r

(1) Die Ratsmitglieder üben ihr Amt unentgeltlich nach freier, nurdurch die Rücksicht auf das Gemeinwohl bestimmter Gewissens-überzeugung aus; sie sind an Weisungen oder Aufträge ihrer Wäh-ler nicht gebunden.(4) Jedes Ratsmitglied hat das Recht, in dem Gemeinderat und inden Ausschüssen, denen es angehört, Anträge zu stellen.

§ 32A u f g a b e n d e s G e m e i n d e r a t s

(1) Der Gemeinderat ist die Vertretung der Bürger der Gemeinde.Er legt die Grundsätze für die Verwaltung der Gemeinde fest undbeschließt über alle Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemein-de, soweit er die Entscheidung nicht einem Ausschuß übertragenhat oder soweit nicht der Bürgermeister kraft Gesetzes zuständig istoder der Gemeinderat ihm bestimmte Angelegenheiten zur Ent-scheidung übertragen hat. Der Gemeinderat überwacht die Aus-führung seiner Beschlüsse.(2) Der Gemeinderat kann unbeschadet des Absatzes 3 die Ent-scheidung über folgende Angelegenheiten nicht übertragen:1. Satzungen,2. den Haushaltsplan mit allen Anlagen und das Haushaltssiche-

rungskonzept,3. die Jahresrechnung sowie die Entlastung des Bürgermeisters

und der Beigeordneten,4. die Änderung des Gemeindegebiets,5. die Bildung von Ortsbezirken,6. die Übernahme freiwilliger Aufgaben,7. die Einleitung des Verfahrens zur Abwahl des Bürgermeisters

sowie die Wahl und die Abwahl der Beigeordneten,8. die Wahl zum Ehrenbürger,

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§ 30 GemO

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9. die mittelfristigen und langfristigen Planungen der Gemeinde,10. die Sätze und Tarife für öffentliche Abgaben oder für pri-

vatrechtliche Entgelte sowie die allgemeinen Tarife der Versor-gungs- und Verkehrsbetriebe,

11. die Zustimmung zur Leistung überplanmäßiger und außer-planmäßiger Ausgaben,

12. die Genehmigung von Verträgen der Gemeinde mit dem Bür-germeister und den Beigeordneten,

13. die Verfügung über Gemeindevermögen sowie die Hingabevon Darlehen der Gemeinde, die Veräußerung und die Ver-pachtung von Eigenbetrieben oder Teilen von Eigenbetrieben,

14. die Errichtung, die Erweiterung, die Übernahme und die Auf-hebung öffentlicher Einrichtungen und wirtschaftlicher Unter-nehmen sowie die Beteiligung an diesen,

15. die Umwandlung der Rechtsform von Eigenbetrieben, vonrechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts oder von wirt-schaftlichen Unternehmen, an denen die Gemeinde beteiligtist,

16. die Umwandlung des Zwecks und die Aufhebung einer Stif-tung einschließlich der Entscheidung über den Verbleib desStiftungsvermögens.

§ 33U n t e r r i c h t u n g s - u n d K o n t r o l l r e c h t e

d e s G e m e i n d e r a t s(1) Der Gemeinderat ist vom Bürgermeister über alle wichtigenAngelegenheiten der Gemeinde, insbesondere über das Ergebnisüberörtlicher Prüfungen zu unterrichten. Die Prüfungsmitteilun-gen sind den Ratsmitgliedern auf Verlangen auszuhändigen.(3) Ein Viertel der gesetzlichen Zahl der Ratsmitglieder oder eineFraktion kann in allen Angelegenheiten der Gemeinde und ihrerVerwaltung verlangen, daß der Bürgermeister den Gemeinderatunterrichtet. Sie können auch verlangen, daß einem Ausschuß odereinzelnen vom Gemeinderat beauftragten Ratsmitgliedern Einsichtin die Akten gewährt wird, wenn hierfür ein berechtigtes Interessedes Gemeinderats vorliegt. Das Verlangen auf Akteneinsicht ist zubegründen. Die Akteneinsicht ist zu gewähren, wenn und soweitdie Einsichtnahme zur Erfüllung des berechtigten Interesses erfor-

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§ 33 GemO

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derlich ist. Dem Ausschuß und den beauftragten Ratsmitgliedernmuß ein Vertreter der Antragsteller angehören. Unter den gleichenVoraussetzungen kann der Bürgermeister einzelnen Ratsmitglie-dern Akteneinsicht gewähren. § 22 gilt sinngemäß.(4) Jedes Ratsmitglied kann schriftliche oder in einer Sitzung desGemeinderats mündliche Anfragen über einzelne Angelegenheitenim Sinne des Absatzes 3 Satz 1 an den Bürgermeister richten, diebinnen angemessener Frist zu beantworten sind. Das Nähere ist inder Geschäftsordnung zu regeln.(5) Absatz 1 Satz 2 sowie die Absätze 3 und 4 gelten nicht, wennund soweit für die Vorgänge eine Geheimhaltung besonders vorge-schrieben ist oder überwiegende schutzwürdige Interessen Betroffe-ner entgegenstehen.

§ 34E i n b e r u f u n g , Ta g e s o r d n u n g

(1) Der Gemeinderat wird vom Vorsitzenden nach Bedarf einbe-rufen.(3) Zwischen Einladung und Sitzung müssen mindestens vier volleKalendertage liegen. Sofern eine Entscheidung nicht ohne Nachteilfür die Gemeinde aufgeschoben werden kann (Dringlichkeit),kann die Einladungsfrist verkürzt werden; auf die Verkürzung ist inder Einladung hinzuweisen. Die Dringlichkeit ist vom Gemeinde-rat vor Eintritt in die Tagesordnung festzustellen.

§ 35Ö f f e n t l i c h k e i t , A n h ö r u n g

(1) Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich, sofern nichtausdrücklich etwas anderes bestimmt oder die Beratung in nichtöf-fentlicher Sitzung der Natur des Beratungsgegenstands nach erfor-derlich ist. Die Geschäftsordnung kann allgemein bestimmen oderder Gemeinderat mit Zweidrittelmehrheit im Einzelfallbeschließen, daß auch andere Angelegenheiten aus besonderenGründen in nichtöffentlicher Sitzung behandelt werden; dies giltnicht für die in § 32 Abs. 2 Nr. 1 bis 11 und 14 bis 16 bezeichne-ten Angelegenheiten. Über den Ausschluß oder die Wiederherstel-lung der Öffentlichkeit wird in nichtöffentlicher Sitzung beratenund entschieden.

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§ 34 GemO

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§ 36Vo r s i t z

(1) Den Vorsitz im Gemeinderat führt der Bürgermeister; in sei-ner Vertretung führen ihn die Beigeordneten in der Reihenfolgeihrer Vertretungsbefugnis. Bei Verhinderung des Bürgermeistersund der Beigeordneten soll das älteste anwesende Ratsmitgliedden Vorsitz führen. Verzichtet das älteste anwesende Ratsmitgliedauf den Vorsitz, so wählt der Gemeinderat aus seiner Mitte denVorsitzenden.(2) Der Vorsitzende eröffnet und schließt die Sitzungen, leitet dieVerhandlungen, sorgt für die Aufrechterhaltung der Ordnung undübt das Hausrecht aus.(3) Der Vorsitzende, der nicht gewähltes Ratsmitglied ist, hatebenfalls Stimmrecht. Dieses ruht bei1. Wahlen,2 allen Beschlüssen, die sich auf die Vorbereitung der Wahl des

Bürgermeisters und der Beigeordneten beziehen,3. dem Beschluß über die Einleitung des Verfahrens zur Abwahl

des Bürgermeisters,4. Beschlüssen über die Abwahl von Beigeordneten,5. der Festsetzung der Bezüge des Bürgermeisters und der Beige-

ordneten,6. Beschlüssen über Einsprüche gegen Ausschlußverfügungen des

Vorsitzenden nach § 38 Abs. 3.Soweit sein Stimmrecht ruht, wird der Vorsitzende bei der Berech-nung der Stimmenmehrheit nicht mitgezählt.

§ 42A u s s e t z u n g v o n B e s c h l ü s s e n

(1) Hat der Gemeinderat einen Beschluß gefaßt, der nach Ansichtdes Bürgermeisters die Befugnisse des Gemeinderats überschreitet,gesetz- oder rechtswidrig ist oder die Grundsätze der Wirtschaft-lichkeit verletzt, oder hat er eine Ausgabe beschlossen, für die keineDeckung im Haushaltsplan vorhanden ist, so hat der Bürgermei-ster die Ausführung des Beschlusses auszusetzen und die Gründehierfür dem Gemeinderat spätestens in der nächsten Sitzung mit-zuteilen; die nächste Sitzung muß spätestens innerhalb einesMonats nach der Aussetzung stattfinden.

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§ 36 GemO

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3. AbschnittAusschüsse des Gemeinderats

AusländerbeiratJugendvertretung

§ 44B i l d u n g v o n A u s s c h ü s s e n

(1) Der Gemeinderat kann für bestimmte Aufgabenbereiche zurVorbereitung seiner Beschlüsse oder zur abschließenden Entschei-dung Ausschüsse bilden. Die Ausschüsse setzen sich entweder nuraus Ratsmitgliedern oder aus Ratsmitgliedern und sonstigen wähl-baren Bürgern der Gemeinde zusammen; mindestens die Hälfte derMitglieder eines Ausschusses soll jedoch Ratsmitglied sein. Perso-nen, deren Amt nach den Bestimmungen dieses Gesetzes oder desKommunalwahlgesetzes mit dem Amt eines Mitglieds des Gemein-derats nicht vereinbar ist, können einem Ausschuß nicht angehören.(2) Der Gemeinderat bestimmt das Nähere über die Zahl, dieAufgaben und die Bezeichnung der Ausschüsse sowie die Mitglie-derzahl und die Zahl der sonstigen wählbaren Bürger der Gemein-de in den einzelnen Ausschüssen. Diese Bestimmungen könnenauch durch die Hauptsatzung getroffen werden.

§ 46Ve r f a h r e n i n d e n A u s s c h ü s s e n

(1) Den Vorsitz in den Ausschüssen führt der Bürgermeister.(4) Ausschußsitzungen, die der Vorbereitung von Beschlüssen desGemeinderats dienen, sind in der Regel nicht öffentlich; der Aus-schuß kann in Einzelfällen die Öffentlichkeit der Sitzung beschließen.

§ 46 aA u s l ä n d e r b e i r a t

(1) In Gemeinden, in denen mehr als 1 000 ausländische Einwoh-ner ihre Hauptwohnung haben, ist ein Ausländerbeirat einzurich-ten, in dem die ausländischen Einwohner vertreten sind; zu denausländischen Einwohnern zählen auch Staatenlose. In anderenGemeinden kann auf Grund einer Satzung ein Ausländerbeirat ein-gerichtet werden. Die Zahl der Mitglieder des Ausländerbeirats istin einer Satzung zu bestimmen.

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§ 44 GemO

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(2) Die Mitglieder des Ausländerbeirats werden von den ausländi-schen Einwohnern in allgemeiner, gleicher, geheimer, unmittelba-rer und freier Wahl für die Dauer von fünf Jahren gewählt. Wahl-berechtigt und wählbar sind alle Ausländer, die am Tage derStimmabgabe das 18. Lebensjahr vollendet und seit mindestensdrei Monaten in der Gemeinde eine Wohnung, bei mehrerenWohnungen ihre Hauptwohnung, haben; die §§ 1 bis 3 und 4Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 2 des Kommunalwahlgesetzes gelten ent-sprechend. Das Nähere regelt die Satzung nach den Grundsätzendes Kommunalwahlrechts; die Satzung kann Bestimmungen ent-halten, mit denen abweichend von Satz 1 ermöglicht wird, daßNationalitäten oder Nationalitätengruppen, deren Mitgliederzahleinen bestimmten Anteil der ausländischen Einwohner erreicht, imAusländerbeirat vertreten sind. Der Ausländerbeirat ist nur danngewählt, wenn sich an der Wahl mindestens 10 v. H. der wahlbe-rechtigten ausländischen Einwohner beteiligt haben. Für dieRechtsstellung der Mitglieder gelten die §§ 18, 18 a Abs. 1 bis 3und 5 sowie die §§ 19 bis 22 und § 30 entsprechend.(4) Der Ausländerbeirat kann über alle Selbstverwaltungsangele-genheiten beraten, die die Belange der ausländischen Einwohnerberühren. Auf Antrag des Ausländerbeirats hat der Bürgermeisterdem Gemeinderat die in Satz 1 genannten Angelegenheiten zurBeratung und Entscheidung vorzulegen. Der Vorsitzende des Aus-länderbeirats ist berechtigt, bei der Beratung dieser Angelegenhei-ten an Sitzungen des Gemeinderats oder seiner Ausschüsse mitberatender Stimme teilzunehmen. Der Ausländerbeirat soll zu Fra-gen, die ihm vom Gemeinderat, einem Ausschuß oder dem Bür-germeister vorgelegt werden, Stellung nehmen.

§ 46 bJ u g e n d v e r t r e t u n g

(1) In einer Gemeinde kann auf Grund einer Satzung eine Jugend-vertretung eingerichtet werden. In der Satzung ist im Rahmen derSelbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinde das Nähere über dieJugendvertretung, insbesondere über deren Aufgaben, deren Bildung,ihre Mitglieder und den Vorsitz zu regeln. Soweit der Gemeinderatnichts anderes bestimmt, gelten für die Jugendvertretung die Bestim-mungen der Geschäftsordnung des Gemeinderats entsprechend.

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§ 46b GemO

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4. AbschnittBürgermeister und Beigeordnete

§ 47S t e l l u n g u n d A u f g a b e n d e s B ü r g e r m e i s t e r s

(1) Der Bürgermeister leitet die Gemeindeverwaltung und vertrittdie Gemeinde nach außen. Neben den ihm gesetzlich oder vomGemeinderat übertragenen Aufgaben obliegen ihm1. die Vorbereitung der Beschlüsse des Gemeinderats im Beneh-

men mit den Beigeordneten und der Beschlüsse der Ausschüs-se, soweit er selbst den Vorsitz führt;

2. die Ausführung der Beschlüsse des Gemeinderats und der Aus-schüsse;

3. die laufende Verwaltung;4. die Erfüllung der der Gemeinde gemäß § 2 übertragenen staat-

lichen Aufgaben.Die dauernde Übertragung der Entscheidung bestimmter Angelegen-heiten auf den Bürgermeister ist durch die Hauptsatzung zu regeln.(2) Der Bürgermeister ist Dienstvorgesetzter und Vorgesetzter derGemeindebediensteten.

§ 48E i l e n t s c h e i d u n g s r e c h t

Der Bürgermeister kann in Angelegenheiten, deren Erledigung nichtohne Nachteil für die Gemeinde bis zu einer Sitzung des Gemeinde-rats oder des zuständigen Ausschusses aufgeschoben werden kann,im Benehmen mit den Beigeordneten anstelle des Gemeinderatsoder des Ausschusses entscheiden. Die Gründe für die Eilentschei-dung und die Art der Erledigung sind den Ratsmitgliedern oder denMitgliedern des zuständigen Ausschusses unverzüglich mitzuteilen.Der Gemeinderat oder der zuständige Ausschuß kann in seinernächsten Sitzung die Eilentscheidung des Bürgermeisters aufheben,soweit nicht bereits Rechte Dritter entstanden sind.

§ 50S t e l l u n g u n d A u f g a b e n d e r B e i g e o r d n e t e n

(1) Jede Gemeinde hat einen oder zwei Beigeordnete. Die Haupt-satzung kann bestimmen, daß die Zahl der Beigeordneten inGemeinden

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§ 47 GemO

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bis zu 25 000 Einwohnern bis auf drei,mit mehr als 25 000 bis 40 000 Einwohnern bis auf vier,mit mehr als 40 000 bis 80 000 Einwohnern bis auf fünf,mit mehr als 80 000 bis 120 000 Einwohnern bis auf sechs,mit mehr als 120 000 Einwohnern bis auf siebenerhöht wird.

§ 52A m t s z e i t d e r B ü r g e r m e i s t e r u n d B e i g e o r d n e t e n(1) Die Amtszeit der hauptamtlichen Bürgermeister und Beigeord-neten beträgt acht Jahre.(2) Die Amtszeit der ehrenamtlichen Bürgermeister und Beigeord-neten entspricht der Dauer der gesetzlichen Wahlzeit des Gemein-derats.

§ 53Wa h l d e r B ü r g e r m e i s t e r

(1) Der Bürgermeister wird von den Bürgern der Gemeinde in all-gemeiner, gleicher, geheimer, unmittelbarer und freier Wahlgewählt. Die Wahl ist nach den Grundsätzen der Mehrheitswahldurchzuführen. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der gültigenStimmen erhält. Erhält kein Bewerber diese Mehrheit, so findeteine Stichwahl unter den zwei Bewerbern statt, die bei der erstenWahl die höchsten Stimmenzahlen erhalten haben. Bei Stimmen-gleichheit entscheidet das Los darüber, wer in die Stichwahlkommt. Scheidet einer dieser beiden Bewerber vor der Stichwahldurch Tod oder Verlust der Wählbarkeit aus, so ist die Wahl zuwiederholen. Bei der Stichwahl ist der Bewerber gewählt, der vonden gültigen abgegebenen Stimmen die höchste Stimmenzahlerhält. Bei gleicher Stimmenzahl entscheidet das Los. Die Wahl istauch zu wiederholen, wenn zu der Wahl nur eine gültige Bewer-bung eingereicht worden ist und der Bewerber nicht gewählt wird.(2) Ist zu der Wahl des Bürgermeisters durch die Bürger keine gül-tige Bewerbung eingereicht worden, so findet die Wahl nicht statt.In diesem Fall wird der Bürgermeister vom Gemeinderat gemäßden Bestimmungen des § 40 gewählt; die Wahl eines ehrenamtli-chen Bürgermeisters soll spätestens acht Wochen nach dem Tag derausgefallenen Wahl erfolgen. Satz 2 gilt entsprechend, wenn zu der

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§ 52 GemO

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Wahl und einer Wiederholungswahl nach Absatz 1 nur eine gültigeBewerbung eingereicht worden ist und der Bewerber in beidenWahlen nicht gewählt wird.(3) Wählbar zum Bürgermeister ist, wer Deutscher im Sinne desArtikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes oder Staatsangehöriger einesanderen Mitgliedstaates der Europäischen Union mit Wohnsitz inder Bundesrepublik Deutschland ist, am Tag der Wahl das 25.Lebensjahr vollendet hat, nicht von der Wählbarkeit im Sinne des§4 Abs. 2 des Kommunalwahlgesetzes ausgeschlossen ist sowie dieGewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demo-kratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt.Zum hauptamtlichen Bürgermeister kann nicht gewählt werden,wer am Tag des Beginns der Amtszeit das 65. Lebensjahr vollendethat.(4) Ehrenamtlicher Bürgermeister darf nicht sein, wer1. nicht Bürger der Gemeinde ist,2. gegen Entgelt im Dienst der Gemeinde, der zuständigen Ver-

bandsgemeinde oder eines öffentlich-rechtlichen Verbandes,bei dem die Gemeinde Mitglied ist, steht,

3. gegen Entgelt im Dienst einer Gesellschaft steht, an der dieGemeinde mit mindestens 50 v. H. beteiligt ist,

4. mit Aufgaben der Staatsaufsicht über die Gemeinde oder derüberörtlichen Prüfung der Gemeinde unmittelbar beauftragt ist.

3. KapitelBesondere Bestimmungen für Verbandsgemeinden und

Ortsgemeinden

§ 64Ve r b a n d s g e m e i n d e n

(1) Verbandsgemeinden sind aus Gründen des Gemeinwohlsgebildete Gebietskörperschaften, die aus benachbarten Gemeindendes gleichen Landkreises bestehen. Sie erfüllen neben den Ortsge-meinden öffentliche Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft im Rah-men der folgenden Bestimmungen. Sie verwalten ihre Angelegen-heiten selbst unter eigener Verantwortung im Rahmen der Verfas-sung und der Gesetze.

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§ 64 GemO

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§ 65G e b i e t

(1) Das Gebiet einer Verbandsgemeinde besteht aus dem Gebietder ihr angehörenden Ortsgemeinden.

§ 67E i g e n e A u f g a b e n

(1) Die Verbandsgemeinde nimmt anstelle der Ortsgemeinden fol-gende Selbstverwaltungsaufgaben wahr:1. die ihr nach den Schulgesetzen übertragenen Aufgaben;2. den Brandschutz und die technische Hilfe;3. den Bau und die Unterhaltung von zentralen Sport-, Spiel-

und Freizeitanlagen;4. den Bau und die Unterhaltung überörtlicher Sozialeinrichtun-

gen, insbesondere Sozialstationen und Einrichtungen derAltenpflege, soweit nicht freie gemeinnützige Träger solcheerrichten;

5. die Wasserversorgung;6. die Abwasserbeseitigung;7. den Ausbau und die Unterhaltung von Gewässern dritter Ord-

nung.

§ 70Ve r h ä l t n i s z u d e n O r t s g e m e i n d e n

(1) Die Verbandsgemeinde und ihre Ortsgemeinden haben bei derErfüllung ihrer Aufgaben unter Beachtung der beiderseitigen Ver-antwortungsbereiche vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.(2) Die Verbandsgemeindeverwaltung berät und unterstützt dieOrtsgemeinden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Die Ortsgemein-den haben die Verbandsgemeindeverwaltung über alle Beschlüssedes Ortsgemeinderats und alle wichtigen Entscheidungen des Orts-bürgermeisters zu unterrichten und sich vor allen wichtigen Ent-scheidungen, insbesondere mit finanziell erheblichen Auswirkun-gen, der fachlichen Beratung durch die Verbandsgemeindeverwal-tung zu bedienen. Der Ortsbürgermeister hat vor der Unterzeich-nung von Verpflichtungserklärungen im Sinne des § 49 den Bür-germeister zu unterrichten.

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§ 65 GemO

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(3) Vor wichtigen Entscheidungen des Verbandsgemeinderats überdie in § 67 bezeichneten Selbstverwaltungsaufgaben, die einzelneOrtsgemeinden betreffen, sind diese zu hören.(4) Der Ortsbürgermeister ist verpflichtet, die Verbandsgemeinde-verwaltung bei der Durchführung ihrer Aufgaben zu unterstützen.

§ 72F i n a n z e n

Soweit die eigenen Einnahmen der Verbandsgemeinde nicht aus-reichen, werden die von ihr benötigten Mittel als Umlage von denOrtsgemeinden aufgebracht. Das nähere bestimmt das Finanzaus-gleichsgesetz.

4. KapitelOrtsbezirke

§ 74B i l d u n g v o n O r t s b e z i r k e n

(1) Um das örtliche Gemeinschaftsleben zu fördern, könnenGemeinden ihr Gebiet nach den Bestimmungen dieses Kapitels inOrtsbezirke einteilen. Die Hauptsatzung bestimmt, ob Ortsbezirkegebildet und wie sie abgegrenzt werden. Dabei kann das gesamteGemeindegebiet in Ortsbezirke eingeteilt werden. Die Änderungoder Aufhebung der Bestimmungen über die Bildung von Orts-bezirken ist nur zum Ende einer Wahlzeit des Gemeinderats zu-lässig.(2) Die Ortsbezirke haben einen Ortsbeirat und einen Ortsvorste-her.

§ 75O r t s b e i r a t

(1) Der Ortsbeirat hat die Belange des Ortsbezirks in der Gemein-de zu wahren und die Gemeindeorgane durch Beratung, Anregungund Mitgestaltung zu unterstützen.(2) Der Ortsbeirat ist zu allen wichtigen Fragen, die den Ortsbe-zirk berühren, vor der Beschlußfassung des Gemeinderats zuhören. Dem Ortsbeirat können bestimmte auf den Ortsbezirk

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§ 72 GemO

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bezogene Aufgaben wie einem Ausschuß des Gemeinderats über-tragen werden.(3) Die Hauptsatzung bestimmt die Zahl der Mitglieder des Ortsbei-rats; die Mitgliederzahl soll mindestens drei, höchstens 15 betragen.

5. KapitelGemeindewirtschaft

1. und 3. AbschnittGemeindevermögen

Wirtschaftliche Betätigung und privatrechtliche Beteiligung der Gemeinde

§ 78E r w e r b u n d Ve r w a l t u n g v o n Ve r m ö g e n

(1) Die Gemeinde soll Vermögensgegenstände nur erwerben,soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist.(2) Das Gemeindevermögen ist pfleglich und wirtschaftlich zuverwalten und ordnungsgemäß nachzuweisen.

§ 79Ve r ä u ß e r u n g v o n Ve r m ö g e n

(1) Die Gemeinde darf Vermögensgegenstände, die sie zur Erfül-lung ihrer Aufgaben nicht braucht, veräußern. Vermögensgegenstän-de dürfen in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden.

§ 85G r u n d s ä t z e

(1) Die Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmen nur errich-ten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn1. der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt,2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemesse-

nen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und demvoraussichtlichen Bedarf steht und

3. der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen ande-ren erfüllt wird oder erfüllt werden kann.

(2) Wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinde sind so zuführen, daß der öffentliche Zweck erfüllt wird; sie sollen einen

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§ 78 GemO

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Überschuß für den Haushalt der Gemeinde abwerfen, soweit diesmit der Erfüllung des öffentlichen Zwecks in Einklang zu bringenist.(3) Wirtschaftliche Unternehmen im Sinne der Absätze 1 und 2sind nicht Einrichtungen, die überwiegend folgenden Zwecken zudienen bestimmt sind:1. Erziehung, Bildung und Kultur,2. Sport und Erholung,3. Sozial- und Jugendhilfe,4. Gesundheitswesen,5. Umweltschutz,6. Wohnungs- und Siedlungswesen,7. der Deckung des Eigenbedarfs der Gemeinde.

4. und 6. AbschnittHaushaltswirtschaft

Rechnungs- und Prüfungswesen

§ 93A l l g e m e i n e H a u s h a l t s g r u n d s ä t z e

(1) Die Gemeinde hat ihre Haushaltswirtschaft so zu planen undzu führen, daß die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist.Dabei ist den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichge-wichts Rechnung zu tragen.(2) Der Haushaltsplan ist nach den Grundsätzen der Sparsamkeitund Wirtschaftlichkeit aufzustellen und auszuführen.(3) Der Haushaltsplan ist in jedem Haushaltsjahr auszugleichen.

§ 94G r u n d s ä t z e d e r E i n n a h m e b e s c h a f f u n g

(1) Die Gemeinde erhebt Abgaben nach den gesetzlichen Vor-schriften.(2) Die Gemeinde hat die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderli-chen Einnahmen1. soweit vertretbar und geboten aus Entgelten für ihre Leistungen,2. im übrigen aus Steuern

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§ 93 GemO

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zu beschaffen, soweit die sonstigen Einnahmen nicht ausreichen.Auf die Erhebung von Fremdenverkehrs- und Kurbeiträgen sowievon Beiträgen für selbständige Immissionsschutzanlagen, Park-flächen und Grünanlagen kann die Gemeinde ganz oder teilweiseverzichten. Im Übrigen kann die Gemeinde durch Satzung regeln,daß kommunale Abgaben nicht festgesetzt und erhoben werden,wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zu dem Ertragstehen.(3) Die Gemeinde darf Kredite nur aufnehmen, wenn eine andereFinanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßigwäre.

§ 96H a u s h a l t s p l a n

(1) Der Haushaltsplan enthält alle im Haushaltsjahr für die Erfül-lung der Aufgaben der Gemeinde voraussichtlich1. eingehenden Einnahmen,2. zu leistenden Ausgaben,3. notwendigen Verpflichtungsermächtigungen.(2) Der Haushaltsplan ist in einen Verwaltungshaushalt und einenVermögenshaushalt zu gliedern. Der Stellenplan für Beamte, Ange-stellte und Arbeiter ist Teil des Verwaltungshaushalts.(3) Der Haushaltsplan ist Grundlage für die Haushaltswirtschaftder Gemeinde. Er ist nach diesem Gesetz und den auf Grund die-ses Gesetzes erlassenen Vorschriften für die Haushaltsführung ver-bindlich.

§ 110R e c h n u n g s p r ü f u n g

(1) Der Bürgermeister legt die Jahresrechnung dem Gemeinderatzur Prüfung vor.

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§ 96 GemO

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6. KapitelStaatsaufsicht

§ 117G r u n d s a t z

Der Staat beaufsichtigt die Gemeinden, um sicherzustellen, daß dieVerwaltung im Einklang mit dem geltenden Recht geführt wird(Rechtsaufsicht). Die Aufsicht ist so zu führen, daß die Entschluß-kraft und die Verantwortungsfreude der Gemeindeorgane gefördertund nicht beeinträchtigt werden.

§ 118A u f s i c h t s b e h ö r d e n

(1) Aufsichtsbehörde ist die Kreisverwaltung als untere Behördeder allgemeinen Landesverwaltung, für kreisfreie und großekreisangehörige Städte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion.Sofern der Landkreis in einer Angelegenheit als Gebietskörper-schaft beteiligt ist, tritt an die Stelle der Kreisverwaltung die Auf-sichts- und Dienstleistungsdirektion.(2) Obere Aufsichtsbehörde ist die Aufsichts- und Dienstleistungs-direktion, für kreisfreie und große kreisangehörige Städte das fach-lich zuständige Ministerium.(3) Oberste Aufsichtsbehörde ist das fachlich zuständige Ministerium.

§ 119G e n e h m i g u n g e n

(1) Satzungen, Beschlüsse und andere Maßnahmen, die der Geneh-migung der Aufsichtsbehörde unterliegen, dürfen erst nach der Ertei-lung der Genehmigung bekanntgemacht oder ausgeführt werden.(2) Rechtsgeschäfte des bürgerlichen Rechtsverkehrs, die ohne einegesetzliche vorgeschriebene Genehmigung der Aufsichtsbehördeabgeschlossen werden, sind unwirksam.

§ 120U n t e r r i c h t u n g s r e c h t

Die Aufsichtsbehörde kann sich, soweit es zur Erfüllung ihrer Auf-gaben erforderlich ist, jederzeit über alle Angelegenheiten der

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§ 117 GemO

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Gemeinde unterrichten; sie kann an Ort und Stelle prüfen undbesichtigen, an Sitzungen teilnehmen, mündliche und schriftlicheBerichte anfordern sowie Akten und sonstige Unterlagen einsehen.

§ 121B e a n s t a n d u n g s r e c h t

Die Aufsichtsbehörde kann Beschlüsse des Gemeinderats und seinerAusschüsse sowie Maßnahmen der Gemeindeverwaltung, die dasbestehende Recht verletzen, beanstanden und verlangen, daß sieinnerhalb einer von ihr bestimmten Frist aufgehoben werden. Siekann ferner verlangen, daß das auf Grund derartiger Beschlüsse oderMaßnahmen Veranlaßte rückgängig gemacht wird. Die beanstande-ten Beschlüsse und Maßnahmen dürfen nicht ausgeführt werden.

§ 122A n o r d n u n g s r e c h t

Erfüllt eine Gemeinde die ihr gesetzlich obliegenden Pflichten undAufgaben nicht, so kann die Aufsichtsbehörde anordnen, daß dieGemeinde innerhalb einer bestimmten Frist das Erforderliche ver-anlaßt.

§ 123A u f h e b u n g s r e c h t , E r s a t z v o r n a h m e

Kommt die Gemeinde einer Anordnung oder einem Verlangen derAufsichtsbehörde nach den §§ 120 bis 122 nicht innerhalb derbestimmten Frist nach, kann die Aufsichtsbehörde beanstandeteBeschlüsse und Maßnahmen aufheben sowie die erforderlichenMaßnahmen anstelle und auf Kosten der Gemeinde selbst durch-führen oder die Durchführung einem Dritten übertragen.

§ 124B e s t e l l u n g e i n e s B e a u f t r a g t e n

(1) Die Aufsichtsbehörde kann einen Beauftragten bestellen, wennund solange1. ein Gemeindeorgan seine gesetzlichen Verpflichtungen nicht

erfüllt und Weisungen der zuständigen Behörden nicht aus-führt und die Befugnisse der Aufsichtsbehörden nach den§§ 120 bis 123 nicht ausreichen oder

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§ 121 GemO

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2. ein Gemeindeorgan rechtlich oder tatsächlich an der Ausübungseiner Befugnisse gehindert ist und die Erfüllung der gemeind-lichen Aufgaben die Bestellung erfordert.

(2) Der Beauftragte kann alle oder einzelne Aufgaben der Gemein-deorgane auf Kosten der Gemeinde wahrnehmen.

§ 125A u f l ö s u n g d e s G e m e i n d e r a t s

Weigert sich der Gemeinderat beharrlich, den Anordnungen undMaßnahmen der Aufsichtsbehörde trotz unanfechtbarer Entschei-dung nachzukommen oder entzieht er sich fortgesetzt der Erfül-lung seiner Aufgaben, so kann er von der obersten Aufsichtsbehör-de aufgelöst werden. Es sind alsdann innerhalb von drei MonatenNeuwahlen durchzuführen.

§ 126R e c h t s m i t t e l

Gegen Anordnungen der Aufsichtsbehörde sowie gegen die Ableh-nung einer gesetzlich vorgeschriebenen Genehmigung kann Klagebeim Verwaltungsgericht erhoben werden; den Widerspruchsbe-scheid erläßt die Bezirksregierung.

191

§ 125 GemO

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P u b l i k a t i o n e nZur ergänzenden Information bietet die Landeszentralefür politische Bildung weitere Schriften an:

„Etwas Kredit hatten wir immer…“Ministerpräsidenten erzählen

Rheinland-Pfalz wird 50Ein „zahlenreicher“ Lebenslauf

Rheinland-Pfalz – Unser LandEine kleine politische Landeskunde

Vom Chaos zur DemokratieDie Entstehung der Parteienin Rheinland-Pfalz 1945–1947

Rheinland-PfalzBeiträge zur Geschichte eines neuen Landes.Nachkriegsjahre bis 1948

Partnerschaft in Europa. Jumelage en EuropeBourgogne – Rhénanie-Palatinat/Burgund – Rheinland-Pfalz

Nachbar Amerika50 Jahre Amerikaner in Rheinland-Pfalz

Anfragen bitte schriftlich unter Beifügung eines Aufklebers mit ihrer Adresse an:

Landeszentrale für politische BildungPostfach 30 28, 55020 Mainz

192

Politische Bildung

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des

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Rheinland - Pfalz

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DeutschlandliedJoseph Haydn komponierte 1796 zu Ehren des damaligen deutschenKaisers Franz II. das „Kaiserlied“; später verwendete er dessen Themaim „Kaiser-Quartett“ (opus 76, Nr. 3).Im Jahre 1841 dichtete (auf der Insel Helgoland) Heinrich Hoffmannvon Fallersleben zu dieser Melodie das „Lied der Deutschen“.Seit 1848 zunehmend als Lied der deutschen Einigungsbewegung ver-breitet, bestimmte es der erste deutsche Reichspräsident Friedrich Ebert1922 zur Nationalhymne.In einem Briefwechsel zwischen Bundespräsident Theodor Heuß undBundeskanzler Konrad Adenauer wurde 1952 vereinbart, daß beioffiziellen Anlässen lediglich die umseitig abgedruckte dritte Strophedes „Deutschlandliedes“ gesungen wird.Aufgrund eines neuerlichen Briefwechsels zwischen BundespräsidentRichard von Weizsäcker und Bundeskanzler Helmut Kohl wurde 1991festgelegt, daß diese 3. Strophe die offizielle Nationalhymne für dasdeutsche Volk ist.

U 3

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Änderungstabelle zur Landesverfassung

Gesetz- u.Lfd. Änderndes Gesetz Datum Verord- Geänderte Art derNr. nungsblatt Artikel Änderung

Seite

1. Landesgesetz zur 27. 4. 1949 141 140 geändertÄnderung desArtikels 140 derVerfassung

2. Landesgesetz zur 15. 6. 1949 225 135 Abs. 2 geändertÄnderung desArtikels 135

3. Landesgesetz zur 23. 7. 1949 285 143 geändertÄnderung desArtikels 143 derVerfassung

4. Bezirksordnung 12. 11. 1949 569 142 Abs. 2 geändertTeil D des Selbst-verwaltungsgesetzes

5. Landesgesetz zur 19. 1. 1952 45 94 Abs. 4 eingefügtErgänzung desArtikels 94 derVerfassung

6. Landesgesetz zur 10. 7. 1952 109 130 Abs. 3 geändertÄnderung desArtikels 130 derVerfassung

7. Landesgesetz zur 7. 12. 1960 269 97 geändertÄnderung desArtikels 97 derVerfassung

8. Landesgesetz zur 8. 2. 1962 28 71 außerErgänzung der 72 KraftVerfassung 73 gesetzt

9. Landesgesetz zur 3. 2. 1964 19 36 Abs. 2 geändertÄnderung des und 3Artikels 36 derVerfassung

10. Landesgesetz zur 1. 7. 1964 111 29 Abs. 4 geändertÄnderung desArtikels 29 derVerfassung

11. Erstes Landesgesetz 28. 7. 1966 203 143 a eingefügtüber die Verwaltungs-vereinfachung im Lande Rheinland-Pfalz

12. Landesgesetz zur 16. 3. 1967 67 63 geändertÄnderung desArtikels 63 derVerfassung

Anh 194

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13. Landesgesetz zur 10. 5. 1967 137 29 neugefaßtÄnderung des 143 b eingefügtArtikels 29 derVerfassung

14. Landesgesetz zur 16. 7. 1968 132 50 geändertÄnderung kommunal-verfassungsrechtlicherVorschriften und zurVorbereitung der Neu-gliederung von Gemeinden

15. Lansdesgesetz zur 14. 2. 1969 61 36 Abs. 2 gestrichenÄnderung des und 3Artikels 36 derVerfassung

16. Zweites Landes- 5. 3. 1970 96 76 Abs. 2 geändertgesetz zur ÄnderungstrafrechtlicherVorschriften

17. Landesgesetz zur 15. 6. 1970 197 129 Abs. 2, geändertÄnderung der 130 Abs. 1,Artikel 129, 130 135und 135 der Verfassung

18. Landesgesetz zur 7. 7. 1970 213 76 Abs. 2, geändertÄnderung wahl- 80 Abs. 2rechtlicherVorschriften

19. Landesgesetz zur 8. 7. 1970 217 28, 29 geändertÄnderung der 30,Artikel 28, 29, 30 143 bund 143 b derVerfassung

20. Zwanzigstes 24. 2. 1971 43 90 a eingefügtLandesgesetz zurÄnderung derLandesverfassung

21. Einundzwanzigstes 20. 12. 1971 1 116–120 geändertLandesgesetz zur (1972)Änderung derLandesverfassung

22. Zweiundzwanzigstes 31. 10. 1974 463 80 Abs. 2 geändertLandesgesetz zurÄnderung derLandesverfassung

Anh 195

Gesetz- u.Lfd. Änderndes Gesetz Datum Verord- Geänderte Art derNr. nungsblatt Artikel Änderung

Seite

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23. Dreiundzwanzigstes 7. 2. 1975 49 82 neugefaßtLandesgesetz zur 135 Abs. 1 geändertÄnderung derLandesverfassung

24. Vierundzwanzigstes 22. 6. 1978 449 81 Abs. 2 aufgehobenLandesgesetz zurÄnderung derLandesverfassung

25. Fünfundzwanzigstes 23. 2. 1979 65 Art. 110 geändertLandesgesetz zurÄnderung derLandesverfassung

26. Sechsundzwanzigstes 19. 11. 1985 259 120 Abs. 2 geändertLandesgesetz zur Satz 3Änderung derLandesverfassung

27. Siebenundzwanzigstes 19. 11. 1985 260 Inhalts- ergänztLandesgesetz zur übersichtÄnderung der 33 geändertLandesverfassung VII. Ab-

schnitt 73 a eingefügt

28. Achtundzwanzigstes 21. 11. 1989 239 79 geändertLandesgesetz zur 80 Abs. 1 neugefaßtÄnderung der 83 Abs. 1 geändertLandesverfassung

29. Neunundzwanzigstes 6. 2. 1990 33 50 Abs. 2 neugefaßtLandesgesetz zur 143 c eingefügtÄnderung derLandesverfassung

30. Dreißigstes 15. 3. 1991 73 Art. 3 Abs. 2, geändertLandesgesetz zur Art. 4 Satz 2Änderung der Art. 5 Abs. 2Landesverfassung u. 4 (neu),

Art. 7 Abs. 2Art. 8 Abs. 2,Art. 9 Abs. 2,Art. 10 u. 12,16 u. 17 Abs. 3,Art. 19 u. 25Abs. 2, Satz 2 u.Abs. 3,Art. 30, Abs. 1Satz 3,Art. 34 Satz 1,Art. 35 Abs. 1,Art. 36, 44u. 49 Abs. 4Art. 50 Abs. 3,

Anh 196

Gesetz- u.Lfd. Änderndes Gesetz Datum Verord- Geänderte Art derNr. nungsblatt Artikel Änderung

Seite

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30. (Fortsetzung) 15. 3. 1991 73 Art. 57 Abs. 4Art. 58 u. 61Abs. 1, 2 u. 3(neu), Art. 68u. 75 Abs. 2Satz 1, Art. 76u. 78 Abs. 2,Art. 83 Abs. 6,Art. 86 Satz 2,Art. 88 u. 92Satz 1, Art. 94Abs. 1 u. 3,Art. 95 Abs. 1Satz 2, Art. 96Abs. 1, Art. 99Abs. 1 u. 4,Art. 101, 102u. 103 Abs. 1Satz 2,Art. 107 u.109 Abs. 1 u. 2Satz 2,Art. 112Satz 1 u. 2,Art. 113, 122, geändert124 u. 126,Abs. 1 u. 2,Art. 127Abs. 1 Satz 2,Art. 128 u.129 Abs. 1,Art. 130 Abs. 1,Art. 131 Abs. 1,Art. 132 Abs. 1,Art. 134Abs. 2 u. 3,Art. 135 Abs. 1,Art. 136

Art. 5 Abs. 3, eingefügtArt. 6 Abs. 2,Art. 55 Abs. 3Satz 2,Art. 77 Abs. 2,Art. 98 Abs. 3,Art. 134 Abs. 4,Art. 135Abs. 3 u. 4

Art. 3 Abs. 1 aufgehobenSatz 2,Art. 15 Abs. 2,

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Gesetz- u.Lfd. Änderndes Gesetz Datum Verord- Geänderte Art derNr. nungsblatt Artikel Änderung

Seite

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30. (Fortsetzung) 15. 3. 1991 73 Art. 32 u. 49Abs. 6,Art. 61 Abs. 2,Art. 63, 64, 69bis 73 u. 103Abs. 1 Satz 3,Art. 127 Abs. 2,Art. 132 Abs. 2,Art. 133Art. 135 Abs. 2,Satz 3 u. 4,Art. 137 Abs. 2,Art. 143 Abs. 2,Art. 143 aArt. 143 b

Art. 5 Abs. 3 neuplaziertu. 4 (alt) wer-den Abs. 4 u.5 (neu),Art. 6 Abs. 2u. 3 (alt) wer-den Abs. 3 u.4 (neu),Art. 61 Abs. 3u. 4 (alt) wer- neuplaziertden Abs. 2 u.3 (neu),Art. 73 a (alt)wird Art. 69(neu)

31. Einunddreißigstes 24. 9. 1993 471 50 neugefaßtLandesgesetz zur 143 c aufgehobenÄnderung der Abs. 1Landesverfassung Satz 2 u. 3,

Abs. 2

143 d eingefügt

32. Zweiunddreißigstes 13. 12. 1993 591 85 a eingefügtLandesgesetz zurÄnderung derLandesverfassung

33. Dreiunddreißigstes 12. 10. 1995 405 Art. 50 eingefügtLandesgesetz zur Abs. 1Änderung der Satz 2Landesverfassung

Anh 198

Gesetz- u.Lfd. Änderndes Gesetz Datum Verord- Geänderte Art derNr. nungsblatt Artikel Änderung

Seite

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34. Vierunddreißigstes 8. 3. 2000 65 Art. 3 eingefügtLandesgesetz zur Abs. 2Änderung der Art. 3 neuplaziertLandesverfassung Abs. 2 (alt)

und 3 (neu)Art. 4 a eingefügtArt. 17 neugefasstAbs. 3Art. 17 eingefügtAbs. 4Art. 19a eingefügtArt. 23 neugefasstArt. 24 neugefasstArt. 25 gestrichenAbs. 2 Satz 2Art. 40 neugefasstAbs. 1Art. 40 eingefügtAbs. 4Art. 51 neugefasstArt. 53 geändertAbs. 1Art. 53 neugefasstAbs. 2Art. 56 geändertAbs. 1 Satz 1Art. 63 eingefügtArt. 64 eingefügtArt. 69 neugefasstArt. 70 eingefügtArt. 74a eingefügtArt. 79 neugefasstArt. 83 neugefasstArt. 85 geändertAbs. 2 Satz 1Art. 85a eingefügtArt. 89a eingefügtArt. 89b eingefügtArt. 92 geändertSatz 1Art. 97 neugefasstAbs. 1Art. 108 neugefasstArt. 108a eingefügtArt. 109 neugefasstAbs. 3–5Art. 114 neugefasstArt. 115 neugefasstÜberschrift neugefasstdes VII. AbschnittsArt. 130 neugefasst

Anh 199

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Abs. 1Art. 130a eingefügtArt. 134 neugefasstAbs. 2Art. 134 neugefasstAbs. 3 Satz 1Art. 134 eingefügtAbs. 3 Satz 2Art. 134 neuplaziertAbs. 3 Satz 2und 3 (alt) wurdenSatz 3 und 4 (neu)Art. 134 neugefasstAbs. 4Art. 134 eingefügtAbs. 5Art. 135 geändertAbs. 1Art. 135 neugefasstAbs. 2Art. 135 gestrichenAbs. 4Art. 143a eingefügtArt. 143b eingefügt

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Gesetz- u.Lfd. Änderndes Gesetz Datum Verord- Geänderte Art derNr. nungsblatt Artikel Änderung

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