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SBZ 14/15-12 42 Rohrdurchmesser nach DIN 1988-300 Anfang Mai wurden die beiden letzten Teile (200 und 300) der DIN 1988 veröffentlicht. Damit sind alle nationalen Ergänzungsnormen zur DIN EN 806 fertig- gestellt. Die DIN 1988-300 beschreibt die anzuwendenden Berechnungsgänge zur Dimensionie- rung von Trinkwasserinstallationen. Eine Berechnung von Hand ist aufgrund der Komplexität der Zusammenhänge nicht mehr leistbar. Planer und Installateure sollten dennoch die Zusammen- hänge verstehen, um die Rechenergebnisse interpretieren zu können. Peter Reichert D ie DIN 1988-300 „Ermittlung der Rohr- durchmesser“ mit Ausgabedatum Mai 2012 beschreibt die künftig anzuwendenden Berechnungsgrundlagen zur Dimensionie- rung von Trinkwasserinstallationen. Sie ist die nationale Ergänzungsnorm zur DIN EN 806- 3, die aufgrund ihrer zu geringen Normungs- tiefe für die deutschen Anwenderkreise wei- tergehende Regelungen erforderlich machte. Als Europäischer Mindeststandard ist die Di- mensionierung von Trinkwasserinstallationen in DIN EN 806-3:2006-06 „Berechnung der Rohrinnendurchmesser – Vereinfachtes Ver- fahren“ geregelt. DIN EN 806-3 beschreibt ein vereinfachtes Dimensionierungsverfah- ren, welches ausschließlich für „Normalins- tallationen“ verwendet werden darf. Es han- delt sich hierbei um ein Belastungswertver- fahren, bei dem die Rohrdurchmesser in Abhängigkeit der Anzahl installierter Entnah- mestellen und Sanitärapparate über Tabellen ermittelt werden. Die tatsächlichen Druck- verhältnisse vor Ort und weitere wichtige Pa- rameter wie z. B. die geodätische Höhe, Druckverlust in Apparaten und Mindest- fließdruck der Entnahmearmaturen werden hierbei nicht berücksichtigt. Auch die Bemes- sung von Zirkulationssystemen ist in DIN EN 806-3 nicht beschrieben. Insofern ist die Anwendung dieses Berechnungsverfahrens im Einzelfall sorgfältig zu prüfen und abzuwä- gen. Anwendungsbereiche Die DIN 1988-300 beschränkt den Anwen- dungsbereich der DIN EN 806-3. Danach dürfen lediglich die Rohrdurchmesser für Kalt- und Warmwasserverbrauchsleitungen in Wohngebäuden mit bis zu sechs Wohnun- gen nach DIN EN 806-3 bestimmt werden, sofern der Versorgungsdruck ausreicht und die Hygiene sichergestellt ist. Alle anderen Trinkwasserinstallationen müssen nach dem differenzierten Berechnungsverfahren di- mensioniert werden. Die DIN 1988-300 gilt in Verbindung mit den Reihen DIN 1988 und DIN EN 806 für Planung, Errichtung, Änderung, Instandhal- tung und Betrieb von Trinkwasserinstallatio- nen in Gebäuden und auf Grundstücken und dient zur Ermittlung der Rohrdurchmesser für Trink- und Warmwasserleitungen sowie zur Bestimmung der Bauteilgrößen (Zirkulations- leitungen, Pumpe, Drosselventile) für Zirkula- tionssysteme. Das Regelwerk zielt darauf ab, bei Spitzenbelastung des Systems die kleinst- möglichen Innendurchmesser zu ermögli- chen und dabei die Mindestdurchflüsse an allen Entnahmestellen sicherzustellen. Ana- log zur DIN 1988-3 ist das ermittelte Rohrrei- bungsdruckgefälle der Dimensionierungs- parameter für alle Teilstrecken. Wesentliche Neuerungen Die wesentlichen Neuerungen der DIN 1988- 300 sind: Anpassung der Berechnungs- und Spitzendurchflüsse an die heutigen Gegebenheiten Einführung von Nutzungseinheiten zur besseren Erfassung der Spitzen- belastungen am Strangende Berechnungsstartpunkt nach dem Wasserzähler Berücksichtigung herstellerspezifischer Daten Berücksichtigung der Temperatur- abhängigkeit Modifiziertes Berechnungsverfahren für Zirkulationsanlagen Im Folgenden sind die Grundlagen zur Dimensionierung von Trinkwasserleitungen dargestellt. Das in DIN 1988-300 beschriebe- ne Verfahren zur Dimensionierung von Zirku- lationsleitungen ist eine Weiterentwicklung des differenzierten Verfahrens nach DVGW W Grundlagen zur Dimensionierung SANITäR - - - Trinkwasserinstallation

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Rohrdurchmesser nach DIN 1988-300 ▪ Anfang Mai wurden die beiden letzten Teile (200 und 300) der DIN 1988 veröffentlicht. Damit sind alle nationalen Ergänzungsnormen zur DIN EN 806 fertig-gestellt. Die DIN 1988-300 beschreibt die anzuwendenden Berechnungsgänge zur Dimensionie-rung von Trinkwasserinstallationen. Eine Berechnung von Hand ist aufgrund der Komplexität der Zusammenhänge nicht mehr leistbar. Planer und Installateure sollten dennoch die Zusammen-hänge verstehen, um die Rechenergebnisse interpretieren zu können. → Peter Reichert

Die DIN 1988-300 „Ermittlung der Rohr-durchmesser“ mit Ausgabedatum Mai

2012 beschreibt die künftig anzuwendenden Berechnungsgrundlagen zur Dimensionie-rung von Trinkwasserinstallationen. Sie ist die nationale Ergänzungsnorm zur DIN EN 806-3, die aufgrund ihrer zu geringen Nor mungs-tiefe für die deutschen Anwenderkreise wei-tergehende Regelungen erforderlich machte. Als Europäischer Mindeststandard ist die Di-mensionierung von Trinkwasserinstallationen in DIN EN 806-3:2006-06 „Berechnung der Rohrinnendurchmesser – Vereinfachtes Ver-fahren“ geregelt. DIN EN 806-3 beschreibt ein vereinfachtes Dimensionierungsverfah-ren, welches ausschließlich für „Normalins-tallationen“ verwendet werden darf. Es han-delt sich hierbei um ein Belastungswertver-fahren, bei dem die Rohrdurchmesser in Abhängigkeit der Anzahl installierter Entnah-mestellen und Sanitärapparate über Tabellen ermittelt werden. Die tatsächlichen Druck-verhältnisse vor Ort und weitere wichtige Pa-rameter wie z. B. die geodätische Höhe, Druckverlust in Apparaten und Mindest-fließdruck der Entnahmearmaturen werden hierbei nicht berücksichtigt. Auch die Bemes-sung von Zirkulationssystemen ist in DIN EN 806-3 nicht beschrieben. Insofern ist die

Anwendung dieses Berechnungsverfahrens im Einzelfall sorgfältig zu prüfen und abzuwä-gen.

AnwendungsbereicheDie DIN 1988-300 beschränkt den Anwen-dungsbereich der DIN EN 806-3. Danach dürfen lediglich die Rohrdurchmesser für Kalt- und Warmwasserverbrauchsleitungen in Wohngebäuden mit bis zu sechs Wohnun-gen nach DIN EN 806-3 bestimmt werden, sofern der Versorgungsdruck ausreicht und die Hygiene sichergestellt ist. Alle anderen Trinkwasserinstallationen müssen nach dem differenzierten Berechnungsverfahren di-mensioniert werden.

Die DIN 1988-300 gilt in Verbindung mit den Reihen DIN 1988 und DIN EN 806 für Planung, Errichtung, Änderung, Instandhal-tung und Betrieb von Trinkwasserinstallatio-nen in Gebäuden und auf Grundstücken und dient zur Ermittlung der Rohrdurchmesser für Trink- und Warmwasserleitungen sowie zur Bestimmung der Bauteilgrößen (Zirkulations-leitungen, Pumpe, Drosselventile) für Zirkula-tionssysteme. Das Regelwerk zielt darauf ab, bei Spitzenbelastung des Systems die kleinst-möglichen Innendurchmesser zu ermögli-chen und dabei die Mindestdurchflüsse an

allen Entnahmestellen sicherzustellen. Ana-log zur DIN 1988-3 ist das ermittelte Rohrrei-bungsdruckgefälle der Dimensionierungs-parameter für alle Teilstrecken.

Wesentliche NeuerungenDie wesentlichen Neuerungen der DIN 1988-300 sind: ▪ Anpassung der Berechnungs- und

Spitzendurchflüsse an die heutigen Gegebenheiten

▪ Einführung von Nutzungseinheiten zur besseren Erfassung der Spitzen-belastungen am Strangende

▪ Berechnungsstartpunkt nach dem Wasserzähler

▪ Berücksichtigung herstellerspezifischer Daten

▪ Berücksichtigung der Temperatur-abhängigkeit

▪ Modifiziertes Berechnungsverfahren für Zirkulationsanlagen

Im Folgenden sind die Grundlagen zur Dimensionierung von Trinkwasserleitungen dargestellt. Das in DIN 1988-300 beschriebe-ne Verfahren zur Dimensionierung von Zirku-lationsleitungen ist eine Weiterentwicklung des differenzierten Verfahrens nach DVGW W

Grundlagen zur Dimensionierung

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553. Das Kurzverfahren und das vereinfachte Verfahren nach DVGW W 553 finden auf-grund des pauschalierten Ansatzes keine An-wendung mehr in DIN 1988-300. Diese voll-zogene Weiterentwicklung des differenzier-ten Verfahrens nach DVGW W 553 besteht in der Ausschöpfung des sogenannten Bei-mischpotenzials in den Stromvereinigungs-punkten.

Während bei der Auslegung nach DVGW W-553 von konstanten Strangkopftempera-turen ausgegangen wird, sind diese bei Aus-nutzung des Beimischpotenzials unterschied-lich. Dabei werden die Temperaturen in der Sammelleitung vor den Stromvereinigungs-punkten abgesenkt. Aus den Strängen wird dagegen wärmeres Wasser beigemischt, so-dass die in Fließrichtung gesehen nächste Sammelleitungsteilstrecke in der Temperatur wieder angehoben wird. Diese Beimischung hat zur Folge, dass die Temperaturspreizun-gen zum Ende des Netzes hin größer und die Zirkulationsvolumenströme und Druckverlus-te entsprechend kleiner werden als bei der Aufteilung nach DVGW W-553.

Rohrdurchmesser ermittelnDie Rohrdurchmesser aller Teilstrecken einer Trinkwasserinstallation werden im Grundsatz nach folgendem Schema ermittelt: ▪ Berechnungsdurchflüsse der Entnahme-

armaturen ermitteln ▪ Summendurchflüsse ermitteln und den

Teilstrecken zuordnen ▪ Spitzendurchfluss aus dem Summen-

durchfluss ermitteln ▪ Verfügbares Rohrreibungsdruckgefälle für

alle Fließwege berechnen ▪ Rohrdurchmesser für den ungünstigsten

Fließweg bestimmen ▪ Verfügbares Rohrreibungsdruckgefälle

und Rohrdurchmesser für den nächsten ungünstigen Fließweg bestimmen

▪ Schritt 6 wiederholen, bis alle Teilstre-cken bemessen sind

BerechnungsdurchflussDer Berechnungsdurchfluss V ˙ R ist der Ent- nahmearmaturendurchfluss. Um die Ge-brauchstauglichkeit einer Entnahmearmatur zu gewährleisten, muss unmittelbar vor der Armatur der Mindestfließdruck pminFl zur Ver-fügung stehen. Er korrespondiert mit dem Mindestarmaturendurchfluss V ˙ min , der an der hydraulisch ungünstigsten Stelle bei Belas-tung mit dem Spitzendurchfluss noch garan-tiert sein muss. Der dem Rechengang zu-grunde gelegte Berechnungsdurchfluss V ˙ R

gibt unter Berücksichtigung der oberen und unteren Fließbedingungen den Mindest-durchfluss der Armatur oder einen Mittelwert an. Grundsätzlich sind hierbei die Angaben

der Hersteller zu berücksichtigen. Diese müs-sen folglich den Mindestfließdruck und den Berechnungsdurchfluss angeben.

Wenn zum Zeitpunkt der Planung noch keine Festlegung auf die Fabrikate vorliegt, kann unter Beachtung der nachstehenden Erläute-rungen mit Referenzwerten aus Tabelle 2 der DIN 1988-300 gerechnet werden. Dabei ist Folgendes zu beachten:A: Nach der Auswahl der Armaturen liegen

die tatsächlichen Werte unter den Richt-werten aus Tabelle 2.

▪ in Absprache mit dem Bauherrn nach-trägliche Neubemessung mit den tat-sächlichen Werten und Aufnahme der Auslegungsvoraussetzungen in z. B. das Raumbuch

▪ keine Nachberechnung mit Schaffung von „Reserven“

B: Die tatsächlichen Werte liegen über den Richtwerten aus Tabelle 2.

▪ Neubemessung mit den tatsächlichen Werten.

SummendurchflussDer Summendurchfluss ∑ V ˙ R wird durch Addi-tion der Berechnungsdurchflüsse gebildet. Am Ende eines Fließweges beginnend, wer-den entgegen der Fließrichtung in Richtung Berechnungsstartpunkt die einzelnen Berech-nungsdurchflüsse aufsummiert und den je-weiligen Teilstrecken zugeordnet. Eine Teil-strecke beginnt, in Fließrichtung gesehen, mit dem Formstück, an dem sich der Summen-durchfluss, der Rohrwerkstoff oder der Rohr-durchmesser ändert. Die Summendurchflüsse sind für den Kalt- und Warmwasserweg sepa-rat zu bestimmen, an der Abzweigstelle vor dem Trinkwassererwärmer addieren sich die beiden Summendurchflüsse von Kalt- und Warmwasserweg. Im Grundsatz sind alle Be-

rechnungsdurchflüsse von Entnahmestellen und Sanitärapparaten zu erfassen. Wasserent-nahmen mit einer Dauer > 15 Minuten wer-den als Dauerverbraucher definiert. Sie gehen nicht in die rechnerische Ermittlung von Sum-men- und Spitzendurchfluss ein. Die Durch-flüsse von Dauerverbrauchern werden zum Spitzendurchfluss der anderen Entnahmestel-len addiert. Innerhalb einer Nutzungseinheit greift jedoch eine Ausnahme von dieser Re-gel, die im Folgenden erläutert wird.

SpitzendurchflussDer Spitzendurchfluss V ˙ S ist der maßgebende Durchfluss, für den die Rohrleitungen dimen-sioniert werden. Der Spitzendurchfluss redu-ziert unter Berücksichtigung der nutzungsab-hängigen Gleichzeitigkeit der Wasserentnah-me den Summendurchfluss ∑ V ˙ R. Der Spitzen-durchfluss wird nach folgender Gleichung bestimmt.

Für die Konstanten a, b, c, gilt die folgende Tabelle 1.

Grafische Darstellung der Spitzenvolumenstromkurven.1

Nutzungsart a b c

Wohngebäude, Einrichtung für Betreutes Wohnen, Seniorenheim

1,48 0,19 0,94

Bettenhaus im Krankenhaus

0,75 0,44 0,18

Hotel 0,70 0,48 0,13

Schule, Verwaltungs-gebäude

0,91 0,31 0,38

Pflegeheim 1,40 0,14 0,92

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Bild 1 zeigt die grafische Darstellung der Spitzen volumenstromkurven. Die Bilder 2 und 3 verdeutlichen die signifikanten Verän-derungen bei der Bewertung des Spitzen-durchflusses.

Einführung von Nutzungs einheitenDie Senkung der Spitzenvolumenstromkur-ven führt tendenziell zu kleineren Rohrdurch-messern in den Hausanschluss- und Verteillei-tungen. Aus den Bildern 2 und 3 ist ersicht-lich, dass sich bei geringen Volumenströmen kaum Änderungen ergeben, so dass in den endsträngigen Anlagenteilen (Stockwerksins-tallation) ein neuer Gleichzeitigkeitsansatz gefunden werden musste. Deshalb wurden sog. Nutzungseinheiten (NE) definiert. Eine

Nutzungseinheit ist ein Raum mit Entnahme-stellen oder Sanitärapparaten mit wohnungs-ähnlicher Nutzung. Die Nutzung ist dadurch charakterisiert, dass maximal zwei Entnah-mestellen gleichzeitig geöffnet sind.Beispiele für Nutzungseinheiten sind:– Bad im Wohnungsbau– Küche– Hausarbeitsraum– Hotelbad– Bad in Altenheim oder in BettenhausInnerhalb einer Nutzungseinheit gilt für die Ermittlung des Summendurchflusses folgen-de Ausnahme: ▪ Innerhalb einer Nutzungseinheit wird ein

zweites Waschbecken, eine Duschwanne zusätzlich zur Badewanne, ein Bidet und

Urinal bei der Ermittlung des Summen-durchflusses nicht berücksichtigt.

Für die Spitzenvolumenstromermittlung gilt bei Nutzungseinheiten: ▪ Der Spitzenvolumenstrom innerhalb ei-

ner Nutzungseinheit wird durch die Auf-summierung der beiden größten Einzel-berechnungsdurchflüsse bestimmt.

▪ Werden an eine Teilstrecke zwei oder mehrere Nutzungseinheiten angeschlos-sen, addieren sich die Spitzendurchflüsse der beiden Nutzungseinheiten, sofern der sich damit ergebende Spitzendurch-fluss kleiner ist als der nach Gleichung „Nutzungsart“ berechnete.

Die nachstehenden Beispiele (Bild 4 + 5) zeigen die Systematik dieser Ausnahme regeln auf.

Grafische Darstellung der Spitzenvolumenstromkurven bei Wohngebäuden. 2

3Grafische Darstellung der Spitzenvolumenstromkurven bei Schulen.

Die wesentlichen ÄnderungenDie DIN 1988-300 „Ermittlung der Rohrdurchmesser“ ersetzt die DIN 1988-3 aus dem Jahr 1988. Über mehr als zwei Jahrzehnte haben Planer und Ausführende in der Praxis gute Erfah-rungen mit den Berechnungsgängen der DIN 1988-3:1988-12 gemacht. Deshalb wurde der etablierte Kern des differenzierten Berechnungsganges für die Ermittlung der Rohrdurchmesser für die Kalt- und Warmwasserleitungen in DIN 1988-300 übernommen. Die wesentlichen Änderungen in der Über-arbeitung sind:

▪ Anpassung der Berechnungs- und Spitzendurchflüsse auf die heutigen Gegebenheiten

▪ Einführung von Nutzungseinheiten zur besseren Erfassung der Spitzen-belastungen am Strangende

▪ Berücksichtigung herstellerspezifi-scher Daten

▪ Berechnungsstartpunkt nach dem Wasserzähler

▪ Berücksichtigung der Tempera-turabhängigkeit

▪ Modifiziertes Berechnungsverfahren für Zirkulationsanlagen

Diese Neuerungen müssen nun in die verschiedenen Rechenprogramme zur Dimensionierung von Trinkwasserlei-tungen implementiert werden. In eini-gen Softwarelösungen, wie Geberit ProPlanner 2012 oder Kemper Dendrit Studio 2012 sind die Änderungen be-reits umgesetzt.

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Beispiel 1

▪ Badezimmer mit WC, Bidet, zwei Waschtischen, einer Dusche und einer Badewanne

▪ Stockwerksleitung PWC ▪ eine Nutzungseinheit

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Beispiel 2 ▪ Badezimmer mit WC, Waschtisch, Dusche und

Badewanne (Nutzungseinheit NE 1) ▪ Küche mit Küchenspüle (Nutzungseinheit NE 2) ▪ Gemeinsame Stockwerksleitung PWC ▪ Nutzungsart Wohngebäude

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Ermittlung des verfügbaren DruckgefällesFür jeden Fließweg (Strömungsweg vom Be-rechnungsstartpunkt bis zur Entnahmearma-tur) in einer Trinkwasserinstallation muss das verfügbare Rohrreibungsdruckgefälle RV in hPa/m ermittelt werden.

Das Rohrreibungsdruckgefälle RV [hPa/m] ist als Orientierungswert zu verstehen, mit dem die Rohrdurchmesser bestimmt werden. Geändert haben sich der Berechnungsstart-punkt sowie die differenziertere Betrachtung weiterer Druckverluste. Der Startpunkt der Berechnung liegt nun hinter dem Wasserzäh-ler und wird als Fließdruck pminWZ bezeichnet. Der Wasserversorger ist aufgefordert, auf An-frage den Fließdruck nach dem Wasserzähler anzugeben. Wenn das WVU lediglich den Mindestversorgungsdruck in der Versor-gungsleitung SPLN (pminV) angibt oder über die Hausanschlussleitung keine hydraulisch relevanten Daten verfügbar sind, werden pauschal angesetzt:– Druckverlust der Hausanschlussleitung ΔpHAL = 200 hPa

– Druckverlust im Hauswasserzähler ΔpWZ = 650 hPa

Druckminderer beachtenIst der Einbau eines Druckminderers vorgese-hen, soll überprüft werden, ob der für die Be-rechnung angesetzte Versorgungsdruck dau-erhaft gewährleistet ist. Ist dies sichergestellt, gilt als Startpunkt der Dimensionierung der als Sollwert eingestellte Ausgangsdruck des Druckminderers. Wenn in Zeiten zu geringen Versorgungsdruckes ein Druckminderer nicht notwendig ist, ist der Einzelwiderstand des geöffneten Druckminderers als Apparate-widerstand zu berücksichtigen.

Bei den Druckverlusten aller im Fließweg eingebauten Apparate (∑∆pAp ) sind grund-sätzlich die Herstellerangaben zu berück-sichtigen. Aus den für einen Betriebspunkt angegebenen Werten sind die tatsächlichen Druckverluste rechnerisch zu ermitteln. Dies gilt sowohl für die Druckverluste in Filtern, Enthärtungs- und Dosieranlagen als auch für Gruppen-Trinkwassererwärmer. Separat be-trachtet werden hierbei auch die Druckver-luste aus Rückflussverhinderern (∑∆pRV), weil sich diese Druckverluste aufgrund der un- terschiedlichen, herstellerspezifischen An-sprechdrücke nicht über einen Widerstands-beiwert erfassen lassen. Für alle anderen Ein-

zelwiderstände aus Form- und Verbindungs-stücken ist in die Gleichung für das verfüg-bare Druckgefälle ein prozentualer Wert a einzusetzen. Als Erfahrungswert für Wohnge-bäude werden hierbei 40 bis 60 Prozent an-gesetzt. Dies ist jedoch lediglich eine Hilfs-größe zur Bestimmung des RV. Nach Festle-gung der Rohrdurchmesser und Berechnung der Druckverluste aus Rohrreibung und Ein-zelwiderständen muss später überprüft wer-

den, ob die ge-troffene Annah-me des prozen-tualen Wertes a

zutreffend war. Gegebenenfalls ist ein zweiter Rechengang mit geänderten Rohrdurchmes-sern erforderlich.

Bestimmung der RohrdurchmesserZunächst wird für jede Teilstrecke des hyd-raulisch ungünstigsten Fließweges unter Be-rücksichtigung des rechnerischen Spitzen-durchflusses ein Rohrdurchmesser gewählt, dessen Rohrreibungsdruckgefälle möglichst nahe am zuvor ermittelten Wert Rv liegt. Da-bei dürfen die maximalen rechnerischen Fließgeschwindigkeiten und die verfügbare Druckdifferenz für Rohrreibung und Einzelwi-derstände nicht überschritten werden. Bei der Dimensionierung hat die max. zulässige Fließgeschwindigkeit lediglich eine Begren-zungsfunktion, sie ist nicht der Dimensionie-rungsparameter. In der Hausanschlussleitung darf sie 2 m/s nicht überschreiten, in Ver-brauchsleitungen kann sie in Abhängigkeit von Dauerverbrauchern und Widerstandsbei-werten von Absperrarmaturen bis zu 5 m/s betragen. Bei der Dimensionierung der hyd-raulisch günstigeren Fließwege sind die Druckverluste der bereits bemessenen Teil-strecken zu berücksichtigen. Bei der Auswahl der Rohrdurchmesser wird zukünftig auch der Einfluss der Wassertemperatur auf den Rohrreibungsdruckverlust berücksichtigt. Bei erwärmtem Trinkwasser ergeben sich auf-grund der geringeren Dichte und der gerin-geren kinematischen Viskosität niedrigere Rohrreibungsdruckverluste als bei kaltem Trinkwasser. Die Rohrhersteller müssen künf-tig also Druckverlusttabellen für Kaltwasser-leitungen (10 °C) und Warmwasserleitungen (60 °C) zur Verfügung stellen.

Produktneutrale AusschreibungNach DIN 1988-300 müssen im Grundsatz alle Druckverlust verursachenden Einflussgrö-ßen herstellerspezifisch erfasst werden. Für produktneutrale Berechnungen als Grundla-ge für produktneutrale Ausschreibungen können die Rohrinnendurchmesser nach DIN 1988-300, Anhang A, Tabelle A.1 in Verbin-

dung mit den Widerstandsbeiwerten nach DIN 1988-300, Anhang A, Tabellen A.2 bis A.5 verwendet werden. Beim Einsatz von Gruppen-Trinkwassererwärmern können zu-dem die Referenzwerte für Druckverluste nach DIN 1988-300, Tabelle 4 verwendet werden. Mit diesen Referenzwerten wird ein Dimensionierungsergebnis erzielt, welches mit hinreichender Genauigkeit für alle Rohr-leitungssysteme im Ausschreibungsprozess anwendbar ist. Nach der Vergabe muss je-doch im Zuge der Montageplanung mit dem tatsächlich zum Einsatz kommenden Rohrlei-tungssystem und gegebenenfalls mit dem tatsächlich zum Einsatz kommenden Grup-pen-Trinkwassererwärmer nachgerechnet werden.

Fazit und Status quoAls Weiterentwicklung der schon bei der DIN 1988-3 zugrunde gelegten wissenschaftlichen Basis reflektiert die DIN 1988-300 die neuesten Erkenntnisse. Nachdem die Reihe der DIN EN 806 nun vollständig vorliegt und auch die na-tionalen Ergänzungsnormen der Reihe 1988 in den Teilen 100 bis 600 fertiggestellt sind, sind die alten Teile der DIN 1988 1 bis 8 außer Kraft gesetzt. Wie schnell die DIN 1988-300 Ein-gang in die Praxis finden wird und den Status einer allgemein anerkannten Regel der Technik erlangt, hängt unter anderem von der Verfüg-barkeit der Kenndaten der Hersteller ab. Zur-zeit arbeiten diese mit Hochdruck an der Erstel-lung dieser Datensätze sowie deren Integra-tionsfähigkeit in die entsprechenden Planungs-programme. Hierzu enthält die DIN 1988-300 den Vorschlag, den Datenaustausch gemäß VDI 3805 zu regeln. Die Tiefe des in der DIN 1988-300 vorgeschriebenen Berechnungsver-fahrens hat zur Folge, dass nun wesentlich mehr Daten für die Dimensionierung benötigt werden. Daraus resultiert wiederum die Not-wendigkeit, neue Softwareprogramme zu ent-wickeln, deren Logik den Vorgaben der DIN 1988-300 folgt. Eine Berechnung von Hand ist aufgrund der Komplexität der Zusammenhän-ge von Hand nicht mehr leistbar. Planer und Installateure sollten dennoch die Zusammen-hänge verstehen, um die Rechenergebnisse interpretieren zu können.

Peter Reichert leitet das Produktmanage-ment Rohrleitungs-systeme der Geberit

Vertriebs GmbH in 88630 Pfullendorf, [email protected]

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