Grundwerte des Sports - DSG Wien · GRUNDWERTE DES SPORTS – ıHRE VERMıTTLUNG UND UMSETZUNG ıN...

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Schriftenreihe der Christlichen Sportakademie Österreichs Heft Nr. 20 GRUNDWERTE DES SPORTS - GRUNDWERTE DES SPORTS - GRUNDWERTE DES SPORTS - GRUNDWERTE DES SPORTS - ıHRE VERMıTTLUNG UND UMSETZUNG ıHRE VERMıTTLUNG UND UMSETZUNG ıHRE VERMıTTLUNG UND UMSETZUNG ıHRE VERMıTTLUNG UND UMSETZUNG ıN DER ZUKUNFT ıN DER ZUKUNFT ıN DER ZUKUNFT ıN DER ZUKUNFT Prof. Dr. Helmut Altenberger anlässlich der Feier des Sportlerbesinnungstages und der Gründungsveranstaltung des Wissenschaftlichen Beirates des Apostolischen Werks „Kirche und Sport“ in Österreich im Dezember 2000

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Schriftenreihe der Christlichen Sportakademie Österreichs

Heft Nr. 20

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Prof. Dr. Helmut Altenberger anlässlich derFeier des Sportlerbesinnungstages und der

Gründungsveranstaltung des WissenschaftlichenBeirates des Apostolischen Werks „Kirche und Sport“

in Österreich im Dezember 2000

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Prof. Dr. Helmut Altenberger anlässlich derFeier des Sportlerbesinnungstages und der

Gründungsveranstaltung des WissenschaftlichenBeirates des Apostolischen Werks „Kirche und Sport“

in Österreich im Dezember 2000

Wien 2001, im Eigenverlagvon Kirche und Sport, 1010 Wien

Herausgeber: Hans Gärtner

GRUNDWERTE DES SPORTS – ıHREGRUNDWERTE DES SPORTS – ıHREGRUNDWERTE DES SPORTS – ıHREGRUNDWERTE DES SPORTS – ıHRE

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ıN DER ZUKUNFTıN DER ZUKUNFTıN DER ZUKUNFTıN DER ZUKUNFT

Inhaltsverzeichnis:

1. Was sind Grundwerte des Sports -inhaltlicher Einstieg und Aufriss 7 – 11

2. Kritische Analyse undGefährdungen der Grundwerte des Sports 12 – 15

3. Neuorientierung, neuere inhaltliche Ansätze 16 - 24

4. Vermittlung und Umsetzung 25 - 31

5. Literatur 32 – 34

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50 JahreDiözesansportgemeinschaft Wien

Prof. Mag. Manfred SteinerObmann der Union Katholischen Jugend –Diözesansportgemeinschaft Wien

Nicht zeitgeistig, aber modern – derandere Sportverein

Das 50-jährige Bestandsjubiläum veranlasst uns zurHerausgabe dieses von Prof. Dr. Helmut Altenbergeranlässlich der Feier des Sportlerbesinnungstages undder Gründungsveranstaltung des WissenschaftlichenBeirats des Apostolischen Werks „Kirche und Sport“ inÖsterreich am 10.12.2000 in St. Pölten gehaltenenVortrags.Vieles, was in diesem Vortrag zur Sprache kommt, hatauch für unsere Aufgaben und Ziele große Relevanz.Gerade in unseren Tagen ist die Mission für einen in dieJahre gekommenen Sportverein keineswegs klar definiertoder gar erledigt; ganz im Gegenteil sie hat immer eineneue Herausforderung zu sein.Kritisch das eigene Handeln zu reflektieren und Verant-wortung insofern zu übernehmen, trendige Entwicklungenauf ihre sportethische Qualität zu hinterfragen und dortzurück zu bleiben, wo bedenkliche Dimensionen offenbar

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werden, ist unser Programm. Wir sind der andereSportverein, der sich weder der Wellness-Welle, nochden Extremsportarten mit ihren sogenannten „Kicks“verschrieben hat, der aber trotzdem nachgefragt ist,vielleicht gerade bei den vielen, die sich mediengerechtdurchgestylte Events entweder nicht leisten können oderwollen.Wir holen „unsere“ Sportler dort ab, wo sie stehen. Nichtder nationale oder internationale Rekord ist gefragt,sondern die von Altenberger postulierte Zielsetzung imSport „das Maß des eigenen Lebens“ zu finden. Dazubedarf es einer behutsamen Anleitung und Begleitung. Ineiner Welt, in der nur das Extreme zählt, weil ver-marktbar, eben Spitzensport, ist es eine große Heraus-forderung gebunden an viele Barrieren, dem Einzelnendeutlich zu machen, dass der Maßstab nicht außer dereigenen Person liegen kann, kalkuliert man nicht daseine oder andere Risiko bewusst ein. Nicht das Absolute,sondern nur das Relative zählt in diesem Zu-sammenhang, will der Sport nicht in Gefahr geratenmenschenüberfordernd und –verachtend zu werden.Aus unserem christlichen Weltbild können wir dies nichtvertreten und sind erfolgreich: Wie viele sind unsdankbar, sich bei uns nicht den allseits präsentenSpitzensportkriterien unterziehen zu müssen. Bewusstversuchen wir die Abkoppelung von den Vorgaben derMedien- und Werbewirtschaft, wir wollen für „unsere“Sportler Raum schaffen für die Möglichkeit der Rück-besinnung auf das Selbst und seine Grenzen. So stehtauch der agonale Charakter im Mittelpunkt unseresSporttreibens, nicht das Siegen um jeden Preis. Dassdieses Denken auch in Fachverbänden gefragt ist, zeigtdas Beispiel Wiener Fußballverband. Die Eingliederungunserer Meisterschaft in diesen kostete uns nicht

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Vereine, sondern vermehrte diese. Ursachen hierfür gibtes wohl einige, doch die wesentlichste scheint doch diezu sein, dass wir versuchen den Sport in die Lebens-wirklichkeit unserer Mitglieder so einzubetten, dass fürsie andere Lebensräume lebbar bleiben und wir nichtanstreben, den Sport totalitär zu betrachten und damitversuchen die Sporttreibenden zu vereinnahmen. Sportist für uns nur ein Beitrag, nicht der alleinige, um das„Maß des eigenen Lebens“ zu finden. Wir stimmen daherunsere Sportangebote in dieser Weise ab. Insofernsehen wir uns in unserem Tun in Konkordanz mit demureigensten kirchlichen Auftrag aller getauften Christen:der missio. Wir wollen ein - individuell gesehen, größeresoder kleineres – Sinn stiftendes Offert zur „Maßfindungdes eigenen Lebens“ allen, die für unser Denken offensind, anbieten. Auf diese Weise gelingt es uns communio- Gemeinschaft - von Gleichgesinnten zu bilden, die soauch als Sauerteig im öffentlichen Sportleben wirken.

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Vorwort:

Im Rahmen der Gründung des Apostolischen Werkes „Kircheund Sport“ hielt Univ. Prof. Dr. Helmut Altenberger diesenVortrag Anfang Dezember 2000 in St. Pölten über dieWertfrage im Sport, der wesentliche Programmpunkteunserer Auffassung zum Sport anspricht, den wir mit Dankan den Autor in unserer Broschürenreihe der ChristlichenSportakademie nun veröffentlichen können.

Für Moral und Ethos im Sport sind die Werte Bezugspunktepersönlich und gesellschaftlich gelungenen Lebens. DieGrundwerte – wie sie im der „Goldenen Regel“ oder nochnäher in den „Zehn Geboten Gottes“ Ausdruck finden -bringen als Grundlage des Menschseins und menschlicherWürde Orientierung zur Kultur des Lebens jenseits jeglicherBeliebigkeit und Unfreiheit. Sportivität und Fairness messensich an Recht und Treu und Glauben, im individuellen undsozialen menschlichen Verhalten, sonst kommt Sport imVerständnis seines Wesens als freies Spiel, als „disportare“ -in Übung des Leibes verbunden mit Kampf (agon) - nichtzustande. Das Maß des Sports liegt letztlich jenseits vonMetern und Sekunden und Verbandsregeln.

Der Mensch, das dem Menschen gemäße, ist das Maß.Darum muss man im Sport immer beachten, wer der Menschist und was Menschenwürde bedeutet. Der Christ antwortetauf diese Frage mit der Bibel: „Als Abbild Gottes schuf er ihn“(Gen 1.27)!

So ist Sport und sein Regelwerk auf Prinzipien undGrundsätze gestellt, auf Seins-Werte, auf das Eine, Gute,Wahre und Schöne, auf Begriffe, die Kultur des Lebens,Persönlichkeitsbildung und soziale Gemeinschaftsordnungdes Menschen eben umreißen. Von hier ergibt sich diekonkrete Lebensgestaltung in Zeit und Lebenswelt des

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Individuums und der Gesellschaft jeweils, auch im Sport, vondem ein Sprichwort sagt, er sei die wichtigste Nebensache...Hier setzt Sportpolitik als Gemeinwohlsorge und –verant-wortung für die Sportausübung ein. Hier ist individuelle undsoziale Wertegestaltung und Wertesicherung in der Sport-kultur zu bedenken. Wann und wie ist Sport für mich und denanderen, die Gesellschaft wertvoll? Welche Ziele kann ichoder soll ich mit Sport verbinden? Welche Bedeutung habenfür mich, aber auch jeden und alle Menschen Gesundheitund Übung und Erziehung des Leibes für und im Sport?Welche Rolle kommt dem Leib und seine Gesundheit imSport zu?

Es gibt persönlich und soziale Werte in der Lebensplanungvon Mensch und Gesellschaft im Umgang mit dem „Mittel“Sport in Bezug auf materielle oder geistige Werte, aber esgeht doch immer um menschliches Leben für mich und dieanderen, und um Glückserfüllung mit Sinnerfüllung durchWerte.

Grundwerte des Sports bedürfen konkreter kultureller Ver-mittlung und Umsetzung in Lebenswerte. Das verlangt immerden Blick auf die Zukunft, in Wertsicht, denn die Wertemüssen immer erstrebt und angewendet werden, da sieunsere Lebensgrundlage sind.

Rudolf Weiler

Vorsitzender des Wissenschaftl. Beirats des ApostolischenWerkes „Kirche und Sport“

Wien, im Juni 2001

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1. Was sind Grundwerte des Sports - inhaltlicherEinstieg und Aufriss:

Werte und Normen im Sport haben die Funktion alsBewertungs- und Beurteilungsmaßstab verwendet zuwerden (vgl. Bockrath 1998, 378 – 385).

Thematische Schwerpunkte in der sportwissen-schaftlich geführten Werte- und Ethikdiskussion sindvor allem

- die Auseinandersetzung über den mora-lischen Verpflichtungscharakter sportlicherRegeln,

- die Diskussion um die sportliche Fairness.

Kuchler beispielsweise spricht in einer etwas um-strittenen Analyse von „eigenen Werten, die im Sportstecken“ (Kuchler, 1969, 47) und kommt dabei zufolgender Auflistung: Neben Fairness werdenKameradschaft, Mut, Lebensfreude und Willens-eigenschaften genannt.Während der Wert des „agonalen Prinzips“ - alsChancengleichheits- und Überbietungsgebot - vorallem im Wettkampfsport liegt, schließt die

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Wertediskussion zur olympischen Idee denLeistungssport ebenso ein wie die Pädagogik einerolympischen Erziehung im Schul- und Vereinssport.

Verhältnismäßig jüngeren Datums sind in deraktuelleren Ethikdiskussion die Dopingproblematikund ethische Dimensionen aus sog. Sport-Umwelt-Konflikten.

In den letzten Jahren werden allerdings vermehrtkritische Fragen hinsichtlich möglicher Auswirkungenvon genmanipulierten Menschen auf den Leistungs-und Hochleistungsport gestellt.

Wenn von Werten des Sports, von den Grundwertendes Sports gesprochen wird, so findet dieAuseinandersetzung innerhalb der Ethik bzw.innerhalb der Kreise statt, in denen über Ethik undWertmaßstäbe reflektiert und argumentiert wird.

Meinberg sieht in der modernen Sportethik einebesondere Entwicklungsqualität dann gegeben,wenn sich die sportethische Diskussion selbstreflexivverhält. Das heißt, dass neben der theoretischgeführten Ethikdiskussion darüber nachgedachtwerden muss, ob ihre Themen den aktuellensportbezogenen, gesellschaftlichen und humanenHerausforderungen entsprechen und inwieweit diesezu Veränderungen und zu einem neuen Bewusstseinin den Praxisfeldern des Sports führen (können).Insofern ist die aktuelle Zuspitzung der ethischen

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Dimensionen auf die Dopingproblematik rechtergiebig, sie bedeutet allerdings eine starke Ver-engung und Einseitigkeit der sportbezogenenEthikdiskussion.

Wesentliche Impulse hat die sportbezogene Ethik-diskussion aus der christlichen Soziallehre erhalten.Beispielhaft sei für den deutschsprachigen Raum aufdie Arbeiten von R. Weiler verwiesen, der in seinenPublikationen zentrale sportethische Themen auf-greift (Weiler 1996). In diesem Zusammenhang seiebenfalls auf die differenzierten Analysen von B.Maier zur Ethik im Hochleistungssport und zu einerolympischen Ethik verwiesen (Maier 2000).

Vor dem Hintergrund der theologisch und philo-sophisch geführten Wertediskussion im Sport wirddeutlich, dass Werte des Sports nur einen kleinenTeil ausmachen und letztlich den christlichenNormen und der christlichen Wertordnungunterstehen.

Kuchler hält deshalb fest, dass das Sportethos fürChristen nur annehmbar ist in „der Erweiterung undVertiefung durch das christliche Ethos“ (Kuchler,1969, 234).

Beispielhaft eine kurze Anmerkung zum schulischenSportunterricht: Auch der Schulsport bzw. die Schul-sportdiskussion, hier in Österreich ist es dieDiskussion um die schulische Bewegungserziehung,setzt sich mit ethischen Fragen auseinander. In der

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Sportpädagogik wird dieser Fragenkreis unter demStichwort „Sinnorientierungen beim Sporttreibenoder im Sport“ diskutiert. Es herrscht großerKonsens bezüglich der Sinndimensionen, die imFach Bewegungserziehung/Sport zu verwirklichensind; gemeint sind die Lernbereiche Gesundheit,Spielen, Gestalten, Ausdruck, Leisten, Fairness,Kooperation, Spannung, Risiko, Abenteuer.

Inwieweit diese Neuorientierung des Schulsports zueinem veränderten ethischen Bewusstsein beiSchülerinnen und Schülern führt, muss als weit-gehend unsicher eingestuft werden, solange wirnicht über breit angelegte empirische Befundeverfügen (vgl. Luther 1998).

In einer ersten Zwischenbilanz können für dieSportethik - in zugespitzter Form - folgende Thesenfestgehalten werden:

(1) In theologischen Kreisen wurde und wird diesportethische Diskussion kaum rezipiert,geschweige denn, dass sie dort praktischeBedeutung erhalten hätte.

(2) Im Bereich der sportwissenschaftlichen Ethik-diskussion hat sich in bescheidenen Ansätzendie Sportpädagogik um Reflexion von Werte-themen bemüht; in der sportmedizinischenund sportsoziologischen Diskussion werdensportethische Fragen auf die Doping-problematik im Leistungssport verengt.

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(3) In Praxisfeldern des Sports ist diereflektierende Auseinandersetzung mit sport-ethischen Fragen über bescheidene Ansätzenicht hinausgekommen.

(4) In der praxisbezogenen Diskussion wird dasSportethos vor allem auf „den Sport“ bezogenund weniger auf die Sittlichkeit der Sportlerbzw. deren moralisches Verhalten.

Zusammenfassend halte ich fest:

- Sportethisches Denken und Verhaltenunterliegt immer einer individuellen Deutungdurch den Sporttreibenden; es wird be-einflusst von situativen Begleitumständen undbleibt somit auf das System des Sportsbeschränkt.

- Die Auseinandersetzung mit sportethischenThemen und Problemen - in Theorie undPraxis - ist nicht eine Frage der Mode oderein Zeichen des Überflusses, sondern einetiefe Notwendigkeit.

Diese ethischen Herausforderungen - wie sie sichinsbesondere im großen Feld des Sports abzeichnen- werden im nächsten Abschnitt kurz skizziert.

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2. Kritische Analyse und Gefährdungen der Grundwerte des Sports

2.1 Körperdisziplinierung

Bei aller Freiheit, die unser demokratischespolitisches System bietet, bzw. Demokratievoraussetzt, hatten wir zu keiner Zeit unserer abend-ländischen Kultur so einschneidende Formen einerDisziplinierung des Körpers. Denken Sie nur an dieherausragende Bedeutung des körperlichen Aus-sehens, wie es die Werbung in zahlreichen Konsum-branchen suggeriert. Entsprechend heftig undvielfältig ist darauf die Antwort von Studios in denen„Body building“, „Body shaping“ und „Body styling“als offenbar attraktive Angebote konsumiert werden.Für den betriebsamen Menschen wird deshalb nichtmehr nur Sport getrieben oder an der Fitnessgearbeitet; es findet darüber hinaus und vor allem„Bodymanagement“ statt. „Körper werden nichtlänger einfach als gegeben hingenommen.„Körperoptimierung“ ist das neue Schlagwort“(Pieper 2000, 11). Die Zahl von Hormonbe-handlungen sowie chirurgisch-kosmetischen Ein-griffen nimmt rasant zu. Für ihr körperlichesAussehen investieren Menschen Unsummen anGeld. Die Perversion und Tragweite solcherEntwicklungen wird nüchtern und ohne Zurück-haltung beschrieben im Wettbewerbsaufruf der

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Körber-Stiftung unter dem Titel „Bodycheck - wie vielKörper braucht der Mensch?“

Körperbeherrschung - so scheint es - wird zu-nehmend zum Indikator für soziale Zugehörigkeit.

2.2 Erlebnisgesellschaft

„Hemmungslos erleben?“ so lautete der zynischeTitel eines Kongresses der Ende November 2000 inAugsburg stattfand. Statt „Erlebnisgesellschaft“könnte auch die Bezeichnung „Extremgesellschaft“stehen. Um ins Guiness-Buch der Rekorde zukommen, wird viel Unvorstellbares und Unsinnigesunternommen und verbreitet.

Die Gesellschaft am Beginn eines neuen Jahr-hunderts hat offensichtlich ein ausgeprägtes Be-dürfnis nach emotionalem Konsum. Vergnügen undGenuss treten an die Stelle von Notwendigem. Esscheint so, als wäre der Mensch auf der Flucht vorLangeweile. Hohes Risiko und Risikobereitschaftsind Voraussetzung für Erfolg. Menschen könnennur mehr als sog. „Extremophile“ überleben. „DasExtreme“ gilt als Abgrenzungsmerkmal zwischenMenschen. Im sog. „Extremsport“ steht man tat-sächlich schon längst in der Gefahr, sich mit ihm ab-und auszugrenzen. Wer weiß, wie sehr (Extrem-)Entwicklungen im Leistungs- und Hochleistungssport

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als „Modellwelt“ von jungen Menschen nachgelebtwerden, wird besser verstehen können, in welchemVerantwortungszusammenhang der Spitzen- undExtremsport stehen, es sei denn, es gilt nur mehrdas kommerzielle, ökonomische Interesse, was dieAmerikaner lässig als „double income and no child“bezeichnen.

Extremsport definiert sich zunehmend selbst alsLebensform, „Flowerlebnis“ und „Thrill“ wird alsSpaßfaktor abgehakt.

Aus der Erlebnis- und Extremgesellschaft nicht mehrwegzudenken, sind die Vermarktungsstrategien unddie modernen Inszenierungen. Als Prototypen geltenmittlerweile alle Formen von Events. Für derartigeEntwicklungen reichen Bezeichnungen aus derdeutschen Sprache längst nicht mehr aus um denSachverhalt treffen zu können. Was früher ein„normaler“ Mehrkampf war, ist heute ein„Triathlonfestival“ und wird von Sponsoren alshochrangiger Event vermarktet. Alles, was nichtgroßangelegten Vermarktungs- und Konsum-interessen unterliegt, gerät in Gefahr gar nicht mehrbeachtet, gefördert bzw. gesponsert zu werden.Soziologen sprechen hier von einem postmodernen„Armuts-Wohlstands-Paradox“, das als neuesPhänomen aktuell wird. Sie meinen damit, dassunter der Maxime „von allem noch mehr“ diefinanzielle Belastbarkeit einzelner sozialer Gruppenschnell an Grenzen stößt; es entsteht das Problem

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einer neuen Armut durch Verschuldung, die durchBefriedigung von Konsuminteressen entstehen kann.

H. W. Opaschowsky, Freizeit- und Zukunftsforscheraus Hamburg, leitet daraus die Feststellung ab, dassdie Menschen bei all der Hektik in ihrer Entwicklungstehen bleiben (2000). Eine weitere (extreme)Steigerung der „Eventvermarktung“ siehtOpaschowsky im sog. „Eventtourismus“, was be-deutet, dass mehrere „Events“ an einem Tag zeitlichund inhaltlich aufeinander abgestimmt werden, umso ein und dieselbe Zielgruppe gleich mehrmalstäglich „beglücken“ zu können. Nach seiner Ein-schätzung ist der Sport dadurch besonders ge-fährdet, gleichwohl aber auch geeignet und zu-nehmend nachgefragt. Wir wissen, dass in derWerbebranche die emotionalen Dimensionen vonsportlichen Erlebnissen mit großem Effekt vermarktetwerden können; deshalb wird dort nicht mehr nur amErlebnismensch gebastelt, sondern als neuerPrototyp gilt der „homo eventus“.

Aus solchen Beobachtungen und der Bewertung vonsog. „Extrementwicklungen“ kann vor allem abge-leitet werden, dass ein Sinn der menschlichenExistenz darin wird bestehen müssen, wie es ge-lingen kann, mit Grenzen, mit Extremen umzugehen.

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3. Neuorientierung, neuere inhaltliche Ansätze

Aus den wenigen jüngeren empirischen Befundenzur Umsetzung von pädagogisch-ethischen Zielenund Unterrichtsprojekten wissen wir, dass nicht nurneue handlungsorientierte Lehr-Lern-Verfahren er-forderlich sind, sondern auch ein völlig neues Be-wusstsein notwendig ist, besonders bei jenen Men-schen, die in der Leitungs- und Führungsver-antwortung stehen.

Bei den nun dargestellten Ansätzen geht es jeweilsnur um beispielhafte Vorstellungen.

3.1 Sport als Teil der Lebenskunst

Der Berliner Philosoph Wilhelm Schmidt hat inseinem Augsburger Hauptvortrag anlässlich derEröffnung des 2. DSLV-Kongresses die bemerkens-werte Brücke von seiner „Grundlegung einerPhilosophie der Lebenskunst“ zum Sport ge-schlagen. Die erneuerte Philosophie der Lebens-kunst eröffnet Möglichkeiten und Optionen; Sport istfür Wilhelm Schmid eine dieser Optionen. Das Lebenbedarf der Übungen, der Sport bietet solcheÜbungen, die zu bewusster Gewöhnung führensollen.

Aus der regelmäßigen sportlich-körperlichen Übungentstehen Selbstaufmerksamkeit, Selbstaneignungund Selbstmächtigkeit.

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In diesem Prozess findet der Einzelne das Maß deseigenen Lebens.

Die Integrität des Selbst, d. h. die Übereinstimmungdes Individuums mit dem eigenen Leib und Körperist die Voraussetzung für den Aufbau vonBeziehungen zu anderen. Als Antwort auf denKörperkult fordert er eine Kultur des Körpers, zu dervor allem der Genuss des Lebens zählt, dessenVoraussetzungen die volle Entfaltung der Sinne ist(Schmid 2000). Eine Option der Lebenskunst bestehtdarin, „die Seele auf dem Umweg über den Körperzu pflegen, für die Psyche also Soma zum Ansatz-punkt zu wählen“ (Schmid 2000). Schmid legt seinerPhilosophie vom Sport als Teil der Lebenskunst einintegrales Menschenbild zugrunde, „bei dem dieAspekte Körper, Seele und Geist nicht isoliertvoneinander gesehen werden“ (Schmid 2000).

Sport treiben ist innere Ökologie, mit ihm kann dieKunst des Müßiggangs gepflegt werden. „Zum tech-nischen Arsenal der Lebenskunst gehört daher, nichtnur Misserfolge, sondern auch Erfolge noch weg-stecken zu können.“ (Schmid 2000) „Sport kann eineIdee des schönen, bejahenswerten Lebens vermit-teln ... und hierzu eine Arbeit an sich selbst, am eige-nen Leben, am Leben mit anderen und an den Ver-hältnissen, die dieses Leben bedingen, zu leisten ...“(Schmid 2000).

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3.2 Leib und Körper mit dem Sport verbinden

Überspitzt formuliert stehen sporttreibende Men-schen tendenziell in der Gefahr nur mehr „ihren“Sport zu sehen. Körperliche Reaktionen oder sinn-liche Wahrnehmungen werden oft ausgeklammert.Das heißt jedoch nicht, dass sie ihren Körper nichtspürten, seine Reaktionen nicht mitbekämen, esheißt nur, dass die Bewusstheit dafür fehlt.

Kritisch kann es in jenen Situationen werden, wo derSport ohne Bewusstsein, oder mit zu geringerbewusster Zuwendung betrieben wird. Das Ver-hältnis des Menschen zu seinem Körper wird immergeleitet vom Grad der Aufmerksamkeit und desbewussten Umgangs mit ihm - z. B. beim Sport-treiben. Dieser Prozess wird maßgeblich geprägt vonder Sensibilität des Einzelnen gegenüber Körper-signalen und wesentlich mitbestimmt von derFunktionstüchtigkeit der sinnlichen Wahrnehmung. Inextremen Fällen werden wir in aller Härte an solcheZusammenhänge erinnert, z. B. bei Unfällen oder beiüberraschend auftretenden Krankheiten. Deshalbsprechen wir im strengen begrifflichen Sinne vomLeib, wenn eine Einheit von Körper und Geistbesteht oder hergestellt werden kann. BewusstesSporttreiben unter Einbeziehung des Geistes istdann Pflege, Übung und Sorge für den Leib. Diewissenschaftliche Befundlage zu diesem Thema giltals abgesichert, die Umsetzung in die sportliche

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Praxis als schwierig, über einige wenige Ansätze istsie nicht hinausgekommen. Für den ethischenZusammenhang können beispielsweise folgendeFragen relevant sein: Kenne ich die Signale meinereigenen körperlich-sportlichen Grenzen in der vonmir ausgeübten Sportart? Verschwende ich einenGedanken darauf, inwieweit meine aktuelle sport-liche Aktivität bzw. Abstinenz förderlich oder abträg-lich ist für mein späteres Leben?

Bedauerlicherweise wird häufig übersehen, dass dieThemen von Körper, Leib, Bewegung und Sport zen-trale Anknüpfungspunkte geben könnten für diePriesterausbildung, für Seelsorge und pastoraleArbeit. Beispielhaft möchte ich auf die jüngstfertiggestellte Arbeit von Elisabeth Naurath ver-weisen, die unter dem Titel „Seelsorge als Leib-sorge“ veröffentlicht wurde (Naurath 2000). (vgl. dasSchwerpunktheft der Zeitschrift „Lernort Gemeinde“,Heft 3/2000 zum Thema „Leib und Leben“)

3.3 Verantwortung als Grundkategorie beim Sporttreiben

Obwohl der Verantwortungsbegriff in der allgemei-nen Ethikdiskussion - spätestens seit Jonas’ „PrinzipVerantwortung“ - eine herausgehobene Rolle spielt,hat er in der sportethischen Auseinandersetzungeine eher untergeordnete Bedeutung. Das mag zumeinen daran liegen, dass die Diskussion zu

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theoretisch und abstrakt geführt wird; ein weitererGrund mag aber auch sein, dass die unterrichtlicheUmsetzung im Schulsport oder in der Trainingspraxisweitgehend ausgespart bleibt.

Eine stärkere Auseinandersetzung mit der Verant-wortungsethik in sportpädagogischen Praxisfeldern -zu denen ich auch den Leistungssport zähle - hätteeine Reihe von Konsequenzen und Vorteilen, auf dieich kurz eingehen möchte:

- verantwortliches Handeln verbindet das Sub-jekt mit seinen sportlichen Handlungen, eswird geradezu eine unauflösliche Einheit

- verantwortliches Handeln im Sport ist zwarsituations- und kontextgebunden und damitnur auf einen begrenzten Lebensausschnittbezogen; wenn allerdings Verantwortung bzw.Verantwortungsfähigkeit als eine über-greifende ethische Leitidee des Menschen be-trachtet werden kann, dann lässt sichverantwortliches sportliches Handeln darinbesser integrieren. Verantwortliches Sport-treiben wäre dann ein nicht außerhalb men-schlicher Wertkategorien stehender Lebens-bereich, sondern könnte somit leichter in dengesamten Lebenszusammenhang integriertwerden!

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Für den Sport und das Sporttreiben von Men-schen ist verantwortliches Handeln auf fol-gende drei Dimensionen zu beziehen:

1) Verantwortung des Individuums fürsein eigenes Sporttreiben und fürseinen Leib

2) Verantwortung des Individuumsgegenüber sportlichem Partner undSportgruppe

3) Verantwortung des sporttreibendenIndividuums gegenüber Natur undUmwelt (vgl. Altenberger 1997)

3.4 Erlebnispädagogische Ansätze im Sport

Erlebnispädagogische Ansätze stehen leider im Sogeiner Erlebnisvermarktung und einer oft unsinnigentouristischen Kommerzialisierung. Diesem Trendstehen eine ganze Reihe von ethisch anspruchs-vollen Programmen und wissenschaftlichen Be-funden gegenüber, in denen der seriöse pädago-gische Anspruch gewährleistet wird.

Hauptziele dieser erlebnispädagogischen Ansätzesind:

1. die Entwicklung individueller Persönlichkeits-merkmale, wie z. B. Selbstbewusstsein

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2. die Förderung sozialer Kompetenzen, wiez. B. Teamarbeit und Hilfsbereitschaft und

3. die Entwicklung eines ökologischen Bewusst-seins (Reiners, 1995, 33).

Der qualitative Anspruch der Erlebnispädagogik lebtalso aus der Spannung zwischen Individuum undGruppe. Es werden Aufgaben gestellt, die in sichselber etwas verlangen und bei denen die Selbst-organisation mit allen Beteiligten von Anfang anberücksichtigt wird. Jeder Aktion folgt eine Reflexionim Sinne einer Auswertung dessen, was anProzessen im Individuum bzw. in der Gruppeabgelaufen ist. Sportliche Aktivitäten meistern ist einLernen an Herausforderungen, ein Lernen an Pro-blemen. R. Gilsdorf (1995) formuliert dazu folgendeEntwicklungsschritte:

„Von der Bewegung außen“ zur „Bewegung innen“zum „etwas Bewegen“ gelangen.

Erlebnispädagogische Ansprüche auf das Sport-treiben bezogen, bedeuten so ein hohes Maß anSelbstorganisation in und durch die Gruppe und dieregelmäßige Auswertung durch Reflexionsprozesse.

Reflexion ist ein wichtiges Element des Lern-prozesses. „Erlebnisse, die gedanklich verarbeitetwerden, haben eine größere Chance zu Erfahrungenverdichtet zu werden“ (Gilsdorf 1995).

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3.5 Bewegungskünste aus anderen Kulturkreisen

Es wird gut sein, wenn die sportethische Diskussionsich bei zunehmender Internationalisierung undmultikultureller Entwicklung der Gesellschaft denethischen Unterschieden von Bewegungskünstenaus anderen Kulturkreisen und Ländern öffnet. AmBeispiel der sog. asiatischen Kampfsportarten kanngut nachgezeichnet werden, wo Probleme undChancen zu sehen sind. Auffällig ist zunächst wiesehr sie sich in Europa in den letzten Jahrenverbreitet haben. Bei genauerem Hinschauen undAnalysieren, wie solche Kampfsportarten in unseremKulturkreis ausgeübt werden, zeigt sich schnell, wieweit sie als rein kämpferische Einzeltechnikengelehrt und verbreitet werden oder wie sehr mit ihrerLehre inhaltlich konsequent der kulturelle, religiöseoder philosophische Hintergrund vermittelt wird. Hierstellt man mitunter ganz erhebliche Qualitäts-unterschiede fest. Unabhängig davon, ob solcheKampfsportarten aus dem Fernen Osten für unserenmitteleuropäischen Kulturkreis passend sind, ist ein-fach festzuhalten, dass ihre Ausübung sehr nach-gefragt ist.

Unter ethischen Gesichtspunkten ist es also sinnvoll,bei ihrer Beurteilung und Vermittlung in der sport-lichen Praxis die ideellen und spirituellen Grundlagenzu beachten. Am Beispiel des AIKIDO kann dies gutverdeutlicht werden. In China wird AIKIDO nie als

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Sportart bezeichnet, AIKIDO ist eine Kampf- bzw.eine Lebenskunst. In der ursprünglichen Form sindjede Art von Wettkämpfen ausgeschlossen. Derkontrollierte Umgang mit dem Körper ist Vor-aussetzung und Maßstab für ein asketisch geführtesLeben.

Bemerkenswert halte ich die Wortbedeutung vonAIKIDO:AI = Harmonie/Koordination/Synchronisation,KI = Vitalität/geistige Kraft/Lebensenergie,DO = Weg/Übung/Prinzip der Lebensführung

Diese Auslegung zeigt, dass der ursprüngliche Sinnund das Charakteristische dieser Körper- und Be-wegungskunst nur dann erfassbar sind, wenn dieinhaltliche Bedeutung bekannt ist. An diesem Bei-spiel sieht man, dass das Bewusstsein über deninhaltlichen Hintergrund für den ausübenden Men-schen zu einem Qualitätskriterium wird.

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4. Vermittlung und Umsetzung

Im Hinblick auf das gestellte Thema „Grundwertedes Sports, ihre Vermittlung und Umsetzung in derZukunft“ ist es für mich als Sportpädagoge nichtsAußergewöhnliches, aus den vorher dargelegtenalternativen Ansätzen Schlussfolgerungen und Kon-sequenzen für zukünftige Entwicklungen abzuleiten.Schwierig könnte dabei lediglich sein, das richtigeAbstraktionsniveau zu finden. Oder anders ausge-drückt: Bei der Vielschichtigkeit des Systems derSport- und Bewegungskultur, den unterschiedlicheninstitutionellen Strukturen kann die Konkretisierungvon Vermittlungs- und Umsetzungsmöglichkeitenvon ethischen Grundwerten des Sports nur aufeinem mittleren Niveau erfolgen. Dennoch bin ichsicher, dass Anstöße für verschiedene Reali-sierungsmöglichkeiten gegeben werden können. Beiden folgenden Vorschlägen von zukünftigen Ver-mittlungs- und Umsetzungsmöglichkeiten sindklassische Bildungseinrichtungen, wie Schulen,Hochschulen und Erwachsenenbildung ebensoangesprochen wie Sportvereine.

Ob auch gewerbliche Sportanbieter betroffen seinkönnen, hängt wesentlich davon ab, inwieweit sieihre Qualitätsstandards in Beziehung zu anerkanntenWert- und Sinnfragen des Sports bringen möchten.

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Dass es gerade 10 Punkte geworden sind, hatkeinen biblischen Hintergrund. Das Thema istergänzungs- und ausbaufähig:

1) Die Qualität zukünftiger Entwicklungen desSports wird sich nicht mehr einseitig amMaximierungsmodell ablesen lassen. Viel-mehr wird sich die Qualität zukünftigerSportentwicklung daran messen lassen, wiesehr es ihr gelingt, einen Kanon an Werten zurealisieren. Programmziele allein reichen nichtaus.

2) Das Erreichen von Werten kann nicht mehrnur am Wollen abgelesen werden, etwa nachder Formel: „In großen Dingen genügt esgewollt zu haben“.

Die praktische Umsetzung von sportlichenWerten ist in Verfahren der Qualitäts-sicherung zu integrieren und damit zuevaluieren.

3) Für die sportbezogene Wertediskussion wirdes wichtig sein, sich offen zu halten für dieEthikdiskussion im allgemeinen und für sport-liche Neuentwicklungen. Sie muss sichkritisch-konstruktiv mit ihnen auseinander-setzen.

4) Eine herausgehobene Bedeutung für diepraktische Relevanz von sportlichen Wertenhaben jene Institutionen und Einrichtungen,

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die Bewegung und Sport unter einem Bil-dungs- und Präventionsanspruch vermitteln;ich denke hier vor allem an Schulen undUniversitäten, an Behinderteneinrichtungengenauso wie an Einrichtungen für ältereMenschen.

5) Die Internationalisierung und die multi-kulturelle Gesellschaft werden am Sport nichtvorbeigehen. Deshalb ist eine aktive Ausein-andersetzung mit der Sport- und Bewegungs-entwicklung aus anderen Kulturkreisen undihren je spezifischen Wert- und Sinnstrukturenerforderlich. Mehr voneinander zu wissen(z. B. über die ethnischen Besonderheiteneiner Spiel- und Bewegungskultur) ist hilf-reich, um mehr Verständnis füreinander zuentwickeln.

6) Die Vermittlung von Werten, die sog. Werte-erziehung im Sport läuft nicht von selbst odernebenbei. Es bedarf einer bewussten undaktiven Auseinandersetzung mit den Werten.Dazu dienen didaktische Modelle der Wert-erziehung im Sport, die in der Lehrerbildung,Trainer- und Übungsleiterausbildung zu ver-ankern sind.

7) Wenn die Profilentwicklung des Schulsports,der Sportlehrerausbildung an den Universi-täten und von Sportvereinen nicht eine leere

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Worthülse bleiben soll, dann müssen Wert-fragen offensiv dargestellt und ihre Erreichungbewertet werden.

8) Für die Sinnsuche von jungen Menschenkann der Sport eine wichtige Rolle spielen.Ob dieser Prozess gelingt und der Sport eineHilfe bieten kann, hängt von verschiedenenFaktoren ab. Entscheidend dürfte allerdingssein, ob es Menschen gibt, die sportlicheWerte verkörpern und jungen Menschen alsVorbilder und Lernmodelle dienen können.Diese Sinnstiftung kann nur über Menschengelingen, die offen, verständnisvoll und ver-trauenserweckend sind.

9) Im Zusammenhang mit der gelingenden Ver-mittlung von Werten haben erfolgreicheSpitzensportler eine ausgesprochen wichtigeBedeutung. Wenn es gelänge, sie verstärkt indie aktive Wertevermittlung des Sports zuintegrieren, könnte ein wesentlicher Ver-besserungseffekt entstehen.

Dazu kann ich mir mehrere Einzelschrittevorstellen:

a) Spitzensportler müssten frühgenug für die argumentativeAuseinandersetzung mit Wert-fragen des Sports und im Sportbefähigt werden;

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b) Spitzensportler müssten aktivereingebunden werden in diesportbezogene Jugendbildung,Jugendarbeit, in die Nach-wuchs- und Talentförderung;

c) Spitzensportlern muss ver-innerlicht werden, dass sieTräger einer auf den Sportbezogenen Entwicklungsquali-tät sind; sie könnten dann zu„Boten und Vorbildern für Wert-fragen des Sport“ werden.

Die Verbreitung von Sinn- und Wertfragendes Sports braucht ein soziales Netzwerk, indem Wertfragen des Sports aktiv lebendigund bewusst gehalten werden. Dieses sozialeNetzwerk ist in vielen Bereichen des Sportsbereits vorhanden, es könnte für Wertfragennoch offensiver genutzt werden.

10) Für die Sinnstiftung und aktive, praktischeWertevermittlung im Sport sind mindestensvier Eigenschaften hilfreich:

Mut, Humor, Optimismus und Toleranz.

Die obigen Überlegungen sollten aufzeigen, dass dieexistentielle Bedeutung des Körpers, des Leibes undder Bewegung im Sport ohne Wertfragen sinnlosbleibt.

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Die Weiterentwicklung des Sports braucht die stetslebendige Diskussion über seinen Wert. DieseWertediskussion ist immer im Zusammenhang mitEntwicklungsprozessen und Veränderungen imSport zu sehen.

Standortbestimmung und Perspektivenentwicklungim Sport ist immer nur auf der Grundlage einer Wert-analyse sinnvoll.

Mit folgendem Zitat von Vladimir Iljine schließe ichmeinen Beitrag:

„Habe ich meinen Körper verloren, so habe ich mich

selbst verloren.

Finde ich meinen Körper, so finde ich mich selbst.

Bewege ich mich, so lebe ich und bewege die Welt.

Ohne diesen Leib bin ich nicht und als mein Leib bin

ich.

Nur in der Bewegung aber erfahre ich mich als ein

Leib, erfährt sich mein Leib, erfahre ich mich.

Mein Leib ist die Koinzidenz von Sein und

Erkenntnis, von Subjekt und Objekt.

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Er ist der Ausgangs-Punkt und das Ende meiner

Existenz.“

Iljine Vladimir 1988

________________1ILJINE VLADIMIR. Le corps et le coeur. Skriptum zurgleichlautenden Vorlesung am Institut St. Denis, Paris, WS1965 (mimeorgr,). Zit. Nach PETZOLD, HILARION G.Integrative Bewegungs- und Leibestherapie. Ein ganz-heitlicher Weg leibbezogener Psychotherapie. Bd. I/2.Paderborn 1988, S. 21.

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Bereits erschienen:Heft 1: Vom Geist des Sports, mit Beiträgen von Exz. Dr. Franz Jachym, Univ.-Prof. Dr.

Hans Groll, Dr. Ludwig Prokop, DDr. Rudolf Weiler.Heft 2: Sport im Jahre 2000, mit Beiträgen von Prof. Dr. Günther Lüschen, Redakteur

Martin Maier, Diskussionsbeiträge, Resolutionen des Referates „Sport undSeelsorge“ zum Sportlerbesinnungstag 1969.

Heft 3: Sportstättenbau im kirchlichen Bereich, mit Beiträgen von Prof.ChristianPorenta, Prof. Dr. Hermann Andrecs sowie: Weiterführende Literatur, Anführungder ÖNORM, Beispiele für Sportstätten aus bescheidenen Mitteln, Gespräch miteinem Sportlehrer über Allwetterdecken.

Heft 4: Franz X. Hofstaetter und Karl Ullmann im Dienste der Sportidee.Heft 5: Leib, christlich gesehen, Univ.-Prof. Dr. Johannes Bauer, Die Wertung des

Leibes in biblisch-theologischer Sicht.Heft 6: Ethik des Sports, Univ.-Prof. DDr. Rudolf Weiler, Grundfragen der christlichen

Sportethik.Heft 7: Sport und Besinnung, P. Dr. Raphael Schulte OSB, Der Alltag in seiner

Gottbezogenheit.Heft 8: Sonntagssport und Sonntagsheiligung, Gedanken und Anregungen.Heft 9: Grundsätze im Sport, mit Beiträgen von P. MMag.Dr.Bernhard Maier, Univ.-

Prof. Dr. Ludwig Prokop, Univ.-Prof. Dr. Josef Recla, Univ.-Prof. Dr. RaimundSobotka und Univ.-Prof. Dr. Rudolf Weiler.

Heft 10: Der Sport im Dienste des Menschen, Päpste zum Sport, mit einem Anhang ausder Praxis: P. MMag.Dr. Bernhard Maier SDB (Olympiaseelsorger) berichtet.

Heft 11: „Das taktische Foul - Notbremse oder Sportbremse?“,P. MMag.Dr. Bernhard Maier SDB (Olympiaseelsorger).

Heft 12: 30 Jahre Referat „Kirche und Sport“, 1956 - 1985 - Tätigkeitsbericht.Heft 13: Zeitdruck? Wer teilt unsere Zeit ein?, Hrsg. von Dr.Bernhard Tachezzi und

Dr.Rudolf Weiler.Heft 14: Olympia- und Spitzensport, Hrsg. von P. MMag.Dr.Bernhard Maier SDBHeft 14A: „Kirche und Sport Freiheit und Verantwortung der Kirche in der

Gesellschaft“, Hrsg. von Hans GärtnerHeft 15: “Sport ein menschlicher Wert, ... damit Sport ein Fest bleibt“, Hrsg.

von Hans GärtnerHeft 16: Ethos im Sport - Aufrufe zu Gesinnung und Bekenntnis, Hrsg. von

Univ.-Prof. DDr. Rudolf Weiler.Heft 17: Sport heute – eine sozialethische Herausforderung, Hrsg. von

P. MMag.Dr.Bernhard Maier SDBHeft 18: Don Boscos pädagogische Grundideen in der Leibeserziehung vor dem

Hintergrund des modernen Sports, der Sportpädagogik und Bewegungs-Erziehung von P. MMag.Dr.Bernhard Maier SDB, Hrsg. von Hans Gärtner

Heft 19: Hochleistungssport, Hrsg. von P. MMag.Dr.Bernhard Maier SDB

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