Güteschutz Kanalbau Kontrolle der Lastannahmen: Rohrstatik...

2
Güteschutz Kanalbau Juli 2017 Kontrolle der Lastannahmen: Rohrstatik – Rohreinbau, Teil 1 Voraussetzung für langlebige Leitungen und Kanäle Rohrleitungen und Schächte sind technische Konstruktionen, bei denen das Zusammenwirken von Bettung, Bauteil und Ver- füllung die Grundlage für Stand- und Betriebssicherheit sind. Nach DIN EN 1610 ist die Rohrleitung bereits im Rahmen der Planung einer Maßnahme zu bemessen. Auf diese Weise ist si- cherzustellen, dass die Rohre sämtliche vorhersehbar einwir- kenden Lasten einschließlich Betriebslasten mit ausreichender Sicherheit aufnehmen können. Durch den Planer ist das Tragwerkssystem Rohr/Boden vor- zugeben, und es sind die für die statische Berechnung maßge- benden Randbedingungen der Baumaßnahme im Objektfrage- bogen zu benennen (ATV-DVWK-A 127, S. 41). Die statische Berechnung wird dann in der Regel durch den Rohrhersteller auf dieser Basis sowie der Rohr-Kenngrößen erstellt. Während der Ausführung muss geprüft werden, ob die tatsächlichen Randbedingungen auf der Baustelle den Annahmen in der Sta- tik bzw. im Objektfragebogen entsprechen. Dass die Randbedingungen auf der Baustelle mit den An- nahmen in der Rohrstatik übereinstimmen (oder auf der siche- ren Seite liegen), hat erheblichen Einfluss auf die Qualität der Bauausführung bzw. auf die Dauerhaftigkeit und Funktions- tauglichkeit des erstellten Bauwerks. Doch vor Ort läuft nicht immer alles rund. Wenn die von den Rohrherstellern erstellten Rohrstatiken auf anderen Annahmen basieren, kann das ver- schiedene Ursachen haben: Entweder haben sich die Randbe- dingungen geändert, oder aber der Hersteller hat unzutreffen- de Angaben als Berechnungsgrundlage bekommen. Vor diesem Hintergrund ist die Kontrolle der Lastannahmen durch das ausführende Unternehmen ein elementarer Bestand- teil von dessen Eigenüberwachung. Bei Gütezeicheninhabern Kanalbau RAL-GZ 961 ist diese Kontrolle Bestandteil der Bau- stellenprüfungen durch die vom Güteausschuss beauftragten Prüfingenieure. Sicherstellung der Planungsentscheidungen Der Einbau von Abwasserkanälen und -leitungen ist durch DIN EN 1610 „Einbau und Prüfung von Abwasserleitungen und -ka- nälen“ auf europäischer Ebene geregelt; im Arbeitsblatt DWA- A 139 werden darauf aufbauend ergänzende Details beschrie- ben. Zusätzlich sind für verwendete Werkstoffe die zugehöri- gen Herstelleranleitungen zu beachten. Nach DIN EN 1610, Abschnitt 4.2, gilt: Die Ausführung der Arbeiten muss in der Weise kontrolliert werden, dass die Entschei- dungen, die sich aus den Planungsunterlagen ergeben, eingehal- ten oder an die veränderten Bedingungen angepasst sind. Gemäß Arbeitsblatt DWA-A 139 muss das Tragwerksystem Rohr/Bo- den vorhandene und zukünftige Belastungen mit ausreichen- der Sicherheit aufnehmen können. Deshalb müssen die auf Ab- wasserleitungen und -kanäle einwirkenden statischen und dynamischen Lasten schon bei der Planung festgelegt werden. Dazu gehören auch Belastungen aus Bauzuständen, die für die Bemessung bestimmend sein können. Hinzu kommt: Das Trag- werksystem Rohr/Boden muss vor der Bauausführung definiert und nachgewiesen, bzw. in Art und Ausführung vorgegeben sein. Darüber hinaus müssen die statischen Nachweise der Rohre (siehe ATV-DVWK-A 127) und der Sicherung der Baugru- be (siehe DIN 4124) vorliegen und auf der Baustelle inhaltlich bekannt sein. Einflussgröße Bodenart Im Arbeitsblatt ATV-DVWK-A 127 sind die Böden in Hinblick auf ihre Eigenschaften für die statische Berechnung in vier Gruppen eingeteilt (Kurzzeichen nach DIN 18 196): - Gruppe 1: Nichtbindige Böden (GE, GW, Gl, SE, SW, SI) - Gruppe 2: Schwachbindige Böden (GU, GT, SU, ST) - Gruppe 3: Bindige Mischböden, Schluff (schluffiger Sand und Kies, bindiger steiniger Verwitterungsboden) (GU, GT, SU, ST, UL, UM) - Gruppe 4: Bindige Böden (z. B. Ton) (TL,TM, TA, OÜ, OT, OH, UA) Einflussgröße Verkehrslast Außer durch den Boden werden die Rohrleitungen durch die Verkehrslasten beansprucht. Für deren Berechnung verwendet der Statiker sogenannte Regelfahrzeuge mit genormten Ab- messungen und Gewichten. Die Lastansätze entsprechen den Brückenklassen 60/30 bzw. 30/30 der DIN 1072. Für die Las- termittlung von Eisenbahnverkehrslasten ist das in der DS 804 Tab. 1: Einfluss der Bodenart auf die Rohrbelastung

Transcript of Güteschutz Kanalbau Kontrolle der Lastannahmen: Rohrstatik...

  • Güteschutz Kanalbau

    Juli 2017

    Kontrolle der Lastannahmen: Rohrstatik – Rohreinbau, Teil 1Voraussetzung für langlebige Leitungen und Kanäle

    Rohrleitungen und Schächte sind technische Konstruktionen, bei denen das Zusammenwirken von Bettung, Bauteil und Ver-füllung die Grundlage für Stand- und Betriebssicherheit sind. Nach DIN EN 1610 ist die Rohrleitung bereits im Rahmen der Planung einer Maßnahme zu bemessen. Auf diese Weise ist si-cherzustellen, dass die Rohre sämtliche vorhersehbar einwir-kenden Lasten einschließlich Betriebslasten mit ausreichender Sicherheit aufnehmen können.

    Durch den Planer ist das Tragwerkssystem Rohr/Boden vor-zugeben, und es sind die für die statische Berechnung maßge-benden Randbedingungen der Baumaßnahme im Objektfrage-bogen zu benennen (ATV-DVWK-A 127, S. 41). Die statische Berechnung wird dann in der Regel durch den Rohrhersteller auf dieser Basis sowie der Rohr-Kenngrößen erstellt. Während der Ausführung muss geprüft werden, ob die tatsächlichen Randbedingungen auf der Baustelle den Annahmen in der Sta-tik bzw. im Objektfragebogen entsprechen.

    Dass die Randbedingungen auf der Baustelle mit den An-nahmen in der Rohrstatik übereinstimmen (oder auf der siche-ren Seite liegen), hat erheblichen Einfluss auf die Qualität der Bauausführung bzw. auf die Dauerhaftigkeit und Funktions-tauglichkeit des erstellten Bauwerks. Doch vor Ort läuft nicht immer alles rund. Wenn die von den Rohrherstellern erstellten Rohrstatiken auf anderen Annahmen basieren, kann das ver-schiedene Ursachen haben: Entweder haben sich die Randbe-dingungen geändert, oder aber der Hersteller hat unzutreffen-de Angaben als Berechnungsgrundlage bekommen.

    Vor diesem Hintergrund ist die Kontrolle der Lastannahmen durch das ausführende Unternehmen ein elementarer Bestand-teil von dessen Eigenüberwachung. Bei Gütezeicheninhabern Kanalbau RAL-GZ 961 ist diese Kontrolle Bestandteil der Bau-stellenprüfungen durch die vom Güteausschuss beauftragten Prüfingenieure.

    Sicherstellung der Planungsentscheidungen

    Der Einbau von Abwasserkanälen und -leitungen ist durch DIN EN 1610 „Einbau und Prüfung von Abwasserleitungen und -ka-nälen“ auf europäischer Ebene geregelt; im Arbeitsblatt DWA-A 139 werden darauf aufbauend ergänzende Details beschrie-ben. Zusätzlich sind für verwendete Werkstoffe die zugehöri-gen Herstelleranleitungen zu beachten.

    Nach DIN EN 1610, Abschnitt 4.2, gilt: Die Ausführung der Arbeiten muss in der Weise kontrolliert werden, dass die Entschei-dungen, die sich aus den Planungsunterlagen ergeben, eingehal-ten oder an die veränderten Bedingungen angepasst sind. Gemäß Arbeitsblatt DWA-A 139 muss das Tragwerksystem Rohr/Bo-den vorhandene und zukünftige Belastungen mit ausreichen-der Sicherheit aufnehmen können. Deshalb müssen die auf Ab-wasserleitungen und -kanäle einwirkenden statischen und

    dynamischen Lasten schon bei der Planung festgelegt werden. Dazu gehören auch Belastungen aus Bauzuständen, die für die Bemessung bestimmend sein können. Hinzu kommt: Das Trag-werksystem Rohr/Boden muss vor der Bauausführung definiert und nachgewiesen, bzw. in Art und Ausführung vorgegeben sein. Darüber hinaus müssen die statischen Nachweise der Rohre (siehe ATV-DVWK-A 127) und der Sicherung der Baugru-be (siehe DIN 4124) vorliegen und auf der Baustelle inhaltlich bekannt sein.

    Einflussgröße Bodenart

    Im Arbeitsblatt ATV-DVWK-A 127 sind die Böden in Hinblick auf ihre Eigenschaften für die statische Berechnung in vier Gruppen eingeteilt (Kurzzeichen nach DIN 18 196):

    - Gruppe 1: Nichtbindige Böden (GE, GW, Gl, SE, SW, SI) - Gruppe 2: Schwachbindige Böden (GU, GT, SU, ST) - Gruppe 3: Bindige Mischböden, Schluff (schluffiger Sand und Kies, bindiger steiniger Verwitterungsboden) (GU, GT, SU, ST, UL, UM)- Gruppe 4: Bindige Böden (z. B. Ton) (TL,TM, TA, OÜ, OT, OH, UA)

    Einflussgröße Verkehrslast

    Außer durch den Boden werden die Rohrleitungen durch die Verkehrslasten beansprucht. Für deren Berechnung verwendet der Statiker sogenannte Regelfahrzeuge mit genormten Ab-messungen und Gewichten. Die Lastansätze entsprechen den Brückenklassen 60/30 bzw. 30/30 der DIN 1072. Für die Las-termittlung von Eisenbahnverkehrslasten ist das in der DS 804

    Tab. 1: Einfluss der Bodenart auf die Rohrbelastung

  • Güteschutz Kanalbau

    Juli 2017

    (Vorschrift für Eisenbahnbrücken und sonstige Ingenieurbau-werke) der Deutsche Bahn AG angegebene Lastbild UIC 71 maßgebend. Darüber hinaus sind die Verkehrslasten unter Bau-stellenbedingungen (geringe Überschüttung) zu beachten. Bei Belastung durch speziellen Verkehr (z.B. Containerstapelfahr-zeuge mit hohen Radlasten) müssen im Einzelfall die tatsäch-lichen Radlasten und Abmessungen berücksichtigt werden. Be-züglich der Flächenlasten sind Schüttgüter, Bauwerksgründun-gen mit den tatsächlichen oder rechnerischen Werten zu be-rücksichtigen.

    Einflussgröße Überschüttungsbedingungen

    Bei der Grabenverfüllung oberhalb der Leitungszone werden vier Überschüttungsbedingungen unterschieden (A1 bis A4, s. Tab. 3), die im Wesentlichen vom gewählten Grabenverbau ab-hängig sind. Auch die Grabenform beeinflusst die Belastung des Rohres. Das Arbeitsblatt ATV-DVWK-A 127 unterscheidet verschiedene Grabenformen. Zur rechnerischen Abschätzung der Lasterhöhung infolge Unterrammung wird auf den Arbeits-bericht „Berechnungsansätze für die Rohrbelastung im Graben mit gespundetem Verbau“ verwiesen.

    Beim Einbau von Abwasserrohren in einem Stufengraben steigt der Einfluss auf die Rohrbelastung mit der Höhe der Stu-fe im Verhältnis zum Rohrdurchmesser. Durch eine größere Setzung auf der Seite des tiefer liegenden Rohres stellt sich ei-ne verstärkte Lastumlagerung auf das höher liegende Rohr ein. Dieser Lastumlagerungseffekt tritt auch dann ein, wenn das untere Rohr vorher in einem eigenen Graben separat eingebaut wurde und das obere Rohr etwas später in einem neuen Bau-abschnitt eingebaut wird.

    Einflussgröße Rohrwerkstoff

    Je nach Zusammenwirken von Rohrsteifigkeit und Bodenver-formung werden Rohre als biegesteif oder biegeweich bezeich-net. Biegesteif sind Rohre, bei denen die Belastung keine we-sentlichen Verformungen hervorruft und damit keine Auswir-kung auf die Druckverteilung hat. Biegeweich sind Rohre, de-ren Verformung die Belastung und Druckverteilung wesentlich beeinflusst, da der Boden Bestandteil des Tragsystems ist. In-folge der unterschiedlichen Verformungsfähigkeit des Rohres und des umgebenden Bodens lagern sich die errechneten Bo-denspannungen um. Allgemein gilt der Merksatz „Ein steifes Rohr zieht die Lasten an, ein weiches Rohr weicht der Belas-tung aus.“ Die Druckverteilung am Rohrumfang ist abhängig von der Ausbildung des Auflagers, von der Verfüllung der Lei-tungszone sowie vom Verformungsverhalten der Rohre. Das Ar-beitsblatt ATV-DVWK-A 127 definiert unterschiedliche Aufla-gerreaktionen oder Lagerungsfälle.

    Fortsetzung folgt

    Die Kontrolle der Lastannahmen auf der Baustelle ist für den Erfolg der Maßnahmen von grundlegender Bedeutung. Im Rahmen der Eigenüberwachung der Unternehmen mit Gütezei-chen Kanalbau RAL-GZ 961 werden daher Arbeitshilfen zur Verfügung gestellt, mit denen systematisch die Übermittlung der Sollwerte auf die Baustelle, die Dokumentation der Istwer-te sowie der Abgleich von Soll/Ist erfolgen soll. Die Durchfüh-rung der Eigenüberwachung wird durch die Prüfingenieure bei den Baustellenbesuchen kontrolliert.

    Der Beitrag „Kontrolle der Lastannahmen: Rohrstatik – Rohrein-bau“ wird mit einer Vertiefung wichtiger statisch relevanter Randbedingungen in Kürze fortgesetzt.

    RAL-Gütegemeinschaft Güteschutz KanalbauPostfach 1369, 53583 Bad HonnefTel: 02224/9384-0, Fax: 02224/9384-84E-Mail: [email protected]

    Abb. 2: Beispiel Überschüttungsbedingungen A3, senkrechter Verbau oder in den Fällen, in denen die Grabenwände nicht auf Dauer erhalten bleiben. Tabellen und Abbildungen: Güteschutz Kanalbau

    Tab. 2: Einfluss der Überschüttungsbedingungen auf die Rohrbe-lastung.

    Abb. 1: Beispiel Überschüttungsbedingungen A2, Grabenverbau-geräte.