Guenther Froemmigkeit Nordischer Artung

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    Hans F. K. Gnther

    Frmmigkeit

    nordischer Artung

    Ein Querschnitt durch das Indogermanentum

    von Benares bis Reykjavik

    7.Auflage

    1989

    Verlag Hohe Warte Franz von Bebenburg KG

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    Einbandgestaltung von Hans-Gnther Strick.Alle Rechte vom Verlag vorbehalten. Copyright by Verlag HoheWarte Franz von Bebenburg Kommanditgesellschaft,D-8121 Phl, 1989. ISBN 3-88202-338-4.Gesetzt aus der Garamond und gedruckt von Dengler & Rauner

    GmbH, 8000 Mnchen 2.

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    Vorwort zur siebenten Auflage

    Kaum war die Drucklegung der 6. Auflage beendet, so fielenmir bei weiterem Durchdenken des Stoffes auer einigen kleinennderungen eine grere Anzahl von Zustzen ein, die dasVorgetragene verdeutlichend erweitern knnten. Auch habe ichaus der fortgesetzten Beschftigung mit den Religionen derIndogermanen wieder Einsichten gewonnen, die ich fr die 7.Auflage verwerten wollte.

    In der 7. Auflage habe ich eingehender errtert, warum ich diefragwrdige Gestalt des Gottes Odin (altniederdeutsch Wodan,althochdeutsch Wuotan) nicht zur Kennzeichnung einer indo-germanischen Frmmigkeit verwenden konnte. Wodan war einSondergott, dessen stndisch ausgeprgte Verehrung sich von

    Westnorwegen aus in der sptesten Zeit des vorchristlichenGermanentums ausgebreitet hat, reicht also nicht wie Zeus oderupiter zurck in die Vorzeit der indogermanischen Himmels-tter(S. 13 f). In der 7. Auflage mute ich auch erklren, warum

    ich aus Glauben und Frmmigkeit der indogermanischen Keltenund Slawen nur wenig angefhrt habe (S. 15). Hingegen habe ichdie Belege aus Indien und Iran vermehrt und die bedeutsamenZeugnisse des Parthenon-Frieses, der ars pacis" und des vonHoratius verfaten Carmen saeculareerlutert (S. 18, 44 f).

    Ich habe mehr Beispiele fr die Naturfrmmigkeitder Indo-germanen angefhrt (S. 79 ff) und daher auch das groe Lehrge-dicht des Rmers Lucretius eingehender behandelt (S. 76). DieSittengebote der Indogermanen, die nicht von den Geboten

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    eines auerweltlichen Gottes ausgehen, sondern von der Wrdedes Menschen, habe ich in ihrer Eigenart zu kennzeichnenversucht (S. 89 ff).

    Die lngsten Zustze haben sich mir zum Beschlu desBuches ergeben: Fr den schon von Goethe geahnten Untergangdes Abendlandes, also der Reste des Indogermanentums, habe ichin der Philosophie und in den Knsten die Anzeichen verfolgt(S. 94 f), und fr den drohenden Untergang derindogermanischen Freiheit und Menschenwrde durch dieVerstaatlichung des Menschen in den vermterten Staaten einesMassenzeitalters habe ich die Voraussagen von Staatsmnnernund Denkern seit Alexis de Tocqueville (1805-1859) angefhrt

    (S. 101 ff).Diese nderungen und Zustze konnte vor Verffentlichung

    der 7. Auflage schon der bersetzer dieser Schrift seiner engli-schen Ausgabe zu Grunde legen.

    Klosterreichenbach, im Mai 1964Hans F. K. Gnther

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    Vorwort zur sechsten Auflage

    Nach der Verbombung der fnften Auflage dieser Schrift, diewie alle von mir verfaten Arbeiten gegen Ende des Krieges inden Lagerrumen der Verlage das gleiche Schicksal erfahrenhatte, habe ich immer wieder Anfragen nach einem Neudruckerhalten. Ich habe mich aber erst der verbessernden Umarbei-tung anderer Bcher und Schriften widmen wollen, die inzwi-schen erschienen und auch in andere Sprachen bersetzt wordensind, ehe ich mich dieser kleinen Schrift wieder zuwenden konn-te. Als jedoch der Verleger Freiherr Karg von Bebenburg dieser

    erst bei Eugen Diederichs in Jena, dann bei B. G. Teubner inLeipzig erschienenen Arbeit seine besondere Aufmerksamkeitzugewandt hatte, entschlo ich mich zu einer berprfendenDurchsicht und Ergnzung. Dabei haben sich mir aber nurwenige nderungen und nicht viele verdeutlichende Zustzeergeben, dazu eine geringe Vermehrung der beigegebenenSchrifttumsangaben.

    Mge das Wiedererscheinen der Schrift nach fast dreiig Jah-ren dazu beitragen, da Jngere sich den Fragen einer Glaubens-geschichte des gesamten Indogermanentums mehr als bisherzuwenden, denn die bessere Erkenntnis der indogermanischenWelt wird fr das Abendland, zu dem Nordamerika gehrt,immer wieder zu einer Selbsterkenntnis werden. Herakleitos hat,wie Aristoteles (Von den Teilen der Tiere 1,5,645) berichtet, ihnbesuchende, doch auf seiner Schwelle zgernde Fremdlingenherzutreten eingeladen mit den Worten: Tretet ein, denn auch

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    hier wohnen Gtter!Eine solche Einladung mchte diese Schriftauch in der sechsten Auflage aussprechen.

    Wenn in unserem Zeitalter, also im Untergang des Abendlan-

    des, die Reste auch des westlichen Indogermanentums ausMangel an geborenenIndogermanen, also echten Abendlndern,versinken werden, so wird doch aus der angeborenen undberlieferten indogermanischen Frmmigkeit diesen letzten In-dogermanen und Abendlndern diejenige Gesinnung bleiben, dieuns die letzten Rmer (Romanorum ultimi) beim bergang derAdelsrepublik in das entrmerteKaiserreich vorgelebt haben, dieGesinnung der Unbeugsamkeit vor dem Schicksal, welche indieser Schrift als indogermanisch und vor allem germanisch

    gekennzeichnet werden soll, eine Gesinnung, die nochHorat ius gefordert hat:

    Quocirca vivite fortes, fortiaque adversisopponite pectora rebus!

    (Sermones II, 2, 135/36)

    Bad Heilbrunn, zum Frhlingsbeginn 1963

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    Vorwort zur ersten Auflage

    Die vorliegende Schrift ist aus meiner rassenkundlichen, indiesem Falle rassenseelenkundlichen Beschftigung mit Wesenund Geschichte des Indogermanentums hervorgegangen und alsVort rag ausgearbeitet worden. Besonders die Arbeit an mei-nem Buche Die Nordische Rasse bei den Indogermanen Asiens(1934)hat mich wieder zur Glaubenswelt des Indogermanentumshingeleitet; dann aber hat auch das Ringen um neue Glau-benswerte im deutschen Volke manche Gedanken dieser Schriftaufgerufen. Immer von neuem wird das deutsche Volk und wirdder einzelne Deutsche gar nicht anders knnen, als auf die Fragenach dem Glauben eine Antwort aus nordisch-indogermani-

    schem Geiste geben ob er nun dieser oder jener Glaubensge-meinschaft oder auch keiner bestimmten Kirche oder Glaubens-gemeinschaft angehre. Zur Besinnung darauf, welcher Glau-bensgeist uns Deutsche und darber hinaus uns Germanenalle im Innersten immer wieder einigen wird, ob wir einan-der im wrtlichen Bekenntnis auch noch so ferne zu stehenvermeinen, mchte diese Schrift ihren Teil beitragen.

    ena, im April 1934

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    zelnen Vlker indogermanischer Sprache auf ein urindogermani-

    sches Rechtsempfinden schlieen3, und so knnen wir durchVergleichen der Glaubensformen dieser Vlker auf einebesondere Frmmigkeit (Religiositt) aus indogermanischemWesen schlieen, d.h. auf ein bestimmtes Verhalten derindogermanischen Vlker und Menschen gegenber gttlichenMchten.

    Die Grundzge des Frommseins, die ursprnglich allen Vl-kern indogermanischer Sprache eigentmlich waren, ergebenzusammen die Besonderheit einer Frmmigkeit ausnordischem Wesen, aus dem seelischen Wesen der nor-dischen Rasse.4

    Wir mssen froh sein, da wir zur Erkenntnis einer Frmmig-keit aus nordischem Wesen nicht allein angewiesen sind auf dieGlaubensformen der Germanen5, von denen wir leider nur unge-ngende Kunde und Kunde leider erst aus einem Zeitabschnittbesitzen, in welchem germanische Glaubensformen schon mehroder weniger beeinflut waren von Vorstellungen aus der Glau-

    benswelt Vorderasiens, der Mittelmeerlnder und des keltischenWesteuropas, desjenigen keltischen Westeuropas, das mit demDruidentum schon so weit abgewichen war von der indogerma-nischen Frmmigkeit rein nordischer Prgung.

    In die germanische Gtterwelt der Asen (vgl. Oslo, Osna-brck; hochdeutsch: Ansen, vgl. Anshelm, Ansbach) warenschon die aus Sdosteuropa vorgedrungenen Wanen6 aufge-nommen worden, die nicht alle aus germanischem Geist umge-deutet worden sind. So war aus Sdosteuropa und Vorderasien

    der Gott Dionysos unter die olympischen Gtter aufgenommenworden, den hellenischer Geist nicht vllig umgedeutet hat, derauch bei Homer noch zurcktritt und erst spter aus einemfremden, dunkelhaarigen zu einem einheimischen, blonden Got-te geworden war. Man hat mit Recht die vorchristlichen Germa-nen mit den Achaiern als ihren nchsten Verwandten verglichen,

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    und es liee sich zeigen, da vieles von dem, was die Hellenen in

    nachhomerischer Zeit in ihren Glauben und ihre Frmmigkeitaufgenommen haben, dem Geist des Indogermanentums mehroder minder fremd war, so auch die orphischen Mysterien. So istvon den Germanen in der Sptzeit ihres Heidentums schonmanches bernommen worden, was indogermanischem Wesenwiderspricht.

    Wie vieles am germanischen Gotte Odin (Wodan, Wuotan)berhrt schon als nichtindogermanisch oder nicht mehr kenn-zeichnend germanisch! Mindestens ist Odin mit seiner un-

    durchschaubaren Mischung von Erhabenheit und Trug7nicht mehr einindogermanischer und nicht mehr ein germanischer Vorbild-Gott, und seine Verehrung ist nicht mehr ganz durch die Zgeindogermanischen und ursprnglich-germanischen Frommseinsgekennzeichnet.

    Wie vieles an Odin ist aus germanischem Volksglauben zuerklren, wie vieles ist spte dichterische Ausschmckung? Wievieles reicht wie bei Zeus oder Jupiter zurck in die Vorzeit derindogermanischen Himmelsvter? Es darf nicht vergessen

    werden, was Andreas H e u s l e r8 betont hat: Die Eddamytholo-ie ist in der Hauptsache norwegisch-islndisches Dichterwerk de

    Wikingsjahre", also des Wikingszeitalters und der Dichter (Skal-den) an den Hfen norwegischer Gaufrsten, dieses sptheidni-schen und frhchristlichen Zeitalters, das fr manchen Germa-nen auer der Aufnahme fremden Geistes eine Entwurzelungaus dem Heimatboden brachte. Nach Heusler ist Odin eineNeuschpfung der germanischen religisen Phantasie, vor allem einKriegsgott, ein Gott der Frsten, Wikingskrieger und Skalden.Als Kriegsgott aber ist Odin schon unberechenbar, des Trugesfhig, ein Beschirmer und Fller von Helden, wie R. L. M.Derolez9 ausfhrt. Nach Erik Therman 10 gehren vieleGttersagen der Edda und gehrt auch Odin nicht dem Volks-

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    glauben der Germanen an; sie sind vielmehr ein Ausdruck derLebensauffassung des Wikingeradels und der nordgermanischenGaufrsten.

    Die Verehrung Odins oder Wodans oder (hochdeutsch) Wuo-tans hat sich von Westskandinavien in der kriegerischen Vlker-wanderungs- und Wikingszeit verbreitet, so auch zu den Wan-dalen und Langobarden, zu den Sachsen in Niedersachsen undin England, aber vorwiegend als eine Verehrung durchGaufrsten und deren Gefolge und durch die Skalden der

    Frstenhfe, denen der Kriegsgott auch zum Gotte derdichterischen Eingebung wurde. Vielleicht ist das einzige, wasvon Wodan in die indogermanische Vorzeit zurckreicht, derName, der von dem indogermanischen Wortstamme uat (geistigangeregt sein") abzuleiten ist, einem Stamme, der auch im Sanskritund im Altiranischen erhalten ist und der dem lateinischen vates(Seher, Dichter) entspricht. Odin-Wodan tritt vor allem in dergroartigen Eddamythologie vom Weltuntergang (ragnark)hervor, die aber mehr Dichtung als Glauben ist. Den Freisassen

    auf ihren Erbhfen, die im germanischen Bereich den Hauptteilder Bevlkerung ausmachten, war Odin oder Wodan niemalsvertraut.11

    Vor allem gegenber der Odinsgestalt mu bedacht werden,was Jan d e V r i e s12 geschrieben hat: Allein von den Quellen zu

    ermanischen Religionsgeschichte aus wird die Forschung niemals zuabschlieenden Ergebnissen ber das Wesen der germanischen Religionkommen knnen; die Forschung wird zur Erhellung germanischenGlaubens und germanischer Frmmigkeit immer wieder auf indogermanischeReligion und Mythologie"zurckgehen mssen. Diese Mahnung istauch von George Dumezil beachtet worden.

    Zwar erinnert, wie Rudolf Otto 1 3 gezeigt hat, Odin-Wuotandurch einige Zge an den indischen Gott Rudra, durch einige

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    heidnischen Slawen zu Entstellungen geworden, aus denen kaumverwertbare Einsichten zu gewinnen sind. Aus arabischen undgermanischen Berichten ist nicht viel zu erschlieen, mehrhingegen durch Sitten und Gebruche, Sagen und Lieder, die inchristlicher Umdeutung erhalten geblieben sind. Aus diesen istdoch die kennzeichnende Frmmigkeit indogermanischer Frh-zeiten zu erkennen, eine Frmmigkeit der Ahnenverehrung, derSchutzgeister des Hauses, des Landbesitzes und des Viehs, alsoZge, die vor allem auch im frhen Latinertum hervortreten.

    Wir mssen froh sein, in den Glaubensformen der anderenVlker indogermanischer Sprache Zge zu finden, die uns inmanchen Einzelheiten tiefer zurckleiten und hher hinauffh-ren in das Wesen einer ursprnglichen Frmmigkeit indogerma-nischer Artung. Besonders im Glauben des frhen Indertums,des frhen Persertums19 und des frhen Hellenentums mchteich Wesentlich-Indogermanisches finden, dessen wir bedrfen,um zu einer hinreichenden Anschauung vom Wesen indogerma-nischer Frmmigkeit zu gelangen. Erst alle diese Glaubensfor-

    men die der Italiker nicht zu vergessen , erst sie allezusammen mit den germanischen Glaubensformen vermittelnuns ein deutlichers Bild nordisch-indogermanischenFrommseins. Wenn ich also im folgenden versuche, Einzelzgedieses Bildes in Worte zu fassen, so mchte ich wagen, nachMglichkeit und nach meinen leider begrenzten Kenntnissendenn ich bin ja nicht Religionswissenschafter , in allen unsbekannt gewordenen Glaubensformen der Vlkerindogermanischer Sprache das Urspr ng li che zufassen,

    zugleich aber das Ursprngliche in seiner reinsten undre ichs te n E ntf al tu ng . Es kommt mir also nicht darauf an,das sogenannte Primitive in diesen Glaubensformenaufzuspren, etwa zu ermitteln, ob diese oder jene hhereVorstellung abzuleiten sei von irgendeiner niedrigeren Stufealtsteinzeitlichen Zauberglaubens oder mittel-

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    steinzeitlichen Geisterglaubens (Animismus). Es kommt mir

    allein darauf an, die Hhen indogermanischen Fromm-seins zu berblicken, dieses indogermanische Frommsein inseinen vollkommensten und kennzeichnendsten, in seinen rein-sten und reichsten uerungen zu erfassen in derjenigenfreiesten Entfaltung also, in der sich ursprnglich-indogermani-sches Wesen und das heit rassenkundlich gefat: nordischesWesen noch in mglichster Reinheit ausdrckt. Spreche ichvon reichster Entfaltung, so kann ich damit doch nicht etwa dieZeitalter verwirrender Flle der Glaubensvorstellungen meinen,

    die bei den Indogermanenvlkern jeweils dann hereingebrochensind, wenn bei ihnen Ursprnglich-Nordisches sich schon un-trennbar mit Artfremdem durchsetzt hat. Ich vermute, da sichdas Rein-Indogermanische im Glaubensleben bei den einzelnenIndogermanenstmmen jeweils schon in der Bronzezeit reichhal-tig entfaltet hat, da wenigstens der Weg zu den Hhen indo-germanischer Frmmigkeit jeweils schon in der Bronzezeit ein-geschlagen worden ist. Dann hat es jedesmal eine Reihe vonahrhunderten, manchmal wohl bis zu einem Jahrtausend ge-

    dauert, bis artfremder Geist etwa entsprechend dem Schwin-den des nordischen Rasseneinschlags die ursprnglichenGlaubensvorstellungen der Indogermanen durchsetzt hat undbis dann in indogermanischer Sprache Glaubensvorstellungenausgedrckt wurden, die nicht mehr rein- und nicht einmal mehrhalb-indogermanisch waren.

    In reiner Entfaltung zwar, aber auch in mglichst reinerEntfaltung versuche ich also indogermanisches Frommsein zu

    erfassen. Wesentlich indogermanische Frmmigkeit in reicherEntfaltung lt sich zum Beispiel in Hellas von Homeros bisPindaros und Aischylos verfolgen, wenn man diese Frmmigkeitin der hellenischen Dichtung verfolgen will; streng genommenvielleicht nur bis Pindaros, allgemeiner gesagt bis ins 5. Jahrhun-

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    dert vor unserer Zeitrechnung20

    . Auch spter, so besonders beiSophokles und dann bei dem in vielem sich rckbesinnendenPlaton herrscht wieder indogermanische Frmmigkeit vor, nunaber als Frmmigkeit einzelner Menschen, nicht mehr als dieFrmmigkeit eines ganzen Kreises der Besten in ihrem Volke.

    Nur das Ursprnglich-Indogermanische in der Glaubenshal-tung versuche ich als Frmmigkeit der Indogermanen zu be-schreiben, nicht also alle diejenige Frmmigkeit, die gemeinhinnach den Frhzeiten und Mittelaltern dieser Vlker sich in einer

    dieser Sprachen oder in der Kunst oder im menschlichen Lebenausgedrckt hat. Wollte man alles das als indogermanischeFrmmigkeit bezeichnen, was innerhalb aller Zeitabschnitteindogermanischer Geschichte sich im Glaubensleben ausge-drckt hat, so wrde man nahezu alle Zge des Frommseins, diesich berhaupt bei den Vlkern der Erde finden lassen, auch beiden Indogermanen finden. Es wird daher leicht sein, fr diejeni-gen Ausdrucksweisen des Frommseins, die ich im folgenden alsnicht-indogermanisch bezeichne, irgendwelche Beispiele aufzu-

    zhlen aus dem Glaubensleben indogermanischer Vlker, be-sonders aber aus dem Glaubensleben der Sptzeiten,rassenkundlich ausgedrckt: der entnordeten Zeitabschnitte.Man hat ja in irrefhrender Weise sogar von einer christlichen

    ntike"gesprochen21. Was ich als indogermanische Frmmigkeitbezeichne, ist also zumeist Frmmigkeit aus denjenigenZeitabschnitten der Geschichte indogermanischer Vlker, indenen sich die Seele der nordischen Rasse noch hinreichendkraftvoll ausdrcken konnte. Doch bersehe ich nicht, da inmanchen Fllen indogermanische Frmmigkeit in reiner undreicher Entfaltung sich auch in spteren Zeitabschnitten, ja ineigentlichen Sptzeiten erhalten hat. Beispiele hierfr, auf die ichnoch eingehen will, sind die edle Kunst desPanathenaienfestzuges vom Fries des Parthenons auf derAkropolis von Athen22 oder die edle Kunst der ara pacis

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    der berl ieferte n Glaubensvo rste l lunge n zu erfassen,wenn man das Wesen ursprnglich-indogermanischen Fromm-seins erkennen will. Darum kann zum Beispiel die DarstellungDie urindogermanische Religion in der Religionsgeschichte Europasvon Carl C lemen (Bd. I, 1926, S. 162 ff.) fast nichts bieten frdie Erkenntnis indogermanischer Frmmigkeit. Es geht nicht an,unbesehen die vorgeschichtlichen Funde und geschichtlichenBerichte aus dem ganzen Gebiete der Vlker indogermanischerSprache als nahezu gleichwertige Zeugnisse zu benutzen. Mehrals die Hlfte dessen, was Clemen als urindogermanischeGlaubensvorstellungen anfhrt, halte ich fr die Vorstellungenuntergeschichteter, indogermanisierter Bevlkerungennichtnordischer Rasse. So enthalten auch die Darstellungen derGlaubenswelt des Hellenentums durch den hervorragendenschwedischen Gelehrten Martin P. Nilsson, Darstellungen,von denen ich hier nur das Buch Griechischer Glaube (1950)nennen will, manches oder vieles, was den Glaubensvor-

    stellungen der indogermanischen Unterschichten entstammt,daher entsprechend weniger von dem, was Glauben und Frm-migkeit der aus dem jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichenMitteleuropa eingewanderten Hellenen ausmacht, und dasselbegilt fr die meisten Darstellungen der rmischen Glaubenswelt.

    Hingegen knnte manches, was im islamischen Persien undim christlichen Europa im Glaubensleben sich geuert hat, alsein Ausdruck nordisch-indogermanischer Frmmigkeit gewertetwerden, wie das besonders im christlichen Abendlande gar nicht

    anders zu erwarten ist, da ererbtes Wesen sich auch innerhalbbernommener Glaubensformen immer wieder regen wird. Soist die Mystik der islamisch gewordenen Perser, der Sufismus, alsein Durchbruch indogermanischer Frmmigkeit durch einenfremden und aufgezwungenen Glauben zu verstehen, als Aus-druck einer rassenseelischen Veranlagung, als ein racial endow-

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    ment, wie es R. A. Nicholson 2 5 beschrieben hat. Als ein

    solcher Durchbruch ist vieles in der Mystik des christlich gewor-denen Abendlandes anzusehen. Auch bei groen Kirchenlehrernbeider christlichen Bekenntnisse spricht sich Frmmigkeit indo-germanischer Artung aus, wo immer sie undogmatisch das inner-ste Wesen ihrer Frmmigkeit in sich vorwalten lassen. ManchenZug indogermanischen Frommseins werde ich mit Worten neu-zeitlicher deutscher Dichter bezeichnen knnen. Bei Shakespea-re, bei Winckelmann, Goethe, Schiller, Hlderlin, bei Shelleyund Keats, bei Hebbel, Gottfried Keller und Storm und beivielen anderen im Schrifttum der abendlndischen Vlker und inderen Philosophie und Bildender Kunst lieen sich Beispieleeiner Frmmigkeit indogermanischer Artung finden26. GustavFrenssen hat in seiner Schrift Der Glaube der Nordmark(1936), die viele Auflagen erlebt hat, die eigentliche Frmmigkeitseiner Landsleute, in die er als Pfarrer tiefe Einblicke gewonnenhatte, so beschrieben, da aus dieser Schrift ohne Absicht desVerfassers eine Darstellung indogermanischen Frommseins in

    der lndlichen Umwelt eines norddeutschen Stammes gewordenist.H. A. Korff hat mit seinem Buche Faustischer Glaube(1938)

    versucht, denjenigen Glauben zu kennzeichnen, zu dem sichGoethe mit seiner Faustdichtung bekannt habe: Es isLebensglaube trotz alledem: trotz der Erkenntnis von dem tragischenGrundcharakter des Lebens.27 Ein solcher Lebensglaube ist aberwieder zu begreifen als eine Mglichkeit indogermanischenFrommseins.

    In seiner Schrift Weltfrmmigkeit (1941) hat EduardSpranger die hochgemute Frmmigkeit der Groen des deut-schen Geisteslebens vom Ende des 18. und Beginn des 19. Jahr-hunderts beschrieben, eine im Grunde durchaus indogermani-sche Frmmigkeit, die Spranger indessen mit einem den Kir-

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    chenlehren (Dogmen) entwundenen Christentum zu verbindensuchte. Er hat solche Frmmigkeitsmotive durch die groedeutsche Dichtung und die deutsche idealistische Philosophiehindurchklingen gehrt und tuscht sich nur (S. 4) diebeschleunigt zunehmende Verdung des Seelenlebens in Europaund Nordamerika bersehend in der Annahme, da dieseMotive fr die gegenwrtigen Deutschen, Europer undNordamerikaner noch viel bedeuten. In Nordamerika war Ralph

    Waldo Emerson (1803-82) einer der letzten Bekennerindogermanischer Frmmigkeit.

    Die Arbeit, indogermanisches Wesen im Glaubensleben inwissenschaftlicher Weise zu erfassen, ist soviel ich sehenoch nicht so geleistet worden, wie es Walter F. Otto fr diehellenische Frmmigkeit getan hat28. Es gibt gute und mindergute Darstellungen der Glaubensformen der einzelnen Vlker

    indogermanischer Sprache; es gibt aber keine befriedigende Dar-stellung indogermanischer Frmmigkeit (Religiositt), und woeinmal der Versuch unternommen worden ist, diese Frmmig-keit zu schildern, da ist indogermanische Frmmigkeit meistensbewut oder unbewut mit den Mastben gemessen worden,die bei der Errterung der jdisch-christlichen Glaubensweltgewonnen worden waren. Wir sind es aber uns selbst als Deut-sche, als Germanen, als Indogermanen, schuldig, endlich aucheinmal indogermanische Frmmigkeit aus s ich se lbst heraus

    begre ifen zu wollen. Der Versuch zu solchem Begreifen mugewagt werden. Ich bilde mir jedoch nicht ein, die Erforschungdes Eigentmlichen der indogermanischen Frmmigkeit mitmeinen Ausfhrungen entscheidend beginnen zu knnen. Esmag vermessen sein, wenn ich als Nichtfachmann wage, vondiesem Gegenstande zu reden. Mehr als Anregungen kann ich

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    nicht versprechen. Aber auch dazu mute ich einleitend ange-

    ben, wo ich uerungen indogermanischer Frmmigkeit in zu-gleich reicher und reiner Entfaltung zu finden hoffe, wo nicht.Im folgenden mchte ich mehr erzhlend vorgehen als wissen-schaftlich Einzelheiten belegend und mich mit anderen Auffas-sungen im Einzelnen auseinandersetzend.

    Ich mchte nur darlegen, was ich in den berhrten Fragen, diemich von Jugend auf beschftigt haben, sehen zu drfen glaubeund wie ich dieses sehe. Es kommt also alles auf einen erstenEntwurf hinaus nach mich bestimmenden Eindrcken aus

    meiner jahrzehntelangen Beschftigung mit der Welt des Indo-germanentums.

    Wir werden am besten davon ausgehen, uns an einigenGegenbeispielen deutlich zu machen, wie indogermanischeFrmmigkeit sich n icht uert, um spter zu erkennen, wie siesich am reinsten und freiesten zu uern liebt. Ich versuche alsonach Mglichkeit, abzusehen vom Inhal t des Glaubens dereinzelnen indogermanischen Vlker und nur zu schildern, mitwelchen kennzeichnenden Empfindungen die Indogermanendem Gttlichen gegenberstehen, gleichviel, in welcherGestaltung sie dieses Gttliche sich vorstellen mgen. Wenn esmit Fremdwrtern bezeichnet werden sollte, so knnte ichsagen: nicht die Re l ig ion oder die Religionen, sondern dieRel ig ios i t t der Indogermanen mchte ich zu kennzeichnen

    versuchen.Zunchst zeigt sich unverkennbar, da indogermanischeFrmmigkeit nicht in irgendeiner Furcht wurzelt, weder inFurcht vor der Gottheit noch in Furcht vor dem Tode. Der Satzdes sptrmischen Dichters, menschliche Furcht habe die Gt-ter geschaffen (S t a t i u s, Thebais III, 663: primus in orbe fecit

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    deos timor), kann auf die hchsten Erhebungen indogermani-scher Frmmigkeit nicht angewandt werden. Die Furcht desHerrn (Sprche Salomos 9, 10; Psalm 333, 30) ist weder desGlaubens noch der Weisheit Anfang, wo immer sich indogerma-nische Frmmigkeit frei entfaltet hat.

    Eine solche Furcht konnte auch deshalb nicht aufkommen,weil der Indogermane sich nicht als Geschpf einer Gottheitempfand, als Kreatur, und weil er die Welt nicht begriff als eineSchpfung, als das Werk eines Schpfergottes mit einem An-

    fang in der Zeit. Ihm war die Welt viel eher eine zeitlose Ord-nung, innerhalb deren sowohl Gtter wie Menschen ihren Ort,ihre Zeit und ihr Amt haben. Der Schpfungsgedanke ist mor-genlndisch, vor allem babylonisch, wie der aus Iran, abernicht aus indoiranischem Geiste kommende Gedanke einesWeltendes durch ein Gericht und eines hereinbrechenden Rei-ches Gottes, in dem alles sich gnzlich verwandelt finden werde.Nachdem der alternde Platon im Timaios Einzelheiten mor-genlndischer Schpfungssagen zur Erklrung einer Weltentste-hung bernommen hatte, stellte sein Schler Aristoteles29 dieindogermanische Anschauung wieder her: Das Weltganze seiungeworden und unvergnglich, sei ewig, ohne Vernderung, ohneWachsen und Schwinden. Die Indogermanen glaubten gleichsam in einer Vorahnung von Erkenntnissen und An-nahmen der Physik und Astronomie unserer Tage an eineanfangs- und endelose Folge von Weltentstehungen und -unter-gngen, an wiederholte Gtterdmmerungen und Erneuerungen

    der Welt und ihrer Gtter, wie auch die Edda in der Vluspaes in groartiger Schau schildert. Sie glaubten an wiederholteKataklysmen, wie die Hellenen es nannten, denen neue Weltenmit neuen Gttern folgen sollten30. Eine Folge vonWeltentstehungen und -untergngen lehren Anaximandros,Herakleitos, Empedokles und andere hellenische Denker; nachihnen spter der

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    rmische Dichter und Denker Lucretius (de rerum naturaV, 95ff) hat einen solchen Untergang erwartet:

    Und doch schlgt ein einziger Tag dies alles in Trmmer, hinstrzt, wasJahrtausende hielt, die Masse des Welthaus."

    (bersetzt von Hermann Diels)

    Den Germanen war nach Andreas Heusler 3 1 die Vernichtungdes Bestehenden eine feste Erwartung, die Neubelebung ein unbestimmtes

    hnen. Ihnen war, wie Erik Therm an32 sich ausgedrckt hat,die Welt ein schicksalsgebundener und bermchtige

    Ursachzusammenhang. Fr die Edda lastet nach Erik Therman audem Leben eine Schuld von Urbeginn an ein Gedanke, der inHellas von Anaximandros (610-547) schon ausgesprochenworden war.

    Den Endglauben, die Eschatologie des Ostiraners SpitamaZaratuschtra, die sich mit dem Glauben an einen kommendenWeltheiland verband, hat H. S. Nyberg3 3 geschildert. Dieseriranische Endglauben ist nicht lange vor Jesu Zeit in das Sptju-dentum eingedrungen und hat die Botschaft Jesu vllig be-

    stimmt34

    . In Iran war aus vorderasiatischem Glaubensgeiste dieVorstellung von den sich wiederholenden Entstehungen undUntergngen zum Glauben an e in herannahendes Weltendezusammengezogen worden, an ein Weltende, dem ein Heiland(saoschjant) vorhergehen und dem ein Weltgericht folgen sollte.Wo wie bei den Indogermanen der Mensch in der Weltnicht eine Schpfung sah und in Gott nicht einen Schpfer, dakonnte das Empfinden, Geschpf, gar ein durch einen Schp-ferwillen gefesseltes Geschpf Kreatur zu sein, sich nicht

    regen, mindestens nicht zu einem wesent l ichen Ausdruckfrommer Haltung werden.

    Noch weniger war hier eine Frmmigkeit mglich, die imMenschen einen Sk laven sah unter einem Ge walt herrn

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    Gott . Das Untertanen- und Knechtsverhltnis des Menschenzu Gott ist besonders bezeichnend fr die Frmmigkeit derVlker semitischer Sprache. Die Bezeichnungen Baal, Adon,Melech, Rabbat und andere betonen alle den Gewaltherrn Gottber den auf ihr Angesicht niedergekauerten Sklavenmenschen,seinen Geschpfen. Fr den Indogermanen war Gott verehren,eine Gottheit anbetenein Hegen und Pflegen aller verehrendenAntriebe, ein colere wie bei den Rmern, ein therapeuein wie beiden Hellenen. In den semitischen Sprachen geht das Wort anbe-

    tenauf eine Wurzel abad zurck, die soviel bedeutet wie Sklavesein. Hanna bittet (1. Samuel 1,11) Jahwe, den hebrischenStammesgott, ihr, seiner Sklavin, einen Sohn zu schenken; Davidnennt sich (2. Samuel 7,18) einen Knecht seines Gottes, ebensoSalomo (2. Knige 3, 6). Schrecken macht das Wesen Jahwesaus (2. Mose 23,27; Jesaja 8,13). So haben die Indogermanen ihreGtter nie empfunden35. Der Zeushymnos des Stoikers Klean-thes von Assos (331-233), aus der Paulus (Apg. 17, 28), um sichder hellenischen Frmmigkeit anzupassen, Worte entnommen

    hat, widerspricht gnzlich der Frmmigkeit z.B. des 90. Psalmes.Auch im Christentum wurde die Haltung des Glubigen vor

    Gott gerne durch die Kennzeichnung humilis angegeben, undsomit Demut, wrtlich Knechtssinn (zum Stamme dienen), alsKern der Frmmigkeit gefordert. Das ist unindogermanisch,eine Nachwirkung morgenlndischer Frmmigkeit. Weil er nichtKnecht ist vor einem Gewaltherrn Gott, betet der Indogermanezumeist auch nicht kniend oder zur Erde gesenkt, sondernstehend mit dem Blick gegen oben und die Arme auf-wrtsgestreckt.

    Als der ganze Mensch mit seiner unversehrten Ehre stehtder rechtschaffene Indogermane vor Gott oder vor den Gttern.ede Frmmigkeit, die dem Menschen etwas abzieht, um ihn

    kleiner erscheinen zu lassen vor der ins bermchtige und Er-

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    drckende gesteigerten Gottheit, ist unindogermanisch. Jede

    Frmmigkeit, die Teile der Welt und des Menschen fr wertlos,niedrig, beschmutzend erklrt und nun den Menschen herausl-sen mchte zu berirdischen oder auermenschlich-heiligen G-tern, ist nicht echte indogermanische Frmmigkeit. Wo dieseWelt herabgesetzt und dafr jene Welt zum ewigen Gutegesteigert wird, da ist der Bereich indogermanischen Fromm-seins verlassen. Indogermanische Frmmigkeit ist Diesseits-frmmigkeit: das bestimmt ihre wesentlichen Ausdrucks-formen.

    Es fllt uns deshalb so schwer, die Gre der indogermani-schen Frmmigkeit zu begreifen, weil wir gewohnt sind, Frm-migkeit zu messen an Werten und Ausdrucksformen, die wesent-lich unindogermanisch sind. Die meisten unserer Mastbe frFrmmigkeit sind ausgesprochen nichtindogermanischem Glau-bensleben entnommen, vor allem morgenlndischem Glaubens-leben und besonders dem Christentum in mittelalterlicher undfrhneuzeitlicher Prgung. Darunter mu unsere Einschtzungindogermanischer Frmmigkeit etwa so leiden, wie wenn wir

    versuchen wrden, den Sprachbau der indogermanischen Spra-chen nach denjenigen Gesichtspunkten zu klren, die sich fr dieSprachlehre des Semitischen richtig erwiesen haben. Wir sindgewohnt, nur in einer Jenseitsfrmmigkeit wahre Frmmigkeitzu suchen und in einer Diesseitsfrmmigkeit wenn wir dasWesen einer solchen berhaupt zu begreifen wissen etwasMangelhaftes oder Unentwickeltes oder nur eine Vorstufe zuetwas Wertvollerem zu erblicken. So hindern uns die uns ber-mittelten jdisch-christlichen Glaubensvorstellungen daran, dieGre indogermanischer Frmmigkeit zu erkennen, und dasgeht so weit, da auch in dem Schrifttum der vergleichendenReligionswissenschaft immer wieder indogermanische Glau-benswerte rein wissenschaftlichals Glaubenswerte geringerer

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    Bedeutung dargestellt werden, nachdem die Darsteller sich amBeispiel, mehr noch: am Vorbild morgenlndischer seelischerWerte einen Mastab fr jeglichen Glaubenswert zurechtge-macht haben. Das gilt auch fr Rudolf Ottos DarstellungDasHeilige (1948). So aber wird die Gre und Flle der indoger-manischen Welt nie erkannt werden.

    Wer Frmmigkeit daran messen will, wie entwertet sich derMensch erscheint gegenber der Gottheit; wer Frmmigkeitdaran messen will, wie fragwrdig oder wertlos oder gar wie

    befleckend dem Menschen dieseWelt erscheint gegenber je-ner; wer Frmmigkeit daran messen will, ob und wie einschnei-dend der Mensch einen Zwiespalt empfindet zwischen einemvergnglichen Leibe und einer unvergnglichen Seele, zwischenFleisch (sarx) und Geist (pneuma) der wird bei den Indoger-manen eine recht drftige Frmmigkeit feststellen mssen.

    Gtter einerseits und Menschen andererseits sind bei denIndogermanen nicht unvergleichbare, einander ferngerckteWesenheiten, am wenigsten bei den Hellenen: Die Gtter er-scheinen als unsterbliche, grobeseelte Menschen (vgl. Aristote-les, Metaphysik, III, 2, 997 b), und die Menschen knnen alswohlgeartete Sprossen edler Geschlechter etwas Gttliches ha-ben und knnen als solche den Anspruch erheben, mit ihrerSippe etwas Gttliches darzustellen: der gttergleiche Agamemnon.Im Wesen des Menschen selbst, so wie die Gottheit es will,liegen Mglichkeiten, als digenes, gottentstammt, zu erschei-nen, und daher gerade die Aufgabe, die jedes indogermanischeVolkstum lebhaft empfunden hat: die Verle ibl ichung a l lered len vlk ischen W erte in menschlichen Geschlechtern, diekalog'agathia36.

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    Indogermanische Frmmigkeit ist nicht Knechtschaft, nicht

    das Flehen des zertretenen Sklaven zu seinem Gewaltherrn,sondern die vertrauende Erflltheit von einer Gtter und Men-schen umschlieenden Gemeinschaft. P l a t o n spricht inseinem Gastmahl (188 c) von einer wechselseitigen Gemeinschaf(philia) zwischen Gttern und Menschen. Der Germane war einerFreundschaft zu seinem Gotte gewi, zu dem astvin oderfulltrui, dem er voll vertraute, und bei den Hellenen in derOdysee (24, 514) findet sich die gleiche Gewiheit mit demWorte Freunde-Gtter(thei philoi) ausgedrckt.

    Der Name des indischen Gottes Mitra, dem im Iran Mithraentsprach, bedeutet Freund. Der Mazdaismus, begrndet vonZarathuschtra, nannte den sittlich handelnden Menschen einenFreund Ahura Mazdas, des Eingottes und Allgottes, der imZeitalter der Achaimeniden zum persischen Reichsgott wurde.Nach Platon (Gesetze IV, 716) ist vor allem der Mensch desMaes und der Selbstbeherrschung ein Freund Gottes.

    In der Bhagavadgita der Inder (IV, 3) nennt der GottKrischna den Menschen Ardschuna seinen Freund. Oder aber

    die hchste Gottheit wird wie Zeus als Vater der Gtter undenschen verehrt als Vater nach dem Bild eines

    grobuerlichen Hausvaters, des Zeus Herkeios, nicht also alsGewaltherr. Das spricht sich auch in den Gtternamen Djauspitar bei den Indern und Juppiter bei den Rmern aus.

    Dem Glauben an die Freund-Gtter entspricht auch die indo-germanische Vorstellung von einer Verwandtschaft der hochge-muten und sittlich handelnden Menschen mit den Gttern, einerVerwandtschaft, die sich schon in der 9. Nemeischen Ode desThebaners Pindaros ausgesprochen findet. Diese Verwandt-schaft beruht vor allem darauf, da Gtter und Menschen durchdie gleichen Werte verbunden sind, durch die Wahrheit und dieTugenden (Platon, Gesetze X, 899). So verkndet es auch der

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    erwhnte Zeushymnos des Kleanthos von Assos, in welchemZeus vielnamiggenannt wird, nmlich auch Logos (Vernunft),Physis (Natur), Schicksal (heimarmene) und Urquell alles Wer-dens. Diesen Gedanken hat als Schler hellenischer Weisheitauch Marcus Tullius Cicero (de legibus 1,25) bernommen. Ausdem gleichen Gedanken hatte sich fr Platon (7. Brief 344 A)schon die Einsicht ergeben: Wer sich nicht innerlich verwandt fhlmit dem Gerechten und dem Sittlich-Schnender wird... niemals denhchsten Grad der Erkenntnis vom wahren Wesen der Tugend und des

    Lasters erreichen.Im indogermanischen Bereich ist Gott immer wieder als die

    durch die Welterscheinung herrschende Vernunft angesehenworden, so vor Kleanthes von Assos schon von Euripides(Troaden 884), der in Hekabes Gebet Zeus dem Naturgesetzund der Vernunft gleichsetzt. Die Stoiker waren berzeugt, daein gleiches Schicksalsgesetz, die Verflechtung von Ursache undWirkung, die Gtter und Menschen verbinde, da deshalbFreiheit fr die Menschen nur als die sittliche Freiheit des

    Weisen mglich sei, der durch vernunftvolle Einsicht seineBegierden berwunden habe. Damit haben die Stoiker wiederausgesprochen, was in Indien Jahrhunderte vorher Buddhagelehrt hatte. Solche Vernunft (sapientia) war auch fr Cicero(de legibus 1,58) wieder das Verbindende zwischen den Gtternund den Menschen, sie war ihm die Mutter alles Guten, daskstlichste Geschenk der Unsterblichen an die Sterblichen. EineGleichsetzung Gottes und der Vernunft hat Goethe gegen Endeseines Lebens ausgesprochen, so in einem Gesprch mit

    Eckermann vom 23. Februar 1831, in welchem er das hchsteWesenals die Vernunft selberbezeichnete.

    Paulus unterscheidet die Frmmigkeit der Indogermanen vonder der Semiten, wenn er (1. Kor. 1, 22/23) ausspricht, dieHellenen trachteten nach Erkenntnis (sophia), die Juden begehr-ten Offenbarungen (semaia), und Aurelius Augustinus, der Bi-

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    schof von Hippo (Nordafrika)37, bemht sich unter Anfhrungvon Bibelstellen, die ihn als Christen befremdende Weisheit(sapientia) der Hellenen als eine Torheit vor Gott herabzusetzenund hchste Weisheit allein in der gehorsamen Demut (humilitasoboediential) des Glubigen zu finden.

    Die indogermanische Anschauung von der Begegnung undVerwandschaft Gottes und der Menschen in der beiden gemein-samen Vernunft kann man in abschtziger Weise Rationalismusnennen, aber die Indogermanen haben immer zum logos undzur ratio geneigt, jedoch zu einem logos und einer ratio, die sich

    durch Flle der Erkenntnis weit ber den Bereich einer drrenVerstndigkeit oder flachen Vernnftelei erhoben. Indogermani-sches Denken hat einen Primat der praktischen Vernunft (Kant)erkannt und anerkannt, den schon Marcus Tullius Cicero (delegibus I, 45), durch Poseidonius in die hellenische Philosophieeingefhrt, angedeutet hat mit den Worten: Die Vollendung deVernunft ist die Tugend(est enim virtus perfecta ratio, quod certein natura est). Indogermanische Denker haben seit Platongelehrt, der Mensch knne durch Teilhabe (methexis) am

    Wahren, Guten und Schnen des Gttlichen teilhaftig werden.Indogermanische Denker (Duns Scotus, Schelling, Schopenhau-er, Eduard v. Hartmann) sind, jeder in seiner Weise, durch einenVoluntarismus ber jeden Rationalismus hinausgedrungen.

    Den Indogermanen ist aber, obschon sie sich als Verwandteund Freunde der Gtter fhlten, immer die Unbegrenztheitde r Go tth ei t und die Beg ren zth eit des Men sc hen gewigewesen, und gerade die Hellenen haben eine Abhngigkeit vonden Gttern tief empfunden. Mit der Mahnung Erkenne dich

    selbst!, die zu Delphoi in der Vorhalle des Apollontempels alsInschrift stand, sollten die Menschen eben an ihre Begrenztheitgegenber der Gottheit erinnert werden. P i n d a r o s hat in der5. Isthmischen Ode (16) gewarnt: Strebe nicht danach, Zeus

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    zu werden! Die gleiche Lebens- und Glaubenserfahrung findetsich wieder bei Go ethe :

    Denn mit Gtternsoll sich nicht messenirgendein Mensch.

    (Grenzen der Menschheit)

    Die Verlockung und Gefahr menschlicher Selbstberhebungist anscheinend besonders den Indogermanen bewut geworden,

    vielleicht eben deshalb, weil sie gegenber andersrassigen Men-schen ihre berlegenheit, ihre durch Auslese die strengeAuslese nacheiszeitlicher Jahrtausende in Mitteleuropa er-worbene Erbtchtigkeit, ihr ererbtes Edelingstum, empfanden.Das Erschrecken vor menschlicher Hybris, Selbstbersteigerung,kommt aus der Tiefe des Hellenentums, und aller Hybrisgegenber wird der begrenzte Mensch an seine sich fgendeEinreihung in die zeitlose Ordnung der Welt gemahnt, in dieauch die Gtter sich eingefgt hatten. Es ist ein Verhngnis, bei

    starkem Wollen und edlem Freiheitsdrang doch immer als derbegrenzte Mensch gegenberzustehen der Unbegrenztheit derGtter und dieses Verhngnis hat kein Menschenschlag tieferund erschtterter empfunden als die Indogermanen: das groeTrauerspiel in der Dichtung der indogermanischen Vlker er-wchst aus der Erschtterung durch dieses Verhngnis.

    Es ist aber ganz unmglich, aus der Schau der Indogermanenauf das Schicksal, ,,welches den Menschen erhebt, wenn es den

    enschen zermalmt (Schiller, Shakespeares Schatten), etwa wieW. B a e t k e gegenber den Germanen, zu schlieen, dieSchicksalstragikhabe fr diese Menschen einen Bannbedeutetund eine Schicksalsangstbewirkt, die sie reif gemacht htten freine Erlsung. Nicht der Schicksalsgott, sondern der Erlser-gott habe den Germanen die Erfllung ihrer religisen Sehnsucht

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    ebracht38. So kann man ber Germanentum und Indogerma-nentum nur urteilen von auen her, niemals von innen heraus.

    Es mag sein, da Menschen weicheren Gemtes den Blick ausdem Auge eines gnadenlosen Schicksals nicht aushielten undgegen alle Wirklichkeit des die Schicksale in den Ketten vonUrsachen und Wirkungen mit sich reienden anfangs- undendelosen Weltlaufs ihre Zuflucht zum Wunschbildegndiger Gtter oder eines gndigen Gottes nahmen. DieMenschen strafferen Gemtes im indogermanischen Bereichsind immer wie Friedrich der Groe geboreneStoiker gewesenund haben aufrecht wie der fromme Vergilius ein unerbittlichesSchicksal (inexorabile fatum) anerkannt.

    Es gehrt zur Seelenstrke des Indogermanen und ebendies bezeugt die groe Dichtung dieser Vlker, vor allem ihrTrauerspiel , eine tiefe Lust zu empfinden am Verhngnis, ander Spannung zwischen dem Begrenzten der Menschen und dem

    Unbegrenzten der Gtter. Nietzsche hat diese Lust einmalamor fati genannt. Gerade die reich beseelten Menschen derindogermanischen Vlker und sie gerade mitten in Schicksals-schlgen fhlen, da ihnen die Gottheit ein g r o e sSchicksal beschieden habe, in dem sie sich bewhren sollen. Esist echt indogermanisch gedacht, wenn Goethe in einem Briefean die Grfin Auguste zu Stolberg vom 17. Juli 1777 schreibt:

    Alles geben die Gtter, die unendlichen,ihren Lieblingen ganz:alle Freuden, die unendlichen,alle Schmerzen, die unendlichen, ganz.

    Niemals ist diese indogermanische Lust a m Schicksa l zu

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    einer Schicksalsergebung (Fatalismus) geworden, und zwar des-

    halb nicht, weil auch gegenber der Gewiheit des Untergangsder Indogermane sich dessen bewut blieb, da seine ererbteArtung die Artung des Kmpfers sei. Das drckt in derindischen Bhagavadgita (II, 38) der Gott Krischna aus, wenn erzu Ardschuna sagt: Freude und Schmerz, Gewinn und Verlust, Siegund Niederlage fr gleich erachtend, rste dich also zum Kampf, so wirst dukeinen Makel auf dich laden. Und spter kennzeichnet der Gottindogermanisches Wesen noch sicherer, wenn er (XVIII, 59)sagt: Wenn du . . . denkst: ,Ich will nicht kmpfen, so ist dieser dein

    Entschlu eitel; deine Edelingsart wird dich dazu treiben.Das ist indogermanische Schau des Schicksals, indogermani-

    sche Lust am Verhngnis, und fr den Indogermanen wre dasLeben und wre auch sein Glaube matt entspannt, wenn ihmdiese Schau durch einen Erlsergottentzogen wrde.

    Vorstellungen von einer Erlsung und von Erlsern habensich bei den Vlkern indogermanischer Sprache erst in den Spt-zeiten und von den indogermanisierten Unterschichten aus ver-breiten knnen. Wenn man eine Bezeichnung wie Erlsungau das Indogermanentum ursprnglicher Art anwenden will, kannman hchstens von einer Selbsterlsungsprechen, niemals abervon einer Erlsung durch einen Gottmenschen, einen Halbgottoder Gott. Doch sollte die indogermanische Selbsterlsungrichtiger als Selbstbefreiung bezeichnet werden, als die Befreiungder sich sittlich luternden und sich in ihre eigenen Seinsgrndeversenkenden Seele durch sich selbst, eine Befreiung in das Zeit-und Raumlose und aus dem Daseinmssen und Soseinmssen.

    Eine solche Selbstbefreiung durch eine Selbstberwindung zurBegierdelosigkeit (Pali: kilesa-nibbana oder tanhakkaja), zuraptheia der Stoiker, hat der indische Frstensohn Siddharthagelehrt, der Weise mit Augen von der Farbe der Flachsblte,wie

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    es in den Quellen39 heit, Siddhartha, welcher spter der

    Buddha, der Erleuchtete, genannt worden ist.Eine solche Befreiung aus Zeit und Raum erfhrt im indoger-manischen Bereich der Mystiker als das Nirwana bei Lebzeiten40,als die Abgeschiedenheit der sich in sich selbst versenkendenEinzelseele, die sich auf ihrem tiefsten Grunde als Allseele oderals Teil der Allseele erlebt. Daher darf auch die Mystik desAbendlandes nicht mit einer Erlsungverwechselt werden.

    Die Indogermanen haben immer dazu geneigt, eine Schick-sa lsmacht noch ber die Gtter zu erhhen, am meisten wohl

    die Inder, die Hellenen und die Germanen (vgl. Ilias 15,117; 17,198 ff; 22, 213; Odyssee 3, 236 ff; Hesiodos, Theogonia 220,Aischylos, Prometheus 515 ff; Herodotos 1,91). Der Moira oderAisa der Hellenen, die schon bei Homeros und Herakleitesauftritt, entspricht die Wurd (skandinavisch Urd) der Germa-nen; den Parzen (Parcae) bei den Rmern oder den in Mehrzahlgedachten Moiren bei den Hellenen entsprechen die Nornen beiden Germanen, Schicksalsgottheiten, die auch bei den Slawen inhnlicher Gestalt auftreten41. Die Schicksalsgttin der Letten,

    dieses baltischen Stammes der Indogermanen, hie Leima. Pia-ton (Gesetze V, 1741 A) hat noch in der Sptzeit seines Volkesbetont, die Gottheit stehe unter dem Schicksal, und ein angel-schsischer Spruch des 11. Jahrhunderts, verfat von einemchristlichen Dichter, hlt an der vorchristlichen Auffassung fest:Christus ist mchtig, mchtiger aber das Schicksal (wyrd) 42. AhuraMazda, der Himmelsgott der Iraner, teilt das Schicksal auswieZeus, der Himmelsgott der Hellenen43; beide vermgen abernichts gegen das Schicksal.

    Dieser indogermanische Blick auf das Schicksal hat mitSchicksalsergebung (Fatalismus) nichts zu tun, sondern deutetvielmehr an, aus welchem wirklichkeitsverwandten und wirk-lichkeitsharten Lebensgefhl sich indogermanische Frmmig-

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    keit gottwrts erhebt. Nach seiner ganzen Artung kann derIndogermane gar nicht gewnscht haben, aus dieser Spannungseines schicksalsverbundenen Lebens heraus erlstzu werden.Die Lsung dieser Spannung htte ihm eine Entstraffung bedeu-tet und damit letzten Endes auch eine Lhmung seiner Frm-migkeit. Schicksalsverbundenheit hat von jeher die Gre in-dogermanischen Daseins ausgemacht. Des Herzens Woge schumtenicht so schn empor und wrde Geist, wenn nicht der alte stumme Fels, dasSchicksal, ihr entgegenstnde.Diese Gewiheit, so von Hlderlin

    in seinem Hyperion ausgesprochen, verknden dieTrauerspiele eines Sophokles und so jedes groen Dichtersindogermanischer Art. Es ist die gleiche Gewiheit, dieSchopenhauer in harter Weise so gefat hat: Einl c k l i c h e s Leben ist unmglich; das Hchste, was der Mensch erlangen

    kann, ist ein heroischer Lebenslauf(Parerga und Paralipomena,Bd. II, Kapitel 14).

    Es leuchtet ein, da eine Frmmigkeit aus solchem Lebensge-fhl niemals zur Frmmigkeit fr jedermann werden kann. In-

    dogermanische Seelenhaltung kann nicht auf jeden beliebigenMenschenschlag bertragen werden. Zu ihr gehrt die Artungdes mahatma (indisch), megalethor (Ilias 16,257, Odyssee 11,85)des megalophron oder megalopsychos (hellenisch)44 (vgl. Aristo-teles, Nikomadische Ethik II, 7,7, IV, 3,1-34), des magnanismus(rmisch), des Menschen der magnitudo animi45, der altnor-dischen mikilmenska oder stormenska, der hochgemete, wie esim deutschen Mittelalter hie alles dies Bezeichnungen, vondenen jede die bersetzung der anderen sein knnte. Frmmig-

    keit ist hier das Re if werden des He ld en zum Anblicke desSchicksals, in dem er mit seinen Gttern steht. Das ist auch derSinn jener Shakespeareschen Worte Bereitschaft ist alles(HamletV, 2, 233: the readiness is all) und Reifsein ist alles(Knig Lear, V,2, 11: ripeness is all).

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    Man hat davon gesprochen, da die Lebensauffassung der

    Germanen ein P a n t r a g i s m u s sei, eine Haltung, die alles Seinund Geschehen der Welt als von einem letzten tragischen Urgrundgetragenauffat 46.Aber ein solcher Pantragismus",wie er bei dem echtenGermanen Hebbel fast berbewut zutage tritt, ist nicht alleingermanisch, sondern allen Indogermanen ursprnglich eigen47.Er durchwirkt auch die indogermanische Frmmigkeit. DerIndogermane wird zum reifen Menschen erst durch sein Lebenin der Spannung des Schicksals. Der germanische Held, wie ihnvor allem die Islndergeschichten kennzeichnen, begreift in

    seinen hchsten Augenblicken das ihm begegnende Geschickhochgemut als sein Schicksal, bleibt darin aufrecht und so sichselber treu. Aischylos (Der gefesselte Prometheus, 936) hatausgesprochen: Weise sind, die Adrasteia ehren.Adrasteia war einehellenische Schicksalsgttin.

    Weil das Schicksal gerade den frmmsten Indogermanen soviel bedeutet hat, finden sich in ihren Sprachen dafr so vieleBenennungen: der moira der Hellenen entspricht das fatum derRmer, der ananke und heimarmene der Hellenen die necessitasund fatalitas der Rmer. Die Germanen benannten das Schicksalje nach der Seite, von der sie es betrachteten, als rlog, metod,wurd, skuld und giskapu48. Bei den Indern war der Gedanke desSchicksals zur Karmavorstellung49, zur Vorstellung von einerSeelenwanderung geworden, die je nach der sittlichen Leistungwhrend eines Lebenslaufes zu einem folgenden besseren Le-benslauf hinauf- oder zu einem folgenden schlechteren hinab-fhrte. Der Gedanke eines Kreislaufes der Geburten, nach der

    Bezeichnung der Hellenen eines kyklos tes genseoos, war ur-sprnglich wahrscheinlich allen Indogermanen eigen und istauch von den Kelten und den Germanen bezeugt. Vielleicht ister auch aus der aufmerksamen Beobachtung der Vererbungleiblicher und seelischer Zge in den Sippen zu erklren, die denIndern wie

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    den Iranern, den Hellenen wie den Rmern und den Germaneneigen war denn auch Vererbung, also Soseinmssen, istSchicksal.

    Mitten im christlichen Mittelalter hat das Nibelungenlied,ber dessen Unchristlichkeit schon Goethe erstaunt war, diegermanische Unerschtterlichkeit gegenber dem unerbittlichenSchicksal in mnnlichen und weiblichen Gestalten besungen.Erik Thormann50 hat fr die Edda und manche Gestalten derIslndergeschichten einen hhnischen Trotz gegenber demSchicksal kennzeichnend gefunden, einen Kampf gegen diesesSchicksal bei aller Anerkennung seiner bermacht. Ein solcherTrotz spricht auch noch aus dem mittelalterlichen Nibelungen-liede, damit aber die indogermanische Unerschtterlichkeit, dieVerg i l ius und die noch der milde Horat ius gefeiert hat:

    Felix qui potuit rerum cognoscere causas atquemetus omnis et inexorabile fatum subiecit pedibusstrepitumque Acherontis avari.

    (Georgica II, 490-492)

    Si fractus illabatur orbis,impavidum ferient ruinae.50a

    (Carmina III, 3, 7/8)

    Den gleichen Gedanken hat Geibel in seiner Brunhild"(II,2) so ausgedrckt:

    Wenn's etwas gibt, gewalt'ger als das Schicksal,

    so ist's der Mut, der's unerschttert trgt.

    Oben (S. 29) habe ich erwhnt, da der Schicksalsgedankeauch von der hellenischen Philosophie, von Herakleitos, Platonund anderen, schon durchdacht worden ist. Die Stoiker, vorallem Poseidonios, haben hellenische Lehren von einem Schick-

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    salsgesetz (heimarmene) den Rmern bermittelt, so vor allem

    in der Fassung des Epikuros (Titus Lucretius Carus, Vergilius,Horatius). In der neueren Philosophie ist die Schicksalsfragebesonders seit Hegel wieder errtert worden, der die Geschicht-lichkeit der Gattung Mensch und des Einzelmenschen betonthat, eine Geschichtlichkeit, die von Martin Heidegger als Ge-worfenheitaus der Endlichkeit des Menschen erklrt wird.

    Die Kirche hat versucht, den indogermanischen Schicksalsge-danken durch die Vorstellung von einer Vorsehung(Providen-tia) zu verdrngen. Bei den denkenden Menschen der indoger-

    manischen Vlker gelang ihr das nicht, denn diese vermochtennicht, eine Vorsehung, die ein berma von grimmen Schick-salsschlgen blindlings austeilt, zugleich als die Liebe und dieBarmherzigkeit anzusehen. Bei Kant im Opus Postumum findetsich der Satz: Wollten wir uns aus der Erfahrung einen Begriff von Gotmachen, so wrde alle Moralitt desselben wegfallen und nur Despotie brigbleiben. Darum, so folgerte Kant, msse man von einemWeltschpfer annehmen, er habe auf Glckseligkeit seinerGeschpfe keine Rcksicht genommen.

    Wer wie W. Baetke 5 1 oder H. Rckert vermeint, solcheAnschauungen bedeuteten keine befriedigende Lsung derSchicksalsfrageoder deuteten an, diese Menschen seien mit derSchicksalsfrage religis nicht fertig geworden52, der versteht hier alsein von auen Betrachtender unter Schicksalsfrage etwasganz anderes als die En ts ch loss en he it zu m Sch ic ks al , inder zu leben und aus der zu wirken sich das Indogermanentumberufen sah. Nicht durch ein Auflsen der Schicksalsfrage imErlsungsgedanken kann der Indogermane seine Artung

    vollenden solche Erlsung wrde ihm wahrscheinlich wie einAusweichen erscheinen; seine Artung vollendet sich allein durchBewhrung im Schicksa l . Dies ber alles: sei dir selber treu!(Hamlet I, 3, 78: This above all: to thine own self be

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    true!) Aus dem Sittengebote, sich selber treu zu bleiben, ergibtsich aber wieder, da indogermanische Frmmigkeit eineFrmmigkeit edler Artung ist: dem Niedertrchtigen wird mannicht raten drfen, sich selber treu zu bleiben.

    Es ist hier ebenso wie berhaupt bei allen diesenErrterungen nicht etwa die Frage, ob das Schicksal von denIndogermanen so richtigverstanden worden sei richtig inirgendeiner wissenschaftlich-philosophischen Weise, oder obvom religionswissenschaftlichen Gesichtspunkte aus sich andere,

    uns Heutigen vielleicht einleuchtender erscheinende Lsungender Schicksalsfrageergeben; hier wird nur dargelegt, wie der Indo-germane in se inem Schicksal und zu se inem Reifwerdenge le bt hat.

    Die Gewiheit eines Verhngnisses hat den echten Indoger-manen nicht erlsungsbedrftig gemacht und hat ihn, auch wennihn das Verhngnis tief erbeben lie, niemals zu einem Zer-knirschten gemacht oder ihn in eine Sndenangst gejagt. Dervon hellenischer Frmmigkeit und von der Macht der Gtter

    ganz erfllte Aischylos steht doch wie jeder echte Indogermaneaufrecht vor den unsterblichen Gttern und bei aller Erschtte-rung ohne Sndengefhl.

    So ist indogermanische Frmmigkeit keine Frmmigkeit derAngst, der Selbstverdammung, der Zerknirschung (contritio),sondern die Frmmigkeit dessen, der die Gottheit ehren mchte,indem er sich mitten im Verhngnis des Menschenlebens zuEhren seiner Gottheit aufrechterhlt.

    Das deutsche Wort fromm bedeutet seinem Wortstammenach soviel wie tchtig;es gehrt zu gotischfruma (Erste) undgriechischpromos (Vorderster,) zum Stamme pro (vor). Fr denIndogermanen gehrte zur Frmmigkeit der Wille, mitten inallem Verhngnis vor den Freund-Gttern die Tchtigkeit derWohlgearteten zu erweisen, und d.h. desto aufrechter fromm

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    und gotterfllt zu sein, je erschtternder ein Verhngnishereinbricht. Be w hr ung im Sc hic ks a l fordern die Gttergerade von den Besten.

    Die trotzige Frmmigkeit des Indogermanen im Jnglingsal-ter, das zur Prfung seiner Seelenstrke Verhngnis geradezuherausfordert, hat Goethe gekennzeichnet in seinem GedichtePrometheus. Dann hat Hebbel nordisch-indogermanischeFrmmigkeit des Jnglingsalters treffend gekennzeichnet in demGedicht An die Jnglinge.Von solcher Jugendfrmmigkeit aus

    bis hinber zur stilleren, ergebeneren und erfllten Frmmigkeitdes Goetheschen Gedichtes Grenzen der Menschheit reichtindogermanisches Wesen.

    Nie haben Indogermanen gewhnt, frmmer zu werden, wennsie von ihrem Diesseits ein Jenseits ablsten und dann das Dies-seits entwerteten zu einem Schauplatz des Jammers, der Heim-

    suchungen und der erlsungsbedrftigen Gebrechlichkeit, dafrdann aber dem Jenseits alle Seelenwonnen zuschrieben, zu deneneine diesseitsflchtige Seele sich ein Menschenleben lang hin-bersehnen msse. Der amerikanische ReligionswissenschaftlerWilliam James hat einander gegenbergestellt ein Frommsein deseelischen Gesundheit (religion of healthy mindedness) und einFrommsein der kranken Seele (religion of the sick soul53 .Abendlndische Beispiele fr die Frmmigkeit der kranken Seelehaben Blaise Pascal und Sren Kierkegaard gegeben. Indogerma-

    nische Frmmigkeit ist Frmmigkeit der leiblich-seeli-schen Gesundheit nicht jedoch in dem Sinne, da nur derleiblich und seelisch gesunde Mensch sie erfahren knnte, son-dern in dem Sinne, da die gotterfllte Seele nach einer Erhe-bung zum Gttlichen strebt von einem Gl e ichgewicht aus,

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    tas, die, als eine der hellenischen aidoos (Scheu) entsprechende

    religio zusammengefat, auch das Wesen des echten, d.h. vonindogermanischen Ahnen stammenden Rmers ausmachten.Hiermit ist aber zugleich eine Grenze angegeben, auf die obenwiederholt hingewiesen worden ist: indogermanische Frmmig-keit kann ihrer Herkunft und ihrem Wesen nach niemals zurFrmmigkeit fr jedermann werden.

    Was Nietzsche , der Kranke, die G r o e G e s u n d h e i t genannt hat und was ihm als ein so hoher Wert erschienen ist,die Vornehmheit : beides durchdringt auch das Glaubensleben

    des Indogermanen. Wer Frmmigkeit an der sichtbaren Erre-gung des Frommen messen will, der mu den Indogermanenunfromm finden. Die hchsten Erhebungen indogermanischenFrommseins sind nur demjenigen zugnglich, der seine seeli-schen Krfte zum Gleichma zu beherrschen gelernt hat, undsind ihm nur in denjenigen Stunden zugnglich, in denen ihmsolches Gleichma zuteil wird. Daher mahnt Horatius (Car-mina II, 3, 1/2) im Einklang mit hellenischen Weisheitslehren:

    Aequam memento rebus in arduisservare mentem!54a

    Platon hatte, wie oben (S. 28f) berichtet worden ist, denMenschen des Mahaltens einen Freund der Gottheit genannt.Als der ganze Mensch mit a l len seinen Krften und imGleichma dieser Krfte will der Indogermane vor der Gott-heit stehen, und die Gottheit fordert von ihm die ganze Gemes-senheit seiner Art.

    Eine edle Gemessenheit, also die constantia und gravitas,welche die Rmer vor allem von ihren Senatoren und hohenBeamten forderten, hat einer der besten gelehrten Kenner desvorchristlichen Germanentums, der Schweizer Andreas Heus-ler55, auch im seelischen Ausdruck derjenigen an Zahl nicht

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    geringen rmischen Bildwerke56

    gefunden, die Germanenund Germaninnen darstellen: Was an diesen groen, edel geformtenZgen am meisten auffllt, ist eine beherrschte Ruhe, eine gehalteneVornehmheit, ja eine nachdenkliche Milde. Solche seelischen Zgelassen aber auch die Zeugnisse ber die Altgermanische Sittenlehreund Lebensweisheit erkennen, die Andreas Heusler im gleichenZusammenhang anfhrt. Diese Zeugnisse widersprechen alsoden auch heute noch ab und zu wiederholten Verleumdungender Germanen als roher Barbaren, die erst durch die

    mittelalterliche Kirche zu gesitteten Menschen erzogen wordenseien. Die von Heusler erwhnte beherrschte Ruheund gehalteneVornehmheit sind aber Kennzeichen des Indogermanentumsberhaupt, Ausdrcke von Erbanlagen, die zeitlich hinter dasGermanentum in die indogermanische Urzeit zurckweisen,zurck also in die Jungsteinzeit Mitteleuropas. Diese vornehmeGemessenheit ist aber auch der Grund der Frmmigkeitnordischer Artung: auch der Gottheit gegenber will derFromme das seelische Gleichgewicht bewahren, die aequanimitas

    der Rmer, die metriotes und sophrosyne der Hellenen, dieupekscha der Inder.

    Die gehaltene Vornehmheit alles Indogermanentums, die edleGemessenheit gerade in der Frmmigkeit, hat sich auch inWerken der Bildenden Knste und der Dichtkunst ausgedrckt:ich habe (S. 18) den Festzug der Panathenaien, die ara pacis unddas carmen saeculare des Horatius als Beispiele angefhrt. InAthen bewegte sich zur Feier der Stadtgttin Athene alle vier

    ahre der allathenische (panathenaische) Festzug auf die Akropo-lis hinauf. Ihn stellt das Bildwerk des Parthenonfrieses dar, eineder schnsten Gestaltungen der edlen Gemessenheit hellenischerund indogermanischer Frmmigkeit. Ernst L a n g l o t z, derdiesen Fries unter dem Titel Schnheit und Hoheit(1948) be-schrieben hat, kennzeichnet (S. 14) die lange Reihe dieser Bild-

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    werke so, da durch deren vornehme Selbstbeherrschung hin-

    durch auch die indogermanische Schicksalstragik des Hellenen-tums erkennbar wird: diese Gestalten seien erfllt von den gefhr-lichen geistigen Spannungen der Macht ihres Lebens, das, der Tragdiegleich, den Menschen erhebt, wenn es den Menschen zermalmt. Seelenadel und Gelassenheit, eine Gelassenheit, die sich vorallem im Parthenon ausdrcke, hat auch Josef S t r z y-gowski5 7 als Kennzeichen hellenischen wie berhaupt indo-germanischen Wesens bezeichnet.

    Die ara pacis, ein im Jahre 9. v. Chr. in Rom geweihter Altar,

    wahrscheinlich nach hellenischen Vorbildern, vermutlich auchnach dem des Parthenonfrieses gestaltet, stellt einen Opfergangedler Rmer dar, an dem Augustus selbst und seine Familieteilnehmen, begleitet von hohen Beamten und Liktoren. DasBauwerk und seine Bildwerke sprechen die hellenisch-rmischeFrmmigkeit der religio, der aidos (Scheu) in dieser Sptzeitnoch in reiner und reifer Gestaltung aus.

    Reine und reife Frmmigkeit indogermanischer Art hat ineiner seelisch verwirrten und sittlich verwahrlosten Sptzeit der

    rmische Dichter Quintus Horatius Flaccus in einem gottes-dienstlichen Festgedicht, dem Carmen saeculare ausgesprochen(carmina 3, 25). Der indogermanische Gedanke der Weltord-nung, in die der sittlich strebende Mensch sich einzufgen habe,ist hier wieder ausgesprochen: Ehre, Mannhaftigkeit, Treue,Schamhaftigkeit und Friede werden betont (Vers 57/58). Vonden Gttern wird die Frderung alles Wachstums erfleht, dasGedeihen des Viehs und der Ackerfrchte; sie mchten demRmervolke Gedeihen und Kinder und alles Schne (Vers 45)schenken. Gleiche Gesinnung spricht aus dem Gruwort derskandinavischen Germanen, die einander ein fruchtbares Jahrund Frieden (r ok fridr) wnschten oder auch ein fruchtbaresahr und Gedeihen des Viehs (r ok fsaela).

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    Hermann Oldenberg5 8 hat die Eigenart buddhistischerFrmmigkeit so gekennzeichnet: Das Gleichgewicht der Krfte, dasinnere Ebenma ist es, dem nachzustreben Buddha empfiehlt. Damitaber hat Oldenberg die Eigenart indogermanischer Frmmigkeitberhaupt bezeichnet. Buddha selbst hat die seelischenRegungen des frommen Menschen einmal mit einer Lauteverglichen, deren Seiten am schnsten klingen, wenn sie nicht zulose und nicht zu straff gespannt sind (Maharagga V, 1,15/16).Dies und nicht etwa eine mattherzige Mittelmigkeit ist auch

    der Sinn der aurea mediocrita des Horatius, die von der Niko-machischen Ethikdes Aristoteles aus zu erklren ist.

    Nichts in seinem Wesen soll der Rechtschaffene als vor derGottheit geringer an Wert ansehen: darum gibt es fr den Indo-germanen keinen Le ib- Se e le -Z wie spa lt . Das geht ja schonaus dem Willen zur Bewahrung eines Gleichgewichts aller

    menschlichen Krfte hervor. Der Indogermane lebt auch imGleichgewicht des Leibes und der Seele, wenn er schon Leib undSeele als zweierlei und als wesensverschieden auffat. Im ganzenhat das Indogermanentum immer eher in einer Leib-Seele-Einheit gelebt; die Germanen neigten eher dazu, den Leib alseinen Ausdruck der Seele zu begreifen59. Jedenfalls haben dieIndogermanen auch da, wo Nachsinnen sie von einem ausge-dehnten stofflichen Leibe und einer ausdehnungslosen unstoffli-chen Seele berzeugt hatte, diesen Leib und diese Seele nicht im

    gegenseitigen Widerstreit erblickt. Ein erkenntnistheoretischerDualismus, in welchem dem Subjekt ein Objekt gegenbersteht,dem Erkennenden ein Gegenstand der Erkenntnis (H. Rickert),wird dem seiner Artung treu bleibenden indogermanischenGeiste nicht mehr sein als eine Methode, als ein zur

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    Erkenntnis notwendiges Verfahren des Denkens, wird jedenfalls

    nicht einen Leib-Seele-Gegensatz bestrken und wird auch nicht(wie Ludwig Klages) den sich in der Subjekt-Objekt-Spannungentzndenden Geistals einen Widersacher der Seeleverkennen.Fr die Indogermanen ist die Leib-Seele-Frage nicht erregend,auch nicht zur Frmmigkeit.

    Diese Frage ist fr sie nicht bedrckend geworden, und niehaben sie den Leib entwertet, um die Seele desto hher wertenzu knnen. Ganz fernliegt ihnen die Vorstellung, der Leib,einem Diesseits verhaftet, sei ein schmutziges Gefngnis fr eine

    aus ihm hinaus, einem Jenseits zustrebende Seele. Wo einmalueres und Inneres am Menschen geschieden betrachtetwerden, da verbinden sie sich gerade in der Stimmung desFrommen wieder zu ausgleichender Wechselwirkung. Dafr magdas Gebet zeugen, das Platon zum Beschlu seines Phaidrosden Sokrates zu den Gttern beten lt: Verleihet mir, in meinemInnern schn zu werden, und da all mein uerer Besitz dem Innern nichwiderstreite!

    Eh ru ng de s Le ibes al s eines sichtbaren Ausdrucks

    ausgelesener Artung kennzeichnet den Indogermanen. Darumliegt diesem Menschenschlage auch jeder Gedanke derSinnenabttung (Askese) fern und wre ihm als eineVerkrppelung seines menschlichen Wesens erschienen. Es gibteine Frmmigkeit der in der Welt und in ihrem Leibe sich nichtwohl fhlenden Seele. Sie ist besonders der vorderasiatischenRasse eigen60, in anderer Weise auch der ostbaltischen Rasse61.Indogermanische Frmmigkeit ist Frmmigkeit der in der Weltund in ihrem Leibe sich wohl fhlenden Seele. Fr den frommenMenschen der vorderasiatischen Rasse und fr den vomvorderasiatischen Rassengeiste bestimmten Abendlnder mssendie Indogermanen als Weltkinder erscheinen, weilnichtindogermanischer Geist das Wesen indogermanischerFrmmigkeit meist gar nicht fassen

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    kann und daher hier einen Mangel an Frmmigkeit feststellenwill. Hermann Lemmel 6 2 gebraucht das Wort Weltfrmmigkeitzur Kennzeichnung der iranischen (persischen) Religion: denIranern habe das Weltleben unbegrenzte Mglichkeiten deGottesverehrung geboten, Goethe habe in seinem GedichteVermchtnis altpersischen Glaubens die Frmmigkeit der Iranertreffend bezeichnet:

    Schwerer Dienste tgliche Bewahrung,sonst bedarf es keiner Offenbarung.

    Tatschlich sind die Indogermanen Weltkinder"in dem Sinne,da dieseWelt schon den ganzen Reichtum ihrer verehrendenund vertrauenden Hingebung an das Gttliche entfalten kann.Eine verehrende Durchdringung aller Dinge der Umwelt unddes Menschenlebens durch ein alles umfassendes hochsinnigesGemt: von solchen Regungen geht immer wieder indoger-manische Frmmigkeit aus in Weite, Tiefe und Hhe. DasGttliche ist allgegenwrtig, wie Schiller (Die Gtter Grie-

    chenlands) es gezeichnet hat:

    Alles wies den eingeweihten Blicken, alleseines Gottes Spur.

    Darum haben sich die Glaubensformen der Indogermanen soleicht in reicher Vielgtterei entfaltet, immer zugleich mit einer

    Ahnung oder mit der Gewiheit vieler Glubigen, da letztlichdie vielen Gtter doch nur Benennungen fr die verschiedenenAnblicke des Gttlichen seien. In der Verehrung von Gebirgs-

    hhen, von Flssen, von Bumen, der Verehrung der Sonne, desFrhlingsbeginns, der Morgenrte (indisch Uschas, iranischUscha, griechisch Es aus Auss, lateinisch Aurora aus Ausosa;zu germanisch Ostara), des Ackerlandes und einzelner zu Halb-gttern erhobenen berragenden Menschen der Vorzeit in

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    allem dem uert sich die Diesseitsfrmmigkeit der Indo-

    germanen als ein Ausdruck der Weltgeborgenheit, die dieseVlker empfanden. Als Weltgeborgenheithat W. Hauer 6 3 denUrgrund indogermanischer Frmmigkeit bezeichnet. Manknnte auch mit Eduard Spranger (vgl. S. 17) von Welt-rmmigkeit sprechen, in der solche Weltgeborgenheit sichausgedrckt habe.

    Weil Weltgeborgenheit den Urgrund ausmacht, wird dieseFrmmigkeit, sobald sie sich mit philosophischer Besinnungtrnkt, so leicht zur Al lvergtt l ichung (Pantheismus) oder

    andererseits zu bestimmten pantheistischen und zugleich be-sonnenen, nicht rauschartigen und drngenden Ausprgungender Myst ik . Die streng theistischen Religionen der Semitenverkndeten persnliche Gtter. T. H. Robinson 6 4 hat aus-gefhrt: Im jdischen oder christlichen Glauben ist kein Raum offengelassen fr irgend eine Art des Pantheismus;beide Religionen shenGott als eine Person(as a person).

    Arthur Drews 6 5 hatte den Theismus die Grundkategoriedersemitischen Frmmigkeit genannt, den Pantheismus dieGrundkategorieder indogermanischen (arischen).

    Hermann G n t e r t66 hat die Neigung zur Mystik der indo-germanischen Sinnesart entsprechend gefunden, eine solcheNeigung beruhe bei diesen Vlkern auf ursprnglicher Rassen-gleichheit.

    Das ursprngliche Indogermanentum hat bezeichnenderweisekeine Tempel als Wohnsttten fr Gottheiten gekannt. Dieltesten Inder kannten keine Tempel. Bei den Rmern der Frh-

    zeit gab es wie wahrscheinlich bei allen Italikern weder Tempelnoch Gtterbilder. Tac i tus (Germania, 9) berichtet von denGermanen, es entspreche nicht ihrer Auffassung von der Greder Himmlischen, Gtter in Wnde einzuschlieen. Aus ebendieser berzeugung soll der Perserknig Chschajarscha (Xerxes)

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    die Tempel in Griechenland haben verbrennen lassen (Cicero, delegibus II, 26: quod parietibus includerent deos). Die Hellenenwaren von der urindogermanischen Auffassung damals schonabgewichen. Sie hatten den Tempelbau im 7. vorchristlichenahrhundert begonnen, zuerst als einen Holzbau, der unver-

    kennbar vom mitteleuropischen, jungsteinzeitlichen und bron-zezeitlichen Rechteckhaus abgeleitet war. Da die Indogermanenursprnglich keine Gtterbilder besaen, mag einerFrmmigkeit der Weltgeborgenheit weitrumig denkender

    Menschen entsprechen, einer Frmmigkeit, die von Beginn anzur Allvergttlichung geneigt hat.

    Das weitrumige Denken der Indogermanen, ein Weitblickdes zur geistigen Freiheit, zur theoria, zum Schauen berufenenMenschen, wie ihn die klassischeKunst der Hellenen vollendetdargestellt hat ein solcher Weitblick begreift die Welt und inihr alles gttliche Walten und alles tchtige Menschenleben alsden groen Zusammenhang einer gttlichen Ordnung:

    einer Ordnung, die bei den Indern als rita erscheint, ber dieMitra und Waruna (griechisch Uranos) wachen, die Gter desrita67, bei den Persern als ascha oder urto (Heil, Recht, Ord-nung), bei den Hellenen als kosmos, bei den Italikern als ratio,bei den Germanen als rlog oder Midgard.

    Hermann Lommel 6 8 spricht von einer Rechtsordnung desWeltgeschehens,welche die Iraner anerkannt htten. Eine solcheVorstellung, die Vorstellung von einem Weltgesetz, in das sichGtter und Menschen eingeordnet finden, durchzieht die

    Lehren der Stoiker, und wenn Cicero (de legibus 1,45) die voll-kommene Tugend (virtus) als die Vollendung der Vernunft(ratio) ansieht, die in der ganzen Welt (natura) herrsche, wenn er(de finibus IV, 34) die Tugend (virtus) als die vollendete Ver-nunft preist, so hat er mit solchen hellenischen, zumeist sto-

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    ischen Weisheitslehren wieder den Gedanken einer sinnvollen

    Weltordnung ausgesprochen. Diese allen Indogermanen eigeneVorstellung hat zuerst der Jenaer Rechtswissenschafter BurkhartWilhelm Leist (1819-1906) erkannt und dargestellt in seinenWerken Altarisches Jus gentium (1889) und Altarisches Iuscivile(1892-1896). Dann hat Julius v. Negelein 6 9 den auch imahreslauf sich ausdrckenden Ordnungsgedanken bei Indern

    und Iranern verfolgt, einen Gedanken, dem in den Sittenlehrendie Pflicht zur Einordnung des einsichtigen und hochgemutenMenschen in die Ordnung der Welt entsprach. Spter hat Wolf-

    gang S c h u l tz (Zeitrechnung und Weltordnung, 1929) betont,da dieser Gedanke der sinnvollen Ordnung sich imVlkerleben der Erde nur bei den Indogermanen finde. Als einBruchstck hat sich ein hellenisches Gebet erhalten, das dieGtter fr die Sterblichen um Ordnung (eunomia) bittet70.

    In Indien entsprach auch die Kastenordnung derumfassenden Weltordnung71. Durch diese Ordnung wollten diedrei obersten Kasten als Nachkommen der im zweitenvorchristlichen Jahrtausend vom sdstlichen Mitteleuropa her

    eingewanderten Stmme72, die sich wie die Iraner Arier nannten,ihre Rasse rein erhalten. Das Kastengesetz war eineEntsprechung des Gesetzes der Weltordnung (dharma), des iusdivinum, wie die Rmer diese Ordnung bezeichneten. Teilhabean der berlegenen geistigen Welt der Weden, Brahmanas undUpanischaden bestimmten ursprnglich die Hhe der Kaste. Jehher die Kaste, desto strenger die Verpflichtung zu einer derWeltordnung entsprechenden Lebensfhrung.

    Dschawaharlal Nehru (1889-1964), nach Gestalt, Kopfform

    und Gesichtszgen noch als vorwiegend nordisch zubezeichnen, wie die meisten fhrungsbegabten Inder unsererZeit heller als der Durchschnitt auch der nordindischenBevlkerungen, teilt in seiner Lebensbeschreibung mit, erstamme von vterlicher wie

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    mtterlicher Seite aus Brahmanenfamilien Kaschmirs also desgebirgigen Nordwestens Indiens, ber den die arischen Indereingewandert waren wo es noch viele blonde Kinder gebe;eine seiner Tanten sei wegen ihrer hellen Haut, ihrem blondenHaar und ihren blauen Augen fr eine Englnderin gehaltenworden.

    Alle groen Gedanken der indischen Religion und Philoso-phie sind vom Gebiete des oberen Ganges ausgegangen. Dadiese Gedanken, die in Umdeutung und Entstellung auch noch

    im Hinduismus fortwirken, sich zu einander widersprechendenLehren frei entfalten konnten, ist der Geistesfreiheit und Duld-samkeit zuzuschreiben, die alles Indogermanentum ausgezeich-net haben und die in Indien auch von dem bermchtig werden-den Brahmanentum nicht unterdrckt worden sind.

    Die Gtter bestimmten jegliches Dinges Ma und Ziel den Menschenauf lebenschenkender Erde so heit es in der Odyssee (18,592/93), und Pherekydes spricht im sechsten vorchristlichenahrhundert von dem ordnenden Zeus, wahrscheinlich von

    Anaximandros belehrt. Auch hier klingt der Gedanke dergttlichen Weltordnung an, so wie er anklingt in der Edda inDer Seherin Gesicht:

    Zum Richtstuhl gingen die Rater alle, heilgeGtter, und hielten Rat: fr Nacht und Neumondwhlten sie Namen, benannten Morgen undMittag auch, Zwielicht und Abend, die Zeit zumessen.

    (Die Edda, bertragen von H. Genzmer ,Volksausgabe, 1933, S. 33)

    Familie, Stamm, Staat, Gottesdienst und Recht, Jahreslauf undFeste73, Sitten und Geistesleben, Ackerflur, Haus und Hof: allesbezogen auf eine We lt ordnung, und in dieser Ordnung lebtder Mensch als Glied einer Sippe, die fortdauert in einer

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    Or dn un g d er Ze ug un ge n, die bei den Hellenen als der

    Hestiagedanke erscheint, bei allen Indogermanen versinnbild-licht wird durch die Verehrung des heiligen Herdfeuers (indischAgni zu lateinisch ignis, iranischAtar, keltisch Brigit). Innerhalbder umfassenden Weltordnung also die gttliche Ordnung derZeugungen zur Bewahrung des Rassenerbes, des gottgegebenenRassenerbes, in den ausgelesenen Geschlechtern: so wird Ras-senpflege unmittelbar eine Folge und Forderung aus dem Gan-zen der Weltordnung und eine unmittelbare uerung des indo-germanisch-frommen Gemts.

    Noch im indischen Gesetzbuche des Manu (X 61) ist dieVorstellung der Zeugungsordnung bewahrt.

    Htten wir in Deutschland einen Lehrstuhl fr das Geistesle-ben der Indogermanen, so wie die Franzosen in Paris den Lehr-stuhl fr die civilisation indo-europenne, dessen Inhaber ge-genwrtig der hervorragende, bei uns fast unbekannte GeorgesDumezil ist, so wren diese Zusammenhnge der indogermani-schen Weltdeutung und Geistesgestaltung, nachdem der heutevergessene B. W. Leist gegen Ende des 19. Jahrhunderts einen

    Anfang gewagt hatte, auch bei uns eifriger erforscht worden,damit aber auch der Gedanke der sinnvollen Weltordnung, in diesich einzuordnen auch fr die Stoiker noch das Grundgebot derSittlichkeit ausmachte. Wahrscheinlich ist auch der ordo-Ge-danke des christlichen Mittelalters, der Gedanke einer Zuord-nung alles Diesseitigen zu einem Jenseits, der von derGliederung der Stnde des diesseitigen Staates bis zurgegliederten Einbeziehung aller Menschen in einen ordo salutis,eine Heilsordnung, reicht, noch eine Auswirkung desindogermanischen Gedankens der sinnvollen Weltordnung audas sich von der Welt abkehrende paulinisch-augustinischeChristentum. Ernst Theodor Sehrt 7 4 hat gezeigt, da derindogermanische Ordnungsgedanke, verbunden mit dempythagoreischen und platonischen Ge-

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    danken der Sphrenharmonie und mit dem stoischen Lob derVernunft, die als Einklang mit der Weltordnung begriffen wird,sich auch bei Shakespeare bewahrt findet.

    Das Knigreich, in dem ungeordnete Zeugungen vorkommen, geht miseinen Einwohnern rasch zugrunde. Daher die indogermanischeHeiligung des Geschlechtslebens, die Ehrung derHausherrin (dspoina, matrona) als Hterin des Rassenerbes;daher die A h n e n v e r e h r u n g, die Verehrung der diviparentes; daher mute sich indogermanische Frmmigkeit inmenschlicher Zuchtwahl ausdrcken, in der sorgsamenGattenwahl, in einer eugneia, in dem Streben der Geschlechternach Wohlgeborenheit.

    Durch den bezeichneten Kosmos- und Midgardgedanken derIndogermanen erscheint der Mensch hineingestellt hineinge-stellt, nicht hineingekettet wie in morgenlndischen Religionenmit Gestirndienst und priesterlicher Zukunftersphung (Einge-weideschau, Vogelflug; Babylonier, Etrusker usw.) hineinge-

    stellt in den groen Zusammenhang einer sinnvollen Ordnung;er erscheint im Vertrauensverhltnis zu seinem Gotte, dessenWesen selbst im Zusammenhang der Weltordnung wirkt, undmit diesem Gotte in vlkischer Aufgabe streitend gegen allewidergttlichen Mchte, gegen das Chaos, gegen Utgard. DenRaum der Erde erkennt der Indogermane als das Feld seinerhegenden Ttigkeit buerlicher Art cultura von colere , undPflanze, Tier und Mensch sieht er jedes zu Wachstum undReifung berufen, zur kraftvollen Selbstbehauptung innerhalb der

    zeitlosen Ordnung. Schuld des Menschen nicht Sndeentsteht berall da, wo ein Einzelmensch sich gegen dieOrdnung in Trotz oder bermut erhebt und einen kurzsichtigenEigensinn oder wirren Leichtsinn durchsetzen will gegengttlichen Sinn. Hierdurch, durch den Frevel einer solchenHybris, wird der einzelne schuldig, und seinem Volk entsteht

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    hierdurch die Gefahr des Zerfalls und der Entartung; der Welt-

    ordnung droht hierdurch Wirrnis und Entstellung.

    Wenn des Leichtsinns Rottedie Natur entstellt, huldige dudem Gotte durch die ganzeWelt!

    (v. Platen, Parsenlied)

    Immer ringen fr die Indogermanen, am meisten fr die Ira-

    ner, gegeneinander der gttliche Wille zur Gestaltung, zur vlki-schen Ordnung, zur Steigerung alles Lebendigen, und ein wider-gttlicher Wille zur Zersetzung und Entfaltung, zur Verderbnisaller Keime, immer der Gott Ahura Mazda (Ormazd) gegen denWidergott Angro mainju (Ahriman). Midgard, die Welt dersinnvollen Ordnung, erhlt und erneuert sich nur durch denstndigen mutigen Kampf der Menschen auf Gottes Seite gegendie widergttlichen Mchte, gegen Utgard75. Midgard ist derInbegriff des sinnvollen Zusammenwirkens aller gttlichen Ge-

    setze und aller menschlichen Ehre76.Gerade der rita- und ascha-Gedanke, der kosmos-, ratio- und

    Midgard-Gedanke des Indogermanentums zeigt, da indoger-manische Frmmigkeit eine Frmmigkeit war mit dem Willenzur Steigerung des Lebens, eine Frmmigkeit, zu derenhchsten Gtern alle Wachstumswerte zhlten, eine Frm-migkeit, kraft deren der Mensch mit reif werdender groer Seele,als mahatma (Groseele), als megalopsychos, mit der echtindogermanischen magnitudo animi, der stormenska, dem

    Hochsinn der Islnder, der hochgemete der deutschen Ritter,vor der Gottheit stehen wollte. Ein groes Herz und weite

    usblick (rm Hart, klar Kimming), wie ein friesisches Sprich-wort sagt, kennzeichnen den nordischen Indogermanen auch in

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    seiner Frmmigkeit, der vornehmen Frmmigkeit eines Adels-bauerntums.Wenn wir so den ganzen Umkreis der verschiedenen Aus-

    drucksweisen indogermanischen Frommseins berblicken, so er-scheint uns wieder deutlich, da vieles von dem, was auch imAbendlande als Kennzeichen besonders frommen Sinnes gegol-ten hat und gilt, im Indogermanentum fehlenwird fehlenfr denjenigen, der indogermanische Frmmigkeit mit Mast-ben mit, die er am Wesen andersgeprgter Frmmigkeit abgele-

    sen hat. Der Tod kann innerhalb des Indogermanentums nichteine zu Glauben und Frmmigkeit mahnende Erscheinung be-deuten. Man hat den Tod fters schon als den Erweckerphilosophischen Denkens und das memento mori zusammenmit der Drohung eines Weltendes und Totengerichts ftersschon als einen Befrderer und Bestrker von Glauben undSittlichkeit bezeichnet. Alles dies trifft fr das Indogermanentumnicht zu.

    Ein Spruch der Edda besagt:

    Munter und heitersei der Mnner jeder,bis der Tod ihn trifft!(Edda, Bd. II, bersetzt von Felix Genzmer, 1924, S. 144)

    Der Tod ist fr den Indogermanen eine bedeutsame Erschei-nung des Menschenlebens; seine Betrachtung aber nicht wirklichwesent l ich fr die Strke oder Tiefe der indogermanischenFrmmigkeit. Der Tod gehrt fr den Indogermanen zur sinn-

    vollen Ordnung der Welt; ihm steht der Indogermane etwa sogegenber wie heute noch in unserem Volke die Besten unterden Bauern. Weil vo l lkommenes menschliches Leben fr denRechtschaffenen schon aufdieserErde mglich ist, wenn er ingemessener Selbstbehauptung sein tchtiges Wesen entfaltet,weil zur Ordnung der Welt der Tod des einzelnen ebenso gehrt

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    wie die Pflicht zur Erhaltung der ausgelesenen Sippen, weil einenseits im Glauben der Indogermanen keine wesentliche Be-

    deutung hat, weil mindestens der Ausblick auf ein Jenseits denGlubigen nicht beunruhigen oder bedrcken kann, so kommtdem Tode nicht die Bedeutung eines Erregers zu Glauben undsittlicher Lebensfhrung zu.

    Es ist auffllig, wie bla und wie wenig erregend die ursprng-lich-indogermanischen Vorstellungen von einem Leben nachdem Tode sind, Vorstellungen wie die vom Totenreiche desHades bei den Hellenen oder der Hei bei den Germanen77. Die

    Walhallvorstellungen der Germanen zhlen kaum hierher; siesind eine spte, nicht ursprngliche Sonderentwicklung undweniger eine aus glubigem Gemte als vielmehr aus dichteri-scher Schilderungsgabe, sind also norwegisch-islndisches Dich-terwerk(vgl. S. 13) des Wikingszeitalter. Es fllt auch auf, da inden deutschen Sagen und Mrchen keine Erinnerungen an Wal-hall bewahrt sind.

    Im Grunde war fr den Indogermanen der Tod ein bergangzu einem Leben, das in seinen Einzelzgen dem Leben in der

    Welt der Lebendigen glich, nur stiller, ausgeglichener und schat-tenhaft. Der Abgestorbene blieb ein Teil der Sippenseele, vonder er ja im Leben auch ein Teil gewesen war. Er war niemals einlosgelster Einzelner gewesen, sondern immer ein Teil des ge-schlechterlangen Daseins einer Sippe auf ihren Erbhfen. AlsTeil der Sippenseele war fr ihn der Einzeltod bedeutungsarm.Was ihn aber im Totenreiche anging, war das Gedeihen seinerSippe, der Pferde und Rinder seiner Sippe, der Acker und Wei-den seiner Sippe. Achilleus, der Abgestorbene, fragt den in die

    Unterwelt vorgedrungenen Odysseus: Verkndige mir von meinemtrefflichen Sohne!(Odyssee XI, 492) und geht mit groen Schrittenund freudenvollvon dannen, als er von des Sohnes Tugenderfahren hatte (XI, 539/40).

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    Paul Thieme 7 8 hat gezeigt, da die indogermanischen Vor-

    stellungen von einem Reiche der Toten ursprnglich minderdster und heiterer waren als die hellenischen Vorstellungenvom Hades oder die germanischen von Hei. Im Rigweda derInder wie im Awesta der Iraner und wie bei Homer sind Erinne-rungen an das Totenreich als einer anmutigen Wiesenaue erhal-ten, einer Rinderweide (Rigweda) oder einer Fohlenweide (Ho-mer), die ein Flu vom Lande der Lebenden trennt. Auf solchenAuen finden sich die Verstorbenen mit ihren Ahnen zusammen.Nach Hans Hart mann7 9 entspricht die Toten- und Ahneneh-rung wie auch die Verehrung des Feuers und der Sonne imkeltischen Irland nordgermanischen, italischen, tocharischen undindoiranischen, hiermit aber wahrscheinlich indogermanischenGebruchen. Diesen entsprechen aber auch Wortgleichungenzwischen dem Keltischen und Italischen einerseits und demIndoiranischen andererseits80.

    Um den Tod des einzelnen hat indogermanische Frmmigkeitnie Kreise gezogen: die Weltordnung war zeitlos auch durch

    Untergnge ganzer Zeitalter und ganzer durch Schuld zerrtteterErden hindurch; es sollte nicht einen Weltuntergang geben oderden Anbruch eines alle Dinge verwandelnden Reiches Gottes, zudessen Verwirklichung und Herbeirufung die Menschen heuteschon Weltabkehr zu ben und ihre letzte Stundezu bedenkenhtten.

    Solange durch den Kampf der Menschen auf Seiten ihres

    Gottes gegen die widergttlichen Mchte die sinnvolle Ordnungerhalten wird, ist dem Indogermanen der Gedanke einer Erl-sung unfabar. Erlsung von welchem bel und zu welchemanderen Dasein. Midgard war kein bel, Utgard galt eswirkend und kmpfend abzuwehren, und ein besseres Leben als

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    das Leben der Gottesfreundschaft und der gemessenen Selbst-

    behauptung in der sinnvollen Ordnung konnte es nicht geben.Erlsung also wovon und wozu? Fr indogermanischeFrmmigkeit blieb ein Erlsungsgedanke ohne Sinn.

    Daher fehlen