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GuP 2/2016 | 41 Herausgegeben von: Prof. Dr. Peter Axer | Prof. Dr. Markus Finn | Prof. Dr. Ingo Heberlein | Prof. Dr. Thorsten Kingreen | Dr. Martin Krasney | Dr. Kyrill Makoski | Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery | Dr. Elke Roos | Marcus Schian | Dr. Bernd Schütze | Prof. Dr. Astrid Wallrabenstein | Wolfgang Wellner | Prof. Dr. Felix Welti Schriftleitung: Prof. Dr. Hermann Plagemann und Dr. Ole Ziegler www.gup.nomos.de * Dr. Heike Thomae ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizin- recht bei der Anwaltskanzlei Quaas & Partner, Dortmund. 1 BGBl. I 2015, S. 1211 ff. 2 Laut Gesetzesbegründung zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz (BT- Drucks. 17/6906, S. 55) war der 2007 in § 11 Abs. 4 SGB V eingefügte An- spruch auf Versorgungsmanagement durch die Krankenhäuser nicht in dem gewünschten Umfang umgesetzt worden. 3 Eingeführt durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz mit Wirkung zum 1.4.2007; vgl. dazu Braun, MedR 2013, 350; Wahl in jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 39 Rn. 92 ff.; Ossege, GesR 2012, 204. 4 Vgl. BT-Drucks. 17/6906, S. 105. 5 Vgl. BT-Drucks. 18/4095, S. 76; BR-Drucks. 641/14, S. 88. 6 So ausdrücklich in BT-Drucks. 18/4095, S. 76; BR-Drucks. 641/14, S. 88; Braun, GesR 2015, 519. A.  Einleitung und Rechtsgrundlage Das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Kran- kenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) vom 16.07.2015 ist am 23.07.2015 in seinen wesentlichen Teilen in Kraft getreten 1 . Mit ihm wurde § 39 SGB V um einen neuen Abs. 1a ergänzt. Dieser sieht nunmehr eine Neufassung des bislang in § 39 Abs. 1 S. 4 – 6 SGB V gesetzlich geregelten Entlassmanagements vor. Die Sätze 4 – 6 in § 39 Abs. 1 SGB V waren zuvor durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz im Jahr 2012 eingefügt worden, um das Entlassmanagement als unmittelbaren Bestandteil des Anspruchs auf Krankenhausbehandlung auszugestalten. 2 Das Entlassmanagement im Krankenhausbereich als Sonderform des Versorgungsmanagements nach § 11 Abs. 4 SGB V 3 betrifft zeitlich die Phase des Übergangs von der stationären Kranken- hausbehandlung in die ambulante Weiterversorgung. Ziel des Entlassmanagements der Krankenhäuser ist es, die Kontinuität der Patientenversorgung zu gewährleisten, die Kommunikation zwischen den beteiligten ambulanten und stationären Versor- gungsbereichen zu verbessern, Patienten und ihre Angehörigen zu entlasten sowie einen „Drehtüreffekt“ zu vermeiden. 4 Motiv des Gesetzgebers für die Aufhebung der bisherigen Rege- lungen in § 39 Abs. 1 S. 4 – 6 SGB V und Neufassung in § 39 Abs. 1a SGB V ist das Verlangen nach einer vertieften Zusam- menarbeit im Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung. Diese ist nach Ansicht des Gesetzgebers trotz der bisherigen gesetzlichen Regelungen bislang nicht so umgesetzt worden, dass Versorgungslücken im Übergang zwischen stati- onärer und ambulanter Versorgung wirkungsvoll geschlossen werden konnten 5 . Die gesetzliche Neuregelung soll zu einer vereinfachten und verbesserten Umsetzung in der Praxis führen. B.  Anspruch des Versicherten auf Durchführung des Entlassmanagements Wie auch nach der bisherigen Gesetzeslage richtet sich der An- spruch des Versicherten auf Durchführung des Entlassmanage- ments gegen das jeweilige Krankenhaus 6 . Die Durchführung des Entlassmanagements ist originäre Aufgabe der Krankenhäuser. Darüber hinaus haben die Versicherten gemäß § 39 Abs. 1a S. 5 SGB V i. V. m. § 11 Abs. 4 S. 3 SGB V nun auch einen ausdrück- lich geregelten Rechtsanspruch gegenüber der Krankenkasse auf AUFSÄTZE Das Krankenhaus-Entlassmanagement nach dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) von Dr. Heike Thomae* Rechtszeitschrift für das gesamte Gesundheitswesen GuP 2 / 2016 6. Jahrgang, Seiten 41–80

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Thomae , Das Krankenhaus-Entlassmanagement nach dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) | AU FSÄTZ E

GuP 2/2016 | 41

Herausgegeben von: Prof. Dr. Peter Axer | Prof. Dr. Markus Finn | Prof. Dr. Ingo Heberlein | Prof. Dr. Thorsten Kingreen | Dr. Martin Krasney | Dr. Kyrill Makoski | Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery | Dr. Elke Roos | Marcus Schian | Dr. Bernd Schütze | Prof. Dr. Astrid Wallrabenstein | Wolfgang Wellner | Prof. Dr. Felix WeltiSchriftleitung: Prof. Dr. Hermann Plagemann und Dr. Ole Zieglerwww.gup.nomos.de

* Dr. Heike Thomae ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizin-recht bei der Anwaltskanzlei Quaas & Partner, Dortmund.

1 BGBl. I 2015, S. 1211 ff.2 Laut Gesetzesbegründung zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz (BT-

Drucks. 17/6906, S. 55) war der 2007 in § 11 Abs. 4 SGB V eingefügte An-spruch auf Versorgungsmanagement durch die Krankenhäuser nicht in dem gewünschten Umfang umgesetzt worden.

3 Eingeführt durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz mit Wirkung zum 1.4.2007; vgl. dazu Braun, MedR 2013, 350; Wahl in jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 39 Rn. 92 ff.; Ossege, GesR 2012, 204.

4 Vgl. BT-Drucks. 17/6906, S. 105.5 Vgl. BT-Drucks. 18/4095, S. 76; BR-Drucks. 641/14, S. 88.6 So ausdrücklich in BT-Drucks. 18/4095, S. 76; BR-Drucks. 641/14, S. 88;

Braun, GesR 2015, 519.

A.  Einleitung und Rechtsgrundlage

Das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Kran-kenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) vom 16.07.2015 ist am 23.07.2015 in seinen wesentlichen Teilen in Kraft getreten1. Mit ihm wurde § 39 SGB V um einen neuen Abs. 1a ergänzt. Dieser sieht nunmehr eine Neufassung des bislang in § 39 Abs. 1 S. 4 – 6 SGB V gesetzlich geregelten Entlassmanagements vor. Die Sätze 4 – 6 in § 39 Abs. 1 SGB V waren zuvor durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz im Jahr 2012 eingefügt worden, um das Entlassmanagement als unmittelbaren Bestandteil des Anspruchs auf Krankenhausbehandlung auszugestalten.2

Das Entlassmanagement im Krankenhausbereich als Sonderform des Versorgungsmanagements nach § 11 Abs. 4 SGB V3 betrifft zeitlich die Phase des Übergangs von der stationären Kranken-hausbehandlung in die ambulante Weiterversorgung. Ziel des Entlassmanagements der Krankenhäuser ist es, die Kontinuität der Patientenversorgung zu gewährleisten, die Kommunikation zwischen den beteiligten ambulanten und stationären Versor-gungsbereichen zu verbessern, Patienten und ihre Angehörigen zu entlasten sowie einen „Drehtüreffekt“ zu vermeiden.4

Motiv des Gesetzgebers für die Aufhebung der bisherigen Rege-lungen in § 39 Abs. 1 S. 4 – 6 SGB V und Neufassung in § 39 Abs. 1a SGB V ist das Verlangen nach einer vertieften Zusam-menarbeit im Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung. Diese ist nach Ansicht des Gesetzgebers trotz der bisherigen gesetzlichen Regelungen bislang nicht so umgesetzt

worden, dass Versorgungslücken im Übergang zwischen stati-onärer und ambulanter Versorgung wirkungsvoll geschlossen werden konnten5. Die gesetzliche Neuregelung soll zu einer vereinfachten und verbesserten Umsetzung in der Praxis führen.

B.  Anspruch des Versicherten auf Durchführung des Entlassmanagements

Wie auch nach der bisherigen Gesetzeslage richtet sich der An-spruch des Versicherten auf Durchführung des Entlassmanage-ments gegen das jeweilige Krankenhaus6. Die Durchführung des Entlassmanagements ist originäre Aufgabe der Krankenhäuser. Darüber hinaus haben die Versicherten gemäß § 39 Abs. 1a S. 5 SGB V i. V. m. § 11 Abs. 4 S. 3 SGB V nun auch einen ausdrück-lich geregelten Rechtsanspruch gegenüber der Krankenkasse auf

AUFSÄTZE

Das Krankenhaus-Entlassmanagement nach dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG)von Dr. Heike Thomae*

Rechtszeitschrift für das gesamte Gesundheitswesen

GuP 2/20166. Jahrgang, Seiten 41–80

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7 Vgl. BT-Drucks. 18/4095, S. 76; BR-Drucks. 641/14, S. 89.8 Aufgrund des Verweises auf § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V dürften Kran-

kenhäuser auch Krankenhausbehandlung verordnen. Hierbei dürfte es sich allerdings um ein redaktionelles Versehen handeln, weil es inner-halb der gesetzlichen Krankenversicherung systemfremd ist, dass ein Krankenhaus die von ihm selbst zu erbringenden Leistungen verord-net; so auch Braun, GesR 2015, 519.

9 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Gesundheitsausschusses v. 10.6.2015, BT-Drucks. 18/5123, S. 119; siehe hierzu auch DIMDI – Allge-meine Verwaltungsvorschrift zur Ermittlung von Packungsgrößen nach § 5 PackungsV.

10 Beschluss des G-BA über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): Entlassmanagement vom 17.12.2015; zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags war noch keine Veröffentlichung im Bundesanzeiger erfolgt.

D.  Konkretisierung des Verordnungsrechts durch den G-BA

Gemäß § 39 Abs. 1a S. 8 SGB V bestimmt der G-BA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 und 7 die weitere Ausgestaltung des Verordnungsrechts des Krankenhauses. § 92 Abs. 1 S. 1 SGB V er-mächtigt den G-BA in untergesetzlichen Rechtsnormen den Umfang und die Modalitäten der Arzneimittelversorgung mit verbindlicher Wirkung sowohl für die Vertragsärzte und die Krankenkassen als auch für die Versicherten in konkretisierender Weise zu regeln.

Mit einem Richtlinien-Entwurf vom 17.12.2015 hat der G-BA den in § 39 Abs. 1a S. 8 SGB V vorgesehenen Regelungsauftrag umgesetzt und die Arzneimittel-Richtlinie hinsichtlich des Verordnungsrechts der Krankenhäuser im Rahmen des Entlassmanagements ergänzt.10

Der Richtlinien-Entwurf sieht eine Änderung in § 1 AM-RL vor und berücksichtigt die Verordnungsmöglichkeit durch Kranken-häuser im Rahmen des Entlassmanagements. Für die Verordnung von Arzneimitteln gilt weiterhin, dass diese insbesondere nach den Vorgaben der AMVV sowie der BtMVV durch eine ärztliche Person vorzunehmen und medizinisch zu verantworten sind. § 8 AM-RL wurde um einen neuen Abs. 3a ergänzt zur Kon-kretisierung des Verordnungsrechts einschließlich der Informa-tionspflichten im Rahmen des Entlassmanagements. Neben der allgemein alle Ärztinnen und Ärzte treffenden Prüfverpflichtung zur Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Verordnung von Arzneimitteln ist die Verordnung von Arzneimitteln als Teil der Krankenhausbehandlung im Entlassmanagement von der weiteren Voraussetzung abhängig, dass diese dem Ziel der Überbrückung der Übergangsphase von der stationären zur ambulanten Versor-gung dient. Deshalb sieht der Richtlinien-Entwurf des G-BA vor, dass das Krankenhaus vor einer Verordnung von Arzneimitteln regelhaft die Erforderlichkeit der Verordnung für die Versorgung unmittelbar nach der Entlassung zu prüfen hat. Eine Verordnung durch die Krankenhäuser im Rahmen des Entlassmanagements ist insofern nicht in jedem Fall vorgesehen. Die Prüfung, ob eine Verordnung für die Versorgung unmittelbar nach der Entlassung erforderlich ist, umfasst sowohl medizinische als auch organisato-rische Aspekte. Als medizinische Aspekte sollen insbesondere die therapie-, indikations- oder arzneimittelspezifische Erforderlich-keit einer nahtlosen Arzneimitteltherapie unmittelbar nach der Entlassung berücksichtigt werden. Hinsichtlich der organisato-rischen Aspekte soll in Abhängigkeit vom notwendigen Umfang des Entlassmanagements und der Weiterbehandlung sowie der Morbidität und der psychosozialen Situation des Patienten bei der Erforderlichkeit einer Verordnung durch das Krankenhaus

Unterstützung des Entlassmanagements bzw. des jeweiligen Kran-kenhauses bei seiner Durchführung. Mittels eines „Entlassplans“ haben die Krankenhäuser die im Anschluss an eine stationäre Behandlung medizinisch unmittelbar erforderlichen Leistungen festzulegen und zu koordinieren; Aufgabe der Krankenkassen ist es, gemeinsam mit den Krankenhäusern rechtzeitig vor der Ent-lassung des Versicherten die für die Umsetzung des Entlassplans erforderliche Anschlussversorgung zu organisieren, also z. B. die notwendigen Leistungserbringer zu kontaktieren und für deren zeitgerechten Einsatz zu sorgen7. Soweit nach Beendigung des Krankenhausaufenthalts Leistungen der Pflegeversicherung in Betracht zu ziehen sind, besteht nunmehr die Verpflichtung der Krankenkassen gemäß § 39 Abs. 1a S. 5 i. V. m. § 11 Abs. 4 S. 4 SGB V, mit den Pflegekassen zu kooperieren und diese einzubinden.

Sowohl das Versorgungsmanagement nach § 11 Abs. 4 SGB V wie auch das Entlassmanagement der Krankenhäuser nach § 39 Abs. 1a SGB V knüpfen ausdrücklich an die Einwilligung des Patienten und dessen vorherige Information über das geplante Vorgehen an. § 39 Abs. 1a S. 11 SGB V stellt klar, dass das Entlassmanagement und eine dazu erforderliche Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen darf. Die Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden; sowohl die Information als auch die Einwilligung und der Widerruf bedürfen der Schriftform, § 39 Abs. 1a S. 12 und 13 SGB V. Kooperationen über den Kopf des Patienten hinweg sind auch dann kein gesetzlich zulässiges Management, wenn sie objektiv den vom Gesetzgeber gewünschten höheren Zwecken dienen. Ohne Einwilligung des Versicherten versagt eine Berufung auf den gesetzlichen Auftrag zur Einrichtung eines Entlassmanagements.

C.  Verordnungsrecht der Krankenhäuser

Das GKV-VSG räumt den Krankenhäusern bzw. den dort tä-tigen Ärzten ein eingeschränktes Verordnungsrecht ein, um die durchgehende Arzneimittelversorgung der Patienten in der Phase des Übergangs von der stationären in die ambulante Versor-gung sicherzustellen. Gemäß § 39 Abs. 1a S. 6 SGB V sind die Krankenhäuser befugt, die in § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V genannten Leistungen, d.h. Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfs-mittel, häusliche Krankenpflege und Soziotherapie nach den vertragsärztlich geltenden Bestimmungen zu verordnen sowie die Arbeitsunfähigkeit der Versicherten festzustellen.8

Nach dem Gesetzeswortlaut gilt das Verordnungsrecht jedoch nur eingeschränkt, nämlich soweit es für die Versorgung des Versicherten unmittelbar nach der Entlassung erforderlich ist. Konkret regelt § 39 Abs. 1a S. 7 SGB V, dass Krankenhäuser bei der Verordnung von Arzneimitteln eine Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß der Packungs-größenverordnung verordnen können. Hinsichtlich der Bestim-mung, was das kleinste Packungsgrößenkennzeichen ist, gilt die DIMDI-Verwaltungsvorschrift.9

Darüber hinaus erlaubt § 39 Abs. 1a S. 7, 2. Hs. SGB V den Krankenhäusern die Verordnung von Verband-, Heil- und Hilfs-mitteln sowie häuslicher Krankenpflege und/oder Soziotherapie nur zeitlich begrenzt, nämlich „für die Versorgung in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen“.

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11 BT-Drucks. 18/4095, S. 76; BR-Drucks. 641/14, S. 88.12 BT-Drucks. 18/4095, S. 76; vgl. auch Braun, GesR 2015, 520.13 Vgl. Bäune/Dahm/Flasbarth, MedR 2016, 12; dagegen zustimmend

Braun, GesR 2015, 519.14 Vgl. BT-Drucks. 18/4095, S. 76; BR-Drucks. 641/14, S. 89.

Entlassung auch selbst an die Patienten abgeben. In diesem Fall hat das Krankenhaus die dadurch anfallenden Arzneimittelkosten selbst zu tragen, weil diese grundsätzlich schon mit den von den Krankenkassen zu zahlenden DRG-Fallpauschalen abgegolten sind. Bei einer Abgabe von Arzneimitteln über die Krankenhaus-apotheke werden die Krankenkassen also nicht zusätzlich mit Kosten belastet. Werden die benötigten Arzneimittel hingegen gemäß § 39 Abs. 1a S. 6 und 7 SGB V patientenindividuell ver-ordnet, trägt das Krankenhaus die Arzneimittelkosten nicht, da das ausgestellte Arzneimittelrezept nur in öffentlichen Apotheken und nicht in der Krankenhausapotheke eingelöst werden darf.12

Nehmen Krankenhausärzte auf Grundlage der gesetzlichen Neuregelung Verordnungen vor, so gelten nach § 39 Abs. 1a S. 6, 2. Hs. SGB V die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung. Ob das bedeuten soll, dass die Krankenhäuser den leistungsrechtlichen Vorgaben einschließlich der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 und 7 SGB V sowie den Wirtschaftlich-keitsbestimmungen der §§ 12, 106 SGB V unterfallen, wie sie für Vertragsärzte gelten, und bei Nichteinhaltung der Vorgaben und Bestimmungen die Gefahr von Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Regressen droht, ist zweifelhaft. Für den stationären Sektor bestehen Vorgaben und Bestimmungen hierüber ausdrücklich nicht. Eine analoge Anwendung ist angesichts des Wortlauts und der systematischen Einordnung des Verordnungsrechts im Leistungsrecht fraglich.13

Schließlich sieht der Richtlinien-Entwurf des G-BA in § 9 Abs. 3 S. 4 AM-RL die nach § 39 Abs. 1a SGB V vorgesehene Verord-nungsmöglichkeit für die sonstigen in die Arzneimittelversorgung nach § 31 SGB V einbezogenen Produkte, wie bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung, sog. stoffliche Medizinprodukte, Verbandmittel sowie Harn- oder Blutteststreifen. Diese Produkte unterfallen nicht der Packungsgrößenverordnung, sind aber als Leistungen i. S. d. § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V zu qualifizieren und unterliegen daher gemäß § 39 Abs. 1a S. 7, 2. Hs. SGB V der zeitlichen Beschränkung einer Versorgung für einen Zeitraum von längstens sieben Tagen.

E.  Ausgliederung des Entlassmanagement auf ambulante Leistungserbringer

Die Neuregelung zum Entlassmanagement regelt in § 39 Abs. 1a S. 3 SGB V, dass Krankenhäuser mit Leistungserbringern nach § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V, d.h. mit für die vertragsärztliche Ver-sorgung zugelassenen Ärzten, zugelassenen Medizinischen Ver-sorgungszentren sowie ermächtigten Ärzten und Einrichtungen, die Aufgabenwahrnehmung des Entlassmanagements für das Krankenhaus vereinbaren können. Der Gesetzgeber hält die Übertragung der Aufgaben des Entlassmanagements auf die vertragsärztlichen Leistungserbringer insbesondere dann für sinnvoll, wenn eine umfassende ambulante Weiterbehandlung erforderlich und ein weiterbehandelnder Arzt ausgewählt ist, z. B. bei der Weiterbehandlung onkologischer Patienten.14 Bislang

insbesondere berücksichtigt werden, ob der Patient in der Lage ist, einen weiterbehandelnden Arzt rechtzeitig zu erreichen sowie ob bereits bekannte oder geplante Arzttermine nach der Entlassung bestehen. In Abhängigkeit von der Gesamtsituation kann dies z. B. durch Befragung des Patienten oder durch Kontaktaufnahme mit dem weiterbehandelnden Arzt erfolgen.

Die Tatsache, dass Krankenhausapotheken in den Grenzen der schon bisher geltenden Regelung des § 14 Abs. 7 S. 3 und S. 4 Apothekengesetz (ApoG) ausnahmsweise Arzneimittel an die Patienten abgeben dürfen, hat der G-BA in seinem Richtlini-en-Entwurf berücksichtigt. Diese gesetzliche Regelung im ApoG bleibt nämlich von der gesetzlichen Neuregelung des Entlassma-nagements unberührt.11 So darf eine Krankenhausapotheke bei der Entlassung von Patienten nach stationärer oder ambulanter Behandlung im Krankenhaus an diese die zur Überbrückung benötigte Menge an Arzneimitteln abgeben, wenn im unmit-telbaren Anschluss an die Behandlung ein Wochenende oder ein Feiertag folgt. Einer Verordnung oder das Ausstellen eines Rezeptes bedarf es hierfür nicht.

Der Richtlinien-Entwurf des G-BA vom 17.12.2015 regelt nun in den Sätzen 4 und 5 des neuen Abs. 3a des § 8 AM-RL das Verhältnis der Verordnungsmöglichkeit nach § 39 Abs. 1a SGB V zur Mitgabemöglichkeit nach § 14 Abs. 7 ApoG. Danach besteht für Krankenhäuser neben der nun neu vorgesehenen Möglichkeit der Verordnung von Arzneimittelpackungen mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß Packungsgrößenverordnung nach wie vor das Recht, zur Überbrückung der Versorgung mit Arzneimitteln nach der Entlassung vor einem Wochenende oder einem Feiertag, die benötigte Menge an Arzneimitteln mitzugeben. Auch wenn diese Versorgungsformen grundsätzlich nebeneinander stehen, kann sich – so der Richtlinien-Entwurf des G-BA – aus dem Gebot zur wirtschaftlichen Verordnungsweise eine Verpflichtung des Krankenhauses ergeben, die notwendige Überbrückung des Arzneimittelbedarfs beim Übergang in die ambulante Versorgung durch die Mitgabe nach § 14 Abs. 7 ApoG sicherzustellen. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn mit der Mitgabe von Arzneimitteln die Behandlung abgeschlossen werden kann.

In den tragenden Gründen zum Richtlinien-Entwurf verweist der G-BA darauf, dass in Einzelfällen weitere Konstellationen denkbar seien, in denen das Krankenhaus aus Sachgründen der Mitgabe nach § 14 Abs. 7 ApoG gegenüber der Verordnung den Vorzug einzuräumen habe. Diese durch ihre Besonderheiten geprägten Konstellationen seien jedoch einer generellen Regelung in der Richt-linie nicht zugänglich und unterlägen der Prüfung im Einzelfall.

Dieser Ansicht ist jedoch nicht zu folgen. Angesichts des klaren Wortlauts des § 14 Abs. 7 S. 3 ApoG, wonach die Abgabe von Arzneimitteln begrenzt ist auf die zur Überbrückung benötigte Menge, wenn im unmittelbaren Anschluss an die Behandlung ein Wochenende oder Feiertag folgt, ist eine Verpflichtung der Krankenhäuser zur Abgabe nach § 14 Abs. 7 S. 3 ApoG über den dort geregelten Ausnahmefall hinaus aus Gründen der Wirt-schaftlichkeit ausgeschlossen, da unzulässig.

Die im Richtlinien-Entwurf des G-BA vorgesehene Konkretisie-rung erfolgt vor dem Hintergrund, dass die Krankenhäuser bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs. 7 S. 3 und 4 ApoG die benötigten Arzneimittel über die Krankenhausapotheke bei der

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15 BGH, Urt. v. 13.3.2014 – I ZR 120/13, GesR 2014, 627; hierzu Kuhlmann, f&w 2014, 978; Braun, MedR 2013, 350.

16 Vgl. Bäune/Dahm/Flasbarth, MedR 2016, 12; Braun, GesR 2015, 520; a. A. Dieners/Heil, GesR 2016, 4 ff.

17 A. A. mit ausführlicher Begründung Dieners/Heil, GesR 2016, 4 f..18 Vgl. hierzu nur Stellungnahme BVMed zum GKV-VSG v. 20.3.2015, S. 12;

Gemeinsame Stellungnahme der IGHV zum GKV-VSG vom 21.1.2015, S. 1 ff.

19 BGH, Urt. v. 13.3.2014 – I ZR 120/13, GesR 2014, 627; vgl. hierzu auch Kuhlmann, f&w 2014, 978 ff.

20 Stellungnahme des Bundesrates vom 6.2.2015, BR-Drucks. 641/14, S. 17.21 Vgl. BT-Drucks. 18/5123, S. 118, zu Nr. 9.22 So auch Braun, GesR 2015, 521.

sen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft zu regeln sind. Satz 10 bestimmt, dass vor Abschluss des Rahmenvertrages der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spit-zenorganisation der Apotheker sowie den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist.

Ein Rahmenvertrag ist bis zum 31.12.2015 nicht zustande ge-kommen. § 39 Abs. 1a S. 9, 2. Hs. SGB V verweist auf die entsprechende Geltung des § 118a Abs. 2 S. 2 SGB V. Danach kann auf Antrag einer Vertragspartei und auch des Bundesmi-nisteriums für Gesundheit das Bundesschiedsamt zur Durch-führung eines Schiedsverfahrens angerufen werden. Dieses hat innerhalb von drei Monaten den vertraglichen Inhalt festzulegen. Bei Nichtzustandekommen einer Vereinbarung kann auch das Bundesministerium für Gesundheit das Schiedsamt anrufen, § 39 Abs. 1a S. 8, 2. Hs. SGB V.

G.  Fazit

Das Entlassmanagement hat durch die gesetzliche Neuregelung im Rahmen des GKV-VSG umfangreiche Änderungen und Er-gänzungen erfahren. Der Rahmenvertrag nach § 39 Abs. 1a S. 8 SGB V wird weitere Konkretisierungen hierzu enthalten. Positiv zu bewerten ist das neue eingeschränkte Verordnungsrecht der Krankenhäuser. Der G-BA hat bereits durch seinen mit Beschluss vom 17.12.2015 vorgelegten Richtlinien-Entwurf Einzelheiten zur weiteren Ausgestaltung des Verordnungsrechts durch Kran-kenhäuser im Rahmen des Entlassmanagements festgelegt.

Zu begrüßen ist darüber hinaus die gesetzliche Klarstellung, dass Entlassmanagement-Leistungen auf ärztliche ambulante Leis-tungserbringer ausgegliedert werden dürfen. Inwieweit es jedoch sinnvoll ist, bisherige Kooperationspartner wie Apotheken und Heil- und Hilfsmittelerbringer, die Entlassmanagement-Aufgaben der Krankenhäuser übernommen haben, auszuschließen, wird die Praxis zeigen. Die Beschränkung der Kooperationspartner auf die ärztlichen ambulanten Leistungserbringer nach § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V ist jedenfalls mit der vom Gesetzgeber geübten Kritik daran, dass die bisherigen gesetzlichen Regelungen zum Entlassmanagement bislang nicht so umgesetzt worden sind, dass Versorgungslücken wirkungsvoll geschlossen werden konnten, nicht in Einklang zu bringen. Bestrebungen dahingehend, die gesetzliche Neuregelung dahingehend auszulegen, dass entgegen dem Wortlaut der Gesetzgeber eine Übertragung von Koordina-

war das Ausgliedern des Entlassmanagements auf Dritte zwar weitestgehend anerkannt15, eine spezielle Rechtsgrundlage hierfür fehlte jedoch, die nunmehr mit der gesetzlichen Neuregelung in § 39 Abs. 1a S. 3 SGB V geschaffen worden ist.

Aufgrund der Benennung nur der ambulanten ärztlichen Leistungs-erbringer als Vertragspartner der Krankenhäuser ist im Umkehr-schluss davon auszugehen, dass anderweitige Kooperationsmodelle mit Leistungserbringern der anderen Sektoren, wie z. B. Apotheken, Heil- oder Hilfsmittelerbringer, nicht (mehr) zulässig sind.16

Sowohl der Wortlaut des Gesetzes als auch die Tatsache, dass dem Gesetzgeber das vielfach seitens der Krankenhäuser out-gesourcte Entlassmanagement auf Hilfsmittelleistungserbringer, ambulante Pflegedienste etc., bekannt war und er gleichwohl nur die Leistungserbringer nach § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V als mögliche Outsourcing-Partner benennt, sprechen für einen Ausschluss weiterer Leistungserbringer als „Outsourcing-Partner“.17 Ge-genläufige Änderungsanträge der Hilfsmittel- und Medizintech-nikverbände hat der Gesetzgeber nicht umgesetzt.18

Im Zusammenhang mit der Regelung zur Wahrnehmung der Aufgaben des Entlassmanagements durch ambulante ärztliche Leistungserbringer wurde in § 39 Abs. 1a SGB V der Satz 4 eingefügt, wonach § 11 ApoG unberührt bleibt. Zur Begründung führt der Gesetzgeber aus, dass Abhängigkeiten von Apothekern, Ärzten und Krankenhauspersonal verhindert und gleichzei-tig das Prinzip der freien Apothekenwahl abgesichert werden soll. Hintergrund dieser Regelung ist das Urteil des BGH vom 13.03.201419, in dem das Gericht die Zulässigkeit der Koopera-tion eines Krankenhauses mit Apotheken im Rahmen des Versor-gungs- und Entlassmanagements auf Grundlage der mittlerweile aufgehobenen Regelung in § 39 Abs. 1 S. 4 – 6 SGB V bestätigte. Nach Auffassung des Bundesrats habe das Urteil des BGH unter bestimmten Umständen zugelassen, dass andere Personen als der Patient Verschreibungen einer von Dritten ausgewählten Apotheke zuweisen dürften.20 Mit Blick auf diese Entscheidung wollte der Gesetzgeber durch S. 4 des § 39a Abs. 1 SGB V klar-stellen, dass kein privater Dritter eine „Rezeptvermittlung“ im Zusammenhang mit dem Entlassmanagement betreiben darf.21

Da der BGH in seinem Urteil allerdings darauf verwies, dass die Patienten sich im konkreten Fall ausdrücklich mit einer Versorgung durch die mit dem Krankenhaus zusammenarbei-tenden Kooperationsapotheke einverstanden erklärt hatten und ihnen zudem die freie Wahl überlassen worden war, sich auch von einer anderen von ihnen gewünschten Apotheke beliefern zu lassen, bestand zu dieser BGH-Entscheidung eigentlich kein gesetzgeberischer Klarstellungsbedarf.22

F.  Rahmenvertrag zum Entlassmanagement

Neben dem gesetzlichen Auftrag an den G-BA, in Richtlinien die weitere Ausgestaltung des Verordnungsrechts der Krankenhäu-ser vorzunehmen, sieht § 39 Abs. 1a S. 9 SGB V vor, dass die weiteren Einzelheiten zu den Sätzen 1 bis 7, insbesondere zur Zusammenarbeit der Leistungserbringer mit den Krankenkas-sen unter Berücksichtigung der Richtlinien des G-BA bis zum 31.12.2015 in einem Rahmenvertrag des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen und dem Spitzenverband Bund der Pflegekas-

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Verrel , Suizidbeihilfe – geschäftsmäßig verboten, im Einzelfall erlaubt? | AU FSÄTZ E

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dellen ist die gesetzlich eröffnete Kooperationsmöglichkeit mit den ambulanten Leistungserbringern im Rahmen des Entlass-managements jedoch nach wie vor mit Vorsicht zu betrachten, insbesondere im Hinblick auf die zukünftig geltenden strafrecht-lichen Sanktionen nach den §§ 299a, 299b StGB.

tionsaufgaben im Rahmen des Entlassmanagements auf private Drittanbieter tatsächlich gar nicht ausschließen wollte und daher auch zukünftig zulässig sind, sind zu erwarten. Angesichts der nach wie vor unscharfen Abgrenzungen zwischen verbotenen Zuweisungsprämien und gesetzlich gewollten Kooperationsmo-

* Prof. Dr. Torsten Verrel ist Geschäftsführender Direktor des Kriminolo-gischen Seminars der Universität Bonn.

1 Beschluss der Geschäftsführenden Vorstände der CDU/CSU- und SPD-Bun-destagsfraktion vom 29.4.2014, abrufbar unter https://www.cducsu.de/sites/default/files/uploads/top4-sterbehilfe.pdf (letzter Aufruf 25.2.2016).

2 Deutscher Bundestag Plenarprotokoll 18/66 (letzter Aufruf 25.2.2016).3 Deutscher Bundestag Plenarprotokoll 18/134.4 S. dazu im Überblick Verrel, BtPrax 2015, 173 ff. sowie im einzelnen BT-

Drucks. 18/5373-5376.5 Antrag der Abgeordneten Keul u.a., abrufbar unter katja-keul.de,

Rechtspolitik, Strafrecht (letzter Aufruf am 25.2.2016).6 BT-Drucks. 18/5373.7 Griese, Deutscher Bundestag Plenarprotokoll 18/134.8 So auch die Einschätzung von Müller-Neuhoff/Woratschka in: Der Ta-

gesspiel vom 6.11.2015, abrufbar unter: http://www.tagesspiegel.de/politik/gesetzentwurf-verabschiedet-bundestag-verbietet-organisier-te-beihilfe-zum-suizid/12554862.htm (letzter Aufruf am 25.2.2016).

9 Näher dazu u.a. Rosenau/Sorge, NK 2013, 113; Neumann/Saliger, HRRS 2006, 570.

Suizidbeihilfe – geschäftsmäßig verboten, im Einzelfall erlaubt?Kritische Anmerkungen zu § 217 StGBvon Prof. Dr. Torsten Verrel*

Seit dem 10. Dezember 2015 ist die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe gestellt. Dem ist eine intensive Debatte über die strafrechtsdogmatische Stimmigkeit und kriminalpoliti-sche Nützlichkeit einer solchen Teilkriminalisierung der in Deutsch-land seit dem vorletzten Jahrhundert im Grundsatz straflosen Sui-zidbeteiligung vorausgegangen. Der folgende Beitrag thematisiert die rechtssystematischen Einwände gegen den neuen § 217 StGB und sieht Diskrepanzen zwischen der auf eine Strafbarkeitsbegren-zung bedachten Gesetzesbegründung und der tatsächlichen Aus-gestaltung der Vorschrift. Sie führen zu der Sorge, dass sich die Ab-grenzung zwischen fortan verbotener geschäftsmäßiger und wei-terhin erlaubter individueller Suizidförderung nicht rechtssicher durchführen lässt und dadurch insbesondere Heil- und Pflegeberu-fe einem Strafbarkeitsrisiko ausgesetzt sind.

A.  Einleitung

Man kann dem Bundestag nicht vorwerfen, sich die Entschei-dung über die strafrechtliche Reglementierung der Suizidbei-hilfe leicht gemacht zu haben. Der Fahrplan1 für eine mögliche Gesetzesänderung begann bereits Mitte 2014, es folgten fraktions-interne und -übergreifende Orientierungsveranstaltungen und am 13. November eine viel beachtete, von persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen der Parlamentarier geprägte erste Parlaments-debatte2. Bis zu der fast genau ein Jahr später stattfindenden, wiederum sehr emotionalen, vom Fraktionszwang befreiten Ab-stimmung am 6. November 20153 hatten sich vier Gruppenanträge herausgebildet deren Spektrum von einem strafrechtlichen Total-verbot jeglicher Suizidbeihilfe bis zu einer detaillierten Regelung formeller und materieller Zulässigkeitsvoraussetzungen organi-sierter wie ärztlicher Suizidhilfe reichte.4 Eine weitere Gruppe von Abgeordneten hatte sich dafür ausgesprochen, die Dinge jedenfalls im Strafrecht so zu lassen, wie sie sind.5 Dass sich der schon im Vorfeld als aussichtsreichster Vorschlag eingeschätzte Antrag, ein in § 217 StGB geregeltes strafrechtliches Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung6 einzuführen, dann mit einer so deutlichen Mehrheit von 360 der insgesamt 602 abgegebenen Stimmen durchgesetzt hat, dürfte vor allem der Ver-sicherung seiner Befürworter zu verdanken sein, es werde durch

diesen „Weg der Mitte“7 nur die Tätigkeit von Sterbehilfevereinen, nicht aber die Suizidbeihilfe im Einzelfall kriminalisiert.8 Denn wenn auch bei vielen Parlamentariern nach dem Eindruck des Verf. der Wunsch bestand, etwas gegen Sterbehelfer wie Minelli und Kusch zu unternehmen, war durchaus die Einsicht darin vorhanden, dass es Krankheitsverläufe geben kann, in denen die insbesondere durch einen Arzt geleistete Suizidbeihilfe als ultima ratio weiterhin erlaubt sein sollte. Im Folgenden wird geprüft, ob § 217 StGB diese Unterscheidung tatsächlich ermöglicht (C.), zuvor aber dargestellt, warum gegen die Vorschrift aus strafrechts-dogmatischer Sicht ganz grundsätzliche Bedenken bestehen (B.).

B.  Welches Unrecht erfasst § 217 StGB?

Der Haupteinwand gegen die neue Strafvorschrift besteht in der Frage, worin eigentlich das eine Kriminalstrafe rechtfertigende Un-recht einer geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe bestehen soll.9 Die Ant-wort scheint einfach zu sein, denn § 217 StGB bezweckt, wie schon seine Einordnung in den 16. Abschnitt des StGB („Straftaten gegen das Leben“) zeigt, den Schutz des Einzelnen davor, sich unter Inan-spruchnahme der Hilfe von organisierten Sterbehelfern das Leben zu nehmen. Jedoch ist der Suizid als eine besonders drastische Form der Selbstschädigung in Deutschland seit 1871 keine Straftat für den

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