Sharecon Schweiz - Wieviel Regulierung braucht die Sharing Economy?
Gute Compliance – gut für den Börsenkurs · Dr. Manuel Hita Hochgesand » 5 FINANCIAL SERVICES...
Transcript of Gute Compliance – gut für den Börsenkurs · Dr. Manuel Hita Hochgesand » 5 FINANCIAL SERVICES...
01.2017
Jahrgang 70 / 01.01.17
ISSN 0340-9031 / www.wpg.de
Fachlicher Beirat
WP StB RA Dr. Hans-Peter Aicher
WP StB Prof. Dr. Frank Beine
RA Dr. Andreas C. Hoffmann, LL.M.
WP StB Karl Petersen
WP StB Dr. Stefan Schmidt
WP StB Prof. Dr. Peter Wollmert
IMPULS
Gute Compliance – gut für den BörsenkursProf. Dr. Thorsten Grenz » 1
+++ FÜR BERATER UND ENTSCHEIDER IN DER WIRTSCHAFT +++ FÜR BERATER UND ENTSCHEIDER IN DER WIRTSCHAFT +++
RECHNUNGSLEGUNG
Beurteilung der signifikanten Verschlechterung
der Kreditqualität nach IFRS 9
Dr. Michael Bosse, Nikolas Stege und
Dr. Manuel Hita Hochgesand » 5
FINANCIAL SERVICES
Regulierung des Finanzsektors – Entwicklungen
im dritten Quartal 2016
Dr. Max Weber, Dr. Thomas Grauer
und Sabine Schmid » 15
Wie ist die europäische Bankenabgabe
zu berechnen?
Prof. Dr. Knut Henkel, Prof. Dr. Wilhelm Schneider
und Isabel Tüns » 22
MANAGEMENT & BERATUNG
Bankenaufsichtsrat: quo vadis?
Gerd Häusler » 30
Datenschutz und Datensicherheit im Cloud
Computing
Michael Adelmeyer, Dr. Marc Walterbusch,
Julian Lang und Prof. Dr. Frank Teuteberg » 35
STEUERN & RECHT
Erstes Urteil des BAG zum Mindestlohngesetz
Jana Jocksch und Dr. Uwe Schlegel » 45
Ist die deutsche Streubesitzdividenden-
besteuerung weiterhin europarechtswidrig?
Thomas Kollruss » 50
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INHALT
| 01.2017 | I
IMPULS
Gute Compliance – gut für den BörsenkursProf. Dr. Thorsten Grenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 1
ASSURANCE
KOMPAKT
Neue Allgemeine Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 2
Schneider zum Präsidenten von Accountancy Europe berufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 2
IDW zur Strategie des PIOB 2017 bis 2019 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 2
Aus ausländischen Fachzeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 3
RECHNUNGSLEGUNG
KOMPAKT
Aus der Arbeit des IASB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 4
ANALYSE
Beurteilung der signifi kanten Verschlechterung der Kreditqualität nach IFRS 9 –
Voraussetzungen für die Verwendung von Ratings und Lifetime-PD
Dr. Michael Bosse, Nikolas Stege und Dr. Manuel Hita Hochgesand . . . . . . . . . . . . . . . . » 5
FINANCIAL SERVICES
KOMPAKT
Novelle der Institutsvergütungsverordnung tritt voraussichtlich erst
im März 2017 in Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 13
Einigung über Erleichterungen beim EU-Prospektrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 13
Rezension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 14
ANALYSE
Regulierung des Finanzsektors – Entwicklungen im dritten Quartal 2016
Dr. Max Weber, Dr. Thomas Grauer und Sabine Schmid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 22
Wie ist die europäische Bankenabgabe zu berechnen?
Prof. Dr. Knut Henkel, Prof. Dr. Wilhelm Schneider und Isabel Tüns . . . . . . . . . . . . . . . » 22
MANAGEMENT & BERATUNG
KOMPAKT
Prüfungsausschuss und IFRS 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 29
Transparente Aufsichtsratstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 29
ANALYSE
Bankenaufsichtsrat: quo vadis?
Gerd Häusler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 30
Datenschutz und Datensicherheit im Cloud Computing – Ein Framework zur
Beurteilung von Cloud-Services
Michael Adelmeyer, Dr. Marc Walterbusch, Julian Lang und
Prof. Dr. Frank Teuteberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 35
II | 01.2017 |
STEUERN & RECHT
KOMPAKT
Verschwiegenheit des Wirtschaftsprüfers: Umsetzung des neuen
EU-Datenschutzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 43
Rezension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 44
ANALYSE
Erstes Urteil des BAG zum Mindestlohngesetz
Jana Jocksch und Dr. Uwe Schlegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 45
Ist die deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung weiterhin
europarechtswidrig?
Thomas Kollruss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 50
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Gute Compliance –
gut für den BörsenkursVon Prof. Dr. Thorsten Grenz
Compliance-Management-Systeme (CMS) sol-
len die Einhaltung von Gesetzen, Regeln und
Richtlinien und damit regelkonformes Ver-
halten des Unternehmens sicherstellen, um
durch rechtskonformes Verhalten negative
Folgen für das Unternehmen weitestgehend
zu reduzieren.
„Negative Folgen“: Dabei denkt man sofort
an drohende Strafzahlungen, die auf ein Un-
ternehmen zukommen können – als Buße
für die Bestechung von Geschäftspartnern,
die Ausnutzung von Insiderwissen, kartell-
rechtliche Verstöße, den Missbrauch und
Schlendrian von und mit Kundendaten –,
und spekuliert über ihre Höhe. Ganz und gar nicht speku-
lativ, sondern real und schwerwiegend ist der Schaden
für die Aktionäre. Es ist mittlerweile empirisch gut belegt,
dass Compliance-Verstöße Gift sind für den Aktienkurs:
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Aktionäre mit
einem Vermögensverlust von regelmäßig gut fünf Prozent
dabei sind. Wohlgemerkt: das ist nur der Durchschnitt –
es kann für die Aktionäre noch viel schlimmer kommen:
So löste der Diesel-Betrug durch VW am ersten Handels-
tag nach Bekanntwerden einen Kurssturz der Aktie um
22 Prozent aus: es wurden zwölf Milliarden Euro Aktio-
närsvermögen vernichtet! Empirisch ist nicht nur belegt,
dass Compliance-Verstöße Aktionärsvermögen schmä-
lern, sondern auch, wann der Aktienkurs wohl reagieren
wird: Kurse geben bei Bekanntwerden des Verstoßes
deutlich nach. Im weiteren Verlauf geschieht dann – meis-
tens, nicht immer – wenig und auch die endgültige Fest-
legung einer Strafe wirkt kaum auf den Aktienkurs.
Was bedeutet das für ein CMS? Was muss ein CMS leisten,
um zum Schutz des Aktionärsvermögens beizutragen? Im
Idealfall verhindert das CMS Non-Compliance – aber es
wäre geradezu naiv, wollte man sich auf diesen Idealzu-
stand verlassen. Ein gutes CMS bewährt sich
dann, wenn Non-Compliance zu befürchten
oder schon eingetreten ist. Nun kommt es
entscheidend darauf an, vorbereitet zu sein.
Entweder kann dann mit Hilfe des CMS ein
vermeintliches Fehlverhalten souverän „mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich-
keit“ ausgeschlossen werden; das Unterneh-
men ist dadurch in der Lage, das „Gerücht“
deutlich zu dementieren, bevor es sich ver-
selbständigt – und dem Kapitalmarkt so Si-
cherheit geben. Oder aber das CMS ver-
schafft durch frühzeitiges Erkennen eines
Problems wertvolle Zeit und erhält das Un-
ternehmen aktionsfähig: Ein wirksames CMS
fördert Risiken zu Tage, bevor diese öffentlich werden.
Der Zeitgewinn ermöglicht dem Unternehmen, die Lage
zu klären und sodann mit einer vollständigen und lö-
sungsorientierten Information an die Öffentlichkeit zu ge-
hen. Das ist heute leider nicht die Realität. Nicht immer,
aber doch häufig werden Unternehmen von Compliance-
Themen scheinbar völlig überrascht; daraufhin kommu-
nizieren sie nur defensiv mit Sprechblasen der Art „man
prüfe“ und „werde bei der Aufklärung vollständig koope-
rieren“ – oder sie schweigen gleich ganz. Das Manage-
ment gibt damit das Ruder aus der Hand – Spekulationen
schießen unkontrollierbar ins Kraut, das Unternehmen
wird zum Getriebenen, verliert Börsenwert und liefert
vielleicht sogar ungewollt Ansatzpunkte für Ansprüche
gegen Unternehmen und Management.
Ein gutes CMS trägt dazu bei, eine derartige Situation zu
vermeiden. Schwache Compliance kostet Börsenkurs: Stu-
dien belegen, dass die Bewertung von Unternehmen in
Ländern mit hoher Korruption geringer ist. Was heute
schon für Länder gilt, wird künftig auch Bewertungs-
unterschiede zwischen Unternehmen ausmachen: Gute
Compliance ist gut für den Börsenkurs! » DOC-ID: W1007438
» Prof. Dr. Thorsten Grenz
Präsident der FinancialExperts Association e.V.
Honorarprofessor ander Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
| 01.2017 | 1
IMPULS
Assurance
KOMPAKT
AAB
Neue Allgemeine Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer
Die Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (AAB) vom 01.01.
2002 wurden unter Mitwirkung des Fachausschusses Recht (FAR) des IDW inhaltlich angepasst und haben nunmehr den
Rechtsstand 01.01.2017. Die neuen AAB berücksichtigen verschiedene Gesetzesänderungen. Zudem wurden bestehende
Regelungen überarbeitet, etwa jene zur Haftung (Nr. 9 AAB), die neu strukturiert und in der u.a. klargestellt wurde, dass
die Haftungshöchstsumme bei mehreren Anspruchstellern für alle Ansprüche insgesamt gilt.
Zugleich wurde eine englische Übersetzung der AAB veröffentlicht. Anders als die bisherige englische Fassung enthält
die aktuelle Übersetzung nicht mehr den Hinweis, dass die deutsche Fassung die einzig maßgebliche Version ist.
» DOC-ID: W1007495
AUS FEE WIRD ACCOUNTANCY EUROPE
Schneider zum Präsidenten von Accountancy Europe berufen
WP StB Prof. Dr. W. Edelfried Schneider wurde am 07.12.
2016 im Rahmen der Mitgliederversammlung von Ac-
countancy Europe (vormals Fédération des Experts comp-
tables Européens – FEE) zu deren Präsidenten berufen.
Accountancy Europe ist als Nachfolgeorganisation von
FEE die europäische Dachorganisation des Wirtschafts-
prüferberufs (IDW als Gründungsmitglied). Schneider ist
gegenwärtig in der IDW Arbeitsgruppe Trendwatch tätig,
gehörte mehrere Jahre dem IDW Vorstand an und war
vier Jahre Vorsitzer des IDW Verwaltungsrates. Er ist
langjähriger Partner der mittelständischen Wirtschafts-
prüfungsgesellschaft Dr. Dienst & Partner. Dem FEE Board
gehörte Schneider seit Oktober 2013 an. » DOC-ID: W1007496
Mehr zum Thema » IDW Presseinformation 13/2016 vom
07.12.2016 (www.idw.de); zur Gründung von Accountancy
Europe siehe deren Pressemitteilung vom 07.12.2016 unter
www.accountancyeurope.eu.
STANDARDSETZUNG
IDW zur Strategie des PIOB 2017 bis 2019
In seiner Stellungnahme zu den strategischen Überlegungen des Public Interest Oversight Body (PIOB) bis zum Jahr 2019
wirft das IDW die Frage auf, ob der PIOB mit der Konsultation nicht seine Kompetenzen überschreitet. Der PIOB beauf-
sichtigt die Aktivitäten von IAASB (hinsichtlich Auditing- und Assurance-Leistungen), IESBA (Berufsethik) und IAESB
(Aus- und Fortbildung), also der drei Standardsetzer, die unter dem Dach der IFAC agieren. Vertreter des PIOB nehmen
regelmäßig an den Sitzungen der Boards teil und stellen sicher, dass jeder Board bei der Standardsetzung das festgelegte
Verfahren (due process) einhält. Die Aufsichtsrolle des PIOB war in einer Vereinbarung zwischen der IFAC und deren
Überwachungsgremium (Monitoring Board) zusammen mit anderen Maßnahmen eingeführt worden, um den inter-
nationalen Standards, die die Standardsetzer mit Blick auf eine weltweite Anwendung entwickeln, eine größere Glaub-
würdigkeit zu verleihen.
2 | 01.2017 |
Da die Strategie des PIOB erst im Jahr 2013 überarbeitet worden ist, gibt das IDW zu bedenken, dass die derzeitige öffent-
liche Konsultation ohne Not die Beständigkeit der Standardsetzungsaktivitäten in den Augen der Öffentlichkeit in Frage
stellt – und dies obwohl vielfältige Maßnahmen bereits berücksichtigen, dass beispielsweise der IAASB dem Allgemein-
wohl in vorbildlicher Weise dient.
Das IDW merkt an, dass zahlreiche der vom PIOB aufgeworfenen Fragen erkennen lassen, dass er einen Bedarf dafür
wahrnimmt, eine breitere Gruppe von Stakeholdern an der Erarbeitung von Standards zu beteiligen. Dies wird jedoch
nicht durch konkrete Anhaltspunkte belegt. Da alle Stakeholder gleichermaßen die Möglichkeit haben, Kandidaten als
Board-Mitglieder vorzuschlagen, könnte das Unterbleiben derartiger Vorschläge auf ein gewisses Desinteresse hin-
deuten. Das IDW hebt hervor, wie wichtig es ist, dass die Standardsetzer (Boards) die erforderliche fachliche Expertise
besitzen, um hochwertige und international anwendbare Standards zu entwickeln. » DOC-ID: W1007497
Mehr zum Thema » Eingabe des IDW vom 23.11.2016 (www.idw.de).
AUS AUSLÄNDISCHEN FACHZEITSCHRIFTEN
Bank Directors’ Perceptions of Expanded Auditor‘s ReportsDie Finanz- und Wirtschaftskrise haben erneut den Ruf
nach zusätzlichen regulatorischen Maßnahmen zur
Sicher stellung der Finanzstabilität laut werden lassen. Da
Abschlussprüfer mit ihren externen, unabhängigen und
fachlich fundierten Bestätigungs- und Prüfungsleistun-
gen wesentlich zur Finanzstabilität beitragen, haben so-
wohl Regulatoren als auch Standardsetzer neue Regeln
zur Erweiterung des Bestätigungsvermerks vorgelegt. Auf
diese Weise sollen der Informationswert des Bestäti-
gungsvermerks erhöht und Informationsasymmetrien
zwischen Abschlusserstellern und -adressaten abgebaut
werden. Boolaky/Quick haben sich mit den potentiellen
Auswirkungen von Erweiterungen des Bestätigungsver-
merks, vor allem der Bereitstellung zusätzlicher Informa-
tionen über die Prüfungssicherheit, Wesentlichkeits-
schwellen und bedeutende Sachverhalte der Prüfung, auf
die Einschätzungen von Bankdirektoren hinsichtlich der
Qualität des Abschlusses, der Prüfung und des Bestäti-
gungsvermerks sowie hinsichtlich ihrer Kreditentschei-
dungen beschäftigt. Hierfür haben sie ein 2 x 2 x 2-Experi-
ment mit 105 deutschen Bankdirektoren durchgeführt.
Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Veröf-
fentlichung von Informationen über die Prüfungssicher-
heit positiv auf die wahrgenommene Qualität des Ab-
schlusses, der Prüfung und des Bestätigungsvermerks
auswirkt, sodass die Wahrscheinlichkeit der Kreditge-
währung steigt. Demgegenüber konnten sie für Angaben
zu bedeutenden Sachverhalten und zur Wesentlichkeits-
schwelle keine signifi kanten Auswirkungen erkennen.
Festzustellen war allerdings ein Zusammenhang zwi-
schen Wesentlichkeitsschwellen und Prüfungssicherheit.
In den Fällen, in denen Angaben zur Wesentlichkeit im
Bestätigungsvermerk gemacht wurden, wird der positive
Effekt der Veröffentlichung der Prüfungssicherheit abge-
schwächt. Boolaky/Quick schließen daraus, dass es für
Regulatoren und Standardsetzer ratsam wäre, die Aus-
wirkungen und Interdependenzen zusätzlicher Informa-
tionen im Bestätigungsvermerk sorgfältig abzuwägen,
bevor Entscheidungen zu dessen Erweiterung getroffen
werden. » Annette G. Köhler
Boolaky, Pran Krishansing / Quick, Reiner: International Journal
of Auditing, July 2016 – S. 158 – 174
| 01.2017 | 3
ASSURANCE
Rechnungslegung
KOMPAKT
INTERNATIONALE RECHNUNGSLEGUNG
Aus der Arbeit des IASB
Aktuelle Veröffentlichungen des IASB betreffen
» die Interpretation IFRIC 22 zu IAS 21,
» eine Änderung von IAS 40 und
» den Sammel-Änderungsstandard Annual
Improvements to IFRSs (2014–2016).
IFRS Interpretation 22
IFRIC 22 adressiert eine Anwendungsfrage zu IAS 21 im
Zusammenhang mit Vorauszahlungen in Fremdwäh-
rung. Die Interpretation stellt klar, welcher Wechselkurs
bei der erstmaligen Erfassung eines solchen Geschäfts-
vorfalls in der funktionalen Währung eines Unterneh-
mens zu verwenden ist, wenn das Unternehmen Voraus-
zahlungen auf die der Transaktion zugrunde liegenden
Vermögenswerte, Aufwendungen oder Erträge leistet
oder erhält. Eine Pflicht zur Anwendung von IFRIC 22 be-
steht ab 01.01.2018; eine freiwillige vorzeitige Anwen-
dung ist zulässig.
IAS 40
IAS 40 regelt die Bilanzierung von als Finanzinvestition
gehaltenen Immobilien, die sich noch im Bau oder in der
Entwicklung befinden. Klargestellt wird in IAS 40.57, ob
und ab welchem Zeitpunkt ein Vermögenswert in den
bzw. aus dem Bestand einer als Finanzinvestition gehal-
tenen Immobilie wechselt. Hintergrund sind bislang un-
geregelte Praxisfälle, in denen sich eine Immobilie in der
Entwicklung befindet und es in dieser Phase zu einer
Änderung der Verwendungsabsicht kommt. Eine Über-
tragung soll demnach nur dann erfolgen, wenn die Nut-
zungsänderung nachweisbar ist. Ferner stellt der IASB ex-
plizit klar, dass die in IAS 40.57 genannten Indizien für
das Vorliegen einer Nutzungsänderung nur beispielhaft
und insoweit nicht abschließend sind. Eine Pflicht zur An-
wendung dieser Änderung besteht ab 01.01.2018; eine
freiwillige vorzeitige Anwendung ist zulässig.
AIP 2014–2016
Durch die Annual Improvements to IFRSs (AIP 2014–2016)
werden drei internationale Rechnungslegungsstandards
geändert:
» Redaktionelle Änderungen an IFRS 1; demnach werden
kurzfristige Befreiungen von der Anwendung be-
stimmter Regelungen der IFRS für Erstanwender, die
durch Zeitablauf nicht mehr relevant sind, gestrichen.
» Für den Anwendungsbereich von IFRS 12 wird präzi-
siert, dass die Angabevorschriften auch für Anteile an
Tochterunternehmen, gemeinsamen Vereinbarungen,
assoziierten Unternehmen und nicht konsolidierten
strukturierten Einheiten, die als zur Veräußerung
gehalten klassifiziert (oder in einer entsprechend
klassifizierten Veräußerungsgruppe enthalten) sind
sowie für aufgegebene Geschäftsbereiche im Sinne von
IFRS 5 gelten.
» In IAS 28.18 wird klargestellt, dass das Wahlrecht von
Wagniskapital-Gesellschaften, Investmentfonds und
ähnlichen Unternehmen, ihre Anteile an assoziierten
Unternehmen und Gemeinschaftsunternehmen erfolgs-
wirksam zum beizulegenden Zeitwert (fair value
through profit or loss) zu bewerten, separat für jedes
einzelne Investment ausgeübt werden darf. Weitere
Erläuterungen sind auch für das Wahlrecht gemäß
IAS 28.36 ergänzt worden.
Die Änderung von IFRS 12 ist ab 01.01.2017, die beiden an-
deren Änderungen sind ab 01.01.2018 anzuwenden.
» DOC-ID: W1007498
» IASB vom 08.12.2016 (www.ifrs.org).
» Schreiber, „IASB schlägt Änderungen an vier Standards vor –
Jährlicher Verbesserungsprozess (Zyklus 2014–2016) und
begrenzte Änderungen von IAS 40“, WPg 2016, S. 143.
4 | 01.2017 |
ANALYSE
Beurteilung der signifikantenVerschlechterung der Kreditqualität
nach IFRS 9Voraussetzungen für die Verwendung von Ratings und Lifetime-PD
Von Dr. Michael Bosse, Nikolas Stege und Dr. Manuel Hita Hochgesand1
Eine zentrale Herausforderung bei der Umsetzung einer IFRS-konformen Stufenzuordnung ist die Auswahl
geeigneter Beurteilungskriterien. In den derzeitigen Umsetzungsprojekten zeichnet sich dafür vor allem die
Verwendung von kumulierten Ausfallwahrscheinlichkeiten (Lifetime-PD) und Ratings ab. Während Ratings ein
vertrautes Maß zur Beurteilung der Kreditqualität sind, handelt es sich bei Lifetime-PD – zumindest im
bilanziellen Kontext – um eine Neuerung. Vor diesem Hintergrund wird in diesem Beitrag herausgearbeitet,
welche methodischen Unterschiede zwischen Lifetime-PD und Ratings bestehen und unter welchen Voraus-
setzungen diese als Beurteilungskriterien für eine signifikante Verschlechterung der Kreditqualität verwendet
werden können.
1 Einleitung
Die deutlichsten Veränderungen von IFRS 9 gegenüber
den bestehenden Regelungen in IAS 39 resultieren aus
der neuen Wertminderungsmethode, die das derzeit an-
zuwendende Incurred Loss Model durch einen Expected-
Loss-Ansatz ablöst. In Abhängigkeit von der Veränderung
der Kreditqualität sollen Wertminderungen früher antizi-
piert werden, nicht zuletzt, um damit dem im Zuge der Fi-
nanzmarktkrise aufgekommenen Kritikpunkt einer ver-
späteten Erfassung von Wertminderungen auf Basis des
Incurred Loss Model zu begegnen.
Zum Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes eines Finanzin-
struments werden nach IFRS 9 grundsätzlich sämtliche Fi-
nanzinstrumente – unabhängig von ihrem initialen Kre-
ditrisiko – zunächst der Stufe 1 zugeordnet. Damit ist die
erfolgswirksame Erfassung einer Wertminderung in
Höhe des 12-Monats-Expected-Credit-Loss verbunden. In
den Folgeperioden ist für das jeweilige Finanzinstrument
bei der Stufenzuordnung anhand geeigneter Kriterien zu
beurteilen, ob eine signifikante Verschlechterung der Kre-
ditqualität im Vergleich zum Zugangszeitpunkt vorliegt.
Dies begründet die Zuordnung des Finanzinstruments zur
Stufe 2, so dass ein Lifetime Expected Credit Loss als Risi-
kovorsorge zu erfassen ist. Die Zuordnung zur Stufe 2 soll
– der Zielsetzung des neuen Expected-Loss-Ansatzes ent-
sprechend – bereits (deutlich) vor dem Eintritt eines Ver-
lustereignisses (Stufe 3) erfolgen. Während die Stufen 1
l1 Der Beitrag stellt die persönliche Meinung der Verfasser dar.
| 01.2017 | 5
RECHNUNGSLEGUNG
Keywords:
IFRS 9
Expected-Loss-Modell
Stufenzuordnung
Lifetime-PD
Rating
und 3 weitestgehend der Portfolio- und Einzelwertberich-
tigung nach IAS 39 entsprechen, stellt die Stufe 2 eine
Neuerung dar, die die wesentliche Änderung der Bilanz-
und Erfolgswirkung im Vergleich zum Incurred Loss Mo-
del begründet.
Die mit Ermessensspielräumen behaftete Beurteilung ei-
ner signifikanten Verschlechterung der Kreditqualität ist
demnach von zentraler Bedeutung für die Ergebniswir-
kung des neuen Wertminderungsmodells. Festzulegen ist
u.a., anhand welcher Beurteilungskriterien der Übergang
von Stufe 1 nach Stufe 2 erfolgen soll. Als Beurteilungskri-
terium ist grundsätzlich das über die erwartete Restlauf-
zeit bestehende Ausfallrisiko (Lifetime-PD2) heranzuzie-
hen. IFRS 9 räumt dem Bilanzierenden aber auch die
Möglichkeit ein, das über die nächsten zwölf Monate be-
stehende Ausfallrisiko (12-Monats-PD), das üblicherweise
mit Ratings abgebildet wird, zu verwenden. Die Motiva-
tion zur Nutzung von Ratings lässt sich vor allem damit
begründen, dass diese ein vertrautes Maß zur Abbildung
der Kreditqualität darstellen. Dementsprechend können
Ratingveränderungen und die daraus resultierende Stu-
fenzuordnung einfacher gegenüber internen und exter-
nen Adressaten kommuniziert werden.
Vor diesem Hintergrund soll in diesem Beitrag herausge-
arbeitet werden, welche Anwendungsvoraussetzungen
für die Verwendung von Lifetime-PD und Ratings als Kri-
terium für die Beurteilung einer signifikanten Verschlech-
terung der Kreditqualität bestehen.
2 IFRS-9-Anforderungen an die Stufenzuordnung
Die Abgrenzung zwischen Stufe 1 und Stufe 2 des Wert-
minderungsmodells und damit die konkrete Art der Beur-
teilung einer signifikanten Verschlechterung der Kredit-
qualität wird von IFRS 9 nicht explizit vorgegeben; sie
liegt daher grundsätzlich im Ermessen des Bilanzierenden
(IFRS 9.5.5.12). In diesem Zusammenhang ist festzulegen,
» für welches Beurteilungsobjekt eine signifikante Ver-
schlechterung der Kreditqualität zu untersuchen ist,
» welches Beurteilungskriterium hierfür genutzt werden
soll und
» welches Ausmaß eine signifikante Verschlechterung
der Kreditqualität begründet (Signifikanzschwelle).
Beurteilungsobjekt
Für die Festlegung des Beurteilungsobjekts ist maßgeb-
lich, auf welcher Ebene das Ausfallrisiko3 zum Zugangs-
zeitpunkt bestimmt werden kann. Nach IFRS 9.5.5.3 ist
es erforderlich, eine signifikante Erhöhung des Ausfall-
risikos zunächst auf Ebene des einzelnen Finanzinstru-
ments zu identifizieren und zu beurteilen. Das relevante
Beurteilungsobjekt ist somit grundsätzlich das einzelne
Finanzinstrument, so dass unterschiedliche Finanzin-
strumente eines Schuldners jeweils getrennt voneinan-
der zu beurteilen sind. Eine gemeinsame Beurteilung
verschiedener Finanzinstrumente eines Schuldners
kann jedoch erfolgen, wenn dieses Vorgehen zum glei-
chen Ergebnis wie eine Beurteilung auf Transaktions-
ebene führt. Hierbei handelt es sich um ein bedingtes
Wahlrecht, das einen entsprechenden Nachweis erfor-
dert. Die gleiche Beurteilung einer signifikanten Ver-
schlechterung der Kreditqualität auf Schuldner- und
Transaktionsebene ergibt sich für den Fall, dass die Fi-
nanzinstrumente des Schuldners ein ähnliches Ausfall-
risiko zum Zugangszeitpunkt aufweisen (IFRS 9.IE43–47
i.V. mit IFRS 9.BC5.168). Zudem kann eine gemeinsame
Beurteilung unterschiedlicher Finanzinstrumente eines
Portfolios erfolgen, wenn diese über homogene Kredit-
risikoeigenschaften – und hierbei vor allem über ein
ähnliches Ausfallrisiko zum Zugangszeitpunkt – verfü-
gen (IFRS 9.IE40–42).4
Beurteilungskriterium
Als Beurteilungskriterium für die signifikante Verschlech-
terung der Kreditqualität ist nach IFRS 9.5.5.9 an jedem
Bilanzstichtag die Veränderung des über die erwartete
Restlaufzeit bestehenden Ausfallrisikos seit der erstmali-
gen Erfassung heranzuziehen. Bezogen auf einen Kredit-
Ratingveränderungen und die
daraus resultierende Stufen-
zuordnung lassen sich einfacher
gegenüber internen und externen
Adressaten kommunizieren.
l2 Für eine detaillierte Beschreibung der Lifetime-PD siehe Abschn. 3.1 (PD bezeichnet die probability/probabilities of default).l3 Die Begriffe Ausfallrisiko und Kreditqualität
werden hier synonym verwendet. Der von IFRS 9 verwendete Begriff „Kreditrisiko“ ist irreführend, da er impliziert, dass die Veränderung erwarteter (Kredit-)Verluste für die Stufen-
zuordnung maßgeblich sei. IFRS 9.5.5.9 hebt jedoch ausdrücklich hervor, dass die Veränderung des Ausfallrisikos und nicht die Veränderung erwarteter (Kredit-)Verluste für die
Signifikanzbeurteilung heranzuziehen ist. Dabei dürfen Sicherheiten nur dann berücksichtigt werden, wenn sie einen Einfluss auf das Ausfallrisiko haben.l4 Die Nutzung der
Portfolioebene, auf der umfassendere Kreditrisikoinformationen bestehen, kann auch in Situationen erforderlich sein, in denen der Bilanzierende auf Transaktionsebene nicht über
ausreichende Informationen zur Signifikanzbeurteilung verfügt (IFRS 9.B5.5.1 i.V. mit IFRS 9.B5.5.3).
6 | 01.2017 |
» Beurteilung der signifikanten Verschlechterung der Kreditqualität nach IFRS 9
risikoparameter-basierten Ansatz bedeutet diese Anforde-
rung, dass die Lifetime-PD zum jeweiligen Stichtag mit
der Lifetime-PD zum Zugangszeitpunkt zu vergleichen ist.
Hierbei ist jedoch zu beachten, dass sich die Veränderung
der Lifetime-PD aus zwei Effekten zusammensetzt:
» einem bonitätsinduzierten Effekt und
» einem zeitinduzierten Effekt.
Während der bonitätsinduzierte Effekt auf die „originäre“
Veränderung des Kreditrisikos zurückzuführen ist, ba-
siert der zeitinduzierte Effekt auf dem Voranschreiten
der Laufzeit, das zu einer Verringerung der Lifetime-PD
aufgrund der verkürzten Restlaufzeit des jeweiligen Fi-
nanzinstruments führt. Da sich das Beurteilungskriterium
zum Übergang in Stufe 2 jedoch ausschließlich auf die
Veränderung des „originären“ Ausfallrisikos bezieht, ist
der zeitinduzierte Effekt entsprechend zu neutralisieren
(IFRS 9.B5.5.10f.).
IFRS 9 sieht grundsätzlich auch die Veränderung der
12-Monats-PD als geeignete Approximation für die Verän-
derung der Lifetime-PD bei der Beurteilung der signifi-
kanten Verschlechterung des Kreditrisikos an, es sei
denn, die zu berücksichtigenden Umstände erfordern
eine Mehrjahres-Betrachtung. Dies gilt für den Fall, dass
sich das Ausfallverhalten von Schuldnern nicht auf einen
bestimmten Zeitpunkt innerhalb der Laufzeit konzen-
triert (IFRS 9.B5.5.13). IFRS 9.B5.5.14(a) bis (c) nennt die
folgenden möglichen Umstände, in denen die Verwen-
dung der 12-Monats-PD nicht angemessen ist:
(a) die mit dem Finanzinstrument zusammenhängenden
wesentlichen Zahlungsverpflichtungen werden erst
nach Ablauf der nächsten zwölf Monate fällig;
(b) es treten Änderungen der relevanten makro-
ökonomischen oder sonstigen kreditbezogenen
Faktoren ein, die in der 12-Monats-PD nicht
angemessen berücksichtigt werden;
(c) Änderungen kreditbezogener Faktoren wirken sich
erst nach mehr als zwölf Monaten (verstärkt) auf das
Kreditrisiko des Finanzinstruments aus.
Signifikanzschwelle
Zur Bestimmung des Ausmaßes, ab dem eine signifikante
Verschlechterung der Kreditqualität vorliegt, gibt IFRS 9
keine Signifikanzschwelle vor, so dass eine entsprechen-
de Definition dem Bilanzierenden obliegt. Für verschie-
dene Finanzinstrumente können somit unterschiedliche
Ansätze angewendet werden (IFRS 9.B5.5.12 i.V. mit
IFRS 9.BC5.171). Je nach Höhe des ursprünglichen Ausfall-
risikos zum Zugangszeitpunkt kann eine differenzierte
Festlegung der Signifikanzschwelle erforderlich sein
(IFRS 9.B5.5.9). Als geeignete Bezugsgröße für die Signifi-
kanzbeurteilung kann dabei die ursprüngliche Erwartung
der Entwicklung des Ausfallrisikos dienen. Hierdurch
wird dem Grundgedanken des IASB Rechnung getragen,
dass die Erwartung der Entwicklung des Ausfallrisikos in
den ursprünglich kontrahierten Kreditkonditionen ent-
halten ist (IFRS 9.BC.5.173). Im Vergleich zur tatsächlichen
Entwicklung des Ausfallrisikos erfolgt anhand der festge-
legten Signifikanzschwelle schließlich die Beurteilung ei-
ner signifikanten Verschlechterung der Kreditqualität
und damit die Abgrenzung zwischen den Stufen 1 und 2
des Wertminderungsmodells.
3 Beurteilungskriterien für die Stufenzuordnung
Die Beurteilung der Kreditqualität umfasst eine ganz-
heitliche Analyse, die sich je nach Datenverfügbarkeit,
Finanzinstrument und Art des Unternehmens unter-
scheidet (IFRS 9.B5.5.16 i.V. mit IFRS 9.BC5.157). Nach
IFRS 9.B5.5.18 können dabei quantitative und qualita-
tive Informationen verwendet werden, die für die Stu-
fenzuordnung nicht zwangsläufig in statistischen Model-
len oder Ratingverfahren verarbeitet werden müssen.
Eine nicht abschließende Liste von Informationen, die für
die Stufenzuordnung relevant sein können, enthält
IFRS 9.B5.5.17. Der Bilanzierende muss abwägen, welche
Informationen in diesem Zusammenhang geeignet sind.
Unabhängig von den verwendeten Informationen ist die
widerlegbare Vermutung einer signifikanten Verschlech-
terung der Kreditqualität ab 30 Verzugstagen als backstop
zu berücksichtigen (IFRS 9.5.5.11 i.V. mit IFRS 9.BC5.193).
Beurteilungskriterien für die Stufenzuordnung lassen
sich daher wie folgt kategorisieren:
» quantitative Kriterien (z.B. Lifetime-PD, 12-Monats-PD,
Ratings),
» qualitative Kriterien (z.B. Watchlist, Marktindikatoren)
und
» Backstop-Kriterien (z.B. 30 Verzugstage).
Während mit quantitativen Kriterien die Beurteilung auf
Basis eines Vergleichs numerischer Größen erfolgt, wer-
den mit qualitativen und Backstop-Kriterien (absolute)
Zustände für die Beurteilung verwendet. Als quantitative
Kriterien werden überwiegend Lifetime-PD und Ratings
genutzt, die im Folgenden zunächst methodisch voneinan-
der abgegrenzt werden, um darauf aufbauend die An-
wendungsvoraussetzungen für die Stufenzuordnung her-
auszuarbeiten. Die Notwendigkeit zur Berücksichtigung
zusätzlicher qualitativer Kriterien hängt davon ab, ob
| 01.2017 | 7
RECHNUNGSLEGUNG
und inwieweit diese bereits in den quantitativen Kriterien
berücksichtigt sind.
3.1 Methodische Grundlagen
In der Kreditrisikomodellierung wird das Ausfallrisiko
über einen bestimmten Zeitraum durch die PD beschrie-
ben. Zur Beurteilung der Bonität bzw. Kreditwürdigkeit
von Transaktionen oder Schuldnern verwenden Finanz-
institute Ratingverfahren, durch die sich eine Aussage
über die PD innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums (in
der Regel ein Jahr) treffen lässt. Bei der Entwicklung von
Ratingverfahren wird auf Basis historischer Beobachtun-
gen für unterschiedliche qualitative und quantitative In-
formationen überprüft, ob diese einen Erklärungsgehalt
für das Ausfallrisiko aufweisen. Die als ausfallrisiko-
relevant identifizierten Informationen fließen als Risiko-
treiber in das Ratingverfahren ein. Im nächsten Schritt
werden Ratingklassen als Intervalle definiert, denen – je
nach Ausmaß des Ausfallrisikos – PD im Rahmen der
Kalibrierung zugeordnet werden. Die aus Ratingverfahren
resultierenden Ratingeinstufungen korrespondieren daher
jeweils mit einer bestimmten 12-Monats-PD. Diese stellt im
Regelfall die mittlere PD eines PD-Intervalls dar, das der je-
weiligen Ratingklasse zugeordnet wurde. Der Zusammen-
hang zwischen Ratingklasse, mittlerer PD und PD-Intervall
wird über die sogenannte Masterskala abgebildet.
Übersicht 1 zeigt eine idealtypische Masterskala für ein
Ratingverfahren mit den Ratingklassen I bis IX.
RatingklassePD-
UntergrenzeMittlere PD
PD-Obergrenze
I 0,00% 0,13% 0,20%
II 0,20% 0,25% 0,40%
III 0,40% 0,50% 0,70%
IV 0,70% 1,00% 1,40%
V 1,40% 2,00% 2,90%
VI 2,90% 4,00% 5,80%
VII 5,80% 8,00% 10,60%
VIII 10,60% 16,00% 19,10%
IX 19,10% 32,00% 100,00%
Default 100,00% 100,00% 100,00%
Übersicht 1 »Masterskala eines Ratingverfahrens
Mit den auf Basis historischer Informationen modellier-
ten Ratingverfahren lassen sich dann bei der Ratingverga-
be aktuelle und zukunftsgerichtete Informationen über
die Risikotreiber zu einem (vorläufigen) Rating verdich-
ten. Dieses auf statistischen Zusammenhängen basieren-
de Rating wird anschließend oftmals um Einschätzungen
des jeweiligen Kreditanalysten zur Bonitätssituation des
Schuldners zu einem endgültigen Rating angepasst. Im
Rahmen der von IFRS 9 geforderten Point-in-Time-Orien-
tierung von Ratingverfahren5 sollten auf diese Weise
sämtliche ausfallrisikorelevanten Informationen als (qua-
litative oder quantitative) Modellvariablen Berücksich-
tigung finden, um erwartete Ausfallereignisse möglichst
genau zu schätzen.
Während die Erstellung von Ratings und die damit zu-
sammenhängende Schätzung von 12-Monats-PD in der
Kreditrisikomodellierung bereits etabliert sind, stellen
Lifetime-PD – zumindest im bilanziellen Kontext – eine
Neuerung dar. Zur Ermittlung von Lifetime-PD existieren
grundsätzlich verschiedene Verfahren, die sich im Hin-
blick auf ihren Umsetzungsaufwand und ihre Prognose-
güte unterscheiden. Eine in der Praxis häufig verwendete
Methode zur Ermittlung von Lifetime-PD stellen Migra-
tionsmatrizen dar.
Migrationsmatrizen
Migrationsmatrizen bilden das Migrationsverhalten
von Schuldnern ab, d.h. die Wahrscheinlichkeit über
einen bestimmten Zeitraum in derselben Ratingklas-
se zu verbleiben oder in eine andere Ratingklasse zu
migrieren. Die empirische Ermittlung von Migra-
tionsmatrizen erfolgt durch Beobachtung des histo-
rischen Migrationsverhaltens von Schuldnern über
einen bestimmten Zeitraum. In den Zeilen einer Mi-
grationsmatrix werden die ursprünglichen Ratings
der Periode t und in den Spalten die Ratings der
Folgeperiode t+1 abgetragen. Die Default-Spalte der
Matrix repräsentiert Migrationen in den Ausfall.
Übersicht 2 zeigt eine idealtypische, konjunkturneutrale
Ein-Jahres-Migrationsmatrix für die Ratingklassen I bis IX
und den Default-Zustand.
l5 Vgl. Bosse, WPg 2015, S. 720.
8 | 01.2017 |
» Beurteilung der signifikanten Verschlechterung der Kreditqualität nach IFRS 9
Die Ermittlung von Lifetime-PD kann dabei über die t-ma-
lige Multiplikation der Ein-Jahres-Migrationsmatrix mit
sich selbst erfolgen. Aus der daraus resultierenden t-Jah-
res-Migrationsmatrix können die entsprechenden Life-
time-PD jeweils in der Default-Spalte abgelesen werden.
Auf diese Weise lässt sich schließlich ein sogenanntes
PD-Profil erzeugen, das die periodenspezifischen Life-
time-PD enthält und somit das über die Laufzeit erwartete
Ausfallrisiko darstellt.
So führt die Multiplikation der idealtypischen Migrations-
matrix zu den in Übersicht 3 dargestellten konjunktur-
neutralen PD-Profilen je Ratingklasse über einen Zeit-
raum von zehn Perioden. Die PD-Profile zeigen Lifetime-
PD, die das gesamte Ausfallrisiko aus heutiger Sicht über
einen mehrjährigen Zeitraum abbilden.
Für Zwecke einer IFRS-9-konformen Modellierung ist
sicherzustellen, dass die PD-Profile zukunftsgerichte-
te, makroökonomische Informationen berücksichtigen
(IFRS 9.5.5.17(c)). Die Integration dieser Informationen
kann unter Verwendung von Migrationsmatrizen entwe-
der direkt oder indirekt erfolgen:
» Bei der direkten Methode werden zukunftsgerichtete,
makroökonomische Informationen berücksichtigt,
indem – je nach erwarteter Konjunkturlage –
spezifische Migrationsmatrizen miteinander
multipliziert werden.6
Rating in t+1
I II III IV V VI VII VIII IX Default
Ursprungs-
rating in t
I 92,00% 4,00% 2,00% 1,00% 0,50% 0,25% 0,10% 0,02% 0,00% 0,13%
II 3,00% 85,00% 5,85% 2,50% 1,00% 1,25% 0,50% 0,35% 0,30% 0,25%
III 1,00% 6,00% 82,00% 5,00% 2,50% 1,75% 0,75% 0,40% 0,10% 0,50%
IV 0,50% 1,25% 7,00% 80,00% 6,00% 3,00% 1,00% 0,20% 0,05% 1,00%
V 0,25% 2,00% 4,00% 6,00% 75,00% 5,00% 3,00% 1,75% 1,00% 2,00%
VI 0,00% 0,25% 0,75% 3,50% 6,50% 60,00% 10,00% 9,25% 5,75% 4,00%
VII 0,00% 0,13% 0,25% 1,12% 3,50% 7,00% 55,00% 15,00% 10,00% 8,00%
VIII 0,00% 0,00% 0,10% 0,25% 1,65% 4,00% 8,00% 50,00% 20,00% 16,00%
IX 0,00% 0,00% 0,00% 0,25% 1,25% 3,50% 6,00% 12,00% 45,00% 32,00%
Default 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 100,00%
Übersicht 2 » Konjunkturneutrale Ein-Jahres-Migrationsmatrix
Periode
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Ursprungs-
rating in t
I 0,13% 0,30% 0,55% 0,90% 1,36% 1,93% 2,61% 3,40% 4,31% 5,31%
II 0,25% 0,78% 1,58% 2,62% 3,87% 5,29% 6,87% 8,56% 10,35% 12,22%
III 0,50% 1,25% 2,30% 3,64% 5,23% 7,02% 8,99% 11,08% 13,26% 15,51%
IV 1,00% 2,21% 3,73% 5,59% 7,74% 10,12% 12,66% 15,31% 18,01% 20,73%
V 2,00% 4,63% 7,79% 11,32% 15,04% 18,82% 22,54% 26,15% 29,60% 32,87%
VI 4,00% 10,69% 18,34% 25,95% 33,01% 39,32% 44,85% 49,65% 53,81% 57,40%
VII 8,00% 18,36% 28,62% 37,79% 45,62% 52,17% 57,61% 62,14% 65,91% 69,08%
VIII 16,00% 31,24% 43,39% 52,72% 59,90% 65,50% 69,93% 73,50% 76,41% 78,80%
IX 32,00% 48,97% 59,32% 66,37% 71,52% 75,47% 78,59% 81,10% 83,14% 84,84%
Default 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00%
Übersicht 3 » Konjunkturneutrale PD-Profile je Ratingklasse
l6 Vgl. Bosse, WPg 2015, S. 728ff.
| 01.2017 | 9
RECHNUNGSLEGUNG
» Demgegenüber liegt der hier betrachteten indirekten
Methode eine Migrationsmatrix zugrunde, die auf Basis
einer konjunkturübergreifenden Datenhistorie ermittelt
wurde, so dass die Multiplikation einer solchen Matrix
zu PD-Profilen führt, die die Konjunkturerwartungen
gegebenenfalls nicht vollständig berücksichtigen.
Je nach erwarteter Konjunkturlage lassen sich an-
schließend die einzelnen Lifetime-PD des PD-Profils
mit einem Skalierungsfaktor,
der die Veränderung der
Lifetime-PD in Abhängigkeit
von makroökonomischen
Erwartungen abbildet,
periodenspezifisch nach oben
oder unten anpassen.
Die hieraus resultierenden kon-
junkturabhängigen PD-Profile zei-
gen Übersicht 4 und Übersicht 5.7, 8
3.2 Anwendungsvoraus-
setzungen
Das IASB trifft die Annahme, dass
die Veränderung des Ausfallrisi-
kos über die nächsten zwölf Mona-
te generell eine geeignete Approxi-
mation für die Veränderung des
Ausfallrisikos über die erwartete
Restlaufzeit darstellen sollte, so
dass sich das Ausfallrisiko über die nächsten zwölf Mona-
te als Beurteilungskriterium für die Stufenzuordnung eig-
net (IFRS 9.B5.5.13 i.V. mit IFRS 9.BC5.178). In Bezug auf
die Nutzbarkeit der 12-Monats-PD bzw. der korrespon-
dierenden Ratingeinstufung als Beurteilungskriterium
stellt sich die Frage, ob und inwieweit überprüft bzw.
nachgewiesen werden muss, dass die Ratingveränderung
eine angemessene Approximation für die Veränderung
Periode
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Ursprungs-
rating in t
I 0,13% 0,33% 0,62% 1,02% 1,48% 2,04% 2,72% 3,52% 4,42% 5,42%
II 0,25% 0,86% 1,78% 2,97% 4,21% 5,63% 7,20% 8,89% 10,68% 12,54%
III 0,50% 1,37% 2,57% 4,10% 5,68% 7,47% 9,43% 11,51% 13,68% 15,91%
IV 1,00% 2,39% 4,14% 6,27% 8,40% 10,76% 13,29% 15,92% 18,60% 21,30%
V 2,00% 5,02% 8,64% 12,66% 16,33% 20,05% 23,72% 27,27% 30,67% 33,88%
VI 4,00% 11,69% 20,40% 28,93% 35,70% 41,75% 47,06% 51,67% 55,66% 59,11%
VII 8,00% 19,92% 31,49% 41,61% 48,96% 55,11% 60,22% 64,46% 68,00% 70,98%
VIII 16,00% 33,52% 47,04% 57,08% 63,59% 68,67% 72,70% 75,94% 78,58% 80,76%
IX 32,00% 51,51% 62,83% 70,23% 74,79% 78,29% 81,05% 83,27% 85,08% 86,58%
Default 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00%
Übersicht 4 » Konjunkturabhängige PD-Profile
0,00%
10,00%
20,00%
30,00%
40,00%
50,00%
60,00%
70,00%
80,00%
90,00%
100,00%
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
KumulierteAusfallwahrscheinlichkeit
Periode
Übersicht 5 » Konjunkturabhängige PD-Profile
l7 Die Kurven stellen von oben nach unten die PD-Profile zu den Ratings IX bis I dar.l8 Für eine konkrete Methode zur Anpassung des PD-Profils mit Skalierungsfaktoren vgl.
Bosse/Stege/Hita Hochgesand in einer der nächsten Ausgaben der WPg. In diesem Fall wurde für die Perioden 2 bis 4 jeweils ein Skalierungsfaktor i.H. von 15% verwendet.
10 | 01.2017 |
» Beurteilung der signifikanten Verschlechterung der Kreditqualität nach IFRS 9
der Lifetime-PD im Rahmen der Signifikanzbeurteilung
darstellt. Die Notwendigkeit für einen entsprechenden
Nachweis ist im Vergleich zu den ursprünglichen Rege-
lungen des Exposure Draft (ED/2013/3.B11) in IFRS 9 zwar
nicht mehr explizit enthalten. Um sicherzustellen, dass
die in IFRS 9.B5.5.14 dargestellten Umstände nicht vorlie-
gen – so dass die Verwendung einer Ratingveränderung
unangemessen wäre –, bedarf es dennoch eines ent-
sprechenden Nachweises.
Auch die IFRS Transition Resource Group for Impairment
of Financial Instruments (ITG) hat sich im September
2015 mit dieser Thematik auseinander gesetzt.9 In diesem
Zusammenhang wird erwartet, dass der Bilanzierende
für den Nachweis der Angemessenheit der Approxima-
tion eine robuste Analyse durchführt, wobei deren Um-
fang grundsätzlich vom zu betrachtenden Finanzinstru-
ment abhängt. Demnach reicht in manchen Fällen eine
qualitative Analyse aus, wohingegen in weniger eindeuti-
gen Fällen eine zusätzliche quantitative Analyse notwen-
dig sein könnte.
Ein möglicher Ansatz zur fortlaufenden Überprüfung der
Angemessenheit der Approximation kann nach Ansicht
der ITG wie folgt ausgestaltet sein:10
1. Identifikation der wesentlichen Determinanten, die
einen Einfluss auf die Angemessenheit der Nutzung
der Veränderung des Ausfallrisikos über zwölf Monate
als Approximation für die Veränderung des Ausfall-
risikos über die erwartete Restlaufzeit haben könnten;
2. Beobachtung der identifizierten Determinanten
im Rahmen einer fortlaufenden qualitativen
Überwachung;
3. Erwägung, ob beobachtete Änderungen der
Determinanten darauf hindeuten, dass die
Veränderung des Ausfallrisikos über zwölf Monate
als Approximation für die Veränderung des Ausfall-
risikos über die erwartete Restlaufzeit nicht weiter
angemessen sein könnte.
Für den Fall, dass die Überprüfung zeigt, dass die Appro-
ximation nicht weiter geeignet ist, muss der Bilanzierende
einen alternativen Ansatz bestimmen, der die Verände-
rung des Ausfallrisikos über die erwartete Laufzeit bei
der Signifikanzbeurteilung angemessen berücksichtigt.
Mit einem (fortlaufenden) Nachweis soll sichergestellt
werden, dass die wesentlichen Risikotreiber, die über die
erwartete Restlaufzeit bestehen, auch
über die Betrachtung des 12-Monats-
Horizonts angemessen berücksichtigt
werden. Anderenfalls könnten eine
signifikante Verschlechterung der
Kreditqualität zu spät festgestellt und
damit Wertminderungen – entgegen
der Zielsetzung des Expected-Loss-
Ansatzes – zu spät erfasst werden. In diesem Kontext
wäre ein numerischer Vergleich der Veränderung der
12-Monats-PD mit der Veränderung der Lifetime-PD als
Nachweis für eine geeignete Approximation nicht ziel-
führend, da hierdurch keine eindeutige Aussage über die
Berücksichtigung von Risikotreibern auf Ein- und Mehr-
jahressicht getroffen werden kann. Für den Fall, dass die
Veränderung der Lifetime-PD numerisch der Verände-
rung der 12-Monats-PD entsprechen sollte, könnte dies
vielmehr auch darauf hindeuten, dass wesentliche Ri-
sikotreiber nicht in der 12-Monats-Sicht berücksichtigt
werden. Dies liegt darin begründet, dass Lifetime-PD – un-
abhängig von der ursprünglichen Kreditqualität – ab ei-
ner bestimmten Zeit gegen 100% konvergieren, so dass
mit längeren Restlaufzeiten grundsätzlich geringere Ver-
änderungen der Lifetime-PD einhergehen. Die Verände-
rung der Lifetime-PD konvergiert daher mit zunehmen-
der Restlaufzeit gegen 0.11 Unter der Annahme, dass
sämtliche relevanten Risikotreiber in der 12-Monats-
Bilanzierende sollten prüfen, ob der mit dem Nach-
weis zur Eignung von Ratings verbundene Aufwand
nicht vom Nutzen (deutlich) kompensiert wird.
l9 ITG, Agenda Paper 2, 16.09.2015, S. 1–14 (www.ifrs.org; Abruf: 10.11.2015).l10 ITG, Meeting Summary, 16.09.2015, S. 5 (www.ifrs.org; Abruf: 10.11.2015).l11 Um dem Effekt
der Restlaufzeit auf die Veränderung der Lifetime-PD zu begegnen, sind – unter Verwendung von Lifetime-PD als Beurteilungskriterium – gegebenenfalls restlaufzeitabhängige
Signifikanzschwellen zu definieren. Anderenfalls besteht das Risiko, dass eine signifikante Verschlechterung der Kreditqualität erst ab Unterschreitung einer bestimmten Restlaufzeit
festgestellt werden kann, so dass Geschäfte nur aufgrund einer längeren Restlaufzeit nicht der Stufe 2 zugeordnet werden. Informationen, die über die Bonität eines Schuldners zum
Bilanzstichtag vorliegen, würden bei einer Betrachtung von Lifetime-PD also mit zunehmender Restlaufzeit verschleiert und für die Stufenzuordnung insoweit nicht angemessen
berücksichtigt. Dies widerspricht dem Ziel, Wertminderungen frühzeitig zu erfassen.
| 01.2017 | 11
RECHNUNGSLEGUNG
Sicht berücksichtigt sind, muss sich die Veränderung der
Lifetime-PD mit zunehmender Restlaufzeit verringern.
Gleichen sich die Veränderung der 12-Monats-PD und die
Veränderung der Lifetime-PD, würde dies dazu im Wi-
derspruch stehen und vielmehr darauf hindeuten, dass
sich Risikotreiber erst nach dem 12-Monats-Horizont
auswirken. Dies begründet nach IFRS 9.B5.5.14 einen
möglichen Umstand, bei dem die Verwendung der 12-Mo-
nats-PD für die Stufenzuordnung nicht angemessen ist.
Vor diesem Hintergrund ist die numerische Approxima-
tion kein geeigneter Nachweis für die Verwendung der
12-Monats-PD als Beurteilungskriterium für die Stufenzu-
ordnung. Stattdessen ist zu zeigen, dass mit der Verände-
rung der Ratingeinstufung und der dazu korrespondie-
renden Veränderung der 12-Monats-PD die wesentlichen
Risikotreiber berücksichtigt werden, die zur Veränderung
der Lifetime-PD führen. Dies ist sichergestellt, wenn die
Veränderung der Ratingeinstufung über die gesamte
Laufzeit die wesentliche Determinante für die Gesamtver-
änderung der Lifetime-PD darstellt. Auf diese Weise lässt
sich eine eindeutige Aussage über die konsistente Berück-
sichtigung von Risikotreibern auf Ein- und Mehrjahres-
sicht treffen und damit eine geeignete Approximation i.S.
von IFRS 9.B5.5.13f. nachweisen.
4 Kritische Würdigung und Ausblick
Die Möglichkeit zur Verwendung von Ratings als Beurtei-
lungskriterium für die signifikante Verschlechterung der
Kreditqualität setzt die Erbringung eines geeigneten
Nachweises voraus. Es ist zu zeigen, dass Ratingverände-
rungen eine angemessene Approximation für die Verän-
derung der Lifetime-PD im Rahmen der Stufenzuordnung
darstellen. Dies kann mit einem gewissen Aufwand ver-
bunden sein.12 Demgegenüber werden unter Verwendung
von Lifetime-PD als Beurteilungskriterium für die Stufen-
zuordnung die IFRS-9-Anforderungen direkt erfüllt, ohne
dass ein darüber hinausgehender Nachweis zur grund-
sätzlichen Eignung der Lifetime-PD erforderlich wäre.
Neben der eingeschränkten Validierbarkeit sowie den
Herausforderungen bei der Operationalisierung (z.B. die
retrospektive Bestimmung der Lifetime-PD im Erstan-
wendungszeitpunkt) ist vor allem die Tatsache, dass Life-
time-PD wenig intuitiv und damit schwierig zu kommuni-
zieren sind, ein zentraler Nachteil der Verwendung von
Lifetime-PD als Beurteilungskriterium.
Die 12-Monats-PD bzw. das damit korrespondierende Ra-
ting ist hingegen ein gängiges und allseits bekanntes Maß
zur Abbildung der Kreditqualität von Transaktionen oder
Schuldnern. Insoweit sind Veränderungen von Ratings
und die daraus resultierende Stufenzuordnung transpa-
renter; sie lassen sich sowohl gegenüber internen als auch
gegenüber externen Adressaten deutlich einfacher kom-
munizieren als Veränderungen von Lifetime-PD. Darüber
hinaus ist die Ermittlung von Ratings im Vergleich zur Er-
mittlung von Lifetime-PD mit einer geringeren Unsicher-
heit verbunden, so dass Ratings als Beurteilungskriterium
für die signifikante Verschlechterung der Kreditqualität
ein verlässlicheres Maß darstellen können. Vor diesem
Hintergrund sollte der Bilanzierende prüfen, ob der mit
dem Nachweis zur Eignung von Ratings als Beurteilungs-
kriterium verbundene Aufwand nicht vom skizzierten
Nutzen (deutlich) kompensiert wird. » DOC-ID: W1007472
»Dr. Michael Bosse
Senior Manager im BereichFinancial Accounting AdvisoryServices, Ernst & Young GmbHWPG,Hannover
»Nikolas Stege
Senior Consultant im BereichFinancial Accounting AdvisoryServices, Ernst & Young GmbHWPG,Hannover
»Dr. Manuel Hita Hochgesand
Manager im Bereich FinancialAccounting Advisory Services,Ernst & Young GmbHWPG,Frankfurt amMain
l12 Vgl. dazu in einer der nächsten Ausgaben der WPg Bosse/Stege/Hita Hochgesand. Vor allem die quantitative Überprüfung, dass makroökonomische Prognosen, die über den vom
Rating abgedeckten 12-Monats-Horizont hinausgehen, einen untergeordneten Einfluss auf die Stufenzuordnung haben, kann eine prozessuale und operationelle Herausforderung sein.
12 | 01.2017 |
» Beurteilung der signifikanten Verschlechterung der Kreditqualität nach IFRS 9
Financial Services
KOMPAKT
BANKENAUFSICHT
Novelle der Institutsvergütungsverordnung tritt voraussichtlich erst im März 2017 in Kraft
Die Änderungsverordnung zur Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV) wird voraussichtlich erst Anfang März
2017 und nicht – wie ursprünglich geplant – Anfang des Jahres in Kraft treten. Dazu wird die BaFin in Kürze einen neuen
Entwurf der InstitutsVergV-Novelle veröffentlichen. Die Änderungsverordnung soll dann im Februar 2017 erlassen und
ins Bundesgesetzblatt eingestellt werden (dazu auch Weber/Grauer/Schmid, WPg 2017, S. 15 (in dieser Ausgabe)).
Verworfene Änderungen
Hintergrund der Verzögerung ist, dass mit Blick auf die Überarbeitung der europäischen Eigenmittelrichtlinie (Capital
Requirements Directive IV – CRD IV) und nach Auswertung der Stellungnahmen zur Konsultation zwei ursprünglich vor-
gesehene Änderungen nun doch nicht realisiert werden sollen. Stattdessen wird zunächst die weitere Entwicklung bei
den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben abgewartet.
So soll die Risikoträger-Identifizierungspflicht nun nicht mehr auf alle Institute erweitert werden, wie noch in § 3 Abs. 2
des Konsultationsentwurfs vorgesehen. Außerdem sind nachgeordnete Institute, die bereits unter die sektorspezifischen
Vergütungsvorschriften der Richtlinie über die Verwalter alternative Investmentfonds (AIFM-Richtlinie) oder der Richt-
linie über Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-V-Richtlinie) fallen, nicht in den Geltungs-
bereich der Gruppen-Vergütungsstrategie einzubeziehen, wie es nach § 27 des Konsultationsentwurfs zunächst geplant
war. » DOC-ID: W1007499
Mehr zum Thema » BaFin vom 12.12.2016 (www.bafin.de).
KAPITALMARKTUNION
Einigung über Erleichterungen beim EU-Prospektrecht
Die EU-Kommission will kleineren und mittelgroßen Un-
ternehmen bei der Ausgabe von Aktien oder Schuldtiteln
den Zugang zu Finanzierungsquellen erleichtern. Dazu
hat sie sich mit den EU-Mitgliedstaaten und dem Europä-
ischen Parlament auf ein neues Prospektrecht verständigt.
Dem vorausgegangen war ein Vorschlag der Kommission
vom November 2015 (dazu WPg 2015, S. 1299). Gegen-
stand der Einigung sind Regelungen, die bei einem öffent-
lichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulas-
sung zum Handel zu beachten sind. Ziel ist es, Hindernisse
bei der Finanzierung vor allem von kleineren Unterneh-
men zu beseitigen. Die Einigung sieht vor, kleinere Finan-
zierungsvolumina ebenso wie Crowdfunding-Projekte bis
zu einer Höhe von 1 Mio. Euro grundsätzlich von der
Prospektpflicht zu befreien. Die EU-Mitgliedstaaten kön-
nen aber höhere Schwellenwerte festlegen, um weitere
Wachstumsanreize zu setzen. Zwingend vorgeschrieben
sein wird ein Prospekt erst ab einem Finanzierungsvolu-
men von 8 Mio. Euro (bislang 5 Mio. Euro). Zudem wird
ein neuer Wachstumsprospekt eingeführt, der auch Inves-
toren in ihrer Entscheidungsfindung unterstützen soll.
Auch bei der Finanzierung über Unternehmensanleihen
soll es Erleichterungen geben: um den Markt liquider zu
| 01.2017 | 13
FINANCIALSERVICES
machen, soll die Mindestgröße von (nominal) 100.000
Euro entfallen. Unternehmen, die den Kapitalmarkt regel-
mäßig in Anspruch nehmen, sollen schließlich von deut-
lich schnelleren Genehmigungsdauern – fünf statt bislang
zehn Tage – profitieren. Erleichterungen sind auch für Se-
kundärmärkte bei Unternehmensanleihen vorgesehen.
Schließlich sollen die Prospektzusammenfassungen ver-
kürzt werden und in einer leichter verständlichen Spra-
che verfasst werden. Anstelle von papierbasierten Pros-
pekten sollen elektronische Formate die Regel werden
und die europäische Wertpapieraufsicht ESMA als ein-
heitliches (Online-)Portal für alle EU-Prospekte fungieren.
EU-Parlament und Ministerrat müssen der Einigung for-
mal noch zustimmen. » DOC-ID: W1007500
Mehr zum Thema » Pressemitteilung IP/16/4324 der
EU-Kommission vom 08.12.2016 (http://europa.eu).
REZENSION
Optionen, Derivate und strukturierte Produkte
Wer für die Anwendung in der Praxis Literatur zu Derivaten und strukturierten Produkten sucht, läuft oft Gefahr, auf
ein Werk zu stoßen, dessen Aussagen eher unspezifi sch und allgemein sind oder dessen Lektüre wegen einer Anhäufung
von mathematischen Formeln und Graphen schwer verdaulich ist.
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund muss die 2. Aufl age von Riegers Buch als empfehlenswert bezeichnet werden.
Dem Autor gelingt es, ein Gleichgewicht zu fi nden zwischen prägnanten Textpassagen und den in Zusammenhang
mit der Materie unverzichtbaren, aber trotzdem auch für Nicht-Mathematiker durchaus verständlich aufbereiteten
Herleitungen der Konstruktion der Produkte.
Für den Praktiker besonders hilfreich sind die Kapitel, in denen die grundlegenden Trading- und Hedging-Strategien
sowie die unterschiedlichen Arten von Produkten beschrieben und analysiert werden, ausgehend vom einfachsten Fall
eines „plain vanilla“-Instruments bis hin zur Beschreibung komplexerer strukturierter Produkte (z. B. Barrier Range
Reverse Convertibles). Die Eigenschaften der beschriebenen Produkte werden durch Abbildung der Payoff-Strukturen
sowie – im Fall strukturierter Produkte – zusätzlich anhand von Risikomatrizen gut veranschaulicht, auf denen die
Renditechance, Maximalverlust und Verlustwahrscheinlichkeit abgetragen werden.
Auch eine Beschreibung und Unterteilung der für die unterschiedlichen Produkttypen relevanten weltweiten Märkte,
deren Volumen und Besonderheiten fehlen nicht. Dabei wird der deutschsprachige Raum detaillierter betrachtet und
auch die Grundzüge der dortigen Besteuerung verständlich dargestellt.
Seinen Untertitel „Ein Praxisbuch“ trägt Riegers Werk also zu Recht; es empfi ehlt sich gleichermaßen zur Lektüre wie
auch als Nachschlagewerk für Leser, die mit Derivaten und strukturierten Produkten in ihrer praktischen Tätigkeit in
Berührung kommen. » Adrian Geisel
» Rieger, Marc Oliver: Optionen, Derivate und strukturierte Produkte – Ein Praxisbuch, 2. Aufl. – Stuttgart : Schäffer-Poeschel, 2016. –
384 S. – € 59,95
14 | 01.2017 |
ANALYSE
Regulierung des FinanzsektorsEntwicklungen im dritten Quartal 2016
Von Dr. Max Weber, Dr. Thomas Grauer und Sabine Schmid
Im folgenden Beitrag werden ausgewählte aufsichtsrechtliche Papiere des dritten Quartals 2016
vorgestellt. Die EBA hat ihre Arbeiten zum überarbeiteten Internal Rating Based Approach
(IRB-Ansatz), in dessen Zusammenhangmit weitreichenden Auswirkungen für die Institute gerech-
net wird, abgeschlossen. Auf deutscher Ebene sorgt der zweite Referentenentwurf des Gesetzes zur
Novellierung von Finanzmarktvorschriften für Handlungsbedarf, ebenso die Institutsvergütungs-
verordnung der BaFin sowie eine Veröffentlichung zum speziellen Retail-Geschäft der EBA.
1 Einleitung
Jeden Monat sind Institute mit einer Vielzahl von
Veröffentlichungen zur Regulierung des Finanz-
sektors sowohl auf internationaler wie auch auf
europäischer und deutscher Ebene konfrontiert.
Im Quartalsabstand werden in dieser Zeitschrift
die wichtigsten Publikationen der zurückliegen-
den Monate zusammengefasst dargestellt, und
zwar unterteilt nach
» prudentieller Regulierung,
» Kapitalmarktregulierung,
» Bankenstrukturreform und
» Verbraucherschutz und Compliance.1
In zusammenfassenden Übersichten zu jedem der
vier Bereiche wird dargestellt, wie stark die Auto-
ren die Veränderung des Handlungsbedarfs in be-
stimmten Themenfeldern zum jetzigen Zeitpunkt
im Vergleich zum Vorquartal einschätzen.
Im Folgenden werden ausgewählte Veröffentli-
chungen der Monate Juli bis September 2016 auf-
gegriffen und kompakt erläutert. Auch wenn das
dritte Quartal 2016 aufgrund der Sommermonate
etwas ruhiger in Bezug auf die internationalen,
europäischen und deutschen Veröffentlichungen
verlief, hat der Basler Ausschuss für Bankenauf-
sicht (BCBS) seine Konsultationen zu den Verbrie-
fungen abgeschlossen und einen endgültigen
Standard veröffentlicht, der auch die einfachen,
transparenten und vergleichbaren Verbriefungen
umfasst.
Auf europäischer Ebene wurden von der Euro-
pean Banking Authority (EBA) mehrere wichtige
endgültige Papiere im Zusammenhang mit dem
Internal Rating Based Approach (IRB-Ansatz) ver-
öffentlicht. Zudem wurden diverse finale Papiere
im Zusammenhang mit der Bemessung und Be-
grenzung von Großkrediten, der Sanierung und
Abwicklung von Banken sowie der Vergütungs-
politik und -praxis im Zusammenhang mit dem
Retail-Banking veröffentlicht.
l1 Zu den Entwicklungen im zweiten Quartal 2016 vgl. Weber/Grauer/Schmid, WPg 2016, S. 916.
| 01.2017 | 15
FINANCIALSERVICES
Keywords:
Kapitalmarkt
Verbraucherschutz
Verbriefung
IRB-Ansatz
Sanierung
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
(BaFin) hat Konsultationen zur Überarbeitung der Ins-
titutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV) und zu
Mindestanforderungen an die Gestaltung von Sanie-
rungsplänen (MaSan) vorgelegt. Auch wurde der Ent-
wurf einer Allgemeinverfügung zum Verbot des Ver-
triebs von Bonitätsanleihen an Privatpersonen ver-
öffentlicht. Auf deutscher Ebene wurde zudem zur
Schließung der Regelungslücke im Zusammenhang mit
Derivate-Nettingvereinbarungen ein Gesetzentwurf vor-
gestellt. Zudem wurde der Entwurf eines Zweiten Fi-
nanzmarktförderungsgesetzes vorgestellt.
Über die hier ausgewählten Themen hinaus gab es auf al-
len Ebenen noch eine Vielzahl weiterer Veröffentlichun-
gen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann.
2 Prudentielle Regulierung
2.1 Endgültiges Verbriefungsrahmenwerk
Der BCBS hat am 11.07.2016 den endgültigen Standard
des überarbeiteten Verbriefungsrahmenwerks veröffent-
licht2. Die Neugestaltung steht im Zusammenhang mit der
Überarbeitung der Eigenkapitalvorschriften für Banken,
um eine Harmonisierung des Regelwerks mit der Behe-
bung von Schwächen in den bestehenden Messansätzen
zu erreichen. Das Verbriefungsrahmenwerk integriert
auch die nach einer separaten Konsultation beschlos-
senen Vorgaben für die einfachen, transparenten und
vergleichbaren Verbriefungen, die unter dem Stichwort
STC-Verbriefungen bekannt sind (simple, transparent,
comparable). Die Vorgaben für diese Verbriefungen ba-
sieren auf den im Juli 2015 vom BCBS und der Internatio-
nal Organization of Securities Commissions (IOSCO) ver-
öffentlichten Kriterien für einfache, transparente und
vergleichbare Verbriefungen.
Die Änderungen im Rahmenwerk betreffen in erster Linie
die folgenden Themen:
» Hierarchie der Ansätze: Anwendung hängt primär von
den zugrunde liegenden Assets und den verfügbaren
Informationen ab (SEC-IRBA, SEC-ERBA und SEC-SA);3
» Erhöhung der Risikosensitivität: Reduzierung der
Abhängigkeit von externen Ratings und Pflicht zur
Einführung interner Risikobewertungen;
» STC-Verbriefungen: Einbindung der Vorgaben zur
Berechnung der Eigenmittelanforderungen, mit
tendenziell begünstigten Eigenmittelanforderungen.
Das Verbriefungsrahmenwerk ist bis zum 01.01.2018 für
international tätige Institute verpflichtend in nationales
Recht umzusetzen. Bei Einführung auf EU-Ebene kann
es zu Abweichungen im Vergleich zum Rahmenwerk
des BCBS kommen. Diese dürften aber wohl gering blei-
ben, wobei eine Einführung für alle Institute wahr-
scheinlich ist.
2.2 Internal Rating Based Approach (IRB-Ansatz)
Die EBA hat ihren finalen technischen Regulierungsstan-
dard (Regulatory Technical Standard – RTS) zur einheit-
lichen Bewertung der Einhaltung der Mindestanforde-
rungen an die Nutzung des IRB-Ansatzes4 am 21.07.2016
veröffentlicht, der nun formal angenommen werden
muss. Der RTS löst die bisherigen Leitlinien des Commit-
tee of European Banking Supervisors (CEBS) aus dem
Jahr 20065 ab und ist nach Veröffentlichung im EU-Amts-
blatt anzuwenden. Der RTS enthält eine Definition der
Mindeststandards für die Bewertung durch die Auf-
sichtsbehörden, z.B. hinsichtlich der Mindestanforde-
rungen bei
» der erstmaligen Umsetzung des IRB-Ansatzes bzw. der
Umsetzung im Rahmen des sog. Partial Use,
» der Vornahme wesentlicher Änderungen im Rahmen
des genutzten IRB-Ansatzes,
» einer Rückkehr auf weniger anspruchsvolle Ansätze
und
» laufender Überprüfung des genutzten IRB-Ansatzes,
wobei die Überprüfungen in der Intensität variieren
können.
Zudem enthält der Standard eine Definition weiterer An-
forderungen, vor allem zu
» der Gewährleistung der Unabhängigkeit der Validie-
rungsfunktion von der Kreditrisikoüberwachung,
Veröffentlichung des finalen
Verbriefungsrahmenwerks
mit integrierten Vorgaben für
STC-Verbriefungen.
l2 Vgl. www.bis.org (Abruf: 09.11.2016).l3 SEC-IRBA: Securitisation Internal Ratings-Based Approach der Securities and Exchange Commission; SEC-ERBA: Securitisation External
Ratings-Based Approach; SEC-SA: Securitisation Standardised Approach.l4 Vgl. www.eba.europa.eu (Abruf: 09.11.2016).l5 Vgl. www.eba.europa.eu (Abruf: 09.11.2016).
16 | 01.2017 |
» Regulierung des Finanzsektors
» eigenen Schätzungen der Verlustquote bei Ausfall (Loss
given default – LGD), die auf einer durchschnittlichen
Zahl von Ausfällen basieren soll, sowie
» der getrennten Berechnung der Differenz zwischen
dem erwarteten Verlust (Probability of default – PD)
und den Kreditrisikoanpassungen auf aggregierter
Basis für das ausgefallene und das nicht ausgefallene
Portfolio.
Am 28.09.2016 hat die EBA ihre endgültige Leitlinie zur
Ausfalldefinition unter Geltung der Capital Requirements
Regulation (CRR)6 veröffentlicht. Diese Leitlinie basiert
auf dem Konsultationspapier
vom September 20157 und auf
der von der EBA durchgeführ-
ten Quantitative Impact Study
(QIS)8, deren Ergebnisse am
selben Tag veröffentlicht wur-
den. Die Leitlinie enthält eine
Überarbeitung der Ausfallde-
finition sowohl für den Kre-
ditrisikostandardansatz (KSA)
wie für den IRB-Ansatz unter Berücksichtigung diverser
Kriterien wie
» Ausfallzeitraum,
» Indikatoren zur Identifizierung einer drohenden
Zahlungsunfähigkeit,
» Bedingungen zur Rückkehr in den Status „nicht
ausgefallen“ sowie
» spezifische Aspekte im Zusammenhang mit Retail-
Forderungen.
Hintergrund ist die Harmonisierung der Ausfalldefinition
innerhalb der EU. Die Änderungen sollen grundsätzlich zu
keinen höheren Anforderungen in Bezug auf die Eigenan-
forderungen führen, wobei die konkreten Auswirkungen in-
stitutsindividuell verschieden sein können. So ist mit erheb-
lichem prozessualen Aufwand bei der Umsetzung der neuen
Ausfalldefinition zu rechnen – vor allem beim Einsatz von
internen Ratingsystemen im IRB-Ansatz, aber auch bei der
Anpassung der Ausfall- und Verlustdatenbanken. Auch wer-
den institutsspezifisch teils deutliche Auswirkungen auf die
Unterlegung des Kreditrisikos mit Eigenmitteln erwartet.
Die Leitlinie ist ab dem 01.01.2021 anzuwenden, wobei die
EBA eine frühzeitige Umsetzung der Vorgaben durch die In-
stitute befürwortet.
Taggleich mit der Leitlinie wurde der endgültige Entwurf
eines RTS über die Bedingungen zur Festlegung der We-
sentlichkeitsschwelle für die Ermittlung der überfälligen
Kreditforderungen unter Berücksichtigung absoluter und
relativer Komponenten für die Wesentlichkeitsschwelle
veröffentlicht. Dieser RTS steht im Zusammenhang mit
der oben beschriebenen Leitlinie zur Definition des
Schuldnerausfalls nach Art. 178 CRR und enthält im
Wesentlichen folgende Änderungen im Vergleich zur
vorangegangenen Konsultation:
» Vorgabe der Festlegung der Höhe der Wesentlich-
keitsschwelle durch die zuständigen Aufsichts-
behörden für alle Institute
in ihrer Jurisdiktion: im
RTS wird diese Wesent-
lichkeitsschwelle mit 1%
angegeben, von der die
nationalen Aufsichts-
behörden in begründeten
Fällen abweichen können;
» keine Einbeziehung zu-
gesagter Linien als außer-
bilanzielle Positionen bei Berechnung der Wesentlich-
keit mehr.
2.3 Bemessung und Begrenzung von Großkrediten
Im Zusammenhang mit der Bemessung und Begrenzung
von Großkreditengagements hat die EBA am 26.07.2016
einen Entwurf für eine Leitlinie über das Verfahren
zur Ermittlung der Gruppe verbundener Kunden (GvK)
bei Großkrediten gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR9 ver-
öffentlicht, die die bisherige Leitlinie des CEBS aus
dem Jahr 2009 ablösen soll. Wesentliche Inhalte des
Entwurfs sind:
» die Vorgabe von Kriterien für die Bildung von GvK
nach dem Kontrollprinzip (z.B. der Nutzung von
Konzernabschlüssen, Indikatoren für die Beurteilung
einer möglichen Kontrollverbindung) und aufgrund
wirtschaftlicher Abhängigkeit (Darstellung von
Beispielsituationen);
» die Darstellung eines alternativen Ansatzes zur
Beurteilung bestehender GvK mit Unternehmen, die
direkt von einer Zentralregierung (oder regionalen/
lokalen Gebietskörperschaften) kontrolliert werden
oder im Zusammenhang mit einer solchen stehen;
Finale Leitlinie mit der
überarbeiteten
Ausfalldefinition für
KSA und IRB-Ansatz
veröffentlicht.
l6 Vgl. www.eba.europa.eu (Abruf: 09.11.2016).l7 Vgl. www.eba.europa.eu (Abruf: 09.11.2016).l8 Vgl. www.eba.europa.eu (Abruf: 09.11.2016).l9 Vgl. www.eba.europa.eu
(Abruf: 09.11.2016); die Konsultation endete am 26.10.2016.
| 01.2017 | 17
FINANCIALSERVICES
» die Klarstellung zur Bildung von einer bzw. von zwei
getrennten GvK, wenn ein Kontrollverhältnis und wirt-
schaftliche Abhängigkeit vorliegen;
» Anforderungen an Kontroll- und Überwachungs-
prozesse zur Identifikation von GvK.
In diesem Entwurf werden die Neuerungen im Bereich
der Großkredite, die sich auf internationaler Ebene
ergeben haben, ebenso berücksichtigt wie die aktu-
ellen Entwicklungen im Bereich der Regulierung von
Schattenbanken.
2.4 Handlungsbedarf
Im Bereich der prudentiellen Regulierung hat sich der
Handlungsbedarf im Themenfeld „Eigenmittel“ im Ver-
gleich zum zweiten Quartal 2016 weiter erhöht. Dies be-
ruht vor allem auf der Veröffentlichung der Papiere im
Zusammenhang mit der Ausfalldefinition und der künfti-
gen Behandlung von Verbriefungen, die Auswirkungen
auf die Eigenmittelbelastung der Institute haben werden.
Weiterhin als hoch wird der Handlungsbedarf im Be-
reich Reporting und Risikomanagement & Governance
aufgrund der Anforderungen an die Risikodatenaggrega-
tion beurteilt, auch wenn in dem vergangenen Quartal
keine neuen wesentlichen Veröffentlichungen gemacht
wurden, da dies für viele Institute eine hohe Herausfor-
derung darstellt. Auch im Bereich Liquidität und Levera-
ge Ratio wurden zuletzt keine wichtigen Veröffentlichun-
gen getätigt, so dass sich keine Veränderung hinsichtlich
des derzeit anstehenden Handlungsbedarfs ergeben hat
(vgl. Übersicht 1).
PrudentielleRegulierung
Liquidität
Reporting
Leverage Ratio
Risikomanagement & Governance
Risk Data
Gering Hoch
Handlungsbedarf
Eigenkapital
Übersicht 1 » Handlungsbedarf im Bereich „Prudentielle Regulierung“
3 Kapitalmarktregulierung
3.1 Derivate-Nettingvereinbarungen
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucher-
schutz (BMJV) hat am 14.09.2016 das Dritte Gesetz zur Än-
derung der Insolvenzordnung (InsO) als Entwurf publi-
ziert.10 Die Änderungen stehen direkt im Zusammenhang
mit dem BGH-Urteil vom 09.06.2016 zu den Derivate-Net-
tingvereinbarungen. Die daraufhin erlassene Allgemein-
verfügung zu Nettingvereinbarungen gilt nur noch bis
Ende 2016, weshalb Änderungen an der Insolvenzord-
nung zur Klarstellung der Insolvenzfestigkeit von Liqui-
dationsnettingklauseln notwendig wurden.11
Im Gesetzentwurf wird § 104 InsO so formuliert, dass
Abweichungen von den gesetzlichen Regelungen mög-
lich sind, wenn diese mit dem Grundgedanken von § 104
InsO vereinbar sind. Mit der Neufassung werden die
mit dem BGH-Urteil entstandenen Rechtsunsicherheiten
beseitigt.
3.2 Handlungsbedarf
Aufgrund der aktuellen Veröffentlichungen im Bereich
der Kapitalmarktregulierung haben sich nach unserer
Einschätzung keine Veränderungen beim Handlungsbe-
darf im Vergleich zu den vergangenen Monaten ergeben.
Die Veröffentlichungen betrafen überwiegend schon be-
kannte Themen. Vor allem im Zusammenhang mit der
Marktinfrastruktur und Handelsaktivitäten verbleibt der
Handlungsbedarf der Institute aufgrund der weiter vor-
anschreitenden Konkretisierungen der European Market
Infrastructure Regulation (EMIR) und der überarbeite-
ten Zahlungdienstleisterichtlinie (Payment Services Direc-
tive 2 – PSD 2) hoch.(vgl. Übersicht 2).
Kapitalmarktregulierung
Investmentvermögen
Marktinfrastruktur und Handelsaktivitäten
Schattenbanken
Weitere Teilnehmer am Finanzmarkt
Gering Hoch
Handlungsbedarf
Übersicht 2 » Handlungsbedarf im Bereich „Kapitalmarktregulierung“
l10 Vgl. www.bmjv.de (Abruf: 09.11.2016).l11 Vgl. dazu etwa Weigel/Wolsiffer, WPg 2016, S. 1287.
18 | 01.2017 |
» Regulierung des Finanzsektors
4 Bankenstrukturreform
4.1 Sanierung und Abwicklung
Zum Thema „Abwicklungsplanung“ veröffentlichte die
EU-Kommission am 06.07.2016 im Amtsblatt der EU einen
technischen Durchführungsstandard (Implementing
Technical Standard – ITS), der die Verfahren, Standardfor-
mulare und Dokumentvorlagen hinsichtlich der Anforde-
rung und Bereitstellung von entsprechenden Informatio-
nen regelt12. Dieser ist bei der Erstellung von Abwick-
lungsplänen für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen
durch die Abwicklungsbehörden zu berücksichtigen.
Im Amtsblatt der EU wurde zudem am 08.07.2016 eine
Delegierte Verordnung mit konkretisierenden Anfor-
derungen an Sanierungs- und Abwicklungspläne13 ver-
öffentlicht, die endgültige Vorgaben zu folgenden The-
men enthält:
» Inhalt von Sanierungsplänen, Abwicklungsplänen und
Gruppenabwicklungsplänen,
» Mindestkriterien, anhand derer die zuständige
Behörde Sanierungs- und Gruppensanierungspläne
zu bewerten hat,
» Voraussetzungen für gruppeninterne finanzielle
Unterstützung,
» Anforderungen an die Unabhängigkeit der Bewerter,
» vertragliche Anerkennung von Herabschreibungs- und
Umwandlungsbefugnissen,
» Verfahren und Inhalte von Mitteilungen und
Aussetzungsbekanntmachungen sowie
» konkrete Arbeitsweise der Abwicklungskollegien.
Basis hierfür sind der Vorschlag der Kommission vom
23.03.2016 und die entsprechenden RTS der EBA.
Die BaFin hat am 05.08.2016 eine Auslegungshilfe zur in-
solvenzrechtlichen Einordnung bestimmter Verbindlich-
keiten von CRR-Instituten veröffentlicht, in der Unklarhei-
ten hinsichtlich der Einstufung strukturierter Schuldtitel
bzw. Geldmarktinstrumente und der Verbesserung der
Abwicklungsfähigkeit von Instituten beseitigt werden.14
Ab dem 01.01.2017 wird für bestimmte unbesicherte,
nicht nachrangige Verbindlichkeiten von CRR-Kreditinsti-
tuten eine gesonderte Rangklasse innerhalb der Insol-
venzforderungen nach § 38 InsO geschaffen. Institute
müssen ggf. prüfen, welche Verbindlich-
keiten darunter fallen.
Ein Entwurf für ein überarbeitetes
Rundschreiben der Mindestanforde-
rungen an die Gestaltung von Sanie-
rungsplänen in Form einer Verord-
nung (MaSan-Verordnung) wurde am 08.07.2016 von
der BaFin vorgestellt. Die bisherigen MaSan sollen an
die EU-Verordnung zu Sanierungsplänen angepasst und
um vereinfachte Anforderungen für kleinere Institute
erweitert werden. Der Entwurf enthält zudem ein Kon-
zept für BaFin-Merkblätter und kann insoweit bereits
als guter Indikator verwendet werden. Der Entwurf
wurde mittlerweile dem Bundesfinanzministerium
(BMF) übermittelt.
4.2 Voranschreitende Harmonisierung der nationalen
Ermessensspielräume
Im Zuge der Harmonisierung der nationalen Ermessens-
spielräume wurde am 10.08.2016 von der Europäischen
Zentralbank (EZB) die endgültige Ergänzung des Leit-
fadens zur Harmonisierung von Optionen und Ermes-
sensspielräumen in der Bankenaufsicht veröffentlicht.15
Das Dokument befasst sich mit acht Optionen sowie Er-
messensspielräumen und entspricht inhaltlich im We-
sentlichen der Konsultation vom Mai 2016.
4.3 Handlungsbedarf
Im Zusammenhang mit der Bankenabwicklung sowie im
Bereich des einheitlichen Aufsichtsmechanismus wur-
den im dritten Quartal 2016 einige bereits bekannte
bzw. diskutierte Papiere finalisiert und veröffentlicht.
Dadurch haben sich aber nach unserer Einschätzung
keine Auswirkungen auf den Handlungsbedarf ergeben,
der vor allem im Zusammenhang mit dem einheitlichen
Aufsichtsmechanismus hoch verbleibt (vgl. Übersicht 3).
Auch im Bereich der Bankenabwicklung ist weiterhin
ein hoher Handlungsbedarf vor allem bei den Instituten,
die bislang keinen Sanierungsplan aufgestellt haben, im
Zusammenhang mit der Aufstellung eines solchen Plans
zu erkennen. Dahingegend sind andere Bereiche, z.B.
Anforderungen an Sanierungs- und Abwicklungs-
pläne werden weiter konkretisiert.
l12 Vgl. http://eur-lex.europa.eu (Abruf: 09.11.2016).l13 ABl. EU Nr. L 184 vom 08.07.2016, S. 1 (http://eur-lex.europa.eu; Abruf: 09.11.2016).l14 Vgl. www.bafin.de (Abruf: 09.11.2016).
l15 Vgl. https://www.bankingsupervision.europa.eu (Abruf: 09.11.2016).
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FINANCIALSERVICES
die Einlagensicherung, derzeit nicht im Fokus der Auf-
sicht, woraus sich nur ein geringer Handlungsbedarf der
Institute ergibt.
Bankenstrukturreform
Bankenabwicklung
Einheitlicher Aufsichtsmechanismus
Abschlussprüferreform
Einlagensicherung
Trennbankenregelung
Gering Hoch
Handlungsbedarf
Übersicht 3 » Handlungsbedarf im Bereich „Bankenstrukturreform“
5 Verbraucherschutz und Compliance
5.1 Vergütung
Die BaFin hat am 10.08.2016 die Änderung der Instituts-
VergV16 auf der Basis der EBA-Leitlinie EBA/GL/2015/2217
zur Konsultation gestellt. Diese enthält auch eine Novellie-
rung der Auslegungshilfe. Die Änderungsvorschläge füh-
ren imWesentlichen zu folgenden Änderungen:
» Klassifizierung aller Vergütungsarten entweder als fixe
oder variable Vergütungen;
» Ausweitung der Pflicht zur Identifikation von Risiko-
trägern auf alle CRR-Institute;
» Einführung einer Möglichkeit zum zeitlich begrenzten
Rückgriff auf bereits ausgezahlte variable Vergütungen
unter bestimmten Voraussetzungen;
» Zulässigkeit von Vergütungsmodellen ohne variable
Vergütung;
» Erfüllung der Offenlegungspflicht nach Art. 450 CRR
von allen CRR-Instituten;
» besondere Anforderungen an die Auszahlung der
variablen Vergütung für bedeutende Institute;
» Gruppen-Risikoträger: Anforderungen zur Vergütung
auf Gruppenebene gelten zusätzlich zu den bestehen-
den Anforderungen auf Einzelinstitutsebene.
Am 28.09.2016 hat die EBA die endgültige Leitlinie über
die angemessene Vergütungspolitik und -praxis im Hin-
blick auf den Verkauf und die Bereitstellung von Retail-
Banking-Produkten und -Dienstleistungen veröffentlicht.18
Die Anmerkungen aus der Konsultation wurden berück-
sichtigt, so dass es im Vergleich zum vorherigen Entwurf
vor allem zu folgenden Abweichungen kommt:
» besondere Anforderungen an die Genehmigung und
Überwachung der Vergütungspolitik;
» Klarstellung über die vorzuhaltenden Informationen
zur Vergütung;
» Klarstellung, dass auch bei Übertragung der
Ausarbeitung und bei der Überwachung der Einhaltung
der Vergütungsvorgaben die Verantwortung hierfür
beim Vorstand verbleibt;
» Einbindung eines eventuell einzurichtenden
Vergütungskomitees.
Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der endgülti-
gen Leitlinie wird die Umsetzung der Vorgaben um ein
Jahr auf den 13.01.2018 (zuvor: 03.01.2017) verschoben.
5.2 Verbot des Vertriebs von Bonitätsanleihen
an Privatpersonen
Die BaFin hat am 28.07.2016 eine Anhörung zu einer All-
gemeinverfügung über ein Verbot der Vermarktung, des
Vertriebs und des Verkaufs von Bonitätsanleihen bzw.
Credit Linked Notes an Privatkunden vor dem Hinter-
grund des Verbraucherschutzes auf der Grundlage von
§ 31a Abs. 3 WpHG veröffentlicht.19 Die Anordnung rich-
tet sich sowohl an Emittenten als auch an Unternehmen
und Personen, die Bonitätsanleihen an Privatkunden ver-
markten, vertreiben oder verkaufen.
Eine vorherige Analyse der BaFin ergab einen teils
gezielten Absatz entsprechender Instrumente an Kun-
den, denen eine ausreichende Erfahrung mit solch
komplexen Produkte fehlte (bzw. eine entsprechende
Aufklärung darüber).
5.3 Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz
Der Referentenentwurf für ein Zweites Gesetz zur Novel-
lierung von Finanzmarktvorschriften auf der Basis euro-
päischer Rechtsakte wurde am 30.09.2016 vom BMF ver-
öffentlicht20. Durch dieses Gesetz sollen
» die MiFID II (Richtlinie 2014/65/EU) bzw. die MiFIR
(Verordnung (EU) Nr. 600/2014)21,
» die SFT-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 2015/2365)22
und
» die Benchmark-Verordnung (Verordnung (EU)
Nr. 2016/1011)
l16 Vgl. www.bafin.de (Abruf: 09.11.2016); die Konsultation endete am 12.09.2016.l17 Vgl. Vgl. www.eba.europa.eu (Abruf: 09.11.2016).l18 Vgl. www.eba.europa.eu (Abruf: 09.11.
2016).l19 Vgl. www.bafin.de (Abruf: 09.11.2016); die Konsultation endete am 02.09.2016.l20 Vgl. www.bundesfinanzministerium.de (Abruf: 09.11.2016); die Konsultation endete am
28.10.2016.l21 MiFID: Markets in Financial Instruments Directive; MiFIR: Markets in Financial Instruments Regulation.l22 SFT: Securities Financing Transaction.
20 | 01.2017 |
» Regulierung des Finanzsektors
im deutschen Recht verankert werden. Dazu wird das
WpHG vollständig restrukturiert; ferner werden An-
passungen im KWG, BörsG, VAG, KAGB und in der
WpDVerOV vorgenommen. Wesentliche Abweichungen
zu den europäischen Regelungen sind nicht ersichtlich.
5.4 Handlungsbedarf
Durch die Publikationen zur Vergütung und die Konsulta-
tion zum Verbot des Vertriebs von Bonitätsanleihen an
Privatpersonen hat sich der (ohnehin bereits aufgrund
der Umsetzung von MiFID II erhöhte) Handlungsbedarf
im Bereich des Verbraucherschutzes nach unserer Ein-
schätzung in den letzten Monaten im Zusammenhang mit
den Themen zum Verbraucherschutz weiter erhöht. Der
Handlungsbedarf in den anderen Themenfeldern ver-
bleibt im mittleren bzw. geringen Bereich (vgl. Über-
sicht 4), da sich hier in den letzten Monaten keine wesent-
lichen Neuerungen ergeben haben.
VerbraucherschutzundCompliance
Datenschutz
Geldwäsche
Compliance
Reporting
Verbraucherschutz
Gering Hoch
Handlungsbedarf
Übersicht 4 » Handlungsbedarf im Bereich „Verbraucherschutz und
Compliance“
6 Weitere Themen und Ausblick
6.1 Überprüfung der Q&A zum Single Rulebook
Am 05.08.2016 wurden die Ergebnisse der Überprüfung
der Single Rulebook Q&A auf der Homepage der EBA ver-
öffentlicht. Diese geben einen Überblick über mögliche
Fehler, Inkonsistenzen und grundlegende Themen im
Zusammenhang mit der CRR und der CRD (Capital Re-
quirements Directive).23 Eine Liste der aktuellen Calls for
Advice liegt bei. Die EBA möchte die Ergebnisse für die
Diskussionen mit der EU-Kommission nutzen. Eine Zeit-
planung wurde zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch
nicht genannt.
6.2 Ausblick auf CRR II
Aufgrund der Weiterentwicklungen der letzten Jahre auf
der internationalen und europäischen Ebene wird derzeit
über eine Weiterentwicklung der CRR und eine Überar-
beitung der aktuellen Kapitaladäquanzrichtinie (CRD IV)
diskutiert. Themengebiete, die in diesem Zusammenhang
aufgegriffen werden sollen, sind u.a. die Integration des
Standards zur Total Loss-Absorption Capacity (TLAC) des
Financial Stability Boards (FSB) aus dem Jahr 2015,24 die
Festlegung einer verbindlichen Leverage Ratio (LR) und
Net Stable Funding Ratio (NSFR) sowie die Behandlung
von Marktrisiken gemäß dem Basler Standard25. Des Wei-
teren werden die Eigenmittelanforderungen in mehreren
Bereichen und die Anforderungen an Großkredite26 über-
arbeitet, was auch zu Anpassungen bei den Melde- und
Offenlegungsanforderungen führen wird.
» DOC-ID: W1007473
»Dr. MaxWeber
Partner EMEIA/Financial Services,Ernst & Young GmbHWPG, Stuttgart
»Dr. Thomas Grauer
Senior Manager EMEIA/Financial Services,Ernst & Young GmbHWPG, Stuttgart
» Sabine Schmid
Managerin EMEIA/Financial Services,Ernst & Young GmbHWPG, Stuttgart
l23 Vgl. www.eba.europa.eu (Abruf: 09.11.2016).l24 Vgl. www.fsb.org (Abruf: 09.11.2016).l25 Vgl. www.bis.org (Abruf: 09.11.2016).l26 Vgl. www.bis.org (Abruf: 09.11.2016).
| 01.2017 | 21
FINANCIALSERVICES
ANALYSE
Wie ist die europäischeBankenabgabe zu berechnen?
Von Prof. Dr. Knut Henkel, StB Prof. Dr. Wilhelm Schneider und Isabel Tüns, B.Sc.1
Der einheitliche EU-Abwicklungsfonds SRF finanziert in Schieflage geratene europäische
Kreditinstitute. Er refinanziert sich über die europäische Bankenabgabe, deren Erhebung und
Berechnung u.a. die Bankenabwicklungsrichtlinie und die SRM-Verordnung zugrunde liegen.
Die Berechnungslogik der europäischen Bankenabgabe unterscheidet sich (stark) von der
Berechnungssystematik der deutschen Bankenabgabe und ist insgesamt deutlich komplexer
geworden. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die neue Berechnungssystematik der euro-
päischen Bankenabgabe.
1 Einleitung
Ende April 2016 ergingen erstmals die Bescheide
für die neue europäische Bankenabgabe, die be-
reits Ende Mai 2016 von den Kreditinstituten zu
zahlen war. Zuvor war Anfang 2016 der entspre-
chende einheitliche Abwicklungsfonds (Single
Resolution Fund – SRF) errichtet worden2. Ziel
dieses Fonds ist die Finanzierung von Banken,
die in Schieflage geraten sind. Die Refinanzie-
rung des SRF erfolgt durch die europäische Ban-
kenabgabe, der u.a. alle Kreditinstitute unterlie-
gen, die in den Anwendungsbereich der Capital
Requirements Regulation3 (CRR) fallen (sog. CRR-
Kreditinstitute4).
Ein System zur Finanzierung von in Schieflage ge-
ratenen Banken war in Deutschland bereits im
Jahr 2011 mit der deutschen Bankenabgabe einge-
führt worden5. Im Jahr 2015 wurde es von einem
EU-weit geltenden System abgelöst, das in zwei
Stufen etabliert wurde. Die erste Stufe gilt seit
dem Beitragsjahr 2015 für alle Banken, die in ei-
nem Mitgliedstaat der EU zugelassen sind. Rechts-
grundlage dafür ist die Richtlinie 2014/59/EU6
(Bank Recovery and Resolution Directive – BRRD).
Diese wurde durch das BRRD-Umsetzungsgesetz7
in deutsches Recht übernommen und führte mit
ihrem Art. 3 u.a. zu Änderungen im Restrukturie-
rungsfondsgesetz (RStruktFG n.F.). Ergänzend
l1 Für die Durchsicht des Beitrags danken die Autoren Dipl.-Kfm. Andreas Erbe, Dipl.-Kfm. Christian Küthe, RA Thomas Lorenz, B.Sc. Martin Minkov und.
Dipl.-Volksw. Roland Becher.l2 Der Fonds wird von der Abwicklungsbehörde (Single Resolution Board – SRB) mit Sitz in Brüssel verwaltet. Die Erhebung der
europäischen Bankenabgabe für den SRB erfolgt in Deutschland durch die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) mit Sitz in Frankfurt/M.
l3 Verordnung (EU) Nr. 575/2013, ABl. EU Nr. L 176 vom 26.06.2013, S. 1.l4 Beitragspflicht besteht darüber hinaus für CRR-Wertpapierfirmen (sowohl unter
konsolidierter Aufsicht als auch unter Einzelaufsicht) und für Unionszweigstellen.l5 Vgl. u.a. Göbel/Henkel/Lantzius-Beninga, WPg 2012, S. 27.l6 ABl. EU
Nr. L 173 vom 15.05.2014, S. 190.l7 BGBl. I vom 18.12.2041, S. 2091ff.
22 | 01.2017 |
Keywords:
Europäische Bankenabgabe
BRRD
SRM
Kreditinstitut
Restrukturierungsfonds-Verordnung
dazu sind die Delegierte Verordnung (EU) 2015/638 und
die Restrukturierungsfonds-Verordnung9 in der neuen
Fassung (RStruktFV n.F.) zu beachten.
Die zweite Stufe gilt ab dem Beitragsjahr 2016 zusätzlich
für alle Banken, die in einem Mitgliedstaat zugelassen
sind, dessen Währung der Euro ist. Für diese Banken gel-
ten zusätzlich die Rechtsvorschriften der Verordnung
(EU) 806/201410 (Single Resolution Mechanism – SRM-Ver-
ordnung), die von der Durchführungsverordnung (EU)
2015/8111 ergänzt wird. Durch das Abwicklungsmechanis-
musgesetz12 wurde das RStruktFG n.F. an die SRM-Verord-
nung angepasst. Das Gesetz zu dem Übereinkommen über
die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Ab-
wicklungsfonds13 bezieht sich auf die Beiträge ab dem
Jahr 2015 und regelt die Übertragung der national erhobe-
nen Beiträge auf den europäischen Fonds.
Gegenstand der folgenden Ausführungen ist die Darstel-
lung der Beitragserhebung für das Jahr 201614 für eine
klassische deutsche Geschäftsbank, also ein sog. CRR-Kre-
ditinstitut. Die Besonderheiten für CRR-Wertpapierfirmen
sind demnach genauso wenig Bestandteil dieses Beitrags
wie die Besonderheiten für zentrale Gegenparteien, Zen-
tralverwahrer oder Hypotheken-
kreditinstitute. Die Meldung der
Bankenabgabe erfolgt in elektron-
ischer Form an die FMSA15. Auf
das konkrete Meldeverfahren zur
Bankenabgabe und auf ihre Bilan-
zierung wird an dieser Stelle nicht
eingegangen.
2 Überblick über die Berechnungssystematik
Die Bankenabgabe ist grundsätzlich von jedem „Un-
ternehmen zu zahlen, dessen Tätigkeit darin besteht,
Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publi-
kums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rech-
nung zu gewähren“ (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR). Diese bei-
tragspflichtigen Kreditinstitute werden im Folgenden
als „Banken“ bzw. als „CRR-Institute“ bezeichnet. Die
Beitragspflicht für die europäische Bankenabgabe be-
ginnt – ebenso wie bei der deutschen Bankenabgabe –
in dem Jahr, in dem eine Erlaubnis der Aufsichtsbe-
hörde i. S. von § 32 KWG vorliegt. Die Beitragspflicht
endet in dem Jahr, in dem die Erlaubnis über die Er-
bringung von Finanzdienstleistungen aufgehoben oder
zurückgegeben wird16. Eine anteilige Rückerstattung
des Beitrags für die unterjährige Rückgabe der Erlaub-
nis besteht nicht. Allerdings müssen Banken, die die
Erlaubnis unterjährig erhalten, nur einen anteiligen
Beitrag zahlen17.
Der Jahresbeitrag zum einheitlichen Abwicklungsfonds
wird grundsätzlich aus dem Verhältnis der risikoadjus-
tierten Bemessungsgrundlage des einzelnen CRR-Insti-
tuts zur Summe der risikoadjustierten Bemessungs-
grundlagen aller beitragspflichtigen Institute multipli-
ziert mit der Zielgröße (dazu Kap. 3) berechnet (vgl.
nachstehende Formel). Wegen dieses relativen Mecha-
nismus‘ kann ein einzelnes Institut ex ante nicht mehr
selbst – wie bei der deutschen Bankenabgabe – den zu er-
wartenden Bankenabgabebetrag der künftigen Periode
ermitteln, da es ex ante keine Kenntnis vom Nenner der
risikoadjustierten Bemessungsgrundlage aller beitrags-
pflichtigen Institute hat.
Bankenabgabe l = Zielgröße �
I = Beitragspflichtiges Institut
n = Alle beitragspflichtigen Institute
Bemessungsgrundlage I � RisikofaktorI
� Bemessungsgrundlagen � Risikofaktorn
Institute können ex ante
nicht mehr selbst – wie bei der
deutschen Bankenabgabe –
den zu erwartenden Banken-
abgabebetrag ermitteln.
l8 ABl. EU Nr. L 11 vom 21.10.2014, S. 14. Die Delegierte Verordnung 2015/63 wurde von der Kommission mit Datum vom 14.12.2015 berichtigt (http://ec.europa.eu; Abruf: 29.09.
2016).l9 BGBl. I vom 22.07.2015, S. 1268.l10 ABl. EU Nr. L 225 vom 15.07.2014, S. 1.l11 ABl. EU Nr. L 15 vom 19.12.2014, S. 1.l12 Abwicklungsmechanismusgesetz vom 02.11.2015
(www.bundesfinanzministerium.de; Abruf: 29.09.2016).l13 Gesetz zu dem Übereinkommen vom 21. Mai 2014 über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwick-
lungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge, BGBl. II vom 22.12.2014, S. 1298.l14 Im Vergleich zur deutschen Bankenabgabe ist das Ermittlungsverfahren für die
europäische Bankenabgabe erheblich komplexer. Zudem kann die von der Behörde ermittelte europäische Bankenabgabe von den Instituten nur noch begrenzt nachvollzogen
werden und ist daher zum Teil als „black box“ zu sehen. Selbst der SRB ist bei der Berechnung der Bankenabgabe 2016 ein Fehler unterlaufen, so dass europaweit für alle relevanten
Banken die Bankenabgabebescheide 2016 neu berechnet werden mussten; vgl. o.V., Börsenzeitung vom 26.05.2016, S. 3, und www.fmsa.de (Abruf: 29.09.2016).l15 Für Details zur
FMSA siehe www.fmsa.de (Abruf: 29.09.2016).l16 Vgl. § 2 RStruktFG n.F.l17 Vgl. Art. 12 Delegierte Verordnung 2015/63.
| 01.2017 | 23
FINANCIALSERVICES
Im Jahr 2015 erfolgte die Berechnung einheitlich für alle
Mitgliedstaaten der EU auf nationaler Ebene nach den
Vorgaben der BRRD. Sowohl der Ermittlung der Zielgröße
als auch der Summe der
risikoadjustierten Bemes-
sungsgrundlage liegen alle
in Deutschland zugelasse-
nen Banken zugrunde.
Ab dem Jahr 2016 setzt sich
die Bankenabgabe aus
zwei Teilen zusammen: Ein
Teil berechnet sich – wie
bereits im Vorjahr – auf na-
tionaler Ebene. Der andere Teil ergibt sich auf der Basis
aller beitragspflichtigen Institute, die in einem Euro-Mit-
gliedstaat zugelassen sind (und somit auf europäischer
Ebene nach den Vorgaben der SRM-Verordnung). Die Be-
rechnung der jährlich von einem CRR-Institut eines Euro-
Mitgliedstaats zu zahlenden Bankenabgabe erfolgt zu-
nächst prozentual auf der Basis sowohl der nationalen
BRRD-Zielgröße als auch der SRM-Zielgröße. Im Jahr 2016
beträgt das BRRD-Gewicht 60% und das Gewicht des SRB
40%. Diese Gewichtung wird sukzessive bis zu einer SRM-
Gewichtung von 100% im Jahr 2023 verschoben18.
3 Zielgröße
Ziel der EU im Jahr 2015 war es, bis zum 31.12.2023
(BRRD) bzw. bis zum 31.12.2024 (SRM) mindestens 1% der
gedeckten Einlagen aller jeweiligen beitragspflichtigen
Kreditinstitute durch die Erhebung der europäischen Ban-
kenabgabe anzusparen19. Um dieses Ziel bis zum Ende der
Aufbauphase zu erreichen, hat der SRB beschlossen, im
Beitragszeitraum 2016 ein Achtel von 1,05% der gedeck-
ten Einlagen zu erheben. Ferner wird ein Achtel des vom
jeweiligen Institut gezahlten Jahresbeitrags 2015 (sofern
er auf den SRF übertragen wurde, was für Deutschland
zutrifft) auf den im Jahr 2016 fälligen Jahresbeitrag ange-
rechnet20. Die beiden für die Berechnung der Bankenab-
gabe 2016 relevante BRRD- bzw. SRM-Zielgrößen werden
im Folgenden einzeln erläutert.
BRRD-Regime
Im BRRD-Regime bilden die aggregierten gedeckten Einla-
gen aller relevanten nationalen (deutschen) Institute i.H.
von 1.602 Mrd. € die Basis für die Ermittlung der BRRD-
Zielgröße. Auch hier sollen 1,05% (Stand 2016) der aggre-
gierten gedeckten Einlagen erhoben werden, also 16,821
Mrd. €. Dieser Betrag soll
ebenfalls über einen Zeit-
raum von acht Jahren an-
gespart werden, so dass
das BRRD-Zielvolumen für
2016 bei 2,103 Mrd. € liegt.
Zieht man von diesem
Betrag den von den kleine-
ren Instituten über Pau-
schalbeiträge zu erbringen-
den BRRD-Bankenabgabe-
beitrag i.H. von 33 Mio. € ab, ergibt sich auf nationaler
Ebene ein – wiederum für die weitere Berechnung rele-
vantes – BRRD-Zielvolumen 2016 i.H. von 2,070 Mrd. €21.
SRM-Regime
Im SRM-Regime stellen die aggregierten gedeckten Ein-
lagen aller Euro-Banken i.H. von 5.339 Mrd. € die Aus-
gangsgröße der Berechnung der SRM-Zielgröße dar.
Hiervon sollen über die Bankenabgabe insgesamt 1,05%
eingesammelt werden, also 56,061 Mrd. €. Dieser Betrag
soll über einen Zeitraum von acht Jahren angespart
werden, so dass das SRM-Zielvolumen für 2016 bei
7,008 Mrd. € liegt. Zieht man von diesem Betrag den von
den kleineren Instituten über Pauschalbeiträge zu er-
bringenden Bankenabgabebeitrag i.H. von 118 Mio. € ab,
ergibt sich auf europäischer Ebene ein – auch für die wei-
tere Berechnung relevantes – SRM-Zielvolumen 2016 i.H.
von 6,889 Mrd. €22. Der hiervon auf deutsche Institute
entfallende nationale SRM-Betrag beträgt 1,731 Mrd. €.
4 Bemessungsgrundlage
Die Bemessungsgrundlage wird aus dem jährlichen
Grundbeitrag (Bilanzsumme ohne Eigenmittel und ohne
durch andere Sicherungssysteme gedeckte Einlagen) kor-
rigiert um die Anpassung der Verbindlichkeiten aus Deri-
vaten und abzüglich gruppeninterner Verbindlichkeiten
innerhalb eines Konzerns oder innerhalb eines instituts-
bezogenen Sicherungssystems errechnet (vgl. Über-
sicht 1)23. Soweit relevant, werden zudem institutsbe-
zogene Abzüge berücksichtigt, z.B. Verbindlichkeiten im
Zusammenhang mit Clearing-Tätigkeiten, mit Tätigkeiten
Ab dem Jahr 2016 setzt sich die
Bankenabgabe aus zwei Teilen
zusammen: ein Teil berechnet sich
auf der nationalen Ebene (BRRD)
und der andere Teil auf der Ebene
der Euro-Mitgliedstaaten (SRM).
l18 Vgl. Art. 8 Durchführungsverordnung (EU) 2015/81.l19 Vgl. Art. 69 SRM-Verordnung.l20 Vgl. www.fmsa.de (Abruf: 20.05.2016).l21 Vgl. www.fmsa.de (Abruf: 20.05.2016).
l22 Vgl. www.fmsa.de (Abruf: 20.05.2016).l23 Vgl. Art. 5 Delegierte Verordnung 2015/63.
24 | 01.2017 |
» Wie ist die europäische Bankenabgabe zu berechnen?
eines Zentralverwahrers oder mit der Verwaltung von
Kundengeldern. Diese institutsbezogenen Abzüge wer-
den an dieser Stelle nicht weiter vertieft.
Die Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Ban-
kenabgabe 2016 erfolgt auf der Basis der Meldungen zum
Stichtag 31.12.201424.
Die Bilanzsumme setzt sich aus der Summe der Verbind-
lichkeiten (u.a. Einlagen) und der bilanziellen Eigenkapi-
talposten zusammen. Die Eigenmittel ergeben sich als
Summe aus Kernkapital und Ergänzungskapital. Diese
Größen wurden bereits für die aufsichtsrechtlichen
CoRep-Meldungen25 ermittelt. Die gedeckten Einlagen um-
fassen die vom Einlagensicherungssystem gedeckten Ein-
lagen i.H. von 100.000 € pro Anleger26.
Im Rahmen der derivativen Anpassung werden die
Verbindlichkeiten aus Derivaten betrachtet. Dabei ist es
unerheblich, in welchem Bilanzposten die Derivate
enthalten sind (also z.B. in den Handelspassiva, den
Rückstellungen oder den Zinsabgrenzungen). Ebenso
wie bilanzielle sind auch außerbilanzielle Derivate-
verbindlichkeiten zu berücksichtigen27. Für die Berück-
sichtigung der Bemessungsgrundlage wird der HGB-
Buchwert aus derivativen Verbindlichkeiten dem auf-
sichtsrechtlichen Wert unter Berücksichtigung der Ver-
schuldungsquote gegenübergestellt. Bei der Ermittlung
der Bemessungsgrundlage wird der höhere Wert aus
75% des Buchwerts der Verbindlichkeiten aus Deriva-
ten bzw. 100% des aufsichtsrechtlichen Werts berück-
sichtigt.
Die gruppeninternen Verbind-
lichkeiten berücksichtigen
Verbindlichkeiten gegenüber
anderen relevanten Kreditins-
tituten desselben Konzerns.
Relevant sind die Konzernins-
titute, die ebenfalls der euro-
päischen Bankenabgabe unter-
liegen. Dabei sind gruppenin-
terne Verbindlichkeiten aus
Derivaten wiederum mit dem
höheren Wert aus Buchwert (75%) und aufsichtsrecht-
lichem Wert anzugeben28.
5 Risikofaktor
Der Risikofaktor setzt sich aus vier Risikofeldern zusam-
men, die die Systemrelevanz des Instituts widerspiegeln
(vgl. Übersicht 2). Jedes Risikofeld besteht wiederum aus
mehreren Risikoindikatoren. Durch die Systematik der
Berechnung des Risikofaktors ergibt sich ein Wert zwi-
schen 0,8 bei risikoarmen Banken und 1,5 bei Banken mit
einem hohen Risiko29.
A. Risiko-Exponierung (50%)
i. Mindestanforderungen an Eigenmittel
und berücksichtigungsfähige
Verbindlichkeiten (MREL)
ii. Verschuldungsquote
iii. Harte Kernkapitalquote
iv. Gesamtrisiko-Exponierung
D. Zusätzliche Risikoindikatoren (20%)
i. Handelsaktivitäten, außerbilanzielle
Risiken und Derivate, Komplexität und
Abwicklungsfähigkeit
ii. Mitgliedschaft in einem
institutsbezogenen Sicherungssystem
iii. Finanzielle Unterstützung aus
öffentlichen Mitteln
B. Stabilität und Diversifizierung der
Finanzquellen (20%)
i. Strukturelle Liquiditätsquote (NSFR)
ii. Liquiditätsdeckungsquote (LCR)
C. Relevanz eines Instituts für die
Stabilität des Finanzsystems oder
der Wirtschaft (10%)
Anteile der Interbankendarlehen
und -einlagen des Instituts an den
gesamten Interbankendarlehen
und -einlagen in der EU
Übersicht 2 » Zusammensetzung des Risikofaktors
Bilanz-
summe
Derivative
Anpassung
Eigen-
mittel
Gedeckte
Einlagen
Gruppeninterne
Verbindlichkeiten
Instituts-
bezogene
Abzüge
Jährlicher Grundbeitrag
vor Anpassung der Verbindlichkeiten
aus Derivaten
– ––
+– –
Übersicht 1 » Berechnung der Bemessungsgrundlage
l24 Vgl. Art. 14 Delegierte Verordnung 2015/63.l25 CoRep steht für Common Reporting und bezeichnet eine Meldung, die die Banken an die Europäische Bankenaufsicht übermitteln
müssen; sie enthält Meldungen u.a. über Liquidität, Eigenmittel und Verschuldungsquote, um die Risiken der Banken zu überwachen.l26 Vgl. Art. 3 Nr. 6 Durchführungsverordnung
(EU) 2015/81.l27 Für die derivative Anpassung ist der Ausweis nicht relevant. Neben der Ermittlung der für die Bankenabgabe relevanten gruppeninternen Verbindlichkeiten ist die
Ermittlung der Höhe der abziehbaren Derivate-Verbindlichkeiten einer von zwei komplexen Themenbereichen bei der Ermittlung der Bemessungsrundlage. Für ein anschauliches
Beispiel vgl. SRB, 2016 contributions to the SRF – Additional guidance for the industry vom 19.11.2015 (https://esurfi-banque.banque-france.fr; Abruf: 29.09.2016), S. 91.l28 Für ein
anschauliches Beispiel zur Ermittlung des relevanten Betrags gruppeninterner Verbindlichkeiten vgl. SRB, a.a.O. (Fn. 27), S. 22ff.l29 Bei der Bankenabgabe 2016 hatten mehr als 80%
der Institute einen Risikofaktor zwischen 1,0 und 1,3; vgl. SRB, 2016 Contributions to the SRF vom 06.07.2016 (http://srb.europa.eu; Abruf: 29.09.2016), S. 9.
| 01.2017 | 25
FINANCIALSERVICES
Die Daten für die Berechnung des Risikofaktors basieren
größtenteils auf dem Zahlenmaterial, das von den Banken
bereits für aufsichtsrechtliche Zwecke ermittelt und ge-
meldet wird30.
Die Risikofelder sind unterschiedlich gewichtet31. So flie-
ßen das Risikofeld A grundsätzlich mit 50%, die Risiko-
felder B und D jeweils mit 20% und das Risikofeld C mit
10% in den Risikofaktor ein32.
Die heller hinterlegten Risikofelder B und C werden für
das Beitragsjahr 2016 allerdings genauso wenig abgefragt
wie im Risikofeld A der Indikator für die „Mindestanfor-
derungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige
Verbindlichkeiten“ (Minimum requirement for own funds
and eligible liabilities – MREL) oder im Risikofeld D der
Indikator für die „Komplexität und Abwicklungsfähig-
keit“. Da diese Risikofelder somit von der Meldung 2016
ausgenommen werden, sind in diesem Jahr die „verblei-
benden“ Risikofelder A mit 71,43% (50/70) und D mit
28,57% (20/70) zu gewichten33.
Verschuldungsquote
Die für den Risikofaktor maßgebliche Verschuldungsquote
i.S. von Art. 429 CRR wird anders ermittelt als die Ver-
schuldungsquote, mit der Derivate zu bewerten sind. Die
für die Ermittlung des Risikofaktors relevante Verschul-
dungsquote ergibt sich als Division des Kernkapitals34
durch die Summe der risikobewerteten Aktiva und außer-
bilanziellen Posten, die bei der Berechnung des Kernkapi-
tals nicht abgezogen wurden35. Der Wert kann aus der auf-
sichtsrechtlichen Meldung übernommen werden.
Harte Kernkapitalquote
Für die Ermittlung der harten Kernkapitalquote werden
z.B. beim sog. Standardansatz die Forderungen aus dem
Kreditgeschäft und andere Posten der Aktivseite mit ei-
nem Risikofaktor bewertet. Dieser liegt
bei 100% für risikoanfällige Posten, bei
50% für Posten mit mittlerem Risiko,
bei 20% für Posten mit mittlerem bis
niedrigem Risiko und bei 0% für Posten
mit einem niedrigen Risiko36. Hier ist –
wie bei der Verschuldungsquote – der
Wert aus der Meldung für das vierte
Quartal zum 31.12.2014 zu überneh-
men. Die harte Kernkapitalquote i.S. von Art. 92 Abs. 2
Buchstabe a CRR wird ermittelt, indem das harte Kernka-
pital durch den Gesamtrisikobetrag dividiert wird.
Gesamtrisiko-Exponierung
Die Gesamtrisiko-Exponierung ergibt sich aus dem Ge-
samtrisikobetrag, der bereits für die harte Kernkapital-
quote ermittelt wurde, dividiert durch die Summe der
Verbindlichkeiten. Die Risikofelder B und C werden nicht
für die Bankenabgabe 2016 berechnet37.
Handelsaktivitäten
Für die Ermittlung der Handelsaktivitäten ist der Risiko-
positionsbetrag für das Marktrisiko auf börsengehandelte
Schuldtitel oder Eigenkapital maßgeblich. Dies stellt das
Positionsrisiko der Eigenmittelanforderungen für die
Handelsbuchtätigkeiten dar38. Dieser Wert wäre mit 12,5
zu multiplizieren39. Der Wert kann aus jedoch auch direkt
– bereits um den genannten Faktor vervielfältigt – der
aufsichtsrechtlichen Meldung entnommen werden. Für
die Ermittlung der Indikatoren wird er durch die Gesamt-
risiko-Exponierung, die harte Kernkapitalquote und die
Summe der Vermögenswerte dividiert.
Außerbilanzieller Nennbetrag
Der außerbilanzielle Nennbetrag ergibt sich durch Division
des Nennbetrags der außerbilanziellen Posten, der mit den
Der Risikofaktor setzt sich aus vier Risikofeldern
zusammen, die die Systemrelevanz des Instituts
widerspiegeln. Er liegt zwischen 0,8 (risikoarm) und
1,5 (risikoreich).
l30 Die Rechtsgrundlage für die Berechnung des Risikofaktors ergibt sich aus Anhang I Schritte 1 bis 6 Delegierte Verordnung 2015/63.l31 Während der Durchschnittswert pro
Risikofeld mithilfe des arithmetischen Mittels über die jeweiligen Risikoindikatoren eines Risikofelds ermittelt wird, erfolgt die Durchschnittswertermittlung über die Risikofelder
hinweg (zur Ermittlung des finalen Risikofaktors) anhand des geometrischen Mittels. Die Verwendung des geometrischen Mittels hat – im Vergleich zur Verwendung des arithme-
tischen Mittels – zur Folge, dass relativ hohe bzw. relativ niedrige Werte der Grundgesamtheit den Mittelwert weniger stark beeinflussen. Allerdings fällt der für die Ermittlung der
Bankenabgabe anzuwendende Risikofaktor – bei Anwendung des geometrischen Mittels – überproportional hoch aus, wenn etwa Risikofeld A überproportional risikoarm ist (und
das Kreditinstitut daher über ein gutes Rating verfügt).l32 Im Bankenabgabebescheid 2016 sind die hier mit den Buchstaben A bis D gekennzeichneten Risikofelder mit den
römischen Zahlen I bis IV bezeichnet.l33 Vgl. S. 11 der Anlage zu den Bankenabgabebescheiden 2016l34 Vgl. Art. 25 CRR.l35 Vgl. Art. 429 CRR.l36 Vgl. Art. 111ff. CRR. Für sog.
IRB-Institute (Internal-Rating-Based-Ansatz) kommen andere Vorgaben der CRR zur Anwendung.l37 Vgl. Anhang I Schritt 1 Delegierte Verordnung 2015/63.l38 Vgl. Art. 92 Abs. 3
Buchstabe b Nr. i CRR.l39 Vgl. Art. 92 Abs. 4 Buchstabe b i.V. mit Abs. 3 Buchstabe b CRR.
26 | 01.2017 |
» Wie ist die europäische Bankenabgabe zu berechnen?
überarbeiteten Standardsätzen des Baseler Ausschusses
für Bankenaufsicht ermittelt wird und – wie bei den Han-
delsaktivitäten – der Gesamtrisiko-Exponierung, der harten
Kernkapitalquote und der Summe der Vermögenswerte.
Derivate
Die Kennziffer für die Derivate setzt sich aus drei Quo-
tienten zusammen. Den Zähler bildet jeweils die sog. deri-
vative Gesamtrisikoposition. Die dafür relevanten Werte
können der CoRep-Meldung entnommen werden und
setzen sich aus der Addition der Derivate zum Markt-
wert, dem Zuschlag aus der Marktbewertungsmethode
und der Ursprungsrisikomethode zusammen40. Die in
den Werten enthaltenen Derivate, die über eine zentrale
Gegenpartei abgewickelt werden, bleiben für die Ermitt-
lung des Risikoindikators „Derivate“ außer Ansatz. Die
Nenner der Quotienten bilden wieder die Gesamtrisiko-
Exponierung, die harte Kernkapitalquote und die Summe
der Vermögenswerte41.
6 Begrenzung des Jahresbeitrags
Einen Freibetrag (wie bei der deutschen Bankenabgabe)
gibt es nicht mehr. Dafür zahlen kleinere Banken mit ei-
nem geringen Risikofaktor und einer Bilanzsumme, die
weniger als 1 Mrd. € beträgt – stufenweise in Abhängig-
keit vom jährlichen Grundbeitrag (Bilanzsumme ohne Ei-
genmittel und ohne gedeckte Einlagen) – pauschal zwi-
schen 1.000 € und 50.000 €42. Der jährliche Grundbeitrag
darf dafür höchstens 300 Mio. € betragen43.
Ebenso wenig sieht die europäische Bankenabgabe eine
Zumutbarkeitsgrenze vor. Nach der deutschen Bankenab-
gabe war diese nur insoweit zu zahlen, als sie nicht mehr
als 20% des Jahresüberschusses des jeweiligen Geschäfts-
jahrs ausmachte. Der die Zumutbarkeitsgrenze überstei-
gende Teil der Bankenabgabe wurde auf folgende Ge-
schäftsjahre vorgetragen44.
7 Unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung
Die Regelungen der neuen europäischen Bankenabgabe
räumen die Möglichkeit ein, einen Teil des Beitrags als
sog. „unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung“ zu leisten45.
Gemäß Art. 70 Abs. 3 SRM-Verordnung können auf Antrag
bis zu 30% des Jahresbeitrags zum einheitlichen Abwick-
lungsfonds durch Sicherheiten mit niedrigem Risiko abge-
sichert werden. Diese müssen frei verfügbar und dürfen
nicht mit Rechten Dritter belastet sein. Für das Beitrags-
jahr 2016 legte der SRB fest, max. 15% als unwiderruf-
liche Zahlungsverpflichtung zu akzeptieren46. Um in den
Genuss dieser unwiderruflichen Zahlungsverpflichtung
zu kommen, muss das Institut zunächst einen „Unwider-
ruflichen Zahlungsverpflichtungs- und Besicherungsver-
trag für Finanzsicherheiten (Vertrag)“ mit der Abwick-
lungsbehörde abschließen.
Im Jahr 2015 war die FMSA die Abwicklungsbehörde. Die-
se übertrug die ihr aus dem Vertrag erwachsenen Rechte
und Pflichten zum 01.01.2016 auf den SRB. Im Vertrag ist
festgelegt, dass die Sicherheit auf Barmittel limitiert ist47.
Somit haben die Institute auch die finanziellen Mittel in
Höhe der unwiderruflichen Zahlungsverpflichtung auf
ein separates Konto des SRB zu überweisen. Wenn der
Fonds an einer Abwicklungsmaßnahme beteiligt ist, wer-
den alle oder ein Teil der unwiderruflichen Zahlungsver-
pflichtungen abgerufen48. Fällt ein Institut nicht mehr in
den Geltungsbereich der SRM-Verordnung, werden die
unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen des Instituts
aufgehoben und die Sicherheit, durch die die Zahlungs-
pflichten abgesichert sind, wird zurückgegeben49. Der ur-
sprüngliche Vertrag hatte kein Enddatum und konnte nur
durch gemeinsame Vereinbarung der Vertragsparteien
gekündigt werden. Der neue Vertrag 2016 enthält hinge-
gen Regelungen zur Kündigung50. Demnach ist der Ver-
trag mit 14-tägiger Frist kündbar; bis fünf Tage vor Ablauf
der Frist muss der Betrag der unwiderruflichen Zahlungs-
Eine Zumutbarkeitsgrenze – wie bei
der deutschen Bankenabgabe – gibt es
nicht mehr. Ein Teil der europäischen
Bankenabgabe kann durch eine GuV-
neutrale „unwiderrufliche Zahlungs-
verpflichtung“ erbracht werden.
l40 Vgl. CoRep-Meldebogen C 45.00, Zeilen 030, 040 und 050.l41 Die derivative Gesamtrisikoposition ist einer der – gem. Art. 6 Abs. 5ff. Delegierte Verordnung 2015/63 – „von der
Abwicklungsbehörde zu bestimmenden zusätzlichen Risikoindikatoren“, der im Bankenabgabemeldeformular 2016 weiter konkretisiert wird; vgl. FMSA, Deutsche Version SRB-Mel-
debogen vom 12.01.2016 (www.fmsa.de; Abruf: 20.05.2016), S. 12.l42 Vgl. Art. 10 Delegierte Verordnung 2015/63.l43 Vgl. Art. 10 Abs. 6 Delegierte Verordnung 2015/63.l44 Bezüglich
der Höhe der verfallenden Nacherhebungsbeiträge beim Wechsel auf das Regime der europäischen Bankenabgabe vgl. etwa www.linksfraktion.de (Abruf: 29.09.2016).l45 Vgl. § 12a
Abs. 2 RStruktFV n.F.l46 Vgl. SRB, Single Resolution Fund, Mai 2016 (https://srb.europa.eu; Abruf: 29.09.2016), S. 12.l47 Vgl. Nr. 2 „Sicherheiten“ des Vertrags.l48 Vgl. Art. 7 Abs. 2
Durchführungsverordnung (EU) 2015/81.l49 Vgl. Art. 7 Abs. 3 Durchführungsverordnung (EU) 2015/81.l50 Vgl. Nr. 11.3 und 11.4 des Vertrags zur unwiderruflichen Zahlungs-
verpflichtung.
| 01.2017 | 27
FINANCIALSERVICES
verpflichtung dann gezahlt werden, woraufhin der Aus-
schuss die Sicherheit zurückgibt.
Zudem ist die geleistete Barsicherheit zu verzinsen. Maß-
geblich ist der Referenzzinssatz der EZB für täglich fällige
Einlagenfazilitäten. Am 16.03.2016 wurde dieser Zinssatz
auf –0,40% gesenkt51; demnach muss das leistende Institut
Zinsen für eine gegebene Sicherheit zahlen.
8 Zusammenfassung
Nachdem in Deutschland bereits im Jahr 2011 eine Ban-
kenabgabe eingeführt worden war, wurde diese im Jahr
2015 von der europäischen Bankenabgabe abgelöst. De-
ren Einführung erfolgte in zwei Schritten: im Jahr 2015
zunächst gemäß der Bankenabwicklungsrichtlinie BRRD
und ab dem Jahr 2016 zusätzlich im Sinne der SRB-Richt-
linie. Nach dieser zweijährigen Umbruchphase wird die
Berechnung (und Bilanzierung) der Bankenabgabe im
Rahmen der Aufbauphase des Ziel-Fondsvolumens für die
nächsten acht Jahre stabil bleiben52.
Die Berechnungslogik der europäischen Bankenabgabe
unterscheidet sich (stark) von jener der deutschen Ban-
kenabgabe und ist insgesamt deutlich komplexer.
Neben – wie schon bislang – bestimmten, vor allem passi-
ven HGB-Buchwerten wird nun eine Vielzahl von Risi-
koindikatoren – vor allem aus den CoRep-Meldungen –
im Rahmen der europäischen Bankenabgabemeldung
abgefordert.
Durch einen relativen Berechnungsmechanismus wird
bei der europäischen Bankenabgabe nun sichergestellt,
dass ein bestimmtes vorgegebenes Zielvolumen an Ban-
kenabgaben auch tatsächlich eingenommen wird. Anders
als bei der deutschen Bankenabgabe können die Institute
bei der europäischen Bankenabgabe – aufgrund des rela-
tiven Mechanismus in der Berechnungsformel und der
für Außenstehenden nicht nachvollziehbaren Zuordnung
zu den Risikoklassen – nun nicht mehr genau antizipie-
ren, wie hoch die Bankenabgabe für sie im laufenden Ge-
schäftsjahr sein wird.
Neu ist auch, dass es für die zu zahlende europäische Ban-
kenabgabe keine Zumutbarkeitsgrenze mehr gibt. Aller-
dings besteht nun die Möglichkeit, einen Teil der Beitrags-
leistungen zunächst GuV-neutral im Rahmen einer barbe-
sicherten sog. unwiderruflichen Zahlungsverpflichtung
zu leisten53.
Auch das Beispiel der europäischen Bankenabgabe zeigt,
dass Handels- und Aufsichtsrecht immer mehr verwoben
werden. Insgesamt fallen die Aufwendungen für die euro-
päische Bankenabgabe im Vergleich zur deutschen Ban-
kenabgabe deutlich höher aus. Zu beachten ist ferner,
dass neben den Änderungen bei der europäischen Ban-
kenabgabe sich auch das Regime der europäischen Ein-
lagensicherung geändert hat. » DOC-ID: W1007401
» Prof. Dr. Knut Henkel
Inhaber des Lehrstuhls fürBilanzielles Rechnungswesenund Betriebliche Steuerlehre,Hochschule Emden/Leer, Emden
»Prof. Dr. Wilhelm Schneider
Inhaber des Lehrstuhls für externesRechnungswesen und Steuern,Hochschule Bonn-Rhein-Sieg,Rheinbach
» Isabel Tüns
Absolventin der HochschuleBonn-Rhein-Sieg, Sankt Augustin
l51 Vgl. für den EZB-Zinssatz 2016 (Stand: 27.05.2016) www.ecb.europa.eu (Abruf: 29.09.2016).l52 Allerdings wird sich das Jahr 2017 planmäßig die Gewichtung des SRB-Anteils an
der Bankenabgabe von 40% (2016) auf 60% (2017) erhöhen und der BRRD-Anteil entsprechend sinken; vgl. Art. 8 Abs. 1 Buchstabe b) Durchführungsverordnung (EU) 2015/81.
l53 Bezüglich der Bilanzierung der Bankenabgabe vgl. IDW, Bericht über die 261. Sitzung des BFA am 23.06.2015 (im Mitgliederbereich der IDWWebsite www.idw.de).
28 | 01.2017 |
» Wie ist die europäische Bankenabgabe zu berechnen?
Management & Beratung
KOMPAKT
ERLÖSERFASSUNG
Prüfungsausschuss und IFRS 15
Das Zentrum für Prüfungsqualität (Center for Audit
Quality – CAQ) des US-amerikanischen AICPA unterstützt
Prüfungsausschüsse dabei, sich auf IFRS 15, den neuen
Standard zur Erlöserfassung, vorzubereiten. Konkret geht
es darum, im Gespräch mit der Unternehmensleitung und
dem Abschlussprüfer den Stand der Umsetzungs- und Im-
plementierungsarbeiten zu verstehen und zu beurteilen.
Entsprechend gliedert sich das Papier in vier Teile:
» IFRS 15 als neuen Erlöserfassungsstandard verstehen;
» Beurteilung der unternehmensseitig erstellten
Auswirkungsanalyse;
» Beurteilung des Projektplans für die Implementierung
von IFRS 15;
» weitere Umsetzungsüberlegungen.
IFRS 15 wurde von der EU-Kommission in europäisches
Recht übernommen (Endorsement) und im Amtsblatt der
EU vom 29.10.2016 veröffentlicht (WPg 2016, S. 1225). Die
Änderungen sind in der EU spätestens für Geschäftsjahre
anzuwenden, die am oder nach dem 01.01.2018 beginnen.
» DOC-ID: W1007501
» CAQ vom 15.12.2016 (http://thecaq.org).
» Anlässlich der Veröffentlichung von IFRS 15 im Überblick
Pellens, WPg 17/2014, S. I; ausführlich Wüstemann/Wüste-
mann, WPg 2014, S. 929; zuletzt Heintges/Erber, WPg 2016,
S. 1067.
CORPORATE GOVERNANCE
Transparente Aufsichtsratstätigkeit
Eine aktuelle Aufsichtsratsstudie zeigt, dass aussagekräfti-
ge Anforderungsprofile der Gremien, ausführliche Lebens-
läufe der Aufsichtsratskandidaten, eine Begründung, wa-
rum eine Person zur Wahl in den Aufsichtsrat vorgeschla-
gen wird, und ausführliche Aufsichtsratsberichte immer
mehr zum Standard einer transparenten Berichterstattung
an die Aktionäre gehören. Die Studie misst auf der Basis
öffentlich verfügbarer Informationen die Qualität der Auf-
sichtsratsarbeit in den DAX- und MDAX-Unternehmen in
den vier Themenfeldern Arbeitsweise des Aufsichtsrats,
persönliche Eignung der Aufsichtsratsmitglieder, Diversi-
tät in der Zusammensetzung des Gremiums sowie Trans-
parenz über die Aufsichtsratsbesetzung und -tätigkeit.
Benchmark Deutsche Börse
Mit einem Aufsichtsrats-Score von 82,4% führt der Auf-
sichtsrat der Deutschen Börse das aktuelle Ranking an.
Ausschlaggebend für diese Platzierung sind zehn Auf-
sichtsratssitzungen pro Jahr, sechs aktive Fachausschüsse
sowie ein zweitägiger Strategieworkshop. Zudem vermit-
telt ein aussagekräftiger Aufsichtsratsbericht umfang-
reiche Angaben zu den Aufsichtsratsmitgliedern. Mit ei-
nem Ausländeranteil von 33% und einem Frauenanteil
von 42% zeichnet sich das Gremium ferner durch eine
große Diversität aus. » DOC-ID: W1007502
» Pressemitteilung diep – Deutsches Institut für Effizienz-
prüfung vom 03.12.2016 (www.diep-institut.de).
» Gentz, „Kodexänderungsvorschläge 2017“, WPg 2016, S. 1329.
» Pikó, „Entwicklungen der Aufsichtsratstätigkeit in den Jahren
2016/2017“, WPg 2016, S. 1383.
| 01.2017 | 29
MANAGEMENT
&BERATUNG
ANALYSE
Bankenaufsichtsrat:quo vadis?
Von Gerd Häusler
Die Ansprüche und die Anforderungen an Aufsichtsräte sind in den vergangenen
Jahren gestiegen. Das gilt vor allem für Bankenaufsichtsräte. Das Pflichtenheft
eines Aufsichtsratsvorsitzenden eines größeren Kreditinstituts nähert sich immer
mehr an das eines „Chairman“ eines internationalen Hauses an. Dabei zeichnet
sich ab, dass die Qualität von Aufsichtsräten bei Kreditinstituten in der Zukunft
eher ab- als zunehmen wird, sofern die jetzigen Rahmenbedingungen im Sinne eines
„risk reward profile“ sich weiter verschlechtern.
1 Einleitung
Es dürfte inzwischen als Binsenweisheit
gelten, dass nach deutschem Aktienrecht
gebildete Aufsichtsräte heute anders ar-
beiten als z.B. vor zwei Jahrzehnten oder
mehr, auch wenn die Rechtslage gemäß
Aktiengesetz formal weitgehend unverän-
dert geblieben ist. Der Zeitaufwand ist
größer, die Intensität der Diskussion hö-
her, die Zahl der Ausschüsse gestiegen,
die Qualität der Arbeit – auch wenn diese
sich nur schwer messen lässt – geht im
Großen und Ganzen mehr in die Tiefe.
Zu diesen Veränderungen gehört dann
konsequenterweise auch eine geringere
Zahl von Mandaten pro Person, entweder
aus „Selbstdisziplin“ oder aber aufgrund
von soft laws wie dem Deutschen Corpo-
rate Governance Kodex sowie insbeson-
dere branchenspezifischen Vorschriften,
wie sie für den Bankensektor im Kredit-
wesengesetz (KWG) neu geschrieben wur-
den. Hier haben weitreichende Novellie-
rungen des KWG der Arbeit von Aufsichts-
räten zumindest in Teilen eine veränderte
Rechtsgrundlage gegeben.
Die Gründe für die skizzierten Verände-
rungen sind vielfältig, seien sie eher juris-
tischer Natur wie im Finanzsektor, sei es
der Einfluss institutioneller Investoren
vor allem aus dem angelsächsischen Wirt-
schaftskreis oder aber auch schlicht die
„Selbsteinsicht“ der Betroffenen, was ihre
fiduziarischen Treuepflichten betrifft.
2 Engmaschige Verantwortung des
Aufsichtsrats
Veränderungen in der Arbeitsweise eines
Aufsichtsrats, insbesondere hinsichtlich
seiner Verantwortung für das Wohl des
30 | 01.2017 |
Keywords:
Kreditinstitut
Aufsichtsrat
Corporate Governance
Bankenaufsicht
SREP
Unternehmens, werden nirgendwo so deutlich wie im
Bankensektor, dort vor allem in dem Segment, das der un-
mittelbaren Aufsicht durch die EZB unterliegt.
Das KWG weist dem Aufsichtsrat inzwischen eine Reihe
von Aufgaben zu, die es in dieser konkreten Ausprägung
in der Vergangenheit so nicht gab. Dabei geht der Einheit-
liche Aufsichtsmechanismus (Single Supervisor Mecha-
nism – SSM) als das System der Bankenaufsicht in Europa
unter dem Dach der EZB in seiner Verwaltungspraxis
noch weit über das KWG hinaus. Die wichtigsten Beispiele
für diese neue Kultur einer hohen „Gesamtverantwortung
des Aufsichtsrats“ seien hier skizziert:
So soll eigentlich der Risikoausschuss u.a. neben der
Überwachung der Gesamtrisikostrategie des Unterneh-
mens und deren Umsetzung durch die obere Leitungs-
ebene auch eine Überwachung der Konditionen im Kun-
dengeschäft sicherstellen. Zu den Aufgaben des Prüfungs-
ausschusses gehören neben der Überwachung des
Rechnungslegungsprozesses auch die der Wirksamkeit
des Risikomanagementsystems sowie die Überwachung
der Durchführung der Abschlussprüfung. Insbesondere
die Aufgaben des Vergütungskontrollausschusses sind
von hohem granularem Ausmaß. Hierzu gehört u.a. die
Überwachung der angemessenen Gestaltung der Vergü-
tungssysteme der Geschäftsleiter. Dieser Aufgabenbereich
des Vergütungskontrollausschusses wird in der Instituts-
vergütungsverordnung weiter konkretisiert. Im Ergebnis
steht ein sehr komplexer Verzielungs- und Backtesting-
Prozess in Bezug auf die Vergütung der Geschäftsleitung,
der in der Praxis schwer handhabbar und in jedem Falle
– aufgrund der noch granulareren Verwaltungspraxis der
Bankenaufsicht – sehr zeitaufwendig ist.
Angesichts eines ausgefeilten Kanons an Sanktionen wird
es sich kein Kreditinstitut leisten wollen, die Wünsche der
Aufsicht zu ignorieren.
Inzwischen nähert sich das Pflichtenheft eines Aufsichts-
ratsvorsitzenden eines größeren Kreditinstituts immer
mehr an das eines „Chairman“ an, wie wir dies aus dem
UK oder z.B. der Schweiz kennen.
3 Novellierung des Gesellschaftsrechts?
Offensichtlich steht diese Entwicklung in einem deutli-
chen Spannungsfeld zum deutschen Gesellschaftsrecht,
das dem Aufsichtsrat eher limitierte Aufgaben und Ver-
antwortung zuweist.
Hieraus ergeben sich bedauerlicherweise zuweilen un-
scharfe Verantwortlichkeiten und Reibungspotentiale
zwischen den Gremien eines Kreditinstituts. Eine heraus-
gehobene Rolle spielt dabei der Informationsfluss zwi-
schen den Sitzungen des Aufsichtsrats, sein Umfang und
seine Frequenz.
Welches Maß an Bringschuld besteht für den Vorstand ei-
ner Gesellschaft, damit der Aufsichtsrat, zumindest sein
Vorsitzender, ausreichend im Nachrichtenfluss verankert
ist, um seinen Pflichten nachkommen zu können?
Persönlich würde ich es nach wie vor begrüßen, wenn
der Gesetzgeber eine Bereitschaft zeigte, das ältere und
allgemeinere deutsche Aktienrecht zu modifizieren und
der tatsächlichen Aufsichtspraxis anzupassen.
Der derzeitige Meinungsbildungsprozess geht allerdings
nicht in diese Richtung; Bankenaufseher z.B. betrachten
– unter Hinweis auf die juristischen Grundsätze „lex
specialis“ oder „lex posterior derogat lege generale“ – die
Angelegenheit als „entschieden“. Der zuweilen von dem
einen oder anderen Aufsichtsrat einer Bank gemachte
Versuch, einem vertieften Gespräch mit der Aufsicht aus-
zuweichen mit dem Hinweis, der Aufsichtsrat sei ja nicht
Teil der Bank und somit bestehe auch keine Gesprächs-
pflicht mit der Aufsicht, wurde von dieser natürlich im
Keime erstickt. Nur, eine klarstellende Novellierung des
Gesellschaftsrechts würde nicht nur dem Aufsichtsrat sei-
ne gestiegene Verantwortung verdeutlichen, sondern
auch dem Vorstand dessen korrelierende Pflicht zu einer
kontinuierlichen Berichterstattung in vergleichsweise
hoher Granularität.
Der Hinweis, das deutsche System entwickle sich faktisch
in Richtung des schweizerischen Verwaltungsratssystems,
mag zwar eine zutreffende Beschreibung eines aufsichtli-
chen Zielbildes sein, beschränkt sich dann aber auf die
Teilkomponente „Verantwortung“, ohne aber andere Fa-
Es wäre zu begrüßen, wenn der
Gesetzgeber das ältere und
allgemeinere deutsche Aktienrecht
der aktuelleren Verwaltungspraxis
im Aufsichtsrecht anpassen würde.
| 01.2017 | 31
MANAGEMENT
&BERATUNG
cetten der Spielregeln zwischen den Gremien einer Bank
aufzugreifen. Diese – zumindest formalen – Lücken er-
staunen umso mehr, als sonst der Gesetz- und Verord-
nungsgeber im Bereich der Bankenaufsicht in puncto
Lückenlosigkeit von Regelungen sich selbst hohe Stan-
dards setzt. Klare Spielregeln erleichtern ein friktions-
loses Zusammenwirken aller Beteiligten zum Wohle des
Unternehmens.
4 SREP: neue Aufsichtspraxis der EZB
Nun könnte man meinen, dass solche Fragestellungen
von Corporate Governance bzw. Fragen nach der Zusam-
mensetzung und Qualität von Aufsichtsräten letztlich
nicht so bedeutend seien, als dass man sich darüber allzu
lange den Kopf zerbrechen müsste. Immerhin gibt es
auch in anderen Sektoren Fragestellungen, die von insti-
tutionellen Investoren beobachtet bzw. teils auch offen
kritisiert werden, ohne dass der Gesetzgeber jedes Mal
einschreitet.
An dieser Stelle gilt es deshalb darauf hinzuweisen, dass
die neue Aufsichtspraxis der EZB den Kreditinstituten seit
kurzem individualisierte „Beurteilungen“ auf der Basis
des sogenannten aufsichtlichen Überprüfungs- und Be-
wertungsprozesses (Supervisory Review and Evaluation
Process – SREP) zuweist. Ähnlich einem System von Schul-
noten erhalten Banken gewissermaßen eine Gesamtnote,
die unter anderem auch maßgeblich die individuelle
Höhe der Eigenkapitalanforderungen an das jeweilige
Kreditinstitut bestimmt. Sozusagen als eine Teilnote die-
ses SREP werden in einer seiner Säulen die Handhabung
von Corporate Governance, aber auch die Qualität und
die Abläufe im Aufsichtsrat einer Bank bewertet und ge-
gebenenfalls auch beanstandet. In besonderen Fällen
kann die Aufsicht sogar individuelle Zuschläge zu den
Anforderungen an das Eigenkapital verhängen.
5 EZB: Anforderungen an die Qualität
von Aufsichtsräten
Nachdem die Bankenaufsicht nunmehr die harten An-
forderungen an Kapital bzw. Liquidität weitgehend in
Regeln gegossen hat, widmet sie sich verstärkt „qualitati-
ven Fragen“, also „soft factors“ wie der Corporate Gover-
nance, aber auch Themen wie „Kultur des Hauses“ oder
strengeren Anforderungen an die Beurteilung von „fit
and proper“ von Mitgliedern der Gremien
eines Kreditinstituts. Zu diesem Zweck
hielt der Aufsichtsarm der EZB im Juni
2016 eine ganztägige Konferenz ab, um
die Spitzen der Kreditinstitute über seine
Vorstellungen und Anforderungen zu in-
formieren. Natürlich sind alle diese Fra-
gen noch „work in progress“ und werden
sich erst über Jahre hinweg final entwickeln können.
Hinzu kommt, dass die EZB zwar durchaus konkrete Vor-
stellungen hat, was die Anforderungen an die Qualität
von Aufsichtsräten betrifft, aber derzeit kaum an den be-
stehenden nationalen Vorschriften eines Staates vorbei-
kommt, die an dieser Stelle noch immer das letzte Wort
haben.
6 Checks and balances
Es ist an dieser Stelle wichtig, sich immer wieder die
Grundphilosophie der Aufsicht zu Fragen der Corporate
Governance vor Augen zu führen: Eine entscheidende
Lektion aus der großen Finanzmarktkrise des vergange-
nen Jahrzehnts war die bittere Erkenntnis, dass in einer
Reihe von Kreditinstituten, die in schwere Turbulenzen
geraten waren, das System von „checks and balances“
zwischen den Gremien der Bank bzw. den Wirtschafts-
prüfern, aber auch der Aufsicht, nicht wirklich funktio-
niert hatte. In zahlreichen Fällen erwiesen sich Aufsichts-
räte den fachlichen Fragen, die für Wohl und Wehe eines
Hauses entscheidend waren, weder qualitativ noch vom
Zeiteinsatz her gewachsen. An dieser Stelle sei aber der
Vollständigkeit halber auch deutlich angemerkt, dass es
noch viele andere, eher noch bedeutendere Gründe jen-
seits der hier diskutierten Fragen für die seinerzeitige
desaströse Entwicklung mancher Kreditinstitute gab.
Nunmehr sollen mehrstufige „lines of defense“ sowie ein
ausgeklügeltes System von „checks and balances“ zwi-
schen dem Management eines Hauses sowie dem Auf-
sichtsrat, den Wirtschaftsprüfern, aber auch einer nun-
mehr nachhaltig „aufgerüsteten“ Bankenaufsicht dafür
sorgen, dass sich vergangene Krisen nicht so leicht wie-
derholen können. Der Aufsichtsrat soll in der Lage und
aber auch willens sein, das Management eines Hauses
wirklich effektiv zu kontrollieren und dieses überdies
auch zu beraten. Insoweit lässt sich seine Rolle in gewis-
Banken erhalten eine Art Gesamtnote von
der Aufsicht. Hierin fließen auch Qualität und
Abläufe im Aufsichtsrat mit ein.
32 | 01.2017 |
» Bankenaufsichtsrat: quo vadis?
ser Weise mit denen von Wirtschaftsprüfern und der Ban-
kenaufsicht vergleichen. Die Zusammenarbeit ist noch en-
ger geworden, der Wirtschaftsprüfer ist letztlich verlän-
gerter Arm des Aufsichtsrats und wird von diesem be-
stellt. Idealerweise verfolgt der Aufsichtsrat parallele
Interessen zu denen der Bankenaufsicht. Die Bankenauf-
sicht nimmt nicht nur an ausgewählten Sitzungen von
Aufsichtsräten teil, was in Deutschland allerdings kein
Novum ist, sondern spricht auch regelmäßig mit einzel-
nen Mitgliedern des Aufsichts-
rats, insbesondere mit seinem
Vorsitzenden sowie den Vor-
sitzenden von Prüfungs- und
Risikoausschuss.
7 Informationsfluss
An dieser Stelle gilt es aller-
dings auf zwei wichtige Unter-
schiede zwischen dem Auf-
sichtsrat einerseits sowie dem
Wirtschaftsprüfer bzw. der Aufsicht andererseits hinzu-
weisen. Letztere können – und tun dies auch – sich prak-
tisch durch die „gesamte Firma fragen“, d.h. sie können
und dürfen ihre Fragestellungen an praktisch alle Fach-
ebenen adressieren, die für eine Beantwortung hilfreich
sein können. Natürlich werden beide „Institutionen“ über
ihre Tätigkeit dem Vorstand – typischerweise CEO und/
oder CFO – berichten, aber ihre Erkenntnisse beruhen in
der Regel auf dem Originalton der Fachleute, also der di-
rekten Interaktion, wenn auch natürlich versehen mit
Einwertungen des Vorstands. Die Bankenaufsicht wieder-
um führt nunmehr – im Gegensatz zu früheren Sonder-
prüfungen nach § 44 KWG – routinemäßig sogenannte
„on site inspections“ durch, die zuweilen bis auf Sach-
bearbeiterebene „tieftauchen“ und sich nicht auf Gesprä-
che mit dem Vorstand beschränken.
Der Aufsichtsrat ist beim Informationsfluss klassischer-
weise auf die Informationen im Verlaufe von Sitzungen
seitens des Vorstands angewiesen, die naturgemäß nicht
dasselbe Maß an Granularität aufweisen können. Auch
regelmäßige Gespräche zwischen dem Aufsichtsratsvor-
sitzenden und dem Vorstandsvorsitzenden vermögen in
der Regel nicht, den Wissensvorsprung von Wirtschafts-
prüfern und neuerdings auch der Aufsicht auszugleichen.
Dies gilt vor allem für Sonderthemen, die die Aufsicht
neuerdings forciert, IT- bzw. Geschäftsmodellprüfung
seien hier stellvertretend genannt. Daran ändern direkte
Kontakte mit Revision und Compliance nur bedingt etwas.
Aus diesem Grund und um den gestiegenen Erwartungen
bzw. Anforderungen an den Aufsichtsrat bzw. vor allem
an dessen Vorsitzenden sowie den Vorsitzenden seiner
wichtigsten Ausschüsse genügen zu können, gehen Kre-
ditinstitute vermehrt dazu über, auch zwischen den Sit-
zungen den Aufsichtsrat bzw. die Vorsitzenden wichtiger
Ausschüsse mit schriftlichen Unterlagen zu versorgen.
Hier stellt sich letztlich die Frage einer schriftlich fixier-
ten Informationsordnung, gleichgültig ob nun in ausge-
feilter Form oder nur in gro-
ben Umrissen.
Das Thema „Informations-
fluss“ gehört zu den zentralen
Fragen, die es bei großen und
komplexen Instituten zu re-
geln gilt. Wer A sagt, d.h. wer
verlangt, dass Aufsichtsräte
über eine Einschätzung der
Lage im Allgemeinen, aber
auch vermehrt im Detail verfügen, der muss auch B sagen
und dafür sorgen, dass der notwendige Strom an Informa-
tionen funktioniert; dies kann vernünftigerweise nur in
schriftlicher Form geschehen.
8 Verhältnis von Risiko und Vergütung
Ein weiterer Unterschied zwischen Mitgliedern eines Auf-
sichtsrats bei Kreditinstituten einerseits und Wirtschafts-
prüfern andererseits – gilt mutatis mutandis auch für
Angehörige der Bankenaufsicht – ist die Abgeltung des
Aufwands, mit dem die Beteiligten ihren Aufgaben nach-
gehen. Während Wirtschaftsprüfer direkt oder mittelbar
nach der „Quantität“ ihrer Arbeit vergütet werden, gilt
dies bei Aufsichtsräten nicht, vielleicht nur noch nicht.
Länder, die stärker kapitalmarktorientiert sind – dazu ge-
hört im Übrigen auch die Schweiz –, weisen an dieser Stel-
le eine andere Historie auf.
Wenngleich hier immer der Generalverdacht aufscheinen
mag, pro domo zu sprechen, bleibt doch festzuhalten,
dass der „Stundensatz“ von Aufsichtsräten – insbesondere
der der am meisten belasteten Mitglieder – deutlich gefal-
len ist, seitdem sich der Aufgaben- und Verantwortungs-
katalog teils drastisch ausgeweitet hat. Dies wird u.a.
auch dadurch deutlich, dass der Gesetzgeber die Zahl der
zulässigen Aufsichtsratsmandate streng beschnitten hat,
die eine Person innehaben darf. Gleichzeitig muss sich
heute jeder Aufsichtsrat – jedenfalls bei Kreditinstituten –
darüber im Klaren sein, dass Haftungsfragen viel mehr
Der erweiterte Pflichten-
katalog gepaart mit
begrenzten Rechten und
traditioneller Entlohnung
führt zu einer sich
abzeichnenden Unwucht.
| 01.2017 | 33
MANAGEMENT
&BERATUNG
im Kreuzfeuer der medialen Aufmerksamkeit stehen als
früher. Auch wenn in der Regel eine adäquate Absiche-
rung in Form einer D&O-Versicherung besteht und Fälle
einer erfolgreichen strafrechtlichen Verfolgung nicht be-
kannt sind, so bleibt durchaus die Erkenntnis, dass nicht
nur Vorstände, sondern auch Aufsichtsräte mit einer Er-
wartungshaltung in der Öffentlichkeit leben müssen, wo-
nach geschäftliche Fehlentwicklungen – ungeachtet der
Gründe hierfür – auch auf persönlicher Ebene „gesühnt“
werden sollen.
Diese mediale, auf Personen zentrierte Aufmerksamkeit
macht es zudem leichter, Mitglieder von Gremien durch –
ungerechtfertigte – Strafanzeigen unter Druck zu setzen,
gegebenenfalls auch mit dem Ziel, Zahlungen abzupres-
sen. Jedenfalls werden künftig auch Mitglieder von Auf-
sichtsräten mit der „medialen Prangerwirkung“ von soge-
nannter Investigationsrecherche leben müssen.
Alles in allem sollten Aufsichtsratsmitglieder von Kredit-
instituten eine Portion an „commitment“ mitbringen,
wenn sie eine solche Funktion annehmen. Die faktische
Generalüberholung des Pflichtenkatalogs von Aufsichts-
räten von Kreditinstituten, dem aber nach wie vor ein Ge-
sellschaftsrecht gegenüber steht, das eher das klassische
Modell von begrenzten Rechten bei traditioneller Entloh-
nung widerspiegelt, führt m.E. zu einer sich abzeichnen-
den Unwucht, die sich erst in den nächsten Jahren voll
und ganz zeigen wird.
Schließlich hat aber auch der Präsident der BaFin, Felix
Hufeld, vor einigen Monaten bei einer öffentlichen
Podiumsdiskussion in Berlin festgehalten, dass eine
top-professionelle Tätigkeit auch angemessen vergütet
werden müsse.
9 Ergebnis
Das eine Bank insgesamt ausmachende System von weit-
gehenden „checks and balances“ – also nicht nur Auf-
sichtsrat, Wirtschaftsprüfer und Bankenaufsicht, son-
dern beispielsweise auch die Marktfolge in Form von
Risk Office, aber auch Revision und Compliance – gilt ne-
ben den Regeln für Eigenkapital und Liquidität als das
Herzstück einer modernen Regelungslandschaft im Be-
reich des Kreditwesens, das nie wieder den Steuerzahler
so zur Kasse bitten soll wie im letzten Jahrzehnt. Die ge-
nannten Funktionen wurden vom Gesetz- und Verord-
nungsgeber deutlich gestärkt bis hin zu Vorschriften,
dass das Gefälle bei der Vergütung zwischen Front Office
und Back Office nicht zu groß werden darf. Dies soll u.a.
erreichen, dass auch die Kontrollfunktionen so besetzt
werden können, dass diese dem Front Office „intellek-
tuell das Wasser reichen“ können. Dies verteuert zwar
die „Plattformkosten“ für die Herstellung von Bank-
dienstleistungen teils drastisch und wirft die Frage auf,
ob es nicht größerer Einheiten bedarf, um wieder zu ei-
ner Kostendegression zu kommen. Im Ergebnis besteht
aber weitgehend Einigkeit, dass ein System ausgefeilter
Kontrollen aus den übergeordneten Gründen unumgäng-
lich ist, wenn wir es mit den Lektionen aus der Finanz-
marktkrise ernst meinen.
Die eine markante Ausnahme ist in vielen Fällen noch im-
mer der Aufsichtsrat einer Bank, der an dieser Stelle im
Übrigen immer noch den strengen Anforderungen der
Aufsicht in puncto Qualität („Fit-and-proper-Test“) nur be-
grenzt unterliegt. Hier betont die Aufsicht der EZB, dass
dieses Thema weitgehend von nationalem Recht besetzt
ist, das historisch gewachsene „Erbhöfe“ kennt. Der Er-
satz für Aufwand und Einsatz, inklusive Fortbildung, ist
in manchen Fällen – jedenfalls auf Stundenbasis gerech-
net – deutlich gesunken. Nur, so viel können wir schon
heute erahnen, so wird die Qualität von Aufsichtsräten
bei Kreditinstituten in der Zukunft eher ab- als zuneh-
men, sofern die jetzigen Rahmenbedingungen im Sinne
eines „risk reward profile“ sich weiter verschlechtern.
Die Zahl der aus Gemeinwohlgedanken motivierbaren
Kandidaten für ein solches Gremium dürfte auf die Dauer
nicht ausreichen, um zu einer adäquaten Besetzung von
Aufsichtsräten von Kreditinstituten zu kommen.
» DOC-ID: W1007449
»Gerd Häusler
Vorsitzender desAufsichtsrats derBayernLB, München
Mitglied desAufsichtsrats derMunichRe, München
34 | 01.2017 |
» Bankenaufsichtsrat: quo vadis?
ANALYSE
Datenschutz undDatensicherheit imCloud Computing
Ein Framework zur Beurteilung von Cloud-Services
Von Michael Adelmeyer, M.Sc., CISA, Dr. Marc Walterbusch,
Julian Lang, M.Sc., und Prof. Dr. Frank Teuteberg
Unternehmen können durch den Einsatz von Cloud Computing Effizienz- bzw. Wett-
bewerbsvorteile realisieren. Das Vertrauen der Praxis in diese Technologie ist je-
doch nicht uneingeschränkt, vor allem im Hinblick auf Datenschutz und Daten-
sicherheit gibt es Vorbehalte. Durch Audits und damit einhergehende Zertifizierun-
gen kann die Einhaltung grundlegender und definierter Standards bescheinigt
werden; allerdings sind die Anforderungen an einen Cloud-Service spezifisch, und
der Markt bestehender Standards und Zertifikate für Cloud-Services ist heterogen.
Dies stellt den Wirtschaftsprüfer vor die Herausforderung, Datensicherheit und
Datenschutz in der Cloud und die daraus entstehenden Risiken angemessen zu be-
urteilen. Zu diesem Zweck wird ein allgemeines Framework vorgestellt.
1 Einleitung
Cloud Computing wird als eine der wich-
tigsten strategischen IT-Technologien an-
gesehen, mit dem Potential, das klassische
IT-Outsourcing zu revolutionieren.1 Zwar
können Effizienzsteigerungen durch Kos-
teneinsparungen und eine verbesserte
Prozessleistung bei Verwendung von
Cloud Computing realisiert werden, Un-
ternehmen vertrauen dieser Technologie
jedoch noch nicht umfassend.2 Ein Grund
dafür ist vor allem die Abgabe der direk-
ten Kontrolle über Risiken im Bereich IT-
Sicherheit, Verfügbarkeit und Daten-
schutz,3 welche teils gravierendes Scha-
denpotential für Unternehmen bergen.4
Die Übermittlung von Daten in eine Cloud
geht mit einem weitgehenden Kontroll-
verlust über die Daten und ihren Spei-
l1 Vgl. Lansing/Schneider/Sunyaev, in: ECIS 2013 Proceedings, 2013, S. 2.l2 Vgl. Walterbusch/Martens/Teuteberg, in: ECIS 2013
Proceedings, 2013, S. 1ff.l3 Vgl. Schneider/Sunyaev, Cloud-Service-Zertifizierung, Berlin/Heidelberg 2015, S. V.l4 Vgl. Bagban/Nebot,
HMD 2014, S. 272f.
| 01.2017 | 35
MANAGEMENT
&BERATUNG
Keywords:
Cloud Computing
Datenschutz
Datensicherheit
Zertifizierung
IT-Audit
cherort einher. Daher muss den daraus resultierenden
Akzeptanzproblemen mit dem Erzeugen von Vertrauen in
die Technologie und Dienstleister durch Schaffung von
Transparenz entgegengewirkt werden.5 Die Zertifizierung
von Cloud-Service-Anbietern hinsichtlich der Erfüllung
definierter Datenschutz- und Datensicherheitskriterien
kann als ein Instrument zur Vertrauensbildung und Risi-
koeinschätzung fungieren.6
Die aus unzureichenden Datenschutz- und Datensicher-
heitsmaßnahmen resultierenden Risiken für die Ord-
nungsmäßigkeit der Rechnungslegung sind für den Wirt-
schaftsprüfer von besonderer Bedeutung.7 Angesichts
der eingeschränkten Vergleichbarkeit bestehender Au-
dits und Zertifizierungen wird im Folgenden ein generi-
scher Ansatz in Form eines Frameworks zur Bewertung
des Datenschutzes und der Datensicherheit von Cloud-
Services vorgestellt.
2 Begriffliche Grundlagen
2.1 Datenschutz und Datensicherheit
Die Begriffe „Informationssicherheit“, „Datensicherheit“
und „Datenschutz“ sind in Praxis und Fachliteratur nicht
eindeutig bzw. trennscharf definiert.8 Im Folgenden wird
der Abgrenzung des Bundesamts für Sicherheit in der In-
formationstechnik (BSI) gefolgt:9
Informations- bzw. Datensicherheit
Die Informations- bzw. Datensicherheit (im Folgenden:
Datensicherheit) bezeichnet den Schutz von Informatio-
nen und Daten hinsichtlich gegebener Anforderungen an
die drei Hauptschutzziele der Vertraulichkeit, Verfügbar-
keit und Integrität10 sowie an die Authentizität (Echtheit
und Glaubwürdigkeit), Verbindlichkeit/Nichtabstreitbar-
keit und Zurechenbarkeit.11 Weiter gefasst kann im Fokus
der Betrachtung der Datensicherheit die gesamte IT-Si-
cherheit (Schutz vor Risiken durch den Einsatz von IT-Sys-
temen auf Unternehmen und deren Werte) liegen.12
Datenschutz
Datenschutz (vor allem i.S. des Bundesdatenschutzgeset-
zes, BDSG) bezeichnet den Schutz personenbezogener Da-
ten vor Missbrauch durch Dritte,13 wobei diese Daten als
„Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhält-
nisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen
Person (Betroffener)“14 definiert werden.
Die Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten
und zum Schutz genereller Daten können jedoch ähnlich
oder gar identisch sein, weshalb Datenschutz und Daten-
sicherheit schwerlich getrennt voneinander zu betrach-
ten sind.15 Ein effektiver Datenschutz kann vielmehr nur
dann gewährleistet werden, wenn die notwendigen Maß-
nahmen zur Datensicherheit bzw. IT-Sicherheit im Allge-
meinen umgesetzt werden.16
2.2 Cloud Computing
2.2.1 Definition
Für den Begriff Cloud Computing existiert keine etablierte
und universal gültige Definition, als De-facto-Standard gilt
jedoch die Definition des National Institute of Standards
and Technology (NIST):17
Cloud Computing ist ein Modell, das ubiquitären und
bequemen Netzwerkzugriff bei Bedarf auf einen geteil-
ten Pool von konfigurierbaren Rechenressourcen (z.B.
Netzwerke, Server, Speicher, Anwendungen und
Dienstleistungen) gewährleistet, die schnell und mit
minimalem Verwaltungsaufwand oder Interaktion mit
dem Dienstleister zur Verfügung gestellt und wieder
freigegeben werden können.
Der Definition liegen fünf Eigenschaften einer Cloud zu-
grunde: selbständige Bereitstellung bei Bedarf, unabhängi-
ger Zugriff, Ressourcenbündelung, dynamische Skalier-
barkeit sowie nutzungsbasierte Abrechnung und Kontrol-
Zertifizierungen können als Instrument
zur Vertrauensbildung fungieren, be-
trachten jedoch nicht notwendigerweise
die Risiken für die Ordnungsmäßigkeit
der Rechnungslegung.
l5 Vgl. Rübsamen/Reich, in: On the Move to Meaningful Internet Systems: OTM 2013 Conferences, 2013, S. 403f.l6 Vgl. Borges, DuD 2014; Doelitzscher u.a., in: Pearson/Yee (Hrsg.),
Privacy and Security for Cloud Computing, London 2013, S. 125.l7 Vgl. Heese, WPg 12/2010, S. I.l8 Vgl. Eckert, IT-Sicherheit, 9. Aufl., München 2014, S. 6.l9 Vgl. BSI (Hrsg.), Leit-
faden Informationssicherheit, 2012, S. 14; für eine eingehendere Differenzierung siehe z.B. Eckert, a.a.O. (Fn. 8), S. 1ff.l10 Vgl. BSI (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 9), S. 14.l11 Vgl. Eckert, a.a.O.
(Fn. 8), S. 7 ff.l12 Vgl. Weiss, DuD 2014, S. 173.l13 Vgl. BSI (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 9), S. 14.l14 § 3 Abs. 1 BDSG.l15 Vgl. Hansen, in: Borges/Schwenk (Hrsg.), Daten- und Identitätsschutz in
Cloud Computing, E-Government und E-Commerce, Heidelberg 2012, S. 82.l16 Vgl. Quiring-Kock, DuD 2012, S. 832.l17 Vgl. Mell/Grance, The NIST definition of cloud computing,
Special Publication 800–145, 2011, S. 2.
36 | 01.2017 |
» Datenschutz und Datensicherheit im Cloud Computing
le. Cloud Computing ist dabei keine neue Technologie, son-
dern kombiniert bekannte und etablierte Technologien
wie Virtualisierung und Infrastructure Management.18
2.2.2 Service-Modelle
Die in der Schichtenarchitektur in Übersicht 1 dargestell-
ten drei Service-Modelle basieren auf einer Cloud-Infra-
struktur.
Das Spektrum der Bereitstellung reicht von Anwen-
dungen (Software as a Service, SaaS) über Hosting-Um-
gebungen, auf denen z.B. Software betrieben werden
kann (Platform as a Service, PaaS), bis hin zu grundle-
genden Ressourcen wie Speicher-, Rechen- oder Netz-
werkkapazitäten (Infrastructure as a Service, IaaS).19
Die Cloud-Infrastruktur besteht aus einer physischen
Schicht, die den Pool an Hardwareressourcen enthält,
und einer Abstraktionsschicht, die Software beinhaltet,
die die zugrunde liegende physische Schicht steuert
(z.B. Virtualisierungssoftware).20
Bei jedem der drei dargestellten Service-Modelle kann der
Benutzer die zugrunde liegende Infrastruktur weder ver-
walten noch kontrollieren, sondern nur im Rahmen der
ihm zur Verfügung gestellten Abstraktionsebene agie-
ren.21 Je höher der Abstraktionsgrad in Bezug auf die
Cloud-Infrastruktur und damit die Komplexität des Ser-
vices ist, desto geringer sind somit die Kontrollmöglich-
keiten des Anwenders innerhalb einer Cloud.
2.2.3 Bereitstellungsmodelle
Beim Nutzerkreis, innerhalb des-
sen ein Cloud-Computing-Service
verfügbar ist, wird zwischen drei
unterschiedlichen Bereitstellungs-
modellen und einer Kombination
aus mehreren dieser Modelle
(Hybrid Cloud) differenziert:22
» Eine Private Cloud wird
exklusiv für eine einzelne
Organisation bereitgestellt und
von dieser Organisation selbst,
einem Drittanbieter oder einer
Kombination aus beiden
verwaltet und betrieben.
» Community Clouds werden
von einer definierten Gruppe
(z.B. verschiedene Organi-
sationen) mit geteilten
Interessen genutzt.
» Eine Public Cloud ist der breiten
Öffentlichkeit zugänglich.
Je breiter der Nutzerkreis der Cloud ist, desto größer
sind die realisierbaren Skaleneffekte. Indes nehmen in
gleichem Maße die Kontrollmöglichkeiten des einzelnen
Nutzers ab.23
3 Datenschutz und Datensicherheit in der Cloud
3.1 Risiken beim Einsatz von Cloud-Services
Je nach Service- bzw. Bereitstellungsmodell muss eine für
den Anwendungsfall individuelle Betrachtung und Bewäl-
tigung der Risiken erfolgen.24 So ergeben sich bei der Nut-
zung von Private Clouds in den Grenzen des Unterneh-
Platform as a Service
Infrastructure as a Service
Software
as a Service
Cloud-Infrastruktur
Abstraktionsschicht
Hardwareschicht
Kontrolle
Komplexität
Übersicht 1 » Service-Modelle und Cloud-Infrastruktur
l18 Vgl. Doelitzscher u.a., a.a.O. (Fn. 6), S. 126.l19 Vgl. Mell/Grance, a.a.O. (Fn. 17), S. 3.l20 Vgl. Youseff/Butrico/Da Silva, in: Grid Computing Environments Workshop, 2008, S. 4.
l21 Vgl. Mell/Grance, a.a.O. (Fn. 17), S. 2.l22 Vgl. Mell/Grance, a.a.O. (Fn. 17), S. 3.l23 Vgl. Lampe u.a., in: AMCIS 2012 Proceedings, 2013, S. 2.l24 Vgl. Schneider/Sunyaev, a.a.O.
(Fn. 3), S. 9.
| 01.2017 | 37
MANAGEMENT
&BERATUNG
mens grundsätzlich keine neuen Probleme.25 Bei einer
Auslagerung von betrieblichen Funktionen z.B. in eine
Public Cloud verbleibt die Verantwortung für die Einhal-
tung der gesetzlichen Anforderungen an die Ordnungsmä-
ßigkeit der Rechnungslegung jedoch beim auslagernden
Unternehmen.26 Die Einhaltung der in IDW RS FAIT 127
formulierten Anforderungen an die Sicherheit und Ord-
nungsmäßigkeit sowie der gesetzlichen Anforderungen,
vor allem der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung
(§ 239 Abs. 4 HGB), gelten in diesem Kontext uneinge-
schränkt, unabhängig vom eingesetzten Service- und Be-
reitstellungsmodell.28 Zentrale Voraussetzung für die Ein-
haltung der Ordnungsmäßigkeitsanforderungen ist daher
die Einhaltung der Sicherheitsanforderungen für rech-
nungslegungsbezogene Daten.29
Bei der Auslagerung von betrieblichen Prozessen und
Funktionen sind Cloud-spezifische Risiken – vor allem für
die Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität der Da-
ten – zu berücksichtigen. Sofern der Cloud-Dienstleister
i. S. von § 11 Abs. 1 BDSG als Auftragnehmer personenbe-
zogene Daten verarbeitet, hat sich das auslagernde Un-
ternehmen in diesem Rahmen regelmäßig von der Ein-
haltung der Ausgestaltung entsprechender technischer
und organisatorischer Maßnahmen zu überzeugen.30 Or-
ganisatorische Risiken bei der Auslagerung in eine Cloud
entstehen vor allem durch den Kontrollverlust des Kun-
den hinsichtlich der Überwachung des Cloud-Services so-
wie durch Unklarheiten bei der Verteilung von Verant-
wortlichkeiten.31 Umfangreiche technische Risiken erge-
ben sich aus der Architektur und der Integration von
Cloud-Services. So können durch Schwachstellen in der
Virtualisierung oder den geteilten Ressourcenpool der
Multi-Mandanten-Architektur unberechtigte Zugriffe auf
Daten erfolgen.32
Der Verlust der Kontrolle über den Speicherort durch dy-
namische Ressourcenallokation und Verschiebung der
Daten führt vor allem zu Risiken für die Integrität und
Vertraulichkeit.33 Zudem entstehen hierdurch Risiken hin-
sichtlich der Erfüllung der Aufbewahrungspflichten
(§ 257 HGB) und die Sicherheits- und
Ordnungsmäßigkeitsanforderungen zur
Speicherung von Daten (§§ 238ff. HGB).
Dies gilt besonders dann, wenn die Da-
ten über mehrere Länder verteilt ge-
speichert werden.34 Mangels einheitli-
cher Standards und Gesetze kommt es
zu rechtlichen Risiken bezüglich der
Einhaltung von Compliance-Anforde-
rungen. Bei der Übertragung der Daten über herkömmli-
che Technologien wie das Internet muss stets auch eine
hinreichende Absicherung der Daten sowie Bandbreite
des Anschlusses gewährleistet sein.35 Weitere Risiken für
die Ordnungsmäßigkeit sind z.B. Risiken für die Vollstän-
digkeit und Zeitgerechtheit, sofern Geschäftsvorfälle und
Daten im Rahmen der Auslagerung in eine Cloud unvoll-
ständig oder verspätet bearbeitet werden. Aber auch die
funktionalen Anforderungen des Buchführungsverfah-
rens – z.B. die Beleg-, Journal- und Kontenfunktion und
vor allem die Dokumentation des Verfahrens – unterlie-
gen bei der Auslagerung in eine Cloud gesonderten, er-
höhten Risiken.36
Die Risiken, die sich aus dem Einsatz von Cloud-Services
ergeben, sind vielfältig und individuell.37 Das auslagernde
Unternehmen muss die vertraglichen Regelungen sowie
die Gestaltung und Wirksamkeit des internen Kontrollsys-
tems (IKS) im Hinblick auf die ausgelagerten Funktionen
gewährleisten, z.B. durch entsprechende Audits oder Zer-
tifikate.38 Dies kann sich jedoch als schwierig gestalten, so-
fern der Cloud-Dienstleister wiederum weitere Cloud-Sub-
dienstleister in Anspruch nimmt, für die ein Kontroll-
Bei der Auslagerung von betrieblichenProzessen und Funktionen in eine Cloudentstehen gesonderte Risiken, die individuellzu betrachten sind.
l25 Vgl. Heese, WPg 12/2010, S. I.l26 IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bei Auslagerung von rechnungslegungsrelevanten Prozessen
und Funktionen einschließlich Cloud Computing (IDW RS FAIT 5), Tz. 45.l27 IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bei Einsatz von Infor-
mationstechnologie (IDW RS FAIT 1).l28 Vgl. IDW RS FAIT 5, Tz. 19ff.l29 Vgl. IDW RS FAIT 1, Tz. 19 i.V. mit Tz. 23ff.l30 Vgl. IDW RS FAIT 5, Tz. 43f.l31 Vgl. Schneider/Sunyaev, a.a.O.
(Fn. 3), S 10f.; IDW RS FAIT 5, Tz. 23f.l32 Vgl. Schneider/Sunyaev, a.a.O. (Fn. 3), S 11; IDW RS FAIT 5, Tz. 26.l33 Vgl. IDW RS FAIT 5, Tz. 29f.l34 Vgl. IDW RS FAIT 5, Tz. 36 und 39.
l35 Vgl. Schneider/Sunyaev, a.a.O. (Fn. 3), S. 12; IDW RS FAIT 5, Tz. 26ff.l36 Vgl. IDW RS FAIT 5, Tz. 34ff.l37 Für eine detaillierte Betrachtung siehe z. B. Schneider/Sunyaev, a.a.O.
(Fn. 3), S 9 ff. sowie IDW RS FAIT 5, Tz. 22ff.l38 Vgl. IDW RS FAIT 5, Tz. 46, i.V. mit Hansen, a.a.O. (Fn. 15), S. 89f.
38 | 01.2017 |
» Datenschutz und Datensicherheit im Cloud Computing
bzw. Prüfrecht unter Umständen nicht oder nicht vollum-
fänglich gilt. Die Revisionssicherheit von Cloud-Services
ist folglich nicht uneingeschränkt gewährleistet.39
3.2 Datenschutz- und Datensicherheitsaudits
Neben Kontrollen durch den Nutzer haben auch Cloud-
Dienstleister ein Interesse an einem Datenschutz- bzw.
Datensicherheitsaudit, um z.B. Wettbewerbsvorteile zu
realisieren oder eine Nutzungsentscheidung zu vereinfa-
chen.40 Dafür sind z.B. unabhängige Audits bzw. Zertifi-
zierungen des Dienstleisters notwendig.41 Deren Akzep-
tanz hängt im Wesentlichen von den Faktoren Freiwillig-
keit, Vergleichbarkeit und Skalierbarkeit ab.42
Datenschutz- und Datensicherheitsaudit agieren dabei
aus zwei verschiedenen Perspektiven: Während der Da-
tenschutz primär auf die Wahrung der Integrität von
Personen fokussiert, zielt die Datensicherheit auf die
Sicherung des Betriebs einer Organisation ab.43 Da sich
die Anforderungen der Daten- bzw. IT-Sicherheit in
der Praxis kaum von denen des Datenschutzes trennen
lassen, ist es notwendig, ein Datenschutzmanagement-
system (DSMS) auf einem Informationssicherheitsmana-
gementsystem (ISMS) aufzubauen.44 Die Anforderungen
an ein solches System können sich z.B. am Standard
ISO/IEC45 27001 orientieren. Dabei ist zu beachten, dass
ISO/IEC 27001 primär auf generelle Datensicherheits-
aspekte fokussiert, weshalb Cloud-spezifische Umset-
zungsempfehlungen – z.B. nach ISO/IEC 27017 bzw.
27018 – in die Betrachtung integriert werden müssen.
ISO/IEC 27001 bleibt allerdings als prägender Faktor für
den Aufbau eines DSMS bestehen. Im Fokus des Da-
tenschutzaudits liegt die Überprüfung, ob das DSMS mit
der vom Unternehmen definierten Datenschutzpolitik
und dem Datenschutzprogramm im Einklang steht und
die einschlägigen, gesetzlichen Datenschutzvorschriften
eingehalten werden.46
Beim Datensicherheitsaudit als Teil eines IT-Sicherheits-
audits geht die Betrachtung über die personenbezogenen
Daten hinaus. So wird der Datenschutz in IDW RS FAIT 5
als Teilrisiko im Rahmen der rechtlichen Risiken nachran-
gig betrachtet.47 Vor allem bei Cloud-spezifischen Zertifi-
zierungen – z.B. auf der Basis von ISO/IEC 27001 – muss
aber vorher der Anwendungsbereich (Scope) eines sol-
chen Audits festgelegt werden. Dieser ist i.d.R. nicht mit
dem Zielsystem von Prüfungen, deren Ergebnisse im Rah-
men von Abschlussprüfungen Verwendung finden (z.B.
IDW PS 951 oder ISAE 3402), vergleichbar.48
Eine Entsprechung der Anforderungen an die Ordnungs-
mäßigkeit der Buchführung ist nicht zwingend gegeben.
Durch eine solche Zertifizierung kann somit in erster Li-
nie lediglich „ein gewisser Grad an Professionalität des
Anbieters“ gefolgert werden.49 Werden jedoch bei der Be-
urteilung von Risiken Prüfungsergebnisse Dritter heran-
gezogen, ist eine qualifizierte und unabhängige Beurtei-
lung eines Cloud-Services unerlässlich.50
3.3 Überblick über ausgewählte Cloud-
spezifische Initiativen, Standards, Richtlinien
und Zertifizierungen
Es existiert eine Vielzahl von Standards und Zertifizierun-
gen für Cloud-Services, die sich jedoch zum Teil hinsicht-
lich Fokus, Audit-Prozess und zugrunde liegender Kon-
trollen unterscheiden.51 Im Folgenden wird eine Auswahl
von wichtigen Initiativen, Standards, Richtlinien und Zer-
tifizierungen vorgestellt.52
EuroCloud
Der Verband EuroCloud ist ein europäischer Verband
mehrerer Landesorganisationen, der eine differenzierte
Betrachtung der konkreten Anforderungen der jewei-
ligen nationalen Gesetzgebung ermöglicht.53 Der Ver-
band verfolgt das Ziel, durch Berücksichtigung des
Cloud-spezifischen Umfelds Transparenz für den Ein-
satz von Cloud-Dienstleistungen zu schaffen.54 Dazu
wurde die Zertifizierung EuroCloud Star Audit ent-
wickelt, die je nach Umsetzungsgrad der Vorgaben
mehrstufig vergeben wird.55
l39 Vgl. Leupold, in: Leupold/Glossner (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, 3. Aufl., München 2013, Rn. 35f.l40 Vgl. Diek, in: Bäumler/von Mutius (Hrsg.), Datenschutz als
Wettbewerbsvorteil, Braunschweig/Wiesbaden 2002, S. 158f.l41 Vgl. Eckhardt, in: Borges/Schwenk (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 15), S. 106f.; Weichert, DuD 2010, S. 683.l42 Vgl. Hammer/
Schuler, DuD 2007, S. 78ff.l43 Vgl. Rost, DuD 2012, S. 434.l44 Vgl. Quiring-Kock, DuD 2012, S. 832. ff. Beispielsweise auf Basis der IT-Grundschutz-Kataloge.l45 International Organi-
zation for Standardization/International Electrotechnical Commission.l46 Vgl. Roßnagel, Datenschutzaudit, Wiesbaden 2000, S. S. 68.l47 Vgl. IDW RS FAIT 5, Tz. 43.l48 Vgl. Knoll,
HMD 2013, S. 10f.l49 Weiss, DuD 2014, S. 173.l50 Vgl. Heese, WPg 12/2010, S. I.l51 Vgl. Schneider/Lansing/Gao, in: HICSS 2014 Proceedings, 2014, S. 4998.l52 Für eine Übersicht
existierender Zertifizierungen siehe z.B. Schneider u.a., Industrie Management-Zeitschrift für industrielle Geschäftsprozesse 2013, S. 14.l53 Vgl. Müller, Studie „Cloud Labeling“,
2013, S. 17.l54 Vgl. Weiss, DuD 2014.l55 Vgl. Weiss, DuD 2014, S. 173f.
| 01.2017 | 39
MANAGEMENT
&BERATUNG
Cloud Security Alliance
Die Cloud Security Alliance (CSA) ist eine internationale
Koalition aus Unternehmen und Interessensgruppen zur
Erarbeitung von Richtlinien für Sicherheit im Cloud Com-
puting.56 Als zentrale Publikationen sind vor allem die
Cloud Control Matrix sowie die CSA Security Guidance for
Critical Areas of Focus in Cloud Computing zu nennen.57
Ferner hat die CSA ein dreistufiges Zertifizierungsmodell
entwickelt, auf dessen zweiter Stufe Cloud-Anbieter auf
der Basis von ISO/IEC 27001 sowie der Cloud Control Mat-
rix durch einen 3rd Party Audit geprüft werden.58
ISO/IEC 270xx
Zentrale Norm der Reihe ISO/IEC 270xx ist ISO/IEC 27001
als De-facto-Basisstandard für das Management von Infor-
mationssicherheit. Um die Besonderheiten der Daten-
sicherheit und des Datenschutzes im Cloud Computing an-
gemessen zu berücksichtigen,
wurden die Normen ISO/IEC
27017:2015 für Datensicher-
heit sowie ISO/IEC 27018:2014
für Datenschutz in Public
Clouds veröffentlicht.
IDW RS FAIT 5
IDW RS FAIT 5 (Stand: 04.11.
2015) befasst sich mit den
Spezifika von Cloud Compu-
ting bei der Auslagerung von rechnungslegungsrelevan-
ten Prozessen und Funktionen. Dargestellt werden vor al-
lem Verantwortung und Gestaltung des IKS beim IT-Out-
sourcing mit Blick auf die Risiken, die sich aus dem
Einsatz von Cloud Computing für die Ordnungsmäßigkeit
der Buchführung ergeben.
4 Framework zur Bewertung von Cloud-Services
Mangels einheitlicher Standards und Zertifizierungen ist
ein allgemeines Herangehen an die Bewertung von Da-
tenschutz und Datensicherheit als Basis für die Be-
wertung der Ordnungsmäßigkeit in diesem Kontext er-
forderlich. Aufgrund des Fehlens einer einheitlichen
gesetzlichen Regelung für Datenschutzaudits existieren
vor allem hier verschiedene Ausprägungsformen.59 Da
ein effektiver Datenschutz nur dann gewährleistet wer-
den kann, wenn die notwendigen Maßnahmen zur Da-
tensicherheit umgesetzt werden, ist beides gemeinsam
zu betrachten.60 Dazu wurde auf der Basis von Literatur-
recherchen und Interviews mit erfahrenen Auditoren
ein Framework zur Herangehensweise an die Bewer-
tung der Maßnahmen von Cloud-Service Providern hin-
sichtlich Datenschutz und Datensicherheit entwickelt
und evaluiert.61
Das Framework teilt sich in die Submodelle Legal Compli-
ance Model, Privacy and Security Compliance Model so-
wie Privacy and Security Control Model auf (Übersicht 2).
Legal Compliance Model
Das Legal Compliance Model umfasst die Ermittlung der ge-
setzlichen Vorgaben, an die sich Cloud-Computing-Dienst-
leister und Kunden bei der
Auslagerung von rechnungs-
legungsrelevanten Funktio-
nen oder der Verarbeitung
von personenbezogenen Da-
ten halten müssen. Das Mo-
dell fokussiert auf die Gesetz-
gebung in Deutschland, der
EU und den USA. Als fürWirt-
schaftsprüfer zentrale Vorga-
ben beim Einsatz und der
Auslagerung von rechnungslegungsrelevanten Prozessen
und Funktionen in eine Cloud sind die Sicherheits- und
Ordnungsmäßigkeitsanforderungen gemäß IDW RS FAIT 5
i.V. mit IDW RS FAIT 1 angeführt. Je nach zugrunde liegen-
dem Service- bzw. Bereitstellungsmodell ist die Einhaltung
dieser Verlautbarungen individuell zu bewerten.
Privacy and Security Compliance Model
Dieses Modell beschreibt neben Datenschutzkriterien
auch die Datensicherheit als Grundlage für effektiven Da-
tenschutz und betrachtet beispielhaft u.a. aus Gesetzen
und Standards abgeleitete Anforderungen. In diesem
Schritt werden konkrete Anforderungen an Datenschutz
und Datensicherheit ermittelt. Eine Orientierung bei der
Ableitung weiterer Kriterien mit Fokus auf der Ordnungs-
Das Fehlen einheitlicher
Standards und Zertifizierungen
zur Bewertung von Datenschutz
und Datensicherheit in der Cloud
erfordert eine allgemeine
Herangehensweise.
l56 Vgl. Weichert, DuD 2010, S. 687.l57 CSA, Security Guidance for Critical Areas of Focus in Cloud Computing v3.0, 2013; CSA, Cloud Controls Matrix v3.0, 2011.l58 Vgl. Doubrava/
Münch, in: Leupold/Glossner (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 39), Rn. 67ff.l59 Vgl. Mester, DuD 2014, S. 198.l60 Vgl. Quiring-Kock, DuD 2012, S. 832.l61 Beide Interview-Partner besitzen im
Bereich Datenschutzprüfungen langjährige Erfahrung bei einer führenden Big-Four-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Ein Interview-Partner ist zudem über mehrere Jahre als Daten-
schutzbeauftragter beschäftigt gewesen. Die Experteninterviews wurden qualitativ analysiert; die Interviews wurden im August 2014 durchgeführt.
40 | 01.2017 |
» Datenschutz und Datensicherheit im Cloud Computing
mäßigkeit der Rechnungslegung können in diesem Kon-
text etwa IDW PS 330 oder IDW PS 880 (beim Einsatz von
SaaS) i.V. mit IDW RS FAIT 5 oder bestehende Anforde-
rungskataloge62 bilden.
Privacy and Security Control Model
In diesem Modell werden beispielhaft Kontrollen aufge-
zeigt, mit deren Implementierung ein Cloud-Computing-
Anbieter den wichtigsten Kriterien gerecht werden
kann. Vor allem aufgrund der Vielzahl von Kriterien ist
eine ganzheitliche Betrachtung aller Regularien, Krite-
rien und Kontrollen im Modell jedoch nicht praktikabel,
sondern nur individuell und branchenspezifisch mög-
lich. Bestehende Kontroll-Frameworks sowie eventuell
vorliegende Prüfberichte sind daraufhin zu untersuchen,
ob die für die Auswirkungen von Datenschutz- und Da-
Legal Compliance Model
Ermittlung gesetzlicher
und regulatorischer
Anforderungen
Privacy and Security
Compliance Model
Ermittlung konkreter
Anforderungen an
Datenschutz und
Datensicherheit
Privacy and Security
Control Model
Bewertung des Cloud-
Computing-Anbieters
anhand seiner Umsetzung
von Kontrollen
EU-Standardvertragsklauseln, Binding Corporate Rules, EU-US Privacy Shield, Berücksichtigung
nationaler Gesetze und des Standorts der verantwortlichen Stelle
Sicherheits- und Ordnungsmäßigkeitsanforderungen (IDW RS FAIT 5 i.V. mit IDW RS FAIT 1)
Allgemeine Anforderungen (Vollständigkeit, Richtigkeit, Zeitgerechtheit,
Ordnungsmäßigkeit, Nachvollziehbarkeit, Unveränderlichkeit), Beleg-, Journal-,
Kontenfunktion, Dokumentation, Aufbewahrungspflichten
Grenzüberschreitende Datenübermittlung/Auftragsdatenverarbeitung
Sicherstellung eines angemessenen Datenschutz- und Datensicherheitsniveaus
Branchenspezifika
z.B. Bankenwesen, Medizin, Telekommunikation
Deutschland
HGB, GoBD, AO, BDSG
Europäischer
Wirtschaftsraum
RL 2006/43/EG, RL 95/46/EG,
Verordnung 2016/679
USA/Drittstaat
E-Discovery, Sarbanes-Oxley Act,
Patriot Act, US Federal/State Laws
Compliance Management
Datenschutz-Kultur
Datenschutz-Ziele
Datenschutz-Risiken
Datenschutz-Organisation
Datenschutz-Programm
Datenschutz-Kommunikation
Datenschutz-Überwachung
Datenschutzanforderungen
Subunternehmer
Service Level Agreements
Incident Response
Kontrollrechte, Audit
und Zertifizierung
Vertragsgestaltung
Vertragsbeendigung
Anbieter- und Datenlokation
Datensicherheitsanforderungen
Datensicherung und
-wiederherstellung
Anwendungssicherheit
Datenübermittlung
Security Incident Management
Sicherheitsmanagement
Zugriffsschutz
Rechenzentrumssicherheit
Compliance
Controls
Controls und Frameworks
NIST Privacy and Security Controls
ISO/IEC 27001/27017/27018 Controls
Service Organization Controls (SOC 2), SSAE 16 / ISAE 3402 / IDW PS 951
Cloud Security Alliance – Cloud Control Matrix
COSO/COBIT
ITIL
Übersicht 2 » Framework zur Bewertung eines Cloud-Services hinsichtlich Datenschutz und Datensicherheit
l62 Für eine eingehendere Betrachtung von Anforderungen an Cloud-Dienste siehe etwa „Anforderungskatalog Cloud Computing“ des Bundesamts für Sicherheit in der Informations-
technik (https://www.bsi.bund.de; Abruf: 18.07.2016).
| 01.2017 | 41
MANAGEMENT
&BERATUNG
tensicherheitsrisiken auf die Rechnungslegung rele-
vanten Bereiche adäquat abgedeckt werden.63 Ziel des
Frameworks ist es daher zu verdeutlichen, in welcher
Reihenfolge eine Bewertung vorgenommen werden
kann und welche Kriterien zu beachten sind; dazu wird
das komplexe Thema Datenschutz und Datensicherheit
im Cloud Computing kategorisiert.
5 Fazit und Ausblick
Zur Zertifizierung des Datenschutzes und der Sicherheit
von Cloud-Dienstleistern existieren verschiedene Ansät-
ze.64 Vor allem bei den in letzter Zeit entstandenen Cloud-
spezifischen Standards und Verfahren – z.B. ISO/IEC
27017 und 27018 – bleiben indes ihre Akzeptanz, Verbrei-
tung und Aussagekraft – vor allem für die Wirtschaftsprü-
fung – abzuwarten und kritisch zu beurteilen. Das hier
vorgestellte Framework bietet vor dem Hintergrund hete-
rogener Audits und Zertifikate eine Möglichkeit, die As-
pekte des Datenschutzes und der Datensicherheit zu beur-
teilen. Zu beachten ist, dass die individuellen Gegebenhei-
ten der Auslagerung in eine Cloud (Standort des
Anbieters, Art der ausgelagerten Daten und Prozesse, Ser-
vice- und Bereitstellungsmodell etc.) bei der Anwendung
berücksichtigt werden müssen.
Besonders im Bereich des Datenschutzes und des grenz-
überschreitenden Datenverkehrs fehlen verbindliche Re-
gelwerke, die die Überprüfung der Umsetzung von Daten-
schutz- und Datensicherheitsmaßnahmen regeln. Die ge-
nauen Auswirkungen der am 27.04.2016 verabschiedeten
EU-Datenschutzgrundverordnung (ersetzt die Richtlinie
95/46/EG) sowie des Mitte Juli 2016 verabschiedeten EU-
US Privacy Shield als Ersatz für das Safe-Harbor-Abkom-
men65 sind ferner noch unklar.
Die beschriebene Situation bietet dem Berufsstand der
Wirtschaftsprüfer z.B. die Chance, sich als 3rd Party Au-
ditor zu etablieren, etwa für bestehende Zertifikate. Auch
kann durch den damit einhergehenden Aufbau von Kom-
petenzen in diesem Bereich ein Mehrwert für die Ab-
schlussprüfung bzw. die Beratung geschaffen werden.66
Die Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit
werden von vielen Cloud-Services noch nicht im ausreich-
enden Maß erfüllt, so dass sich auch für die Wirtschafts-
prüfung relevante Risiken ergeben können.67 Dies macht
die Etablierung allgemein akzeptierter Standards erfor-
derlich, vor allem bei der Verwertung von Prüfungsergeb-
nissen Dritter. » DOC-ID: W1007265
»Michael Adelmeyer
Fachgebiet für Unter-nehmensrechnung undWirtschaftsinformatik,Universität Osnabrück
»Dr. Marc Walterbusch
Fachgebiet für Unter-nehmensrechnung undWirtschaftsinformatik,Universität Osnabrück
» Julian Lang
Pricewaterhouse-Coopers AGWirtschaftsprüfungs-gesellschaft, Osnabrück
»Prof. Dr. Frank Teuteberg
Fachgebiet für Unter-nehmensrechnung undWirtschaftsinformatik,Universität Osnabrück
l63 Vgl. Loczewski/General/Schwald, IT-Governance 2013, S. 7.l64 Vgl. Doubrava/Münch, a.a.O. (Fn. 58), Rn. 105.l65 Vgl. Riedel, WPg 2015, S. 1269; Bäuerle/Kessler, WPg 2016,
S. 1188.l66 Vgl. Diehl, in: Bericht über die IDW Fachtagung 1997, Düsseldorf 1998, S. 195ff.l67 Vgl. Hansen, a.a.O. (Fn. 15), S. 93.
42 | 01.2017 |
» Datenschutz und Datensicherheit im Cloud Computing
Steuern & Recht
KOMPAKT
VERSCHWIEGENHEIT DES WP
Umsetzung des neuen EU-Datenschutzrechts
Die EU-Datenschutz-Grundverordnung (VO EU 2016/679)
– im Folgenden DS-GVO – ist am 24.05.2016 in Kraft ge-
treten; sie wird ab dem 25.05.2018 in der EU unmittelbar
Geltung erlangen. Damit soll ein einheitliches Daten-
schutzniveau in der EU geschaffen werden. Bis dahin
muss der deutsche Gesetzgeber Regelungsaufträge, die
die Verordnung enthält, erfüllen. Außerdem kann er in
bestimmten Bereichen Spielräume, die die Verordnung in
Form von Öffnungsklauseln gelassen hat, nutzen. Des
Weiteren haben die EU-Mitgliedstaaten die Datenschutz-
richtlinie (EU) 2016/680 umzusetzen.
Um ein reibungsloses Zusammenspiel der DS-GVO und
der Richtlinie (EU) 2016/680 mit dem stark ausdifferen-
zierten deutschen Datenschutzrecht sicherzustellen, ist
es nach Auffassung des Bundesministeriums des Inne-
ren (BMI) erforderlich, das bisherige Bundesdaten-
schutzgesetz (BDSG) abzulösen. Das BMI hat deshalb am
23.11.2016 den „Referentenentwurf eines Datenschutz-
Anpassungs- und -Umsetzungsgesetzes EU“ zur Anhö-
rung vorgelegt.
Europäische und nationale Rechtsgrundlagen im
Überblick
» Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum
Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten, zum freien Datenver-
kehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG
(Datenschutz-Grundverordnung), ABl. EU Nr. L 119
vom 04.05.2016, S. 1.
» Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parla-
ments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz
natürlicher Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten durch die zuständigen
Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung,
Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder
der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenver-
kehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses
2008/977/JI des Rates, ABl. EU Nr. L 119 vom 04.05.
2016, S. 89.
» (Entwurf für ein) Gesetz zur Anpassung des Daten-
schutzrechts an die Datenschutz-Grundverordnung
(Verordnung (EU) 2016/679) und zur Umsetzung
der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpas-
sungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU).
IDW zum Entwurf des BMI zum Datenschutzrecht
Das IDW hat sich am 07.12.2016 in einer Eingabe an das
BMI zu diesem Referentenentwurf geäußert. Es setzt sich
darin mit konkreten Formulierungsvorschlägen für einen
umfassenden Schutz der beruflichen Verschwiegenheits-
pflicht des Wirtschaftsprüfers ein.
Zentrale Norm für den Berufsstand ist § 26 BDSG-E, der
Informations- und Auskunftsrechte von Personen, deren
Daten erhoben wurden („betroffene Personen“), zuguns-
ten der Verschwiegenheitspflicht von Berufsträgern ein-
schränkt. Außerdem schränkt § 26 Befugnisse von Auf-
sichtsbehörden ein.
» Die sog. Öffnungsklausel des Art. 23 Abs. 1 der DS-GVO
erlaubt Beschränkungen der verschiedenen Informa-
tions-, Auskunfts- und Korrekturrechte in den Art. 5, 12
bis 22 sowie 34 DS-GVO. Das BMI hat davon aber nur
in sehr eingeschränktem Umfang Gebrauch gemacht.
Das IDW hat für eine Ausweitung der Beschränkungen
plädiert und mit Bezug auf das weitreichende Informa-
tionsrecht der betroffenen Personen in Art. 13 DS-GVO
eine konkrete Formulierung vorgeschlagen.
| 01.2017 | 43
STEUERN&RECHT
» Artikel 23 Abs. 1 Buchst. g DS-GVO erlaubt Beschrän-
kungen zum Schutz der „berufsständischen Regeln
reglementierter Berufe“. Da der Entwurf diese
Möglichkeit nicht erwähnt, hat das IDW den Bezug
auf Art. 23 Abs. 1 Buchst. g DS-GVO gefordert.
» Der Entwurf lässt offen, ob neben der gesetzlichen
Verschwiegenheitspflicht auch die vertragliche Ver-
schwiegenheitspflicht geschützt ist. Das IDW hat einen
Formulierungsvorschlag unter Einbeziehung der
vertraglichen Verschwiegenheitspflicht unterbreitet.
» Der Entwurf schränkt zwar begrüßenswerterweise die
Befugnisse der Aufsichtsbehörden im Umgang mit
Daten, die der Verschwiegenheitspflicht des Wirt-
schaftsprüfers unterliegen, ein. Allerdings ist die For-
mulierung nach Auffassung des IDW nicht klar genug.
» In diesem Zusammenhang bittet das IDW um Klar-
stellung, dass auch die Befugnisse der Strafverfolgungs-
behörden durch die berufsrechtliche Verschwiegen-
heitspflicht begrenzt sind (vgl. § 43 DS-GVO und § 97
StPO). » DOC-ID: W1007503
» Referentenentwurf des BMI mit Stand vom 23.11.2016 unter
www.idw.de (Stellungnahmenfrist: zwei Wochen).
» IDW Eingabe an das BMI vom 07.12.2016 (www.idw.de); zuvor
bereits IDW Eingabe vom 07.07.2016 (WPg 2016, S. 933).
REZENSION
Familienunternehmen und Unternehmerfamilien
Der deutsche Mittelstand wird ganz überwiegend von Familienunternehmen bestimmt. Nicht zuletzt deshalb wird die-
ser Typ eines Unternehmens als Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft angesehen. Vor diesem Hintergrund analysiert
das aus 34 Personen bestehende Autorenteam betriebswirtschaftliche, gesellschaftsrechtliche und steuerliche Aspekte
von Familienunternehmen. Die Motivation zu diesem Kompendium erklärt sich dabei durch die Tatsache, dass das
unternehmerische Wirken eines Familienunternehmens nicht nur Einfl uss auf das Unternehmen und dessen betriebs-
wirtschaftlichen Erfolg hat, sondern auch auf den privaten Zusammenhalt der Familie als tragendem Element einwirkt.
Vor diesem Hintergrund geben die Autoren auf insgesamt 872 Seiten einen abstrakten Einblick in deutsche Unterneh-
merfamilien, der in praktischer Hinsicht auch auf den eigenen Beratungserfahrungen basiert. Ziel des Kompendiums ist
es, dem Leser eine praxisnahe Darstellung an die Hand zu geben und weitergehende Fragen durch umfassende Litera-
turhinweise zu erschließen.
Die insgesamt 16 Unterkapitel zur Abgrenzung der Familienunternehmen von anderen Unternehmen sowie zur Unter-
nehmerfamilie tragen zur fachlichen Qualität des Werks bei. Das Autorteam hat dabei den bis Mai 2016 geltenden
Wissensstand berücksichtigt. Nicht zuletzt aus diesem Grund kann das Werk jedem Benutzer, der sich mit betriebswirt-
schaftlichen, gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Fragen von Familienunternehmen beschäftigt, als aktuelles und
auch für fachübergreifende Studien geeignetes Werk empfohlen werden. Aufgrund der Fülle der verarbeiteten Informa-
tionen kann es dem mit diesem Thema vertrauten Anwender ebenso nahegelegt werden wie dem auf rein theoretischer
Basis befassten Wissenschaftler. » Wolfgang Schmidt
» Rechenberg, Wolf-Georg Freiherr von / Thies, Angelika / Wiechers, Heiko (Hrsg.): Handbuch Familienunternehmen und Unternehmer-
familien. – Stuttgart : Schäffer Poeschel Verlag 2016. – 872 S. – € 99,95
44 | 01.2017 |
ANALYSE
Erstes Urteil des BAGzumMindestlohngesetz
Von RAin Jana Jocksch, LL.M., und RA Dr. Uwe Schlegel
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) klärt in seiner ersten Entscheidung zum Mindestlohngesetz
(MiLoG) eine Reihe grundlegender Rechtsfragen des noch jungen Gesetzes. Vor allem geht das
Gericht der Frage nach, inwieweit Sonderzahlungen auf den gesetzlichen Mindestlohn von bislang
8,50 Euro je Zeitstunde – ab dem 01.01.2017 wird sich der gesetzliche Mindestlohn auf 8,84 Euro
brutto/Stunde erhöhen – Anrechnung finden können. Wir möchten dem in unserem Beitrag nach-
gehen und aufzeigen, welche praktischen Konsequenzen dem Urteil des BAG folgen.
1 Einleitung
„Sonderzahlungen sind auf Mindestlohn anre-
chenbar.“ So titelte ZEIT ONLINE am 25.05.2016.1
Weiterhin heißt es in dem Beitrag: „Arbeitgeber
dürfen laut einem Urteil das Urlaubs- und Weih-
nachtsgeld heranziehen, um die Lohnuntergrenze
von 8,50 Euro zu erreichen.“ So oder so ähnlich
formulierten es Autoren der Tagespresse in einer
Vielzahl von Veröffentlichungen, wenn es um die
erste Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
(BAG) zum Mindestlohngesetz (MiLoG) ging.2
Nachdem das Urteil des 5. Senats des BAG nun-
mehr mit Entscheidungsgründen veröffentlicht
worden ist, liest sich die Sache ein wenig anders.
Das war schon aufgrund der vorangegangenen
Pressemitteilung des BAG zu vermuten.3
2 Darlegungs- und Beweislast des Arbeit-
nehmers hinsichtlich tatsächlich geleisteter
Arbeitsstunden
Unter Hinweis auf § 1 Abs. 2 i.V. mit §§ 20 und 1
Abs. 1 MiLoG weist das BAG eingangs seiner Ent-
scheidung darauf hin, dass der Anspruch auf den
gesetzlichen Mindestlohn mit jeder geleisteten Ar-
beitsstunde entstehe. Dies mache es für den be-
troffenen Arbeitnehmer notwendig, die von ihm
tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden schlüssig
darzulegen. Hierfür genüge eine aus dem Durch-
schnitt eines Zeitraums ermittelte Stundenzahl
nicht.4 Das kann vor allem in Fällen, in denen hin-
sichtlich der Arbeitszeit keine Aufzeichnungs-
pflicht besteht, für Arbeitnehmer gegebenenfalls
zu praktischen Schwierigkeiten bei der Durchset-
l1 www.zeit.de (Abruf: 27.10.2016).l2 BAG, Urteil vom 25.05.2016 – 5 AZR 135/16, juris.l3 Pressemitteilung des BAG 24/16 vom 25.05.2016 (http://juris.bun-
desarbeitsgericht.de; Abruf: 27.10.2016).l4 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.1. der Entscheidungsgründe.
| 01.2017 | 45
STEUERN&RECHT
Keywords:
Mindestlohn
Arbeitslohn
Weihnachtsgeld
Sonderzahlung
Überstundenzuschlag
zung ihrer Ansprüche auf den gesetzlichen Min-
destlohn führen.
3 Unbedingter Entgeltanspruch
Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG beträgt der gesetz-
liche Mindestlohn bislang 8,50 Euro brutto „je
Zeitstunde“.5 Das BAG macht in seiner Entschei-
dung darauf aufmerksam, dass der Vergütungs-
anspruch des Arbeitnehmers nicht von der zeitli-
chen Lage der Arbeit abhänge. Auch verlange
der Mindestlohn nicht nach einem mit der Ar-
beitsleistung des Arbeitnehmers verbundenen
Erfolg. Schließlich komme es auch nicht auf die
Umstände an, unter denen die Arbeitsleistung
erbracht wird.6
4 Anspruch auf Mindestlohn als gesetzlicher
Anspruch/Anspruch auf Differenzvergütung
Das BAG ist mit der bislang ganz überwiegenden
Meinung im Schrifttum der Auffassung, dass der
Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ein ge-
setzlicher Anspruch sei.7 Das MiLoG schaffe eine
eigenständige Anspruchsgrundlage auf Mindest-
lohn für alle Arbeitnehmer.8 Das BAG sieht, dass
der Gesetzgeber mit dem Begriff „Lohn“ eine
nicht mehr zeitgemäße Terminologie verwende;
keinesfalls bedeute das aber, dass der gesetzliche
Mindestlohn nur dem gewerblichen Arbeitneh-
mer bzw. Arbeiter zustehe.9
Der Anspruch auf Mindestlohn – so das BAG –
trete neben den arbeits- oder tarifvertraglichen
Entgeltanspruch. Das MiLoG greife in die Entgelt-
vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien und
etwaig anwendbare Entgelttarifverträge nur inso-
weit ein, als sie den Anspruch auf Mindestlohn
unterschreiten. § 3 MiLoG führe bei Unterschrei-
ten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem ent-
sprechenden Differenzanspruch.10
Bei der Frage, ob ein Anspruch auf Differenzver-
gütung entstanden ist, scheiden nach Einschät-
zung des BAG längere Berechnungszeiträume als
ein Kalendermonat aus.11 Damit stellt sich das
BAG gegen eine im Schrifttum vertretene Auffas-
sung, die eine zweimonatliche Berechnung der
Differenzvergütung befürwortet.12 Das BAG ver-
weist darauf, dass mit dem MiLoG dem in Voll-
zeit tätigen Arbeitnehmer ein Monatseinkom-
men oberhalb der Pfändungsfreigrenze gesichert
werden solle. Daher regele § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
MiLoG die Fälligkeit des Mindestlohns spätestens
am letzten Bankarbeitstag des Monats, der auf
den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung
erbracht wurde.13
5 Erfüllung des Mindestlohnanspruchs
Hinsichtlich der Erfüllung des Anspruchs des Ar-
beitnehmers auf den gesetzlichen Mindestlohn
weist das BAG darauf hin, dass Erfüllung eintre-
te, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte
Bruttovergütung den Betrag erreiche, der sich
aus der Multiplikation der Zahl der in diesem
Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit
8,50 Euro ergäbe. Auch verspätete Zahlungen
könnten Erfüllungswirkung haben. Dies belege
§ 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG, wonach der Arbeitgeber
ordnungswidrig handelt, wenn er den Mindest-
lohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt.14 Leistet
der Arbeitgeber den Mindestlohn nach Fälligkeit
(§ 2 Abs. 1 MiLoG), kann der Arbeitnehmer dem-
nach Verzugszinsen sowie den Ersatz eines sons-
tigen Verzugsschadens nach §§ 288, 286 Abs. 2
Nr. 1 BGB verlangen.15
Im Zusammenhang mit der Erfüllung des gesetzli-
chen Mindestlohns nach § 362 Abs. 1 BGB ist das
BAG der Auffassung, dass der Gesetzesbegriff des
Mindestlohns der Auslegung bedürfe. Das BAG
geht davon aus, dass es sich wegen des in § 1
Abs. 1 MiLoG verwendeten Begriffs des Mindest-
Das BAG geht davon aus, dass es sich wegen
des in § 1 Abs. 1 MiLoG verwendeten
Begriffs des Mindestlohns um eine Brutto-
entgeltschuld des Arbeitgebers handele.
l5 Ab dem 01.01.2017 wird sich der gesetzliche Mindestlohn auf 8,84 Euro brutto/Stunde erhöhen.l6 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)dd)(1).l7 BAG, a.a.O. (Fn. 2),
II.2.b); so auch Riechert/Nimmerjahn, MiLoG, Komm., München 2015, § 1, Rn. 2, u.v.m.l8 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)aa).l9 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)dd)(1).
l10 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b).l11 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)bb); ebenso Kocher, AuR 2015, S. 173 (175).l12 Lembke, NZA 2015, S. 70 (74); Waltermann, AuR
2015, S. 166 (171).l13 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)bb).l14 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)cc).l15 So BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)cc).
46 | 01.2017 |
» Erstes Urteil des BAG zumMindestlohngesetz
lohns und der in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG bestimm-
ten Höhe des Mindestlohns in Form eines Brutto-
betrags bei dem Mindestlohn um eine Bruttoent-
geltschuld des Arbeitgebers handele.16 Der Arbeit-
geber schuldet dem Arbeitnehmer somit eine
Entgeltleistung in Form von Geld. Bei einer Geld-
schuld wird die geschuldete Leistung grundsätz-
lich nur dann bewirkt, wenn der Gläubiger den
ihm zustehenden Geldbetrag endgültig zur freien
Verfügung übereignet oder überwiesen erhält.
Aus diesem Grund erfüllt der Arbeitgeber nach
Einschätzung des BAG den Anspruch auf den ge-
setzlichen Mindestlohn nur dann, soweit die dem
Arbeitnehmer gewährten Entgeltzahlungen dem
Arbeitnehmer endgültig verbleiben.17
6 Vor allem: Sonderzahlungen und
gesetzlicher Mindestlohn
6.1 Grundsätzliches zur Berücksichtigung
von Geldleistungen
Für das BAG gilt schon nach den bislang aufge-
zeigten Überlegungen des Gerichts ein umfassen-
der Entgeltbegriff. Generell sind demnach alle im
arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis (sog.
Synallagma) stehenden Geldleistungen des Arbeit-
gebers geeignet, den Anspruch des Arbeitnehmers
auf den gesetzlichen Mindestlohn zu erfüllen.18
Das BAG weist darauf hin, dass es nur solchen
Zahlungen an einer Erfüllungswirkung fehle, die
der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsäch-
liche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt
oder die auf einer besonderen gesetzlichen
Zweckbestimmung beruhen. In diesem Zusam-
menhang verweist das BAG ausdrücklich auf die
gesetzliche Regelung in § 6 Abs. 5 ArbZG, wonach
der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Falle soge-
nannter Nachtarbeit einen angemessenen Zu-
schlag auf das dem Arbeitnehmer zustehende
Bruttoarbeitsentgelt schuldet.19 Diesen Hinweis
des Gerichts kann man nur so verstehen, dass das
BAG davon ausgeht, dass der etwaig geschuldete
Zuschlag für Nachtarbeit dem gesetzlichen Min-
destlohn hinzuzurechnen ist.20
6.2 Das Urteil des BAG: Der maßgebliche
Sachverhalt
Der Hinweis des BAG, dass ein umfassender Ent-
geltbegriff maßgeblich sei, beantwortet für sich
noch nicht die Frage, welche Sonderzahlung im
Einzelfall Anrechnung auf den gesetzlichen Min-
destlohn findet. Schon für die in dem durch das
BAG entschiedenen Fall zur Diskussion stehende
Jahressonderzahlung bedarf es nach den Ausfüh-
rungen des Gerichts einer differenzierten Be-
trachtung. Um das anschaulich zu machen, soll
zunächst noch einmal der der Entscheidung des
BAG zugrunde liegende Sachverhalt in seinem
Kern geschildert werden.
In dem durch das BAG entschiedenen Fall erhielt
die Klägerin, eine Mitarbeiterin in einer Cafeteria
der Beklagten, eine monatliche Grundvergütung
in Abhängigkeit von den durch sie geleisteten Ar-
beitsstunden. Weiterhin erhielt die Klägerin di-
verse Zuschläge, u.a. für Überstunden sowie für
Arbeit an Sonn- und Feiertagen. Schließlich wand-
te die Beklagte der Klägerin zweimal jährlich im
Mai bzw. November eines jeden Jahres jeweils ein
halbes Bruttomonatsgehalt zu, welches als Ur-
laubs- bzw. Weihnachtsgeld bezeichnet wurde.
Weiterhin sah der Arbeitsvertrag zwischen den
Parteien vor, dass sich die Sonderzahlungen um
1/12 für jeden Kalendermonat, in dem kein Ar-
beitsverhältnis bestanden hat oder für den keine
Bezüge beansprucht werden, vermindern sollte.
Im Dezember 2014 schloss die Beklagte mit dem
im Betrieb gebildeten Betriebsrat eine „Betriebs-
vereinbarung Inkrafttreten Mindestlohngesetz“,
die u.a. bestimmt, dass die arbeitsvertraglich ver-
einbarten Jahressonderzahlungen i.H. von 1/12
für jeden Kalendermonat zur betriebsüblichen
Fälligkeit der Monatsvergütung zur Zahlung fällig
sein sollen. Im Übrigen erhielt die Klägerin zu-
letzt einen Stundenlohn von 8,00 Euro sowie ein
Bruttogehalt von 1.391,36 Euro. Einschließlich der
erwähnten Zuschläge zahlte die Beklagte an die
Klägerin 1.507,30 Euro.
l16 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)dd)(1).l17 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)(dd)(2).l18 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)(dd)(3).l19 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)(dd)(3).l20 Ebenso
ErfK/Franzen, Komm., 16. Aufl., München 2016, § 1 MiLoG, Rn. 13; NK-GA/Forst, Komm., Baden-Baden 2016, § 1 MiLoG, Rn. 10, u.v.m.
| 01.2017 | 47
STEUERN&RECHT
6.3 Erfüllungswirkung der Sonderzahlungen
im konkreten Fall
Der geschilderte Sachverhalt hat das BAG veran-
lasst, davon auszugehen, dass die erwähnten Jah-
ressonderzahlungen Anrechnung auf den gesetzli-
chen Mindestlohn finden. Das BAG führt aus, dass
den vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem
Kalendermonat zu 1/12 geleisteten Jahressonder-
zahlungen Erfüllungswirkung zukomme. Bei den
Sonderzahlungen handele es sich um eine im ar-
beitsvertraglichen Austauschverhältnis stehende
Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Ar-
beitnehmer erbrachte Arbeit. Einer besonderen
gesetzlichen Zweckbestimmung unterlägen die
Jahressonderzahlungen nicht.21
6.4 Sonderzahlungen anlässlich des
Weihnachtsfestes
Das Urteil des BAG lässt keinesfalls den Schluss
zu, dass Sonderzahlungen allgemein auf den ge-
setzlichen Mindestlohn angerechnet werden dür-
fen. Maßgeblich ist vor allem die Aussage des Ge-
richts, wonach alle im Synallagma stehenden
Geldleistungen des Arbeitgebers geeignet sind,
den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu
erfüllen.22 Wenn man dies am Beispiel der anläss-
lich des Weihnachtsfestes vom Arbeitgeber geleis-
teten Sonderzahlung durchdenkt, so ergeben sich
aus unserer Sicht folgende Konsequenzen:
a. Eine vom Arbeitgeber lediglich freiwillig ge-
zahlte Sonderzuwendung kann nicht auf den
Mindestlohn angerechnet werden. Eine Er-
füllungswirkung kann nur dann angenommen
werden, wenn es sich um eine Zahlung des Ar-
beitgebers handelt, auf die der Arbeitnehmer
unter rechtlichen Gesichtspunkten betrachtet
einen Anspruch hat.23
b. Verknüpft der Arbeitgeber die im zeitlichen
Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest er-
folgende Zahlung zu Gunsten des Arbeitneh-
mers mit dem Erfordernis einer Betriebstreue,
so kann die Sonderzahlung nach unserer Ein-
schätzung ebenfalls keine Anrechnung auf den
gesetzlichen Mindestlohn finden. Hier erfolgt
die Zuwendung nicht mit dem Zweck, die Ar-
beitsleistung des Arbeitnehmers zu vergüten.24
c. Erhält der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber ein
sogenanntes 13. Gehalt, so wird dem in aller
Regel mit Blick auf den gesetzlichen Mindest-
lohn Erfüllungswirkung beigemessen werden
können. Allerdings besteht dann immer noch
das Problem der Fälligkeit (§ 2 MiLoG). Der Ar-
beitgeber kann mit einer z.B. im November ei-
nes Jahres erfolgenden Entgeltzahlung in Form
eines 13. Gehalts nicht eine mit Blick auf den
gesetzlichen Mindestlohn etwaig rückständige
Vergütung aus den Vormonaten ausgleichen.
Es droht ein bußgeldbewehrter Verstoß gegen
des MiLoG (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 MiLoG).
6.5 Weitere Sonderzahlungen
Im Übrigen ist aus unserer Sicht für mögliche wei-
tere Sonderzahlungen wie folgt zu entscheiden:
a. Trinkgelder können selbstverständlich keine
Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohn
finden, denn hierbei handelt es sich nicht um
eine Leistung des Arbeitgebers.25
b. Der sogenannte Kita-Zuschuss dürfte ebenfalls
keine Anrechnung finden, denn durch diesen
wird nicht die Arbeitsleistung des Arbeitneh-
mers belohnt; vielmehr wird berücksichtigt,
dass der Arbeitnehmer Aufwendungen für die
Betreuung seiner Kinder zu tragen hat.
c. Eine Erholungsbeihilfe im Rahmen der steuer-
lich anerkannten Grenzen (§ 40 Abs. 3 Nr. 3
EStG) kann nach unserer Einschätzung eben-
falls nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn an-
gerechnet werden, denn mit der Zahlung dieser
Beihilfe will der Arbeitgeber dem Umstand
Rechnung tragen, dass dem Arbeitnehmer
während der Urlaubszeit zusätzlicher Aufwand
entsteht, an dem sich der Arbeitgeber mit der
Gewährung der Beihilfe beteiligen möchte.26
Das Urteil des BAG lässt keinesfalls den
Schluss zu, dass Sonderzahlungen
allgemein auf den gesetzlichen Mindest-
lohn angerechnet werden dürfen.
l21 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.c).l22 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)(dd)(3).l23 Ebenso NK-GA/Forst, a.a.O. (Fn. 20).l24 So auch NK-GA/Frost, a.a.O. (Fn. 20), Rn. 11.
l25 Schubert/Jerchel/Düwell, MiLoG, Baden-Baden 2015, Rn. 140 (S. 77), u.v.m.l26 So im Ergebnis auch NK-GA/Forst, a.a.O. (Fn. 20), Rn. 10.
48 | 01.2017 |
» Erstes Urteil des BAG zumMindestlohngesetz
d. Bei Schmutz- und Gefahrenzulagen ist die
Rechtslage unserer Auffassung nach aktuell
nicht eindeutig. Zahlt der Arbeitgeber einer
Reinigungskraft beispielsweise mit Blick auf
den außergewöhnlich hohen Grad der Ver-
schmutzung der zu reinigenden Gegenstände
ein zusätzliches Entgelt, kann das durchaus auf
den gesetzlichen Mindestlohn Anrechnung fin-
den. In einem solchen Fall vergütet der Arbeit-
geber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers.27
e. Auch Zahlungen des Arbeitgebers zur Verbes-
serung der Altersversorgung können wegen
der mit der Leistung verbundenen Zweckset-
zung keine Anrechnung auf den gesetzlichen
Mindestlohn finden.28
7 Zuschläge für Überstunden-, Sonn- und
Feiertage
Das BAG ist der Auffassung, dass die klagende Ar-
beitnehmerin auch hinsichtlich der von ihr er-
langten Zuschläge für Überstunden sowie Sonn-
und Feiertagsarbeit gesetzeskonform entlohnt
wurde. Das Gericht meint, dass die genannten Zu-
schläge nicht auf der Grundlage der in § 1 Abs. 2
Satz 1 MiLoG bestimmten 8,50 Euro, sondern al-
lein unter Beachtung des vertraglich vereinbarten
Bruttostundenentgelts von vorliegend 8,00 Euro
zu berechnen seien. Die Zuschlagspflicht für Über-
stunden sowie Arbeit an bestimmten Tagen folgt
für das BAG ausschließlich aus dem zwischen den
Parteien vereinbarten Arbeitsvertrag; daran habe
das MiLoG nichts geändert.29 Im Übrigen stünden
der Klägerin aufgrund des MiLoG keine weiteren
Überstundenvergütungen zu. In den Monaten, in
denen die Klägerin Überstunden geleistet habe,
habe die Beklagte den gesetzlichen Mindestlohn
durch Zahlung des Bruttomonatsgehalts sowie
der genannten Zuschläge erfüllt.30
Vorstehendes führt auf den ersten Blick zu einem
überraschenden Ergebnis. In dem vom BAG ent-
schiedenen Fall hatte der beklagte Arbeitgeber
der Klägerin über mehrere Monate hinweg eine
Vergütung von jeweils insgesamt 1.507,30 Euro
gezahlt. Hinsichtlich geleisteter Überstunden-,
Sonn- und Feiertagszuschläge hatte der Arbeitge-
ber den vertraglichen Bruttostundenlohn i.H. von
8,00 Euro zugrunde gelegt. Das alles beanstandet
das BAG nicht. Das Gericht geht nämlich davon
aus, dass hinsichtlich eines jeden einzelnen Mo-
nats der Anspruch des Arbeitnehmers auf Zah-
lung des gesetzlichen Mindestlohns erfüllt wurde.
8 Zusammenfassung
Mit seiner ersten Entscheidung zum MiLoG klärt
das BAG eine Reihe grundlegender Fragen zum
gesetzlichen Mindestlohn. Die vom Gericht aufge-
zeigten dogmatischen Grundlagen zeichnen zu-
gleich die von ihm im konkreten Fall gefundenen
Ergebnisse vor. Zentral scheint uns der Satz des
Gerichts zu sein, wonach der Arbeitgeber den
Anspruch des Arbeitnehmers auf den gesetzli-
chen Mindestlohn grundsätzlich dann erfüllt,
wenn er im jeweiligen Kalendermonat eine Brut-
tovergütung zahlt, die den Betrag erreicht, der
sich aus der Multiplikation der Zahl der in die-
sem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstun-
den mit 8,50 Euro ergibt. » DOC-ID: W1007439
» Jana Jocksch, LL.M.
ETL RechtsanwälteGmbH Rechtsanwalts-gesellschaft, Köln
»Dr. Uwe Schlegel
ETL RechtsanwälteGmbH Rechtsanwalts-gesellschaft, Köln
l27 Anderer Ansicht wohl NK-GA/Forst, a.a.O. (Fn. 20, Rn. 10.l28 Im Ergebnis ebenso Schubert/Jerchel/Düwell, a.a.O. (Fn. 25).l29 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.4.
l30 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.5.
| 01.2017 | 49
STEUERN&RECHT
ANALYSE
Ist die deutsche Streubesitz-dividendenbesteuerung
weiterhin europarechtswidrig?Von StB Thomas Kollruss
Auch nach Einfügung des § 8b Abs. 4 KStG spricht vieles dafür, dass die deutsche Streubesitzdivi-
dendenbesteuerung weiterhin europarechtswidrig ist. Hintergrund ist eine fehlende Verzahnung
von § 8b Abs. 4 KStG mit dem DBA-Recht. Die unilaterale Regelung des § 8b Abs. 4 KStG ist auch
nicht in der Lage, eine europarechtskonforme Streubesitzdividendenbesteuerung herzustellen,
da die Norm vor allem nicht die Besteuerung an der Quelle regelt. Im Spannungsfeld zwischen
Europa- und Abkommensrecht bietet sich daher die Aufhebung des § 8b Abs. 4 KStG an. Neben
einer europarechtskonformen Besteuerung von Streubesitzdividenden könnte dadurch auch die
Eigenkapitalfinanzierung – gegenüber der Gesellschafter-Fremdfinanzierung – in deutsche Kapi-
talgesellschaften gestärkt werden.
1 Problemstellung
In Reaktion auf das Urteil des EuGH vom 20.10.
2011 – C-284/09 (Kommission/Deutschland)1 und
zur Weiterführung der abgeltenden Erhebung
deutscher Kapitalertragsteuer auf Streubesitzdi-
videnden2, 3, die von deutschen Kapitalgesellschaf-
ten an beschränkt steuerpflichtige Körperschaf-
ten4 gezahlt werden (sog. Inbound-Streubesitzdi-
videnden), hat der Gesetzgeber § 8b Abs. 4 KStG
als „Lösung“ eingeführt. Die Regelung schließt die
Beteiligungsertragsbefreiung nach § 8b Abs. 1
Satz 1 KStG für Streubesitzdividenden aus, die in
Deutschland im Rahmen der Veranlagung be-
steuert werden („inländische“ Empfänger der
Streubesitzdividende). Vor allem für unbe-
schränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften
als Empfänger einer inländischen Streubesitzdivi-
dende führt § 8b Abs. 4 KStG zu einer massiven
wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Insgesamt
stellt sich die Frage nach der tatsächlichen Wirk-
kraft der deutschen Streubesitzdividendenbe-
steuerung (§ 8b Abs. 4 KStG, § 43 EStG); dies des-
halb, weil der Gesetzgeber abkommensrechtliche
Aspekte bei der Konzeption von § 8b Abs. 4 KStG
nicht beachtet hat. Die Einordnung der Streube-
sitzdividendenbesteuerung nach § 8b Abs. 4 KStG
in das System der abkommensrechtlichen Rege-
lungen ist nicht gelungen. Die deutsche Streube-
l1 Vgl. EuGH-Urteil vom 20.10.2011 – C-284/09 (Kommission/Deutschland), DStR 2011, S. 2038; allgemein Rehr, DStR 2015, S. 1481ff.l2 (Nenn-)Kapitalbeteili-
gung < 10%.l3 Vgl. BT-Drucks. 17/10604 vom 05.09.2012, S. 22.l4 Unter Berücksichtigung von § 44a Abs. 9 EStG und außerhalb von Fällen des § 50d Abs. 3
EStG beträgt die finale deutsche Kapitalertragsteuerbelastung 15% der Bruttodividende.
50 | 01.2017 |
Keywords:
Streubesitzdividende
DBA-Recht
Europarecht
Kapitalertragsteuer
sitzdividendenbesteuerung enthält kein Treaty
Override.5 Der Gesetzgeber hat per se angenom-
men, dass Deutschland bei diesen Streubesitz-
dividenden (Nennkapitalbeteiligung < 10%) ab-
kommensrechtlich das Besteuerungsrecht hat,
vor allem für einen in Deutschland ansässigen
Streubesitzdividendenempfänger. Aber auch für
Ausschüttungen von Streubesitzdividenden durch
eine in Deutschland ansässige Körperschaft/Ka-
pitalgesellschaft hat der deutsche Gesetzgeber
faktisch ein abkommensrechtliches Quellenbe-
steuerungsrecht unterstellt (Erhebung deutscher
Kapitalertragsteuer gemäß Art. 10 Abs. 2 DBA
OECD-MA). Beides muss aber nicht der Fall sein.
Der vorliegende Beitrag zeigt erstmals eine Kon-
stellation bei Streubesitzdividenden auf, bei der
§ 8b Abs. 4 KStG i.V. mit § 43 EStG aufgrund sei-
ner fehlenden Abstimmung mit Abkommensrecht
faktisch nicht zur Wirkung kommt. Betroffen sind
in- und ausländische Streubesitzbeteiligungen,
die abkommensrechtlich unter Art. 21 DBA OECD-
MA sowie den verlängerten Betriebsstättenvorbe-
halt fallen (Art. 21 Abs. 2 DBA OECD-MA). Die
deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung ist
konzeptionell und systematisch nicht mit dem
DBA-Recht abgestimmt worden. Der vorliegende
Beitrag zeigt die abkommenssystematischen Defi-
zite der deutschen Streubesitzdividendenbesteue-
rung auf und geht auf eine etwaige partielle Eu-
roparechtswidrigkeit ein.
2 Inländische Streubesitzdividende, die unter
Art. 21 Abs. 2 DBA OECD-MA fällt
2.1 Fallbeispiel
Zunächst wird der Fall einer inländischen Streu-
besitzdividende betrachtet, die abkommensrecht-
lich unter Art. 21 Abs. 2 DBA OECD-MA fällt. Als
konkretes Beispiel dient hier eine deutsche Kapi-
talgesellschaft (KapG), die in einer Betriebsstätte
(BSt) in einem ausländischen6 DBA-Staat eine Be-
teiligung an einer deutschen GmbH i.H. von 6%
hält (Nennkapitalbeteiligung) und von dieser Di-
videnden empfängt. Abkommensrechtlich liegt
eine Dividende aus dem Ansässigkeitsstaat
Deutschland vor. Die Beteiligung soll funktional
zur ausländischen Betriebsstätte der deutschen
Kapitalgesellschaft gehören (vgl. Übersicht 1).7
6%
KapG
BSt
Deutschland DBA-Ausland
GmbH
Übersicht 1 » Inländische Streubesitzdividende nach Art. 21
Abs. 2 DBA OECD-MA
2.2 Deutsche Streubesitzdividenden-
besteuerung (§ 8b Abs. 4 KStG, § 43 EStG)
Nachfolgend wird die deutsche Streubesitzdivi-
dendenbesteuerung vor dem Hintergrund des
DBA-Rechts analysiert und diskutiert. Dabei wird
von dem Fallbeispiel in Übersicht 1 ausgegangen.
Ohne Berücksichtigung des DBA-Rechts und sei-
nes Systems bzw. der Annahme, dass das DBA-
Recht die deutsche Streubesitzdividendenbesteue-
rung nicht limitiert, ergeben sich die folgenden er-
tragsteuerlichen Implikationen:
(i) Erhebung einer Kapitalertragsteuer (Quellen-
steuer) i.H. von 25% auf den Bruttobetrag
der Streubesitzdividende ohne Abgeltungs-
wirkung (§§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 43a Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG, § 32 KStG).
(ii) Steuerpflicht der Brutto-Streubesitzdividende
gemäß § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG auf der Ebene
der deutschen Empfänger-Kapitalgesellschaft
(KSt = 15%) unter Anrechnung der Kapitaler-
tragsteuer (25%) gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG,
sodass die finale Körperschaftsteuerbelastung
der Brutto-Streubesitzdividende 15% beträgt.
Ob die genannten Steuerfolgen tatsächlich so ein-
treten, hängt vom DBA-Recht ab. In Bezug auf das
Fallbeispiel scheidet die gewerbesteuerliche Er-
l5 § 8b Abs. 1 Satz 3 i.V. mit Satz 2 KStG greift nur für solche Fälle, bei denen die Ausschüttung das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert hat.
l6 Beispielsweise eine niederländische Betriebsstätte.l7 Vgl. allgemein FG Münster vom 15.12.2014 – 13 K 624/11 F, EFG 2015, S. 704 (Rev. BFH: I R 10/15);
Schulz-Trieglaff, IStR 2015, S. 717ff.; BFH-Beschluss vom 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, S. 510; BFH-Urteil vom 24.08. 2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014,
S. 764; Rust, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., München 2015, Art. 21, Rn. 1, 49.
| 01.2017 | 51
STEUERN&RECHT
fassung der Streubesitzdividende in Deutschland
bereits nach innerstaatlichem Steuerrecht aus
(§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewStG). Für den Dividen-
denempfänger ist diese Beteiligungsstruktur da-
her von Vorteil.
2.3 DBA-Recht (Art. 21 Abs. 2 DBA OECD-MA)
und Streubesitzdividendenbesteuerung
Nun soll der zentrale Aspekt der abkommens-
rechtlichen Behandlung der Streubesitzdividende
berücksichtigt werden und diese mit der (inten-
dierten) deutschen Streubesitzdividendenbesteue-
rung zusammengebracht werden. Wie bereits er-
wähnt, schränkt die innerstaatliche Streubesitzdi-
videndenbesteuerung nicht die Anwendung der
DBA-Regelungen ein (kein Treaty Override). Zwi-
schen Deutschland und dem ausländischen Be-
triebsstättenstaat besteht ein DBA nach Maßgabe
des OECD-MA.8
Im Fallbeispiel (Übersicht 1) fällt die Streube-
sitzdividende abkommensrechtlich nicht unter
Art. 10 DBA OECD-MA (Dividendenartikel), da sie
von einer in Deutschland ansässigen Kapitalge-
sellschaft an eine Kapitalgesellschaft gezahlt
wird, die ebenfalls in Deutschland ansässig ist
(Art. 4 Abs. 3 DBA OECD-MA) und nicht im aus-
ländischen Betriebsstättenstaat. Abkommens-
rechtlich stammt die Streubesitzdividende somit
aus dem Ansässigkeitsstaat der Empfänger-Kapi-
talgesellschaft (Deutschland). In Bezug auf den
Empfänger (KapG) liegen mit der Streubesitzdivi-
dende Einkünfte aus dem Ansässigkeitstaat vor,
sodass Art. 21 Abs. 1 DBA OECD-MA zunächst zu
prüfen ist. Nach dieser Regelung wird Deutsch-
land abkommensrechtlich das ausschließliche Be-
steuerungsrecht an der Streubesitzdividende zu-
gewiesen. Allerdings ordnet Art. 21 Abs. 2 DBA
OECD-MA die Nichtanwendung von Abs. 1 an und
sieht die Anwendung von Art. 7 DBA OECD-MA
(Unternehmensgewinne) vor, da die Streubesitz-
dividendenbeteiligung funktional der ausländi-
schen DBA-Betriebsstätte der Empfänger-Kapital-
gesellschaft (KapG) im anderen Vertragsstaat
zuzuordnen ist.
Demzufolge findet nun Art. 7 DBA OECD-MA auf
die Streubesitzdividende Anwendung. Gemäß
Art. 7 Abs. 1 DBA OECD-MA ist die Streubesitzdivi-
dende Teil des ausländischen Betriebsstättenge-
winns und darf vom ausländischen Betriebsstät-
tenstaat besteuert werden.
DBA-Besteuerungsausschluss für Streubesitz-
dividenden (Art. 21 Abs. 2 DBA OECD-MA)
Deutschland hat diese gemäß Art. 7 Abs. 1 i.V. mit
Art. 23A Abs. 1 DBA OECD-MA9 abkommensrecht-
lich auf der Ebene der Empfänger-Kapitalgesell-
schaft (KapG) von der deutschen Besteuerung
auszunehmen. Diese abkommensrechtliche Frei-
stellung der Streubesitzdividende erstreckt sich
sowohl auf die Quellenbesteuerung (Kapitaler-
tragsteuer) als auch auf die Besteuerung im Rah-
men der Veranlagung nach § 8b Abs. 4 KStG. Ab-
kommensrechtlich „entfällt“ in der Konstellation
(Abb. 1) die deutsche Quellenbesteuerung (Kapi-
talertragsteuerabzug), da Art. 7 DBA OECD-MA
dem Ansässigkeitsstaat Deutschland kein Quel-
lenbesteuerungsrecht einräumt. Artikel 10 Abs. 2
DBA OECD-MA (Quellenbesteuerung) ist ebenfalls
nicht anwendbar, da die Norm aufgrund einer Di-
vidende aus dem Ansässigkeitsstaat in toto nicht
zur Anwendung gelangt. Insgesamt mangelt es
Deutschland in der Konstellation einer unter
Art. 21 Abs. 2 DBA OECD-MA fallenden Streube-
sitzdividende, die von einer in Deutschland an-
sässigen Gesellschaft an eine in Deutschland an-
sässige Gesellschaft gezahlt wird (Empfängerin),
an einer abkommensrechtlichen Besteuerungs-
möglichkeit (Freistellung). Demzufolge greift die
deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung in
Vollständiger DBA-Besteuerungsaus-
schluss – inkl. Kapitalertragsteuer – für
Streubesitzdividenden, die unter Art. 21
Abs. 2 DBA OECD-MA fallen.
l8 Z.B. DBA Deutschland-Niederlande 2012.l9 Bzw. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a), c) DBA Deutschland-Niederlande 2012. Die als Unternehmensgewinn (Art. 7)
qualifizierten Streubesitzdividenden sind aktive Einkünfte i. S. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. c) DBA Deutschland-Niederlande.
52 | 01.2017 |
» Ist die deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung weiterhin europarechtswidrig?
diesem Fall weder auf der Quellenbesteuerungs-
seite (Kapitalertragsteuer) noch auf der Empfän-
gerseite (§ 8b Abs. 4 KStG) wirksam durch. Dieser
Effekt besteht für die meisten deutschen DBA,
welche dem OECD-MA folgen und keinen entge-
genstehenden Aktivitätsvorbehalt vorsehen.
DBA-Spezialregelungen bestätigen
Besteuerungsausschluss
Bestätigt wird dieses Ergebnis durch das DBA
Deutschland-USA 2008, das im Protokoll Nr. 1810
(zu Art. 21 Abs. 2) für die hier diskutierte Konstel-
lation eine konstitutive Spezialregelung enthält11:
„Wenn der Empfänger und der Schuldner einer
Dividende in der Bundesrepublik Deutschland
ansässig sind und die Dividende einer Betriebs-
stätte zuzurechnen ist, die der Empfänger der
Dividende in den Vereinigten Staaten hat, kann
die Bundesrepublik Deutschland die Dividende
zu den in Artikel 10 Absätze 2 und 3 (Dividen-
den) vorgesehenen Sätzen besteuern. Die Verei-
nigten Staaten rechnen die Steuer nach Artikel 23
(Vermeidung der Doppelbesteuerung) an“.
Die Regelung ist deshalb konstitutiv, da in dem
Fall keine Dividende i.S. von Art. 10 DBA existiert,
Art. 10 DBA nicht einschlägig ist und der „Quellen-
staat“ der Dividende (Ansässigkeitsstaat der aus-
schüttenden Gesellschaft) deshalb keine Quel-
lenbesteuerungsmöglichkeit nach Maßgabe von
Art. 10 Abs. 2 DBA hat und auch keine Besteue-
rung über Art. 7 DBA (Unternehmensgewinne)
eingeräumt bekommt, da er den Betriebsstätten-
gewinn von der Besteuerung auszunehmen hat
(Art. 23A Abs. 1 DBA OECD-MA). Nach Maßgabe
des originären DBA-Rechts (OECD-MA) und in die-
sem bilateralen Verhältnis ist in dem hier disku-
tierten Fall der eigentliche Quellenstaat der Streu-
besitzdividende nämlich nicht der Ansässigkeits-
staat der ausschüttenden Gesellschaft, sondern
der ausländische Betriebsstättenstaat. Abwei-
chend von den Regelungen des OECD-MA und für
Zwecke der Quellenbesteuerung eröffnet die kon-
stitutive Protokoll-Regelung (DBA Deutschland-
USA 2008) die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 DBA
somit für den Nicht-Quellenstaat (Ansässigkeits-
staat der ausschüttenden Gesellschaft) und sieht
eine Anrechnungsverpflichtung dieser Steuer
durch den abkommensrechtlichen Quellenstaat
(ausländischer Betriebsstättenstaat) vor, die nach
Maßgabe des originären Methodenartikels (OECD-
MA) so nicht besteht. Allerdings gilt die vorstehen-
de Protokoll-Regelung ausschließlich im Rahmen
des DBA Deutschland-USA 2008, also nicht für
andere deutsche DBA.
Kein Besteuerungszugriff über unilaterale
Spezialvorschriften
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die
deutsche Empfänger-Kapitalgesellschaft (KapG)
gemäß § 50d Abs. 1, 3 EStG grundsätzlich An-
spruch auf vollständige Erstattung der deutschen
Kapitalertragsteuer hat (Freistellungsbescheid),
da die Streubesitzdividende abkommensrecht-
lich in Deutschland nicht besteuert werden darf
(DBA-Freistellung). Auch § 20 Abs. 2 AStG kann
keine Besteuerung in Deutschland herbeiführen
(switch-over), da (Streubesitz-)Dividenden akti-
ver Natur sind gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG.
Schließlich ist auch § 50d Abs. 9 EStG nicht ein-
schlägig, da der andere Staat – ausländischer Be-
triebsstättenstaat – die Dividende nach Art. 7
DBA OECD-MA besteuert. Nach § 50d Abs. 9 Satz 2
EStG findet § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG keine
Anwendung, da diese Regelung nicht für Dividen-
den gilt, die nach einem DBA von der deutschen
Besteuerung auszunehmen sind.
3 Nichtdurchgreifen und Asymmetrie der
Streubesitzdividendenbesteuerung in
DBA-Fällen
Die deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung
ist nicht mit dem DBA-Recht abgestimmt. Die
Folge ist ihr Nichtdurchgreifen in bestimmten
Fällen. Betroffen sind vor allem Streubesitz-
dividenden, die zwischen Kapitalgesellschaf-
ten gezahlt werden, die in Deutschland ansässig
sind und die abkommensrechtlich unter Art. 21
Abs. 2 DBA OECD-MA fallen, also einer Betriebs-
l10 Vgl. hierzu allgemein Eimermann, in: Wassermeyer, DBA USA, 132. Lfg. 01/2016, Art. 21, Rn. 56–58.l11 Ähnliches bestimmt die deutsche DBA-Verhand-
lungsgrundlage (DE-VG, Protokoll Nr. 3 zu Art. 20 DE-VG).
| 01.2017 | 53
STEUERN&RECHT
stätte im anderen Vertragsstaat zuzurechnen
sind. In einem solchen Fall scheitert sowohl die
deutsche Quellenbesteuerung (Kapitalertrag-
steuer) als auch die Besteuerung im Rahmen der
Veranlagung (§ 8b Abs. 4 KStG). Sofern im aus-
ländischen DBA-Betriebsstättenstaat keine ef-
fektive Besteuerung der Streubesitzdividende
erfolgt (Beteiligungsertragsbefreiung12, Anrech-
nung), kann diese im Ergebnis „unbesteuert“
vereinnahmt werden. Insgesamt überzeugt die
deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung in
DBA-Fällen nicht, da sie diesbezüglich Be-
steuerungsasymmetrien herbeiführt und keine
Gleichmäßigkeit der Besteuerung gewährleistet.
Die Einordnung der deutschen Streubesitzdivi-
dendenbesteuerung in das Abkommensrecht
und das DBA-System ist nicht gelungen. Je nach
Fallkonstellation reicht die Spannweite der Be-
steuerung von einer vollständigen (körper-
schaftsteuerlichen) Besteuerung der Streubesitz-
dividende in Deutschland bis zur gänzlichen
Freistellung.
4 Europarechtswidrigkeit der deutschen
Streubesitzdividendenbesteuerung qua
abkommenssystematischer Defizite?
Ferner stellt sich die Frage, ob die deutsche Streu-
besitzdividendenbesteuerung – auch nach ihrer
legislatorischen Modifikation – womöglich noch
partiell gegen Europarecht verstößt. Ursächlich
hierfür könnten die inhärenten abkommenssyste-
matischen Defizite dieser Besteuerung sein. Wie
vorstehend skizziert, greift die deutsche Streu-
besitzdividendenbesteuerung nicht durch, wenn
die Streubesitzdividende einer ausländischen
DBA-Freistellungsbetriebsstätte zuzurechnen ist
(Art. 21 Abs. 2 i.V. mit Art. 7 DBA OECD-MA) und
von einer in Deutschland ansässigen Kapitalge-
sellschaft an eine in Deutschland ansässige Emp-
fänger-Kapitalgesellschaft ausgeschüttet wird.
Dieser Fall kann im Sinne der europarechtlichen
Vergleichspaarbildung als vergleichbarer Inlands-
fall bezeichnet werden.
Relevante Vergleichs-
paarbildung
Der maßgebliche Auslandsfall ist
derjenige, bei dem eine im EU-Aus-
land ansässige Kapitalgesellschaft
Empfängerin der Streubesitzdivi-
dende ist (vgl. Übersicht 2).
Im vergleichbaren hypothetischen
Inlandsfall13 stellen sich die von
Deutschland eingegangenen Be-
steuerungsregelungen in Bezug
auf den Anteilseigner (inländische
Kapitalgesellschaft) so dar, dass
faktisch weder eine deutsche Quel-
lenbesteuerung (Kapitalertragsteuer) noch eine
Ansässigkeitsbesteuerung (§ 8b Abs. 4 KStG) er-
folgt. Im Auslandsfall – EU-ausländische Kapital-
gesellschaft als Anteilseignerin – wird zumindest
eine deutsche Quellenbesteuerung (Steuersatz =
15%) final vorgenommen.14 Aufgrund fehlender
unilateraler Ergänzungsvorschriften bzw. Abstim-
mung der deutschen Streubesitzdividendenbe-
steuerung mit dem abkommensrechtlichen Sys-
tem erfolgt im Inlandsfall keine Besteuerung der
Streubesitzdividende durch Deutschland. Insge-
samt wird damit der EU-ausländische Gesellschaf-
ter bei gleicher Beteiligungsstruktur steuerlich
schlechter behandelt als der vergleichbare inlän-
dische Gesellschafter im Hinblick auf die Besteue-
6%
KapG
BSt
Deutschland DBA-Ausland
GmbH
6%
KapG
BSt
Deutschland
DBA-Ausland
GmbH
Inlandsfall Auslandsfall
Übersicht 2 » Vergleichspaar und europarechtliche Prüfung
l12 Vgl. zur ausländischen Holdingbesteuerung Jacobs/Endres/Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl., München 2016, S. 1020ff.; Dorf-
mueller, IStR 2009, S. 831f.l13 Siehe auch Fußnote 20.l14 Nach Maßgabe des DBA zwischen Deutschland und dem EU-ausländischen Ansässigkeitsstaat der
dividendenempfangenden Kapitalgesellschaft (Art. 10 Abs. 2 DBA OECD-MA).
54 | 01.2017 |
» Ist die deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung weiterhin europarechtswidrig?
rung der Streubesitzdividende durch Deutsch-
land.15 Letztlich ist die steuerliche Schlechterstel-
lung des Auslandsfalls durch die Ansässigkeit des
Gesellschafters im EU-Ausland bedingt, auch
wenn abkommensrechtliche Aspekte involviert
sind. Dies gilt umso mehr, als der OECD-MK expli-
zit für diese Fälle (Inlandsfall) auf die Einfügung
einer Quellenbesteuerung für den Ansässigkeits-
staat des Dividendenempfängers verweist (OECD-
MK Nr. 5 zu Art. 21 DBA OECD-MA). Auch die deut-
sche DBA-Verhandlungsgrundlage enthält dazu
einen entsprechenden Hinweis zum abkommens-
rechtlichen Problem.16
Streubesitzdividendenbesteuerung wohl
weiterhin europarechtswidrig (Art. 63 AEUV)
Die Situation nähert sich daher der EuGH-Ent-
scheidung Kommission/Deutschland (C-284/09)
an.17 Gebietsfremde Gesellschaften werden entge-
gen gebietsansässigen Gesellschaften mit deut-
scher Quellensteuer (Kapitalertragsteuer) auf die
Streubesitzdividende belastet. Es bestehen somit
Zweifel, ob die deutsche Streubesitzdividenden-
besteuerung weiterhin gegen Europarecht ver-
stößt (hier Inlandsfall/Auslandsfall), auch wenn
europarechtlich das Zusammenspiel mit abkom-
mensrechtlichen Verpflichtungen noch nicht ab-
schließend konturiert ist.18 Bei der Ausübung der
durch DBA aufgeteilten Steuerhoheit ist ein Mit-
gliedstaat verpflichtet, den Grundsatz der Gleich-
behandlung sowie die Grundfreiheiten (Primär-
recht) zu beachten.
5 Normative Überlegungen
5.1 Spannungsfeld zwischen unilateralen und
bilateralen Handlungsmöglichkeiten
Abschließend sollen normative Überlegungen an-
gestellt werden, wie die deutsche Streubesitzdivi-
dendenbesteuerung de lege ferenda konsistent
mit dem DBA-Recht abgestimmt werden kann.
Denkbar wäre, zunächst eine Lösung auf der
DBA-Ebene zu suchen und in den weiteren Dop-
pelbesteuerungsabkommen bzw. Revisionsab-
kommen entsprechende Regelungen aufzuneh-
men wie im DBA USA 2008 (Protokoll Nr. 18 zu
Art. 21 Abs. 2). Allerdings würde dies zunächst
„nur“ die deutsche Quellenbesteuerung an der
Streubesitzdividende für diejenigen Fälle sichern,
in denen eine in Deutschland ansässige Gesell-
schaft die Streubesitzdividende ausschüttet. Nicht
erfasst sind die Fälle, bei denen ausländische
Streubesitzdividenden vorliegen, also eine im
Ausland ansässige Kapitalgesellschaft ausschüttet.
Zudem dürfte sich dieser Weg alleine als langwie-
rig erweisen. Die Aufnahme eines Treaty Override
in § 50d Abs. 1 EStG in Bezug auf die deutsche
Quellenbesteuerung würde nur fallweise wirken
und zudem das Problem der Doppelbesteuerung
im ausländischen Betriebsstättenstaat (Art. 21
Abs. 2 DBA OECD-MA) forcieren. Wie die Proto-
koll-Regelung zum DBA Deutschland-USA 2008
zeigt, bedarf es dann einer korrespondierenden
Sonderregelung zur Vermeidung der Doppelbe-
steuerung im ausländischen Betriebsstättenstaat
als eigentlichen originären Quellenstaat der Divi-
dende im Sinne des DBA.
5.2 Symmetrisches Treaty Override auch
für Streubesitzdividenden?
Analog zu Schachteldividenden (§ 8b Abs. 1 Satz 3
KStG) könnte man über die Aufnahme eines Trea-
ty Override19 in § 8b Abs. 4 KStG nachdenken, um
auch in DBA-Fällen die Gleichmäßigkeit der Be-
steuerung von Streubesitzdividenden zu gewähr-
leisten, ein finales deutsches Quellenbesteuerungs-
Europarechtskonformität der Streu-
besitzdividendenbesteuerung kann
nicht durch Schlechterstellung
(§ 8b Abs. 4 KStG) erreicht werden.
l15 Dies gilt vor allem dann, wenn im ausländischen Betriebsstättenstaat sowie im Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers die Freistellungsmethode
gilt.l16 Vgl. auch Rust, a.a.O. (Fn. 7), Art. 21, Rn. 48; DE-VG, Protokoll Nr. 3 zu Art. 20 DE-VG.l17 Vgl. EuGH-Urteil vom 20.10.2011 – C-284/09 (Kommission/
Deutschland), DStR 2011, S. 2038.l18 Vgl. z.B. Schlussanträge der GA Kokott vom 12.04.2016 in der Rechtssache C-176/15 (Riskin/Belgien), Rn. 46, m.w.N.,
BeckRS 2016, 80601.l19 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Treaty Override BVerfG, Beschluss vom 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, NJW 2016, S. 1295;
a.A. Gosch, DB 2016, S. M 5 (Gastkommentar).
| 01.2017 | 55
STEUERN&RECHT
recht zu manifestieren und damit gleichzeitig
etwaige Zweifel an der partiellen Europarechts-
widrigkeit der Streubesitzdividendenbesteuerung
auszuräumen. Letztere können aus der fehlenden
abkommenssystematischen Abstimmung der deut-
schen Streubesitzdividendenbesteuerung herrüh-
ren. Die Regelung könnte demnach wie folgt lau-
ten (§ 8b Abs. 4 Satz 9 KStG):
„Sind die Bezüge im Sinne des Abs. 4 Satz 1
KStG nach einem Abkommen zur Vermeidung
der Doppelbesteuerung von der Bemessungs-
grundlage für die Körperschaftsteuer auszu-
nehmen, gilt Abs. 4 Satz 1 KStG ungeachtet des
Wortlauts des Abkommens für diese Freistel-
lung entsprechend“.
5.3 Präferenz für abkommensrechtliche
Lösungen oder Streichung des § 8b
Abs. 4 KStG
Zusätzlich wäre eine Regelung entsprechend § 26
Abs. 1 Satz 2 KStG zu treffen zur Anrechnung der
ausländischen Steuer im Rahmen der deutschen
körperschaftsteuerlichen Besteuerung der Streu-
besitzdividende auf der Empfängerebene. Die
Einfügung eines neuen Treaty Override in die
Streubesitzdividendenbesteuerung (§ 8b Abs. 4
KStG) ist aber rechtspolitisch bedenklich, da dies
im Kontrast zur Einhaltung internationaler Ver-
träge steht. Auch können sich komplexe Folge-
probleme im Zusammenhang mit der Vermei-
dung der Doppelbesteuerung ergeben. Vorzu-
ziehen ist daher ein Lösungsansatz unter
Vermeidung eines Treaty Override. Womöglich
könnten sich abkommensrechtliche Ergänzungs-
protokolle zum DBA anbieten (Art. 59 Abs. 2 GG)
mit Implementierung einer Regelung entspre-
chend zum DBA USA 2008 (Protokoll Nr. 18 zu
Art. 21 Abs. 2) bzw. DBA Liechtenstein 2011, Pro-
tokoll Nr. 7. Eine effektive Lösung wäre zudem
die Abschaffung des § 8b Abs. 4 KStG.
6 Zusammenfassung
Insgesamt spricht einiges dafür, dass die deutsche
Streubesitzdividendenbesteuerung weiterhin ge-
gen Europarecht verstößt. Die im Anschluss an das
EuGH-Urteil C-284/09 (Kommission/Deutschland) –
durch Einfügung des § 8b Abs. 4 KStG – versuchte
europarechtskonforme Ausgestaltung der Streube-
sitzdividendenbesteuerung ist gescheitert. Die
Streubesitzdividendenbesteuerung ist nicht mit
den Regelungen des DBA-Rechts abgestimmt. Auf-
grund dieser steuersystematischen Defizite besei-
tigt § 8b Abs. 4 KStG gerade nicht die unterschied-
liche deutsche Quellenbesteuerung der Streube-
sitzdividende im Hinblick auf den In- und
Auslandsfall. Dies zeigt die zutreffende Vergleichs-
paarbildung (Übersicht 2).20 § 8b Abs. 4 KStG ist
dazu auch gar nicht in der Lage, da diese Norm
nicht die Besteuerung an der Quelle regelt. Eine
europarechtskonforme Ausgestaltung der Streube-
sitzdividendenbesteuerung ist daher de lege lata
noch nicht erfolgt. § 8b Abs. 4 KStG in seiner der-
zeitigen Fassung greift zu kurz. Unter Berücksich-
tigung des skizzierten abkommensrechtlichen
Problems und der europarechtlichen Friktionen
bietet sich daher die Aufhebung von § 8b Abs. 4
KStG und damit eine Rückkehr zum Status quo
ante an. Gleichzeitig sollte § 44a Abs. 9 EStG dahin-
gehend ergänzt werden, dass die einbehaltene
und abgeführte Kapitalertragsteuer auf die Streu-
besitzdividende i.S. von § 8b Abs. 4 KStG in voller
Höhe erstattet wird, wenn Empfängerin eine be-
schränkt steuerpflichtige Körperschaft ist. Dies
wäre auch aus ökonomischer Sicht von Vorteil, da
dadurch die Eigenkapitalzuführung in deutsche
Kapitalgesellschaften, vor allem durch beschränkt
Steuerpflichtige – auch gegenüber der Gesellschaf-
ter-Fremdfinanzierung – gestärkt werden könnte.
Einige Staaten verzichten deshalb unilateral be-
wusst auf die Quellensteuererhebung bei Dividen-
den (UK, Liechtenstein, Slowakei, Brasilien).
» DOC-ID: W1007295
l20 Aus der aktuellen EuGH-Rechtsprechung (C-318/14, C-48/13) lässt sich zudem eine Nichtvergleichbarkeit von in- und ausländischen Betriebsstätten im
Hinblick auf den Besteuerungszugriff des Ansässigkeitsstaates entnehmen, was ggf. auch für die Vergleichspaarbildung relevant sein dürfte (Ableitung hypo-
thetischer Inlandsfall).
56 | 01.2017 |
» Ist die deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung weiterhin europarechtswidrig?
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