Gute Lehrer

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 16  wissen plus  4–08/09      S      C      H      W      E      R      P      U      N      K      T x KONSEQUENZ STATT GUMMIWAND S chon als ich die Berufsschule in der Meiselstraße betrete, bin ich sicher, dass ich wissenschaftlich scheitern werde. Ich habe vor, die Lehrerrolle in ihren positiven und negativen Aus-  prägunge n zu befunden. Nicht aus der Sicht eines Bildungs- forschers. Diese Befunde sind mir längst bekannt. Nein, ich  will Schülerinnen und Schüler fragen, was für sie einen guten Lehrer ausmacht. Welche Eigenschaften hat ein Wunderlehrer,  wenn die Schül er gerne in die Sc hule gehen? W as tut eine tolle Lehrerin, wenn Schülerinnen ihren Unterr icht schätzen? Als mich Frau Klassenvorstand in die Klasse begleitet, bin ich überrascht. Die Schülerinnen und Schüler erheben sich, um mich zu begrüßen. Zumindest das ist für eine österreichische Klasse nicht repräsentativ. Zum Problem der Lehrerrolle liegt eine unüberschaubare Anzahl von Untersuchungen vor. Schon allein die Vielzahl der komplexen Tätigkeitsbereiche der Lehrer macht aber eine eindeutige Analyse schwierig. Mit den üblichen Inventarien  wurde oftmals festgestellt, dass gute Lehrer freundliche, heitere und moralisch integere Menschen sind. Die Daten, die mithilfe empirischer Messmethoden gewonnen wurden, listen die Fak- toren wertschätzende Einstellung, leistungsorientierte Stand-  punkte, emotionale Stabilität oder syste matische Unterr ichts- erteilung auf. Obwohl diese Forschungsergebnisse durchaus im Einklang mit den eigenen Erfahrungen als Schüler stehen, will ich mit der Generalisierba rkeit vorsichtig sein. In der ersten Klasse für Bürokaufleute bekomme ich auf die Frage, was eine gute Lehrerin oder guten Lehrer auszeichnet, die gleichen Antworten, die Bildungsforscher gefunden haben: „Ein Lehrer soll Spaß verstehen und gut zuhören können“, sagt Kati spontan. Sie selbst will auch einmal Lehrerin werden. „Ja, humorvoll soll ein Lehrer auf jeden Fall sein“, beeilt sich auch Semih, ein aufgeweckter Bursche, zu sagen. Für eine stille dun- kelhaarige Schülerin in der ersten Reihe gibt es ganz andere Präferenzen. Sie kommt aus einer Familie, die in Österreich zu- gewandert ist. Ihre Antwort erschreckt mich, als sie sagt: „Ein Lehrer sollte niemanden diskriminieren, nur weil er oder sie an- ders aussieht“. Dem stimmt die Hälfte der Klasse zu und plötz- lich ist Bewegung im Klassenzimmer. Einige erzählen von ihren Erfahrungen mit ausgrenzenden Lehrern. Nobel ausgedrückt.  Nun sind wir vollends bei den Eigenschaften von schlechten Lehrern angelangt. „Also schlechte Lehrer können nicht gut erklären und schie- ben das dann auf die Intelligenz der Schüler“, höre ich aus der letzten Reihe. Als besonders hart wird empfunden, welche At tribute dann Lehrer wählen. „Unfähig, in der falschen Schule, lauter Behinderte“ sind die Zuteilungen, die den Schüler/innen in Erinnerung sind. Viele der Anwesenden haben eine Han- delsakademie, eine Fachschule oder AHS abgebrochen. Als ich ungläubig frage, wo sie solche Beleidigungen erfahren haben, beeilen sich alle sofort zu sagen, dass das nicht in der jetzigen Berufsschule der Fall ist. Ganz im Gegenteil. In diese Schule Das Bild vom guten Lehrer Reportage. Wie „wünschen“ sich eigentlich Schüler/innen ihre Lehrer/innen? gehen sie sehr gerne, denn hier  werden sie von de n Lehrkrä f- ten ernst genommen. Tugba schließt für sich aus, dass sie jemals von Lehrern schlecht behan- delt wurde. „Ich hatte eigent- lich immer nur gute Lehrer“, bringt sie mein schief gewordenes Leh- rerbild wieder ins Lot. Für sie ist eher wichtig, dass Lehrer ausgeglichen sind. Damit meint sie das Gegenteil von aggressiven und schreienden Pädago- gen. Das Geschlecht der Un- terrichtenden wird nicht als  wichtig gesehen. „Nein, ob Frau oder Herr Professor ist nicht aus- schlaggebend“, sagt Annabarbara. „Wichtig ist, dass man vor dem Leh- rer Respekt hat“, meint sie. Dann frage ich eine Schülerin, die sich bis jetzt nicht gemeldet hat, was sie sich von einem Pädagogen erwartet: „Zu Lehrern sollte man Vertrauen haben kön- nen, und er oder sie soll für die Probleme der Schüler da sein“, legt sie die Latte für die Lehrerschaft auf Hochsprunghöhe. Auf meine Rückfrage, welche Probleme sie meint, sagt sie: „Alle Probleme, auch die Sorgen, die Schüler außer- halb der Schule haben“. Damit liegt die Latte bereits auf Stabhochsprungniveau. Einstweilen läutet die Schulglo- cke die Pause ein. Niemand packt zusammen und will aus der Klasse. Mich interessiert noch die Frage, ob junge oder ältere Lehrer beliebter sind. Die Antwort ist eindeutig: „Wichtig ist, dass die Lehrkraft den Stoff beherrscht“, sagt Omid. Die ande- ren stimmen dem zu und viele sagen, dass sie deshalb lieber ältere Lehrkräfte bevorzugen. Wo das Alter älterer Lehrer be- ginnt, frage ich nicht nach. Wahrscheinlich bei etwa 30 Jahren. Als mich Frau Direktor zum Schultor begleitet, bin ich nicht mehr skeptisch. Wohl habe ich meine Fragen über die Eigen- schaften und Fähigkeiten der Lehrer nur in einer Klasse gestellt und nur in einem Schultyp. Wohl setzte sich die Stichprobe aus 16-Jährigen zusammen. Ich bin mir aber am Ende sicher, dass die Aussagen in dieser Klasse als Hochrechnung halten  würden. Das Bild vom g uten Lehrer ist sicher flä chendeck end. Y  Dr . Her bert W inkler 

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  • 16 wissenplus 408/09

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    ktx konsEQuEnz statt guMMIwand

    Schon als ich die Berufsschule in der Meiselstrae betrete, bin ich sicher, dass ich wissenschaftlich scheitern werde. Ich habe vor, die Lehrerrolle in ihren positiven und negativen Aus-prgungen zu befunden. Nicht aus der Sicht eines Bildungs-forschers. Diese Befunde sind mir lngst bekannt. Nein, ich will Schlerinnen und Schler fragen, was fr sie einen guten Lehrer ausmacht. Welche Eigenschaften hat ein Wunderlehrer, wenn die Schler gerne in die Schule gehen? Was tut eine tolle Lehrerin, wenn Schlerinnen ihren Unterricht schtzen?

    Als mich Frau Klassenvorstand in die Klasse begleitet, bin ich berrascht. Die Schlerinnen und Schler erheben sich, um mich zu begren. Zumindest das ist fr eine sterreichische Klasse nicht reprsentativ.

    Zum Problem der Lehrerrolle liegt eine unberschaubare Anzahl von Untersuchungen vor. Schon allein die Vielzahl der komplexen Ttigkeitsbereiche der Lehrer macht aber eine eindeutige Analyse schwierig. Mit den blichen Inventarien wurde oftmals festgestellt, dass gute Lehrer freundliche, heitere und moralisch integere Menschen sind. Die Daten, die mithilfe empirischer Messmethoden gewonnen wurden, listen die Fak-toren wertschtzende Einstellung, leistungsorientierte Stand-punkte, emotionale Stabilitt oder systematische Unterrichts-erteilung auf. Obwohl diese Forschungsergebnisse durchaus im Einklang mit den eigenen Erfahrungen als Schler stehen, will ich mit der Generalisierbarkeit vorsichtig sein.

    In der ersten Klasse fr Brokaufleute bekomme ich auf die Frage, was eine gute Lehrerin oder guten Lehrer auszeichnet, die gleichen Antworten, die Bildungsforscher gefunden haben: Ein Lehrer soll Spa verstehen und gut zuhren knnen, sagt Kati spontan. Sie selbst will auch einmal Lehrerin werden. Ja, humorvoll soll ein Lehrer auf jeden Fall sein, beeilt sich auch Semih, ein aufgeweckter Bursche, zu sagen. Fr eine stille dun-kelhaarige Schlerin in der ersten Reihe gibt es ganz andere Prferenzen. Sie kommt aus einer Familie, die in sterreich zu-gewandert ist. Ihre Antwort erschreckt mich, als sie sagt: Ein Lehrer sollte niemanden diskriminieren, nur weil er oder sie an-ders aussieht. Dem stimmt die Hlfte der Klasse zu und pltz-lich ist Bewegung im Klassenzimmer. Einige erzhlen von ihren Erfahrungen mit ausgrenzenden Lehrern. Nobel ausgedrckt. Nun sind wir vollends bei den Eigenschaften von schlechten Lehrern angelangt.

    Also schlechte Lehrer knnen nicht gut erklren und schie-ben das dann auf die Intelligenz der Schler, hre ich aus der letzten Reihe. Als besonders hart wird empfunden, welche Attribute dann Lehrer whlen. Unfhig, in der falschen Schule, lauter Behinderte sind die Zuteilungen, die den Schler/innen in Erinnerung sind. Viele der Anwesenden haben eine Han-delsakademie, eine Fachschule oder AHS abgebrochen. Als ich unglubig frage, wo sie solche Beleidigungen erfahren haben, beeilen sich alle sofort zu sagen, dass das nicht in der jetzigen Berufsschule der Fall ist. Ganz im Gegenteil. In diese Schule

    Das Bild vom guten LehrerReportage. Wie wnschen sich eigentlich Schler/innen ihre Lehrer/innen?

    gehen sie sehr gerne, denn hier werden sie von den Lehrkrf-ten ernst genommen.

    Tugba schliet fr sich aus, dass sie jemals von Lehrern schlecht behan-delt wurde.

    Ich hatte eigent-lich immer nur gute Lehrer, bringt sie mein schief gewordenes Leh-rerbild wieder ins Lot. Fr sie ist eher wichtig, dass Lehrer ausgeglichen sind. Damit meint sie das Gegenteil von aggressiven und schreienden Pdago-gen. Das Geschlecht der Un-terrichtenden wird nicht als wichtig gesehen. Nein, ob Frau oder Herr Professor ist nicht aus-schlaggebend, sagt Annabarbara. Wichtig ist, dass man vor dem Leh-rer Respekt hat, meint sie.

    Dann frage ich eine Schlerin, die sich bis jetzt nicht gemeldet hat, was sie sich von einem Pdagogen erwartet: Zu Lehrern sollte man Vertrauen haben kn-nen, und er oder sie soll fr die Probleme der Schler da sein, legt sie die Latte fr die Lehrerschaft auf Hochsprunghhe. Auf meine Rckfrage, welche Probleme sie meint, sagt sie: Alle Probleme, auch die Sorgen, die Schler auer-halb der Schule haben. Damit liegt die Latte bereits auf Stabhochsprungniveau. Einstweilen lutet die Schulglo-cke die Pause ein. Niemand packt zusammen und will aus der Klasse. Mich interessiert noch die Frage, ob junge oder ltere Lehrer beliebter sind. Die Antwort ist eindeutig: Wichtig ist, dass die Lehrkraft den Stoff beherrscht, sagt Omid. Die ande-ren stimmen dem zu und viele sagen, dass sie deshalb lieber ltere Lehrkrfte bevorzugen. Wo das Alter lterer Lehrer be-ginnt, frage ich nicht nach. Wahrscheinlich bei etwa 30 Jahren.

    Als mich Frau Direktor zum Schultor begleitet, bin ich nicht mehr skeptisch. Wohl habe ich meine Fragen ber die Eigen-schaften und Fhigkeiten der Lehrer nur in einer Klasse gestellt und nur in einem Schultyp. Wohl setzte sich die Stichprobe aus 16-Jhrigen zusammen. Ich bin mir aber am Ende sicher, dass die Aussagen in dieser Klasse als Hochrechnung halten wrden. Das Bild vom guten Lehrer ist sicher flchendeckend. Y

    Dr. Herbert Winkler