Gute Luft aus dem Stall · 2018-04-28 · Unternehmen TofuTown aus der Eifel, das unter anderem...

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VR Agrar 1 VR Agrar Nummer 8 | August 2017 Trends und Fakten zum Milchmarkt | Seite 2 Online-Plattform für weniger Antibiotika im Stall | Seite 3 „Für Bürgerenergiegesellschaften gelten besondere Regeln“ | Seite 4 Gute Luft aus dem Stall Wie lassen sich Emissionen in der Tierhaltung mindern? Deutlich weniger klimaschädliche Gase – das sieht der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung vor. Schon 2030 sollen 55 Prozent weniger Klimagase ausgestoßen werden als noch 1990. Auch die Landwirt- schaft steht in der Pflicht: Hier sollen die Treibhausgasemissionen im selben Zeit- raum zwischen 34 und 31 Prozent sinken. Für Ammoniakemissionen gibt es eben- falls Minderungsziele, die unter anderem in der NERC-Richtlinie („national emission reduction commitments“) der EU festge- legt wurden. Um die Vorgaben zu erfüllen, muss sich nicht nur bei der Düngung, son- dern auch in den Ställen etwas ändern. Fütterung ist „Mittel der Wahl“ Du bist was du isst – das gilt auch für Kühe und Schweine – insbesondere wenn es um bessere Luft im Stall geht. „In der Schweinehaltung lassen sich über eine stickstoff- und phosphorreduzierte Füt- terung ungefähr 20 Prozent der Emissio- nen einsparen“, rechnet Sebastian Bönsch von der Landwirtschaftskammer Nie- dersachsen vor. Bei Milchkühen liegt das Minderungspotenzial für Ammoniak bei 25 Prozent, heißt es in der Richtlinie 3894 des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), die Emissionen aus Tierhaltungsanlagen und entsprechende Minderungsmaßnah- men auflistet. Auch die Weidehaltung Durch eine angepasste Fütterung lassen sich Emissionen mindern. von Milchkühen trägt zu weniger Am- moniakemissionen bei. Die Laufflächen im Stall und im Auslauf sollten möglichst häufig gereinigt werden, denn auch das hat einen deutlich positiven Effekt. Au- tomatische Gülleschieber haben sich hier bewährt. Einige Landwirte setzen bereits Reinigungsroboter ein. Innovative Stalltechnik aus Nachbarländern Was in der Milchkuhhaltung gut funktio- niert, ist in der Schweinehaltung schwie- riger. „Gülleschieber oder Reinigungs- roboter eignen sich hier nicht, weil die Tiere dadurch verletzt werden können“, sagt Bönsch. Vereinzelt arbeiten Schwei- nehalter mit Unterflur-Gülleschiebern. Diese transportieren Harn und Kot unter dem Spaltenboden rasch ab und tragen so dazu bei, die Emissionen im Stall zu reduzieren. „In Österreich werden solche Systeme häufiger eingesetzt“, so Bönsch. Auch andere technische Lösungen, die bei den europäischen Nachbarn eine Rol- le spielen, könnten sich in Deutschland etablieren. Flüssigmistkanäle mit glatten, Persönliches Exemplar für Firma Volks- und Raiffeisenbank eG

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VR Agrar Nummer 8 | August 2017

Trends und Fakten zum Milchmarkt | Seite 2Online-Plattform für weniger Antibiotika im Stall | Seite 3„Für Bürgerenergiegesellschaften gelten besondere Regeln“ | Seite 4

Gute Luft aus dem StallWie lassen sich Emissionen in der Tierhaltung mindern?

Deutlich weniger klimaschädliche Gase – das sieht der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung vor. Schon 2030 sollen 55 Prozent weniger Klimagase ausgestoßen werden als noch 1990. Auch die Landwirt-schaft steht in der Pflicht: Hier sollen die Treibhausgasemissionen im selben Zeit-raum zwischen 34 und 31 Prozent sinken. Für Ammoniakemissionen gibt es eben-falls Minderungsziele, die unter anderem in der NERC-Richtlinie („national emission reduction commitments“) der EU festge-legt wurden. Um die Vorgaben zu erfüllen, muss sich nicht nur bei der Düngung, son-dern auch in den Ställen etwas ändern.

Fütterung ist „Mittel der Wahl“

Du bist was du isst – das gilt auch für Kühe und Schweine – insbesondere wenn es um bessere Luft im Stall geht. „In der Schweinehaltung lassen sich über eine stickstoff- und phosphorreduzierte Füt-terung ungefähr 20 Prozent der Emissio-nen einsparen“, rechnet Sebastian Bönsch von der Landwirtschaftskammer Nie-dersachsen vor. Bei Milchkühen liegt das Minderungspotenzial für Ammoniak bei 25 Prozent, heißt es in der Richtlinie 3894 des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), die Emissionen aus Tierhaltungsanlagen und entsprechende Minderungsmaßnah-men auflistet. Auch die Weidehaltung Durch eine angepasste Fütterung lassen sich Emissionen mindern.

von Milchkühen trägt zu weniger Am-moniakemissionen bei. Die Laufflächen im Stall und im Auslauf sollten möglichst häufig gereinigt werden, denn auch das hat einen deutlich positiven Effekt. Au-tomatische Gülleschieber haben sich hier bewährt. Einige Landwirte setzen bereits Reinigungsroboter ein.

Innovative Stalltechnik aus Nachbarländern

Was in der Milchkuhhaltung gut funktio-niert, ist in der Schweinehaltung schwie-

riger. „Gülleschieber oder Reinigungs-roboter eignen sich hier nicht, weil die Tiere dadurch verletzt werden können“, sagt Bönsch. Vereinzelt arbeiten Schwei-nehalter mit Unterflur-Gülleschiebern. Diese transportieren Harn und Kot unter dem Spaltenboden rasch ab und tragen so dazu bei, die Emissionen im Stall zu reduzieren. „In Österreich werden solche Systeme häufiger eingesetzt“, so Bönsch. Auch andere technische Lösungen, die bei den europäischen Nachbarn eine Rol-le spielen, könnten sich in Deutschland etablieren. Flüssigmistkanäle mit glatten,

 

Persönliches Exemplar für Firma Volks- und Raiffeisenbank eG

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Nummer 8 | August 2017

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ZAHL DES MONATSschrägen Wänden sind insbesondere aus den Niederlanden und Belgien bekannt. Durch die V-Form der Kanäle wird die Oberfläche verringert, sodass deutlich weniger Ammoniak entsteht. In vor-handenen Ställen lassen sich laut Bönsch aber weder Schiebertechnik noch schrä-ge Mistkanäle mit einem vertretbaren Aufwand nachrüsten.

Bereits gut in der Praxis erprobt sind dagegen Anlagen zur Abluftreinigung. Damit können Emissionen aus Schweine- ställen um bis zu 90 Prozent gemindert werden. Die Deutsche Landwirtschafts-gesellschaft (DLG) zertifizierte bereits in den 1980er-Jahren die ersten Anlagen – entsprechend umfangreich sind die Erfahrungen mit solchen Systemen. Die-se können laut DLG durch effizientere Technik und ein besseres Management seit einigen Jahren auch wirtschaftlicher betrieben werden. Dennoch sind die Kos-ten hoch – und für viele Landwirte ein gewichtiges Gegenargument.

Daten kritisch hinterfragen

Auch ohne teure Filter oder eine kom-plett neue Stalltechnik lassen sich die Emissionswerte meistens noch verbes-sern, beobachtet Bönsch. Wenn die Steu-erungstechnik nicht optimal eingestellt ist, können unerwünschte Emissionen entstehen, beispielsweise durch zu hohe Temperaturen, Zugluft oder Falschluft. Bönsch empfiehlt den Landwirten da-her, sich intensiv mit der vorhandenen Lüftungs- und Steuerungstechnik zu befassen und die Daten auch kritisch zu hinterfragen. „Wenn wir einen Tem-peraturfühler auf 300 Quadratmeter haben, heißt das ja nicht, dass der die

Durchschnittstemperatur angibt.“ Ein auswärtiger Berater, der zweimal jähr-lich Schadgase, Luftgeschwindigkeiten und Temperaturen in verschiedenen Be-reichen misst, kann hier zusätzlich unter-stützen.

Geflügel: Kotbänder und neue Abluftanlagen

Anders als in der Schweinehaltung ist eine emissionsmindernde Stalltechnik in Legehennen-Betrieben bereits weit verbreitet. Unter den Volieren verlaufen meistens Kotbänder, auf denen die Ex-kremente abtransportiert werden. Auch eine häufigere Entmistung – zweimal statt einmal wöchentlich – wirkt sich positiv aus. Das geht aus Informationen der Arbeitsgruppe „Emissionsfaktoren Tierhaltung“ des Kuratoriums für Tech-nik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) hervor. Durch ein externes Kot- lager lassen sich die Emissionen zusätzlich mindern.

Die Abluftreinigung ist bei Geflü-gelställen noch ein relativ neues The-ma. „Anders als in der Schweinehaltung steckt die Technik hier noch in den Kin-derschuhen“, sagt Bönsch. Die Anlagen sind teuer und in der Praxis vergleichs-weise wenig erprobt.

Es gibt also zahlreiche Ansatzpunkte, um Emissionen im Stallbereich zu min-dern. Aber vielfach fehlt es an Erfah-rung und verlässlichen Daten, die eine wirtschaftliche Planung erleichtern. For-schungsbedarf „zur Entwicklung einer klimaverträglicheren Tierhaltung, etwa im Bereich der Fütterung, der Züchtung sowie des betrieblichen Managements“ stellt auch der Klimaschutzplan fest. Dem

Papier zufolge will die Bundesregierung bis 2021 eine Gesamtstrategie zur Ver-ringerung der Emissionen in der Tierhal-tung erarbeiten. Dafür soll die Forschung in diesem Bereich verstärkt werden. Für die Praxis kann das neue Impulse liefern.

Trends und Fakten zum Milchmarkt Die Milcherzeugung ist für etwa ein Viertel der landwirtschaftlichen Betrie-be in Deutschland die Haupteinnah-mequelle – oft ohne wirtschaftliche Alternativen. Wie sich der wichtigste Produktionszweig der deutschen Land-wirtschaft entwickelt, wo Probleme und wo Chancen liegen – das stellt der Milchbericht 2017 des Bundesministeri-ums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) dar.

und Möglichkeiten auf nationaler sowie auf EU-Ebene sind Thema.

Die Broschüre kann auf den Seiten des BMEL kostenlos heruntergeladen werden.

Weitere Informationen und Download: www.bmel.de ➞ Service ➞ Publikationen ➞ starke Landwirtschaft

1,3 Millionen Hektar

Diese Waldfläche wird in Deutschland von landwirtschaftlichen Betrieben be- wirtschaftet, so die AGRAVIS Raiff- eisen AG. Insgesamt gibt es hierzulan-de 11,4 Millionen Hektar Wald. Das sind ungefähr 32 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands. Regional schwankt der Anteil zwischen 3 Prozent im Landkreis Dithmarschen (Schleswig-Holstein) und 64 Prozent im Landkreis Regen (Bayern). Knapp die Hälfte der gesamten Wald-fläche ist Privatwald. Landwirte bewirt-schaften wiederum rund 24 Prozent dieser Privatwaldfläche.

Weitere Informationen: www.bmub.bund.de ➞ Themen ➞ Klima Energie ➞ Klimaschutz ➞ Nationaler Klimaschutzplan 2050

Die 40-seitige Broschüre versammelt wichtige Eckdaten zur Milcherzeugung sowie -verarbeitung und gibt einen Überblick zur Mengen- und Preisent-wicklung. Darüber hinaus zeichnet der Milchbericht den Systemwechsel zu ei-nem Milchmarkt ohne Quote nach, gibt einen Überblick zur Bewältigung der Milchkrise 2015/16 und benennt zu-künftige Herausforderungen. Auch die agrarpolitischen Rahmenbedingungen

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EU-Richter urteilen über veganen KäseRein pflanzliche Produkte dürfen nicht als „Pflanzenkäse“ oder „Tofubutter“ verkauft werden, das hat der Gerichts-hof der Europäischen Union (EuGH) entschieden. Bezeichnungen wie Milch, Rahm, Butter, Käse oder Joghurt seien Produkten tierischen Ursprungs vorbe-halten, urteilten die EU-Richter. Das gilt auch, wenn der Hersteller beschreibende Zusätze verwendet, die auf den pflanzli-chen Ursprung des Produkts hinweisen.

Hintergrund ist eine Klage gegen das Unternehmen TofuTown aus der Eifel, das unter anderem rein pflanzliche Pro-dukte herstellt und diese beispielsweise als „Tofubutter“ oder „Veggie-Cheese“

vermarktet. Das Verbraucherverständnis in Bezug auf diese Bezeichnungen habe

sich in den vergangenen Jahren massiv verändert, argumentiert das Unterneh-men. Diesen Einwand ließ das Gericht nicht gelten. Auch eine Ungleichbehand-lung gegenüber Herstellern von veganen Fleisch- oder Fischimitaten, die keine vergleichbaren Beschränkungen hinneh-men müssen, können die Richter nicht erkennen. Es handele sich dabei um an-dere Produkte, die anderen Vorschriften unterliegen.

Weitere Informationen: https://curia.europa.eu ➞ Presse ➞ Pressemitteilungen ➞ Nr. 63/2017

Weitere Informationen und Download: www.fnr.de ➞ Suche: „Kamille, Melisse und Baldrian erfolgreich anbauen“

Anbau, wie Kamille, sind auf dem Markt ge-

fragt.

Enthält der Joghurt Milch oder nicht? Ein

EuGH-Urteil soll Verbrauchern den Überblick

erleichtern.

Tipps für den erfolgreichen Anbau von ArzneipflanzenDie Nachfrage nach Arzneipflanzen aus heimischer Erzeugung übersteigt das Angebot. Gelingt der Anbau, bieten die Spezialkulturen eine hohe Wertschöp-fung. Aber Arzneipflanzen erfordern auch viel Fachwissen und umfangreiche Erstinvestitionen.

In mehreren Forschungsprojekten un- tersuchen Wissenschaftler daher, wie sich Züchtung und Anbautechnologie der Arzneipflanzen Kamille, Baldrian und Zitronenmelisse verbessern lassen. Das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderte Vorha-ben ist auf insgesamt 14 Jahre angelegt. Die Ergebnisse aus einigen Teilprojekten liegen bereits vor. Ausgewählte Erkennt-

nisse haben die Forscher für die Praxis zusammengefasst. Es geht beispielsweise darum, welche Säverfahren sich eignen,

mit welcher Technik sich Unkräuter am besten beseitigen lassen oder wie An-bauer die Pflanzen möglichst effizient trocknen.

Die wichtigsten Fakten sind in einem einseitigen Dokument übersichtlich dar-gestellt und mit Links zu vertiefenden In-formationen versehen. Diese können auf der Homepage der Fachagentur Nach-wachsende Rohstoffe kostenlos herun-tergeladen werden.

Online-Plattform für weniger Antibiotika im StallWeniger Antibiotika in der Tierhaltung, das gelingt nur durch eine verbesserte Tiergesundheit. Eine neue Internet-Platt-form will Landwirte auf dem Weg dahin unterstützen. Auf dem Portal „Aniplus“ finden sich ausführliche Artikel zu Sym-ptomen und Ursachen verschiedener Krankheitsbilder sowie konkrete Vorschlä-ge für Maßnahmen im eigenen Betrieb.

Die Nutzer können gezielt unter The-men wie „Haltung“, „Management“, „Hy-giene“, „Fütterung“ oder „Tierzukauf“ re-

cherchieren. Jeder Artikel enthält neben ausführlichen Informationen eine Liste mit Maßnahmenvorschlägen. Daraus las-sen sich einzelne Punkte auswählen, zu einem individuellen Maßnahmenkatalog zusammenstellen und herunterladen. Diesen kann der Landwirt mit seinem Tierarzt besprechen. „Uns war es wich-tig, praxistaugliche und somit wirksame Strategien zu präsentieren, bei einer ho-hen Benutzerfreundlichkeit“, erklärt die Projektleiterin Maria Gellermann. Alle

Weitere Informationen: www.aniplus.de

Vorschläge würden daher mehrfach von unterschiedlichen Experten bewertet und ständig aktualisiert.

Gefördert wird das Projekt vom niedersächsischen Landwirtschaftsminis-terium, an der Umsetzung arbeiteten Landwirte, Tierärzte, Unternehmen und Behörden mit.

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Nummer 8 | August 2017

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IMPRESSUM

Herausgeber: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken BVR, BerlinVerantwortliche Redaktion: Ann-Kathrin Marr, Text|Redaktion|Medienarbeit, Gotenstraße 44 a, 26121 OldenburgVerlag: Deutscher Genossenschafts-Verlag eG Vertreten durch den Vorstand: Peter Erlebach (Vorsitzender), Franz-J. Köllner und Mark Wülfinghoff Leipziger Str. 35, 65191 WiesbadenHerstellung: Görres-Druckerei und Verlag GmbH, Niederbieberer Str. 124, 56567 Neuwied

Bildnachweis: ©Budimir Jevtic/Fotolia.com; ©Aleksey Stemmer/Fotolia.com; ©Minerva Studio/Fotolia.com; ©goldbany/Fotolia.com; DGRVDiese Informationsschrift erscheint monatlich und ist bei Volksbanken, Raiffeisenbanken und Spar- und Darlehnskassen erhältlich.Das Manuskript für diese Ausgabe wurde Anfang Juli 2017 abgeschlossen. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit keine Gewähr.

Dr. Andreas Wieg leitet die Abteilung Vorstandsstab beim Deutschen Genossen-schafts- und Raiffeisen-verband e.V. (DGRV). In dieser Funktion verantwortet er unter anderem den Bereich Erneuerbare Energien und leitet die Bundesgeschäftsstelle Energie- genossenschaften beim DGRV.

Interview mit …„Für Bürgerenergiegesellschaften gelten besondere Regeln“Wer einen Windpark bauen will, muss sich seit diesem Jahr in einem Ausschreibungsverfahren um die Förderung bewerben. Was das für Energiegenossenschaften bedeutet, erklärt Andreas Wieg, Leiter der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften.

VR Agrar: Herr Wieg, die erste Aus-schreibungsrunde ist abgeschlossen. Wie viele Energiegenossenschaften haben teilgenommen?

Wieg: Was wir bisher sagen können: Über 90 Prozent der Zuschläge haben sogenannte Bürgerenergiegesellschaften erhalten. Das sind Projektgesellschaften, die bestimmte Kriterien nach dem Er-neuerbare-Energien-Gesetz erfüllen. Bei-spielsweise müssen sie von mindestens zehn Personen betrieben werden. Wie viele Energiegenossenschaften an den bezuschlagten Gesellschaften beteiligt waren, wird noch evaluiert.

VR Agrar: Warum waren die Bürger- energiegesellschaften so erfolgreich? Wieg: Um am Ausschreibungsverfahren teilzunehmen, gelten für Bürgerener-giegesellschaften besondere Regeln. Sie müssen noch keine Genehmigung nach dem Bundes-Imissionsschutzgesetz vor-

weisen. Zudem haben sie eine längere Frist, um das Windenergieprojekt zu re-alisieren. Weil in ein paar Jahren voraus-sichtlich ertragreichere Technologien zur Verfügung stehen werden, können sie heute zu einem relativ günstigen Preis bieten. Hinzu kommt noch, dass Bür-gerenergiegesellschaften am Ende den höchsten noch bezuschlagten Gebots-wert erhalten, der auch über dem eige-nen Gebotswert liegen kann.

VR Agrar: Warum gibt es diese Sonder-regelungen?

Wieg: Energiegenossenschaften und an-dere von Bürgern getragene Energiege-sellschaften sind in der Regel relativ klein. Viele Beteiligte müssen entscheiden, ob sie Geld in eine riskante Projektentwick-lung investieren. Für Genehmigungen und Projektierung können schnell über 100.000 Euro anfallen. In der Ausschrei-bung muss sich eine kleine Energiegenos-senschaft dann mit viel größeren Akteu-

ren messen, die Risiken besser abfedern können. Darum hat der Gesetzgeber Vorteile für Bürgerenergiegesellschaften geschaffen.

VR Agrar: Sehen Sie die erste Aus-schreibungsrunde als Erfolg?

Wieg: Die Regelung für Bürgerener-gie wurde offensichtlich sehr intensiv genutzt. Die Frage ist aber, ob das Ziel des Gesetzgebers erreicht wurde, Ener-giegenossenschaften und ähnliche von Bürgern getragene Gesellschaften zu stärken. Wenn sich zeigt, dass andere Akteure diese Regelung genutzt haben, ohne tatsächlich die Bürger einzubinden, muss man die Kriterien anpassen.