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KONTRASTMITTEL Eine Kurzinformation für Zuweiser / Medizinalpersonen 1. Röntgenkontrastmittel A. Was sind Röntgenkontrastmittel? Was sind die kontrastgebenden Substanzen? Sie verändern die Kontrastierung des Gewebes durch eine erhöhte (positive) oder erniedrigte (negative) Röntgenstrahlabsorption und werden deshalb zur Verbesserung der diagnostischen Aussagekraft gezielt eingesetzt. Klinisch verwendet werden mehrheitlich iodierte wasserlösliche Röntgenkontrastmittel, aber auch Bariumsulfat-Suspensionen (beide positiv) sowie Gase wie CO 2 oder Luft (negativ). B. Wie sind die Röntgenkontrastmittel chemisch gesehen aufgebaut? Bei den wasserlöslichen Röntgenkontrastmitteln handelt es sich um Derivate der Triiodobenzoesäure. An den zentralen Benzolring sind jeweils 3 Iodatome sowie drei weitere sehr hydrophile Substituenten kovalent gebunden. Die am häufigsten eingesetzten Verbindungen sind niederosmolar (500-900 mOsm/kg Wasser), nichtionisch und alle nierengängig. Die am Hydroxylgruppen reichen Substituenten steuern die Pharmakokinetik der Röntgenkontrastmittel im Körper. Als Verunreinigung müssen kleinste Mengen an freiem Iodid mitberücksichtigt werden, welche nicht aus den Lösungen verbannt werden können. Alle wasserlöslichen CT- oder auch kardial eingesetzten Röntgenkontrastmittel leiten sich von dieser Grundstruktur ab. Es werden Monomere (s.u.) und auch Dimere (2 Benzolringe) unterschieden. Längere Ketten sind bisher nicht für die Klinik entwickelt worden. Beispiel von Iobitridol (DCI) I I I N O N OH H 3 C OH H O OH OH O N CH 3 OH HO

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KONTRASTMITTEL Eine Kurzinformation für Zuweiser / Medizinalpersonen

1. Röntgenkontrastmittel

A. Was sind Röntgenkontrastmittel? Was sind die kontrastgebenden Substanzen? Sie verändern die Kontrastierung des Gewebes durch eine erhöhte (positive) oder erniedrigte (negative) Röntgenstrahlabsorption und werden deshalb zur Verbesserung der diagnostischen Aussagekraft gezielt eingesetzt. Klinisch verwendet werden mehrheitlich iodierte wasserlösliche Röntgenkontrastmittel, aber auch Bariumsulfat-Suspensionen (beide positiv) sowie Gase wie CO2 oder Luft (negativ).

B. Wie sind die Röntgenkontrastmittel chemisch gesehen aufgebaut? Bei den wasserlöslichen Röntgenkontrastmitteln handelt es sich um Derivate der Triiodobenzoesäure. An den zentralen Benzolring sind jeweils 3 Iodatome sowie drei weitere sehr hydrophile Substituenten kovalent gebunden. Die am häufigsten eingesetzten Verbindungen sind niederosmolar (500-900 mOsm/kg Wasser), nichtionisch und alle nierengängig. Die am Hydroxylgruppen reichen Substituenten steuern die Pharmakokinetik der Röntgenkontrastmittel im Körper. Als Verunreinigung müssen kleinste Mengen an freiem Iodid mitberücksichtigt werden, welche nicht aus den Lösungen verbannt werden können. Alle wasserlöslichen CT- oder auch kardial eingesetzten Röntgenkontrastmittel leiten sich von dieser Grundstruktur ab. Es werden Monomere (s.u.) und auch Dimere (2 Benzolringe) unterschieden. Längere Ketten sind bisher nicht für die Klinik entwickelt worden.

Beispiel von Iobitridol (DCI)

II

I

N

O

N

OH

H3COH

H

OOH

OH

O

N

CH3OH

HO

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C. Warum muss relativ viel Volumen, aber auch Substanz und damit Iod gespritzt werden? Damit der Kontrast möglichst gut ist und auch in eher schlecht durchbluteten Geweben noch wirkt, müssen relativ hohe Dosen verabreicht werden. Intravaskulär handelt es sich meist um Konzentrationen zwischen 30 – 40% Iod, d.h. ca. 30 bis 40g Iod auf 100ml Volumen. Da das Iod kovalent gebunden ist, werden also ca. 60 bis 80g Wirkstoff in Wasser gelöst gespritzt. Die Substanzen sind äusserst gut verträglich, vor allem wenn diese Mengenverhältnisse miteinbezogen werden. Die genannte Menge Lösung entspricht ca. 0.1 Mol Substanz. Insbesondere am CT werden auch noch verdünnte Iod-Lösungen (1-3% Iod) oder auch verdünnte Bariumsulfat-Suspensionen zur besseren Abgrenzung des Gastrointestinaltrakts gegenüber dem umliegenden Gewebe oral verabreicht. Diese Lösungen oder Suspension wird praktisch nicht resorbiert und rektal langsam wieder ausgeschieden. Spezifische Kontraindikationen u. Vorsichtsmassnahmen können auf www.swissmedicinfo.ch eingesehen werden.

Kontrastmittelflasche von der Seite – farblose, durchsichtige Flüssigkeit – leicht viskös und klebrig auf der Haut

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D. Da die Lösungen ausserordentlich rasch mit automatischen Druckinjektoren gespritzt werden, interessieren diverse physiko-chemische Eigenschaften. Die Iodkonzentration bedingt auch gewisse physiko-chemische Eigenschaften wie die Osmolalität, Viskosität oder Dichte der Lösungen. Ausserdem gibt es substanzspezifische Eigenschaften wie die Hydrophilie, wobei alle wasserlöslichen Uro-Angiographika eine hohe Wasserlöslichkeit u. Hydrophilie aufweisen. Der osmotische Druck und auch die Viskosität beeinflussen das Schmerz- oder auch das Wärmeempfinden der Patienten – allerdings ist dies bei der intravenösen Injektion und Vorwärmen des Kontrastmittels heute meist recht gut eingestellt. Da die physiko-chemischen Eigenschaften sich teilweise gegenläufig beeinflussen, ist immer ein Kompromiss im Spiel. Die erhöhte Osmolalität der Lösungen führt neben einer leichten Vasodilatation zu einem gewissen Flüssigkeitsverlust des Interstitiums, erhöhten intravaskulären Volumina, guter renaler Durchspülung sowie auch pulmonalem Druckanstieg.

OsmolalitätAktivität gelöster Teilchen

H2OInjection into blood vessel

erythrocyte

X-ray CM

endothelial

fenestrae

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E. Wie verhalten sich die Röntgenkontrastmittel im Körper – Verteilung u. Ausscheidung? Nach der intravaskulären Injektion verteilen sich die iodierten Röntgenkontrastmittel nach einer ersten vaskulären First-pass Phase sehr rasch ins Interstitium (2.5 min Verteilungs-HWZ). Dies entspricht einem 2-Kompartiment-Modell. Die Proteinbindung der eingesetzten Moleküle ist äusserst gering. Durch die Nieren erfolgt eine passive glomeruläre Filtration, so dass die niedermolekularen Verbindungen bereits nach 80-100min beim Nierengesunden wieder zu 50% ausgeschieden sind (Eliminations-HWZ). Die iodierten RKM erreichen beim Erwachsenen ein Distributionsvolumen von ca. 24 – 30 Lit. Sie durchdringen im Allgemeinen die Blut-Hirnschranke nicht. Die Plazentaschranke wird in geringem Ausmass überschritten.

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F. Wann darf ein iodiertes Röntgenkontrastmittel nicht gespritzt werden? Kontraindikationen für iodierte Röntgenkontrastmittel: Bei schweren Kontrastmittel-Reaktionen in der Anamnese (Ring Messmer Klassifikation III/IV; auch z.B. Gadolinium) oder multiplen Allergien mit Schockanamnese und einer ausgeprägten Instabilität muss Rücksprache mit dem Zuweiser genommen werden. Kontrastmittel sind Injektionsallergene mit erhöhtem Hypersensitivitäts-Risiko. Bei einer geplanten Schilddrüsenfunktions-Messung oder Schilddrüsen-CA Behandlung mit radioaktivem Iod darf nicht gleichzeitig oder parallel dazu iodiertes Röntgenkontrastmittel eingesetzt werden. Bei Patienten mit einem Hyperthyreose – Risiko oder vorbestehender Autonomie sollte ebenfalls das Vorgehen mit einem Endokrinologen weiter besprochen werden (siehe auch Vorsichtsmassnahmen).

G. Bei welchen Situationen gilt es besondere Vorsichtsmassnahmen einzuhalten?

Auf Grund der relativ hohen Mengenverhältnisse und renalen Ausscheidung steht der Schutz der Nierenfunktion im Vordergrund – auch geht es darum die Belastung bei Risikogruppen möglichst einzuschränken: Patienten mit früheren Nierenerkrankungen oder Patienten mit früherer Nierenchirurgie, Patienten mit Nierenfunktionseinschränkung, Diabetiker, Proteinurie in der Anamnese, Gicht sowie die Niere belastende Medikamente (Metformin, Nicht-steroidale Antirheumatika, Aminoglykoside, Chemotherapien) oder ältere Patienten (> 70 J). Mit folgenden Massnahmen kann vor einem KM-induziertem Nierenversagen geschützt werden: Dosiseinschränkung, Korrektur von Risikofaktoren, gute Hydrierung, Vermeiden nephrotoxischer Begleitmedikamente, Vermeiden weiterer KM-Gaben u. gute Nachversorgung. Weitere Risikogruppen sind Patienten mit ausgeprägten Kardiomyopathien oder Arteriosklerose, arterieller Hypertonie, niedriger Blutdruck (<70 -100 mmHg) oder auch Asthmatiker unter Behandlung. Patienten mit schweren systemischen Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen oder multifaktoriellern Einschränkungen müssen mit Vorteil den Umständen entsprechend betreut werden. Ergänzende, detaillierte Angaben finden Sie unter www.swissmedicinfo.ch (Z.B. unter Xenetix®, Iopamiro® oder Ultravist®). Schliesslich sei an die Schilddrüsenerkrankungen, vorbestehende Hyperthyreose oder in der Pädiatrie an Wolff-Chaikoff Unterfunktion gedacht.

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Präventivmassnahmen dienen zum Schutz des Patienten und Risikominimierung.

H. Welche unerwünschten Wirkungen sollten beachtet werden? Was ist für den Patienten wichtig? Nebenwirkungen / Verträglichkeit: Der Patient spürt je nach Temperatur der Lösungen den Fluss in seinen Arm und das Nachspülen mit physiologischer Kochsalzlösung. Neben lokalen Wärme- oder Schmerzempfindungen kommt es manchmal auch im Halsbereich und leicht verzögert in der Lendengegend zu Wärme. Im Mundbereich wird ein kurzer Metallgeschmack oftmals bemerkt. Falls Übelkeit ist dies meist nach 20-30 Sekunden wieder weg, so dass der erste Druck einfach überwunden werden muss. Erst bei sehr hohen Fallzahlen (Kollektiven) kann die Verträglichkeit der einzelnen Mittel genauer definiert u. allenfalls verglichen werden. Bei der intravasalen Gabe iodierter RKM rechnet man mit ungefähr 0.04% schwerwiegende Kontrastmittelreaktionen. Am häufigsten sind Nausea u. Übelkeit evtl. auch mit Erbrechen (0.26%), Urticaria (0.08%), Wärmegefühl (0.06%), Juckreiz (0.05%), Trockener Mund (0.03%), Niesreiz (0.03%), Erythem (0.02%) oder auch Husten (0.02%). Diese Zahlen beziehen sich auf eine kürzlich publizierte Multizenter-PMS- Studie aus Deutschland (Total 0.6% NW-rate) mit dem Kontrastmittel, welches bei uns in der Klinik im Alltag eingesetzt wird. Ähnlich wie bei Allergiereaktionen reagieren die 15 bis 59 Jahre alten Patienten am häufigsten, wobei kardiovaskuläre Risiken eher bei älteren, instabilen Patienten zu nennen sind. Patienten mit vorbestehenden Risiken weisen eine schlechtere Verträglichkeit auf und müssen deshalb besonders betreut werden. Die Nephrotoxizität der parenteralen Röntgenkontrastmittel wird sehr kontrovers diskutiert. Offensichtlich sind interventionelle Techniken (i.a.) wesentlich belastender als die i.v. Gabe. Bei erhöhtem Risiko sind teilweise Nephropathie-Inzidenzraten bis zu 18% beobachtet worden, wobei hier nicht zwischen bleibenden Schäden u. vorübergehender Nephropathie unterschieden wurde. Die beste Massnahme zur Verhinderung einer Nephropathie ist eine standardisierte u. gut kontrollierte Hydrierung des Patienten. Mit 1-3ml/kg KG muss bis zu 6 Std. vor der Untersuchung bei Risikopatienten eine Vorhydrierung stattfinden. Gleich lang müssen die Patienten nachbehandelt werden.

Patient mit KM-Rückständen in beiden Nieren – allenfalls hinweisend auf eine verzögerte Elimination

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Die Vielfalt an unerwünschten Wirkungen ist angesichts längerer Untersuchungszeiten in der Kardioangiographie, bei Interventionen oder früher auch bei den Schnittbild-Techniken sehr ausgiebig und besteht aus längeren Listen – allerdings handelt es sich meist um sehr seltene NW und Einzelbeobachtungen, deren Bedeutung umstritten ist. (Siehe www.swissmedicinfo.ch ) Innerhalb der ersten 15 min treten die meisten akuten Reaktionen auf (bis 90%) – allerdings wird mit einer ähnlich hohen Anzahl von Spätreaktionen gerechnet, die meist in Form von Urticaria, makulopapulösem Exanthem oder Hautreaktionen nach der Untersuchung beobachtet werden. Die Patienten werden aus Sicherheitsgründen noch ca. 30 bis max. 60 min im Anschluss an eine Kontrastmittel-Anwendung beobachtet, damit eine klare Erholungsphase sichergestellt werden kann.

I. Wann sollte auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten geachtet werden? Im Vordergrund stehen bei der iv. Anwendung das vorübergehende Absetzen des Metformins (Glucophage®) bei Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion in der Anamnese (eGFR < 45ml/min/1.73m2). Bei i.a. Gabe oder Interventionen wird der Sockelwert der eGFR auf 60ml/min/1.73m2 festgesetzt. Diese Massnahme dient dazu, eine Lactazidose zu verhindern, wobei die Komedikation berücksichtigt werden muss. Medikamente, welche die Nieren deutlich belasten wie NSAR, Diuretika, Aminoglykoside, Pilzpräparate, Ciclosporin, Chemotherapeutika, ACE-Hemmer oder auch AIDS - Präparate müssen eingeschränkt oder in einem gewissen zeitlichen Abstand zum Kontrastmittel verabreicht werden. Betarezeptoren-Blocker können einen Einfluss auf die Notfallbehandlung im Falle eines anaphylaktischen Schocks haben, so dass dies auch berücksichtigt werden muss. Weitere Hinweise siehe www.swissmedicinfo.ch

J. Welche Patienten sollten zur Verhinderung einer Nebenwirkung prämediziert werden? Risikopatienten mit erhöhter Neigung zu Hypersensitivitätsreaktionen können mit einem Corticosteroid (am besten 12 Std. u. 2 Std vorher in oraler Form) sowie einem i.v. Antihistamin (H1-Blocker evtl. in Kombination mit einem H2-Blocker) kurz vorher prämediziert werden. Die jeweiligen Vorsichtsmassnahmen sowie Sedation des Antihistamin müssen berücksichtigt werden (kein Betätigen von Maschinen oder Autofahren, ev. Abholen des Patienten). Eine leichte Hyperthyreose kann mit Thyreostatika maskiert werden. Zur Hydrierung sei auf die Nierenverträglichkeit oben hingewiesen.

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Schliesslich müssen gewisse Patienten noch separat beruhigt werden (Anxiolyse), damit sie während der Untersuchung besser kooperieren.

Schlussbemerkungen / Allgemeine Hinweise: Diese Zusammenfassung kann nicht eine Fachinformation oder einen Review-Artikel über Kontrastmittel ersetzen. Trotzdem hoffen wir, Ihnen hiermit die wichtigsten Informationen rund um iodierte Röntgenkontrastmittel gegeben zu haben. Spezialuntersuchungen mit teilweise spezifischen Anwendungen u. Konzentrationen sind ebenfalls hier nicht umfassend abgehandelt.

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2. MR-kontrastmittel = Gadolinium-haltige

A. Was sind MR-Kontrastmittel? Wie wirken sie? Bei vielen Untersuchungen reicht das Kontrast-Rausch Verhältnis zur Unterscheidung des kranken vom gesunden Gewebe vollkommen aus. Allerdings besonders bei kleineren Läsionen oder zur besseren Charakterisierung können MR-Kontrastmittel sehr vorteilhaft sein. Sie verändern die Kontrastierung des Gewebes dank ihren (super-) paramagnetischen Eigenschaften. Da es zu Signalanstieg oder –abfall kommen kann, werden positive und negative MR-Kontrastmittel differenziert. Am häufigsten werden Gadoliniumkomplexe (positiv) dank ihrer T1-Verkürzung mit Signalanstieg klinisch eingesetzt.

Axialer Schitt quer durch das Gehirn mit einer Läsion, die auf dieser T1-gewichteten Sequenz signalreich dargestellt ist (Bild aus „Introduction to Medical Imaging“ www.cambridge.org – Eds.: Smith NB and Webb A)

B. Wie sind die Gadoliniumhaltigen MR Kontrastmittel aufgebaut? Gadolinium ist ein Schwermetall, welches in Lösung eine hohe Anzahl freier singulärer Elektronenspins auf Grund seiner Struktur bildet. Diese Elektronen weisen damit einen hohen Paramagnetismus auf. Sie treten in Wechselwirkung mit dem Wasser (Protonen) aus dem Gewebe und verkürzen deren T1-Relaxationszeit. Da Gadolinium selber toxisch ist, muss es in Form von Komplexen gespritzt werden. Damit definiert der Ligand oder Chelator ausserhalb des Zentralatoms dessen Verteilung und Verträglichkeit. Die meisten Liganden führen zu einer Zwei-Kompartimentverteilung (vaskulär + interstitiell) mit renaler Elimination (unspezifische MR-Kontrastmittel). Ausnahmen sind die leberspezifischen MR-Kontrastmittel, die von den Hepatozyten aufgenommen werden (Anionenrezeptoren) und über die Galle teilweise ausgeschieden werden. Komplexe, die das Gadolinium möglichst fest einbinden, werden bevorzugt. Damit gewinnt die Komplex-Stabilität (thermodynamisch, kinetisch) eine hohe praktische Bedeutung. Die Lösungen weisen eine normierte Gadoliniummenge pro Milliliter Lösung auf – sind also sozusagen auf Millimol – Ebene standardisiert (= 0,5 Mol/Lit).

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Die Lösungen weisen alle auch eine Osmolalität und Viskosität auf, die allerdings auf Grund kleinerer Volumina eine geringere Rolle als bei Kontrastmitteln am CT spielen.

Beispiel von Gd-DOTA = Gadoterat (DCI) unspezifischer Gd-komplex mit renaler Elimination. Das Zentralatom Gd3+ wird über ionische Bindungen sowie van-der-Waals Kräfte vom äusseren Ligand (Chelator auch genannt) fest gebunden.

C. Wie wird dosiert? Wie sieht die Mengenbelastung aus? Unverdünnte MR-Kontrastmittel-Lösungen werden intravenös gespritzt. In der direkten MR-Arthrographie werden hingegen 200- bis 250fach geringer konzentrierte Gadolinium-Lösungen direkt ins Gelenk gespritzt. Damit der T1-Effekt optimal dargestellt werden kann, sind entsprechende Verdünnungen nötig. Die übliche i.v. Dosierung beträgt 0,1 mmol Gd/kg Körpergewicht (KG), was im Allgemeinen 0,2ml/kg KG eines 0,5 molaren Kontrastmittels entspricht. Damit entsprechen 20ml eines solchen MR-Kontrastmittels ca. 0.01 Mol Substanz, was die bessere Verträglichkeit im Vergleich zu iodierten Kontrastmitteln teilweise erklärt. Spezifische Kontraindikationen u. Vorsichtsmassnahmen können auf www.swissmedicinfo.ch eingesehen werden.

MR-Kontrastmittelflasche von der Seite – farblose, durchsichtige Flüssigkeit – mit geringer Viskosität.

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D. Welche Eigenschaften gilt es besonders zu berücksichtigen? Die Gadoliniumkonzentration bedingt auch gewisse physiko-chemische Eigenschaften wie die Osmolalität, Viskosität oder Dichte der Lösungen (s.o.). Gegenüber dem Plasma sind die meisten MR-Kontrastmittellösungen hyperosmolar. Ausnahmen stellen die direkten MR-Arthrographika dar. Eine der wichtigsten physiko-chemischen Charakteristika ist die Komplexstabilität. Stabilere Komplexe binden das Gadolinium fester ein, so dass es weniger stark bei längerer Zirkulation (z.B. Niereninsuffizienz) freigesetzt wird oder gegenüber anderen Elektrolyten ausgetauscht wird (Transmetallierung).

Transmetallierung?Konkurrenz um Bindungsstellen

Giftig !

Gd

Zn

Ca

Fe

Gd

Zn

Ca

Fe

NiereGd lagert sich als Hydroxid (GdOH3) oder Phosphat

im Gewebe und im RES ab!

Zink, Calcium oder Eisen werden renal ausgeschieden

Der Gadoliniumkomplex wird von körpereigenen Elektrolyten wie Zn2+, Ca2+ oder Fe2+/3+ oder auch H+ angegriffen und teilweise substituiert. Dabei erfolgt ein Austausch des Zentralatoms. Das freiwerdende Gadolinium fällt teilweise als Phosphat oder Hydroxid im Gewebe aus. Das komplex gebundene Zn, Ca oder Fe wird über die Nieren passiv ausgeschieden.

E. Wie verhalten sich die MR-Kontrastmittel hinsichtlich ihrer Kinetik? Wann sind die

Kontrastmittel wieder ausgeschieden? Die unspezifischen MR-KM verhalten sich praktisch so wie die iodierten Röntgenkontrastmittel (2-Kompartiment-Modell). Nach der intravaskulären Injektion verteilen sie sich nach einer ersten vaskulären First-pass Phase sehr rasch ins Interstitium (2.5 min Verteilungs-HWZ). Die Proteinbindung der eingesetzten Moleküle ist äusserst gering. Durch die Nieren erfolgt eine passive glomeruläre Filtration, so dass die niedermolekularen Verbindungen bereits nach 80-100min beim Nierengesunden wieder zu 50% ausgeschieden sind (Eliminations-HWZ). Die MR-KM erreichen beim Erwachsenen ein Distributionsvolumen von ca. 24 – 30 Lit. Sie durchdringen im Allgemeinen die Blut-Hirnschranke nicht. Die Plazentaschranke wird in geringem Ausmass überschritten.

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Adenom ca. 20min nach der i.v. Applikation mit Primovist®. Das gesunde Lebergewebe erscheint signalintensiver als die Läsion. Die leberspezifischen MR-Kontrastmittel (Gadobenate = Multihance, Gadoxate=Primovist) weisen meist eine Zweiphasenkinetik auf. Zuerst verhalten sie sich wie die oben beschriebenen unspezifischen MR-KM. In einer zweiten Phase werden die Liganden auf Grund von Seitenketten durch OATP-Rezeptoren erkannt und spezifisch von den Hepatozyten aufgenommen. Bei Primovist nach 10-20 min, beim Multihance nach 60 bis 90 min kann die Leberbildgebung optimal durchgeführt werden. Die Elimination erfolgt zu 50% über die Gallenwege beim Primovist, während Multihance nur zu 4 bis 8% über die hepatobiliären Ausscheidungswege eliminiert wird.

2-Kompartimentmodell mit vaskulärer Erstphase (Gefäss zu Beginn), interstitiellem Austausch (Parenchym mit Verteilung ins Interstitium) und zuletzt auch renaler passiver glomerulärer Filtration (unten gelb)

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F. Wann sind die gadoliniumhaltigen MR-Kontrastmittel kontraindiziert? Bei einer bekannten schwerwiegenden Hypersensitivität auf das Kontrastmittel selber oder ähnliche (auch iodierte – Kontrastmittel) muss Rücksprache mit dem Zuweiser genommen werden. Kontrastmittel sind Injektionsallergene mit erhöhtem Hypersensitivitäts-Risiko. Da bei Dialysepatienten und einer eGFR < 30ml/min/1.73m2 (CKD 4 u. 5) mit instabilen MR-Kontrastmitteln eine sehr seltene NSF (nephrogene systemische Fibrose) auftrat, ist zu einer gewissen Zurückhaltung bei eingeschränkter Nierenfunktion zu raten. Die stabileren Makrozyklen dürfen als Einzeldosis (= 0,1 mmol Gd/kg KG) auch bei terminaler Niereninsuffizienz bei entsprechender Indikation verabreicht werden. Weitere eher Technik-bezogene Kontraindikationen gelten bei den direkten MR-Arthrographika. Bei den leberspezifischen MR-Kontrastmitteln nimmt die Wirksamkeit bei Leberzirrhose oder schwerer Leberfunktionsstörung deutlich ab.

G. Gelten noch weitere Vorsichtsmassnahmen? Allgemein werden die Gadoliniumkomplexe als ausserordentlich gut und im Vergleich zu iodierten Kontrastmitteln als besser verträglich einklassiert (siehe ESUR Guidelines 8.1). Die Gefahr von Überempfindlichkeitsreaktionen ist bei - Früherer Reaktion auf Kontrastmittel - Bronchialasthma unter Behandlung - Allergischen Störungen in der Anamnese erhöht. Eine Nutzen-Risiko Abwägung ist sicher sinnvoll. Die Gefahr einer weiteren Nierenfunktionsbeeinträchtigung besteht bei höheren Dosen oder ausgeprägten Risikopatienten, während bei den üblichen Kontrastmitteldosen dieses Risiko eher als klein eingeschätzt wird. Bei Niereninsuffizienz ist die Elimination verzögert, so dass sich längere Ausscheidungskinetiken ergeben. Die Behandlung von Metformin kann ohne weiteres fortgesetzt werden und stellt keine Einschränkung hinsichtlich einer Gd-Gabe dar. Die NSF-Problematik ist bereits oben unter den Kontraindikationen diskutiert worden. Mit stabilen Gadoliniumkomplexen kann das Risiko minimiert werden. Ergänzende, detaillierte Angaben finden Sie unter www.swissmedicinfo.ch (Z.B. unter Dotarem®, Magnevist 2.0 ® oder Primovist®).

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H. Welche unerwünschten Wirkungen können auftreten? Der Patient spürt von der Injektion nur wenig, meist eher das NaCl, welches nachströmt, da es nicht wärmend wirkt. Im allgemeinen sind die Gadolinium-Kontrastmittel äusserst gut verträglich (siehe ESUR-Richtlinien). Erst bei sehr hohen Fallzahlen (Kollektiven) kann die Verträglichkeit der einzelnen Mittel genauer definiert u. allenfalls verglichen werden. Bei der intravasalen Gabe unspezifischer MR-KM rechnet man mit ungefähr 0.005% schwerwiegende Kontrastmittelreaktionen. Am häufigsten sind Nausea u. Übelkeit evtl. auch mit Erbrechen (0.23% - 0.61%), Urticaria (0.02%-0.15%), Wärmegefühl (0.02%), Kopfschmerz (bis 0.44%), Parästhesien (0.004%-0.17%), Schwindel (0.02%-0.19%), Erythem (0.02%) oder auch kardiovaskuläre Reaktionen (0.05%). Diese Zahlen beziehen sich auf mehrere publizierte Multizenter-PMS- Studien mit unterschiedlichen MR-KM (Gadobutrol=Gadovist®; Gadopentetate=Magnevist®; Gadoterat=Dotarem®; Gadobenate = Multihance®). Die meisten der oben genannten Nebenwirkungen sind sehr selten. Da nicht vorhersehbar soll explizit auf die Gefahr einer anaphylaktischen Hypersensitivitäts-Reaktion hingewiesen werden.

Weitergehende Information finden Sie unter www.swissmedicinfo.ch Innerhalb der ersten 15 min treten die meisten akuten Reaktionen auf (bis 90%). Auch wenn vereinzelt berichtet sind Spätreaktionen nach mehr als einer Stunde auftretend äusserst selten. Die Patienten werden aus Sicherheitsgründen noch ca. 30 min im Anschluss an eine Kontrastmittel-Anwendung mit Gadoliniumhaltigen MR-KM beobachtet, damit eine klare Erholungsphase sichergestellt werden kann.

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I. Auf welche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten ist besonders zu achten? Auf Grund der geringeren Dosen ist die Gefahr ausgehend von anderen Medikamenten eher geringer als mit iodierten Kontrastmitteln einzuschätzen. Bei Metformin (Glucophage®) sind beispielsweise keine weiteren Massnahmen nötig. Die Medikation kann ohne Pause/Unterbrechung fortgesetzt werden. Da die Nierenbelastung selber durch die MR-KM sehr gering ist, müssen keine besonderen Massnahmen bezüglich des Nierenschutzes oder nierenbelastender Medikamente eingeleitet werden. Betarezeptoren-Blocker können einen Einfluss auf die Notfallbehandlung im Falle eines anaphylaktischen Schocks haben, so dass dies auch berücksichtigt werden muss. Einzelne Gadoliniumhaltige MR-KM führten zu QTc-Verlängerungen. Bei Patienten mit QT-Syndrom oder solchen unter repolarisationsverlängernden Medikamenten (z.B. Amiodaron, Sotalol) ist besondere Vorsicht geboten. Nur für Leberspezifische MR-KM: Bei Substanzen, die über den OATP-Rezeptor in der Leber möglicherweise mit Gadoxetat interagieren, weisen präklinische Studien auf eine geringere Aufnahmefähigkeit der Hepatozyten hin (z.B. bei Rifampicin). Damit nimmt der Kontrasteffekt deutlich ab. Weitere Hinweise siehe www.swissmedicinfo.ch

J. Sollten gewisse Patienten prämediziert werden? Die internationalen Leitlinien (www.esur.org) geben keine entsprechenden Empfehlungen bei Patienten mit erhöhtem Hypersensitivitätsrisiko oder bei Nierenrisikopatienten ab. Da am MR häufig Platzangst oder Klaustrophobie besteht, werden teilweise Anxiolytika i.v., oral oder auch nasal in geringen Dosen verabreicht. Dies muss hinsichtlich Fahrtüchtigkeit berücksichtigt werden, so dass solche Patienten sich abholen lassen sollten.

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Schlussbemerkungen / Hinweise: Diese Zusammenfassung kann nicht eine Fachinformation oder einen Review-Artikel über MR-Kontrastmittel ersetzen. Trotzdem hoffen wir, Ihnen hiermit die wichtigsten Informationen rund um die unspezifischen MR-Kontrastmittel gegeben zu haben.