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H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel Düstere OrteH. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel
Vergangenheit sind auf konkrete Zeitpunkte festgelegt wor-
den, um datierte Handouts zu ermöglichen und die Vorge-
schichte für den Spielleiter übersichtlicher zu gestalten.
Nach einer kurzen Einführung folgt eine Beschreibung
aller relevanten Plotpunkte, sowie einiger Lösungsideen,
damit der Spielleiter individuell auf das Vorgehen der
Spieler reagieren kann. Danach werden die für das Aben-
teuer relevanten Örtlichkeiten und Hinweise, die die
Charaktere dort fi nden können, beschrieben. Im Anhang
schließlich fi nden sich die Beschreibungen und Werte der
Nichtspielercharaktere und alle Handouts.
Die Charaktere werden von ihrem guten Freund Tho-
mas Börde (der Name ist austauschbar) kontaktiert, der
sie um rasche Hilfe bittet. Er hat davon gehört, dass sie be-
reits zuvor in etwas unorthodoxe Geschehnisse verwickelt
waren und dabei auch zu eher unüblichen Methoden ge-
griffen haben. Er berichtet von seiner jüngeren Schwes-
ter Annie, die vor einigen Tagen im Alter von nur knapp
über 20 Jahren tot aufgefunden wurde. Der Gerichtsme-
diziner gab als Todesursache plötzliches Herzversagen an,
doch Thomas glaubt nicht daran. Er ist überzeugt davon,
dass Annie keines natürlichen Todes starb, sondern er-
mordet wurde. Offenbar hatte seine hübsche Schwester
eine heimliche Affäre mit dem Bürgermeister der Stadt,
was ihr schließlich zum Verhängnis wurde. Suchen die
Charaktere Thomas auf, wird er weiter ins Detail gehen:
„Unsere Eltern sind schon was länger tot, Annie hat
das nicht gut verkraftet. Ich glaub sie hatte ‚nen Vater-
komplex oder sowas. Na ja. Jedenfalls hat sie was mit
dem Bürgermeister angefangen, obwohl der verheiratet
ist und auch schon was älter.
Ich hab sie immer wieder gewarnt und ihr gesagt, sie
soll das sein lassen. So was geht doch nie gut aus. Sie hätt‘
heiraten sollen und nicht ihre Zeit verschwenden, mit so
einem alten Sack. Der hat ihr halt
immer mal wieder was geschenkt,
deshalb fand sie ihn so toll. Ich hab
ihr dauernd gesagt, sie soll aufhör‘n
und sich ‚nen vernünftigen Mann
suchen. Jedenfalls hab ich ihr ge-
sagt, dass sie langsam echt mal was
Ordentliches mit ihrem Leben an-
fangen muss, und irgendwann hat
sie das auch mal eingeseh‘n. Keine
Ahnung, worauf sie immer gewartet
hat, aber anscheinend hat sie‘s nicht
gekriegt. Sie ist also hin und hat ihm
gesagt, dass sie die Schnauze voll hat.
Danach war sie nochmal kurz bei mir
und hat‘s mir erzählt. Und das nächs-
te, was ich gehört hab, war, ‚Sie ist
tot‘. Man hat sie in ihrer Wohnung
gefunden, angeblich alles ganz nor-
mal, nur halt, dass sie tot war. Und
der Gerichtsmediziner hat behaup-
tet, sie hätte einfach Herzversagen
gehabt. Das glaub ich halt nicht. Sie
war doch noch ganz jung. Da stirbt
man doch nicht so einfach.“
Thomas bittet die Charaktere dar-
um, seine Schwester zu exhumieren
und nachzusehen, ob sie wirklich er-
mordet wurde.
Die Charaktere sollten diesen schrecklichen Gescheh-
nissen natürlich ein Ende bereiten. Sie werden auf die
Untoten aufmerksam, als sie im Auftrag eines misstrau-
ischen Verwandten still und heimlich eine junge Frau
exhumieren, die offi ziell an Herzversagen starb, aber in
Wahrheit von ihrem Liebhaber, dem Bürgermeister des
Ortes, getötet wurde. Bei einer zweiten offi ziellen Lei-
chenbeschau ist die Tote nicht mehr aufzufi nden, da sie
von Jonathan Reichelt in seine schlammigen Gänge und
Hallen entführt wurde. So fi nden die Charaktere eine Lei-
che, die sich zu verselbstständigen scheint, andere Tote,
die nicht in ihren Gräbern liegen und einen wahnsinni-
gen, wandelnden Leichnam, der in seiner Besessenheit
sicher nicht einfach zulassen wird, dass der Fluch (durch
Vernichten des Fingerknochens) gebrochen wird.
Einführung
Dieses Abenteuer eignet sich am besten für eine Gruppe
von Investigatoren – optimalerweise gehört ein Arzt dazu
-, die bereits ein wenig Einblick in den Mythos erhalten
hat. Was zunächst als Kriminalfall beginnt, entwickelt
sich zu etwas weitaus Größerem, das mehr von den In-
vestigatoren verlangt als detektivischen Spürsinn.
Es ist vorgesehen, die Spieler bewusst an einigen Stel-
len zu überraschen und mit ihren Erwartungen zu spie-
len. Erfahrene Spieler kann man so bewusst ein wenig an
der Nase herumführen.
Der Ort der Geschehnisse ist prinzipiell fl exibel wähl-
bar, da der Nordfriedhof in jede beliebige Stadt gelegt wer-
den kann, die dem Spielleiter für seinen Aufbau gelegen
kommt. Auch das genaue Jahr und die Jahreszeit sind fl e-
xibel wählbar. Die relevanten Ereignisse in der früheren
Thomas Börde kann den Charakteren neben Geld auch mit der Modifi zierung
ihres Automobils danken.
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Düstere Orte H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel
folglich auch den Amtsarzt, dem er Betrug verwerfen
wird), und das ist durchaus risikoreich für ihn. Sollten
die Spieler eine Exhumierung ablehnen oder sich nur
auf die Spuren in der Wohnung verlassen, dann wird
Thomas die Leiche seiner Schwester selbst ausgraben.
Er wird nachts verschwinden, und die Charaktere kön-
nen ihn auf dem Friedhof am geöffneten Grab seiner
Schwester finden.
Die Plot-ElementeDas Abenteuer besteht im Grunde aus einem Nebenplot
(der Mord an Annie Börde) und einem Hauptplot (der
verfl uchte Friedhof), auf den die Charaktere durch das
Verschwinden von Annies Leiche bei der zweiten Ex-
humierung aufmerksam werden. Zuerst sollen nun die
einzelnen Elemente des Mordplots abgehandelt werden.
Es folgen die Elemente des Plots zum unheiligen Leben
in den Gräbern des Nordfriedhofs. Nach diesen Beschrei-
bungen der Handlungen folgen die Beschreibungen der
einzelnen Örtlichkeiten.
„Ich würde ja einfach zur Polizei
gehen und den Bürgermeister an-
schwärzen … Wenn ich denen von
der Affäre erzähle, dann würden die
bestimmt was machen, aber wenn
ich doch nicht Recht habe, dann
würde ich für nix den Ruf meiner
Schwester ruinieren. Ich will nicht,
dass die Leute sich an sie als Flitt-
chen erinnern. Das hätte sie nicht
verdient, sie war ein gutes Mädchen.
Außerdem wär‘ ich dann genauso im
Arsch. Ich wohn‘ ganz gern hier, und
wenn rauskommt, dass ich den Bür-
germeister falsch beschuldigt habe,
kann ich meine Sachen packen.“
Natürlich sollen die Charaktere
auch eine Belohnung erhalten. Es
winkt ihnen nicht nur das schöne
Gefühl, einem Freund geholfen zu
haben, sondern auch Geld.
„Schon meine Eltern haben was
zusammengespart, und ich hab nach
ihrem Tod auch immer noch was da-
zugetan. Das sollte eigentlich mal für
die Hochzeit von Annie sein. Aber
das braucht sie ja nicht mehr.“
Entscheiden die Charaktere sich
dazu, ihm zu helfen, so beschreibt
er ihnen, wo sie das Grab von Annie
auf dem Nordfriedhof fi nden kön-
nen, und rät ihnen natürlich dazu,
nachts zu arbeiten, um dem Fried-
hofswärter auszuweichen. Er selbst
wird es ablehnen, sie zu begleiten, da er sich den An-
blick der Leiche seiner geliebten Schwester gern ersparen
möchte.
Der Spielleiter sollte im Blick behalten, dass die Exhu-
mierung spätestens in der zweiten Nacht nach der Bei-
setzung stattfi nden muss, um den Plot nicht maßgeblich
zu ändern. Ihm bleibt etwas Handlungsspielraum, wenn
man bedenkt, dass Annie bis zu einer Woche in der Fried-
hofshalle aufgebahrt und dann begraben worden sein
könnte. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass die
Charaktere sich in der nächsten oder der darauffolgenden
Nacht an ihre sinistere Arbeit machen.
Thomas wird erst zur Polizei gehen, wenn er wirklich
sicher ist, dass Annie ermordet wurde. Die Hinweise, die
in ihrer Wohnung gefunden werden können, reichen
aus, um seine Aussage vor der Polizei zu untermauern.
Sie werden ihm allein aber nicht genügen, da seine ei-
gene Existenz und der Ruf seiner Schwester auf dem
Spiel stehen. Er wird angesehene und einflussreiche
Bürger der Stadt beschuldigen (den Bürgermeister und
Zeitlicher Ablauf des Mordes an Annie Börde und des Leichenraubs
19:00 Treffen von Annie Börde und Bürgermeister Engelhardt
Lorentz im Wald, Annie beendet die Affäre.
19:45 Annie trifft bei ihrem Bruder Thomas ein und erzählt
ihm von der Trennung.
20:45 Annie kehrt zu ihrer Wohnung zurück.
22:00 Lorentz erreicht Annies Wohnung, ermordet sie und
fl ieht; sucht den Amtsarzt Dr. Fedders auf.
23:30 Lorentz betritt erneut Annies Wohnung und versucht,
den Tatort zu säubern.
Morgens 7:30 Gisela Meyer fi ndet Annies Leiche, die Polizei informiert
Dr. Fedders, der den Tatort, die Leiche und den Bericht
verfälscht.
Innerhalb einer Woche nach dem Mord
Benachrichtigung der Charaktere durch Thomas
Börde
Einige Stunden bis ein Tag nach Annies Beerdigung
Ankunft der Charaktere
Bis zur zweiten Nacht nach Annies Beerdigung
Erste Exhumierung
Dritte Nacht nach Annies Beerdigung
Jonathan raubt Annies Leiche aus dem Grab.
Ab dem vierten Morgen nach Annies Beerdigung
Zweite Exhumierung
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Also suchte Engelhardt, nach einem kurzen Besuch zu
Hause bei seiner Frau Gertrude, voll düsterer Gedanken
noch am selben Tag gegen 22 Uhr die Wohnung Annies
auf und forderte die Herausgabe seiner Geschenke. Als
Annie sich weigerte, ergriff er ihre Stoffschere vom Näh-
tisch und rammte diese der jungen Frau im Affekt in die
Seite. Während Annie röchelnd zu Boden sank, schnapp-
te Engelhardt ihr Schmuckkästchen, kippte es aus und
verschwand mit der goldenen Halskette.
Auf dem Rückweg beruhigte er sich ein wenig und be-
suchte den örtlichen Amtsarzt und Gerichtsmediziner
Dr. Roland Fedders zu Hause. Durch seine Kontakte
als Bürgermeister wusste Engelhardt von Dr. Fedders
Spielsucht und den daraus resultierenden Geldnöten.
Mit diesem Wissen machte er dem überraschten Arzt ein
hervorragendes Angebot von 3.000 Mark und schwor
ihn darauf ein, bei der am folgenden Tag stattfi ndenden
Obduktion von Annies Leiche keinen Tod durch Fremd-
verschulden festzustellen. Nachdem dieser eingewilligt
hatte, suchte der Bürgermeister Annies Wohnung erneut
gegen 23.30 Uhr auf, verschaffte sich Zutritt mit seinem
Zweitschlüssel, säuberte den Leichnam, umwickelte ih-
ren Oberkörper mit einigen Handtüchern und drapierte
sie in ihrem Bett. Dabei vergaß er jedoch, das Schmuck-
kästchen wieder so ordentlich wie zuvor einzuräumen
und die Schere zurückzulegen, die er, aufgebracht durch
die Bluttat, einfach in seine Jackentasche gestopft hatte.
Außerdem bemühte er sich, die Blutfl ecken im Teppich
so gut als möglich wegzuschrubben, was ihm jedoch nur
teilweise gelang.
Am nächsten Morgen, nachdem die Leiche Annies von
einer Arbeitskollegin und Freundin Gisela Meyer ent-
deckt wurde und diese die Polizei und damit indirekt den
Amtsarzt herbeirief, stellte Dr. Fedders wie abgesprochen
Herzversagen als offi zielle Todesursache fest. Außerdem
vernähte er die Mordwunde, um ein weiteres Austreten
von Körperfl üssigkeiten zu vermeiden, und steckte dem
Bestatter Erwin Breitling 500 Mark zu, so dass die-
ser beim Waschen und Herrichten der Leiche nicht allzu
genau hinschauen würde. Weiterhin wischte er sicher-
heitshalber sämtliche Tür- und Schrankgriffe mit Alkohol
ab (um Fingerabdrücke zu beseitigen), entsorgte die blut-
verschmutzte Bettwäsche in einer Mülltonne hinter dem
Haus und bezog das Bett frisch.
Aufklärung der Tat
Man kann davon ausgehen, dass die Charaktere ihrem
Freund glauben und bereits vor der Exhumierung von
einem Verbrechen oder gar von Mythosaktivität ausge-
hen. Neben dem Grab der jungen Frau, welches natür-
lich nur nachts näher untersucht werden kann, könn-
ten kluge Spieler natürlich auf die Idee kommen, bereits
zuvor andere Informationen einzuholen und sich z.B. in
der Wohnung, sprich dem vermeintlichen Tatort, umse-
hen wollen. Die Befragung etwaiger Zeugen oder von
Bekannten und Freunden Annies wäre eine weitere
Möglichkeit, sich ein genaueres Bild von der Situation
Der Bürgermeister der Stadt, Dr. phil. Engelhardt Lor-
entz, hatte in den vergangenen eineinhalb Jahren eine
Affäre mit der jungen Näherin Annie Börde. Natürlich
gab sich der verheiratete Mann größte Mühe, diese Li-
aison vor seiner Frau, Familie und den konservativen
Parteikameraden der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP)
geheim zu halten, um einen Skandal zu vermeiden.
Durch falsche Versprechungen und großzügige Geschen-
ke gelang es dem verschlagenen Politiker recht lange Zeit,
sich Annie gewogen zu halten.
Er wusste jedoch nichts davon, dass seine Geliebte ihre
Sorgen und Nöte mit ihrem älteren Bruder Thomas teilte
und dieser sie vor einigen Tagen (der genaue Zeitpunkt
ist variabel) davon überzeugen konnte, ihrem Bauchge-
fühl zu vertrauen und die Affäre zu beenden. Sie begab
sich zu diesem Zweck gegen 19 Uhr per Fahrrad zu einem
verabredeten Treffen mit Engelhardt in einem kleinen
Wäldchen etwa zwei Kilometer nördlich des Ortes. Dabei
kam es unweigerlich zu einem heftigen Streit, und Annie
eilte tränenaufgelöst zu ihrem Bruder (ca. 19.45 Uhr),
um nach etwa einer Stunde in ihre eigene Wohnung zu-
rückzukehren.
Der verschmähte Liebhaber war außer sich vor Zorn,
aber auch vor Sorge. Schließlich musste er fürchten, dass
Annie früher oder später anderen von der Affäre berich-
ten würde. Problematisch war in diesem Zusammenhang
vor allem eine goldene Halskette samt Medaillon, die
der jungen Frau einen Beweis für ihr Verhältnis gegeben
hätte. In seinem Leichtsinn hatte der Bürgermeister die
Innenseite des Medaillons folgendermaßen gravieren las-
sen: „In Liebe – Dein Engelhardt“.
Also suchte Engelhardt, nach einem kurzen Besuch zu
Hause bei seiner Frau Gertrude, voll düsterer Gedanken
Der Bürgermeister der Stadt, Dr. phil. Engelhardt Lor-
entz, hatte in den vergangenen eineinhalb Jahren eine
Der Mord an Annie Börde
Dr. Engelhardt Lorentz.
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Düstere Orte H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel
Abgesehen davon haben die Charaktere natürlich ei-
nen deutlichen Verdacht, wer der Mörder oder zumindest
der Verantwortliche für Annies Tod ist. Der Bürgermeis-
ter ist jedoch äußerst einfl ussreich und durchaus nicht
unbeliebt im Ort, so dass die Charaktere gezwungen sind,
Beweise für seine Schuld zu fi nden. Weiterhin erschwert
werden die Ermittlungen durch den Umstand, dass Dr.
Fedders als zuständiger Amtsarzt von der bevorstehen-
den Exhumierung in Kenntnis gesetzt und versuchen
wird, sich mit seinen letzten Ersparnissen per Auto aus
dem Staub zu machen. Wenn die Charaktere die Polizei
darauf hinweisen, dass Dr. Fedders ebenfalls nicht unver-
dächtig ist und dabei überzeugend genug sind, wird dieser
bei seinem Fluchtversuch von einem Streifenpolizisten
erwischt und in Untersuchungshaft genommen.
Untersuchungen von Annies Wohnung und Befragung ihres UmfeldesDie Wohnung von Annie kann mittels eines Zweitschlüs-
sels von Thomas Börde betreten werden, der es bisher
nicht über das Herz brachte, sich dort umzusehen. Wenn
sie möchten, wird er die Charaktere aber notgedrungen
begleiten. Die Beweise, die sie hier fi nden können (siehe
Beschreibung der Örtlichkeit), benötigt Thomas, um einen
überzeugenden Anspruch auf eine Exhumierung seiner
Schwester geltend zu machen. Die Charaktere können
die Wohnung entweder vor oder nach der ersten Exhu-
mierung untersuchen, um nach brauchbaren Beweisen zu
suchen. Die Untersuchung der Wohnung sollte den Spie-
lern zeigen, dass anscheinend wirklich ein Mord in der
Wohnung stattgefunden hat und jemand sich die Mühe
gemacht hat, notdürftig die meisten stichhaltigen Spuren
zu verwischen. Durch Dr. Fedders Aktivitäten kann eine
anschließende polizeiliche Untersuchung in der Wohnung
keine Fingerabdrücke Engelhardts mehr ausmachen. Auch
die Liebesbriefe eignen sich dafür kaum, da das Büttenpa-
pier keinen guten Träger für Fingerabdrücke darstellt.
zu machen. Dabei ist es für den Ablauf des Abenteuers
nicht entscheidend, in welcher Reihenfolge die Spieler
diese Ideen abarbeiten, solange die Exhumierung nicht
zu lange aufgeschoben wird, so dass überhaupt noch eine
Leiche vorgefunden werden kann.
Anschließend sollte dann durch die alarmierte Obrig-
keit eine offi zielle Leichenbeschau durchgeführt werden,
bei der das merkwürdige Verschwinden von Annies Leiche
ans Licht kommt. Die anderen Hinweise können und sol-
len aber durchaus dabei helfen, den Täter zu überführen,
dessen Schuld allerdings ohne ein Mordopfer schwer zu
beweisen ist. Sollten die Charaktere vor Selbstjustiz nicht
zurückschrecken, kann der Spielleiter ihnen nach der zwei-
ten Graböffnung ruhig die Gelegenheit dazu geben, wobei
er bedenken sollte, dass die Charaktere dabei ebenfalls ein
schweres Verbrechen mit allen Konsequenzen begehen.
BeweissucheAnnies Leiche, das dazugehörige Grab und das Vorgehen
beim Ausgraben werden weiter unten beschrieben. Der
Zweck dieses Plot-Elements ist es, den Charakteren ei-
nen unmissverständlichen Beweis in die Hand zu geben,
der anzeigt, dass Annie auf keinen Fall eines natürlichen
Todes gestorben sein kann. Die unkenntlich gemachte
Stichwunde an ihrer Seite bedeutet, dass sie Opfer ei-
ner Gewalttat wurde und die Spuren dieses Verbrechens
außerdem gezielt verwischt worden sind. Diese Tatsache
rückt natürlich den örtlichen Gerichtsmediziner Dr. Fed-
ders in den Kreis der verdächtigen Personen, da er selbst
in den Mordfall verwickelt sein muss, weil er diese offen-
sichtliche Verletzung bzw. deren Abdeckung nicht melde-
te. Auch der Bestatter Erwin Breitling hätte diese frischen
Wunden eigentlich melden müssen. (Zur Not können die
Investigatoren per Würfelwurf auf diese Ideen kommen.)
Diese Erkenntnisse können die Charaktere jedoch
kaum direkt an die zuständigen Behörden tragen, da Stö-
rung der Totenruhe und Grabschändung ernstzunehmen-
de Vergehen sind. Vielmehr ist es sinnvoll, dass Annies
Bruder Thomas am nächsten Morgen offi ziell den Ver-
dacht äußert, dass ein Mord stattgefunden hat, so dass die
Behörden gezwungen sind, die Leiche in den nächsten
Tagen (es sollte eine Nacht zwischen Meldung und zwei-
ter Exhumierung liegen, damit Jonathan die inzwischen
untote Annie rauben kann) erneut zu untersuchen.
Um dies mit Erfolg durchzusetzen, braucht Thomas je-
doch zumindest irgendeine rudimentäre Art von Beweis,
um eine Störung der Totenruhe, sei sie auch durch offi ziel-
le Stellen, zu rechtfertigen. Dabei können einige Hinweise,
die die Charaktere in Annies Wohnung fi nden (siehe un-
ten), Annies Bruder weiterhelfen. Vor allem die Blutfl e-
cken im Teppich, sofern sie als solche identifi ziert werden
können, die anonymen Liebesbriefe und das durchwühlte
Schmuckkästchen können argumentative Schützenhilfe
leisten. Besitzt einer der Charaktere hohe Werte in Ansehen
und/oder Überzeugen, kann hier auch dessen große Stunde
schlagen, um die trägen Provinzpolizisten zu überzeugen,
einen erfahrenen Kriminalbeamten (Thadeus Röhrich)
aus der nächstgrößeren Stadt hinzuzuziehen und die Lei-
che erneut von einem unabhängigen Arzt (Dr. Alexan-
der Breitenbach) untersuchen zu lassen.
Natürlich kann Kommissar Röhrich auch selbst aus der
Stadt kommen, in der das Abenteuer spielt, aber dies sollte
von der Größe der Ortschaft abhängig gemacht werden.
Kann der Kommissar seinen Horizont erweitern?
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anwaltschaft per Eilanforderung eingetroffen ist, kann
die Exhumierung beginnen. Hier kann der Spielleiter den
Zeitpunkt festlegen und so sicherstellen, dass die zeitliche
Abfolge stimmt.
Anwesend sind zwei Streifenpolizisten, der Totengrä-
ber Hans Hubert Haupt, sein Gehilfe Hansen, der
zuständige Kommissar Thadeus Röhrich, ein zweiter
hinzugezogener Arzt namens Dr. Breitenbach aus der
nächsten Stadt, sowie natürlich Annies Bruder Tho-
mas. Die Charaktere selbst werden nicht eingeladen, da
sie als Zivilisten bei dieser Amtshandlung nichts zu su-
chen haben.
Der Totengräber wird auf Anweisung Röhrichs und
unter Mithilfe der beiden Streifenbeamten das Grab aus-
heben und schlussendlich nach etwa einer Stunde Arbeit
den Sarg Annies freigelegt haben. Wird dann von Herrn
Haupt der Sargdeckel gelöst, werden alle Anwesenden
auf einen leeren Sarg blicken, dessen Boden stark beschä-
digt ist und ein großes Loch aufweist. Annies Leiche ist
spurlos verschwunden.
Thomas wird im Anschluss den Charakteren aufge-
löst und verzweifelt von der missglückten Exhumierung
berichten. Natürlich liegt die Vermutung nahe, dass der
Bürgermeister die Leiche verschwinden ließ, um das Be-
weismittel Nummer eins zu beseitigen.
Kommissar Röhrich wird darauf hinweisen, dass er di-
rekt nach Ankündigung einer zweiten Untersuchung von
Annies Leiche dafür gesorgt hat, dass ihr Grab von einem
zuverlässigen Polizisten bewacht wurde. Dieser schwört
Stein und Bein, weder Tag noch nachts jemanden am
Grab beobachtet zu haben. Wird dieser Polizist befragt,
zeigt ein erfolgreicher Wurf auf Psychologie, dass er eine
ehrliche Haut ist und die Wahrheit sagt.
Abschließend wird die Polizei fürs Erste offi ziell davon
ausgehen, dass der Sarg aus dem Grab gehoben, umge-
dreht, von hinten aufgebrochen und dann wieder einge-
graben wurde, um den Leichendiebstahl zu vertuschen.
Ohne Leiche ist jedoch erst einmal keine Straftat nach-
weisbar, und die bisher gefundenen Beweise der Charak-
tere reichen nicht aus, um den Bürgermeister und seine
Mittäter festzusetzen. Der Anwalt Dr. jur. Emanuel
Schmidt wird sicherstellen, dass etwaige Aussagen sei-
ner Mandanten Engelhardt Lorentz, Bestatter Breitling
und Dr. Fedders für unverwertbar erklärt werden, da sie
auf Nötigung seitens der Charaktere und/oder der Poli-
zei zurückführen seien. Sollte die Beweislage gegen Lor-
entz und seine Komplizen durch Wirken der Charaktere
schließlich doch erdrückend werden, so können die drei
in Untersuchungshaft genommen werden.
Die Überführung von Engelhardt Lorentz und seinen Komplizen
Nach der zweiten Exhumierung stehen die Investigato-
ren vor einer vertrackten Situation: Zwar sind sie sich
ziemlich sicher, dass der Bürgermeister der Stadt der
Mörder Annie Bördes ist, aber ohne Leiche und eindeu-
tige Beweise können sie den zumindest lokal einfl ussrei-
chen Mann nicht der Gerechtigkeit zuführen. Um also
den Täter zur Verantwortung zu ziehen bedarf es zum ei-
nen einer Leiche (siehe Hauptplot) und außerdem eines
Auf demselben Flur wie Annies Wohnung fi ndet sich
auch die Bleibe ihrer besten Freundin und Arbeitskollegin
Gisela Meyer. Die junge Frau ist alleinstehend und ist ge-
nau wie Thomas über den plötzlichen Tod ihrer Freundin
in große Trauer versunken. Sie wird den Charakteren ge-
genüber durchaus freundlich sein, solange diese einfühl-
sam sind und über ein ausreichendes Ansehen verfügen. Die
junge Frau war diejenige, die Annies Leiche entdeckte.
„Wir sind immer morgens zusammen zur Arbeit ge-
gangen. Annie war so ‚ne ganz Ordentliche und immer
pünktlich und so. Deshalb hat sie meistens schon min-
destens fünf Minuten, bevor ich fertig war, an meine Tür
geklopft und gesagt, ich soll mal hinne machen. Diesmal
halt nicht und da hab‘ ich mir Sorgen gemacht und bin
rüber zu ihr, aber sie hat nicht aufgemacht. Ich hab den
Hausmeister geholt und der hat mir aufgeschlossen. Ich
bin rein und hab sie da gefunden … Sie lag im Bett, sah
aber so komisch aus, so eine komische Farbe im Gesicht
… ich hab‘ sie angetippt, und sie war ganz kalt und so ko-
misch steif. Da hab‘ ich gemerkt, dass sie tot war. Ich bin
weggerannt und hab die Polizei gerufen, ich hab sonst
nichts angefasst, das darf man ja nicht.“
Die alarmierten Behörden schickten daraufhin Dr. Fed-
ders. Gisela kann weiterhin berichten, dass Dr. Fedders
sie bat, bei der Untersuchung Annies draußen zu warten,
und dass er irgendwie recht nervös wirkte. Bei weiterem
Nachfragen wird sie sich daran erinnern, dass ihr beim Be-
treten der Wohnung ein recht aufdringlicher Chlorgeruch
aufgefallen sei, den sie aber wegen Annies Reinlichkeits-
fi mmels als nicht weiter ungewöhnlich abgetan habe.
Wird die junge Frau nach einer etwaigen Affäre oder
ungewöhnlichen Vorkommnissen befragt, so muss man
sie schon überreden, damit sie intime Details aus dem Lie-
besleben der Toten preisgibt. Alternativ kann auch ein
Appell von Thomas sie dazu bringen, von Annies Liebha-
ber zu berichten. Sie wisse zwar nicht, wer er genau war
(diese Information hat Thomas Gisela voraus, da Annie
ihrer geschwätzigen Freundin dieses Detail nicht verraten
wollte), aber sie ist sich sicher, dass es sich „um ‚nen fei-
nen Pinkel handelte. Hat Annie ‚ne echt schöne Goldkette
mit Anhänger geschenkt. Hat sie mir einmal gezeigt. Da
müsste ich ‚n halbes Jahr oder sonst wie lange für ma-
lochen.“ Ansonsten hat der geheimnisvolle Liebhaber
Annie nur wenige Male direkt besucht, und Gisela hat
leider nur einmal im Flur einen Blick von hinten auf ihn
erhaschen können. Sie beschreibt ihn als etwa 1,80 Me-
ter groß und etwas fülliger, aber nicht dick. Sein Mantel
war schwarz und sah überraschenderweise sehr schäbig
aus. Seine Haare konnte sie aufgrund eines ebenfalls billig
aussehenden, braunen Hutes nicht erkennen. Nach der
Tatnacht befragt, hat sie nur einen Streit gegenüber mit-
bekommen, der jedoch recht abrupt endete. Gisela hatte
natürlich vor, ihre Freundin am nächsten Morgen danach
zu fragen, kam aber tragischerweise nicht mehr dazu.
Der Arbeitgeber, der Hausmeister des Mietshauses und
andere Arbeitskolleginnen mögen in Teilen das gleiche
berichten können wie Gisela, aber die Freundin der Toten
stellt in jedem Fall die beste Quelle für die oben genann-
ten Informationen dar.
Zweite Exhumierung – Die Leiche ist weg!Die zweite Graböffnung geht deutlich weniger heimlich
von statten als die erste. Sobald die Erlaubnis der Staats-
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Düstere Orte H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel
Sind die Charaktere erfolgreich an Annies (nun wirk-
lich leblose) Leiche gelangt und haben mindestens einen
dieser Beweise, steht einer Verurteilung Engelhardt Lor-
entz nichts im Wege. Dieser wird außerdem Dr. Fedders
und dieser wiederum den Bestatter belasten, so dass alle
drei ihre gerechte Strafe erhalten und Annies Tod zu Tho-
mas‘ Zufriedenheit gerächt ist. Die Charaktere erhalten
so die Dankbarkeit eines Freundes, das versprochene
Geld sowie jeweils 1W3 STA.
eindeutigen Beweises, der im Zusammenhang mit den
Zeugenaussagen von Thomas Börde und Gisela Meyer für
eine erfolgreiche Anklage von Lorentz ausreicht.
Im Abenteuer existieren zwei solcher Beweise, die je-
weils ausreichend wären, um den Mörder zu überführen.
Der erste dieser Beweise ist die immer noch blutige Stoff-
schere, die vergessen in der Manteltasche des alten Man-
tels von Engelhardt liegt und mit seinen und Annies Fin-
gerabdrücken übersät ist. Diesen abgerissenen Mantel zog
er stets an, wenn er sich mit Annie traf, um mit seiner an-
sonsten teuren Kleidung keine Aufmerksamkeit zu erre-
gen. Sowohl der Mantel als auch der von Gisela beschrie-
bene braune Hut hängen beide in der Abstellkammer
von Engelhardts Wohnhaus (Beschreibung siehe unten).
Die Tatwaffe stopfte der mit seiner Bluttat überforderte
Mann in die tiefe Seitentasche des Mantels, und durch
den Stress der Tatnacht vergaß er die Schere einfach. Die
sündhaft teure goldene Kette hat der Bürgermeister wie-
derum in seinem privaten Tresor in seinem Schreibraum
zu Hause untergebracht. Er hat sie klugerweise bei einem
Juwelier in der nächstgrößeren Stadt anfertigen lassen
und nicht direkt vor Ort. Dieses Amulett kann von Gisela
wiedererkannt werden, und auch auf seiner Oberfl äche
befi nden sich Fingerabdrücke von Annie.
Um an diese Beweise zu gelangen, ist sehr wahr-
scheinlich ein Einbruch in das Wohnhaus Engelhardts
nötig. Denkbar ist ebenfalls, dass Charaktere sich als
Vertreter oder Handwerker ausgeben, um tagsüber von
Engelhardts Frau oder seinem Hausmädchen eingelassen
zu werden.
Gehen die Charaktere bei ihren Ermittlungen zu di-
rekt und aufdringlich gegen den Bürgermeister vor, wird
dieser nicht zögern, seinerseits den Charakteren ein paar
bezahlte Schläger auf den Hals zu hetzen oder aber die
Polizei einschreiten zu lassen.
Die verschwundene Kette.
Der verfluchte Friedhof und das Verschwinden
von Annie Bördes Leiche
Der verfl uchte Fingerknochen in Friedhelm Gottlieb
Maria Heinens Mausoleum sorgt dafür, dass sämtliche
Leichen, die auf dem Friedhof beigesetzt werden, nach
drei Tagen zu unheiligem Leben erweckt werden. Dies
ist auch indirekt der Grund für das Verschwinden von
Annie Bördes Leiche: Der untote Mörder Jonathan Rei-
chelt ist, wie schon bei anderen Frauen einige Male zu-
vor, dem Wahn aufgesessen, dass es sich bei Annie um
seine eigentlich vor Jahren von ihm selbst getötete Frau
handelt. Sobald ihr Leib wieder von der fi nsteren Magie
reanimiert wurde und Annie vor Furcht halb verrückt
versuchte, sich aus dem Grab zu befreien, buddelte Jona-
than einen schmalen Gang zu ihrer Ruhestätte, zertrüm-
merte den Sarg von unten her und verschleppte Annie in
sein unterirdisches Heim.
Die Aufgabe der Charaktere muss es also zuerst sein,
den Fluch und indirekt Jonathan als Grund für das Ab-
handenkommen von Annies sterblichen Überresten zu
begreifen. Danach können sie sich daran machen, den
Fluch aufzulösen, um die Untoten von ihrem Leid zu be-
freien und den fast unzerstörbaren Jonathan endgültig zu
besiegen. Auch ist es den Investigatoren erst so möglich,
an eine „vorzeigbare“ Leiche von Annie zu kommen, die
sie dringend als Beweismittel für die Ermittlungen im zu-
gehörigen Mordfall benötigen.
Der Spielleiter sollte bedenken, dass der Fluch ein ge-
wisses Eigenleben besitzt. Sein Ziel ist es, sämtliche Ver-
storbene in seiner Umgebung in maximaler Weise leiden
zu lassen, so wie es der afrikanische Stammespriester aus
Rache vorsah. Da die Magie spürt, dass Jonathan das Leid
einiger der Opfer noch um ein Vielfaches verstärkt, hat
sie sich seiner angenommen und ihn stärker und macht-
voller gemacht, so dass er seiner Aufgabe als Folterknecht
noch besser nachkommen kann. Sein Verzehr von Ghoul-
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H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel Düstere OrteH. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel
dora von Sappenstiel, siehe unten) vor dem Friedhof
gefunden hat, worum sich damals aber die Polizei ge-
kümmert habe.
Er wird den Charakteren zwischendurch immer wie-
der lallend einbläuen, dass sie dies auf keinen Fall er-
zählen dürfen, da er zu Recht Angst davor hat, seinen
Job zu verlieren und im örtlichen Sanatorium zu landen.
Sollte er anwesend sein, ist Hansen von den Geständnis-
sen seines Chefs ähnlich überrascht wie die Charaktere,
verspricht aber, darüber zu schweigen, was dem wenig
redseligen Ostfriesen wohl leicht fallen sollte.
Nach diesen Informationen bieten sich den Charakte-
ren natürlich verschiedene Möglichkeiten, wie sie wei-
ter vorgehen können: Sie könnten versuchen, eine der
schreienden Leichen auszubuddeln, das Gangsystem
freizulegen, durch das Annie entführt wurde, den von
Hubert erwähnten Dieb zu erwischen oder aber in klas-
sischer Cthulhu-Manier mehr Informationen über den
Nordfriedhof und seine Geschichte zusammenzutragen.
In welcher Reihenfolge dies geschieht, ist dabei unerheb-
lich, wobei es gewiss eine Anti-Klimax wäre, wenn die
Charaktere direkt zu Anfang auf Jonathans Gangsystem
und die in diesem gefangene Annie und seine anderen
Opfer stoßen würden. Anderseits ist Jonathan ohne Auf-
lösen des Fluches auf Dauer nicht zu besiegen, und die
Frage, wohin man die weiblichen Untoten bringt, die au-
ßerhalb des Friedhofsgeländes zu gewöhnlichen Leichen
werden, macht das Leben der Investigatoren sicherlich
nicht uninteressanter.
Die Untersuchung einer beliebigen LeicheNatürlich ist es den Charakteren möglich, einen der Un-
toten samt Sarg möglichst heimlich freizulegen. Die Gra-
barbeiten dauern für zwei Charaktere etwa zwei Stunden
und legen einen mehr oder weniger verrotteten Sarg frei.
Sollte das Grab jünger sein als zehn Jahre, so ist die dort
liegende Leiche noch nicht völlig zu Staub und Knochen
zerfallen und immer noch aktiv. So kann es gut sein (mit
einer Wahrscheinlichkeit von 50%), dass der Untote an-
fängt, an seinen Sarg zu klopfen oder sogar nach seinen
unbekannten Rettern zu rufen (1/1W4 STA). Ist der Sarg
schließlich zugänglich, und der Deckel wird von den un-
freiwilligen Grabräubern geöffnet, so erwartet die Cha-
raktere ein fürchterlicher Anblick, der desto verstörender
ist, je näher die Person dem kompletten Verfall kommt.
Ob jedoch ein frisch verfaulter Jugendlicher hilfesuchend
nach den Ausgräbern greift oder ein halb mumifi zierter,
alter Mann seinen vermeintlichen Angreifern gottesläs-
terliche Flüche entgegen brüllt: In jedem Fall ist ein Sta-
bilitätswurf nötig, der den betroffenen Charakter bei Miss-
lingen 1W8 STA, bei Gelingen immer noch 1 STA kostet.
Ob der Leichnam angstvoll, himmelschreiend ver-
rückt oder gar aggressiv ist, sollte der Spielleiter je nach
Stimmung und ausgesuchtem Grab spontan entscheiden.
Hinweise für die Erstellung dieser Untoten fi nden sich
im gesonderten Text unter Annie Bördes Beschreibung
im Anhang. Wie mit den augenscheinlich untoten, aber
durchaus noch empfi ndungsfähigen Opfern des Fluchs
umgegangen wird, ist keine einfache Frage, und je nach
Entscheidung der Investigatoren sollten sich im Zweifel
weitere STA-Verluste aus deren Handlungen ergeben.
Die Untoten mit Gewalt auszuschalten, ist in jedem Fall
möglich, sollte aber je nach ausführendem Charakter ei-
und Menschenfl eisch gab ihm zusätzliche Kraft, so dass
er einen mehr als formidablen Gegner für die Charaktere
darstellt.
Jonathan auf die Spur kommen
Die zweite Exhumierung sollte die Charaktere auf den
Gedanken bringen, dass irgendwer (oder irgendetwas)
Annies Leiche geraubt hat. Kommissar Röhrig wird keine
große Hilfe sein, denn er sieht sich weder dazu verpfl ich-
tet, hysterischen Zivilisten Gehör zu schenken, noch mit
ihnen über das Vorgehen der Polizei oder die laufenden
Ermittlungen zu diskutieren.
Die Spieler werden zu Beginn sicher den Bürgermeis-
ter im Auge haben, sollten im Laufe der Ermittlungen
aber merken, dass Engelhardt Lorentz nur ein zufälliger
Nutznießer machtvoller, cthuloider Magie ist.
Einer der ersten Anlaufpunkte für das Verschwinden
einer Leiche sollten der Totengräber Haupt und sein Ge-
hilfe Hansen sein. Wann die Charaktere im Laufe ihrer
Ermittlungen mit dem Totengräber reden, ist relativ un-
wichtig, wobei seine Geschichte natürlich gewisse An-
haltspunkte für weitere Nachforschungen bietet. Die bei-
den Nichtspielercharaktere werden ausführlich unter der
oben stehenden Beschreibung des Nordfriedhofs behan-
delt. Hans Hubert Haupt zeigt sich über das Verschwin-
den von Annies Leiche eher weniger überrascht als viel-
mehr zutiefst besorgt. Seit vielen Jahren hat er schon
das Gefühl, die Stimmen der Toten aus ihren Gräbern
klingen zu hören. Tatsächlich ist dies keine Wahnvorstel-
lung des trunksüchtigen Totengräbers, sondern durch die
Schreie der Leichen zu erklären, die völlig wahnsinnig
seit Jahren versuchen, sich aus ihren Särgen zu befreien.
Dennoch dämpfen die gut zwei Meter Erde das Schluch-
zen und Flehen der Untoten so massiv, dass man nur in
wirklich stillen Nächten das Geschrei als leises Seufzen
wahrnehmen kann.
Als nun Haupt den mysteriösen leeren Sarg von Frau
Börde sah, wuchsen sich seine latenten, mit Alkohol un-
terdrückten Befürchtungen zu einer massiven Angst aus,
die er nun durch mehr Schnapskonsum zu bekämpfen
versucht. So wird er in den nächsten Tagen stets sturzbe-
trunken bei der Arbeit aufkreuzen und sich nur durch die
stille Hilfe des etwas ratlosen Hansen über Wasser halten.
Die für den Totengräber mehr als unangenehme Situation
spielt den Charakteren natürlich in die Hand, da der be-
nebelte Haupt mit ein wenig Überreden schnell bereit ist,
von seinen unheimlichen Erfahrungen auf dem Friedhof
zu berichten. Neben den Stimmen der Toten weiß er au-
ßerdem von verschwundenen frischen Blumen und Grab-
gestecken, alten Sargdeckeln und hin und wieder auch
Werkzeugen aus seinem Geräteschuppen zu berichten. Der
arme Mann ist im Moment fest davon überzeugt, dass die
Toten nachts aus ihren Gräbern steigen und es ihm heim-
zahlen wollen, dass er sie unter die Erde gebracht hat.
Auf Nachfrage, wie lange er diese Stimmen schon hört,
wird er den Zeitpunkt auf irgendwann vor etwa 15 bis 20
Jahren (genau genommen natürlich seit 1908) einordnen
können, während die merkwürdigen Diebstähle erst eini-
ge Jahre später hinzukamen (mit Jonathans Beerdigung
im Armengrab im Jahr 1912). Ihm wird auch einfallen,
dass man grob zu jener Zeit eine Frauenleiche (Theo-
Kno
chen
arbe
it
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Düstere Orte H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel
Haupt regelmäßig auf. So wäre eine Möglichkeit, Jona-
than auf frischer Tat zu ertappen, ein besonders auffälli-
ges und kostspieliges Blumengesteck auf einem der Grä-
ber zu platzieren. Da sich der untote Dieb nur im Notfall
tagsüber aus seinem Versteck wagt, wird es notwendig
sein, sich des Nachts ein geeignetes Versteck zu suchen
und den fl oralen Köder im Auge zu behalten.
nen geringen STA-Verlust bedeuten.
Weiter hin sind diese Versuche ver-
mutlich nur von teilweisem Erfolg ge-
krönt, da die Macht des Fluches diese
Untoten deutlich resistenter macht als
„normale“ Zombies. Nur die komplet-
te Zerstörung jeglichen Gewebes, sei
es durch Feuer, Säure oder jemanden
mit einem Fleischermesser und zu
viel Zeit (und zu viel STA) führt zu ei-
ner endgültigen Vernichtung des Un-
toten. Auch ist es möglich, die Unto-
ten vom Friedhof herunterzubringen.
Kaum sind sie hinter der äußeren
Begrenzungsmauer des Gottesackers,
werden die ruhelosen Toten zu ganz
normalen, reglosen Leichen. Werden
sie wieder auf das Friedhofsgelände
getragen, passiert erst mal gar nichts,
da der Fluch erneut drei Nächte benö-
tigt, um den Leichen wieder falsches
Leben einzuhauchen.
Die Jagd nach dem untoten LeichendiebWen auch immer die Spieler für die
von Hubert erwähnten Diebstähle
verantwortlich machen, so ist es na-
heliegend, dass derjenige zumindest
über weitere Informationen verfügen könnte. In Wahr-
heit ist es natürlich Jonathan, der sich immer wieder
an Holz und Werkzeugen bedient, um seine Kammern
in Stand zu halten oder aber frische Blumen stiehlt, um
seine neueste „Eroberung“ zu beglücken. Es ist natürlich
schwer abzusehen, wann Jonathan wieder Baumaterial
benötigen wird, aber das Verschwinden von Blumen fällt
Nicht alle „Bewohner“ liegen hier zur letzten Ruhe.
Optionale Szene: Angesicht zu Angesicht mit den Auswirkungen des Fluchs
Der Spielleiter kann, sofern dies in seinen Ablauf passt, eine zusätzliche Begegnung
der Charaktere mit dem Fluch einbauen. Sie sollte ihre erste direkte Konfrontation
mit einem der lebenden Toten sein. Hierbei begegnen die Spieler einem auferstande-
nen Opfer des Fluchs auf dem nächtlichen Friedhof, ohne es zunächst als solches zu
erkennen. Ob es sich hierbei um eine zufällig aus ihrem Grab befreite Leiche handelt
oder es gar ein alter Bekannter der Charaktere ist, der erst kürzlich verstorben ist
(wovon sie noch nichts wissen; einige der Charaktere haben schließlich u.U. einmal
in dieser Stadt gewohnt), sollte der Spielleiter selbst entscheiden. Wichtig ist, dass
die Leiche noch so frisch sein muss, dass sie zunächst im Dunkeln mit einem leben-
den Menschen verwechselt werden kann. In wehendem, fl eckigem, ehemals weißen
Hemd irrt sie ziellos über den Friedhof, bis sie der Charaktere gewahr wird. Sie kommt
auf die Charaktere zu, umgeben von einem unangenehmen Geruch nach vermoderter
Erde, und bittet sie verzweifelt um Hilfe. Über das verstörte Gesicht hängen in Sträh-
nen lehmige Haare, und die kalten Hände klammern sich fl ehend an die Jacke eines
Charakters. Wollen die Charaktere die Person nun mitnehmen, werden sie entsetzt
feststellen müssen, dass sie tot in sich zusammensackt, sobald sie die Grenzen des
Friedhofs überschreiten (0/1W4 STA). Bei näherer Betrachtung werden sie erkennen,
dass der Tod dieses Menschen schon mehrere Tage her sein muss (1/1W8 STA). Auf
dem Friedhof können sie das frische, zerwühlte Grab der Leiche samt ihres Grabsteins
fi nden (0/1W3 STA).
Da diese Szene sehr einladend ist, aber auch viele zusätzliche Fragen aufwirft, ist sie
optional und dient der Atmosphäre und Unterhaltung. Dass die Spieler nun wissen,
dass es sich nicht um „gewöhnliche“ Zombies handelt und der Friedhof anscheinend
eine Begrenzung für das ist, was das Auferstehen bewirkt, entschädigt sie hoffentlich
für den Stabilitätsverlust.Sample
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H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel Düstere OrteH. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel
(Knochen arbeit-Handout #3), der den ungewöhn-
lichen Fund einer Frauenleiche direkt vor einem der Ein-
gänge des Friedhofs beschreibt.
Die Aussage des Totengräbers kann sie auf diese Spur
bringen. Die junge Frau aus wohlhabender Familie,
Theodora von Sappenstiel, starb im Frühjahr 1913 an
Schwindsucht und war das erste Opfer Jonathans. Da
dieser zu jener Zeit noch davon ausging, seine vermeint-
liche Ehegattin würde freiwillig bei ihm bleiben, gelang
der verängstigten Theodora die Flucht. Kaum hatte sie je-
doch die Grenze des Friedhofs überschritten, verfl üchtigte
sich der Einfl uss des Fluches, und eine ganz gewöhnliche
Frauenleiche sackte zu Boden, wo sie dann auch von Pas-
santen entdeckt wurde. Dieser Hinweis kann die Spieler
auf die Idee bringen, dass der Leichendieb speziell junge
Frauen bevorzugt.
Schauen sie in den entsprechenden Unterlagen im Rat-
haus nach (leichter Wurf auf Bibliotheksnutzung) können
die Charaktere herausfi nden, dass in den letzten 20 Jah-
ren nur etwa ein Dutzend Frauen im Alter zwischen 20
und 30 gestorben sind. Werden die Gräber jeweils über-
prüft, sind alle Särge leer und von unten aufgebrochen.
Sobald Jonathan bei seinen nächtlichen Streifzügen ein
frisches Grab fi ndet, in dem eine junge Frau um die 20
beigesetzt wurde (so alt war seine Frau Erika, als er sie
tötete), so fängt er sofort an, einen Tunnel zu diesem Grab
anzulegen, was etwa 20 Stunden dauert. Diese Grabarbei-
ten unterbricht Jonathan auch tagsüber nicht, und durch
schwere Proben auf Horchen lässt sich nachvollziehen, wann
er das Grab erreicht hat. Hat ein Charakter einen entspre-
chenden akademischen Hintergrund, Kenntnisse in Geolo-
gie und einen einfachen Seismografen leihweise zur Verfü-
gung, so entfallen die Horchen-Würfe. Es wäre dann sogar
möglich, mit einem erfolgreichen Wurf auf Geologie den
Ursprung der Grabung festzustellen, um so die Hauptkam-
mer von Jonathans Behausung auszumachen.
Allen komplexen Möglichkeiten zum Trotz können
die Spieler auch einfach nächtliche Patrouillen auf dem
Friedhof durchführen. Um bei diesen Jonathan bei seinen
nächtlichen Streifzügen zu erwischen, darf jeder Charak-
ter einmal pro Nacht einen schweren Glückswurf absolvie-
ren. Gelingt dieser, muss daraufhin der Charakter noch
erfolgreich Verborgenes erkennen, damit er Jonathan zwi-
schen dem Strauchwerk oder hinter einem Grabstein er-
blicken kann. Dieser erhält jedoch die gleiche Möglichkeit
und reagiert entweder aggressiv bei einzelnen Investiga-
toren oder mit Flucht bei größeren Gruppen. Eine etwaige
heimliche Verfolgung von Jonathan, sollte dieser die Cha-
raktere nicht bemerken, läuft wie oben beschrieben ab.
Recherche über die Geschichte des Friedhofs und seiner Bewohner
Abgesehen natürlich von der Informationsquelle in Per-
son von Hubert Haupt, gibt es die Möglichkeit, schriftli-
che Zeugnisse über die durchaus interessante Geschichte
des Nordfriedhofs aufzufi nden. Dabei bietet sich zuvör-
derst die örtliche Stadtbibliothek mit ihrem Archiv der
lokalen Tageszeitung sowie mehreren Werken über Lo-
kalgeschichte an. Die örtliche Bibliothekarin Fräulein
Oppenbach ist eine fröhliche, rundliche Frau, die viel-
Bestückt man ein Grab in der Nähe des Geräteschup-
pens mit den Blumen und nutzt diesen dann als Beob-
achtungsposten, so ist kein Wurf auf Verbergen nötig.
Ansonsten bietet der Friedhof so gute Versteckmöglich-
keiten, dass ein gelungener leichter Wurf ausreichend ist.
Sollte zufällig das Mausoleum von Friedhelm Heinen als
Versteck auserkoren werden, so treffen Jonathan und die
sich Versteckenden natürlich automatisch aufeinander.
In jedem anderen Fall können die Charaktere nach ei-
nem erfolgreichen Gruppenglückswurf mitten in der Nacht
eine hünenhafte Gestalt ausmachen, die sich die Blumen
schnappt und sich aus dem Staub macht. Schaffen es ein
oder mehrere Charaktere, Jonathan hinterherzuschleichen,
ohne bemerkt zu werden, können sie beobachten, wie
dieser durch eine Bodenplatte in die Tiefe verschwindet.
Erkennt Jonathan, (z.B. durch einen schweren Wurf
auf Verborgenes erkennen bei Verfolgern, die erfolgreich
schleichen) dass er Verfolger hat, wird er nicht direkt zu
seinem Zugang fl iehen, sondern versuchen, die spionie-
renden Charaktere mit seinen überlegenen körperlichen
Fähigkeiten abzuhängen. Ist der Verfolger alleine, lauert
Jonathan dem Charakter auf, um ihn zu attackieren und
ihm möglichst schnell den Garaus zu machen.
Eine ähnliche Möglichkeit, die jedoch ohne Glückswurf
auskommt, ist es, dem wahnhaften Untoten nach der tat-
sächlichen oder gestellten Beerdigung einer jungen Frau
eine Falle zu stellen. Es ist zugegebenermaßen nicht ge-
rade einfach, auf diese Idee kommen, da die Charakte-
re nicht ohne Weiteres wissen können, dass, neben der
von Annie, weitere Leichen junger Frauen verschwun-
den sind. Nur bei Nachforschungen in den Archiven der
örtlichen Zeitung können sie auf einen Artikel stoßen
Auch Posthum ein Psychopath – Jonathan Reichelt.
Kno
chen
arbe
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