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Theologische Quartalschrift ( ), MĎĈčĆĊđ T čĊĔćĆđĉ Haben die Christen Jesus nach Ostern „vergöttlicht“? 1 In seinem 2000 erschienenen Werk „Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums“ hat Gerd Theißen sich ausführlich mit dem historischen Jesus und der Entstehung der nachösterlichen Christologie befasst 2 . Die Frage, die er stellt, lautet nicht, ob die Christen den jüdischen Propheten und Charismatiker Jesus nach Ostern „vergöttlichten“, sondern wie sie dazu kamen. Das „Faktum“ selbst setzt er voraus, wobei er eine „kontinuierliche[…] Steigerung der Hoheit Jesu in der Zeit nach Ostern“ meint feststellen zu können 3 , die mit dem Johannesevangelium und seiner „Vergöttli- chung des irdischen Jesus ihren Höhepunkt“ erreicht habe 4 . Angesichts der gravierenden theologischen Konsequenzen, die eine solche Diagnose besäße, träfe sie uneingeschränkt zu, gehen die folgenden Ausführungen einen Schritt zurück und erörtern die Frage, ob die frühen Christen den Menschen Jesus nach Ostern tatsächlich „vergöttlicht“ haben bzw. ob die Rede von seiner „Vergöttlichung“ mit den neutestamentlichen Zeugnissen kompatibel ist. Gebräuchlich ist sie seit den Zeiten der Aufklärung, als sich die kritische Jesus-Forschung anschickte, den wahren Jesus hin- ter dem kirchlichen Dogma ausfindig zu machen. Heute kommt das tief sitzende Vor- urteil derer, die dem Islam anhängen oder sich von ihm angezogen fühlen, erschwe- rend hinzu: Die Christen hätten mit ihrem Glauben an den „Gottessohn“ etwas aus Jesus gemacht, was er vorher nicht war: aus einem Propheten ein göttliches Wesen, das die Einzigkeit Gottes in Frage stellt. Bei Theißen bezieht sich das Stichwort „Vergöttli- chung“ nicht nur auf die von den Christen behauptete himmlische „Erhöhung“ Jesu | Überarbeitete und mit Anmerkungen versehene Fassung eines Vortrags im Kathedral-Forum Dresden am . De- zember . | G. Theißen, Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, Gütersloh ( ). Nach einer Erörterung des „Programm[s] einer Theorie der urchristlichen Religion“ in § reflektiert der Autor in § die „Be- deutung des historischen Jesus für die Entstehung der urchristlichen Religion (Die Revitalisierung der jüdischen Religion durch Jesus“) ( ) und stellt in § die Frage: „Wie kam es zur Vergöttlichung Jesu?“. Dort benennt er die Gründe, die zur „Transformation der jüdischen Religion durch den nachösterlichen Christusglauben“ geführt ha- ben. | Ebd. . | Ebd. . Vgl. auch D. Zeller, Christus unter den Göttern. Zum antiken Umfeld des Christusglaubens (Sachbücher zur Bibel), Stuttgart , : „In diesen Spätschriften des Neuen Testaments wird eben Christus immer mehr Gott gleichgestellt; so erbt er auch die Gottesbezeichnungen des hellenistischen Judentums, wie wir das schon bei den Pastoralbriefen feststellen konnten“; vgl. auch Jud : Jesus Christus, „einziger Machthaber (δεσποτής) und Herr (κύριος)“; W. Stegemann, Jesus und seine Zeit (BE ), Stuttgart , : „Die biblischen Bilder von Jesus weisen […] eine beeindruckende Tendenz der zunehmenden Betonung seiner Göttlichkeit auf […]“.

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  • Theologische Quartalschrift ( ),

    M T

    Haben die Christen Jesus nach Ostern vergttlicht?1

    In seinem 2000 erschienenen Werk Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums hat Gerd Theien sich ausfhrlich mit dem historischen Jesus und der Entstehung der nachsterlichen Christologie befasst2. Die Frage, die er stellt, lautet nicht, ob die Christen den jdischen Propheten und Charismatiker Jesus nach Ostern vergttlichten, sondern wie sie dazu kamen. Das Faktum selbst setzt er voraus, wobei er eine kontinuierliche[] Steigerung der Hoheit Jesu in der Zeit nach Ostern meint feststellen zu knnen3, die mit dem Johannesevangelium und seiner Vergttli-chung des irdischen Jesus ihren Hhepunkt erreicht habe4. Angesichts der gravierenden theologischen Konsequenzen, die eine solche Diagnose bese, trfe sie uneingeschrnkt zu, gehen die folgenden Ausfhrungen einen Schritt zurck und errtern die Frage, ob die frhen Christen den Menschen Jesus nach Ostern tatschlich vergttlicht haben bzw. ob die Rede von seiner Vergttlichung mit den neutestamentlichen Zeugnissen kompatibel ist. Gebruchlich ist sie seit den Zeiten der Aufklrung, als sich die kritische Jesus-Forschung anschickte, den wahren Jesus hin-ter dem kirchlichen Dogma ausfindig zu machen. Heute kommt das tief sitzende Vor-urteil derer, die dem Islam anhngen oder sich von ihm angezogen fhlen, erschwe-rend hinzu: Die Christen htten mit ihrem Glauben an den Gottessohn etwas aus Jesus gemacht, was er vorher nicht war: aus einem Propheten ein gttliches Wesen, das die Einzigkeit Gottes in Frage stellt. Bei Theien bezieht sich das Stichwort Vergttli-chung nicht nur auf die von den Christen behauptete himmlische Erhhung Jesu

    | berarbeitete und mit Anmerkungen versehene Fassung eines Vortrags im Kathedral-Forum Dresden am . De-zember .

    | G. Theien, Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, Gtersloh ( ). Nach einer Errterung des Programm[s] einer Theorie der urchristlichen Religion in reflektiert der Autor in die Be-deutung des historischen Jesus fr die Entstehung der urchristlichen Religion (Die Revitalisierung der jdischen Religion durch Jesus) ( ) und stellt in die Frage: Wie kam es zur Vergttlichung Jesu?. Dort benennt er die Grnde, die zur Transformation der jdischen Religion durch den nachsterlichen Christusglauben gefhrt ha-ben.

    | Ebd. . | Ebd. . Vgl. auch D. Zeller, Christus unter den Gttern. Zum antiken Umfeld des Christusglaubens (Sachbcher zur

    Bibel), Stuttgart , : In diesen Sptschriften des Neuen Testaments wird eben Christus immer mehr Gott gleichgestellt; so erbt er auch die Gottesbezeichnungen des hellenistischen Judentums, wie wir das schon bei den Pastoralbriefen feststellen konnten; vgl. auch Jud : Jesus Christus, einziger Machthaber () und Herr (); W. Stegemann, Jesus und seine Zeit (BE ), Stuttgart , : Die biblischen Bilder von Jesus weisen [] eine beeindruckende Tendenz der zunehmenden Betonung seiner Gttlichkeit auf [].

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    nach seinem Tod5, sondern auch auf sein irdisches Leben. Dieses sei durch Rckprojek-tion der mit Ostern gegebenen unendliche(n) Wertsteigerung der Person Jesu zu gttlichem Rang oder gttlichem Status6 nachtrglich in gttliches Licht getaucht worden. Theien verortet seine Darstellung in einem interdisziplinren Diskurs auf der Basis allgemeine(r) religionswissenschaftliche(r) Kategorien7, die eine Auenperspektive er-fordern. Zu ihnen gehrt auch die hellenistische Kategorie der Vergttlichung oder Divinisierung von Menschen. Diese konnte vor oder nach ihrem Tod erfolgen, betraf Heroen der Vorzeit, wohlttige Ausnahmemenschen wie wunderttige Charismatiker, aber auch Kaiser und Knige8. In Ciceros Dialog Vom Wesen der Gtter findet sich eine Beschreibung des Phnomens, die veranschaulicht, wie sich die Kategorie der Vergttlichung aus zeitgenssischer Sicht darstellt:

    Es ist aber im Leben und im Brauchtum der Menschen zur Gewohnheit gewor-den, Mnner, die sich durch Wohltaten hervortaten (beneficiis excellentes viros), in den Himmel zu erheben, aufgrund ihres Ruhmes, aber auch durch willentliche Setzung (in caelum fama ac voluntate tollerent). Von daher wurden Hercules, Castor und Pollux, Aesculap, auch Liber (= Dionysos) [] (zu Gttern). Da ihre Geister bleiben und Ewigkeit genieen (quorum cum remanerent animi atque aeternitate fruerentur), wurden sie mit Recht fr Gtter gehalten (rite di sunt habiti); sie waren ja auch (in ihrem sittlichen Verhalten) die besten und ewig (cum et optimi essent et aeterni) (II 62).

    | Die alte religionsgeschichtliche Schule meinte noch, dass die Judenchristen Palstinas Jesus ganz im jdischen Sinne als Messias, d. h. als Mensch, verstanden htten und erst, als die Christusbotschaft in hellenistisches Milieu eintauchte, Jesus vergttlicht worden sei (vgl. W. Bousset, Kyrios Christos. Geschichte des Christusglaubens von den Anfngen des Christentums bis Irenaeus, Gttingen [Nachdruck]); dieses Paradigma ist mit seiner Tren-nung zwischen Judentum und Hellenismus lngst obsolet: vgl. M. Hengel, Judentum und Hellenismus. Studien zu ihrer Begegnung unter besonderer Bercksichtigung Palstinas bis zur Mitte des . Jh.s v. Chr. (WUNT ), Tbin-gen ; ein schnes Beispiel bietet Phil , (s. unten . ).

    | Theien, Religion (s. Anm. ) . . | Ebd. : Eine Theorie der urchristlichen Religion will den urchristlichen Glauben in seiner das ganze Leben bestim-

    menden Dynamik mit allgemeinen religionswissenschaftlichen Kategorien beschreiben und erklren. | Beim rmischen Kaiserkult spricht man von der Apotheose eines Herrschers nach seinem Tod seiner Erhebung

    unter die Staatsgtter, die feierlich vollzogen werden konnte. Weit verbreitet war die Kategorie des Gottessohns: Alexander der Groe wurde als Sohn des Zeus verehrt, aber auch den rmischen Kaisern wurde im Osten, der von seiner orientalischen Prgung her empfnglich dafr war, eine entsprechende Verehrung zuteil. Julius Csar etwa erhielt in Ephesus einen Tempel, in dem er als von Ares und Aphrodite stammender offenbar gewordener Gott und Heiland verehrt wurde (vgl. A. Deimann, Licht vom Osten. Das Neue Testament und die neuentdeckten Texte der hellenistisch-rmischen Welt, Tbingen , ); vgl. auch S. Lsch, Deitas Jesu und Antike Apotheose. Ein Beitrag zur Exegese und Religionsgeschichte, Rottenburg , (u. a. zu Apg , : Eine Herrscher-Apotheose im Neuen Testament); umfassende Informationen bei H.-J. Klauck, Die religise Umwelt des Urchris-tentums II. Herrscher- und Kaiserkult, Philosophie, Gnosis (Kohlhammer Studienbcher Theologie , ), Stuttgart

    , (Vergttlichte Menschen: Der Herrscher- und Kaiserkult).

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    Whlt man statt der religionswissenschaftlichen Auenperspektive auf das neue Tes-tament eine Innenperspektive, ergibt sich ein anderes Bild. So wrde etwa der vierte Evangelist niemals zugestehen, die Christen htten Jesus vergttlicht, erst recht nicht, er selbst habe sich Gott gleich gemacht (vgl. Joh 5,18; 10,3338; 19,7). Gott war es, der Jesus seine Wrde verhiehen hat.Bleiben wir aber bei der Auenperspektive. Dann ist als erstes festzuhalten, dass sich die frhesten Artikulationen der sterlichen Status-Vernderung Jesu biblisch-frhj-discher Sprachmuster bedienen, sich also fraglos im Horizont des biblischen Monothe-ismus bewegen. Demgegenber setzt die religionswissenschaftliche Kategorie der Vergttlichung prinzipiell einen polytheistischen Gtterhimmel als Referenzrahmen voraus, auch wenn es in hellenistischer Zeit starke durch Philosophie und Religions-kritik gefrderte Tendenzen der Vereinheitlichung des Gttlichen bzw. seiner Aufgip-felung in einem Einheitsprinzip gab, wie es in Gestalt des Zeus bzw. Jupiters anschau-lich wird. Mit dem Glauben an den einen Gott Israels, der eiferschtig auf seine Alleinverehrung pocht, hat eine solche Annahme der gttlichen Einheit des Kosmos nichts gemein. Fundamental fr den jdischen Glauben, aus dem der christliche her-vorging, war und ist die berzeugung von der ontologischen Differenz zwischen dem Schpfer und seinen Geschpfen, zwischen Gott und Welt9.Diese einleitenden Bemerkungen zeichnen den Weg vor, der bei der Bearbeitung der Frage einzuschlagen ist: Am Anfang sollen sprachliche Beobachtungen zur neutesta-mentlichen Terminologie stehen (1.). Es folgen zwei Textbeispiele zur Veranschauli-chung der biblisch-frhjdischen Matrix neutestamentlicher Erhhungschristologie (2.). Dass Jesu Bild als Wundertter in den Evangelien tatschlich Tendenzen seiner Divinisierung verrt, fhrt zur Frage, wie der Glaube an seine sterliche Erhhung sich auf die Darstellung seines irdischen Lebens auswirkte (3.). Die Legitimitt des sterlichen Glaubens theologisch zu errtern, erfordert es zuletzt, die Frage nach dem historischen Jesus zu stellen (4.). Dies wird uns zur Eingangsfrage zurckfhren, ob es sachgem ist, von Jesu Vergttlichung zu sprechen, oder ob diese Redeweise ange-sichts des gewiss vielschichtigen neutestamentlichen Befundes nicht doch in die Irre fhrt.

    1. Erste sprachliche Erkundungen

    Brder, ber Jesus Christus mssen wir so denken wie ber Gott ( ), wie ber den Richter der Lebenden und Toten. Damit beginnt der 2. Clemensbrief (um 130150

    | R. FeldmeierH. Spiekermann, Der Gott der Lebendigen. Eine biblische Gotteslehre (TPT ), Tbingen , f.; vgl. auch M. Seckler, Was heit eigentlich Schpfung? Zugleich ein Beitrag zum Dialog zwischen Theologie und Natur-wissenschaft [ ], in: ders., Glaubenswissenschaft und Glaube. Beitrge zur Fundamentaltheologie und zur Ka-tholischen Tbinger Schule, Bd. , Tbingen , , .

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    n.Chr.), und bei Ignatius von Antiochien ist vielleicht schon zur gleichen Zeit die Rede von Jesus Christus, unserem Gott beinahe formelhaft geworden10.Bis es zu solch unbefangener Rede von Jesus als Gott kam, dauerte es allerdings. Die ntl. Schriftsteller hielten sich noch zurck damit, was mit ihrer jdischen Herkunft, aber auch mit dem freigebigen Gebrauch von in der paganen Umwelt zusammen-hing11. Als Juden scheuten sie sich, ihren messianischen Jesus-Glauben in das Zwie-licht heidnischen Gtter-Glaubens geraten zu lassen. So sind die ntl. Belege fr eine christologische Verwendung von spt12, textlich unsicher13 oder inhaltlich ambi-valent14. Bemerkenswert ist aber die folgende Beobachtung: Der gottesdienstliche Lobpreis war der erste Ort, an dem die Christen von Jesu Gott-heit sprachen. Das Christuslied Kol 1,1520 sagt vom irdischen Jesus: denn es gefiel der ganzen Flle, in ihm zu wohnen (V.19), was der Autor des Schreibens so kommen-tiert: denn in ihm wohnt wirklich ( ) die ganze Flle der Gottheit ( ) (2,9)15. Der Johannesprolog schreibt das Attribut nicht

    | Ignatius, Eph insc.; vgl. noch Eph , ; , ( ); , ; , ; , ( ); Trall , ; Rm, inscr.; , ; , ; Sm , (Ich preise Jesus Christus, den Gott, der euch so weise ge-macht hat); , (Diakone des Gottes Christus); Pol , . H. Paulsen, Die Briefe des Ignatius von Antiochia und der Polykarpbrief (HNT : Die Apostolischen Vter II), Tbingen , f. (Exkurs: Die Gottheit Christi): Ziel ign Christologie ist vor allem das soteriologische Moment (vgl. dazu besonders Eph ), die Offenbarung Christi als des gilt der Erffnung des Heils und der Vernichtung des falschen Lebens. Hat Christus so jederzeit als bestanden, so ist er damit noch nicht dem Schpfergott und dem Vater gleichgestellt. [N]ur der Vater heit der Hchste, whrend Jesus Christus sich mit dem Titel des einzigen Sohnes begngen muss (Rm inscr.). Vgl. auch Plinius, ep. X , , ber Christen, die beteuert htten, ihre ganze Schuld oder ihr ganzer Irrtum habe darin bestan-den, dass sie sich an einem bestimmten Tage vor Sonnenaufgang zu versammeln pflegten, um Christus als ihrem Gott einen Wechselgesang zu singen (carmenque Christo quasi deo dicere secum invicem) [].

    | Die wenigen Belege errtert O. Cullmann, Die Christologie des Neuen Testaments, Tbingen , ; ebd. : Die klarsten und unzweideutigsten Bezeugungen des -Prdikats fr Jesus finden sich im Johannesevan-

    gelium und im Hebrerbrief. Es gibt vereinzelt auch jdische Belege fr lhym bzw. jenseits der Rede vom einzigen Gott: Philo, Leg All II ; Somn I (der Logos als zweiter Gott) oder QMelch Z. (Melchisedek als lhym); vgl. M. Theobald, Gott, Logos und Pneuma. Trinitarische Rede von Gott im Johannesevangelium, in: ders., Studien zum Corpus Iohanneum (WUNT ), Tbingen , , f.; W. Schrage, Unterwegs zur Ein-heit und Einzigkeit Gottes. Zum Monotheismus des Paulus und seiner alttestamentlich-frhjdischen Tradition (BThSt ), Neukirchen-Vluyn , f,, macht zudem darauf aufmerksam, dass vereinzelt auch frhjdische Texte trotz aller sonstigen Polemik (gerade sie knnte auch einen konkreten Anlass haben) eine begrenzte kulti-sche Verehrung z. B. von Engeln kennen oder Gebete an Engel wie in der AscJes und ihrer jdischen Tradition. Je-denfalls wird klar und eindeutig sogar eine Anbetung des Menschensohns bezeugt [thHen , ], was offenbar nicht als Widerspruch zur Anbetung des einen Gottes aufgefasst worden ist, auch wenn zu bercksichtigen bleibt, dass es sich dabei um himmlische Wesen handelt. Aufschlussreich ist Thess , , wo es als Zeichen des Anti-christs gilt, dass er sich als Gott proklamiert.

    | auf Jesus bezogen nie bei den Synoptikern, nirgends bei Paulus, dafr aber bei Joh, Hebr und Petr ( , ). | Joh , und Rm , (siehe Kommentare und bersetzungen). | Kol , ; Thess , ; Tit , , Joh , . | Diese schwierige Aussage zu verstehen hilft Somn. I , wo Philo zu Gen , LXX (Und er [sc. Jakob] kam an einen

    Ort und legte sich dort schlafen [] ausfhrt: Der Begriff Ort ist dreifach zu verstehen: einmal als vom Krper erfllter Raum, auf die zweite Art als der gttliche Logos, den Gott selbst ganz und gar mit unkrperlichen Krften ausgefllt hat ( , ). Denn sie sa-hen, heit es, den Ort, wo der Gott Israels stand (Ex , ), an dem allein er auch den Gottesdienst zu verrichten

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    nur dem ewigen Logos, sondern auch dem irdischen Jesus zu (vgl. Joh 1,1.18)16. Thomas fllt vor dem Auferweckten nieder und bekennt: Mein Herr und mein Gott ( ) (Joh 20,28)17. Und der Hebrerbriefautor bertrgt Ps 45,7f.LXX auf den Erhhten: Dein Thron, o Gott, steht fr immer und ewig und das Zepter der Gerechtigkeit ist das Zepter deines Reiches [] (1,8f.)18. Kurzum: Die doxologische Rede ging der theologi-schen Reflexion voraus. Was die Gemeinde zuerst in Lobpreis und Akklamation zu sagen wagte, suchte die theologische Reflexion im Nachhinein gedanklich einzuho-len19.Bereits dieser Befund deutet an, dass die Zurckhaltung der frhen Christen, das -Prdikat auf Jesus anzuwenden, nicht heit, dass sie von seiner Gottheit (O. Cull mann) bzw. exzeptionellen Gottnhe (F. Hahn) nicht berzeugt gewesen

    erlaubt hat, nachdem er es an allen anderen Stellen verboten hatte; er hatte nmlich bestimmt, man solle zu dem Orte hinaufsteigen, den Gott der Herr ausgewhlt htte, und dort die Ganzopfer darbringen und die Dankopfer, dorthin die brigen makellosen Opfertiere hinauffhren (Dtn , ff.). Auch Christus ist ein Ort (vgl. das : Kol , ; , ), genauerhin der Logos, der ganz vom Gott-Sein erfllt ist. Der Terminus (Gottheit, Gttlichkeit) begegnet bei Plutarch, Lukian etc., aber im NT nur hier (ebenso wie nur in Rm , ); D. Zeller, The of Hippocrates and of other Divine Men, in: J. T. Fitzgerald u. a. (Hg.), Early Christianity and Clas-sical Culture (FS A. J. Malherbe) (NT.S ), Leiden Boston , , , nennt Belege aus der Profan-Grzitt der Kaiserzeit, wo (divinity), instead of divine nature, is said to fill the poet-prophet. Zu Kol , vgl. Ps , LXX: Warum beargwhnt ihr, ihr geronnenen Berge, den Berg, auf dem es Gott gefallen hat, zu wohnen ( ), (auf dem) ja auch der Herr Wohnung nehmen wird [ ] fr immer?

    | Anders Phil , (siehe unten). | R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium, III. Teil: Kommentar zu Kap. (HThK.NT IV/ ), Freiburg , :

    Die Verbindung Herr und Gott lsst an die Sprechweise im AT denken; aber sie entspringt hier eher der Reflexion des Evangelisten. Mglich ist auch eine Erinnerung an die urchristliche Liturgie; vgl. Ps , LXX: ; Vgl. auch Ps , ; , ; , . Die Verbindung von und als Gottesbezeichnung z. B. in

    Sam , ; Kn , ; Jer , ; Sach , und Offb , . | Zu Psalm vgl. E. Zenger: Wie in der gyptischen Knigstheologie erhlt auch der Knig von Jerusalem den Amts-

    titel Gott. Zwar hat gerade die atl. berlieferung den Abstand zwischen Gott und Knig nicht verwischt, und seine biographische Menschlichkeit wird oft geradezu drastisch betont, doch hat die Hoftheologie den Gedanken immer wieder variiert, dass der Knig seine Aufgabe, Gottes Ordnung der Welt zu verteidigen und Segensmittler fr sein ganzes Knigreich bis hin zur Fruchtbarkeit der Felder zu sein, nur erfllen kann, wenn er in einzigartiger Weise mit Gott verbunden ist: als sein Sohn, den er gezeugt hat (Ps , ; , ), als sein Erstgeborener (Ps , ), als der, der auf dem Knigsthron JHWHS sitzt ( Chr , ; , ) oder eben Gott genannt wird [] (in: F.-L. Hossfeld E. Zen-ger, Die Psalmen. Ps [NEB], Wrzburg , ).

    | Dazu L. W. Hurtado, Lord Jesus Christ. Devotion to Jesus in Earliest Christianity, Grand Rapids , der hier, aber auch in weiteren Studien (z. B. How on Earth Did Jesus Become a God? Historical Questions About Earliest Devotion to Jesus, Grand Rapids ) mit Hinweis vor allem auf die Akklamationen (Maranatha; ) herausar-beitet, dass die gottesdienstliche Verehrung Jesu schon sehr frh in der Jerusalemer Gemeinde einsetzte; dazu vgl. Theobald, Gott (s. Anm. ) , H.-U. Weidemann, Jesus ist der Herr. Vorbemerkungen zur Christologie der Ur-gemeinde, in: G. Augustin u. a. (Hg.), Mein Herr und mein Gott. Christus bekennen und verknden (FS W. Kardinal Kasper), Freiburg , , f.; vgl. auch G. Lohfink, Gab es im Gottesdienst der neutestamentlichen Gemein-den eine Anbetung Christi?, in: ders., Studien zum Neuen Testament (SBAB ), Stuttgart , . Schrage, Einheit (s. Anm. ) (Die gottesdienstliche Praxis) meldet gegenber einer einseitigen Herleitung der christologischen Transformation des biblischen Monotheismus aus gottesdienstlichem Enthusiasmus Bedenken an (vgl. auch unten Anm. f.).

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    wren20, nur wie verstanden sie diese? Ein Blick auf die frhjdisch-biblischen Sprach-muster, derer sie sich bedienten dass sie Juden waren, ist in keinem Augenblick zu vernachlssigen!21 , verspricht weiteren Aufschluss.

    2. Die biblisch-frhjdische Matrix neutestamentlicher Erhhungschristologien

    Zwei paulinische Texte, die auf alter berlieferung fuen, bieten sich an, die biblisch-frhjdische Matrix der Versprachlichung des Osterglaubens zu veranschaulichen: Phil 2,611 und Rm 8,3135a. Dabei beschrnken wir uns auf das Sprachspiel der Erhhung22.

    2.1 Die Gottnhe des erhhten Christus nach Phil 2,611

    Paulus hat das Christuslied vom Weg des Gottessohns Phil 2,611 wahrscheinlich von anderen Christen bernommen und sich angeeignet23, um mit ihm seine Mah-nung zur Demut () christologisch zu begrnden (Phil 2,35): Den Weg nach unten ging auch der Gottessohn: Der mit gttlichem Wesen Ausgestattete verlie den Himmel, erfuhr das menschliche Sein-zum-Tod von innen heraus24, wurde deshalb von Gott auch in den Himmel erhht und erhielt eine Machtstel-lung, die seine ursprngliche Beheimatung bei Gott weit bertrifft. So deutlich die dritte Strophe biblische Sprachmuster aktiviert, so wahrscheinlich assoziieren die beiden ersten die hellenistische Vorstellung, dass ein Gott gelegentlich die ihm eigene Gestalt mit einer menschlichen vertauschen kann25. Diese Vorstellung unterlaufen sie

    | Cullmann, Christologie (s. Anm. ) : Da feststeht, dass das Neue Testament von einer Reihe grundlegender christologischer Begriffe aus bereits zur Auffassung der Gottheit Christi [] gelangt, hat die Frage, ob Jesus auch tatschlich als Gott bezeichnet wird, nur mehr untergeordnete Bedeutung. : [D]ie Tatsache, dass Paulus zu Christus betet ( Kor , ), beweise, dass er gegebenenfalls wirklich von Jesus sagen konnte; zu F. Hahn siehe unten Anm. . .

    | Dies betont nachdrcklich zu Recht Weidemann, Jesus (s. Anm. ), etwa . | Zum benachbarten, aber eigenstndigen Sprachmodell der Auferweckung vgl. M. Theobald, Angefochtener Os-

    terglaube im Neuen Testament und heute, in: ThQ ( ) . | N. Walter, Der Brief an die Philipper, in: NTD / , Gttingen , , : Der entscheidende Einwand dage-

    gen, dass Paulus selbst das Lied verfasst hat, ist m. E. der, dass Paulus nirgends sonst ein Interesse an einem isolier-ten christologischen Gesamtbild zeigt, ohne dabei sofort auf die Heilsbedeutung der christologischen Aussagen fr uns zu sprechen zu kommen; vgl. auch M. Theobald, Der Philipperbrief, in: M. Ebner S. Schreiber (Hg.), Ein-leitung in das Neue Testament, Stuttgart , , .

    | Ebd. . | U. B. Mller, Die Menschwerdung des Gottessohnes. Frhchristliche Inkarnationsvorstellungen und die Anfnge

    des Doketismus (UTB ), Stuttgart , ; D. Zeller, Die Menschwerdung des Sohnes Gottes im Neuen Testa-ment und die antike Religionsgeschichte, in: ders., Menschwerdung Gottes Vergttlichung von Menschen

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    aber, wenn sie die Annahme einer anderen Gestalt nicht als bloe Vertauschung artikulieren, die die Identitt des Prexistenten unberhrt lassen wrde, sondern als reale Menschwerdung bzw. radikale Aufgabe der Gttlichkeit26:

    6 a I. Der in der Gestalt Gottes ( ) war,

    b hielt das Gottgleichsein ( ) nicht wie einen Raub fest,

    7 a sondern entuerte sich selbst ( ),

    b indem er die Gestalt eines Knechts ( ) annahm.

    c II. Den Menschen hnlich geworden ( )

    d und der Erscheinung nach wie ein Mensch erfunden ( ),

    8 a erniedrigte er sich selbst ( ),

    b indem er gehorsam wurde bis zum Tod

    c ja bis zum Tod am Kreuz.

    9 a III. Deshalb erhhte Gott ihn auch ber die Maen

    b und schenkte ihm den Namen,

    c der ber alle Namen (ist),

    10 a damit sich im Namen Jesu jedes Knie beuge

    b aller himmlischen, irdischen und unterirdischen (Mchte)

    11 a und jede Zunge bekenne:

    b Herr ist Jesus Christus!

    v zur Ehre Gottes, des Vaters.

    Proklamiert die dritte Strophe so knnten wir nun fragen auf dem Hintergrund der beiden ersten nicht doch Jesu Vergttlichung als Kompensation fr das, was der

    (NTOA ), Freiburg/Schweiz Gttingen , . Fr Walter, Phil (s. Anm. ) , ist eine wichtige gedank-liche Voraussetzung der Prexistenzaussage die vom hellenistischen Judentum (gyptens?) entwickelte Vorstel-lung von einer Schpfungsmittler-Wesenheit abstrakter Art (dem Logos/Wort oder der Sophia/Weisheit), die hier aber hier nicht alles erklrt; S. Vollenweider, Die Metamorphose des Gottessohns. Zum epiphanialen Motivfeld in Phil , , in: Das Urchristentum in seiner literarischen Geschichte (FS J. Becker) (BZNW ), Berlin ,

    , : Das Erdenleben Jesu wird als verborgene Epiphanie eines angelomorphen Himmelswesens gezeichnet, wobei aber das hellenistisch gefrbte epiphaniale Muster erheblich transformiert wird.

    | Mller, Menschwerdung (s. Anm. ) . ; die Radikalitt des fr die Antike ungewhnlichen Gedankens erklre, warum das Lied die Menschwerdung des Prexistenten in immer neuen Wendungen zu umschreiben sucht, um sich der eigentlichen Aussageabsicht anzunhern ( ).

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    Prexistente in seiner Menschwerdung aufgab: sein Gottgleichsein? Ist dies die Aussageintention der dritten Strophe? Dagegen spricht, dass das Lied die Menschwerdung des Prexistenten gerade gegen ihre mythische Lesart (= Gottes-erscheinung in menschlicher Gestalt) abschirmt, weshalb zu erwarten ist, dass seine letzte Strophe dies nicht wieder rckgngig macht, indem sie Jesu Erhhung als seine Vergttlichung proklamiert, die seine Menschheit vergessen liee. Erhhung bedeutet in den Koordinaten des Liedes etwas anderes, wie zwei Beobachtungen belegen.Mit Jes 45,23f. wird ein ursprnglich Gott geltender biblischer Text auf den erhhten Christus bertragen27: der kultisch konnotierte Vorgang des Sich-Beugens und Sich-Be-kennens zu JHWH28. Damit ist der bertrag auch des Gottesnamens auf den Erhh-ten verbunden, denn der Name, der ber alle Namen (ist), den Gott ihm bei seiner Inthronisation verliehen hat (), ist kein anderer als sein eigener Name: = der Herr. Doch steht die Akklamation: Herr (ist) Jesus Christus29, die alle himmlischen, irdischen und unterirdischen Mchte sprechen werden, nicht als eige-ner, mit dem Lobpreis des einzigen Gottes konkurrierender kultischer Vorgang in sich, sondern ist in diesen einbezogen: Herr ist Jesus Christus zur Ehre Gottes, des Vaters30. Es ist diese Doxologie am Ende des Lieds, die es verbietet, die Erhhung des Ge-kreuzigten als Apotheose im hellenistischen Sinne zu verselbstndigen. Damit ver-bindet sich ein Zweites.

    | D. B. Capes, Old Testament Yahweh Texts in Pauls Christology (WUNT / ), Tbingen ; allerdings geht er mit seiner Annahme, die frhen Christen not only worshiped Jesus alongside God, they worshiped as God ( ), zu weit; vgl. Schrage, Einheit (s. Anm. ) Anm. , sowie unten Anm. .

    | Neben Jes , f. (LXX: denn vor mir wird sich jedes Knie beugen, und jede Zuge wird bekennen vor Gott und sa-gen: Gerechtigkeit und Herrlichkeit werden zu ihm kommen, und zuschanden werden alle, die sich absondern; vom Herrn her [] wird gerechtfertigt werden und in Gott zu Ehren kommen die ganze Nachkommenschaft der Shne Israels), wird auch Jes , eingewirkt haben.

    | Vgl. Rm , ; Kor , : ; auerdem Kor , ; Rm , (Joel , LXX). Phil , bietet bereits eine sehr reflektierte Rezeption der Akklamation, wie ihre Verbindung mit Jes , f. zeigt; zur Akklamation als solcher vgl. die erhellenden Ausfhrungen von Weidemann, Jesus (s. Anm. ) f., mit Verweis auf E. Rau, Der urchristliche Kyrioskult und die Bekehrung des Paulus, in: P. Stolt (Hg.), Kulte, Kulturen, Gottesdienste. ffentliche Inszenierung des Lebens (FS P. Cornehl), Gttingen , , ( sei hier Subjekt, Prdikatsnomen, so dass auf die Frage geantwortet wird: wer ist der als bekannt vorausgesetzte Kyrios? Die Theozentrik von Phil , scheint fr den frhesten gottesdienstlichen Jerusalemer Kontext selbstverstndlich gewesen zu sein, weshalb man mit der Annahme eines Binitarian Worship (so Hurtado, Earth [s. Anm. ] ) vorsichtig sein sollte; vgl. M. Theobald, Art. Kyrios, in: LThK VI ( ) ; Feldmeier-Spiekermann, Gott (s. Anm. ) .

    | Schrage, Einheit (s. Anm. ) f., przisiert: Von einer inclusion of Jesus into the devotional pattern knne man im Blick auf Taufe und Herrenmahl durchaus sprechen (in Auseinandersetzung mit L. W. Hurtado); doch inwiefern und inwieweit diese christologisch gefllten Phnomene und Erfahrungen tatschlich eine Modifizierung mono-theistischer Anschauungen in Richtung auf einen binitarischen Gottesdienst bewirken, lsst sich nicht sagen. Paulus denke eher an ein Danken und Beten zu Gott durch Jesus Christus wie in Rm , ; , ; [ , ] und

    Kor , . Vgl. bereits W. Thsing, Per Christum in Deum. Studien zum Verhltnis von Christozentrik und Theozen-trik in den paulinischen Hauptbriefen (NTA.NF ), Mnster , ; er rechnet damit, dass auf Paulus zurckgeht.

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    Wie das (= deshalb) eingangs der dritten Strophe zeigt, ist die Erhhung Jesu die Antwort Gottes auf seinen Gehorsam bis zum Tod ja bis zum Tod am Kreuz, wie Paulus zum vorgegebenen Lied wohl hinzusetzt, um die eigene Kreuzestheologie in Erinnerung zu rufen31. So erzhlt das Lied gerade keine Aufstiegsgeschichte32, son-dern proklamiert das Paradox, dass Gott sich an einen Gekreuzigten als seinen Reprsentanten33 gebunden hat, an den zu glauben oder nicht ber Heil oder Unheil entscheidet. Eine Vergttlichung Jesu, die seinen Tod verklren wrde, ist das nicht.

    2.2 Wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? (Rm 8,32c)

    Rm 8,3135a gehrt zum hymnischen Finale der ersten Hlfte des Rmerbriefs, in dem Paulus unter Rekurs auf alte Glaubensformeln34 zusammenfassend seine Gewiss-heit begrndet, dass nichts, aber auch gar nichts Gottes Auserwhlte (V.33a) von seiner Liebe in Christus Jesus (V.39) scheidet:

    31 a Was wollen wir nun hierzu sagen?

    b Ist Gott fr uns,

    c wer (ist) gegen uns?

    32 a Der seinen eigenen Sohn nicht verschont hat,

    b sondern ihn fr uns alle dahingegeben hat

    | Schon E. Ksemann, Kritische Analyse von Phil. , , in: ders., Exegetische Versuche und Besinnungen I, Gttin-gen , , verwies im Anschluss an E. Lohmeyer darauf, dass das Modell von Menschwerdung und Erhhung hier vom soteriologischen des Kreuzestodes berlagert wird; Walter, Phil [s. Anm. ] : Dass es sich beim Tod Jesu speziell um den Tod am Kreuz [den entehrenden Sklaventod] handelt, ist fr die Gedankenfhrung des Liedes selbst nicht bedeutsam.

    | Weil die Erhhung des Gekreuzigten, ja schon der Verzicht auf den Status der Gottgleichheit im Ursprung seiner Existenz gegen alles Aufstiegs- und Vergttlichungs-Denken der Umwelt steht, drfte eine politisch-gesellschaftli-che Relevanz dem Hymnus nicht abzusprechen sein: dazu S. Vollenweider, Politische Theologie im Philipper-brief?, in: D. Snger U. Mell (Hg.), Paulus und Johannes. Exegetische Studien zur paulinischen und johanneischen Theologie und Literatur (WUNT ), Tbingen , ; A. Standhartinger, Die paulinische Theologie im Spannngsfeld rmisch-imperialer Machtpolitik. Eine neue Perspektive auf Paulus, kritisch geprft anhand des Phi-lipperbriefs, in: F. Schweitzer (Hg.), Religion, Politik und Gewalt. Kongressband des XII. Europischen Kongresses fr Theologie .- . September in Berlin (Verffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft fr Theo-logie ), Gtersloh , . Zu Recht betonen Feldmeier Spiekermann, Gott (s. Anm. ), mit Anm. , gegen U. B. Mller, dass es in der dritten Strophe um sehr viel mehr als nur um ausgleichende Gerechtigkeit geht, im Sinne nur einer Wiederherstellung des ursprnglichen Zustandes einer Existenz in Gestalt Gottes; die Pointe sei vielmehr die Erhebung gerade des Gekreuzigten zu einzigartiger Hoheit.

    | F. Hahn, Theologie des Neuen Testaments, Bd. II: Die Einheit des Neuen Testaments. Thematische Darstellung, T-bingen , : Der Erhhte, der in einer spezifischen Weise an Gottes Gottheit partizipiert, ist Stellvertreter und Reprsentant Gottes, insofern begegnet uns in seinem Wirken Gott selbst, ohne dass dies im modalistischen Sinn zu verstehen wre.

    | H. Paulsen, berlieferung und Auslegung in Rm (WMANT ), Neukirchen-Vluyn , .

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  • Haben die Christen Jesus nach Ostern vergttlicht? 303

    c wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?

    33 a Wer will denn Anklage erheben gegen die Auserwhlten Gottes?

    b Gott ist es, der gerechtspricht

    34 a wer will sie (dann) verurteilen?

    b Christus Jesus,

    c gestorben,

    d mehr noch: der auferweckt wurde,

    e der zur Rechten Gottes ist ( ),

    f der auch fr uns eintritt ( ).

    35 a Wer kann uns scheiden von der Liebe Christi? []

    Was sich hier abzeichnet, fhrt direkt in das sptere Credo: gestorben, auferweckt, sitzend zur Rechten Gottes, der fr uns eintritt. Die beiden letzten Stze sagen mit ei-nem anschaulichen Bild, warum Jesu Auferweckung ein heilvolles Geschehen ist: weil Jesus Frsprecher oder Anwalt vor Gott ist, gegen den jeder Klger machtlos ist.

    Der zur Rechten Gottes ist die Seditio ad dexteram patrisHintergrund von V.34e ist Ps 110, einer der am meisten zitierten Psalmen im Neuen Testament35, wobei der lteste Beleg unsere Stelle ist36. Der Psalm beginnt mit den Wor-ten:

    1a Von David ein Psalm.

    1b Spruch JHWHs an meinen Herrn:

    1c Setze dich zu meiner Rechten,

    1d whrend ich hinlege deine Feinde

    1e als Schemel fr deine Fe.

    2a Das Szepter deiner Macht

    2b streckt JHWH aus von Zion her,

    2c herrsche inmitten deiner Feinde [].

    | Vgl. M. Hengel, Setze dich zu meiner Rechten! Die Inthronisation Christi zur Rechten Gottes und Psalm , , in: ders., Studien zur Christologie. Kleine Schriften IV (WUNT ), Tbingen , .

    | Der Psalmvers selbst wird nicht zitiert, das alte Bekenntnis spielt nur auf ihn an. Die christologische Interpretation des Psalms ist auch deshalb so aufschlussreich, weil sie an Jesu eigene Botschaft von der Knigsherrschaft Got-tes anknpft, um sie aus sterlicher Perspektive zu transformieren (vgl. unten . ).

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    Die Wortfolge mit ihren unterschiedlichen Personen irritiert zunchst, wird aber transparent, wenn sie als Skript gelesen wird, zu dem folgende Szene hinzugehrt: Ein Prophet im Dienst des kniglichen Hofs tritt auf und bermittelt seinem Herrn einen Gottes-Spruch (= V.1b-e), den er ihm anschlieend (in V.23) erlutert. In ihm weist JHWH den Knig an, auf seinem Thron zur Rechten Platz zu nehmen. Das im-pliziert nicht nur eine besondere Ehrung bzw. Erwhlung, sondern [] ein echtes Mit-Thronen des Angesprochenen, d.h. eine Teilhabe an der Ausbung der Knigsherr-schaft JHWHs selbst37. E. Zenger spricht zwar im Blick auf das gyptische Verstndnis kniglicher Inthronisation von einer Divinisierung des Knigs bei Amtsantritt, meint aber, dass diese durch die gegenlufige Tendenz seiner Depotenzierung zum Werkzeug Gottes im Psalm konterkariert wrde38. Auf Jesus bertragen bedeutet das: Auch er wird in den himmlischen (Thron-)Raum Gottes integriert und hat Anteil an dem Machtpotential Gottes, das sich in Gericht und Rettung erweist39. Darber hinaus ist er sein eschatologischer Reprsentant vor aller Welt, sein Werkzeug, weshalb von einer Divinisierung nicht gesprochen werden sollte.

    Der fr uns eintrittDas Frhjudentum kennt eine Reihe von in den Himmel versetzten Frsprechern bei Gott, Henoch und Jeremia etwa. Aber auch Engel leisten solchen Dienst vor allem Israels Schutzpatron, der Erzengel Michael40, der in dieser Funktion z.B. in den sog. Testamenten der zwlf Patriarchen begegnet. Als Levi den Engel, der ihm im Schlaf erschienen ist, bittet, ihm doch seinen Namen kundzutun, damit er ihn am Tag der Bedrngnis anrufen knne, antwortet ihm dieser: Ich bin der Engel, der fr das Ge-schlecht Israels bittend eintritt, damit es nicht zertreten werde (TestLevi 5,6). Auf-schlussreich ist auch TestDan 6,17, eine Weisung des Patriarchen Dans an seine Shne:

    1 Und jetzt, frchtet den Herrn, meine Kinder,

    und nehmt euch in Acht vor dem Satan und seinen Geistern.

    | E. Zenger, in: F.-L. Hossfeld E. Zenger, Psalmen (HThKAT), Freiburg , . | Der Psalm sei konsequent theozentrisch. Seine Bilder (der Knig als Throngenosse Gottes, als Werkzeug Gottes

    im siegreichen Kampf gegen die Feinde zur Durchsetzung der Welt- und Lebensordnung Gottes) haben eine dop-pelte Dynamik: Einerseits wird der Knig hineingenommen in den Machtbereich Gottes selbst und so divinisiert, andererseits wird er als eigenstndige Figur depotenziert, insofern er in letzter Konsequenz eine Funktion Gottes ist.

    | L. Bormann, Psalm im Dialog mit dem Neuen Testament, in: D. Snger (Hg.), Heiligkeit und Herrschaft. Intertex-tuelle Studien zu Heiligkeitsvorstellungen und zu Psalm (BThSt ), Neukirchen-Vluyn , , ; vgl. auch M. Tilly, Psalm zwischen hebrischer Bibel und Neuem Testament, ebd. .

    | Vgl. Dan , . ; , ; QS , ; QM , . M. Theobald, Art. Michael, in: LThK VII ( ) ; zu frhen Spu-ren einer Engelchristologie im Neuen Testament vgl. L. T. Struckenbruck, Angel Veneration and Christology (WUNT

    / ), Tbingen ; D. D. Hannah, Michael and Christ (WUNT / ), Tbingen .

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    2 Naht euch vielmehr Gott und dem Engel,

    der fr euch bittend eintritt (),

    denn dieser ist Mittler zwischen Gott und Menschen ( ) fr den Frieden Israels41,

    und er wird sich gegen das Reich des Feindes stellen.

    3 Darum mht sich der Feind,

    alle zu Fall zu bringen, die den Herrn anrufen ( ).

    4 Denn er wei,

    dass am Tage, an dem Israel umkehren wird,

    das Reich des Feindes beendet sein wird.

    5 Denn der Engel des Friedens selbst wird Israel strken,

    damit es nicht in das uerste bel fllt.

    6 [] denn keiner der Engel ist ihm gleich.

    7 Sein Name wird an jedem Ort Israels sein []42.

    In der christlichen Tradition geht die Rolle des Erzengels auf den erhhten Christus ber, der jetzt aber nicht mehr allein fr Israel, sondern auch fr die Vlker beim Thron Gottes Frbitte leistet43 fr uns alle, wie Paulus in Rm 8,32 sagt. Auch berragt Christus den Erzengel, ist um so viel erhabener als die Engel, wie der Name, den er geerbt hat, ihren Namen berragt (Hebr 1,4; vgl. oben Phil 2,911)44. Worin grndet dieses erhabener als sie? eine Frage, welche die frhe Kirche lange beschftigte45. Rm 8 gibt folgende Antwort: Jesu Eintreten fr uns beim Vater ist nicht ergebnisoffen; es unterliegt nicht dem Zweifel, ob die gegen uns auftreten-den Klger nicht doch strker sind. Vielmehr ist es von der Gewissheit seines Erfolgs getragen, worin es sich von aller sonstigen Anrufung Gottes durch die Engel unter-scheidet. Woher stammt diese Gewissheit? Nach Paulus aus Jesu Heil schaffendem Sterben fr uns alle, wobei er die Konsequenz aus seinem Sterben in das ausdrucks-starke Bild seines Eintretens vor Gott bersetzt. Da aber Gott im Sterben Jesu selbst

    | Vgl. Tim , . | bersetzung nach J. Becker, Die Testamente der zwlf Patriarchen, in: JSHRZ III . | Die Vorstellung vom frbittenden Eintreten am Thron Gottes knnte priesterlich konnotiert sein; vgl. Hebr , ;

    , ; Weidemann, Jesus (s. Anm. ) . | Vgl. auch Mk , : und die Engel dienten ihm; Joh , : und ihr werdet den Himmel geffnet und die Engel Gottes

    auf- und niedersteigen sehen ber dem Menschensohn; dazu Johannes Chrysostomus, Hom. zu Joh: Du wirst noch Greres als dieses sehen, und fhrte zum Beweis den Dienst der Engel an. []. Dadurch fordert er den Natha-nael auf, ihn auch als Herrn der Engel zu bekennen, denn diese kniglichen Diener stiegen auf und ab ber ihm als dem echten Sohn des Knigs (F. Knors, Die Homilien des Heiligen Johannes Chrysostomus ber das Evangelium des heiligen Johannes, Paderborn , ).

    | Vgl. Stuckenbruck, Angel Veneration (s. Anm. ).

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    schon engagiert ist (vgl. Rm 8,32b), ist die Annahme von dessen Frbitte im himmli-schen Thronsaal nur das Siegel auf das eigene vorgngige gttliche Engagement. Anders gesagt: Das Bild Jesu als des himmlischen Frsprechers verstrkt die soteriolo-gische Deutung seines Todes. Es geht um Jesu ursprngliche Gottnhe46, nicht um seine Divinisierung.

    2.3 Zwischenbilanz

    Die beiden Paulustexte veranschaulichen, dass die von ihnen benutzten biblisch-frh-jdischen Sprachmuster sich gegen die hellenistische Kategorie der Vergttlichung sperren, und zwar aus verschiedenen Grnden: Dass Jesus an Ostern zu etwas gewor-den wre, was er vorher nicht war, ist nicht ihre Aussage. Auch stellen sie seine sterli-che Inthronisation nicht so dar, dass sein Tod vom Glanz des Gttlichen berstrahlt oder vergessen gemacht wrde. Vielmehr wird dieser Tod in seiner soteriologischen Relevanz pro nobis erst durch Jesu Erhhung in Kraft gesetzt. Der Erhhte ist und bleibt fr Paulus der Gekreuzigte! Vor allem aber ist Gott nach Paulus nicht erst nachtrglich in die Jesusgeschichte verwi-ckelt, sondern ist ursprungshaft mit ihr verbunden. Der theo-zentrische Duktus des hymnischen Finale Rm 8 mit dem Auftakt V.32a.b: Gott, der seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn fr uns alle dahingegeben hat, zeigt das berdeutlich: Hat Gott den Menschen mit Jesus sozusagen sein Bestes geschenkt das gibt die Sohnes-Metapher zu denken auf!47 , dann steht er auch am Ursprung seiner Geschichte, in der er sich endgltig und unberbietbar engagiert hat48. Die theologische Metasprache nennt dieses Unberbietbar (samt seinen hier nicht zu errternden theologischen Implikationen) eschatologisch. Jesu Erhhung oder Inthronisation ist dann das Ge-schehen, durch das Gott seine ursprngliche Identifikation mit ihm weltffentlich macht. Fllt dem Erhhten damit die eschatologische Funktion der Reprsentanz Gottes zu, dann ist es nur konsequent, wenn in der weiteren christologischen Lehrent-

    | Hahn, Theologie II (s. Anm. ) : Dass himmlische Wesen nicht eo ipso gottgleich sind, zeigt die biblische Engel-vorstellung. Auch wenn man nicht von einer Engelchristologie ausgehen kann, weil damit die Sonderstellung Jesu unbercksichtigt bliebe, impliziert die neutestamentliche Auffassung von Jesus als einer himmlischen Gestalt nicht von vornherein dessen Gttlichkeit, sondern dessen [] genauer zu bestimmende Gottnhe.

    | Vgl. M. Theobald, Sohn Gottes als christologische Grundmetapher bei Paulus, in: ders., Studien zum Rmerbrief (WUNT ), Tbingen , .

    | Das Christuslied Phil , bleibt in dieser Hinsicht sperrig: wird Subjekt erst in III, in I und II ist der Pr-existente Subjekt seiner freien Entscheidung, sich zu entuern. Dennoch drfte hinter dieser quasi-mythi-schen Redeweise, die das Lied selbst im Ringen um die Sache durchbricht (siehe oben), die berzeugung stehen, dass dies alles nicht von ungefhr geschah, sondern dem Willen Gottes entsprach, wie ja die biblischen Asso-ziationen in III zeigen (Walter, Phil [s. Anm. ] f.).

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    wicklung auch Funktionen auf ihn bergehen, die aus biblisch-frhjdischer Sicht Gott vorbehalten sind zum Beispiel die des eschatologischen Richters49.

    3. Der irdische Jesus aus sterlicher Perspektive

    Wenden wir uns vom Osterbekenntnis dem irdischen Leben Jesu zu, wie es die Evan-gelisten im Licht von Ostern darstellen, stellt sich als nchstes die Frage, ob sich bei ihnen Tendenzen bemerkbar machen, Jesu Menschlichkeit ins Gttliche zu steigern. Es empfiehlt sich, bei der Beantwortung dieser Frage Synoptiker und Johannes gesondert zu behandeln.

    3.1 Antagonismen der Evangelienschreibung: Christologie im Zeichen des einzigen Gottes Israels versus Vergttlichungstendenzen der berlieferung?

    Jesus war Exorzist und hat Kranke geheilt, daran lsst sich nicht zweifeln. Doch wurde sein Bild als Wundertter spter mit immer krftigeren Strichen gemalt und seine Wunderkraft vielfach gesteigert50. Verantwortlich dafr waren vor allem missiona-risch-werbende Grnde. Auf dem hellenistischen Markt der Heilsangebote musste man sich eben gegenber manchen Konkurrenten behaupten. Tendenzen, ihn als be-

    | Vgl. Kor , ; Mt , ; Apg , ; Petr , ; Tim , ; Barn , ; Clem , ; Polykarp, Phil , . E. Lohse, Christus als Weltenrichter, in: G. Strecker (Hg.), Jesus Christus in Historie und Theologie (FS H. Conzelmann), Tbingen ,

    ; K. Wengst, Schriften des Urchristentums. Zweiter Teil: Didache (Apostellehre), Barnabasbrief, Zweiter Klemensbrief, Schrift an Diognet, Darmstadt , Anm. , zu Clem , : die Bezeichnung Richter der Le-benden und Toten reicht zurck bis in die Erwartung der frhen palstinischen Gemeinde, die im auferweckten Jesus vor allem den zum Gericht kommenden Menschensohn sah.

    | Wie man aus einem Menschen ein Gott werden knne ( ) diese Frage gehrt nach Plutarch zu den schwierigen Fragen, die Alexander so erzhlt er in seiner Biographie Gefangenen vorlegte mit der Ankndigung, er werde denjenigen, der keine richtige Antwort gebe, zuerst und nach ihm der Reihe nach die anderen tten lassen ( , ). Eine Antwort, die er erhlt, lautet: wenn man etwas leiste, was einem Menschen zu leisten nicht mglich sei ( , , ) ( , f.). Sind die Taten Jesu nach dem Verstndnis der Evangelisten menschenunmgliche Taten? Eine derartige Frage, die eine philosophische Reflexion ber die Grenzen des Menschenmglichen anstoen msste, scheint nicht im Blickfeld unserer Quellen zu liegen. Mitunter heit es zwar in den sog. Chorschlssen von Wundererzhlungen: So etwas haben wir noch nie gesehen! (Mk , ), oder: Niemals ist solches in Israel vorgekommen! (Mt , ). Auch Lukas unterstreicht das Auergewhnliche an Jesu Wirken (Lk , : Wir haben heute seltsame Dinge [] gesehen) (vgl. auch die Chorschlsse Lk , ; , ), das er an Gott zurckbindet (Lk , : Es ist ein groer Prophet unter uns aufgestanden, und Gott hat sein Volk besucht!). Aber Lukas lsst keine seiner Erzhlfiguren behaupten, dass Jesus weit und breit der einzige Wundertter gewesen sei. Im Gegenteil: Selbst nach Jesu eigenen Worten gab es Exorzisten auch neben ihm (vgl. Lk , par.).

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    sonders begabten gttlichen Menschen zu portrtieren51, sind deshalb in verschiede-nen berlieferungszweigen zu beobachten. In der markinischen berlieferung sind vor allem die Stillung des Sturms durch Jesus (Mk 4,3541) und sein Seewandel (Mk 6,4552) zu nennen. In beiden Erzhlungen wer-den gttliche Prrogative auf Jesus bertragen52. Die Sturmstillungserzhlung steigert sein bekanntes Bild als Exorzist, wenn sie Jesus gegen Wind und Meer mit seinem Schweigegebot vorgehen lsst, was eigentlich nur Gott vermag: Du stillst das Brausen der Meere, das Brausen ihrer Wogen , preist Ps 65,8 den Herrn, und in Ps 106,9LXX heit es von ihm: Er bedrohte das Schilfmeer, da wurde es trocken []53. Wenn Ps 77,20 in einer Theophanieschilderung erklrt: Es ging dein Weg durch das Meer, es gingen deine Pfade durch groe Fluten [], und Ijob 9,8b von JHWHs Wandeln auf den Hhen des Meeres spricht, dann wird der motivische Hintergrund fr Jesu See-wandel sichtbar. Beide Erzhlungen sind biblisch generiert. Doch besteht auch starke Affinitt zu analogen hellenistischen Geschichten, die Gleiches von Heroen und Gt-tern erzhlen. So rhmt Aelius Aristides die Hilfe des gyptischen Heilgottes Sarapis im Seesturm mit den Worten: Er ist der Herr ( ), der zum Schweigen zu bringen und aufzuschrecken wei den Wind, den er will54. Und Dio Chryostomus meint im Blick auf Xerxes, dass von den Menschen unter der Sonne jener der strkste ist und nicht einmal den Gttern an Macht nachsteht, der das unmglich Scheinende mglich machen kann, der wenn er will zu Fu ber das Meer schreitet55. ber Wasser zu gehen, galt als Fhigkeit gttlicher Menschen und Magier.Selbst bei Lukas, dem Historiker unter den Evangelisten, lassen sich Spuren der Darstel-lung Jesu als eines gttlichen Menschen beobachten. Der erste Synagogenauftritt Jesu in Nazareth mndet bei ihm in folgende Szene: Und sie standen auf und stieen ihn zur Stadt hinaus und fhrten ihn an den Abhang des Berges, auf dem ihre Stadt gebaut war, um ihn hinabzustrzen. Aber er ging mitten durch sie hinweg (Lk 4,29f.). Das grenzt an ein Wunder und erinnert an hnliche Szenen im Leben gttlicher Menschen, zum Beispiel dem des Apollonius von Thyana, von dem sein Biograph Philostrat erzhlt: Angeklagt von Kaiser Domitian, htte er diesem nach langer Verhandlung zugerufen:

    | D. Dormeyer, in: R. Zimmermann (Hg.), Kompendium der frhchristlichen Wundererzhlungen, Bd. : Die Wunder Jesu, Gtersloh , f.: Gttlicher Mensch oder gttliche Vollmacht?

    | R. Pesch, Das Markusevangelium, I. Teil. Einleitung und Kommentar zu Kap. , . (HThK II/ ), Freiburg , . .

    | Auerdem vgl. Ps , ; , . | Aelius Aristides, Or. , . (er bezieht sich auf Homer, Odyssee , ) (bei Pesch, Mk I [s. Anm. ] ). | Dio Chrysostomus, Or. III, f. (bei Pesch, ebd. ); M. Reichardt, Ich bin es das Brot des Lebens (Mk , ;

    Joh , . ). Von den absoluten synoptischen zu den prdikativen johanneischen Ich-bin-Worten, in: W. Eisele C. Schaefer H.-U. Weidemann (Hg.), Aneignung durch Transformation. Beitrge zur Analyse von berlieferungs-prozessen im frhen Christentum (FS M. Theobald) (HBSt ), Freiburg , , , bietet hellenisti-sche Belege zu weiteren Motiven, erklrt dann aber zum Kontrapunkt Mk , : Wenn Jesus diese Worte in den Mund nimmt, stellt er nicht nur klar, dass er kein Gespenst ist, sondern offenbart sich den Jngern als je-mand, in dem Gott als Retter epiphan wird ( ).

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    Gib auch mir Raum, wenn du willst! Wenn aber nicht, so schicke einen, der meinen Leib gefangen nimmt; denn ber meine Seele bist du nicht Herr. Eigentlich wirst du auch meinen Leib nicht fassen knnen. Denn nicht wirst du mich tten, da dies nicht mir bestimmt ist (Homer). Und Philostrat setzt hinzu: Mit diesen Worten ent-schwand er () aus dem Gerichtssaal56.Aus dem Johannesevangelium lsst sich die Erzhlung vom Weinwunder zu Kana nen-nen, die in der Jesus-berlieferung ihresgleichen sucht, wohl eine missionarische berbietungsgeschichte nach dem Motto: Hier ist mehr als Dionysos!57 Was dieser kann Wasser in Wein verwandeln und den Menschen angesichts des Todes den schumenden Becher der Lebensfreude reichen , das kann Jesus erst recht. Wenn die Geschichte mit dem Satz endet: er offenbarte seine Herrlichkeit, dann kann das auch so verstanden werden: er offenbarte seine Gttlichkeit58.Dieserart Erzhlungen59 sind die eine Seite der Medaille, die andere ist der Re fe-renzrahmen des jeweiligen Evangeliums, der ihre Lektre christologisch steuert. Las-sen die erwhnten Erzhlungen das Verhltnis ihres mit bermenschlicher Wunder-kraft ausgestatteten Jesus zu Gott im Dunkeln, so klren die Autoren der Evangelien genau dies vor allem in ihren jeweiligen Bucherffnungen. Markus zeichnet mit seiner Erzhlung von der Taufe Jesu (Mk 1,10f.) diesen seitdem nicht nur passiv als mit Gottes Geist begabt, sondern aktiv als den Tufer mit heiligem Geist (Mk 1,8): Er bannt in seiner Kraft sogleich die bsen Geister und zeigt damit, dass die Knigsherrschaft

    | Philostratos, Das Leben des Apollonios von Thyana. Griechisch-Deutsch (hg. von Vroni Mumprecht), Mnchen Zrich , (das Zitat Worte des Apollo an den ihn verfolgenden Achill stammt aus der Ilias, , ). Gleiches ein Entschwinden vor dem Tyrannen erzhlt auch Iamblichos von Pythagoras: Vit Pyth. . M. Wolter, Das Lukasevangelium (HNT ), Tbingen , , sucht die religionsgeschichtlichen Parallelen von Lukas fernzuhal-ten: Wie Jesus es geschafft hat, ohne Schaden durch die feindliche Menge zu kommen, die ihm ans Leben will, bleibt unerzhlt. Ein pltzliches, wunderbares Verschwinden [] erzhlt Lukas mit Bedacht nicht. Er berlsst es vielmehr einmal mehr der Imagination der Leser, sich den Grund fr Jesu Rettung vorzustellen, und es wird ihm si-cher nicht unlieb gewesen sein, wenn sie dabei vor allem an ein bewahrendes Eingreifen Gottes denken.

    | Zum Nachweis vgl. zuletzt W. Eisele, Jesus und Dionysos. Gttliche Konkurrenz bei der Hochzeit zu Kana (Joh , ), in: ZNW ( ) ; M. Theobald, Das Evangelium nach Johannes. Kapitel (RNT), Regensburg ,

    ; anders: C. Clausen, Turning Water into Wine: Re-reading the Miracle at the Wedding in Cana, in: J. H. Charlesworth P. Pokorny (Hg.), Jesus research: an international perspective: the first Princeton-Prague sympo-sium on Jesus Research, Grand Rapids , .

    | J. Becker, Das Evangelium nach Johannes. Kapitel (TK / ), Gtersloh , , zum Jesus-Bild der vom Evangelisten rezipierten Zeichenquelle: Jesus ist als ein Wundertter gezeichnet, der in eigener Vollmacht zur Selbstdarstellung und zum Aufweis seiner Herrlichkeit die Wunder vollbringt. Darum sind nicht nur die Wunder in ihrer Wunderhaftigkeit so massiv [], sondern es geschieht kein Wunder aus Erbarmen und zur Linderung von Not, und darum bleibt Jesu Gottesverhltnis bewusst ohne Darstellung. Das Wunder wird zur Epiphanie der gttlichen Macht des Wundertters. Wenn allerdings die Zeichenquelle ursprnglich mit der Erzhlung von der Taufe Jesu und der Herabkunft des Geistes auf ihn begann, wofr vieles spricht, htte sie das Verhltnis Gottes zu Jesus doch vorweg klar definiert; vgl. Theobald, Joh I (s. Anm. ) f.

    | Die Verklrungserzhlung Mk , mchte man nicht zu ihnen rechnen, weil es sich um eine Art berbietungs-erzhlung nach dem Motto: Hier ist mehr als Mose und Elija handelt. Nach Ausweis der Himmelsstimme wie des passivum divinum , (er wurde verklrt []) ist die Verklrung (in Analogie zur Tauferzhlung) an Gottes Handeln selbst zurckgebunden.

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    Gottes tatschlich nahe gekommen ist (Mk 1,14f.)60. Matthus und Lukas61, denen der Buchanfang des Markus nicht mehr gengte, verlagern die Geistbegabung Jesu anlss-lich seiner Taufe nach vorne, indem sie mittels der Vorstellung von seiner geistgewirk-ten Geburt aus Maria ihn von Anfang an mit Gottes Geist verbinden: Nicht erst, seit-dem er aus seiner Kraft handelt und redet, ist Jesus der Messias, Retter und Herr, sondern als Mensch schon von Geburt an (Mt 1,16; 2,4; Lk 2,11). Der vierte Evangelist geht in sei-nem Prolog noch einen entscheidenden Schritt darber hinaus, wenn er Jesu Wirken weder mit der Taufe, noch mit seiner geistgewirkten Geburt beginnen lsst, sondern von ihm aussagt, dass er das in der Zeit Fleisch gewordene ewige Wort Gottes sei (vgl. Joh 1,1f.14). Was bedeutet dieses theologisch-christologische Vorzeichen fr das Ver-stndnis der Vita Jesu im Corpus des Evangeliums?

    3.2 Der johanneische Jesus ein ber die Erde wandelnder Gott?

    Dass der johanneische Jesus wie ein ber die Erde wandelnder Gott erscheint62, hngt an verschiedenen Motiven, die sein Bild prgen. Vor allem eignet ihm bernatr-liche Menschenkenntnis63 Jesus kannte sie alle und brauchte von keinem ein Zeugnis ber den Menschen, denn er wusste, was im Menschen ist, heit es in Joh 2,24f. pro-grammatisch64. Stets wei er, was die Stunde geschlagen hat, und kennt die Zukunft65. Durch die Passion geht er, als stnde er ber dem Leiden. Freilich weint er am Grab seines Freundes Lazarus (Joh 17,35). Aber als es mit ihm selbst zu Ende geht, stt er keinen Schrei aus (Mk 15,37), klagt auch nicht mit den Worten von Ps 22,2 (vgl. Mk 15,34), sondern erklrt in aller Hoheit: Es ist vollendet (Joh 19,30; vgl. auch V.28). Auch wenn die Menschen ihn zum Objekt degradieren, sie knnen dies nur, weil er selbst es ihnen ermglicht (Joh 18,8). In Wahrheit bleibt er Subjekt bis dahin, dass er selbstbestimmt stirbt66 bzw. in den Himmel hinaufsteigt (Joh 3,12: vgl. 6,62) und zum Vater geht (7,33; 13,33).Eingeflochten in dieses Bild ist ein Streit zwischen Jesus und den Juden, die ihm vorwerfen, er ein Mensch mache sich selbst zu Gott (Joh 10,33)67. Diese Anklage

    | Leitend ist die Vorstellung, dass die Knigsherrschaft Gottes in Opposition zum Reich Satans steht (vgl. AssMos , ; Mk , ).

    | Fr Lukas ist Jesus der mit dem Geist Gottes ausgerstete Messias (vgl. Jes , ; , ; , ; alle drei Verse rezipiert er: Lk , ; , ; Lk , ; , ) und als solcher auch der Geisttufer (Lk , ; Apg , ; christliche Ergnzungen frh-jdischer Schriften: TestJud , . : dazu Becker, TestXII [s. Anm. ] f.).Wenn man Lk , (Q) bercksichtigt, er-staunt, wie zeitig mit der Pneumachristologie Weichen fr die sptere Christologie gestellt wurden.

    | E. Ksemann, Jesu letzter Wille nach Johannes , Tbingen , . | Zur Herkunft dieses Motivs vgl. Theobald, Joh I (s. Anm. ) . f. | Vgl. auch , . ; , ; , . . f.; , ; , ; , . | Vgl. u. a. , ; , ; , : Jesus wusste, dass nun alles vollendet ist. | Joh , : er neigte sein Haupt ist so zu verstehen. | Vgl. auch Joh , ; , .

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    eigentlich die Anklage der zeitgenssischen Synagoge gegen die johanneischen Christen lautet im Klartext: Sie machten Jesus Gott gleich und verstieen damit blasphemisch gegen das biblische Bekenntnis zum einen Gott Israels. Menschen zu Gttern zu erheben, sie zu divinisieren68, ist dem Judentum ein Gruel, Ausgeburt menschlicher Hybris, unter der es oft genug selbst im hellenistischen Kulturkreis zu leiden hatte. Vielleicht gab es tatschlich in den johanneischen Gemeinden Tendenzen, die den Vor-wurf eines Di-theismus einer Zwei-Gtter-Lehre rechtfertigten69. Enthlt das Evan-gelium nicht Spitzenstze wie: Ich und der Vater sind eins (Joh 10,30), oder: Mein Va-ter wirkt bis jetzt und ich wirke (Joh 5,17)70, die ohne die Kautelen im Kontext so klingen, als stnden sie auf gleicher Ebene souvern nebeneinander?Dagegen erklrt aber der Evangelist: Nein! Wir haben Jesus nicht divinisiert, wir haben ihn nicht zu etwas gemacht, was er als Mensch nicht ist. Der Blick ist umzu-kehren und auf den Einzigen (Joh 5,44) zu lenken, der sich in Jesus ausgelegt (Joh 1,18) hat so, dass nur der Sohn zur Anschauung bringt, wer Gott ist (vgl. auch Joh 14,28). Abgesehen von ihm bleibt er unzugnglich und dunkel. Man ahnt, was die fr den vierten Evangelisten und seine Gemeinde so wichtige Prdikation der Sohn mit ihrem dichten Bildgehalt zum Ausdruck bringt: eine unerhrte Nhe Gottes zu Jesus, ihm ursprungshaft eingestiftet, nicht nachtrglich zugewachsen.Vor allem in zwei miteinander komplementren Gedankenreihen sucht der vierte Evangelist in Joh 5,25f. den Vorwurf des Di-Theismus zu entkrften:

    25 a Amen, amen, ich sage euch:

    b Es kommt die Stunde

    c und jetzt ist sie ,

    d dass die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hren werden,

    e und die gehrt haben, werden leben ().

    26 a Wie nmlich ( ) der Vater Leben in sich ( ) hat,

    b so () hat er auch dem Sohn gegeben (), Leben in sich zu haben.

    | In diesem Sinne (und nicht als authentisch johanneischer Ausdruck fr Jesu Gott-Gleichheit) ist das zu lesen: vgl. Theobald, Joh I (s. Anm. ) f. B. Lataire, Jesus Equality with God. A Critical Reflec-tion of John , , in: T. Merrigan J. Haers (Hg.), The Myriad Christ. Plurality and the Quest for Unity in Contem-porary Christology (BETL ), Leuven , ; interessantes Material bei Lsch, Deitas (s. Anm. ) .

    | Zum Thema Di-theismus im Frhjudentum vgl. Theobald, Gott (s. Anm. ) . | Beachtlich ist auch die bertragung des gttlichen Ego-Eimi auf Jesus, vgl. etwa: Ich bin das Brot des Lebens; wer

    zu mir kommt, wird nicht mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird niemals mehr drsten (Joh , ). Oder: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; keiner kommt zum Vater, es sei denn durch mich (Joh , ).

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    Axiomatisch ist die in V.25 voranstehende Aussage: Wer auf Jesus hrt, vermag dem Totenhaus dieser Welt (Dostojewski) zu entrinnen71. Zwar existiert der Mensch in absoluter Gottferne, ist geistlich tot. Aber wenn er die (ihn erweckende) Stimme des Gottessohns hrt, gelangt er ins Leben. Begrndet wird diese khne Feststellung mit einer Aussage ber Jesus selbst (V.26): Er hat Leben in sich und kann es deshalb auch denen vermitteln, die an ihn glauben. Von der Erde erhht, wird er sie zu sich ziehen (Joh 12,32), in die Mauer des Todes eine Breche schlagend. Dies ist die eine Seite: die Erfahrung von Leben in der Glaubensbegegnung mit Je-sus. Die andere ist die berzeugung, dass das Leben, das Jesus in sich trgt und vermittelt, ein vom Vater ihm gegebenes Leben ist. Mag die Redeform von V.26: wie der Vater so auch der Sohn vordergrndig gleiches Niveau suggerieren (also Di-Theismus), so biegt die Rede vom Geben, welche die Satzsymmetrie strt, genau dies ab: Der Vater, dem allein die unmittelbar zu eigen ist, ist der Gebende (der Sich-Verschenkende), der Sohn der Empfangende (der Weiterschenkende). Wann hat der Vater ihm das Leben gegeben? Bei seiner Auferweckung, seiner Taufe, seiner Geburt oder nicht doch schon im ewigen Wort, das er in sich trug und in der Zeit aussprach (Joh 1,118)? Der Evangelist setzt mit Joh 5,26 eine Denkspirale in Bewegung, die wohl nie zur Ruhe kommen wird.Der hier artikulierte Vorsprung des Vater-Gottes (vgl. auch Joh 14,28) wird konkret in der Gesandtenvorstellung, dem wichtigsten Strukturmerkmal der johanneischen Re-den Jesu: Meine Lehre ist nicht von mir, sondern von dem, der mich gesandt hat (Joh 7,16), beteuert er immer wieder72. Gerade dadurch, dass er nichts anderes tut und sagt als das ihm vom Vater Aufgetragene, ist er sein vollkommenes Sprachrohr, kommt Gott durch ihn in letztgltiger Weise zu Wort entsprechend dem Axiom des Prologs, dass Jesus das Wort Gottes in Person ist.Halten wir fest: Zwar knnten die eingangs erwhnten Motive bernatrliche Men-schenkenntnis, Wissen um die Zukunft, Erhabenheit im Leiden auf eine Divini-sierung des irdischen Jesus hinauslaufen, doch sind sie in die johanneische Christo-logie eingebunden und drfen von ihr nicht isoliert werden; sie veranschaulichen die berzeugung, dass Jesus ganz aus seinem Vater existierte und das heit auch: aus dem Wissen um ihn. Freilich wurde damit eine nachsterliche berzeugung in seine Vita zurckprojiziert, doch der christologische Bezugsrahmen verbietet es, deswegen von einer Vergttlichung des irdischen Jesus zu sprechen: Nach Joh 1,14 (und das Wort ist Fleisch geworden) ist Jesus Mensch und bleibt es auch nach seiner sterlichen Erhhung. Sein Mensch-Sein wird nicht zu einem Gott-Sein gesteigert, so dass es von ihm verschlungen oder ausgelscht wrde. Vielmehr gibt der Evangelist das Paradox

    | Diese Metapher in ihrer Anwendung auf die johanneische Anthropologie verdanke ich J. Becker, Johanneisches Christentum. Seine Geschichte und Theologie im berblick, Tbingen , u..

    | Vgl. Joh , . f. ; , . ; , f. ; , ; , ; , f. ; , etc.

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    zu denken auf, dass Jesus in seinem Mensch- und Person-Sein Gottes Gabe ist (Joh 3,16; 6,32 u..). Wie seine Paraklet-Theorie zeigt, wei er um die Geschichtlichkeit der Erkenntnis, damit aber auch um die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen der Erkenntnis- und der Seinsebene. Das gttliche Geheimnis ist Jesus ursprungshaft eingestiftet auch wenn dies erst nachtrglich, wie das Evangelium insgesamt belegt, eine christologisch angemessene Sprachform findet73.

    4. Die Frage nach der Legitimitt der christologischen Transformation des biblischen Monotheismus als Anfrage an den historischen Jesus

    In den neutestamentlichen Christushymnen wird Jesus so beobachteten wir exemp-larisch an Phil 2 in den Lobpreis des einzigen Gottes gleichsam miteinbezogen, was eine tiefgreifende Transformation des Betens in der christlichen Tradition zur Folge hatte. Per Christum in Deum so lautet fortan die Formel, die Grund und Richtung die-ses Betens bezeichnet74. Fragen wir nach den Grnden der sich hier vollziehenden Transformation, lsst sich im Rckblick auf die bisherigen Ausfhrungen vereinfacht sagen: Jesus wurde als der Ort geglaubt, an dem Gott sich selbst unberbietbar zu erfahren gibt und an dem er auch angebetet werden will (vgl. Joh 4,2026)75.Wer nach der Legitimitt dieses christlichen Bekenntnisses fragt, begibt sich auf ein schwieriges Feld. Woran sollte er sie messen? An der inneren Glaubwrdigkeit des Osterbekenntnisses? An allgemeinen Einsichten in die Evolution des biblischen Got-tesbildes, das in der Erhhung Jesu zu Gott seine entscheidende Mutation erfhrt (G. Theien)76? Oder an den Darstellungen der Vita des irdischen Jesus durch die Evan-gelisten, die aber selbst vom christlichen Bekenntnis geprgt sind? Genau hier kommt die Rckfrage nach dem historischen Jesus ins Spiel77, die zwar auch aus der Perspektive des Glaubens heraus betrieben wird, deren konkrete Durchfhrung aber den Postula-ten und Kriterien der historischen Vernunft gehorcht, gegenber denen sie rechen-

    | Theien, Religion (s. Anm. ) : Mit den synoptischen Evangelien hatte sich das Urchristentum eine eigene Zei-chenwelt mit einem eigenen Zentrum geschaffen. Im JohEv wurde es sich dessen bewusst; vgl. ebd. : Diese Reflexivitt zeigt sich in der Selbstreferenz der zentralen Aussagen des Offenbarers, in der betonten Abgrenzung von der Umwelt als einer fremden Auenwelt und im Bewusstsein der Notwendigkeit, dass die neue Zeichenwelt fr ihre Erhaltung aus ihrem eigenen Zentrum heraus sorgen muss.

    | Schrage, Einheit (s. Anm. ) mit Anm. (Lit.). | Vgl. Theobald, Joh I (s. Anm. ) . | G. Theien, Biblischer Glaube in evolutionrer Sicht, Mnchen . | Zur terminologischen Differenzierung zwischen den Bezeichnungen Irdischer und historischer Jesus vgl.

    M. Wolter, Was macht die historische Frage nach Jesus von Nazareth zu einer theologischen Frage?, in: U. Busse M. Reichardt M. Theobald (Hg.), Erinnerung an Jesus. Kontinuitt und Diskontinuitt in der neutestamentlichen berlieferung (FS R. Hoppe) (BBB ), Gttingen , ; O. Hofius, Die Frage nach dem historischen Jesus als theologisches Problem, in: H. Assel (Hg.), Leidenschaft fr die Theologie, Leipzig , , .

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    schaftspflichtig ist78. Deshalb sind auch ihre Ergebnisse prinzipiell revidierbar und fragmentarisch und knnen nicht die Glaubensgewissheit erzeugen, die dem Glauben selbst als einem Akt absoluten Vertrauens eignet. Was der historisch-kritische Diskurs im besten Fall leistet und darin besteht seine unersetzliche fundamentaltheologische Funktion , ist der Aufweis, dass die rekonstruierbaren Zge der Verkndigung Jesu nicht im Widerspruch zum sterlichen Glauben an ihn stehen, diesen also nicht verei-teln, sondern im Gegenteil fr seine Deutung offen sind79. Aus einem historisch rekon-struierten Bild Jesu wird der nachsterliche Glaube an ihn also nie abgeleitet oder durch ein solches Bild abgesichert; nichts kann ihm das Wagnis, das er selbst ist, abnehmen, auch nicht die historische Kritik. Dennoch ist diese als der zeitgeme Ver-such, sich vor der historischen Vernunft zu verantworten, fr den Glauben unerlss-lich zumal, wenn deutlich werden sollte, dass zwischen ihm und Jesu eigenem Ver-stndnis Entsprechungen bestehen80.

    4.1 Die anstehende Frage

    Lenken wir den Blick noch einmal auf Ps 110 und seine neutestamentliche Rezeption, die zum Urgestein der berlieferung gehrt. Sie zeigt, wie das Bekenntnis zur sterli-chen Inthronisation Jesu zum messianischen Knig und Reprsentanten Gottes ihn in dessen Knigsherrschaft unmittelbar einbezieht81. Vielleicht ist diese Inter-pretation des Psalms historisch betrachtet auch eines der ersten Echos auf Jesu ei-

    | Trotz jngster, sehr unterschiedlich begrndeter Verdikte drfte die Frage nach dem historischen Jesus unver-meidlich sein, was hier nicht weiter begrndet werden kann; anders R. Zimmermann, Geschichtstheorien und Neues Testament. Gedchtnis, Diskurs, Kultur und Narration in der historiographischen Diskussion, in: EChr ( ) , Anm. u..; Hofius, Frage (s. Anm. ); D. Du Toit, Die methodischen Grundlagen der Jesusfor-schung. Entstehung, Struktur, Wandlungen, Perspektiven, in: MThZ ( ) ; K. Wengst, Der wirkliche Je-sus? Eine Streitschrift ber historisch wenig ergiebige und theologisch sinnlose Suche nach dem historischen Jesus, Stuttgart .

    | Die so bestimmte Fragestellung sehe ich als ein tertium ber die von Hofius, Frage (s. Anm. ) erffnete Alterna-tive hinaus, dass eine Rekonstruktion des historischen Jesus entweder unter dem Vorzeichen einer kritischen Di-stanzierung vom neutestamentlichen Christuszeugnis geschehen kann oder in der Absicht, einen inneren sachlichen Konnex zwischen ihm und Jesus selbst nachzuweisen ( ).

    | M. Theobald, Exegese als theologische Basiswissenschaft. Erwgungen zum interdisziplinren Selbstverstndnis neutestamentlicher Exegese, in: JBTh ( ) . Vgl. E. Ksemann, Das Problem des historischen Jesus, in: ders., Exegetische Versuche und Besinnungen. Erster Band, Gttingen , , : Worum es mir geht, ist der Aufweis, dass aus dem Dunkel der Historie Jesu charakteristische Zge seiner Verkndigung verhltnismig scharf erkennbar heraustreten []. Die Frage nach dem historischen Jesus ist legitim die Frage nach der Kontinui-tt des Evangeliums in der Diskontinuitt der Zeiten und in der Variation des Kerygmas; zur jngeren Geschichte der Frage: A. Lindemann, Zur Einfhrung: Die Frage nach dem historischen Jesus als historisches und theologisches Problem, in: U.H. J. Krtner (Hg.), Jesus im . Jahrhundert. Bultmanns Jesusbuch und die heutige Jesusforschung, Neukirchen-Vluyn , .

    | Vgl. auch die neutestamentliche Rezeption der anderen Knigspsalmen, insbesondere Ps , die wohl sehr zeitig erfolgte: vgl. Rm , f.

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    gene Botschaft vom Anbruch der Knigsherrschaft Gottes. Die Frage der histori-schen Jesus-Forschung lautet deshalb: Lsst sich an authentischen Worten Jesu aufzeigen, dass er als der eschatologische Bote der Knigsherrschaft Gottes in diese Botschaft selbst hineingehrt? Bestehen Entsprechungen zwischen seiner Art der Kundgabe der Knigsherrschaft Gottes und der sterlichen Interpretation von Ps 110?

    4.2 Das Zsurbewusstsein Jesu und was es impliziert

    Die wenigen hier mglichen Hinweise seien unter das Stichwort Zsurbewusstsein Jesu82 gestellt, das sein Zeit-Verstndnis auf den Punkt bringt: Jesus wei vom An-bruch einer neuen Zeit, nicht lediglich einer weiteren Epoche in der Geschichte, son-dern von deren Ende. Es geht um den Anbruch der eschatologischen Knigsherr-schaft Gottes (vgl. Q 10,9 par. Mk 1,15), die er mit seiner Person verbindet, ohne dass er die eigene Rolle darin in Gestalt eines Titels versprachlicht htte83. Das Stichwort

    | Vgl. F. Muner, Jesus von Nazareth im Umfeld Israels und der Urkirche. Gesammelte Aufstze (hg. von M. Theobald) (WUNT ), Tbingen .

    | Von den mglichen Titeln Messias, Sohn Gottes, Herr kommt fr ihn nur der des Menschensohns in Frage, der auch als einziger in Jesus-Worten breit belegt ist; in welcher Bedeutung und in welcher Funktion er ihn benutzt haben knnte, ist bis heute umstritten. Q , f. (die Parallele Mk , bietet eine berlieferungsgeschichtlich jn-gere Gestalt) spielt nach wie vor eine entscheidende Rolle. Dass hier Jesus eine von ihm verschiedene himmlische Gestalt im Blick hatte, bleibt eine plausible Mglichkeit; so meint etwa F. Hahn, Theologie des Neuen Testaments, Bd. I.: Die Vielfalt des Neuen Testaments. Theologiegeschichte des Urchristentums, Tbingen , : Hier iden-tifiziert sich Jesus nicht mit dem Menschensohn, sondern spricht die berzeugung aus, dass der himmlische Men-schensohn als Richter diejenigen anerkennen wird, die sich auf Erden zu seiner Person bekennen. Sein Wirken hat somit eine fr das Endgericht relevante Funktion, und zwar in dem Sinn, dass seine Heilsvermittlung dort besttigt wird. Hier liegt zwar keine explizite Aussage ber Jesu Stellung und Funktion vor, aber zweifellos eine deutliche Aussage ber die Gltigkeit seines Auftrags und seines Anspruchs. Allerdings zielt die Rede vom Sich-Bekennen des Menschensohns vor den Engeln nicht zwangslufig auf eine Richterrolle, sondern kann auch im Sinne einer endgerichtlichen Zeugenfunktion verstanden werden, so U. B. Mller, Jesus als der Menschensohn, in: D. Snger (Hg.), Gottessohn und Menschensohn. Exegetische Studien zu zwei Paradigmen biblischer Intertextualitt [BThSt

    ], Neukirchen-Vluyn , , f.; das liee sich bezogen auf Jesus selbst in die frhjdische Tradition einer Beteiligung der Gerechten am Endgericht einstellen, so M. Konradt, Stellt der Vollmachtsanspruch des histo-rischen Jesus eine Gestalt vorsterlicher Christologie dar?, in: ZThK ( ) , (ebd. Anm. ver-weist er u. a. auf die Zeugenfunktion der Knigin von Saba und der Niniviten in Q , f.). Versteht man es so, spricht die begegnende eschatologische Vorstellung deutlich fr Authentizitt, denn in der nachsterlichen Chris-tologie wurde Jesus, der Menschensohn, in der Funktion des Richters gesehen (ebd.). Zu bercksichtigen ist dabei auch die Frage, ob nicht schon der Tufer einen himmlischen Menschensohn in der Funktion des Richters erwar-tete, ohne dass sich freilich die Bezeichnung Menschensohn in seinen Worten belegen liee; vgl. Q , b- : Ich taufe euch in Wasser; der nach mir kommt, ist jedoch strker als ich. Ich bin nicht wrdig, ihm seine Sandalen zu tragen. Er selbst wird euch in heiligem Geist und Feuer taufen. Seine Schaufel ist in seiner Hand, und er wird seinen Dreschplatz subern und den Weizen in seine Scheune einsammeln (), die Spreu aber wird er in unauslsch-lichem Feuer verbrennen (P. Hoffmann C. Heil, Die Spruchquelle Q. Studienausgabe. Griechisch und Deutsch, Darmstadt Leuven , f.). Die nach wie vor schwierige Alternative wre, die Bildrede vom Nach mir Kom-menden auf Gott selbst zu beziehen.

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    Zsurbewusstsein macht aber auf entsprechende Implikationen aufmerksam, die ahnen lassen, dass die Frage Wer ist denn dieser? (vgl. Mk 4,41) von Anfang an im Raum stand84. Biographische Bedeutung besitzt das Wort vom Satanssturz (Lk 10,18b.20c.d)85. Jesus spricht von einer ihm gewhrten Vision als Schlsselerfahrung86, die sein Gottes-bild, das zunchst von der Gerichtsbotschaft des Johannes bestimmt war, radikal ver-ndert haben muss:

    Ich habe den Satan wie einen Blitz aus dem Himmel fallen sehen [].Freut euch, dass eure Namen in den Himmeln verzeichnet sind.

    Gott hat Satan, der schon immer die Menschen verklagte, aus seinem Thronsaal ge-worfen. Er ist zum Heil seines Volkes definitiv entschlossen. Jesus sah sozusagen die Auenseite dieser tiefgreifenden Vernderung auf Seiten Gottes: den Sturz des Satans aus dem Himmel (vgl. Joh 12,31; Offb 12,9). Die Menschen, denen er seine Einsicht an-vertraut, sollen sich freuen, denn jetzt sind ihre Namen unauslschlich in den Bchern des Himmels verzeichnet. Die Konsequenz aus dieser Vision sind seine Exorzismen. Sie zeigen, dass der Starke gebunden ist und die von den Dmonen Geknechteten freigeben muss (Mk 3,27)87:

    | G. Lohfink, Jesus von Nazaret Was er wollte, wer er war, Freiburg , : Jesu radikale Proklamation der Got-tesherrschaft enthlt eine implizite Christologie; hnlich Hahn, Theologie I (s. Anm. ) ; anders und angesichts notwendiger Selbstbeschrnkung der historischen Rckfrage auch zutreffend - urteilt Konradt, Voll-machtsanspruch (s. Anm. ), wenn er einerseits daran festhlt, dass die nachsterliche Christologie nicht denk-bar (ist) ohne den Hoheitsanspruch des historischen Jesus, andererseits aber die neue Qualitt der Aussagen ber Jesus nach Ostern herausarbeitet, woraus nach ihm folgt: Den Vollmachtsanspruch Jesu als eine Gestalt vorsterlicher Christologie zu klassifizieren oder auch Jesu eschatologisches Vollmachtsbewusstsein als implizite Christologie zu titulieren, tendierte dahin, diese Differenz zwischen dem historischen Jesus und der Christusver-kndigung zu nivellieren. Um begrifflicher und sachlicher Klarheit willen ist es vom neutestamentlichen Zeugnis her m. E. angeraten, auf die Rede von einer Gestalt vorsterlicher Christologie zu verzichten ( ); hnlich L. Ober-linner, Jesu Anspruch in Botschaft und Wirken Merkmale einer impliziten Christologie?, in: MThZ ( )

    . | M. Theobald, Ich sah den Satan aus dem Himmel strzen . berlieferungskritische Beobachtungen zu Lk ,

    ( ), in: ders., Jesus, Kirche und das Heil der Anderen (SBAB.NT ), Stuttgart , . | M. Ebner, Jesus von Nazaret in seiner Zeit. Sozialgeschichtliche Zugnge (SBS ), Stuttgart , . | Vgl. auch das Wort vom Einbrecher Lk , : Wenn der Herr des Hauses gewusst htte, in welcher Stunde der Dieb

    kommt, htte er verhindert, dass in sein Haus eingebrochen wird. So Lohfink, Jesus (s. Anm. ) , im Anschluss an ltere Ausleger (Ch. H. Dodd etc): Im Unterschied zur Deutung dieses Wortes auf die Wiederkunft Christi bei Lukas (und Matthus) blickt Jesus in diesem Wort zurck auf einen Einbruch, der bereits stattgefunden hat. Das Gleichnis berichtet von einem Einbruch, der geglckt ist. Dieser geglckte Einbruch wre dann das Kommen der Gottesherrschaft, und der Text wrde sagen: Die Gottesherrschaft ist schon gekommen. Sie ist schon da. Es ist schon passiert; ebd. f.: Das Gleichnis vom Einbrecher, der in der Stille der Nacht kommt, ist ein Siegesruf. Je-sus ist eingebrochen in die Leitbilder, in die Selbsttuschungen und Zwnge der gottfernen Gesellschaft.

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    Wenn ich aber durch den Finger Gottes die Dmonen austreibe,so ist die Knigsherrschaft Gottes schon zu euch gekommen (Q 11,20)88.

    Der Anbruch der Knigsherrschaft Gottes war aus der Sicht Jesu also auch leiblich zu erfahren, vor allem in Exorzismen und Krankenheilungen, aber auch bei seinen Mhlern mit Sndern und Zllnern. Fasten war nicht angesagt, es galt Hochzeit zu feiern, Bild fr den Anbruch der Knigsherrschaft Gottes (vgl. Mk 2,19). So lie das Neue sich hren, aber auch sehen, wie Jesus in Q 10,23f. zum Ausdruck bringt:

    Selig die Augen, die sehen, was ihr seht Denn ich sage euch: Viele Propheten und Knige wnschten zu sehen, was ihr seht und sahen es nicht, und zu hren, was ihr hrt und hrten es nicht.

    Deutlicher als hier spricht sich Jesu Zsurbewusstsein nirgends aus89. Was jetzt zu hren und zu sehen ist, das lsst die Zeiten der Erwartung in Israel hinter sich. Jesus, der das Volk im Zeichen des Anbruchs der Knigsherrschaft Gottes sammeln will90, geht es dabei vor allem um die religis Ausgegrenzten, die Snder, mit denen er Mahl hlt, aber auch die Armen, denen er das Heil vorbehaltlos zusagt, wie seine Se-ligpreisungen Q 6,20f. eindrucksvoll zeigen91:

    Selig ihr Armen,denn euch gehrt die Knigsherrschaft Gottes.Selig ihr Hungernden,

    | Hoffmann Heil, Spruchquelle f. (s. Anm. ) (danach auch die folgenden Worte). Stegemann, Jesus (s. Anm. ), , meint, dass die Authentizitt des Logions nicht ber alle Zweifel erhaben sei; allerdings hngt das prsen-

    tische Verstndnis der Basileia durch Jesus keineswegs an ihm als proof text; wichtiger sind Worte wie Q , f. oder Lk , b. c.d.

    | Vgl. aber auch das dunkle Wort Q , : Das Gesetz und die Propheten sind bis Johannes. Von da an leidet die K-nigsherrschaft Gottes Gewalt (setzt sich die Knigsherrschaft Gottes gewaltsam durch), und Gewalttter rauben sie (Hoffmann Heil, Spruchquelle [s. Anm. ] f.)

    | Vgl. Mt , /Lk , : Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut. Vgl. Ez , (vgl. auch , ; , ): So spricht Gott, der Herr: Ich fhre euch aus allen Vlkern zusammen, sammle euch aus den Lndern, in die ihr zerstreut seid, und gebe euch das Land Israel []. Vgl. auch PsSal , : und er (sc. der kommende Sohn Davids) wird ein heiliges Volk versammeln (), das er fhren wird in Gerechtigkeit. Nicht bersehen werden sollten auch Q , (vom Tun des zuknftigen Richters: vgl. oben Anm. ) sowie Mk , (vom Menschensohn: er wird seine Auserwhlten versammeln []).

    | Vgl. auch Mt , f.: Blinde sehen, Lahme gehen, Ausstzige werden rein, Taube hren, Tote werden auferweckt, Armen wird die frohe Botschaft verkndet. Und selig, wer an mir keinen Ansto nimmt. Vgl. Jes , f.; , f.;

    , ; , .

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    denn ihr werdet gesttigt werden.Selig ihr Trauernden,denn ihr werdet getrstet werden.

    Dass er Heil proklamiert, schliet ein, dass er die Menschen zur Entscheidung92 fr seine Botschaft ruft, um sie in die Dynamik der hereinbrechenden Knigsherrschaft hineinzunehmen, sie unter ihrem Vorzeichen zu sammeln. Entscheidung setzt Ein-sicht in den Ernst der Stunde voraus, weshalb Jesus auch vom Gericht spricht, das mit dem Vollanbruch der Knigsherrschaft Gottes einhergehen wird. Wer sich jetzt ver-weigert, wird dereinst vom eschatologischen Mahl mit Abraham, Isaak und Jakob aus-geschlossen sein (Lk 13,28f. par. Mt 8,11f.).Schon diese wenigen Hinweise zeigen, dass die Botschaft nicht ohne den Boten zu verstehen ist. Aber dessen Rolle genauer zu bestimmen, bleibt schwierig. Vom Phno-typ her war Jesus gewiss kein Schriftgelehrter, der um die Auslegung der Tora fr seine Zeit rang93, viel eher ein Prophet, der vollmchtig die Zeit ansagte94, ein Exorzist und Krankenheiler95, ein Weisheitslehrer, der prgnante Sprche formte, und denken wir an seine Gleichnisse ein sprachbegabter Dichter. Dies alles war er, aber er ging in keiner dieser Rollen auf entsprechend dem Wort: Hier ist mehr als Salomo hier ist mehr als Jona (Lk 12,31f. par. Mt 12,41f.). Die Botenspruchformel der biblischen Pro-pheten, die ihr Wort als Gottesspruch ausweist, war ihm fremd; er sprach in eigener Vollmacht: Amen, ich sage euch96. In die Dynamik der von ihm angesagten Knigs-herrschaft Gottes nahm er seine Jnger mit hinein, indem er sie an seiner Vollmacht, Dmonen auszutreiben und Kranke zu heilen, teilhaben lie (Mk 6,7.13; Mt 10,8; Lk 10,9). Halten wir fest: Jesus brachte in Wort und Tat seinen Gott, den er Abba Vater nannte, in einer so definitiven und vollmchtigen Weise zur Sprache, dass dies unmit-

    | Vgl. vor allem Lk , , par. Mt , . : Meint ihr, dass ich gekommen bin, Frieden auf die Erde zu werfen? Ich bin nicht gekommen, Frieden zu werfen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen zu entzweien: den Sohn gegen den Vater und die Tochter gegen ihre Mutter und die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter.

    | Vgl. allerdings die Anrede mit Rabbi: C. Hezser, The social Structure of Rabbinic Movement in Roman Palestine (TSAJ ), Tbingen , .

    | Matrix der drei Seligpreisungen Q , f. ist wahrscheinlich Jes , f., das heit: eine prophetische Selbstaussage. | Im Unterschied zu jdischen Heilern scheint Jesus seine Machttaten wohl weniger kraft Bittgebet an seinen Gott,

    sondern unter Heilgesten und Heilworten vollzogen zu haben (wobei die Bedeutung letzterer in der berliefe-rungsgeschichte zweifellos verstrkt wurde, um Jesus vor dem Verdacht eines Magiers in Schutz zu nehmen); ein Gebet um Heilung ist vielleicht in Joh , f. aufbewahrt (vgl. Theobald, Joh I [s. Anm. ] f.)

    | Zu Mt , : Warum seid ihr hinausgezogen? Um einen Propheten zu sehen? Wahrhaftig, ich sage euch: Weit mehr als einen Propheten [habt ihr gesehen]! fhrt Lohfink, Jesus (s. Anm. ) , aus: Wenn bereits der Tufer mit dem Begriff Prophet nicht zu fassen ist, dann gilt dies drfen wir schlieen erst recht fr Jesus. Und so muss es auch Jesus selbst gesehen haben. Ebd. zu Lk , : Ausgeschlossen, dass sich Jesus angesichts dieses Wortes in die Zeit der Propheten beziehungsweise in den Phnotyp des Propheten eingeordnet htte! Dem entspricht dann auch auf das Genaueste das Hier ist mehr als Jona Hier ist mehr als Salomo! von Matthus

    , .

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  • Haben die Christen Jesus nach Ostern vergttlicht? 319

    telbar vor das Geheimnis seiner Person fhrt. Wenn wir sagen, er beanspruchte eine ganz erstaunliche Nhe zu Gott, dann ldt dieses Urteil gerade in seiner Offenheit zu seiner nachsterlichen Explikation ein. So drfte es nicht zu gewagt sein, von Ent-sprechungen zwischen seiner Weise der Kundgabe der Knigsherrschaft Gottes und dem nachsterlichen Bekenntnis zu ihm als ihrem eschatologischen Reprsen-tanten zu sprechen, ohne damit behaupten zu wollen oder zu knnen, dieses folge notwendigerweise aus jenem97.

    5. Resmee

    Auf die eingangs gestellte Frage, ob die frhen Christen Jesus vergttlicht haben, sind zwei Antworten mglich. Die erste lautet: Die religionswissenschaftliche Katego-rie der Vergttlichung, die suggeriert, man habe aus Jesus etwas gemacht, was er ursprnglich nicht war, eignet sich weder zur Beschreibung des sterlichen Bekennt-nisses98 noch zur Charakterisierung der spteren Jesusbilder in den Evangelien. Jesu Mensch-Sein wurde diesem Bekenntnis zufolge nicht durch Ostern von einem Gott-Gleich-Werden verschlungen, auch fhrte dieses nicht dazu, das Mensch-Sein des ir-dischen Jesus nicht mehr ernst zu nehmen99. Jesu auerordentliche Nhe zu seinem Gott bzw. die Nhe Gottes zu ihm, die die neutestamentliche Christologie nicht aus Gottes nachtrglicher Identifikation mit ihm herleitet, sondern als ursprungshaft be-hauptet, verlangt nach anderen Beschreibungskategorien, die sie vor allem mit der Pr-dikation Sohn Gottes liefert. Diese Prdikation das Herzstck jeglicher Christolo-gie, das selbst eine Geschichte hinter sich hat bedarf indessen stets neuer Auslegung, die zuletzt an der metaphorischen Tiefe des Sprachspiels Vater und Sohn Ma zu nehmen hat. Wenn die historisch-kritische Jesusforschung die Nhe Jesu zu Gott aus seinen Worten und Taten selbst zu erheben wei, ist das fr die Legitimitt der ausge-bildeten Sohnes-Prdikation als Erschlieungskategorie seines Person-Geheimnisses

    | Wenn Hofius, Frage (s. Anm. ) , urteilt: [] selbst wenn etwa konstatiert wird, dass Jesus beansprucht, in einzigartiger Vollmacht als Stellvertreter Gottes zu reden und zu handeln oder der eschatologische Heilsbringer zu sein, dann ist solches durchaus auch bei einem anderen Menschen vorstellbar, und hier ber die Wahrheit entschei-den zu wollen, wrde die Kompetenz des Historikers bersteigen, dann ist dem unbedingt zuzustimmen. Gerade die unaufhebbare Ambivalenz und Strittigkeit des Historischen, die auch eine andere, nmlich rein menschliche Deutung Jesu, z. B. als eschatologischer Prophet, erlaubt, ist eine wesentliche Voraussetzung dafr, z. B. jdischen Deutungen der Gestalt Jesu Respekt zollen zu knnen.

    | Hahn, Theologie II (s. Anm. ) : es ist abwegig, von einer Vergttlichung Jesu zu sprechen, die sich in unmit-telbar nachsterlicher Zeit vollzogen habe (gegen Theissen, Religion); ebenso Lohfink, Jesus (s. Anm. ) .

    | Das bleibende Mensch-Sein Jesu artikuliert das NT desfteren: vgl. Rm , (der eine Mensch Jesus Christus); vgl. auch Rm , ; Kor , ; Tim , (der Mensch Jesus Christus); auerdem Joh , (siehe der Mensch!). Hahn, Theologie II (s. Anm. ) : Fr das vom Alten Testament geprgte urchristliche Denken war die klare Unterscheidung zwischen Gott und Welt, Gott und Mensch selbstverstndlich. Unter dieser Voraussetzung geht es in der Urchristenheit um das uneingeschrnkte Menschsein Jesu.

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  • 320 Michael Theobald

    nicht unwichtig. Sie verdankt sich zwar erst nachsterlicher Reflexion, ist deshalb dem historischen Jesus aber nicht aufgesetzt, sondern darf als angemessene Leitkategorie behauptet werden. Die zweite Antwort bezieht die Erfolgsgeschichte des Christus-Bekenntnisses mit ein, auf die der religionswissenschaftliche Vergleich mit hellenistischen Ideen von Gttern, die zu den Menschen auf Erden herabsteigen und sie besuchen (vgl. Apg 14,11), oder von bedeutenden Menschen, die nach ihrem Tod in den Gtterhimmel aufgenom-men werden, Licht werfen kann. Auch wenn sich die neutestamentlichen Sprachspiele wie das Schema von Abstieg und Aufstieg des Retters oder der Inkarnation des Wortes Gottes in Jesus Christus vornehmlich frhjdischen Weisheits- und Logos-Vorstellun-gen verdanken, bleibt doch die Frage, wie es dazu kam, dass das christologische Be-kenntnis sich in der griechisch-rmischen Welt so schnell verbreiten und Akzeptanz finden konnte. Mglicherweise hngt das mit der Affinitt zu spezifisch hellenisti-schen Vorstellungen zusammen, die auf die Ausbildung der auf jdischem Boden ge-wachsenen neutestamentlichen Christologie sekundr einwirkten. Christus und die antiken Wundertter, Christus und Dionysos, Christus und die Csaren es gab gen-gend Konkurrenten, die berboten und konterkariert werden mussten. Derartige Be-gegnungen lassen sich als Inkulturation des Glaubens nach dem Muster Anknpfung und Widerspruch beschreiben, am Ursprung der neutestamentlichen Christologie stan-den sie aber nicht.

    Summary

    The article treats the question of whether the religious-studies category of the divini-zation of exceptional people heroes, miracle-working charismatics, emperors, and kings before or after their deaths is compatible with the early Christian formation of faith. For this purpose the