Haben wir eine Gesetzesinflation · 2018. 12. 30. · Erlaas 1894-1904. 1905-1914. 1915-1918....
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Haben wir eine Gesetzesinflation ? Ein Versuch zur statistischen Prüfung von Gesetzessammlungen
Von Dr. Anton Moser Adjunkt am Statistischen Bureau des Kantons Bern
Der freiheitliche Geist in unserem Volke erstirbt glücklicherweise nicht. Nach den Prüfungen der Kriegszeit erwachte er von neuem und forderte gebieterisch den Abbau der staatlichen Überwachung, Bevormundung und Bewirtschaftung auf Grund des blossen Vollmachtenrechts. Man verwies auf die Paragraphenflut der Kriegszeit und auf die grosse Produktion von Gesetzen. In politischen Flugschriften findet sich oft ein solcher Hinweis, und letzthin wurde auf Äusserungen zweier Staatsrechtslehrer verwiesen.
Prof. Z. Giacometti spreche, heisst es in einer solchen Kampfschrift, von der «Gesetzesinflation am laufenden Band» und er präge das Wort: «Wo das Recht schwach wird, türmt sich das Gesetz.» Von Prof. W. Kägi in Zürich wird zitiert: «Wir wissen, dass diese Gesetzesinflation nicht der Ausdruck eines kräftig pulsierenden Rechtslebens, sondern ein Krankheitszeichen, ja eine Gefahr für Recht und Freiheit darstellt.» Ahnliches lesen wir häufig in der Tagespresse, z. B. im Berner «Bund», Nr. 208 vom 3. Mai 1952, unter dem Titel «Wirtschaftspolitische Fehlentwicklungen».
Diese Äusserungen beziehen sich mehr auf die Gesetzgebung des Bundes. Wenn aber dort eine Gesetzesinflation bestände, so müsste sie sich notwendig auch auf kantonalem Boden zeigen. Die Kantone sind es ja, welche die Bundesvorschriften zum guten Teil reglementierend durchzuführen haben. Die Bedeutung der Bundesgesetzgebung wuchs seit Jahrzehnten; ob aber auf Bundesboden deswegen von einer «Gesetzesinflation» gesprochen werden kann, ist eine besondere Frage, die wir hier nicht untersuchen. Wir beschränken uns auf die Verhältnisse eines einzigen Kantons und möchten damit den Nachweis liefern, dass die «Gesetzesproduktion» ihrem Umfange nach zahlenmässig untersucht werden kann. Die Statistik vermag hier zu einem nüchternen Urteil zu führen, und hoffentlich werden bald ähnliche Forschungen in andern Kantonen und beim Bunde folgen.
Innerhalb des Kantons Bern ist eine Prüfung leicht zu bewerkstelligen und wir versuchen sie durch dreierlei Nachzählungen. Erstens gibt die Statistik der Volksabstimmungen Auskunft, ob eine «Gesetzesinflation» besteht. Zweitens können wir die Erlasse aller Art zählen, die in den jährlichen Gesetzesbänden erscheinen. Es muss erlaubt sein, ihren Umfang dadurch einigermassen zu charakterisieren und zu messen, dass wir die Paragraphen- oder Ziffernzahl jedes Erlasses feststellen. Zum Schlüsse werden wir drittens Nachzählungen in der Gesamtausgabe der 1900 und 1940 gültigen Erlasse, also in den eigentlichen Gesetzessammlungen, vornehmen.
I. Die Zahl der Volksabstimmungen
Der Kanton Bern eignet sich für unsere Untersuchung, weil er während den beiden Kriegszeiten keinerlei Vollmachtenrecht von sich aus geschaffen hat. Die Gesetz-
Haben wir eine Gesetzesinflation? 251
gebung ging immer absolut verfassungsmässig vor sich. Da der Kanton Bern jedes Gesetz dem Volke unterbreitet, kann uns die Zahl der Sachvorlagen (inklusive die Volksinitiativen) einen ersten Anhaltspunkt über das Bestehen einer Gesetzesinflation geben. Wir wählen als Ausgangspunkt 1894, das erste ganze Kalenderjahr unter der neuen Kantonsverfassung. Wir finden folgende Zahl der Abstimmungen je Jahrfünft:
Die kantonalen Sachvorlagen
Jahre
1894^1898 1899-1903 1904^1908 1909-1913 1914^1918 1919-1923 1924-1928 1929-1933 1934-1938 1939-1943 1944-1948 1949-1951
Total
23 16 19 17 17 23 17 16 23 18 26 15
230
Davon
abgelehnt angenommen
11 4 2 3 4 4 5 2 1 1 5 4
46
12 12 17 14 13 19 12 14 22 17 21 11
184
Angenommen pro Jahr
2,4 2,4 3,4 2,8 2,6 3,8 2,4 2,8 4,4 3,4 4,2 2,2
3,2
Dem Bernervolk wurden innert 58 Jahren insgesamt 230 kantonale Vorlagen unterbreitet. Ihre Zahl pro Jahr (durchschnittlich 3,97) war auffallend gleichmässig. Es gab 3 bis 4, selten 5 Gesetze oder Initiativbegehren. Das letzte Nachkriegsjahrfünft 1944-1948 zeigt die höchste Zahl von 26 Vorlagen oder 5,2 pro Jahr, und 1949-1951 trifft es noch 5 Vorlagen pro Jahr.
Betrachten wir aber nicht Durchschnitte, sondern einzelne Jahre. Die Jahre 1947 und 1948 halten einen Rekord von je 8 kantonalen Volksabstimmungen. Das war aber schon 1921 der Fall sowie 1909. .Anno 1896 wurde der Bürger sogar neunmal zur Urne gerufen. Sechs- oder siebenmal kam dies nur 1949, dann 1937 und 1938, 1922, 1918 und 1914 vor. Es ist also nicht so, dass wir neuerdings besonders zahlreiche Gänge zur Urne haben. Früher gab es zeitweise deren bedeutend mehr.
Vor allem aber: die verworfenen Vorlagen zählen nicht und verursachen keine Gesetzesinflation. Angenommene Volksbeschlüsse gab es nach obenstehender Tabelle 2,2 bis 4,4 durchschnittlich pro Jahr. Nach Abzahlung der 46 Verwerfungen (20%) blieben 184 Annahmen oder 3,17 pro Jahr. Am meisten angenommene Gesetze und Beschlüsse (letztere oft kurze Kreditbewilligungen) gab es 1904-1908, dann 1919-1923 und 1934-1938 sowie 1944-1948. In den Kriegsjahren und ab 1949 war die Zahl der produzierten Gesetze nicht besonders hoch. Für 1949-1951 fiel die Produktion auf 2,2 Gesetze und Beschlüsse pro Jahr, also unter den Durchschnitt.
Zweieinhalb bis vier neue Gesetze und Volksbeschlüsse im Durchschnitt pro Jahr sind für einen Kanton von der Grösse Berns nicht übertrieben. In den letzten Jahren hat nochmals ein Abbau stattgefunden. Von einer Gesetzesinflation findet sich im Kanton Bern keine Spur.
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I I . Umfang der jährl ichen Gesetzesproduktion durch das Volk
In den jährlich erscheinenden Gesetzesbänden lässt sich die Zahl der Beschlüsse mit Gesetzeskraft, aber auch der Umfang dieser Produktion, ihre Paragraphenzahl, feststellen. Wie gross ist denn die «Paragraphenflut» im Kanton Bern? Es bestätigt sich das Bi ld 1 , welches uns der Abstimmungskalender vermittelt. Wir fassen die Konjunkturperiode 1894-1904, dann die Vorkriegsjahre, Kriegsjahre, Nachkriegskrise, Aufschwung und die Krisenzeit der Dreissiger jähre usw. zusammen:
Gesetze und Volksbeschlüsse in den Gesetzesbänden
Periode Total Jahre Erlasse
Paragraphen
Pro Jahr
Erlasse Para-
graphen
Paragraphen
pro Erlaas
1894-1904. 1905-1914. 1915-1918. 1919-1924. 1925-1930. 1931-1938. 1939-1945. 1946-1951.
11 10 4 6 6 8 7 6
58
21 32 8
20 13 24 24 27
169
536 1050 651 387 631 417 548 559
1,9 3,2 2,0 3,3 2,2 3,0 3,4 4,5
4779 2,9
49 105 163 65
105 52 78 93
82
26 33 81 19 49 17 23 21
28
Wir sehen hier Ebbe und Flut deutlicher. Sie entsprechen den Erwartungen für die einzelnen Konjunkturperioden. Die Jahre 1894-1904 verzeichnen eine geringe, die Jahre 1905-1914 eine grössere Gesetzesproduktion. Die Kriegsjahre sehen wenige, die Nachkriegsjahre bis 1924 dagegen zahlreiche Gesetze in Kraft treten. Es ist dies eine Folge der Nachkriegskrise und des Nachholbedarfes. Denn 1925-1930, als die Konjunktur sich festigte, gab es weniger neue Gesetze. Die Dreissigerjahre produzierten entsprechend der Krisenlage etwas mehr, aber erst in den letzten Kriegs- und Nachkriegsjahren ging die Produktion wieder höher.
Betrachten wir s tat t der Durchschnitte die konkreten, einzelnen Jahre, so wird das Bild für die jetzige Zeit ungünstiger; die Nachkriegszeit zeigt nicht ganz den erwarteten Abbau der Gesetzesproduktion. Von 1946-1951 wurden je 4 oder 6 Gesetze in die Gesetzesbände aufgenommen. Erst 1951 wurden ähnlich wie in der Vorkriegszeit nur mehr 3 Gesetze publiziert. Eine Rückbildung ist immerhin eingetreten.
Und nun die Frage der «Paragraphenflut»? Es gab total gegen 4800 Gesetzesartikel in 58 Jahren. Das sind 82 pro Jahr oder 28 durchschnittlich pro Gesetz. In den letzten 6 Jahren verzeichnen wir 93 Gesetzesparagraphen pro Jahr. Das ist mehr als im Durchschnitt, wurde aber früher vielfach überboten.
Die Zahl der Gesetzesartikel ist durchaus nicht ins Ungemessene gewachsen. Ihre Zahl je Erlass ist eher kleiner geworden. Eine Paragraphenflut besteht in den bernischen Gesetzen nicht.
Die Anhangtabelle I enthält die jährlichen Zahlen seit 1894.
Haben wir eine Gesetzesinflation ? 253
Eine Gesetzesinflation ist im Kanton Bern unmöglich, weil das Volk sich diese Inflation selbst vom Leibe halten kann und es auch tut, wenn ihm zu viel zugemutet wird. Was auch immer eine Nachzählung in der eidgenössischen Gesetzessammlung ergäbe, der kritische Punkt liegt im Funktionieren (und im früheren Beschneiden) des Referendums.
III . Die jährliche Produktion an Dekreten und Grossratsbeschlüssen
Man hört demgegenüber sagen, das Volk werde vielleicht wirklich nicht mehr von den Gesetzen, sondern von den Dekreten und Verordnungen regiert. Aus blossen, absichtlich kurz gefassten Rahmengesetzen fliesse erst nachher die eigentliche, die gross-rätlich und regierungsrätlich geschaffene Paragraphenflut.
Prüfen wir anhand der jährlichen Gesetzesbände zuerst die «Produktivität» des Grossen Rates unter Einschluss der wenigen Beiträge des Obergerichts. Wir fassen wieder jene oben beschriebenen Zeitperioden zusammen und sehen, dass seit 1894 doch immerbin 766 solcher Erlasse, mehr als das Vierfache der Gesetzeszahl, hervorgebracht wurden, die zusammen 7466 Paragraphen (plus etwa 500 in der untenstehenden Tabelle nicht enthaltene Tarife, Aufzählungen, Anhangstafeln usw.) umfassten. Diese Produktion scheint dennoch nicht übertrieben gross, beläuft sie sich doch durchschnittlich auf rund 13 Dekrete und Beschlüsse zu je 10 Paragraphen pro Jahr.
Dekrete, Grossrats- und Obergerichtsbeschlüsse in den Gesetzesbänden
Periode Total Jahre Erlasse
Paragraphen
Pro Jahr
Erlasse Para
graphen
Paragraphen
pro Erlass
1894-1904, 1905-1914. 1915-1918. 1919-1924. 1925-1930. 1931-1938. 1939-1945. 1946-1951.
11 10 4 6 6 8 7 6
58
123 122
24 106 46 74
117 154
766
1216 1319
394 1531 406 653
1039 908
11,2 12,2
6,0 17,7
7,7 9,3
16,7 25,7
7466 13,2
111 132 99
255 68 82
148 151
129
10 11 16 14 9 9 9 6
10
Die Aufstellung zeigt, dass die Hervorbringung unregelmässig erfolgt, jedoch deutlich in den Kriegsjahren 1939-1945 anstieg, in den Nachkriegsjahren zuerst nochmals stieg und dann nur zögernd zurückging. Man kann gleichwohl nicht von einer Paragraphenflut reden. Die Artikelzahl der Beschlüsse unserer gesetzgebenden Behörde war früher grösser, insbesondere in der Nachkriegskrise von 1919-1924. Damals erblickten über 1500 Artikel (255 pro Jahr) das Licht des Ratsaals. Es waren aber schon 1894-1914 im Jahresdurchschnitt deren 120 gewesen.
Wir kommen zu folgendem Ergebnis: Die Zahl der Beschlüsse und Paragraphen gros8rätlicher Herkunft (eingeschlossen diejenigen des Obergerichts) steht in der
254 Anton Moser
neuesten Nachkriegszeit noch recht hoch. Im Jahre 1950 gab es nur 17,1951 aber wieder 32 Grossratserlasse. Als günstig kann festgehalten werden, dass der Umfang der einzelnen Beschlüsse eher zurückging. Es trifft nur noch 9, bzw. 6 Artikel je Beschluss. Wie die letzte Kolonne obiger Aufstellung zeigt, waren die Dekrete früher umfangreicher.
IV. Die jährliche Produktion regierungsrätlicher Erlasse
Während somit die Tätigkeit des bernischen Grossen Rates nicht eben als eine überbordende Dekretsfabrikation bezeichnet werden kann, erfüllt die Zahl der re-gierungsrätlichen Erlasse (Verordnungen, Réglemente, Tarife, Beschlüsse, welche in die Gesetzesbände aufgenommen werden, jedoch ohne Kreisschreiben) den Bürger da und dort mit Bedenken. Es ist gut, auch hier nicht nur vom Hörensagen zu urteilen, sondern die jährlichen Gesetzesbände nachzusehen. Die Erlasse der Regierung erreichen tatsächlich höhere Zahlen (siehe Tabelle I im Anhang). Unsere Beobachtungsperiode umfasst 1588 Erlasse (das Doppelte der grossrätlichen Produktion) mit 16 137 Paragraphen.
Schon zwischen 1905 und 1912 gab es, ähnlich wie für die Grossratsbeschlüsse, einen Anstieg der publizierten Erlasse. Der erste Weltkrieg sieht wenig entstehen. Hingegen füllen sich in den Nachkriegs-Krisenjahren die Seiten der Gesetzesbände in nie dagewesener Weise. Von 1925-1938 fällt die Produktion jedoch schon ab und gleicht einigermassen derjenigen von vor dem ersten Weltkrieg. Soweit wäre alles gut. Die Kriegszeit von 1939-1945 übertrifft jedoch alle bisherigen Jahre. Die durchschnittliche Jahresproduktion der Regierung erreicht fast 500 Paragraphen!
Erfreulich wirkt, dass diese Flut ab 1946 erheblich und ab 1950 und 1951 stark zurückgeht. Die Regierung hat ihre Produktion stärker abgebaut als der Grosse Rat; es bleibt aber immer noch eine hohe Zahl von Erlassen und Paragraphen übrig. Die verschiedenen Stadien erkennen wir aus der nachfolgenden Tabelle, die wiederum nach den Konjunkturperioden gegliedert wurde.
Regierungserlasse in den Gesetzesbänden
Periode
1894-1904 1905-1914 1915-1918 1919-1924 1925-1930 1931-1938 1939-1945 1946-1951
Total Jahre
11 10 4 6 6 8 7 6
58
Aha
Erlasse
122 214 107 247 147 200 329 222
1588
olut
Paragraphen
1342 2 547 1463 2 165 1503 1817 3 484 1816
16 137
Pro
Erlasse
11,1 21,4 26,8 41,2 24,5 25,0 47,0 37,0
27,4
Jahr
Paragraphen
122 255 366 361 251 227 498 303
278
Paragraphen
pro Erlass
11 12 14 9
10 9
11 8
10
Die Paragraphenzahl umfasst mehr als das Doppelte der grossrätlichen Paragraphenproduktion. Dazu kommen noch 495 Tabellen, Aufzählungen oder anhange-
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weise Verzeichnisse, die Kreisschreiben nicht gezählt. Die Artikelzahl pro Erlass ist im Durchschnitt der beobachteten 58 Jahre gleich gross wie bei der gesetzgebenden Behörde.
Wenn es eine «Inflation» gibt, so handelt es sich nicht um eine Gesetzes- und nicht eimal richtig um eine Dekretsinflation, sondern um eine Vergrösserung der regierungs-rätlichen Produktion.
Immerhin fällt auch hier auf, dass es sich nicht um eine neue Wendung der Dinge handelt. Eine Jahresproduktion von 24 Titeln im Durchschnitt wurde schon seit 1915 nicht mehr unterboten. Die Paragraphenzahl war 1915-1924 höher als in den uns zunächst liegenden sechs Jahren.
Die Produktion8grösse hat offenbar bestimmte wiederkehrende, äussere, vom Willen des Regierungsrates durchaus unabhängige Ursachen. Diesen kommen wir vielleicht näher, wenn wir die Beteiligung der einzelnen Direktionen nachprüfen.
V. Die Beteiligung der Direktionen des Regiernngsrates
Seit dem Jahre 1921 führen die Gesetzesbände die Erlasse nach Direktionen getrennt auf. Dadurch wird im Rückblick auf die letzten 31 Jahre sofort ersichtlich (siehe Anhangtabelle II), welches die grossen Produzenten sind: Volkswirtschaft, Erziehung, Finanz. Jede weist seit 1921 einen Ausstoss von über 1000, die Volkswirtschaft von über 2000 Artikeln auf. Ihnen folgen Forsten und Landwirtschaft, dann erst Polizei, Fürsorge, Sanität und Justiz. Als Zahlenbild ergibt sich für die letzten 31 Jahre:
Regierungsratserlasse nach Direktionen 1921-1951
Abteilung
Präsidial Fürsorge Bauten und Kisenhahn T T . . T T . . . .
Erziehung Finanz Forsten Gemeindewesen Justiz Kirchen Polizei Sanität Volkswirtschaft Landwirtschaft Militär Obergericht
31 Jahre 1921-1951 27 Jahre 1894-1920
Total
i
Erlasse
22 55 82
126 125 65 11 80 23 79 57
219 83 14 4
1045 543
1588
Paragraphen
236 597 434
1245 1085
840 44
533 377 615 565
2 241 777 126 25
9 740 6 397
16 137
Paragraphen pro Jahr
8 19 14 40 35 27 14 17 12 20 18 72 25 4 1
314 237
278
256 Anton Moser
In der ersten Zeithälfte 1894-1920 trifft es durchschnittlich 237 Paragraphen pro Jahr, seither aber deren 314. Die Zahl der regierungsrätlichen Erlasse stieg. Sie machten vor 1921 rund 20, nachher etwa 34 pro Jahr aus. Der Umstand, dass Volkswirtschaft, Erziehung und Finanz, dann aber auch Landwirtschaft (Schulen!) und Forstwirtschaft (Warenverkauf des Staates) am meisten verordnen und reglementieren, verrät, dass die hier festgestellte Paragraphenflut vom Objekt her bedingt ist. Man ist bestrebt, die Rechtsgedanken der Gesetze den tatsächlichen, insbesondere den vielfältigen und wechselnden wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechend zu gestalten. Nicht alles will man ordnen, sondern nur dort Rechte und Pflichten verteilen, wo es nötig ist. Darum wird die Paragraphenzahl grösser, die Erlasse werden häufiger. Man denke an die echten, die geldmässigen Inflationen der beiden Kriegs- und Nachkriegszeiten. Sie verursachten ganze Serien von Teuerungs- und Anpassungsdekreten und Verordnungen. Niemand wird die Regierung deswegen verdammen. Sie zog die Konsequenz aus einer objektiven Entwicklung.
Nicht die Regierungsräte, noch die Beamten machen hier einen Fehler und sind zu tadeln. Nicht das Recht und der Rechtsgedanke sind schwach geworden. Denn nicht deswegen «türmt sich das Gesetz» (lies: Verordnung, Reglement oder Dekret), sondern weil man kompliziert gewordene Wirtschaftsverhältnisse gerecht ordnen will. Die sich vordrängende Bedeutung der wandelbaren, vielfältigen Wirtschaftsbetriebe inmitten einer stark gewachsenen Bevölkerungszahl führte zu einer Verlagerung der Befugnisse. Das Gesetz behält seine frühere Rolle. Dekret und Verordnung nehmen dafür an Zahl und Umfang zu. Diese Verlagerung ist nicht neu und im Kanton Bern besonders ab 1905 deutlich feststellbar.
VI . Die Gesamtproduktion an Erlassen
Die gesamte Produktion der drei Recht setzenden Instanzen seit 1894 umfasst nicht weniger als 2523 Erlasse. Es trifft 43,5 Titel pro Jahresband der Gesetze. Wir zählten darin 28 382 Paragraphen oder Ziffern, oder rund 489 pro Jahr. Ein Erlass enthält durchschnittlich nur 11 Artikel. Dies trotz des Einschlusses der Zivil- und Strafprozessordnung. Das Zahlenbild ist das folgende:
Total der Erlasse aller Instanzen in den Gesetzesbänden
Periode
1894^1904 1905-1914 1915-1918 1919-1924 1925-1930 1931-1938 1939-1945 1946-1951
Total Jahre
11 10 4 6 6 8 7 6
58
Abs
Erlasse
266 368 139 373 206 298 470 403
2523
olut
Para, graphen
3 094 4 916 2 508 4 083 2 540 2 887 5 071 3 283
28 382
Pro
Erlasse
24,2 36,8 34,8 62,2 34,3 37,3 67,1 67,2
43,5
Jahr
Para, graphen
281 492 627 681 423 361 724 547
489
Paragraphen
pro Erlass
12 13 18 11 12 10 11 8
11
Haben wir eine Gesetzesinflation? 257
Der Regierungsrat, bis 1904 durchschnittlich gleich produktiv wie der Grosse Rat, überflügelt diesen seit 1905 durchwegs (siehe Anhangtabelle I). Es ist dies gleichsam der Beginn der wirtschaftlichen Neuzeit. In der ganzen Beobachtungszeit gibt es fast zehnmal mehr regierungsrätliche als Volksbeschlüsse, und die Paragraphenzahl der Regierungserlasse beträgt fast das 3%fache der Gesetzesparagraphen.
Die gesamte Zahl der Erlasse pro Jahr belief sich, wie die obenstehende Tabelle zeigt, in gewöhnlichen Zeiten nur auf 24 bis 37. Die Nachkriegszeit 1919-1924 bringt erstmals 62, die neue Kriegs- und Nachkriegszeit gar 67 Titel pro Jahr zustande. Aber gerade daraus beobachten wir, dass die Produktion für die Not, also für vorübergehende Zwecke und für Anpassungen an den Konjunkturverlauf erfolgt. Deshalb ist es auch die Regierung, welche die meisten neuen Vorschriften zur Welt bringt.
Damit haben wir das Hauptergebnis über die Produktion vor Augen: Vom Kanton her gesehen gibt es keine Inflation der Gesetze und nur eine massige Vermehrung der Zahl der grossrätlichen Erlasse. Die letzteren, zusammen mit den regierungsrätlichen Beschlüssen, sind vorwiegend der differenzierten Ausführung kantonaler und bundesrechtlicher Gesetze gewidmet. Es wird also Sorge getragen, dass nicht über alle Köpfe hinweg legiferiert wird, sondern nur für diejenigen Entgelts- und Berufsverhältnisse, die es angeht. Es ist eine laufende Anpassung nötig, und deshalb erfolgte eine Vermehrung der grossrätlichen und regierungsrätlichen Erlasse und Paragraphen.
Nicht zu vergessen ist die wachsende Bedeutung des Bundes. Vom losen Staatenbund zum Bundesstaat entwickelt, war er zu vermehrter Gesetzgebung berufen. Diese überlässt den Kantonen vielfältige ausführende Arbeiten. So erklärt es sich, dass man im Kanton um so häufiger Dekrete und regierungsrätliche Verordnungen benötigt und dass die kantonalen Gesetze nicht zahlreicher wurden.
VII . Die Aufhebung früherer Vorschriften
Die scheinbar vorhandene kantonale Dekrets- und Verordnungsflut ist aber keine Anhäufung. Betrachten wir die oben angeführten Zahlen, wie sie aus den jährlichen Gesetzeshänden hervorgehen, so fürchtet man unwillkürlich, dass sich eine unübersehbare Menge von Titeln und Paragraphen anhäufe. Wenn es aber wahr ist, dass der Grosse Rat und die Regierung für die tägliche Not und für wandelbare Verhältnisse legi-ferieren, dann wird auch sehr viel des Produzierten rasch ersetzt.
Das ist nun in der Tat der Fall. Der Beweis wird uns leicht gemacht, weil wir glücklicherweise eine amtliche Sammlung der gültigen Gesetze, bearbeitet auf Ende 1940 von Prof. Rennefahrt, besitzen. Es ist die Bilanz alles dessen, was auf diesen Zeitpunkt an Erlassen aller Art noch in Kraft stand. Wir müssen eine Nachzählung in den 5 Bänden der Rennefahrtschen Gesetzessammlung vornehmen. Da sie chronologisch geordnet ist, kennen wir auch Zahl und Umfang der Erlasse, die von 1894 an produziert wurden und Ende 1940 noch galten. Diese Masse vergleichen wir mit der Jahr für Jahr seit 1894 produzierten Menge und erhalten so ein Bild darüber, wieviel sich gehalten hat :
Es waren 76 % der in der Beobachtungszeit produzierten Gesetze noch in Kraft. Die 47 Jahre Hessen ein Viertel wieder untergehen. Von der produzierten Paragraphenzahl standen der Summe nach noch fast 82 % in Kraft. Die Gesetze häuften sich nicht inflatorÌ8ch an, sondern sie wurden zu 24 %, die Paragraphenzahl immerhin zu 18 % wieder aufgehoben.
Ganz anders die Grossrats- und Regierungsbeschlüsse. Diese häuften sich erst recht nicht an, sondern sie reduzierten sich sehr rasch. Die Dekrete etc. hielten sich
17
258 Anton Moser
Jährliche Produktion und 1940 noch gültiger Bestand an Erlassen
Prodnktionsinstanz :
Jährlich produziert 1894^1940 . . . . .
Davon standen Ende 1940 in Kraft:
a) absolut
b) in Prozent der Produktion
Volk
ParaErlasse i
graphen
125
95
76,0
3801
3103
81,6
Grosser Rat
ParaErlasse ,
graphen
522
172
33,0
5783
2368
40,9
Regierung
Erlasse . graphen
1108
415
37,5
11671
4 826
41,4
Alle drei zusammen
Para-Erlasse .
graphen
1755
682
38,9
21255
10 297
48,4
nicht einmal besser als die Regierungserlasse. Von beiden war der Summe nach nur mehr ein Drittel, bzw. 37,5% gültig! Nur rund 4 1 % der produzierten Paragraphen dieser Art waren noch gültig. Sogar eine grosse Produktion führte also nicht zur Anhäufung, weil die Produktion sich selber wieder laufend aufhebt. Daran wird oft nicht gedacht, wenn man über die Paragraphenflut klagt. Richtig hingegen ist, mit dem Ausdruck «Paragrapheninflation» die Kurzlebigkeit der hervorgebrachten Artikel zu bezeichnen.
Wir können das Ausscheiden der älteren Titel auch dadurch nachweisen, dass wir sie nach den Produktionsperioden gruppieren und zusehen, wieviele davon 1940 noch gültig waren. Stellen wir aus der bernischen Gesetzessammlung die Erlasse, welche seit 1894 entstanden sind, durch Nachzählung in den einzelnen Bänden der Rennefahrtschen Sammlung fest, und stellen wir diese Zahl den in der gleichen Periode produzierten Erlassen gegenüber:
Die Perioden der 1894-1940 produzierten und 1940 noch gültigen Erlasse
a l s V C »
J § ~ Band
"1 II
III IV V
Periode
1815-1893
1894^1900 1901-1916 1917-1925 1926-1935 1936-1940
1894-1940
1940 gültige Total
Volk
•ö U O U
15 40 28 23 20
126
£ S3 o
50
8 31 21 16 19
95
%1)
53,3 77,5 75,0 69,6 95,0
76,0
145
Grossrat
à «J 'S £ O 4)
Ä S
83 174 121 91 52
521
4>
ö
50
17 34 47 44 30
172
%*)
20,5 19,5 38,8 48,4 57,7
33,0
222
Regierung
o ü
fi-a
.
86 280 341 255 146
1108
tao 'S
S
44
13 84 90
134 94
415
%*)
t
15,1 30,0 26,4 52,5 64,4
37,5
459
Total
if £*8
m
184 494 490 369 218
1755
o
* i
144
38 149 158 194 143
682
%»
.
20,7 30,2 32,2 52,6 65,6
38,9
826
1 D. h. 1940 gültige Erlasse in % der in der entsprechenden Periode produzierten Erlasse.
Haben wir eine Gesetzesinflation? 259
Je in der dritten Kolonne sehen wir, wieviele Prozent der älteren und der neueren Produktionen 1940 noch in Kraft standen. Bei den Gesetzen gelten von der älteren Serie von 1894-1900 noch 53,3 %, von denjenigen von 1901-1916 noch 77,5 % usw. Von den älteren Grossratsbeschlüssen von 1894-1900 «lebten» nur noch 20,5 %, von den gleichzeitigen Regierungserlassen nur 15,1 %.
Diese Zahlen mögen als ein erster Beitrag zur Erkenntnis der «Überlebensordnung» unserer Gesetze dienen. Diese «Absterbeordnung», wie man sie auch nennen könnte, ist noch nicht erforscht. Man weiss nur, dass sie existiert, und zwar für den Bund so gut wie für die Kantone. Für die Gesamtheit der bernischen Erlasse (letzte Kolonne obenstehender Tabelle) zeichnet sich eine recht typische Kurve ab, die von den älteren mit 20,7 auf 65,6 % bei den jüngsten Erlassen ansteigt.
Wie rasch die Vorschriften dem Zahn der Zeit erliegen, sehen wir auch aus einem kleinen Zufall. Das chronologische Register zur neuen bernischen Gesetzessammlung nämlich kam erst 1949 heraus. Es verzeichnet die von 1940-1948 aufgehobenen Titel nicht mehr und führt nur noch deren 772 an, gegen 826 Titel in den 5 Bänden. Innerhalb von 8 Jahren wurden also 54 Titel (oder 6,75 pro Jahr) ausser Kraft gesetzt. Die Zahl der gültigen Titel von 1948 mag also nochmals mit den produzierten der entsprechenden Jahre verglichen werden, wobei wir in der Kolonne rechts aussen die «Überlebensordnung» als Prozentausdruck für unsere früher unterschiedenen Konjunkturperioden ablesen können.
Die 1948 noch gültigen in Prozent der produzierten Titel
Konjonkturperioden
1815-1893. . . .
1894-1904. . . . 1905-1914. . . . 1915-1918. . . . 1919-1924. . . . 1925-1930. . . . 1931-1938. . . . 1939-1940. . . .
1894-1940. . . .
1941-1945. . . . 1946-1951. . . .
Total
Produzierte Titel
266 368 139 373 206 298 105
1755
365 403
2523
Ende 1948 noch gül
a) absolut
140
57 101 36
119 95
165 59
632
.
. 722
tige Titel
b) in % der produzierten
21,4 27,4 25,9 31,9 46,1 55,4 56,2
36,0
. •
•
Die Vorschriften aller drei Instanzen aus der älteren Zeit (1894-1904) waren 1948 noch zu 21,4 % gültig. Der Prozentsatz steigt hierauf — aber mit der bezeichnenden Ausnahme, dass die Kriegserlasse von 1915-1918 etwas zurückfallen. Von den Erlassen der dreissiger Jahre waren noch 55,4 % in Kraft. Im Durchschnitt galten nur noch 632 von 1755 geschaffenen Titeln oder 36%. Hier entsteht die ernste Frage, ob es sich mit dem Wesen der staatlichen Rechtssätze verträgt, dass sie so kurzlebig geworden sind.
260 Anton Moser
V i l i . Gleichbleibender Umfang der gült igen Erlasse von 1900 und 1940
Die beschriebene Selbstaufhebung der Paragraphenflut ist eine objektive Tatsache und eine Illustration der Veränderlichkeit und Betriebsamkeit der Volkswirtschaft. Nicht eine sich anhäufende Masse von Vorschriften haben wir, sondern eine auf- und abschwellende, sich fortwährend erneuernde Edition findet stat t . Das Resultat ist eine sich annähernd gleichbleibende Zahl von Vorschriften. Dies haben wir für die Gesetze und Volksbeschlüsse schon aus den jährlichen Produktionen zeigen können. Es gilt aber auch für die Grossrats- und Regierungsratserlasse. Nicht einmal bei ihnen findet eine Anhäufung stat t , weil sie kurzlebiger sind. Der Vergleich des Umfangs der letzten zwei Gesetzessammlungen des Kantons Bern von 1900 und 1940 soll es beweisen. Die erste Ausgabe umfasst, ohne das damalige bernische Zivil- und Strafgesetzbuch 4140, die letztere 4197 Textseiten.
Es ist eine erstaunliche und zu wenig beachtete Tatsache, dass diese zwei Querschnitte durch die gültigen Vorschriften fast das gleiche Bild zeigen. Ja, die Zahl der gültigen Erlasse hat sogar in den 40 Jahren um 87 abgenommen. Die Zahl der gültigen Paragraphen (die Kreisschreiben und ihre Paragraphen, Ziffern oder Seiten mitgerechnet) nahm um ein weniges, nämlich um rund 1500 zu. Von dieser Zunahme entfallen auf die Volksbeschlüsse 40, auf die grossrätlichen Erlasse 162, auf die regierungsrätlichen Vorschriften dagegen 1276 Paragraphen. Im folgenden Vergleich zählen wir das ehemalige kantonale Zivil- und Strafgesetzbuch im Jahre 1900 nicht mi t :
Umfang der Gesetzessammlung von 1900 und 1940
Jahr
1900 1940
1940 Zunahme . . . . Abnahme (gegenüber 1900)
Ges Volksbe Völkern
Ale
Erlasse
147 145
— 2
etze schlüsst »chtliehe ten
Paragraphen
4146 4186
+ 40
Gros und Ob«
erli
Erlasse
299 222
— 77
srats-rgeriohts-isse
Para-graphen
2644 2806
+ 162
Regie rätliche
Erlasse
467 459
— 8
rungs-Erlasse
Paragraphen
3856 5132
+ 1276
Tc
Erlasse
913 826
— 87
tal
Paragraphen
10 646 12 124
+ 1478
Es gibt also keine inflatorische Vermehrung der Erlasse, sondern im Gegenteil weniger Grossratsbeschlüsse und praktisch gleich viele Gesetze und Regierungserlasse wie 40 Jahre vorher. Die vermehrte Zahl der Paragraphen betrifft fast nur die "regierungsrätlichen Vorschriften, also gerade diejenigen, die nicht für längere Dauer bestimmt sind. Ja , wenn wir 1500 mehr Geseteesparagraphen gehabt hätten, wäre die Rede von der «Gesetzesinflation am laufenden Band» beachtlich und wahr gewesen. Aber 1276 mehr regierungsrätliche Paragraphen (11,2 s tat t 8,3 Artikel pro Erlass) als anno 1900 schaden gar nichts! Wir glauben nicht, dass sie «eine Gefahr für Recht und Freiheit» (Prof. W. Kägi) darstellen.
Für den Kanton Bern gab es keine Gesetzes- und keine Dekrets- noch Verordnungsinflation. Auf Grund der angestellten Beobachtungen und Nachzählungen kommen
Haben wir eine Gçsetzesinflation ? 261
wir zum Schiuse, dass nicht mutwillig, sondern sorgfaltig und dem rechtlichen Bedarf entsprechend legiferiert wurde. Es ist doch wohl so wie der ehemalige Regierungsrat Dr. M. Feldmann im «Volksblatt für Stadt und Land», Nr. 9/10 von 1951, schrieb:
«Neue Gesetze sind dann notwendig, wenn die alten Gesetze nicht mehr genügen, um eine Sache richtig zu ordnen, wenn sie nicht mehr ausreichen, um den Anforderungen des Lebens gerecht zu werden.» Und weiter: «Wer den Zweck will, muss auch die Mittel wollen; wer die Mittel, z. B. die gesetzlichen Mittel verweigert, gibt auch den Zweck preis. Darum tut man gut daran, vor dem leeren, falschen, unwahren Schlagwort der , Gesetzesinflation' auf der Hut zu sein. »
Zu dem für den Kanton Bern durchaus erfreulichen Ergebnis unserer Untersuchung sind nur noch zwei Bemerkungen zu machen. Einmal scheint es angesichts der stärkeren Produktivität von Regierungsrat und Grossem Rat wünschbar, dass die Bilanzierung, die Sammlung der auf einen bestimmten Zeitpunkt gültigen Erlasse häufiger vorgenommen werde. Es ist nicht gesagt, dass nach den Sammlungen von 1861, 1900 und 1940 wieder vierzig Jahre lang zugewartet werden darf.
Zweitens fällt auf, dass das günstige Ergebnis in einem Zeitpunkt erlangt wurde, da die Produktion während Jahren nicht besonders gross war. Die Kriegsjahre nach 1940 zeigen wieder einen grösseren Ausstoss von Vorschriften. Ein Vergleich von 1950 mit 1900 wäre deshalb etwas weniger günstig ausgefallen. Die Jahre 1950 und 1951 zeigen einen Rückgang der edierten Vorschriften (ausser beim Grossen Rat), und es ist zu hoffen, dass der Abbau weitergeführt wird. Nur so gilt der Satz: Im Kanton Bern existiert weder eine sich anhäufende Paragraphenflut noch eine Gesetzesinflation. Aber hier wie anderwärts eignet den Vorschriften ohne Gesetzeskraft eine bedenkliche Kurzlebigkeit.
Anhangtabelle I Die jährliche Produktion von Erlassen und ihre Paragraphenzahl 1894-1951 (Auszug aus den Gesetzesbänden des Kantons Bern)
Jahr
1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923
Zahl der Erlasse
Regierungs-
Rat
14 9
11 16 10 12 14 10 11 7 8
20 23 32 16 24 16 23 33 11 16 9
21 27 50 52 48 43 42 1 31
Gro
sser
Ra
t u
nd
Obe
rge
rich
t
12 13 13 13 15 9 8 7 9 9
15 7
13 11 13 14 14 16 12 9
13 5 7 4 8
37 17 13 23 1 7
Volk
4 1 1 1 3 2 3 1 2 2 1 4 3 5 4 6 0 2 3 1 4 0 2 1 5 3 2 7 4 2
Zahl der
Regierungs-Rat
180 + 6 1 1 8 + 1 58
209 + 6 1 4 5 + 1 150 136 82 + 32
151 + 1 47 66
3 2 8 + 1 1 9 6 + 7 3 2 6 + 2 114 320 + 60 178 289 + 30 466 + 7 1 2 7 + 4 203
55 425 + 3 349 6 3 4 + 3 527 + 11 518 429 + 30 243 2 2 7
Paragraphen (-f- Anhang)
Grosser Rat und
Obergericht
244 67
133 199 189
51 32 96 47 + 60 48
110 + 33 46
124 127 + 8 77
170 216 275 + 30
81 60
143 + 121 1 2 7 + 3
68 35
164 651 262 209 269 + 12 44
Volk
188 3
59 125
57 14 9 2
35 34 10 91 28 86
109 242
0 211 + 13 125
11 147
0 29
106 516 + 8 65 87
102 79 2 9 + 1
Jahr
1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 1950 1951
1894-1951
Zahl der Erlasse
Regierungs-
Rat
31 17 31 20 27 23 29 26 25 27 20 27 34 24 17 29 42 37 53 50 68 50 42 43 41 41 29 26
1588
1 G
ross
er R
at
1 u
nd
Obe
rge
rich
t
9 3 7
10 7
13 6 9 9 9 8
13 10 8 8
12 14 11 24 30 11 15 22 28 32 23 17 32
766
Volk
2 2 3 2 1 3 2 3 3 1 3 2 0 6 6 4 4 1 5 3 3 4 4 6 6 4 4 3
169
Zahl der Paragraphen ( + Anhang)
Regierungs-Rat
221 9 3 + 3
255 + 14 190 285 329 + 16 351 180 + 30 277 + 16 264 + 18 300 191 3 1 4 + 3 121 170 3 2 9 + 3 505 + 43 417 883 + 112 4 3 3 + 2 578 339 426 369 408 231 229 153 + 30
16 137+495
Grosser Rat und
Obergericht
9 6 + 26 98 38 6 5 + 6 68 + 30
106 31 95 52 84 49 + 25
106 + 4 113 47 + 23
107 91 + 30
173 59 + 30
160 + 30 202 + 32 142 212 213 221 146 100 102 126
7 466 + 503
Volk
25 38 90 27
400 31 45 24 15 6
114 78
0 42
138 42 89
2 58 16
246 95 45 75 93 23
150 173
4 779 + 22
1
Anhangtabelle II Die jährliche Produktion v o n Erlassen nach Direktionen 1921-1951
Nr. Direktion oder Abteilung
1. Präsidialabteilung 2. Armenwesen (Fürsorge) . . . 3. Bauten und Eisenbahnen . . 4. Erziehung (Unterricht) . . . 5. Finanz 6. Forsten 7. Gemeinde we sen 8. Justiz 9. Kirchenwesen
10. Polizei 11. Sanität 12. Volkswirtschaft (Inneres) . . 13. Landwirtschaft 14. Militär 15. Obergericht
31 Jahre 1921-1951
27 Jahre 1894^1920
Total
Zahl der Erlasse
Regicrungs-Rat
22 55 82
126 125 65 11 80 23 79 57
219 83 14 4
1045
543
1588
Grosser Rat und
Obergericht
24 12 7
65 94
6 19 43 61 37
9 28 14 2
22
443
323
766
Volk
5 6
11 12 24
4 1 8 3 3 6
14 6
103
66
169
Total
51 73
100 203 243
75 31
131 87
119 72
261 103
16 26
1591
932
2523
Zahl der Paragraphen ( + Anhang)
Regierungs-Rat
236 597 434 + 80
1 245 + 14 1 085 + 46
840 + 62 44
533 + 18 377 615 + 16 565 + 18
2 241 + 66 777 126
25
9 740 + 320
6 397 + 175
16 137 + 495
Crosser Rat und
Obergericht
275 + 30 70 + 23 62
615 800 41 97
413 + 6 402 + 85 305 + 42
52 272
86 + 32 8
126 + 30
3624 + 248
3842 + 255
7466 + 503
Volk
49 51 + 1
240 211 529 146
2 558 111
18 44
310 121
2390 + 1
2389 + 21
4779 + 22
Total
560 + 30 718 + 24 736 + 80
2 071 + 14 2 414 + 46 1 027 + 62
143 1 504 + 24
890 + 85 938 + 58 661 + 18
2 823 + 66 984 + 32 134 151 + 30
15 7 5 4 + 569
12 628 + 451
28 382 + 1020