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HALO HALO wird das neue Flaggschiff der Forschungsflotte Global Player für die 32 | DLR NACHRICHTEN 115 Von Dr. Helmut Ziereis und Mirko Gläßer Atmosphären- forschung Der umgebaute Gulfstream-Business Jet eröffnet eine neue Dimension in der Atmosphärenforschung © Gulfstream Aerospace Corporation

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HALO wird das neue Flaggschiff der Forschungsflotte

Global Player für die

32 | DLR NACHRICHTEN 115

Von Dr. Helmut Ziereis und Mirko Gläßer

Atmosphären-f o r s c h u n g

Der umgebaute Gulfstream-Business Jet eröffnet eine neue Dimension in der Atmosphärenforschung

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Mit dem neuen Forschungsflugzeug HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft) beginnt ein neuesKapitel in der Geschichte der deutschen Atmosphärenforschung und Erdbeobachtung. Die Kombination aus

Reichweite, Gipfelhöhe, Nutzlast und umfangreicher Instrumentierung macht das Flugzeug zu einer weltweit einzig-artigen Forschungsplattform.

Flugzeuge sind ein unverzichtbaresWerkzeug für die Erforschung derAtmosphäre und die Beobachtungder Erdoberfläche. Mit Forschungs-flugzeugen kann man eine maßge-schneiderte Auswahl von hochge-nauen Messinstrumenten exakt anden Ort in der Atmosphäre bringen,den man erforschen möchte. Sei es,dass man die Größe von Eisteilchenin feinen Federwolken in über zehnKilometer Höhe bestimmen möchte,den Abgasstrahl eines Verkehrsflug-zeuges in Reiseflughöhe analysierenwill oder den Transport von Schad-stoffen durch Gewittertürme vomBoden in die obere Troposphäreuntersuchen möchte.

Das Projekt HALO wird von einembreiten Fundament von Partnern aus den Helmholtz-Zentren, derMax-Planck-Gesellschaft sowie denHochschulen und Instituten der Leibniz-Gemeinschaft getra-gen. Stellvertretend fürdie Partner haben dasDeutsche Zentrum fürLuft- und Raumfahrtund das Max-Planck-

Institut für Chemie in Mainz denAntrag für die Beschaffung des Flug-zeuges an das Bundesministeriumfür Bildung und Forschung gerichtet,der im September 2004 genehmigtwurde.

HALO wird das bisherige Flaggschiffder Forschungsflugzeugflotte desDLR, den zweistrahligen Jet „Das-sault Falcon“ ablösen, der seit mehrals 30 Jahren erfolgreich für die For-schung eingesetzt wird. HALO istaber mehr als nur ein Ersatz für dieFalcon. Mit HALO werden der For-schung völlig neue Möglichkeiteneröffnet. HALO wird weiter fliegenkönnen als die meisten anderen Forschungsflugzeuge der Welt.Abhängig von der Nutzlast beträgtdie Reichweite zwischen 8.000 und11.000 Kilometer. Dadurch werdenalle Regionen der Erdatmosphäre

zugänglich, von den Polen biszu den Tropen und den

abgelegenen Regio-nen des Pazifiks.

Die Reichweite der Falcon beträgtdagegen nur etwa

3.000 Kilometer. Damit wird HALOzum „Global Player“ und entsprichtdamit auch der geänderten Vorstel-lung von der Atmosphärenforschung.

Waren die Atmosphärenforscher frü-her daran interessiert, wie Schadstof-fe aus dem Ruhrgebiet in den Bayeri-schen Wald verfrachtet wurden, sostellen sie heute andere Fragen: Wiesehen die Transportwege der Schad-stoffe auf interkontinentaler Ebeneaus? Welche Schadstoffe werden vonNordamerika nach Europa transpor-tiert und von Europa nach Asien?

HALO basiert auf der zweistrahligenGulfstream G550, einem der größtenBusiness-Jets der Welt mit extrem lan-ger Reichweite und einer sehr großenGipfelhöhe von 51.000 Feet (15,5Kilometer). Wer sich für eine G550im Privat- oder Geschäftsreisebetriebentscheidet, möchte flexibel rundum die Welt fliegen können, ohnesich an die begrenzende Freigabe instark frequentierten Luftverkehrsstra-ßen kümmern zu müssen – er fliegteinfach darüber hinweg. Diese großeGipfelhöhe kommt mit HALO der

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Forschung zugute. Auf ihrer Platt-form können die Forscher Messflügenicht nur in der Troposphäre, also imunteren „Stockwerk“ der Atmosphä-re, sondern auch am unteren Randder darüber liegenden Stratosphäreabsolvieren.

Für den herkömmlichen Kundenkreiswerden die Jets meist mit einer auf-wändigen VIP-Innenausstattunggeliefert. Im Dienst der Wissenschaftaber sieht es in der Gulfstreamanders aus: Auf den meisten Positio-nen, die für Sitze vorgesehen sind,werden so genannte „Racks“ ste-hen, Regalgestelle zur Aufnahmevon Instrumenten. Natürlich werdenan diese Racks andere Anforderun-gen gerichtet als an ein Wohnzim-merregal. Auch einer neunfachenErdbeschleunigung müssen dieseGestelle, die mit jeweils 150 Kilo-gramm an Geräten bestückt werdenkönnen, standhalten. Mit etwa 15Racks kann HALO mehr als doppelt so viele aufnehmen wie die Falcon.

Die meisten Geräte an Bord vonHALO werden automatisch arbeiten,das eine oder andere Instrumentbenötigt jedoch etwas intensivereBetreuung. Den Wissenschaftlern an Bord wird deshalb wenig Zeitbleiben, die Aussicht zu genießen.Mit der Ruhe wird es ohnehin nichtso weit her sein; das lehrt die Erfah-

rung mit der Falcon und anderenFlugzeugen. Unter Umständen kannes in der Kabine auch schon mal sehrwarm werden: 15 Racks voller Geräteproduzieren sehr viel Abwärme.

HALO unterscheidet sich noch inweiteren Punkten ganz wesentlichvon einem regulären Business Jet.Nachdem das Basismodell des Flug-zeuges in wenigen Monaten bei derGulfstream Aerospace Corporation inSavannah hergestellt wurde, dauert es anschließend noch mehr als zwei-einhalb Jahre, um die Modifikationendurchzuführen. Einen großen Teil dieser Umbauarbeiten führt die FirmaRUAG in Oberpfaffenhofen im Auf-trag von Gulfstream durch.

Weil die Luft, die man untersuchenmöchte, zu den Instrumenten in dieKabine geleitet werden muss, werdenÖffnungen in den Rumpf geschnit-ten. Bei der Falcon gibt es vier, beiHALO werden es mehr als 20 sein.Da taucht das Problem der Dichtig-keit der Druckkabine auf. DamitHALO nicht zu einem fliegenden„Schweizer Käse“ wird, müssen die

Öffnungen natürlich wieder luftdichtverschlossen werden. Je nach Mess-aufgabe können sie mit unterschied-lichen Einlasssystemen versehenwerden: Mal ist dies ein Edelstahl-röhrchen mit einem Durchmesservon drei Millimetern, mal ein Teflon-rohr mit einem Durchmesser vonzwölf Millimetern, das obendreinnoch geheizt werden muss. Oder ein eindrucksvolles Rohrsystem miteinem Gewicht von über 15 Kilo-gramm für die Sammlung hochreak-tiver Spurengase, wie es vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainzentwickelt wird.

In der Kabine können außerdemspezielle Kamerasysteme und Fern-erkundungsmessgeräte betriebenwerden. Dazu werden jeweils zweiÖffnungen mit einem Durchmesservon etwa 50 Zentimetern in die obereund untere Rumpfschale geschnitten.Sie können mit optischen Gläsernversehen werden, die für bestimmteWellenlängen durchlässig sind. Schie-betüren, die unterhalb des Rumpfesangebracht werden, schützen diesehochempfindlichen Gläser bei Startund Landung vor aufgewirbeltemSand und Staub. Besonders leistungs-fähige Messgeräte sind die LIDAR-Systeme des DLR. Ein LIDAR sendeteinen Laserimpuls aus und empfängtdas von der Atmosphäre zurück

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Modifikationen – vom Business-Jet zum Forschungsflugzeug

Sicht von unten Sicht von oben

Sensormast

EVS-Kamera

Öffnungen für Geräte

Kamera mit Sichtnach unten

Befestigungspunkte für Instrumentenbehälter unter den Tragflächen

Kamera mit Sicht nach hinten

Befestigungspunkt für Unterrumpfbehälter

Schiebetür zum Schutz der

optischen Fenster

Spezialfenster für optische Sensoren

ADF Antenne

Rumpföffnungen für Spurenstoffeinlässe

Befestigungspunkte

Rumpföffnung für Spuren-stoffeinlässe

Kamera mit Sichtfeldnach vorn

Spezialfenster für optische Sensoren

Spezialfenster für optische Sensoren

Kamera

Befestigungspunkt

gestreute Signal. Daraus lassen sichKonzentrationsprofile von Wasser-dampf, Ozon oder Aerosolpartikelnoberhalb oder unterhalb der Flughöheableiten.

Veränderungen am Rumpf eines Flug-zeuges erfordern aufwän-dige und komplizierteRechnungen, denndie Öffnungen dür-fen weder dieDichtigkeit nochdie Stabilität der

Rumpfröhre beeinträchtigen. DieSicherheit der Forscher und der Crewist auch bei einem Forschungsflug-zeug oberstes Gebot. Vor allem inder unteren Rumpfschale erforderndie zahlreichen Öffnungen aufwän-dige Umbauten, die über das eigent-

liche Schneiden und Abdichtenhinausgehen. Unter dem

Fußboden verlaufen dieSeile für die Steuerflä-chen des Leitwerkesund der Tragflächen,die Verbindungen zu

den Triebwerken und natürlich auchdie Stromversorgung von den Trieb-werksgeneratoren zum Cockpit undzu den Flugzeugsystemen. All dieseLeitungen müssen für die Öffnungenverlegt werden, ebenso wie etlicheAntennen.

Instrumente, die außerhalb der Kabi-ne betrieben werden müssen, könnenan Haltepunkten unter dem Rumpfangebracht werden. Die UniversitätHamburg zum Beispiel entwickelt für HALO ein Wolkenradar, mit dem

Modifikationen bei HALO: Vom Business Jet zum Forschungsflugzeug

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Größe und Konzentration von Wol-kentröpfchen untersucht werden soll.Auch ein Infrarotspektrometer, dasvon den Forschungszentren Jülichund Karlsruhe entwickelt wird, sollunter dem Rumpf aufgehängt wer-den. Abgedeckt werden diese Instru-mente durch eine aerodynamischoptimierte Kuppel, die die hohenWindlasten abhalten soll.

Unter jeder Tragfläche können außer-dem an drei Positionen Instrumentemit einem Gewicht von mehrerenhundert Kilogramm angebracht wer-den. Um die Aerodynamik des Flug-zeuges möglichst wenig zu beein-flussen, werden dafür optimierteBehälter entwickelt. Hier werden vor allem Instrumente zur Messungvon Aerosolpartikeln untergebracht.

Der Stromverbrauch der Messgeräteist beachtlich und geht wesentlichüber den Bedarf eines elegantenBusiness-Jets hinaus. An mehrerenStellen im Flugzeug wird es eine ArtSteckdosenleiste geben: 28 VoltGleichspannung, 220 Volt Wechsel-spannung und dreiphasige 115 Volt/400 Hertz Wechselspannung stehenfür die verschiedenen Geräte zurVerfügung. Eine aufwändige Verka-belung von den Generatoren an denTriebwerken zum zentralen Stromver-teiler und von dort zu den einzelnen

Stationen wird das Flugzeug durch-ziehen. Insgesamt werden den Nut-zern an die 50 Kilowatt Leistung zurVerfügung stehen.

Alle diese Modifikationen bedeutenweitreichende Änderungen des re-gulären Flugzeugmusters. Auchwenn die Firma Gulfstream schonErfahrungen im Bau von Forschungs-flugzeugen hat – viele Modifikatio-nen sind ganz speziell für HALOmaßgeschneidert und daher einzig-artig. Zeitweise arbeiten bis zu 50Ingenieure bei Gulfstream am Designfür HALO.

Nach etwa eineinhalb Jahren Umbaubei der Firma RUAG-Aerospace inOberpfaffenhofen wird HALO zurückin die USA fliegen, um die Innenaus-stattung zu erhalten: Wandpaneele,Sitze, Toilette, eine kleine Bordkücheund außerdem die Lackierung. BevorHALO durch die US-LuftfahrtbehördeFAA (Federal Aviation Authority) unddurch das Luftfahrt-Bundesamt (LBA)zugelassen werden kann, sind Erpro-bungsflüge nötig und viel Papierar-beit. Ende 2008 soll HALO zugelassenan das DLR übergeben werden.

Dann ist es Aufgabe der DLR-Inge-nieure, das Flugzeug für die erstenwissenschaftlichen Nutzer fertig zustellen. HALO wird eine Basismess-

Mit HALO werden die Atmosphären-forscher Messflüge bis hinein in die Stratosphäre absolvieren können

anlage erhalten, mit der präziseDruck, Temperatur, Feuchte, Wind-geschwindigkeit und -richtung be-stimmt werden können. Eine Daten-verarbeitungsanlage wird integriert.Wissenschaftliche Instrumente müs-sen für HALO angepasst und zuge-lassen werden. Vor allem die Außen-anbauten an das Flugzeug werdenden Ingenieuren des DLR viele zu-sätzliche Stunden bei der Zulassungabfordern, da sie die Aerodynamikdes Flugzeuges beeinflussen. DieserEinfluss muss durch Flugversuchequalifiziert werden. Ein Vibrations-test wird zeigen, welchen Einflussdie Anbauten unter den Tragflächenauf deren Flatterverhalten haben. All diese Arbeiten sollen zügig durch-geführt werden, denn die Wissen-schaftler fiebern schon dem erstenEinsatz von HALO entgegen, der fürden Sommer 2009 geplant ist. Dannwird das neue Flaggschiff der deut-schen Atmosphärenforschung zumersten Mal zu einer wissenschaft-lichen Mission vom Flughafen Ober-pfaffenhofen abheben.

Autoren:

Dr. Helmut Ziereis ist Physiker am

DLR-Institut für Physik der Atmosphäre.

Er ist HALO-Projektleiter. Mirko Gläßer,

Flugversuchsingenieur bei den DLR-Flugbe-

trieben, arbeitet als HALO-Projektingenieur.

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