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Handbook of the Fundamentals of Financial Decision Making The Fundamental Theorem of Asset Pricing Risk Neutral Pricing 10. Februar 2016 Erstellt von Katharina Daria Riederer

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Handbook of the Fundamentalsof Financial Decision Making

The Fundamental Theorem of Asset PricingRisk Neutral Pricing

10. Februar 2016

Erstellt vonKatharina Daria Riederer

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 2

2 The Fundamental Theorem of Asset Pricing 3

3 Risk Neutral Pricing 153.1 Einfuhrung der Thematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153.2 Risk Neutral Pricing in generellen Modellen . . . . . . . . . . 18

4 Zusammenfassung 20

5 Literatur 21

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1 Einleitung

Das Ziel dieser Seminararbeit ist es, den ersten Fundamentalsatz (FS) undseine diversen Weiterentwicklungen zu untersuchen, sowie eine Einfuhrungin das Gebiet des Risk Neutral Pricings zu geben. Zu diesem Zwecke wurdenzwei Kapitel aus Handbook of the Fundamentals of Financial Decision Ma-king: Part 1 gewahlt, in denen genau diese beiden Themen diskutiert werden.

Mit Financial Decision Making sind Uberlegungen gemeint, wie viel Ka-pital in welche Handelsmoglichkeiten investiert werden soll. Diese Handels-moglichkeiten konnen etwa Aktien, Bonds bzw. Anleihen, Rohstoffe bzw.Wirtschaftsguter, Derivate, Futures oder auch Wahrungseinheiten, die mitsich stochastisch andernden Handelspreisen versehen sind, sein. Unterschied-liche mathematische Modelle dienen dabei als Grundlage fur die Entschei-dungsfindung bzgl. der Investitionen (z.B. Capital Asset Pricing Model, Ar-bitrage Pricing Theory, etc.).

Zu Beginn ist es notwenig eine vereinfachende Bedingung an den Finanz-markt vorauszuschicken: Der Markt sei vollstandig wettbewerbsfahig. Damitdies moglich ist, mussen einige Punkte gelten:

Es muss viele MarktteilnehmerInnen geben, wobei von ihnen keine/-rgroß genug sein darf, um die Preise zu beeinflussen.

Alle Individuen durfen ohne jedliche Restriktionen am Markt kaufenund verkaufen.

Alle MarktteilnehmerInnen haben vollstandigen Zugang zu allen Infor-mationen uber die vorhandenen Preise.

Wie bereits kurz erwahnt, gibt es mehrere mathematische Modelle, die zumFinancial Decision Making herangezogen werden konnen. Fur die Themendieser Seminararbeit ist dabei eines besonders hervorzuheben. Die Arbitra-ge Pricing Theory (APT), die im Jahre 1976 von Stephen Ross aufgestelltwurde, beruht, wie der Name schon sagt, auf der Idee der Arbitrage. EineArbitrage bezeichnet dabei eine Transaktion, bei der zu keinem Zeitpunkt einnegativer Cashflow, dafur ein positiver Cashflow zu zumindest einem Zeit-punkt entsteht. Einfacher ausgedruckt bedeutet das, dass mit dieser Trans-aktion ohne Kosten und risikolos Profit gemacht werden kann. Mittels derATP wird der erwartete Gewinn von Assets mit einem linearen Faktormodellberechnet. Die Bedingnung der Arbitragefreiheit wird als naturliche Voraus-setzung fur einen stabilen Finanzmarkt angesehen.

Die Existenz von Preisen, die mit Arbitragefreiheit vertraglich sind, stehtin Verbindung zu einem Wahrscheinlichkeitsmaß, unter dem der stochasti-

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sche Preisprozess ein Martingal ist. Diese Uberlegung fuhrt auf den erstenFundamentalsatz der Preistheorie, der in Kapitel 2 angefuhrt wird.

Ein Martingal ist ein stochastischer Prozess, bei dem der bedingte Er-wartungswert fur die nachste Zeitperiode gleich dem derzeitigen Wert istund beruht somit nicht auf der Vorgeschichte des Prozesses. Daher kann einMartingal als ein Modell fur einen fairen Prozess angesehen werden. Dahermacht es Sinn, dass die faire Arbitragefreiheitsbedingung durch die Exis-tenz eines Martingalmaßes beschrieben wird. Diese Beziehung zwischen Ar-bitragefreiheit und Martingalmaßen zog Ross aus dem bekannten Satz vonHahn-Banach1.

Es konnen allerdings Probleme bei den Uberlegungen von Ross zur Ar-bitragefreiheit entstehen, falls von einem unendlichen Wahrscheinlichkeits-raum die Rede ist. In diesem Fall gelten die Ergebnisse von Ross nur fur dieSupremumsnorm-Topologie. Bei endlichen Wahrscheinlichkeitssraumen ist eswiederum nicht klar, ob das Martingalmaß auch tatsachlich aquivalent zumzugrunde liegenden Wahrscheinlichkeitsmaß ist. Diese Problemstellen des FSwurden spater von Micheal Harrison und David Kreps (1979) aufgegriffen.

Martingalmaße werden auch als risikoneutrale Maße bezeichnet. Da As-setpreise von ihrem Risiko abhangen, werden fur besonders riskante AssetsPramien verlangt. Der Vorteil von aquivalenten Martingalmaßen ist, dass siedie Risikopramien in den bedingten Erwartungswert miteinbeziehen. Unterdem risikoneutralen Maß haben alle Assets den gleichen Erwartungswert,namlich die risikolose Zinsrate. Der Preisprozess, diskontiert mittels der risi-kolosen Zinsrate, bildet ein Martingal unter dem risikoneutralen Maß. Diesist fur die Bewertung von Assets besonders wichtig und ist Bestandteil derbekannten Black-Scholes-Formel (1973).

Im folgenden Kapitel wird nun das Kernthema dieser Arbeit genauerdurchleuchtet. Dabei sollen der erste Fundamentalsatz der Preistheorie undseine diversen Weiterentwicklungen vorgestellt werden.

2 The Fundamental Theorem of Asset Pri-

cing

Wie bereits angesprochen, machten es sich Harrison und Kreps (1979) zurAufgabe, den ersten Fundamentalsatz der Preistheorie so zu erweitern, dass

1 Der Satz von Hahn-Banach besagt, dass sich ein lineares Funktional normerhaltendfortsetzen lasst. Da dieser Satz außerst umfangreich ist und mehrere Male unterschiedlichformuliert wurde, wird an dieser Stelle auf die genaue Formulierung des Satzes verzich-tet. Fur Interessierte sei an dieser Stelle dafur auf das folgende Werk verwiesen: Meise,Reinhold/Vogt, Dietmar. 2011. Einfuhrung in die Funktionalanalysis. Wiesbaden: Vieweg.

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er auch fur komplexere Modelle weitgehend gultig ist. Sie formulierten dreiverschiedene Arten des FS:

(i) Der Preisprozess ist auf einem endlichen, filtierten Wahrscheinlichkeits-raum definiert: Der Markt ist arbitragefrei, genau dann wenn es einWahrscheinlichkeitsmaß gibt, das zum zugrunde liegenden Wahrschein-lichkeitsmaß aquivalent ist und unter dem der Preisprozess ein Martin-gal ist2.

(ii) Der Preisprozess ist auf einem stetigen Wahrscheinlichkeitsraum de-finiert: Im Markt gibt es

”No Free Lunch“, genau dann wenn es ein

Wahrscheinlichkeitsmaß gibt, das zum zugrunde liegenden Wahrschein-lichkeitsmaß aquivalent ist und unter dem der Preisprozess ein Martin-gal ist.

(iii) Der Preisprozess ist auf einem stetigen Wahrscheinlichkeitsraum miterzeugter Sigmaalgebra definiert und nimmt Werte in Lp an: Im Marktgibt es

”No Free Lunch“, genau dann wenn es ein Wahrscheinlich-

keitsmaß gibt, das zum zugrunde liegenden Wahrscheinlichkeitsmaßaquivalent ist, unter dem der Preisprozess ein Martingal ist und daseine q-Momentenbedingung erfullt, wobei 1

p+ 1

q= 1.

Essenziell werden in Bezug auf die Bepreisung von Options in diesem Kapitelfolgende Problemstellungen behandelt:

Die Methode der Bepreisung mittels des Erwartungswertes unter einemrisikoneutralen Maß

Die Methode der Bepreisung mittels der”Arbitragefreiheit“

Der Zusammenhang zwischen den ersten beiden Punkten

Wie kann dieses Phanomen auf kompliziertere Modelle umgelegt wer-den?

Im Zuge der Diskussion zur Weiterentwicklung des FS in diesem Kapitel istes notwendig, einige essenzielle Definitionen vorauszuschicken.

2 Dies ist eigentlich noch keine Weiterentwicklung an sich, sondern der FS, wie er be-kannt ist. Erst die beiden nachfolgenden Punkte stellen wichtige Fortsetzungen des Satzesdar.

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Definition 1. Eine Mengenfunktion ν auf einem Messraum (Ω,A) wird alssigniertes Maß bezeichnet, wenn gilt

1. ν : A → (−∞,∞] oder ν : A → [−∞,∞)

2. ν(∅) = 0

3. ν (⋃∞n=1An) =

∑∞n=1 ν(An), fur alle Folgen disjunkter Mengen An ∈ A

(vgl. Kusolitsch 2013:137)

Definition 2. Ist (Ω,A, µ) ein Maßraum, so heißt ein signiertes Maß ν auf(Ω,A) absolut stetig bezuglich µ (im Zeichen ν µ), wenn gilt

µ(A) = 0⇒ ν(A) = 0 ∀A ∈ A.

ν und µ heißen aquivalent, wenn ν µ und µ ν, im Zeichen ν ≈ µ(vgl. Kusolitsch 2013:137).

Definition 3. Martingal

1. Unter einer Filtration wird eine Familie monoton wachsender σ-Algebren At ⊆ A, t ∈ T ⊆ R, verstanden.

2. Ist (Ω,A,P) ein Wahrscheinlichkeitsraum mit einer Filtration (At)t∈T ,so heißt der stochastische Prozess (St)t∈T adaptiert an die Filtration,wenn jedes St At-messbar ist.

3. Eine Familie (St,At) bestehend aus integrierbaren Zufallsvariablen Stund den σ-Algebren At einer Filtration heißt Martingal (in Bezug auf(At)), wenn die St an die At adaptiert sind und wenn gilt

E(St|As) = Ss P− fs ∀s ≤ t

(vgl. Kusolitsch 2013:263f).

Wesentlich fur den ersten Fundamentalsatz der Preistheorie (FS) ist die Ideeder Arbitrage. Dafur ist es notwendig weiteres essenzielles Vorwissen aufzu-

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listen3.

Definition 4. Seien (Ω,F , (Fn)n∈N,P) ein filtrierter Wahrscheinlichkeits-raum und N ∈ N.

1. Ein N-Perioden-Modell ist ein N + 1-Tupel S = (S0, ..., SN) vonRd+1-wertigen Zufallsvariablen, also Sn = (S0

n, ..., Sdn) fur n = 0, ..., N ,

derart, dass Sn Fn-messbar fur alle n = 0, ..., N ist.

2. Eine Handelsstrategie φ ist ein N + 1-Tupel φ = (φ0, ..., φN)von Rd+1-wertigen Zufallsvariablen derart, dass φn Fn−1-messbar furn = 0, ..., N ist (d.h. φ ist vorhersehbar).

Definition 5. ArbitrageSeien (Ω,F , Fn)n∈N,P) ein filtrierter Wahrscheinlichkeitsraum, N ∈ N undS = (S0, ..., SN) ein N-Perioden-Modell. Definiere den VermogensprozessVn(φ) := φn · Sn, fur alle n = 0, ..., N . Eine Handelsstrategie φ heißt Ar-bitrage, wenn

1. φ selbstfinanzierend ist (d.h. (φn−φn−1)·Sn−1 = 0 fur alle n = 1, ..., N),

2. V0(φ) ≤ 0,

3. VN(φ) ≥ 0,

4. und P[VN(φ)− V0(φ) > 0] > 0

Ebenso wie die Definition der Abritrage ist die Idee des Martingalmaßes aus-schlaggebend fur die Formulierung des ersten Fundamentalsatzes der Preis-theorie.

3 Die folgenden drei Definitionen (4-6) wurden den Lehrunterlagen zur Vorlesung Fi-nanzmathematik 1: diskrete Modelle, die von Herrn Paul Kruhner im Sommersemester2015 an der Technischen Universitat Wien gehalten wurde, entnommen.

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Definition 6. MartingalmaßSeien (Ω,F , (Ft)0≤t≤T ,P) ein filtrierter Wahrscheinlichkeitsraum und Q einWahrscheinlichkeitsmaß. Des Weiteren sei (St)0≤t≤T der Preisprozess. Dannheißt Q Martingalmaß, wenn

EQ∣∣∣ST ∣∣∣ < ∞

EQ[ST |Ft

]= St ∀ 0 ≤ t ≤ T,

wobei S den diskontierten Preisprozess bezeichne.

Mit Hilfe dieser Definition ist es nun moglich den ersten Fundamentalsatz derPreistheorie zu formulieren. Er wird auch Satz von Dalang-Morton-Williger(1980) genannt. Dieses Theorem stellt eine der wichtigsten Erkenntnisse dermodernen Finanzmathematik dar.

Satz 1 (Der erste Fundamentalsatz der Preistheorie). Seien(Ω,F , (Ft)0≤t≤T ,P) ein filtrierter Wahrscheinlichkeitsraum und (St)0≤t≤T derPreisprozess. Dann sind die beiden Aussagen aquivalent:

(i) Der Markt ist arbitragefrei.

(ii) Es existiert ein zu P aquivalentes Martingalmaß.

Dieses Theorem geht auf die Mathematiker F. Black, M. Scholes und R. Mer-ton und auf das von ihnen formulierte Black-Scholes-Modell (BSM) zuruck.Dabei ist der Preisprozess S := (St)0≤t≤T eine geometrische Brown’sche Be-wegung. Bei dieser Methode wird das zugrunde liegende Wahrscheinlichkeits-maß P so zu einem aquivalenten Wahrscheinlichkeitsmaß Q verandert, dassder diskontierte Preisprozess ein Martingal darunter ist. Um anschließendPreise fur Options (oder andere Wertpapieren) zu finden, wird einfach derErwartungswert unter diesem

”risikoneutralen Maß“ oder

”Martingalmaß“

betrachtet.Ahnliche Rechenmodelle wurden bereits Jahre vor der Formulierung des

BSM von AktuarInnen zur Berechnung von Optionpreisen herangezogen. Ei-ne wesentliche Neuerung in diesem Ansatz ist allerdings, dass die Preisfin-dung von Options mit der Idee der Arbitrage verbunden wird: die Auszah-lungsfunktion einer Option kann dupliziert werden, indem dynamisch mit

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dem zugrunde liegenden Portfolio gehandelt wird. Hier kommt die Idee desHedgings ins Spiel, was das BSM zu einer neuen Art mit Options zu handelnmachte. Konnen alle Auszahlungsfunktionen dupliziert werden, so wird voneinem vollstandigen Markt gesprochen. Diese, aus mathematischer Sicht er-freuliche, Voraussetzung an einen Markt ist allerdings realtitatsfern. Sie zeigtallerdings wichtige Aspekte der okonomischen Realitat auf.

Zu Beginn von Kapitel 2 wurden einige Punkte genannt, die auf Lucken, diedas BSM aufwirft, zuruckgehen. Der erste Mathematiker, der sich mit derKlarung dieser Problemstellungen befasste, war Stephen Ross. Um die Situa-tion des BSM zu formalisieren, legte er folgendes Setting fest: Fixiert werdeein topologischer, geordneter Vektorraum (X, τ), der die moglichen Cashflows(z.B. die Auszahlungsfunktion einer Option) zu einem fixen Zeitpunkt T mo-delliert. Eine gute Wahl ist z.B. X = Lp(Ω,F ,P), wobei 1 ≤ p ≤ ∞ gelteund (Ω,F , (Ft)0≤t≤T ,P) der zugrunde liegende filtrierte Wahrscheinlichkeits-raum sei. Des Weiteren sei X ⊇M die Menge der gehandelten Wertpapiere.Wird der Preisprozess S := (St)0≤t≤T betrachtet, so kann M auch als Men-ge aller moglichen Folgen einer Erstinvestition x ∈ R plus die Resultatedes anschließenden Handelns mittels einer vorhersehbaren HandelsstrategieH := (Ht)0≤t≤T gesehen werden. Dadurch ergibt sich fur die Elemente in M

m = x+

∫ T

0

Ht dSt. (1)

Es liegt nahe den Preis der gehandelten Claims m als π(m) := x zu setzen,da x den Nettowert notig fur die Erstinvestition bezeichnet. π : M → Rist dabei ein linearer Preisoperator. Formel (1) gilt fur den Fall, dass S eineindimensionaler Prozess ist. Ist S Rd-wertig, d ∈ N, so ergibt sich fur dieElemente in M

m = x+

∫ T

0

d∑i=0

H it dS

it .

Mit diesem Vorwissen, kann nun Arbitragefreiheit neu definiert werden:

Definition 7. Ein Markt bestimmt durch (X, τ), M und π (wie obenangefuhrt) ist arbitragefrei, wenn fur m ∈ M mit m ≥ 0 P-fs undP[m > 0] > 0 gilt

π(m) > 0.

In Worten ausgedruckt heißt das, dass in einem arbitragefreien Markt keinClaim m ∈ M gefunden werden kann, der risikolos ist (vgl. m ≥ 0 P-fs.),

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echt positiven Gewinn mit echt positiver Wahrscheinlichkeit abwirft (vgl.P[m > 0] > 0) und dessen Preis π(m) kleiner oder gleich Null ist.

Nun stellt sich die Frage, ob dieser Preisoperator π : M → R zu einemπ∗ : X → R fortgesetzt werden kann. Mit diesem Problem beschaftigtensich Harrison und Kreps genauer. Ihre Antwort lautete wie folgt: Setze X =Lp(Ω,F ,P) fur 1 ≤ p <∞ und sei S := (St)0≤t≤T , wobei St ∈ X ∀0 ≤ t ≤ Tgelte. M beinhalte alle stochastischen Integrale des Prozesses S der Form

m = x+n∑i=0

Hi(Sti − Sti−1). (2)

Hierbei gelte x ∈ R und 0 = t0 < t1 < · · · < tn = T und (Hi)ni=1 sei ein

beschrankter, vorhersehbarer Prozess (d.h. Hi ist fur alle i = 1, ..., n Fti−1

messbar. Ebenso wie zuvor wird der Preis des Claims m gesetzt als π(m) =x).

Im nachsten Schritt wird vorausgesetzt, dass das Funktional π, welchesfur die Claims der Form (2) definiert ist, zu einem stetigen, nicht-negativenFunktional π∗ auf X = Lp(Ω,F ,P) fortgesetzt werden kann. Existiert ei-ne solche Fortsetzung π∗, so wird diese von einer Funktion g ∈ Lq(Ω,F ,P)induziert, wobei 1

p+ 1

q= 1 gilt. Die Nicht-Negativitat von π∗ ist gleichbedeu-

ted mit der Bedingung, dass g ≥ 0 P-fs. Da außerdem π∗(1) = 1 gilt, ist gdie Dichte eines Wahrscheinlichkeitsmaßes Q mit Radon-Nikodym-AbleitungdQdP = g.

Kann so eine Fortsetzung π∗ von π gefunden werden, kann somit auch einWahrscheinlichkeitsmaß Q auf (Ω,F ,P) gefunden werden, fur das

π∗

(n∑i=1

Hi(Sti − Sti−1)

)= EQ

[n∑i=1

Hi(Sti − Sti−1)

]

fur alle beschrankten vorhersehbaren Prozesse H = (Hi)ni=1 gilt. Dies ist

gleichwertig zur Bedingung, dass (St)0≤t≤T ein Martingal ist.Kurz zusammengefasst bedeutet das, dass im Fall 1 ≤ p <∞ eine stetige,

nicht-negative Fortsetzung π∗ : Lp(Ω,F ,P) → R von π gefunden werdenkann, indem ein zu P absolut stetiges Maß Q mit dQ

dP ∈ Lq gefunden wird,sodass (St)0≤t≤T ein Martingal unter Q ist.

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An dieser Stelle kommt nun der Satz von Hahn-Banach ins Spiel. Erwird benotigt, um eine solche Fortsetzung π∗ zu finden. Dazu muss X miteiner starken Topologie versehen werden, um sicherzustellen, dass das Inneredes positiven Orthants4 nicht leer ist. Der einzige unendlich-dimensionaletopologische, geordnete Vektorraum, der diesen Anforderungen entspricht,ist der L∞(Ω,F ,P) mit der Topologie induziert von ‖ · ‖∞.

Nach diesen vorbereitenden Schritten kann nun zwischen zwei konvexenMengen unteschieden werden. Seien M0 := m ∈ M : π(m) ≤ 0 und X+

das Innere des positiven Kegels von X. An dieser Stelle ist es wichtig einebesondere Beobachtung zu machen: M0 und X+ sind disjunkt, genau dannwenn keine Arbitrage existiert. Da die beiden Mengen disjunkt sind, kannein Funktional π gefunden werden, dass strikt positiv auf X+ ist, aber nicht-negative Werte in M0 annimmt. Wird π normiert, z.B. π∗ := π(1)−1π, kanndie gesuchte Fortsetzung von π gefunden werden.

In diesem Setting wurde von David Kreps eine weitere Definition von Ar-bitragefreiheit verfasst. Diese ist aquivalent zu Arbitragefreiheitsbedingungnach Definition 5.

Definition 8. Seien M0 := m ∈ M | π(m) = 0 und X+ das Innere despositiven Kegels von X. Der Markt ist arbitragefrei, wenn M0 ∩X+ = ∅.Dies ist aquivalent zur Bedingung, dass C ∩X+ = ∅, wobei C das Innere desKegels M0 −X+ = y ∈ X | ∃x ∈M0 : y ≤ x

Interpretiert werden kann diese Definition wie folgt: eine Arbitragemoglichkeitist ein positives Element x ∈ X+, dessen Marktpreis π(x) = 0. Das Modellist arbitragefrei, wenn keine solche Handelsmoglichkeit existiert.

Im Hinblick auf die Restriktionen des FS auf endliches Ω wurden von Da-vid Kreps einige bedeutsame Ergebnisse entwickelt. Dieser mathematischeDurchbruch geht uber die Grenzen der Endlichkeit hinweg. Kreps Ergebnissewerden im Folgenden sogleich aufgezeigt.

Gegeben seien M ⊆ X und π : M → R, ein lineares Funktional. Ty-pischerweise wird fur X der Lp(Ω,F ,P) mit 1 ≤ p ≤ ∞ gewahlt und mitder Topologie τ der Normkonvergenz ausgestattet. Fur p = ∞ wird die so-

4 Ein Orthant um einen Punkt p bezeichnet in der Geometrie eine Teilmenge des d-dimensionalen Raumes Rd, die auf jeweils genau einer Seite der durch p verlaufendenachsenparallelen Hyperebenen liegt. Ein Orthant ist, genauer gesagt, der Schnitt von d zujeweils einer Achse parallelen und durch p verlaufenden Halbraumen des Rd. Z.B. im R2

entsprechen die vier Quadranten des kartesischen Koordinatensystems den Orthanten umden Ursprung (0, 0) (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Orthant).

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genannte Mackey-Topologie5, die von L1(Ω,F ,P) induziert wird, gewahlt.Dieses Setting stellt sicher, dass ein stetiges, lineares Funktional auf (X, τ)von einem Maß Q, das absolut stetig bzgl. P ist, induziert wird. Nun wirdfur die Weiterentwicklung des FS eine neue, maßgebende Definition benotigt.

Definition 9. In einem Markt definiert durch (X, τ), M und π gibt es einenFree Lunch, wenn (mα)α∈I ∈ M0 := m ∈ M : π(m) = 0 und (hα)α∈I ∈X+ existieren, sodass

limα∈I

(mα − hα) = x

fur ein x ∈ X+\0.

Diese Definition ist aquivalent zum Folgenden: Der Markt ist arbitragefrei,genau dann wenn (M0 −X+) ∩X+ = ∅.

Die”No Free Lunch“-Bedingung ist eine Verscharfung der Arbitragefrei-

heit. Gibt es eine Arbitrage, so kann bloß ein Element x ∈ X+\0, dasauch in M0 liegt, gefunden werden. Gibt es einen

”Free Lunch“, kann dies

nicht garantiert werden. Es kann aber ein x ∈ X+\0 gefunden werden, dassin der τ -Topologie mit Elementen der Form mα − hα approximiert werdenkann. Der Ubergang von mα zu mα−hα bedeutet, dass Handelnde am Marktsozusagen

”Geld wegwerfen“ konnen.

Mit dieser neuen Definition kann nun eine erste Verscharfung des FS for-muliert werden:

Satz 2. Betrachtet werde ein Modell in stetiger Zeit. Sei dazu (Ω,F ,P) einWahrscheinlichkeitsraum und S = (St)0≤t≤T ein beschrankter, stochastischerProzess.

Dann gibt es fur S keinen”

Free Lunch“, genau dann wenn ein Wahrschein-lichkeitsmaß Q existiert, das aquivalent zu P ist und unter dem S ein Mar-tingal ist.

5 Die Definition wird einfachheitshalber an dieser Stelle ausgelassen und der Fall p =∞zusammen mit der Verwendung der Mackey-Topologie ausgelassen, da diese fur den Zweckdieser Arbeit zu umfangreich und komplex waren. Falls Interesse an diesem Sonderfallbesteht, sei an dieser Stelle auf das folgende Werk verwiesen: Mackey, George. 1943. OnConvex Topological Linear Spaces. Proceedings of the National Academy of Sciences of theUnited States of America 29:10, 315-319.

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Dieser Satz hat allerdings immer noch Schwachen. Anhand der Arbeit vonDavid Kreps kann jedoch eine weitere Weiterentwicklung des FS abgeleitetwerden. Diese lautet wie folgt:

Satz 3. Sei (Ω,F ,P) ein Wahrscheinlichkeitsraum mit abzahlbar erzeug-ter σ-Algebra und sei (X, τ) ein topologischer, geordneter Raum. Dieser seiX = Lp(Ω,F ,P) ausgestattet mit der Normtopologie τ fur 1 ≤ p <∞ (bzw.ausgestattet mit der Mackey-Topologie induziert von L1(Ω,F ,P) fur p =∞).Sei S = (St)0≤t≤T ein stochastischer Prozess mit Werten in X und M0 ⊆ Xbestehe aus den einfachen stochastischen Integralen

∑ni=1Hi(Sti − Sti−1

) .

Dann gibt es”

No Free Lunch“, gdw. ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q mitdQdP ∈ Lq(Ω,F ,P), wobei 1

p+ 1

q= 1, existiert, sodass S ein Q-Martingal

ist.

Dieser bedeutsame Satz von Kreps setzte neue Maßstabe in der Finanzma-thematik. Zum ersten Mal gab es eine mathematisch prazise Aussage, die fureine generelle Klasse an Modellen in stetiger Zeit gilt.

Trotz allem finden sich auch bei diesem Theorem einige Schwachstellen. Giltetwa 1 ≤ p <∞, so muss fur dQ

dP ∈ Lq(Ω,F ,P) q > 1 gelten. Diese Bedingung

ist nicht unbedingt wunschenswert, da so eine q-Momentenbedingug fur diemeisten Anwendungen unnaturlich erscheint.

Eine weitere unbeantwortete Frage von Kreps ist, ob der Term(mα − hα)α∈I , der mittels α aus einer endlichen, geordneten Indexmengeindiziert ist, durch (mn − hn)∞n=1 ersetzt werden kann. Der MathematikerFreddy Delbaen beantwortete diese offene Frage. Dazu mussen die deter-ministischen Zeitpunkte 0 = t0 ≤ t1 ≤ · · · ≤ tn = T durch Stoppzeiten0 = τ0 ≤ τ1 ≤ · · · ≤ τn = T ersetzt werden.

Nach dem Satz von Banach-Steinhaus folgt, dass die Folge (mn − hn)∞n=1

in L∞(Ω,F ,P) im Hinblick auf die schwache Topologie (oder die Mackey-Topologie) konvergiert und dass die Normen (‖mn − hn‖∞)∞n=1 beschranktbleiben. Daraus folgt, dass bei einem beschrankten Prozess S = (St)0≤t≤Toder einem Prozess (St)

∞t=0 in unendlicher, diskreter Zeit die

”No Free Lunch“-

Bedingung von Kreps aquivalent durch die Bedingung des”No Free Lunch

mit beschranktem Risiko“6 ausgetauscht werden kann.Die Formulierung

”mit beschranktem Risiko“ lasst sich dadurch erklaren,

dass die Beschranktheit von (‖mα − hα‖∞)α∈I verlangt wird. Daraus folgt,

6 Englisch: No Free Lunch with Bounded Risk

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dass eine Konstante K > 0 existiert, sodass Mα ≥ −K P-fs, fur alle α ∈ I.

Werden stattdessen Semimartingal7-Modelle S = (St)0≤t≤T betrachtet, sogenugt die Bedingung des

”No Free Lunch mit beschranktem Risiko“ nicht,

um die Existenz eines aquivalenten Martingalmaßes zu sichern. Hier werdennun die stochastischen Integrale, wie sie in (1) auftreten benotigt, da dieeinfachen Integrale aus (2) nicht mehr ausreichen.

Bei allgemeinen Integranden sind zuerst einige essenzielle Fragen zu be-antworten. Zuallererst hat das Integral in (1) mathematisch wohldefiniert zusein. Aus den Theorien uber die stochastische Integration, die auf Kiyosi Itozuruckgehen, wird zweitens verlangt, dass S ein Semimartingal (vgl. Defini-tion 108) ist.

Definition 10. Gegeben sei ein Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,F ,P) mit zu-gehoriger Filtration (Ft)0≤t≤T . Ein Semimartingal ist ein stochastischerProzess X = (X0, ..., XN), N ∈ N, mit Werten in Rd, d ∈ N, mit

X ist an (Ft)0≤t≤T adaptiert.

Die Pfade von X sind rechtsseitig stetig und die linksseitigen Limitenexistieren.

Es existiert ein Prozess A von endlicher Variation und ein MartingalM , sodass

X = X0 +M + A,

wobei X0 fast sicher endlich und F0-messbar ist (vgl.https://de.wikipedia.org/wiki/Semimartingal).

Damit das stochastische Integral aus (2) fur alle S-integrierbaren vorherseh-baren Prozesse H = (Ht)0≤t≤T mathematisch Sinn macht, muss also S ein

7 siehe Definition 108 Fur die Definition des Semimartingals wird zusatzlich noch folgende Definition

benotigt: Sei f : [a, b] → R eine Funktion, wobei a, b ∈ R. f hat endliche Variati-on, wenn es eine endliche obere Schranke M gibt, sodass fur jede endliche Partitiona = x0 < x1 < · · · < xn = b von [a, b] gilt

n∑k=1

|f(xk)− f(xk−1)| ≤M

(vgl. Kusolitsch 2013:195).

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Semimartingal sein. Fur die letzte Weiterentwicklung des FS, die im Zugedieser Arbeit angefuhrt werden soll, wird nun noch eine weitere wichtige De-finition benotigt.

Definition 11. Ein S-integrierbarer vorhersehbarer Prozess H = (Ht)0≤t≤Theißt zulassig, wenn eine Konstante K > 0 existiert, sodass∫ t

0

Hu dSu ≥ −K, fs fur 0 ≤ t ≤ T

Die okonomische Interpretation dieser Definition ist, dass die Parteien imMarkt so handeln mussen, dass sie eine endliche KreditgrenzeK nicht uberschreiten.

Definiere nun H :=∫ T

0Ht dSt : H ist zulassig

. Im nachsten Schritt

wird den Parteien im Markt erlaubt”Geld wegzuwerfen“, ahnlich wie es in

Kreps Werk vorkommt:

C := g ∈ L∞(Ω,F ,P) : g ≤ f, fur ein f ∈ H= [H− L0

+(Ω,F ,P)] ∩ L∞(Ω,F ,P)

Hierbei definiere L0+(Ω,F ,P) die Menge der nicht-negativen, messbaren Funk-

tionen.Wie bereits erwahnt, genugt die

”No Free Lunch mit beschranktem Risi-

ko“-Bedingung fur Semimartingale nicht mehr. Eine neue Definition, die der

”No Free Lunch mit verschwindendem Risiko“9, liefert allerdings eine Losung

dafur, wie die Idee des Semimartingals in die Aussage des FS eingebaut wer-den kann.

Definition 12. Ein lokal beschranktes Semimartingal S = (St)0≤t≤T erfulltdie

”No Free Lunch mit verschwindendem Risiko“-Bedingung,

wennC ∩ L∞+ = 0,

wobei C den ‖ · ‖∞ von C definiere.

Zu guter Letzt soll nun noch eine weiter Umformulierung des ersten Funda-mentsatzes der Preistheorie angefuhrt werden.

9 Englisch: No Free Lunch with Vanishing Risk

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Satz 4. Sei S = (St)0≤t≤T ein lokal beschranktes, reellwertiges Semimartin-gal. Dann sind aquivalent:

(i) Es existiert ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q auf (Ω,F), welches zu Paquivalent ist und unter dem S ein lokales Martingal ist.

(ii) S erfullt die”

No Free Lunch mit verschwindendem Risiko“-Bedingung.

3 Risk Neutral Pricing

3.1 Einfuhrung der Thematik

Die Bewertung von zukunftigen und riskanten Cashflows stellt in der Praxisein haufiges Problem dar.

”Riskant“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass

die Zahlungen nicht deterministischer Natur sind, sondern dass der Betragder zukunftigen Cashflows unsicher ist. Naturlich ist in Wirklichkeit allesZukunftige mit Unsicherheiten behaftet. Um das Phanomen des Risk Neu-tral Pricings anschaulicher darzustellen, werden zu Beginn dieses Kapitelszwei Beispiele angefuhrt.

Beispiel 1: Ein Investitionsprojekt

Vorzustellen sei die folgende Situation: Eine Firma mochte eine neue Fabrikeroffnen. Nun ist es wichtig, zu uberlegen, ob eine solche Fabrik wirklichgenug Gewinn verspricht, damit sich die Investition rentiert.

Zuerst wird normalerweise das Net Asset Value (NAV) berechnet. ZuDeutsch wird das meist mit

”Nettoinventarwert“ oder

”Nettovermogenswert“

ubersetzt. Generell ist damit gemeint, dass die zukunftigen Cashflows, diedurch die Eroffnung der neuen Fabrik entstehen, geschatzt werden. In denersten Jahren kann das NAV oftmals negativ sein, was sich allerdings durchdie ersten großen Ausgaben erklaren lasst. Wichtig ist allerdings in diesemSchritt, dass das zuerst negative NAV moglichst schnell von den positivenCashflows der darauffolgenden Jahren kompensiert wird.

Anschließend werden diese Schatzungen fur alle Jahre zusammengetra-gen und das NAV auf den gegenwartigen Zeitpunkt abdiskontiert. Da beiSchatzungen logischerweise Unsicherheiten bzw. Fehler auftauchen, muss furdiese angemessen kompensiert werden. Um dies umzusetzen, wird normaler-

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weise eine Zinsrate, die hoher als die risikolose Renditenrate10 ist, eingesetzt.Naturlich kann eigentlich keine Zinsrate als wahrhaft

”risikolos“ bezeichnet

werden. In der Realitat werden an dieser Stelle meist die Renditen von Staats-anleihen herangezogen.

Der Unterschied zwischen der risikolosen Renditerate und der zum Ab-diskontieren verwendeten Zinsrate kann maßgeblich sein, um fur den Gradan Ungewissheit angemessen aufzukommen. Nur wenn das NAV, welchessich durch die Diskontierung mittels der erhohten Renditerate ergibt, positivbleibt, wird in das Projekt investiert.

Vom mathematischen Standpunkt aus, kann die obige Prozedur wie folgtzusammengefasst werden:

1. Man nehme den Erwartungswert der zukunftigen Cashflows zu allenZeitpunkten.

2. Diese Werte diskontiere man mittels einem erhohten Diskontierungs-faktor auf den gegenwartigen Zeitpunkt ab.

Es gibt allerdings keine mathematisch prazise Art, wie genau fur den Gradan Ungewissheit aufzukommen ist und wie sich das auf die Wahl der Diskon-tierungsrate auswirkt.

Beispiel 2: Eine Todesfallversicherung

An diesem Beispiel lasst sich das Zusammenspiel von Erwartungswert undDiskontierung beim Miteinbeziehen der Risikofaktoren erkennen. Der folgen-de Ansatz findet in der modernen Finanzmathematik haufig Einsatz, beson-ders bei der Black-Scholes-Formel, obwohl diese Methode schon seit vielenJahren von AktuarInnen verwendet wird.

Zu betrachten ist eine gewohnliche Todesfallversicherung auf ein Jahr,bei der im Fall des Todes die Versicherungssumme S am Ende des Jah-res ausgezahlt wird. Der Einfachheit halber sei S = 1. Uberlebt der/dieVersicherungsnehmer/-in das eine Jahr, so wird nichts ausgezahlt und derVertrag endet mit Ende des Jahres.

Der erste Schritt fur jede/-n Aktuar/-in ist nun die Pramien fur diesenVertrag zu berechnen. Da es sich um eine Todesfallversicherung handelt, wer-den dafur die Sterbewahrscheinlichkeiten, die fur den/die Versicherungsnehmer/-in relevant sind, benotigt. Diese sind in sogenannten Sterbetafeln nachzulesen.In diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit, mit der der/die Versicherungsnehmer/-in dieses eine Jahr uberlebt, ausschlaggebend. Die aktuarielle Notation fur

10 Englisch: Riskless Rate of Return

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diese Wahrscheinlichkeit ist qx, wobei x das Alter der zu versicherten Personbezeichnet.

Um die (Netto-)Pramien fur solch eine Versicherung zu berechnen, ver-wenden AktuarInnen die folgende Formel:

P = S1

1 + iqx =

1

1 + iqx (3)

In dieser Formel bezeichnet qx den Erwartungswert der zukunftigen Cash-flows und i die Zinsrate. Daraus ergibt sich, dass P den diskontierten Er-wartungswert der Cashflows am Ende des Jahres darstellt. Erwahnenswertist außerdem, dass fur i immer eine

”konservative“ Zinsrate verwendet wird,

z.b. i = 3%. Dies soll die”risikolose Renditenrate“ wiederspiegeln.

Des Weiteren konnen die Pramien P des Vertrages auch als der Barwertder unsicheren zukunftigen Cahsflows gesehen werden. In diesem Fall stelltsich die Frage, wie AktuarInnen fur den Grad an Ungewissheit in dieser Ver-sicherung aufkommen konnen. Die Antwort ergibt sich aus Formel (3), danicht nur die Zinsrate i sondern auch die Sterbewahrscheinlichkeit qx in dieBerechnung von P eingeht. Es liegt nun an den AktuarInnen einen

”guten“

Wert fur qx zu wahlen, sodass angemessen fur das Risiko aufgekommen wird.Da es in einem Versicherungsunternehmen hunderte bis tausende Vertragegibt, konnen sich AktuarInnen den

”wahren“ Wert von qx durch Betrach-

tung der vielen Vertrage herleiten. Dieser Wert wird jedoch nicht fur dieBerechnung von P verwendet. Stattdessen wird fur diese Versicherung ein qxverwendet, das großer als der

”wahre“ Wert ist (vgl. fur eine Erlebensver-

sicherung wird ein niedrigeres qx als das”wahre“ verwendet). AktuarInnen

sprechen dabei von Sterbetafeln erster und zweiter Art. In den Sterbeta-feln zweiter Art konnen die

”wahren“ Sterbewahrscheinlichkeiten abgelesen

werden. Diese werden allerdings nur fur interne Analysen innerhalb des Ver-sicherungsunternehmens herangezogen. Auf der anderen Seite befinden sichin den Sterbetafeln zweiter Art jene Sterbewahrscheinlichkeiten, die fur denZweck des Versicherungsgeschafts angemessen

”modifiziert“ wurden. Diese qx

werden nicht nur fur die Berechnung von Pramien, sondern generell fur allewichtigen rechnerischen Großen im Versicherungsunternehmen herangezogen,z.B. Berechnung von Reserven oder Ruckkaufsleistungen.

Diese Erklarungen zeigen, dass die Berechnung einem durchgehend lo-gischen System folgen. Diese Logik ist die eines fairen Spiels, bzw. mathe-matisch ausgedruckt, die eines Martingals. Genauer gesagt: Modelliert qxdie Sterblichkeit einer versicherten Person korrekt und ist i die Zinsrate, dieein Versicherungsunternehmen beim Investieren der Pramien genau erreichenkonnte, so macht die Pramienberechnung (3) diese Versicherung wirklich zueinem fairen Spiel.

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Diese aktuarielle Technik der Pramienberechnung wurde eingehender erklart,da sie fur das Verstandnis der Bepreisung von Options nach Black, Scholesund Merton hilfreich ist. Ihr bekanntes Modell sieht fur eine riskante AnleiheS und ein risikoloses Wertpapier B folgendermaßen aus:

dSt = Stµdt+ StσdWt (4)

dBt = Btrdt. (5)

Wird nun z.B. eine europaische Call-Option fur die Anleihe S mit Auszah-lungsfunktion CT = (ST −K)+ zum Falligkeitszeitpunkt T betrachtet, wirdvon Black, Scholes und Merton das Folgende als Losung fur dessen Preisfin-dung vorgeschlagen:

C0 = e−rTEQ[CT ] (6)

Wird Formel (6) mit der Formel zu Pramienberechnung (3) verglichen, solasst sich ein perfektes Analogon erkennen. Der erste Term in (6) reprasentiertdabei die Diskonitierung, indem eine

”konservative“ Zinsrate r im Expo-

nenten verwendet wird. Der zweite Term ergibt den Erwartungswert derzukunftigen Cashflows unter einem risikoneutralen WahrscheinlichkeitsmaßQ. Q wird dabei so gewahlt, dass (4) zum folgenden wird:

dSt = Strdt+ StσdWt (7)

Nun ist der Anderungsterm Strdt von S unter Q aus (7) im Einklang mitder Wachstumsrate des risikolosen Wertpapiers (vgl. Formel (5)).

Formel (7) kann folgendermaßen interpretiert werden: Wenn der Marktmittels dem Wahrscheinlkeitsmaß Q korrekt modelliert ist, dann ist derMarkt risikoneutral. Mathematisch gesprochen, heißt das, dass (e−rtSt)0≤t≤T(also der Preisprozess diskontiert mit der risiolosen Zinsrate r) eine Martingalunter Q ist.

3.2 Risk Neutral Pricing in generellen Modellen

Im Black-Scholes-Modell (4)&(5) gibt es nur ein risikoneutrales MaßQ, unterdem der diskontierte Preisprozess ein Martingal ist11. Diese Eigenheit cha-rakterisiert vollstandige Markte. Fur diesen Fall erhalt man aus (6) nicht nurden Preis C0 der Auszahlungsfunktion zum Falligkeitszeitpunkt T , sonderndiese Funktion kann dupliziert werden, indem im Zeitpunkt t = 0 von der

11 Dieses Argument stimmt, wenn fur den zugrunde liegenden filtrierten Wahrschein-lichkeitsraum (Ω,F , (Ft)0≤t≤T ,P) gilt, dass F = FT und dass die Filtration (Ft)0≤t≤Tvon (St)0≤t≤T erzeugt ist.

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Erstinvestition gegeben durch (3) ausgegangen und anschließend damit imzugrunde liegenden Portfolio gehandelt wird.

Nun stellt sich naturlich die Frage, wie die Situation in unvollstandigenMarkten aussieht, z.B. falls es mehr als ein risikoneutrales Maß Q gibt. DieArbeit von Harrison und Pliska zeigt, dass Formel (6) gerade alle konsistentenPreisfindungsregeln fur Derivate S ergibt, wenn Q uber die Menge der zu Paquivalenten Martingalmaße lauft. Sei P eben diese Menge. Mit

”konsistent“

ist gemeint, dass keine Arbitrage moglich sein sollte, wenn alle moglichenDerivate aus S zu dem Preis, der sich aus (6) ergibt, gehandelt werden.

Eine weitere wichtige Frage ist, welches Q ∈ P eine gute Wahl ware. Hierkommt nun das zugrunde liegende Wahrscheinlichkeitsmaß P mit ins Spiel,denn meist wird ein Q ∈ P , das P moglichst

”ahnlich“ ist, gewahlt.

Um diese Idee zu konkretisieren, fixiere eine strikt konvexe Funktion V (y),z.B.

V :

R+ → Ry 7→ y (ln(y)− 1)

(8)

oder

V :

R → Ry 7→ y2

2

(9)

Q ist anschließend zu bestimmen, indem nach dem Optimierer des folgendenOptimierungsproblems gesucht wird.

E[V

(dQdP

)]→ min!, Q ∈ P . (10)

Fur V (y) wie in (8) entspricht das Optimierungsproblem der Problemstel-lung, ein Q ∈ P zu finden, sodass die relative Entropie12

H(Q|P) = EQ[ln

(dQdP

)]minimal wird. Fur das zweite Beispiel von V (y) (Nummer (9)) entspricht dasOptimierungsproblem der Problemstellung, ein Q ∈ P zu finden, sodass die

12 Seien P und Q zwei Wahrscheinlichkeitsmaße diskreter Werte. Dann ist die relativeEntropie definiert durch:

H(P |Q) :=∑ω∈Ω

P (ω) · logP (ω)

Q(ω

(vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Kullback-Leibler-Divergenz).

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L2-Norm ∥∥∥∥dQdP∥∥∥∥L2(P)

= EP

[(dQdP

)2] 1

2

minimal wird.Des Weiteren ist eine Verbindung zwischen diesen Problemstellungen und

dem sogenannten Indefference Pricing13 festzustellen. Dies ist eine Methodefinanzielle Sicherheiten mithilfe einer Nutzenfunktion zu bepreisen. Genau-er gesagt ist der Indifferenz-Preis jener Preis, zu dem ein/-e Kaufer/-in dengleichen erwarteten Nutzen hat, egal ob er/sie (optimal) handelt oder nicht.Sei dazu U(x) die Legendre-Fenchel-Transformation von V , welche folgen-dermaßen definiert ist

U :

R → R ∪ ∞x 7→ infy−xy + V (y)

Fur das erste Beispiel von V ergibt das U(x) = −e−x. Fur das zweite Beispielvon V folgt andererseits U(x) = −x2

2. Diese beiden Funktionen konnen als

Nutzenfunktionen interpretiert werden. Unter angebrachten Voraussetzun-gen lasst sich somit fur den Optimierer Q sagen, dass dieser durch Einsetzenin (6) die gleichen Ergebnisse erbringt, wie die Bepreisung mittles des Grenz-nutzens. Somit kann zusammenfassend gesagt werden, dass die Bepreisungmittels des Grenznutzens eine konsistente Regel zur Preisfindung im Sinnevon Harrison und Kreps ist.

4 Zusammenfassung

Zusammenfassend lasst sich sagen, dass der erste FS der Preistheorie not-wendige und hinreichende Bedingungen an einen arbitragefreien Markt dar-stellt. Eine Arbitrage ist dabei eine Handelsstrategie, mit der ohne Erstkos-ten sicherer Gewinn ohne jedlichen Verlust gemacht werden kann. ObwohlMoglichkeiten einer Arbitrage oft kurzzeitig in der Realitat moglich seinkonnen, ist die Meinung vorherrschend, dass diese Art von Profit in einemstabilen Markt vermieden werden muss.

Der erste Fundamentalsatz der Preistheorie ist besonders maßgebend, daer eine fundamentale Eigenschaft von Marktmodellen festlegt. Der zweiteFundamentalsatz, der im Zuge dieser Arbeit nur geringfugig betrachtet wur-de, beschaftigt sich wiederum mit der Vollstandigkeit von Markten. In ei-nem vollstandigen Markt lasst sich jeder Contingent Claim duplizieren. Auch

13 (vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Indifference price)

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wenn diese Eigenschaft in vielen Marktmodellen vorkommt, z.B. im Black-Scholes-Modell, so wird sie doch oft als unerwunscht oder unrealisitsch an-gesehen.

Im Zuge dieser Arbeit wurden einige Weiterentwicklungen des ersten FSder Preistheorie vorgestellt. Anhand dieser Fortsetzungen wurden mehrereDefinitionen der einflussreichen Idee der Arbitrage angefuhrt. Zusammen mitdiesem Wissen wurde anschließend das Risk Neutral Pricing behandelt. Andiesen beiden Teilgebieten der Finanzmathematik lasst sich die Idee der Ar-bitrage in Verbindung mit aquivalenten Martingalmaßen deutlich erkennen -zwei wesentliche Definitionen, die die heutige Finanzmathematik maßgeblichgepragt haben.

5 Literatur

Indifference Pricing: https://en.wikipedia.org/wiki/Indifference price

Orthant: https://de.wikipedia.org/wiki/Orthant

Relative Entropie: https://de.wikipedia.org/wiki/Kullback-Leibler-Divergenz

Schachmayer, Walter. No Arbitrage: On the Work of David Kreps.In: http://www.mat.univie.ac.at/∼schachermayer/preprnts/prpr0088.pdf, Stand:10/02/2016.

Schachmayer, Walter. 2013. Risk Neutral Pricing. In: MacLean, Leonard/Ziemba,William (Hg.) Handbook on the Fundamentals of Financial Decision Making.New Jersey/London/Singapore/Beijing/Shanghai/Hongkong/Taipei/Chennai:World Scientific, 49-56.

Schachmayer, Walter. 2013. The Fundamental Theorem of Asset Pricing. In:MacLean, Leonard/Ziemba, William (Hg.) Handbook on the Fundamentals ofFinancial Decision Making. New Jersey/London/Singapore/Beijing/Shanghai/Hongkong/Taipei/Chennai: World Scientific, 31-48.

Schachmayer, Walter. The Notion of Arbitrage and Free Lunch in Mathema-tical Finance. In: http://www.mat.univie.ac.at/∼schachermayer/preprnts/prpr0118a.pdf, Stand: 10/02/2016.

Semimartingal: https://de.wikipedia.org/wiki/Semimartingal

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