Handbuch für Ausbilder

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Holger Gronau, Daniela Hübel, Janina Gronau All in One Universal- Handbuch für Lehrer und Ausbilder Autoren-Team: Holger Gronau Daniela Hübel Janina Gronau © Copyright

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Holger Gronau, Daniela Hübel, Janina Gronau

All in OneUniversal-Handbuch

für Lehrer und Ausbilder

Autoren-Team:Holger GronauDaniela HübelJanina Gronau

© Copyright

Page 2: Handbuch für Ausbilder

Vorwort

Die Ausbildungslandschaft in Deutschland hat sich in den letzten 50 Jahren deutlich gewandelt.

Vor 50 Jahren reichte noch ein Hauptschulabschluss, um eine Ausbildung in Industrie und

Handwerk zu absolvieren. Heute beklagt das Handwerk, dass viele Hauptschulabsolventen nicht

mehr ausbildungsfähig sind. So ist bisweilen schon ein Malerlehrling nicht in der Lage die

Quadratmeterzahl von 4 Wänden zu ermitteln, um die erforderliche Menge der Farbe zu

bestimmen. In der Lehrstellenbesetzung wurden in den letzten Jahren, die Hauptschüler immer

mehr von den Realschülern verdrängt. Das setzt sich bis zum Abiturienten mit dem Übergang zur

Universität fort. Das heißt im System der bundesdeutschen Ausbildung müssten die Abholpunkte

für eine weiterführende Ausbildung klar definiert und damit auch standardisiert sein. Das sind sie

aber offensichtlich nicht.

Das einzige, das für den Bürger erkennbar standardisiert ist, ist die Fahrschulausbildung. Hier sind

Pflichtstunden in Theorie und Praxis klar vorgeschrieben und es ist auch für jeden eindeutig

erkennbar und nachvollziehbar, wann er die Prüfung bestanden hat oder nicht.

Gleiches gilt für die Ausbildung in der Luftfahrt. Hier werden Piloten und technisches Personal

einheitlich nach europäischen Bestimmungen ausgebildet.

Sowohl der Autofahrer als auch der Pilot eines Luftfahrzeugs finden sich im Straßenverkehr und

Luftraum anderer Staaten zurecht. Hier ist also die Standardisierung der Ausbildung erfolgreich

gewesen. Die liegt ja auch im Zuständigkeitsbereich des Verkehrsministeriums.

Warum klappt das jetzt aber nicht in der schulischen Ausbildung? Wenn eine Standardisierung auf

EU - Ebene mit den europäischen Staaten gelingt, warum schaffen das nicht die deutschen

Bundesländer mit ihrer Kultusministerkonferenz auch?

Eine Standardisierung in der Ausbildung beginnt ja schon mit einer gemeinsamen Vorstellung

davon, wie denn eine Ausbildung zu organisieren ist.

Dieses Buch soll dazu einen Beitrag leisten.

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Inhalt Inhalt..........................................................................................................................................31 Einführung...............................................................................................................................52 Lernen und Lehren...................................................................................................................6

2.1 Lernen...............................................................................................................................72.2 Lehren...............................................................................................................................92.3 Zusammenfassung...........................................................................................................11

3 Phasenmodell eines Unterrichts.............................................................................................124 Didaktik..................................................................................................................................155 Didaktische Analyse..............................................................................................................17

5.1 Der Ausbilder/Lehrer......................................................................................................185.1.1 Akzeptanz des Ausbilder/Lehrers............................................................................195.1.2 Richtiges Ausbilder - /Lehrerverhalten....................................................................215.1.3 Wie wirkt sich Strafe aus?........................................................................................225.1.4 Was bewirkt Frustration?.........................................................................................23

5.2 Lernziele..........................................................................................................................235.2.1 Allgemeine Betrachtung...........................................................................................24

5.2.1.1 Wann hat ein Auszubildender etwas gelernt? ................................................245.2.1.2 Wozu braucht man eine Lernzielbeschreibung?.............................................255.2.1.3 Wie muss eine Lernzielbeschreibung aussehen?............................................27

5.2.2 Lernziele in der didaktischen Analyse.....................................................................295.2.2.1 Curriculum und Lernziele...............................................................................295.2.2.2 Was sind Lernzielbereiche?............................................................................30

5.2.2.2.1 Der kognitiver Bereich............................................................................315.2.2.2.2 Der psychomotorische Bereich...............................................................315.2.2.2.3 Der affektive Bereich..............................................................................32

5.2.2.3 Was sind Lernzielstufen..................................................................................325.2.2.3.1 Lernzielstufen für kognitive Lernziele....................................................335.2.2.3.2 Lernzielstufen für psychomotorische Lernziele......................................355.2.2.3.3 Lernzielstufen für affektive Lernziele.....................................................36

5.2.2.4 Was sind Lernzielklassen?..............................................................................375.3 Lerninhalte......................................................................................................................405.4 Lerngruppe......................................................................................................................415.5 Ausbildungsmittel...........................................................................................................43

5.5.1 Originalmaterial.......................................................................................................435.5.2 Ausbildungsmaterial................................................................................................445.5.3 Ausbildungshilfsmittel.............................................................................................44

5.6 Methodik.........................................................................................................................455.6.1 Methodische Vorgehensweise..................................................................................465.6.2 Ausbildungsformen sind .........................................................................................465.6.3 Ausbildungsverfahren..............................................................................................47

5.6.3.1 Der Vortrag.....................................................................................................485.6.3.2 Das Referat......................................................................................................485.6.3.3 Das Unterrichtsgespräch.................................................................................495.6.3.4 Brainstorming.................................................................................................505.6.3.5 Diskussion.......................................................................................................515.6.3.6 Einzelarbeit.....................................................................................................51

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5.6.3.7 Gruppenarbeit.................................................................................................525.6.3.8 Partnerarbeit....................................................................................................525.6.3.9 VENÜ.............................................................................................................535.6.3.10 Praktische Arbeit...........................................................................................545.6.3.11 Vorführung....................................................................................................545.6.3.12 Stationsausbildung........................................................................................555.6.3.13 Wettkampf.....................................................................................................55

5.7 Organisatorische Rahmenbedingungen...........................................................................566 Leistungsbewertung ..............................................................................................................60

6.1 Wozu braucht man eine Leistungsbewertung?...............................................................606.2 Welche Bedingungen muss eine Leistungsbewertung erfüllen?.....................................62

6.2.1 Wie ist Objektivität zu erreichen?............................................................................656.2.2 Wie wird die Leistungsbewertung normiert?...........................................................676.2.3 Wie wird die Leistungsbewertung zuverlässig (reliabel)?.......................................706.2.4 Wie wird die Gültigkeit (Validität) einer Leistungsbewertung erreicht?.................75

6.3 Leistungsbewertung und Standardisierung der Ausbildung heute..................................787 Qualitätskontrolle...................................................................................................................818 Beurteilungsfehler .................................................................................................................82

8.1 Wie sind Beurteilungsfehler in der Leistungsbewertung zu verhindern?.......................828.2 Was sind die gängigen Beurteilungsfehler?....................................................................84

8.2.1 Regressionseffekt.....................................................................................................848.2.2 Anker - Effekt..........................................................................................................848.2.3 Logische Fehler........................................................................................................848.2.4 Milde - Effekt...........................................................................................................858.2.5 Nivellierungs - /Pointierungs - Effekt......................................................................858.2.6 Halo - Effekt.............................................................................................................858.2.7 Stichprobenfehler.....................................................................................................868.2.8 Soziale Erwünschtheit..............................................................................................868.2.9 Tendenz zur Zustimmung........................................................................................868.2.10 Gewöhnungseffekt.................................................................................................878.2.11 Effekt des verengten Maßstabes.............................................................................878.2.12 Pädagogische Fehler..............................................................................................878.2.13 Nichtbewertung einer Leistung..............................................................................888.2.14 Berücksichtigung des sozialen Umfeldes...............................................................88

9 Risikobewertung....................................................................................................................8810 Die Lehrprobe......................................................................................................................90

10.1 Aufgabe der Prüfungskommission................................................................................9110.2 Gliederung einer didaktischen Analyse........................................................................9210.3 Plan für die Ausbildung..............................................................................................102

11 Literaturliste.......................................................................................................................105

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1 Einführung

Mit diesem Buch soll den Ausbildern und Lehrern eine universelle Unterlage an die Hand

gegeben werden, die ihnen alle wesentlichen Informationen gibt, die sie zum Lehren

brauchen.

Dieses Buch soll keine wissenschaftliche Abhandlung sein. Vielmehr kommt es darauf an,

Erfahrungen aus der Praxis des „Ausbildungsgeschäftes“ weiterzugeben. Der theoretische

Background wird insoweit vermittelt, als er sich in der Praxis für das Gesamtverständnis

der Ausbildung als relevant erwiesen hat.

Es gibt sehr viel Literatur im pädagogischen Bereich und auch viel Literatur, die sich mit

Didaktik beschäftigt. Das Studium all dieser Literatur ist entsprechend zeitaufwändig.

Dazu ist auch zu sagen, dass es in den letzten ca.30 - 40 Jahren keine neuen

bahnbrechenden Erkenntnisse für diesen Bereich der Pädagogik gab. Das in diesem Buch

Beschriebene kann als „Common Knowledge“ bezeichnet werden. In der „pädagogischen

Literatur“ ist es inzwischen ohnehin schwierig geworden, den Urheber irgendeiner Aussage

festzustellen. Ursache dafür ist, dass in geisteswissenschaftlichen Studienfächern auf

vorhandene Literatur zurückgegriffen wird. Aus den Erkenntnissen dieser Literatur wird

dann die „neue“ Erkenntnis in Form einer Studienarbeit oder eben eines Buches generiert.

Wenn dann also die Erkenntnis eines Verfassers einige Büchergenerationen anderer

Verfasser durchlebt hat, ist irgendwann nicht mehr feststellbar, von wem die Erkenntnis

denn ursprünglich war.

Daher sind sich die Aussagen in der bestehenden Literatur durchweg sehr ähnlich. Man

mag mir daher nachsehen, dass ich auch nicht mehr weiß, woher ich nach über 30 jähriger

pädagogischer Tätigkeit welche Erkenntnisse gewonnen habe. Daher wird hier auch

bewusst auf Quellenangaben im Text verzichtet. Ungeachtet dessen wird am Ende ein

Literaturverzeichnis zu finden sein, auf das sich Teile dieses Buches beziehen.

Neuere Bereiche der Pädagogik wie E - Learning, Computer Based Training (CBT),

Computer Unterstützte Ausbildung (CUA), Computer Aided Instruction (CAI) werden hier

nicht behandelt. Sie sind in der Ausbildungspraxis zwar hier und da mal anzutreffen, aber

noch nicht in dem Maße, dass diesem Bereich in diesem Buch große Aufmerksamkeit

gewidmet werden müsste. Insbesondere große Ausbildungsinstitutionen, in denen ein

hohes Maß an Standardisierung erforderlich ist, bedienen sich dieser Technologie. Z.B.

bildet die Lufthansa Technical Training GmbH weltweit gemäß EASA - Richtlinien

(vorgegebene Lernziele und Lerninhalte) luftfahrzeugtechnisches Personal aus. Erstaunlich

ist, dass das international nach europäischen Richtlinien gelingt, unsere

Kultusministerkonferenz es aber nicht fertig bringt, innerhalb der Bundesländer einen in der

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Praxis erkennbaren Standard für die schulische Ausbildung innerhalb Deutschlands

festzulegen.

2 Lernen und Lehren

Ein kurzer Ausflug in die Lernpsychologie.

So komplex menschliches Verhalten als Ganzes auch ist, Verhaltensäußerungen (und

damit Lernprozesse) beruhen dagegen auf teilweise recht einfachen psychischen

Mechanismen, die zu kennen einen Ausbildungsprozess wesentlich erleichtern

können, die zu kennen aber auch notwendig ist, um sich vor falschem Verhalten als

Ausbilder/Lehrer zu hüten.

Hinzu kommt, dass unerwünschte Verhaltensweisen nicht selten das Ergebnis

unerwünschter Lernprozesse sind, die sich aber wiederum teilweise recht einfach

erklären lassen und die damit auch vermeidbar sind.

Als drittes ist es notwendig zu wissen, dass störende Verhaltens - und Erlebnisweisen

(Angst u.a.) die Folgen von unbeabsichtigten Lernprozessen sind. Die daher - die

richtige Methode angewendet - auch wieder verlernt werden können.

Diese Zusammenhänge werden im Wesentlichen als bekannt vorausgesetzt und sollen

daher im Folgenden nur kurz - daher eher plakativ - wieder ins Bewusstsein gerufen

werden.

2.1 Lernen

Woran merkt man, dass jemand etwas gelernt hat?

Man merkt es nur, wenn der Betreffende in irgendeiner Form sein Verhalten ändert,

denn der Vorgang des Lernens selbst ist im Individuum nicht beobachtbar.

Z.B.: Ein Individuum reagiert auf einen Umweltreiz, auf den es bisher nicht reagiert hat,

wenn diese Reaktion überdauernd ist, dann muss im Individuum ein Lernprozess vor

sich gegangen sein.

Wie lernt man ein neues Verhalten?

Es gibt mehrere Möglichkeiten. Hier interessiert die Fähigkeit des Zentralen

Nervensystems (ZNS) auf einen ursprünglich neutralen, d.h. bedeutungslosen Reiz aus

der Umwelt ebenso reagieren zu lernen, wie auf einen Umweltreiz der eine angeborene

ungelernte Reaktion nach sich zieht.

Z.B.

1. Rote Lampe keine Reaktion (weil bedeutungslos)

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2. Heißer Gegenstand Zurückzucken der Hand (ungelernte, angeborene Reiz

- Reaktionskette)

3. Heißer Gegenstand + rote Lampe Zurückzucken der Hand (der neutrale

Reiz wird mit dem angeborenen Reiz und Zurückzucken zusammen dargeboten)

4. Rote Lampe Zurückzucken der Hand (Das ZNS hat gelernt auf den

neutralen Reiz ebenso zu reagieren, wie auf den angeborenen: Der neutrale Reiz ist zu

einem konditionierten Reiz geworden)

Welche Faktoren nehmen auf den Konditionierungsvorgang Einfluss?

Die Dauer des Konditionierungsprozesses

Emotionaler Zustand während der Konditionierung

„Auslöschung“: Wenn längere Zeit nur der bedingte Reiz ohne Auffrischung

durch den unbedingten Reiz dargeboten wird.

"Spontanerholung": Auch wenn eine konditionierte Reaktion schon scheinbar

wieder gelöscht ist, kann sie plötzlich spontan wieder auftreten.

Welche für das Lernen relevanten unbedingten Reiz - Reaktionsketten gibt es?

z.B. Flugangst: Beispiel: Hochmotivierter Urlauber, der auf seinem ersten Flug

Luftkrank wird.

Höhe Angstgefühle (Schutzmechanismus) Bewegungsempfinden

Bewegungskrankheit (Luftkrankheit) Flugangst

Was ist zu tun?

Die angstauslösenden Umstände müssen genau definiert werden. Dies bedarf

der Mitarbeit des Betroffenen.

Es wird eine Hierarchie angstauslösender Situationen erarbeitet (von minimaler

bis maximaler Angstauslösung)

Der Betroffene lernt muskuläre Entspannungstechniken (muskuläre

Entspannung und Angstgefühle sind unvereinbar).

Der Betroffene wird mental den Stufen der Angsthierarchie im Zustand

muskulärer Entspannung ausgesetzt. Die emotionale Auswirkung der

Angsthierarchie darf nie so stark sein, dass der Zustand der Entspannung

durchbrochen wird (Vorgang der Dekonditionierung)

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Page 8: Handbuch für Ausbilder

Durch ein sinnvolles (der Angsthierarchie entsprechendes) Programm ist der

Betroffene an die angstauslösende Realsituation heran - und darüber hinweg zu

führen. Dies bedarf allerdings der Mitarbeit eines entsprechend geschulten

Trainers.

Ähnliche Situationen gibt es auch im Ausbildungsalltag. Viele werden sich an die

Situation erinnern, als sie einmal an die Tafel treten mussten, um die Lösung einer

Aufgabe vor der Klasse darzustellen. Oft entsteht dabei Stress durch Versagensängste.

Dieser Stress kann bisweilen so stark sein, dass er zu Blockaden führt. Das bedeutet,

ein Auszubildenden steht an der Tafel und bringt kein Wort mehr heraus, obwohl er

eigentlich die Aufgabe lösen könnte.

Das bringt für ihn noch mehr Stress. Er steht stark unter Druck und setzt sich

unverrichteter Dinge auf seinen Platz.

Jetzt kann es passieren, dass der Auszubildenden auch in Zukunft alles tun wird, um

diese für ihn peinliche Situation zu vermeiden.

Es kann in solch einer Situation für den Auszubildenden hilfreich sein, nach der Stunde

mit ihm in freundlicher Atmosphäre über diesen Vorfall zu sprechen. Dabei sollte man

ihm klarmachen, dass man dafür Verständnis hat und das auf keinen Fall negativ

werten würde.

Dazu sollte man ihm anbieten, dass er sich auf die nächste Aufgabe vorbereiten kann

und z.B. einen vorbereiteten Zettel benutzen kann, anhand dessen er die Lösung

darstellen kann.

Darüberhinaus kann man ihm auch versichern, dass man ihm - falls er ins Stocken

kommt - natürlich unterstützen würde.

Man kann dann den Auszubildenden mit einer einfachen Aufgabe an diese Situation

heranführen. Dabei sollte nicht unbedingt die Lösung der Aufgabe im Vordergrund

stehen, sondern vielmehr, dass dem Auszubildenden die Angst vor solch einer quasi

Prüfungssituation genommen wird.

Stress kann für einen Lernprozess durchaus förderlich sein, aber er darf nur so groß

sein, dass für den Auszubildenden die Motivation, etwas lernen zu wollen, überwiegt.

Der Stress in der Ausbildungssituation muss immer etwas geringer bleiben als die

Motivation etwas lernen zu wollen.

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Page 9: Handbuch für Ausbilder

2.2 Lehren

Wie kann man jemanden etwas beibringen?

a.) Vormachen und die Ausführung überwachen, solange bis es der Auszubildenden kann

(Ich mach es vor – du machst es nach – Lehrstil)

Folge : Unselbstständigkeit des Auszubildenden.

Grundsätzliche Überlegung zum menschlichen Verhalten:

Wartet man still darauf, bis man zu einem Tun aufgefordert wird, auch wenn lange

nichts geschieht oder wird man nach einer Weile nicht selbst irgendwie aktiv?

Verhaltensbeispiel:

Ein Mensch untersucht seine Umgebung:

Schema:

Mensch handelt Umwelt

Verhaltensänderung Neue Handlung

Welche Reaktion und welche Verhaltensänderung sind möglich?

Positive Reaktion Handlungswiederholung (Erfolg)

Keine Reaktion Nichtbeachtung der Handlung

Negative Reaktion - Handlungswiederholung, um Misserfolg zu

überwinden (nochmaliger erfolgloser Versuch)

- Handlungsveränderung

- Keine Handlungswiederholung

Positive Reaktion wirkt als Verstärkung zur Wiederholung einer Handlung.

Daraus folgt ein zweiter Lehrstil:

b.) Auszubildenden handeln lassen und die Handlungen verstärken oder übergehen.

Folge: Auszubildenden wird zur Aktivität und Selbstständigkeit erzogen.

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Es muss nicht mit der Verstärkung gewartet werden, bis der Lehrstoff einmal

vollständig richtig vom Auszubildenden gebracht worden ist, sondern jeder

Lehrstoff/Tätigkeit setzt sich aus vielen kleinen Einzelhandlungen zusammen, die alle

für sich verstärkt werden können.

Wie wird verstärkt?

Je nach Situation kann der Ausbilder/Lehrer wohlwollend und zustimmend nicken,

verbal loben oder gar den Auszubildenden mit einer Tafel Schokolade belohnen.

Entscheidend ist, dass auf das richtige Handeln des Auszubildenden seitens des

Ausbilder/Lehrers eine positive Reaktion erfolgt.

Für viele – insbesondere junge – Auszubildenden hängt der Ausbildungserfolg von

positiven Erlebnissen in der Ausbildung ab.

Der Ausbilder/Lehrer muss erkennen, was einen Auszubildenden verstärkt.

Was wird verstärkt?

Jede in die richtige (pädagogisch erwünschte) Richtung zielende Microhandlung wird

sofort verstärkt.

Diese Art des Lehrens wird Verhaltungsformung = Shaping genannt.

Shaping is Fun!!!

Was passiert nach einer Verstärkung?

Die Leistungsbereitschaft des Auszubildenden lässt mehr oder weniger kurzfristig nach.

Der Lorbeer - Effekt.

Was ist gegen den Lorbeer - Effekt zu tun?

Verstärkungsvariation !

Regel: Je schwerer eine erneute Verstärkung zu erhalten ist, umso mehr gibt sich das

Individuum Mühe (Saisonarbeiter!). Eine vorzeitige Verhaltenslöschung ist dabei zu

vermeiden.

Wie verstärkt man optimal?

Am Anfang: Häufige Verstärkung, da sonst Auslöschung erwünschter aber

unverstärkter Handlungen.

Danach: Verstärkungshäufigkeit immer weiter reduzieren.

Endziel: Selbstverstärkung des Auszubildenden.

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Page 11: Handbuch für Ausbilder

2.3 Zusammenfassung

Lernen ist ein zielgerichteter Prozess. Pädagogisch gesehen bedeutet Lernen die

Verbesserung und den Neuerwerb von Einstellungen, Verhaltens - und Leistungsformen

und deren Inhalten. Durch Lernen verändert der Lernende sein Verhalten.

Verhalten ist jede Form geistiger und körperlicher Aktivitäten und schließt die ihnen

vorausgehenden und sie bestimmenden seelischen Funktionen ein.

Die Verhaltensänderung, ob Verbesserung oder Neuerwerb, wird auf Grund von

Erfahrungen, Probieren, Einsicht, Übung oder Lehre erreicht.

Sie kann bewusst oder unbewusst vollzogen werden. Verhalten und Verhaltensänderung

können eine sichtbare Wirkung zeigen oder verborgen bleiben.

Erfolgreiches Lehren basiert im Wesentlichen auf positive Verstärkung erwünschter

Verhaltensweisen des Lernenden.

Ein sicheres Verschwinden unerwünschter Verhaltensweisen wird durch Nicht - Verstärkung

erreicht.

Jedes Ausbilder/Lehrerverhalten, das den Auszubildenden davon abhält, ein

Verhalten zu zeigen, das verstärkt werden kann, ist pädagogisch sinnlos.

3 Phasenmodell eines Unterrichts

Ein Unterricht ist grundsätzlich als ein iterativer Prozess zu verstehen, der in

verschiede Phasen gegliedert ist.

Die erste Phase ist die Phase der Informationsbeschaffung. Hier werden alle für

den Unterricht relevanten Informationen gesammelt. Diese Informationen können

bestehen aus:

Vorgaben der Ausbildungsorganisation (Lernziele, Lerninhalte, Ausbildungszeit,

Ort ,etc.)

Informationen zur Lerngruppe (Anzahl der Auszubildenden, Ausbildungsstand,

Zusammensetzung der Gruppe nach Geschlecht, Herkunft, körperlicher

Zustand etc.)

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Sonstige Rahmenbedingungen (Jahreszeit, Tageszeit, vorangegangene

Unterrichte oder Prüfungen, Pausen, Infrastruktur, Wechsel des

Ausbildungsortes, Informationen von anderen Ausbilder/Lehrern etc.)

In der zweiten Phase findet auf Basis der gewonnenen Informationen die Planung

statt. Hier werden die gewonnenen Informationen ausgewertet. Es wird ein Bild

über die Ausbildungssituation gewonnen. Jetzt finden die Entscheidungsprozesse

für die weitere Unterrichtsplanung statt. Diese zu treffenden didaktischen

Entscheidungen müssen mindestens Antworten auf die Kernfragen geben:

Was ist die übergeordnete Lernzielvorgabe?

Was wird gelehrt?

Auf welche Lernzielhöhe kommt es an?

In welchem Zeitrahmen?

Wie ?

Womit?

Wozu?

Es entsteht im Ergebnis ein Plan für die Ausbildung.

Die dritte Phase ist die praktische Unterrichtsdurchführung. Es ist die

praktische Umsetzung des Plans im Unterricht. In der Regel beginnt eine

Unterrichtsstunde mit dem Einstieg. Der Einstieg soll das Interesse der

Auszubildenden an der bevorstehenden Unterrichtsstunde wecken. Im Einstieg gibt

man das Ziel und den Schwerpunkt der bevorstehenden Stunde vor. Die

Auszubildenden erkennen daran, worauf es in dieser Stunde ankommt und können

ihr eigenes Verhalten auf die Zielerreichung ausrichten. So ist der rote Faden

festgelegt. Weiterhin beinhaltet der Einstieg einen Informationsinput. Der

Informationsteil führt zum Thema hin und gibt gleichzeitig einem Überblick über den

in dieser Stunde zu bewältigenden Lernstoff. Diese Informationen (Lerninhalte)

sollen in der Bearbeitungsphase und Vertiefungsphase (Hauptteil) von den

Auszubildenden bearbeitet werden. Die Lerninhalte müssen auf die zu

erreichenden Lernziele abgestimmt sein. Dabei ist vorher in der Planung

festzulegen, ob bezüglich der Lernziele in die Breite oder in die Tiefe gegangen

werden soll. In der Praxis bedeutet das, dass im zur Verfügung stehenden

Zeitrahmen einer Unterrichtsstunde entweder mehrere Lernziele auf geringer

Lernzielstufe und/oder einige wenige auf hoher Lernzielstufe erreicht werden

können.

In der Bearbeitungsphase und Vertiefungsphase können ergänzende Informationen

gegeben werden. Dabei kann es sinnvoll sein, Ausbildungsmethoden und Medien

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Page 13: Handbuch für Ausbilder

je nach Erfordernissen zu wechseln. Grundsätzlich gilt, man geht von bereits

Bekanntem zum Unbekannten oder vom Leichten zum Schweren schrittweise vor.

Am Schluss der Unterrichtsstunde wird das Ergebnis aus der Bearbeitungsphase

zusammengefasst und mit Kontrollfragen geprüft, ob das angestrebte Lernziel (oder

Lernziele) auch wirklich erreicht wurde.

Die Zeitverteilung sollte realistischer Weise so aussehen, dass 1/6 der Zeit für den

Einstieg genutzt wird. Die Bearbeitungsphase macht etwa 2/3 der Unterrichtsstunde

aus. Für den Schluss verbleibt das letzte 1/6 der Zeit.

Für eine 45minütige Unterrichtsstunde bedeutet das:

Einstieg ca. 6 - 8 Min

Bearbeitungsphase und Vertiefungsphase ca. 30 Min

Schluss ca. 6 - 8 Min

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Page 14: Handbuch für Ausbilder

Die vierte und letzte Phase ist die Auswertung und Nachbereitung. Jetzt gilt es

(selbstkritisch) zu prüfen, ob alle geplanten Lernziele von allen Auszubildenden

erreicht wurden oder ob noch nachgesteuert werden muss. Waren die Lerninhalte

zu viel/zu wenig? Wurden alle Methoden und Ausbildungsmittel sinnvoll eingesetzt?

Hätte es bessere Alternativen gegeben? Hat die Zeitplanung gestimmt? Ist man mit

dem eigenen Ausbilder/Lehrerverhalten den Auszubildenden gerecht geworden?

Gab es Konflikte? Gibt es Gesprächsbedarf?

Und letztendlich - wie geht es in der nächsten Stunde weiter?

Als iterativer Prozesse beginnt das Phasenmodell für den folgenden Unterricht.

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Page 15: Handbuch für Ausbilder

Phasenmodell eines Unterrichts

Jetzt zum eigentlichen Thema - der Didaktik.

4 Didaktik

Didaktik ist eine Unterdisziplin der Pädagogik.

Sie beschäftigt sich mit der Theorie des Unterrichts und mit der Theorie und Praxis des

Lehrens und Lernens. Man sagt auch „Didaktik ist die Lehre vom Lehren und Lernen“.

Sie ist die theoretische Grundlage für eine Ausbildungskonzeption. Die Didaktik findet

sowohl in der schulischen Ausbildung als auch in der Erwachsenenbildung

Anwendung. Sie liefert die Grundlage für Ausbildung in allen möglichen schulischen

und beruflichen Lebensbereichen.

Die Didaktik beschäftigt sich allgemein mit der Lehre vom Lehren und Lernen.

Im Laufe der Jahre haben sich verschiedene didaktische Lehrmeinungen/Modelle in

der Wissenschaft herausgebildet.

Einige seien hier aufgezählt:

bildungstheoretische Didaktik, erneuert als kritisch - konstruktive Didaktik,

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Page 16: Handbuch für Ausbilder

curriculare Didaktik

lern - beziehungsweise lehrtheoretische Didaktik,

informationstheoretisch - kybernetische Didaktik

kommunikative Didaktik,

subjektive Didaktik

konstruktivistische Didaktik

An dieser Stelle wäre es müßig, sich auf ein bestimmtes theoretisches didaktisches

Modell als das richtige festlegen zu wollen. Die Wahrheit für die Praxis in der

Ausbildung liegt irgendwo dazwischen.

Einige didaktischen Modelle werden hier vom grundsätzlichen Denkansatz her plakativ

kurz dargestellt.

So gibt es z.B. die curriculare Didaktik.

Unter Curriculum ist im engeren Sinne der Zusammenhang von Zielen, Materialien,

Inhalten und Unterrichtsverfahren zu verstehen. Es soll bewirken, dass

Handlungsaktivitäten von Ausbilder/Lehrern und Lernenden auf ein Ziel ausgerichtet

werden.

Das Curriculum geht von den zukünftigen Aufgaben des Auszubildenden aus, schließt

Ausbilder/Lehrerfahrungen ein und koordiniert als Steuerungsinstanz alle Maßnahmen

und Mittel, die notwendig sind, um die Ausbildung auf ein bestimmtes Ziel hin zu

organisieren und gleichzurichten.

Wichtigstes Steuerungsmittel eines Curriculums ist das Lernziel.

Damit sind wir beim nächsten didaktischen Model, der Lern - /Lehrtheoretischen

Didaktik. Hier steht die Lernzielausrichtung im Vordergrund. Ein Lernziel ist die

Beschreibung eines Verhaltens, das am Ende der Ausbildung erreicht sein soll.

Dieses Verhalten wird Endverhalten genannt. Neben der Verhaltenskomponente muss

ein Lernziel immer eine Inhalts - /Stoffkomponente aufweisen.

Praktisch relevant wird die kybernetische Didaktik, wenn über z.B. über Computer

gestützte Ausbildung nachgedacht wird (CAI=Computer Aided Instruction/

CUA=Computer unterstützte Ausbildung). Hier wird von einem Informationsinput

ausgegangen, der dann über die Regelstrecke zu einem Output führt. Hier wird ein Soll

- /Ist –Vergleich durchgeführt. Entspricht das Ist nicht dem Soll wird über

entsprechende Stellgrößen im Sinne des Lernziels nachgesteuert.

Die Bildungstheoretische Didaktik geht - vereinfacht ausgedrückt - von einem

exemplarischen Unterricht aus. Das heißt der Lernende soll anhand eines Beispiels ein 16

Page 17: Handbuch für Ausbilder

Prinzip erlernen, das dann auch auf andere Fälle allgemein angewendet werden kann.

Soweit schlagwortartig zur Ausbildungsrelevanz einiger didaktischer Modelle. Inder

Ausbildungspraxis kommen viele der verschiedenen Modelle zumindest

ausschnittweise zur Anwendung.

5 Didaktische Analyse

In einer Ausbildungsorganisation gibt es verschiedene Ebenen in der

Organisationsstruktur. In jeder Ebene können (oder müssen) ebenen - gerechte

didaktische Überlegungen angestellt werden. Diese Überlegungen münden

konsequenter Weise in eine didaktische Analyse, die dann die Grundlage für den

weiterführenden Entscheidungsprozess liefert.

Gemeint ist damit die Analyse einer Beziehungsstruktur von den Determinanten, die

letztendlich das Ausbildungsgeschehen beeinflussen. Diese Determinanten müssen

betrachtet und hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die beabsichtigte Ausbildung bewertet

werden.

In der Umsetzung der Entscheidungen sollte sich dann die Bewertung der einzelnen

Determinanten wiederspiegeln.

Die Ausbildungspraxis ist die unterste Ebene, die Durchführungsebene in der

Ausbildungsorganisation. Hier steht der Ausbilder/Lehrer vor seinen Auszubildenden

und führt seinen Unterricht entsprechend den Vorgaben der Ausbildungsorganisation

durch.

Während sich also Didaktik ganz allgemein mit der Lehre vom Lehren und Lernen

beschäftigt, bezieht sich die didaktische Analyse auf die Betrachtung von

Determinanten hinsichtlich eines ganz konkreten Ausbildungsvorhabens.

Die Didaktische Analyse ist die Phase 3 des Phasenmodells für den Unterricht.

Beeinflusst wird der Unterricht überwiegend durch folgende Determinanten:

Ausbilder/Lehrer

Lernziele

Lerninhalte

Lerngruppe

Ausbildungsmaterial

Ausbildungsverfahren (Methodik)

Organisatorische Bedingungen

Zeit

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Page 18: Handbuch für Ausbilder

Risikobewertung

Diese verschiedenen Determinanten beeinflussen sich gegenseitig in einem

vielschichtigen Wechselwirkungsverhältnis. Sie sollen jetzt im Einzelnen betrachtet

werden.

Das bringt uns zur didaktischen Analyse.

Die didaktische Analyse betrachtet und bewertet die o.a. Determinanten im Hinblick auf

die Planung einer konkreten Unterrichtstunde oder Unterrichtseinheit (= mehrere

Unterrichtsstunden zu einem Thema). Die praktische Durchführung im Unterricht muss

das Ergebnis der didaktischen Analyse wiederspiegeln.

In der Literatur findet man „didaktische Vielecke“, mal ein didaktisches Viereck,

Sechseck oder Achteck. Die Anzahl der „Ecken“ bezieht sich jeweils auf die Anzahl der

Determinanten, wie sie hier bezeichnet werden. Hier sind auch 8 angeführt. Das ist

aber kein Gesetz. Es können mal mehr mal weniger oder auch eben 8 sein.

5.1 Der Ausbilder/Lehrer

Die wesentliche Aufgabe eines Ausbilders/Lehrers ist es, dafür zu sorgen, dass die

Auszubildenden die von der Ausbildungsorganisation vorgegeben Lernziele mit den

vorgegebenen Lerninhalten in einem vorgegebenen Zeitrahmen erreichen. Dafür ist er

verantwortlich. Dafür wird er bezahlt.

Ungeachtet dessen hat ein Ausbilder - insbesondere bei jungen Auszubildenden - auch

immer einen Erziehungsauftrag. „Erziehung und erziehen bedeutet, jemandes Geist

und Charakter zu bilden und seine Entwicklung zu fördern. Im Allgemeinen versteht

man unter Erziehung soziales Handeln, welches bestimmte Lernprozesse bewusst

und absichtlich herbeiführen und unterstützen will, um relativ dauerhafte

Veränderungen des Verhaltens zu erreichen, die bestimmten, vorher festgelegten,

Erziehungszielen entsprechen“ (siehe Wikipedia).

Wesentlich für den Erfolg eines Ausbilders ist, dass er integer ist. Das bedeutet, dass

er über die entsprechenden charakterlichen Qualitäten, das notwendige fundierte

Sachwissen und pädagogisches Geschick verfügen muss.

Wesentliche Merkmale eines guten Ausbilder/Lehrers/ Ausbilders sind z.B.:

Vorbildfunktion

Selbstbewusstsein,

Selbständigkeit,

Überzeugungsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen/ - wille

Pflichtbewusstsein (dazu gehört auch Pünktlichkeit),

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Page 19: Handbuch für Ausbilder

Ausgeglichenheit, Toleranz und Geduld,

Einfühlungsvermögen und Fähigkeit zum Zuhören

sprachliche Ausdrucksfähigkeit

Das notwendige Sachwissen erwirbt der Ausbilder/Lehrer/Ausbilder in der Regel im

Verlauf seiner eigenen fachlichen Ausbildung bzw. Studium.

Die Grundlage für pädagogisches Geschick ist eine fundierte theoretische Ausbildung.

Diese theoretische Ausbildung muss in der Unterrichtspraxis in praktische Erfahrung

umgesetzt und vertieft werden.

Die Ausdrucksweise des Ausbilders/Lehrers muss für die Auszubildenden klar und

verständlich sein. Die Verständlichkeit bezieht sich sowohl auf Aussprache als auch auf

die Wahl der verwendeten Begriffe.

Seine Aussagen müssen dem Bildungsniveau der Lerngruppe angepasst sein, so dass

jeder Auszubildende ihm mühelos folgen kann.

Dazu verwendet der Ausbilder/Lehrer einfache, verständliche Wörter, kurze Sätze und

bekannte Begriffe.

5.1.1 Akzeptanz des Ausbilder/Lehrers

Ein Ausbilder/Lehrer gewinnt bei seinen Auszubildenden an Ansehen und Vertrauen

durch Beispiel in vorbildlichem Verhalten, Auftreten und Erscheinungsbild.

Dazu gehören auch fachliches Können und ein gutes menschliches Verhältnis zur

Ausbildungsgruppe. Es schadet nicht dem Ansehen des Ausbilder/Lehrer, wenn er

Fehler oder Wissenslücken freimütig zugibt. Er beseitigt seine Wissenslücken aber

umgehend und macht das auch bei nächster Gelegenheit deutlich. Taucht z.B. im

Unterricht eine Frage auf, die auch der Ausbilder/Lehrer nicht beantworten kann, dann

sagt er das. Er sagt aber auch, dass es in der nächsten Stunde dazu eine Antwort gibt,

und die gibt er dann auch.

Überheblichkeit schadet der Akzeptanz und Vertrauensbildung.

Der Ausbilder/Lehrer verhält sich gegenüber seinen Auszubildenden objektiv und

gerecht. Das ist eine der wichtigen Voraussetzungen für ein Vertrauensverhältnis

zwischen dem Ausbilder/Lehrer und der Lerngruppe und damit Grundlage für eine

effektive Ausbildung. Das heißt, er muss das Leistungsvermögen und die

Persönlichkeit des einzelnen, aber auch die Gruppenleistung in ihrer Gesamtheit

berücksichtigen.

Der Ausbilder/Lehrer muss Kritik ertragen können. Bei konstruktiver Kritik kann er

19

Page 20: Handbuch für Ausbilder

eigene vorhandene Mängel erkennen abstellen und sein Ausbilderverhalten

verbessern. Kritik aus der Lerngruppe kann manchmal auch ein Hinweis auf

aufgestaute Frustration sein und allgemeine Unzufriedenheit ausdrücken. Meist äußert

sie sich in unsachlicher Kritik und sollte ernst genommen werden. Der Ausbilder/Lehrer

muss hier nach den Ursachen fragen - z.B. indem er mit der gesamten Lerngruppe

oder mit einzelnen Auszubildenden ein klärendes Gespräch führt.

Der Ausbilder/Lehrer würdigt Leistungen der Auszubildenden in angemessener Weise.

Lob ist eine Form der positiven Verstärkung von Verhalten. Damit kann eine langfristig

gewünschte Veränderung des Verhaltens beim Auszubildenden bewirkt werden.

Lob zeigt dem Betroffenen, dass er erfolgreich gearbeitet hat und seine Leistung durch

den Ausbilder/Lehrer wahrgenommen wurde. Es erfüllt ihn zugleich mit Stolz (affektive

Komponente), stärkt dadurch sein Selbstvertrauen und fördert die Motivation.

Neben der eigentlichen Leistung verdienen auch die Umstände, unter denen sie

erbracht wird, Lob:

Lob muss angemessen sein, das heißt sachlich gerechtfertigt und auswogen

sein (übertriebenes, einseitiges Lob verliert an Wirkung),

Lob muss differenzieren, d.h. die Leistungsfähigkeit berücksichtigen und die

Rahmenbedingungen berücksichtigen, unter denen individuelle Leistungen

erbracht wurden.

Trotz allem positiven pädagogischen Bemühens wird es im praktischen Unterrichtalltag

auch Tadel geben.

Vor dem Tadel findet jedoch erst immer eine sachliche Korrektur statt. Erst wenn diese

nicht angenommen wird, nicht wirkt oder wenn trotz mehrmaliger Hinweise keine

Verhaltensänderung eintritt, erfolgt angemessener, sachlich begründeter Tadel, der

aber frei von verletzender Ironie oder Schärfe ist. Der Ausbilder/Lehrer tadelt nur im

notwendigen Maß, da ständiges Tadeln nach kurzer Zeit die gewünschte Wirkung

verliert.

Ein gutes Betriebsklima, das sich in Vertrauen, Spaß und Freude an der Aufgabe und

in Humor ausdrückt, begünstigt die freiwillige, aktive Mitarbeit und trägt so wesentlich

zu einem erfolgreichen Ausbildungsergebnis bei.

Eines sollte man insbesondere als junger Ausbilder/Lehrer wissen. Wenn man zum

ersten Mal in eine Klasse kommt, ist oft die erste Unterrichtsstunde – manchmal schon

die ersten 5 Minuten - entscheidend dafür, wie das nächste Schuljahr sich in dieser

Ausbilder/Lehrer – Klassen - Kombination gestalten wird. So kommt es oft vor, dass

schon in den ersten Minuten der neue Ausbilder/Lehrer „ausgetestet“ wird. D.h. es wird

20

Page 21: Handbuch für Ausbilder

fast immer in einer Klasse einen Auszubildenden geben, der versucht, den neuen

Ausbilder/Lehrer zu provozieren, um die Reaktion zu testen. Als Ausbilder/Lehrer muss

man auf solche Provokationen eingestellt sein.

Hier kommt es darauf an, möglichst schnell in der ersten Stunde diese „Provokateure“

zu identifizieren. Wichtig ist, wenn es zu solchen Provokationen kommt, angemessen

zu reagieren. Empfehlenswert ist es, mit Humor zu reagieren und zwar möglichst so,

dass man die Lacher auf seiner Seite hat. Das bedeutet, dass es hier auf die

„Drittwirkung „ ankommt, also auf die Wirkung auf die Mit – Auszubildenden

(Lerngruppe). Das kann in solch einer Situation auch ruhig auf Kosten des

„Provokateurs“ gehen, denn hier geht es um eine Güterabwägung, die langfristig wirkt

und letztendlich dem Wohl der gesamten Lerngruppe und Ausbildungszeit dient.

Spätestens wenn es um die Notengebung im Zeugnis geht, und vor allem darum, ob

ein Schüler das „Klassenziel“ erreicht hat oder nicht, umgibt den Ausbilder/Lehrer der

Ruch des mittelalterlichen Henkers. Zum Teil fühlt sich der ein oder andere Lehrer

selbst in dieser Rolle, zumindest aber wird er von dem einen oder anderen Schüler so

gesehen.

Diesem Problem kann ein Ausbilder/Lehrer damit begegnen, dass er sich nichts

vorzuwerfen hat und somit, was die Schülerbewertung angeht, ein reines Gewissen

hat. Das erreicht er dadurch, dass er die Grundsätze, wie sie unter dem Kapitel

„Leistungsbewertung“ beschrieben sind, beherzigt und danach verfährt. Damit kann er

dann auch dem Auszubildenden klarmachen, warum es so ist, wie es ist.

5.1.2 Richtiges Ausbilder - /Lehrerverhalten

Genaue Beobachtung des Verhaltens des Auszubildenden

Richtiger Zeitpunkt der Verstärkung (Wichtig, weil schon einmalige Verstärkung

zur Handlungswiederholung führt, z.B. Aberglaube, Glücksspiele)

Art der Verstärkung dem Auszubildenden und der Leistung angemessen

Hinführung der Selbstverstärkung durch sinnvolle Variation

Der Ausbilder/Lehrer muss Kompetenz und Persönlichkeit zeigen. Nur

Meinungsführer können verstärken (Problem des informellen Führers!).

Positive Einstellung zur Lerngruppe

Gerecht sein

Kritik vertragen können

Um die Gruppe herum ein warmes sozio - emotionales Klima erzeugen.

(Achtung: Als „begabt“ bezeichnete Auszubildenden werden unbewusst mehr

gelobt als andere. Lernklima!).

21

Page 22: Handbuch für Ausbilder

Der Gruppe regelmäßig Rückmeldungen über ihren Leistungsstand geben

(Feedback)

Der Gruppe viel Informationen geben, viele Anregungen bieten (Input)

Der Gruppe oft Gelegenheit zu Frage und Antwort geben, mehr Mut zum

echten gegenseitigen Dialog machen (Output). Achtung: Ausbilder/Lehrer

warten bei guten Auszubildenden länger auf die Antwort.

Aus dem bisher beschriebenen positiven Ausbilderverhalten lässt sich der Ausbilder –

Laster - Katalog ableiten:

Unaufmerksamkeit

Überforderung des Auszubildenden

Vorführung überlegenen Könnens

Voreiliges Eingreifen

Beschimpfung

5.1.3 Wie wirkt sich Strafe aus?

Der Begriff Strafe ist hier ganz weit gefasst. Darunter soll auch schon eine

Unmutsäußerung des Ausbilder/Lehrers verstanden werden.

Die Reaktion auf Strafe hängt von der Art der Strafe und von der Persönlichkeit des

Bestraften ab. Die Auswirkung von Strafe ist daher völlig uneinheitlich.

Allgemein lässt sich sagen:

Ein sicheres Verschwinden der unerwünschten Verhaltensweise wird durch Nicht -

Verstärkung erreicht.

Bestrafung kann folgende Konsequenzen haben:

Sie mindert zwar in der Regel vorübergehend die Auftretenswahrscheinlichkeit des

unerwünschten Verhaltens, aber

Das Verhalten tritt wieder auf, wenn die Maßnahme ausbleibt, weil frühere

Verstärkungen des unerwünschten Verhaltens noch wirksam sind.

Das Verhältnis zwischen Ausbilder/Lehrer und Auszubildenden verschlechtert

sich.

Sie kann paradoxerweise als Belohnung empfunden werden, wenn

- Sonst keine Zuwendung vom Ausbilder/Lehrer erzielt werden kann

- Die eigentliche Verstärkung durch die Gruppe oder durch den

22

Page 23: Handbuch für Ausbilder

informellen Führer erfolgt

Generell sind Strafmaßnahmen nicht geeignet, neues kreatives Verhalten zu lehren, da

sie bestenfalls nur verhaltensunterdrückend wirken und das auch nur sicher, wenn die

Strafe wirklich existenzbedrohend ist.

Eine allgemeine Auswirkung von Strafe auf den Bestraften ist ein Gefühl der Frustration

(Versagenserlebnis).

5.1.4 Was bewirkt Frustration?

Aggression

Regression

Projektion

Resignation

„Aus dem Felde gehen“

Tagträumen

Ängstlichkeit

Somatisierung

In seltenen Fällen kann auch ein Prozess persönlicher Reifung ausgelöst werden, was

an sich vom Strafenden beabsichtigt ist. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit im

Hinblick auf alle anderen Reaktionsmöglichkeiten sehr gering.

Es bedarf daher eines erfahrenen Ausbilder/Lehrers, der ein souveräner

Menschenkenner ist, um Strafe so anzuwenden, dass sie einen Reifeprozess auslöst.

Alle anderen Ausbilder/Lehrer sollten nur dann strafen, wenn sie es für ihr eigenes

Wohlbefinden nötig haben.

5.2 Lernziele

Das Thema „Lernziele“ soll hier sehr ausführlich behandelt werden, weil sie heutzutage

in allen Ausbildungsorganisationen das Ausbildungsgeschehen maßgeblich steuern.

Die eingehende Kenntnis von Aufbau und Struktur der Lernzielklassen ist die

Grundlage für erfolgreiches Ableiten der Lernziele für den eigenen Unterricht.

Lernziele beschreiben die verschiedenen Kompetenzbereiche - oder umgekehrt -

werden von den Kultusministerien in den verschiedenen „Kerncurricula“ für die

jeweiligen Fächer Kompetenzbereiche beschrieben, die dann die entsprechenden

Lernziele enthalten.23

Page 24: Handbuch für Ausbilder

Eingangs wurde ja schon der Lernprozess beschrieben. Jedoch wurde da noch nicht

konkret auf Lernziele eingegangen. Das soll jetzt im Folgenden geschehen.

5.2.1 Allgemeine Betrachtung

5.2.1.1 Wann hat ein Auszubildender etwas gelernt?

Wenn ein Ausbilder/Lehrer sagt: "Ein Auszubildenden versteht jetzt das System XYZ!"

hat der Auszubildenden dann etwas gelernt? Vielleicht, vielleicht auch nicht! Um die

Frage so zu beantworten, müsste man im Kopf des Auszubildenden nachschauen

können, ob das Wissen über das System XYZ dort wirklich vorhanden ist. Das braucht

man aber gar nicht, denn es genügt, die Aussage des Ausbilder/Lehrers

umzuformulieren, etwa in: "Mein Auszubildenden vermag jetzt alle am System XYZ

auftretenden Defekte selbständig zu beheben" oder auch "er vermag jetzt das System

XYZ in Betrieb zu setzen“.

Es wird damit ein Verhalten des Auszubildenden beschrieben, das vor der

Unterrichtung nicht

vorhanden war, zu dem er jetzt aber fähig ist und das für jeden, der Augen im Kopf hat,

zu beobachten ist. Ehe man also mit dem Lehren beginnt, muss man so genau wie

möglich das Verhalten beschreiben, das einer zeigen muss, um zu beweisen, dass er

gelernt hat, was er lernen sollte. Der Begriff Verhalten ist dabei ganz weit gefasst:

Das kann ein bestimmtes Tun sein, aber auch z.B. das Beantworten von Fragen, die

vorher nicht beantwortet werden konnten, usw.

Lernen zieht also eine Verhaltensänderung nach sich. Eine Verhaltensänderung ist

aber nur dann die Folge eines Lernvorganges, wenn sie lang dauernd ist und wenn sie

nicht eindeutig durch andere Ursachen bewirkt worden ist, z.B. durch Krankheit oder

natürliche Reifung (kleine Kinder brauchen das Laufen nicht zu erlernen. Sie können

es, wenn ihr Gehirn einen bestimmten Grad der Reife erlangt hat).

Ein Auszubildender hat dann etwas gelernt, wenn er das Verhalten zu zeigen

vermag, das in einem Lernziel genau beschrieben worden ist.

24

Page 25: Handbuch für Ausbilder

5.2.1.2 Wozu braucht man eine Lernzielbeschreibung?

Was auch immer man jemanden beibringen will, man wird nicht darum herumkommen,

irgendwann die Frage zu beantworten:

Hat er es nun gelernt oder nicht?

Die Beantwortung dieser Frage setzt voraus, dass sich der Ausbilder/Lehrer, ehe er

anfängt zu lehren, darüber im Klaren ist, was er eigentlich lehren will. Das ist

selbstverständlich?

Eben nicht.

Wie viele Ausbilder/Lehrer haben das generelle pädagogische Konzept:

Ich bringe dem Auszubildenden den Unterrichtsstoff bei und dazu lehre ich ihm die

Teile A, B und C? Das dürften nicht wenige sein.

Woher weiß man nun, dass jemand den Stoff gelernt hat?

Der Auszubildenden weiß es, weil der Ausbilder/Lehrer es ihm sagt und der

Ausbilder/Lehrer hat es im Gefühl. Ein Fahrlehrer wird z.B. sagen: Mein

Auszubildender konnte heute die Bundesstraße entlangfahren, ohne dass ich

eingreifen musste!

Nun weiß jeder erfahrene Fahrlehrer, dass man entgegen landläufiger Annahmen auf

Bundesstraßen schon recht leichtfertig fahren muss, um in wirklich gefährliche

Situationen zu kommen. Das erklärt, wieso die Spannweite dessen, was verschiedene

Fahrlehrer noch als akzeptables Fahren ansehen, so überraschend groß ist.

Ob also ein Fahrschüler nun endlich Fahren gelernt hat, hängt in nicht wenigen Fallen

vom fahrerischen Selbstvertrauen des Ausbilder/Lehrers ab. (Übrigens häufig auch, ob

irgendwelche magischen Stundenzahlen im Ausbildungsprogramm erreicht sind). Es ist

durchaus frustrierend für einen Auszubildenden zu wissen, dass er nur deswegen

solange braucht, um Fahren zu lernen, weil er an einen engherzigen Fahrlehrer

geraten ist .Während hingegen ein Mit - Auszubildenden schon munter in der Gegend

herumfährt, nur weil er einen Ausbilder/Lehrer hat, der „Fünfe gerade sein“ lässt und im

Übrigen die Ansicht vertritt, dass ein Fahrer das meiste sowieso erst nach seiner

Ausbildung lernt.

Kurz, es ist erforderlich, dass für den Auszubildenden einsichtig ist, wann er das

Fahren gelernt hat und dass alle Ausbilder/Lehrer an derselben

Ausbildungseinrichtung, wenn sie alle mit dem gleichen Auszubildenden fahren, zum

gleichen Zeitpunkt zu dem Ergebnis kämen: Jetzt hat er's gelernt! Zu dieser

Feststellung ist aber wiederum erforderlich, dass allgemeine Einigkeit über die

Lernziele besteht, die im Ausbildungsprogramm zu erreichen sind. Dem wird jeder

25

Page 26: Handbuch für Ausbilder

zustimmen, nur besteht an dieser Stelle häufig ein Missverständnis:

Es wird nämlich leicht das Lehrprogramm mit dem Lernziel verwechselt.

Was wird falsch gemacht?

Es wird mit großer Mühe und bis ins Detail beschrieben, was gelehrt werden soll, aber

nirgendwo steht, woran man erkennt, und zwar für jeden, der den Auszubildenden

beobachten kann, einsichtig und nachvollziehbar erkennt, dass der Auszubildende

gelernt hat, was er lernen sollte. In den Lernzielen soll also nicht beschrieben werden,

was gelehrt werden soll, sondern was der Auszubildenden tun können soll; um dem

Ausbilder/Lehrer zu beweisen, dass der ihm alles beigebracht hat, was er ihm

beibringen sollte.

Das Ziel eines Lehrprogramms ist also nie das Abhaken aller vorgegebenen

Programmpunkte innerhalb einer vorgegebenen Zeit. Ziel ist es vielmehr immer, den

Auszubildenden dahin zu bringen, dass er ein vorher genau beschriebenes Verhalten

zu zeigen vermag. Erst wenn der Auszubildenden dieses genau beschriebene

Verhalten zeigt, kann sich der Ausbilder/Lehrer befriedigt zurücklehnen und seine

Aufgabe als beendet ansehen.

Dann ist sie aber auch wirklich beendet und es besteht kein Grund, in dem

betreffenden Ausbildungsabschnitt noch ein bisschen zu verharren, nur weil der eine

oder andere Ausbilder/Lehrer das Gefühl hat, der Auszubildenden könne vielleicht doch

noch ein wenig mehr an Unterweisung benötigen. Hier ist der Punkt erreicht, wo die

Ausbildung für den Auszubildenden oder den Auftraggeber teuer wird.

Es gibt Ausbilder/Lehrer, die bei unklaren Lernzielen sich eigentlich nie dazu

durchringen können, die Ausbildung zu beenden, wenn nicht Zeit und Geld schließlich

ein drastisches Ende setzen. Und genau das sind die denkbar ungeeignetsten

Lernziele: Zu lehren, bis Zeit und/oder Geld ausgehen!

Eine Lernzielbeschreibung ist erforderlich,

damit der Ausbilder/Lehrer weiß, wann er nicht mehr weiter zu lehren

braucht und

damit dem Auszubildenden einsichtig ist, warum er in einem

Lehrabschnitt erfolgreich war oder nicht.

5.2.1.3 Wie muss eine Lernzielbeschreibung aussehen?

26

Page 27: Handbuch für Ausbilder

Ganz allgemein ausgedrückt besteht das Ziel jedes Lernprozesses darin, beim

Lernenden eine Verhaltensänderung zu bewirken.

Jemand kann nicht fahren; er lernt es und jetzt kann man beobachten, dass er etwas

tut, was er vorher nicht tun konnte.

Allerdings, wenn man ihn nie dabei beobachtet, dass er fährt, wird man wahrscheinlich

daran zweifeln, dass er es überhaupt kann und wenn er es noch so sehr beteuert.

Damit stehen bereits zwei Bedingungen fest, die eine Lernzielbeschreibung erfüllen

muss:

Sie muss ein Verhalten des Auszubildenden beschreiben und das Verhalten muss

beobachtbar sein.

Genügt es also, wenn sich ein Fahrlehrer das Lernziel setzt: Der Auszubildenden soll

am Ende der Ausbildung sicher Anfahren, Abbremsen und Anhalten können, im

Straßenverkehr sicher fahren und einparken können?

Zunächst einmal handelt es sieh hier um Lerninhalte und nicht um Lernziele. Es ist

zwar beschrieben, was im Ausbildungsprogramm getan werden soll, aber es ist

nirgendwo gesagt, was der Auszubildenden tun muss, um zu beweisen, dass er

einparken kann, um nur den einen Programmpunkt zu nennen.

Wenn dem Auszubildenden aber gesagt wird: Das Lernziel ist erreicht, wenn er das

Auto mittig innerhalb von 30 sec in eine 6 Meter große Parklücke rückwärts so

einparken kann, dass die Räder parallel mit max. 20 cm Abstand zum Randstein

stehen, dann weiß der Auszubildende, was er zu tun (wie er sich zu verhalten) hat und

er kann selbst sehen, ob er das Lernziel erreicht hat oder wo es noch fehlt.

Ohne diese Lernzielbeschreibung würde die Situation im Fahrzeug etwa so aussehen:

Ausbilder/Lehrer: „Haben Sie schon mal eingeparkt? Ja? Dann parken Sie mal ein.

(Auszubildenden parkt ein) Na ja, da müssen wir aber noch dran arbeiten.“

Auszubildender: Schweigt, fragt sich aber innerlich, was denn mit dem Einparken nun

wieder nicht in Ordnung war, schließlich hat er eingeparkt. Er hat das vordere und das

hintere Auto nicht berührt und andere Fahrzeuge haben auf der Fahrbahn noch vorbei

gepasst. Was will man mehr?

Der Auszubildenden hat für sich sogar recht, denn sein Lernziel "Einparken" lautet: Das

Fahrzeug irgendwie in die Parklücke zu fahren, ohne dabei andere Fahrzeuge zu

beschädigen. Dass sein Lernziel mit demjenigen seines Ausbilders/Lehrers nur

entfernte Ähnlichkeit hat, weiß er nicht. Er kann es aus der Reaktion seines

Ausbilder/Lehrers allenfalls erahnen. Wie viele psychische Energien verwenden

Fahrschülers Stunde um Stunde darauf, herauszufinden, was ihr Ausbilder/Lehrer nun

eigentlich von ihnen will. Nur weil der jedes Manöver zwar im Schlaf zu fahren aber

nicht zu beschreiben vermag, welche Kriterien ein gut gefahrenes von einem schlecht

27

Page 28: Handbuch für Ausbilder

gefahrenem Manöver unterscheiden.

Darin besteht eben auch der Unterschied zwischen dem guten Fahrlehrer und dem

schlechten Fahrlehrer: Beide fahren mit schlafwandlerischer Sicherheit, aber ersterer

kann das, was er im Fahrzeug tut, auch noch genau beschreiben.

Man kommt also nicht darum herum, ehe man mit einer Ausbildung beginnt, genau zu

beschreiben, was der Auszubildenden denn nun eigentlich genau tun können soll,

wenn die Ausbildung beendet ist. Dabei ist es zweckmäßig, nicht ein umfassendes

Lernziel zu formulieren, sondern den geplanten Lernstoff in so viele als möglich

einzelne Lernziele aufzuteilen.

Es wird dann auch für den Auszubildenden durchschaubarer, was von ihm gefordert

wird.

Damit wird jetzt auch klar, was von Lernzielbeschreibungen zu halten ist, die etwa mit

den Worten beginnen: Der Auszubildenden soll (am Ende dessen, was auch immer

gelehrt werden soll) wissen, verstehen, zu würdigen wissen, die Bedeutung erfassen,

Gefallen finden, glauben, vertrauen.

Lernzielbeschreibungen, die diese Worte enthalten, sind gar keine! Denn es wird mit

ihnen kein beim Auszubildenden beobachtbares Verhalten beschrieben. Eine richtige

Lernzielbeschreibung muss daher Worte enthalten, wie: Schreiben, auswendig

hersagen, identifizieren, unterscheiden, lösen, konstruieren, aufzählen, vergleichen,

gegenüberstellen; oder ganz allgemein: Etwas Bestimmtes innerhalb vorgegebener

Toleranzen tun.

Dieser letzte Punkt spricht noch ein weiteres Kriterium für die gute

Lernzielbeschreibung an: Es muss ein Maßstab für das gezeigte Endverhalten des

Auszubildenden festgelegt sein. Die wenigsten Auszubildenden werden in der Lage

sein, am Ende eines Unterrichts den Lernstoff zu 100% zu beherrschen.

Das ist auch nur bei den wenigsten Lernstoffen wirklich erforderlich. Schließlich lernt

man nie aus, und wo käme man hin, wenn man alles erst dann ohne Aufsicht tun

dürfte, wenn man es optimal beherrscht. Es gäbe wahrscheinlich nur noch

Auszubildende.

Also muss ein Maßstab festgelegt werden, der messbar das gute vom schlechten

Endverhalten der Auszubildenden unterscheidet und die Linie zieht, unterhalb der man

feststellen muss, dass bei einem solchen Endverhalten der Auszubildenden das

Lernziel nicht oder noch nicht erreicht hat.

Zur Festlegung des Maßstabes für das Endverhalten gehört auch, dass man die

Bedingungen beschreibt, die gegeben sein müssen, wenn das Erreichen des

Lernzieles überprüft wird (z.B. erlaubte und verbotene Hilfsmittel, Zeitgrenzen,

28

Page 29: Handbuch für Ausbilder

Wetterbedingungen, Tageszeiten usw.). Mit anderen Worten, das Endverhalten muss

messbar sein.

Das wirft zwar eine Reihe von Problemen auf, auf die im Abschnitt über

Leistungsbewertung eingegangen wird, aber grundsätzlich lässt sich sagen: Wer ein

Lernziel nicht beschreiben und nicht irgendwie messbar machen kann, braucht mit dem

Lehren gar nicht erst anzufangen, denn er weiß nicht, was er tut während er lehrt und

seine Entscheidung darüber, ob sein Auszubildender nun etwas gelernt hat oder nicht,

ist nichts weiter als ein reiner Willkürakt.

Der Ausbilder/Lehrer aber, der weiß, worin sich ein guter von einem schlechten bzw.

ungeeigneten Auszubildenden unterscheidet, der soll sich auch die Mühe machen, das

in Worte zu fassen, niederzuschreiben und diese Niederschrift dem Auszubildenden

vor Beginn der Ausbildung in die Hand zu drücken. Wenn diese Niederschrift allen

bisher genannten Kriterien entspricht, kann es nur die Lernzielbeschreibung sein.

Eine Lernzielbeschreibung beschreibt das Verhalten, das ein Auszubildender am

Ende des Lernprozesses zeigen können soll, um zu beweisen, dass er das

Lernziel erreicht hat.

Sie beschreibt das Ergebnis und nicht den Inhalt einer geplanten Ausbildung.

Sie beschreibt die notwendigen Bedingungen, unter denen der Auszubildenden

das angestrebte Verhalten zeigen können soll, und legt den Maßstab für das als

ausreichend geltende Verhalten fest.

5.2.2 Lernziele in der didaktischen Analyse

5.2.2.1 Curriculum und Lernziele

Unter Curriculum ist im engeren Sinne der Zusammenhang von Zielen, Materialien,

Inhalten und Unterrichtsverfahren zu verstehen. Es soll bewirken, dass

Handlungsaktivitäten von Lehrern und Lernenden auf ein Ziel ausgerichtet werden.

Das Curriculum geht von den zukünftigen Aufgaben des Auszubildenden aus, schließt

Lehrerfahrungen ein und koordiniert als Steuerungsinstanz alle Maßnahmen und Mittel,

die notwendig sind, um die Ausbildung auf ein bestimmtes Ziel hin zu organisieren und

gleichzurichten.

Wichtigstes Steuerungsmittel eines Curriculums ist das Lernziel.

Ein Lernziel ist die Beschreibung eines Verhaltens, das am Ende der Ausbildung

erreicht sein soll.

29

Page 30: Handbuch für Ausbilder

Dieses Verhalten wird Endverhalten genannt.

Das im Lernziel enthaltene Endverhalten muss eine Handlung, ein Verhalten des

Lernenden so eindeutig beschreiben, dass Handlungsalternativen fast ausgeschlossen

sind.

Neben der Verhaltenskomponente muss ein Lernziel immer eine Inhalts -

/Stoffkomponente aufweisen.

Ein Endverhalten ist im Lernprozess nur in Zwischenschritten zu erreichen.

Vom Eingangsverhalten an bis zum Endverhalten läuft der Lernprozess so ab, dass die

einzelnen Abschnitte stets ihre Bedeutung vom übergeordneten Lernziel erhalten.

Lernziele haben den Zweck:

eindeutig definierte Ausbildungsaufträge festzulegen,

zu einer zweckmäßigen Planung der Ausbildung beizutragen,

dem Lernenden das Verständnis für die Ausbildungsvorhaben zu eröffnen,

die Ausbildung vergleichbar und nachprüfbar zu gestalten,

für alle Kontrollen (Dienstaufsicht, Prüfungen, Tests usw.) Richtlinien und

vergleichbare Maßstäbe zu setzen,

Lehrern und Lernenden eine gezielte Unterrichtsvor - und Nachbereitung zu

ermöglichen.

Man unterscheidet zwischen:

Lernzielbereiche

Lernzielstufen

Lernzielklassen

5.2.2.2 Was sind Lernzielbereiche?

Es gibt folgende Lernzielbereiche (Verhaltensbereiche)

Kognitiver Bereich

Psychomotorischer Bereich

Affektiver Bereich

Es gibt nun Curricula, in denen die Rede von Kompetenzbereichen ist. Demnach gibt

es inhaltsbezogene Kompetenzbereiche und prozessbezogene Kompetenzbereiche

(siehe Kerncurriculum „Werte und Normen“ Niedersachsen). Bei näherer Betrachtung

kommt man zu dem Schluss, dass sich hinter dem prozessbezogenen

Kompetenzbereich offensichtlich die hier angesprochenen Lernzielbereiche verbergen

und der inhaltsbezogenen Kompetenzbereich sich auf den hinlänglich bekannten

30

Page 31: Handbuch für Ausbilder

Begriff „Lernstoff“ bzw. „Lerninhalte“ reduzieren lässt (da kommen wir später zu). Dafür

wird in diesem Elaborat der Begriff Lernziel überhaupt nicht benutzt. Das Bemühen um

Nutzung anderer Begrifflichkeiten ist ja einerseits sehr löblich, trägt andererseits aber

nicht unbedingt zur Klarheit in diesem ohnehin schon oft pädagogisch begrifflich

verballhornten Wirrwarr bei. Der Begriff Lernziel würde jedem schon mal klarmachen,

wohin es denn mit der Ausbildung gehen soll.

5.2.2.2.1 Der kognitiver Bereich

Der kognitive Bereich bildet die Fachkompetenz aus. Fachkompetenz bezeichnet die

Bereitschaft und Fähigkeit, auf der Grundlage fachlichen Wissens und Könnens

Aufgaben und Probleme zielorientiert, sachgerecht, methodengeleitet und selbständig

zu lösen und das Ergebnis zu beurteilen.

Der kognitive Bereich umfasst die Fähigkeit, Denk - und Gedächnisleistungen zu

erbringen und diese Leistungen für die Praxis zu nutzen. Das heißt, Wissen wird

gespeichert und reproduziert. Probleme können erkannt, analysiert und gelöst werden.

Neues kann mit bereits Bekanntem verknüpft, synthetisiert und bewertet werden.

Kognitives Lernen wird dadurch gefördert, dass man von Bekanntem zum Neuen

vorgeht oder vom Leichten zum Schweren und dabei anschauliche Beispiele nutzt, die

dem Erfahrungsbereich der Auszubildenden entnommen sind. Visuelle Medien

(Videos/Bilder) erleichtern den Erwerb von neuem Wissen und prägen sich gut ein.

Eigene praktische Tätigkeiten des Auszubildenden begünstigen den kognitiven

Lernprozess.

Kognitive Lernleistungen sind in der Regel leicht überprüfbar. Für Lehrende und

Lernende ist damit der Lernerfolg gut erkennbar.

5.2.2.2.2 Der psychomotorische Bereich

Dieser Bereich bezieht sich auf Bewegungsabläufe. Das Erlernen von

Bewegungsabläufen beginnt im Kopf. Es wird gedanklich gesteuert. Steuerungs - und

Verarbeitungsmechanismen im Gehirn senden über Nerven Signale an die Muskeln

und es kommt zu einer Bewegung. Der Lernprozess erstreckt sich von der

Nachahmung einer Bewegung über die richtige Ausführung bis hin zu einer

unbewussten Reaktionsfolge.

Ebenso wie die kognitiven Lernziele sind die psychomotorischen Lernziele überprüfbar.

31

Page 32: Handbuch für Ausbilder

5.2.2.2.3 Der affektive Bereich

Der affektive Bereich beschäftigt sich mit der Sozialkompetenz der Auszubildenden.

Sie bezeichnet die Bereitschaft und Fähigkeit, soziale Beziehungen zu leben und zu

gestalten, Zuwendungen und Spannungen zu erfassen, zu verstehen sowie sich mit

anderen rational und verantwortungsbewusst auseinanderzusetzen und zu

verständigen. Hierzu gehört insbesondere auch die Entwicklung sozialer

Verantwortung und Solidarität.

Der affektive Bereich zielt auf die Persönlichkeitsentwicklung der Auszubildenden ab.

Hier wird auf die innere Haltung der Auszubildenden eingewirkt. Dabei geht es um die

Vermittlung und Anerkennung von Werten hin zur Bildung eines Wertesystems. Es

beginnt mit einem angstfreien Lernklima hin zu den einfachen Dingen wie z.B.

Verhalten in der Schule und in den Klassenräumen. Die Umgangsformen miteinander

und soziales Lernen stehen zunächst im Vordergrund. Das Gesundheits - und

Umweltbewusstsein wird geprägt. Schließlich soll die Offenheit für die

Herausforderungen der Zukunft genauso gefördert werden wie die Bereitschaft für die

Übernahme von Verantwortung für andere Individuen und für die Gesellschaft.

Ob die affektiven Lernziele in der Ausbildung erreicht wurden, kann nicht unmittelbar

überprüft werden. Sie lassen sich allenfalls an beobachtbaren Handlungen erkennen,

die einen Rückschluss auf eine Einstellungsänderung zulassen.

Ob ein affektiver Lernerfolg eingetreten ist, kann oft erst dann festgestellt werden, wenn

eine Lebenssituation eintritt, in der sich eine Auswirkung auf das Verhalten zeigen

kann. Hier spiegelt sich in gewisser Weise der Erziehungsauftrag von

Ausbildern/Lehrern wieder.

5.2.2.3 Was sind Lernzielstufen

Lernzielstufen geben den Schwierigkeitsgrad eines Lernziels an. Die Einteilung dieser

Lernzielstufen bezeichnet man auch als Lernzieltaxonomie.

Die unterste Stufe ist die leichteste Stufe, die höchste Stufe ist die schwierigste. Für

jede der oben beschriebenen Lernzielbereiche gibt es eine unterschiedliche Anzahl von

Lernzielstufen.

Eine Ausbildung beginnt normalerweise mit der untersten Lernzielstufe und wird mit der

von der Ausbildungsorganisation vorgegebenen Lernzielstufe abgeschlossen.

In einer fortlaufenden Ausbildung mit Ausbilder/Lehrerwechsel ist es für den neuen

Ausbilder/Lehrer unbedingt erforderlich vor Beginn seiner Ausbildung festzustellen, wo

32

Page 33: Handbuch für Ausbilder

die Auszubildenden auf Lernzieltreppe stehen, um die Kontinuität der Ausbildung zu

wahren. Das Überspringen einer Lernzielstufe kann zu Misserfolg in der Ausbildung

führen, da es bei den Auszubildenden zu einer Überforderung und damit auch zu

schlechten Leistungen kommen kann.

5.2.2.3.1 Lernzielstufen für kognitive Lernziele

Die kognitiven Lernziele steigen mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad an.

Es gibt für diesen Lernzielbereich 6 Lernzielstufen.

Lernzielstufe 1 = Kennen (Kenntnis)

Kennen – etwas auswendig können, wiedergeben, reproduzieren, aufzählen, nennen.

Kenntnis umfasst die Fähigkeit des Erinnerns und Wiedererkennens von Beispielen,

Gegenständen und Erscheinungsformen.

Es gibt Kenntnisse von Tatsachen, Methoden und allgemeinen Zusammenhängen

Gesamtheit der verfügbaren Gedächtnisinhalte.

Kenntnis konkreter Fakten,

Kenntnis von Methoden und Verfahren für den Umgang mit Fakten,

Kenntnis abstrakter Strukturen und Zusammenhänge zum Ordnen von Fakten

und Lösen von Problemen.

33

Page 34: Handbuch für Ausbilder

Lernzielstufe 2 = Verstehen (Verständnis)

Verstehen - Erklären, beschreiben, erläutern, zusammenfassen, verstehen,

nachschlagen, verdeutlichen, übersetzen, auslegen, deuten, schlussfolgern,

übertragen.

Der Sinn einer Information kann wiedergegeben und erläutert werden. Die

Folgerungerungen sind deutlich und Schlüsse werden gezogen.

Begreifen einer Information, so dass sie wiedergegeben, erklärt und in den

Auswirkungen übersehen werden kann.

Lernzielstufe 3 = Anwenden (Anwendung)

Anwenden – Gelerntes auf neue Situationen übertragen, ableiten, vergleichen,

unterscheiden, übertragen, bestimmen, zuordnen.

Regeln, Begriffe, Vorschriften, Verfahren, Theorien auf konkrete Fälle (Vorgänge,

Aufgaben, Probleme) beziehen.

Lernzielstufe 4 = Analysieren

Analyse - Analysieren, gliedern, zerlegen, entwerfen, kombinieren.

Zerlegen eines Sachverhalts und Aufzeigen der Beziehungen.

Analyse von Bestandteilen,

Analyse von Beziehungen,

Analyse von ordnenden Grundsätzen und Regeln,

Lernzielstufe 5 = Synthetisieren

Synthese - Entwerfen, entwickeln, verfassen, kombinieren, konstruieren, vorschlagen,

planen, erarbeiten.

Zusammenfügen von Bestandteilen zu einem Eigenständigen und Neuen.

Verfassen einer Information zur Faktenmitteilung,

Entwerfen eines 'Planes/Programmes,

Entwickeln eines Systems von allgemeinen Beziehungen

Lernzielstufe 6 = Beurteilen

Beurteilen - Bewerten, bemessen, entscheiden, auswählen.

Etwas auf Grund von Normen oder Maßstäben kritisch betrachten und bewerten.

Bewerten nach innerer Schlüssigkeit,

Bewerten nach äußeren Maßstäben (Entscheidung/Entschluss im Sinne eines

34

Page 35: Handbuch für Ausbilder

Urteils)

5.2.2.3.2 Lernzielstufen für psychomotorische Lernziele

Für den psychomotorischen Lernzielbereich gibt es 5 Lernzielstufen.

Lernzielstufe 1 = Unter Anleitung durchführen können

Das einer Vorführung abgesehene Handlungsmodell wird nachgeahmt und in gleich-

artige Körperbewegungen umgesetzt. Die Handlungen sind noch unvollkommen. Unter

Anleitung gelingt der Bewegungsablauf.

Lernzielstufe 2 = Selbstständig unter einfachen Bedingungen ausführen

Der Bewegungsablauf gelingt bereits selbständig und im Wesentlichen richtig. Die

zweckmäßigste Handlungsmöglichkeit wird gewählt.

Lernzielstufe 3 = Selbstständig anwenden können

Der Lernende ist vom ursprünglichen Modell unabhängig geworden.

Die Handlungen sind fehlerlos und bedingt sicher.

Lernzielstufe 4 = Unter schwierigen Bedingungen anwenden können

Eine Handlung wird nach Schnelligkeit und Genauigkeit optimal ausgeführt. Die best-

mögliche Koordination wird unter Kontrolle des Bewusstseins erreicht.

Lernzielstufe 5 = Unter allen Bedingungen beherrschen

35

Page 36: Handbuch für Ausbilder

Die Handlung läuft mit einem solchen Maß an Routine ab, dass sich eine unbewusste

Reaktionsfolge vollzieht und die Bewegungskoordination unter allen Bedingungen

beherrscht wird.

5.2.2.3.3 Lernzielstufen für affektive Lernziele

Für den affektiven Lernzielbereich gibt es ebenfalls 5 Lernzielstufen.

Lernzielstufe 1 = Für etwas aufnahmebereit sein

Empfänglich werden für Geschehnisse und Ereignisse; die in Beziehung zu einem Wert

stehen.

Erkennen eines Wertgehaltes,

Aufnahmebereitschaft

Gerichtete Aufmerksamkeit.

Lernzielstufe 2 = Reagieren

Aktive Einordnung unter wertbezogene Forderungen.

Einwilligen ins Reagieren,

Bereitwilliges Reagieren

Befriedigung beim Reagieren.

36

Page 37: Handbuch für Ausbilder

Lernzielstufe 3 = Wert zuerkennen

Verpflichtung gegenüber Werten. Freiwillige Verwirklichung von Wert bezogenen

Forderungen; noch ohne Begründung.

Bewusste Werteannahme,

Bewusste Wertewahl,

Bewusste Wertezuerkennung

Bewusste Werteverpflichtung

Lernzielstufe 4 = Wertordnung bilden

Wertbezogene Haltungen können begründet werden, eine Rangordnung der Werte

wird hergestellt.

Begründung eines Wertes,

Bildung eines Wertsystems

Lernzielstufe 5 = Wertordnung für das eigene Verhalten übernehmen

Es hat eine Persönlichkeitsprägung durch vermittelte Werte stattgefunden. Die

Einstellungen sind zum Teil der Person geworden.

Allgemeine Ausrichtung des Verhaltens,

Bildung einer Werte bezogenen Weltanschauung

Bereitschaft und Fähigkeit des einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen

und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial

verantwortlich zu verhalten

5.2.2.4 Was sind Lernzielklassen?

Ausbildungsziel (Ausb Ziel)

Der Begriff Ausbildungsziel wird in zweifachem Sinn

verwendet.

1. Ausbildungsziele als Lernzielformulierungen beschreiben nur sehr allgemein die

anzustrebenden Qualifikationen. Sie werden durch die Ausbildungsorganisation

vorgegeben.

2. In der „Ausbildungswelt“ werden die Begriffe Ausbildungsziel und Lernziel teilweise

auch sinngleich verwendet.

Richtziel (RZ)

Das Richtziel beschreibt das Ausbildungsziel auf einer konkreter gefassten Stufe.

37

Page 38: Handbuch für Ausbilder

Richtziele werden auf höherer Organisationsebene formuliert (z.B. Ämter).

Grobziel (GZ)

Das Grobziel beschreibt in allgemeiner Form das erwartete Endverhalten.

Grobziele werden entweder auf höherer Organisationsebene oder der für die

Durchführung der Ausbildung direkt verantwortlichen Ebene formuliert.

Feinziel (FZ)

Das Feinziel beschreibt eindeutig das erwartete Endverhalten.

Ein vollständig formuliertes Feinziel umfasst:

den Lernenden,

den Inhaltsteil,

das zu erzielende Endverhalten,

die Bedingungen, unter denen sich das Endverhalten zu bewähren hat,

den Bewertungsmaßstab.

Feinziele werden vom Ausbildungsplaner oder Ausbilder/Lehrer der

Durchführungsebene formuliert.

Wo immer möglich sollte bei der Feinzieldefinition eine Parametrisierung stattfinden.

Das bietet sich vorzugsweise bei den kognitiven und psychomotorischen Lernzielen

an, bei affektiven Lernzielen wird das nur im Ausnahmefall mal möglich sein. Sinn der

Parametrisierung ist es, eine Leistungsbewertung aufgrund der erreichten Lernziele zu

erleichtern. Das bedeutet, dass bereits in der Lernzielformulierung Vorgaben gemacht

werden, was in welchem Maße mindestens zu erreichen ist, z.B. „der Schüler soll bei

Standardwetterbedingungen (1013 HPa, 15° C) mindestens 1000 m ohne

Unterbrechung in einer Zeit von 6 Minuten laufen“, oder „der Schüler soll mindestens 7

von 10 Englisch-Vokabeln in einer Zeit von 40 Sekunden richtig übersetzen“.

In vielen Ausbildungsinstitutionen gilt das Erreichen von 70 % der geforderten Leistung

als „ausreichend“ zu bewertende Leistung. Wer will schon von einem Arzt operiert

werden oder von einem Piloten geflogen werden, der weniger als 70% von dem kann,

was er eigentlich können soll.

Schematische Darstellung der Lernzielklassen

38

Page 39: Handbuch für Ausbilder

Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Hierarchie der innerhalb der

Ausbildungsorganisation und den Lernzielklassen. Das bedeutet an der Spitze der

Ausbildungsorganisation wird das allgemeine Ausbildungsziel (Ausb Ziel) für einen

Ausbildungsgang festgelegt. Je nach Ausbildungsorganisation werden in den nach

unten folgenden Hierarchiestufen die Richtziele und Grobziele festgelegt.

Der Ausbilder/Lehrer leitet daraus die für seinen Unterricht relevanten Feinziele ab.

Das bedeutet also, dass der Detaillierungsgrad in Richtung Feinziel immer höher wird.

Das Feinziel beschreibt schließlich unmissverständlich das geforderte Endverhalten

des Auszubildenden.

In der schulischen Ausbildung in Deutschland ist es nicht ganz so einfach. So gibt es

natürlich von Bundesland zu Bundesland deutliche Unterschiede in der Dokumentation

der Lehrpläne. Aber auch selbst innerhalb eines Bundeslandes findet man in den

Lehrplänen (Curricula) von Lehrplan zu Lehrplan deutliche Qualitätsunterschiede. Zum

Teil werden die Festlegungen der Richtziele und Grobziele den Fachkonferenzen

übertragen. Wie unter diesen zum Teil sehr unterschiedlichen Voraussetzungen ein

„Zentralabitur“ mit gerechter Bewertung durchgeführt werden soll, bleibt wohl das

Geheimnis verschiedener Bundesländer unserer Republik.

5.3 Lerninhalte

Den Lernzielen werden entsprechende Lerninhalte zugeordnet, da diese nach dem

Grundgedanken der lernzielorientierten Ausbildung vom Lernziel abhängen. Die 39

Page 40: Handbuch für Ausbilder

Umkehrung - Lernziele von Lerninhalten abzuleiten - ist falsch, da Stoff nur dann ein

Lerninhalt ist, wenn er dem Lernziel dient und durch ein Lernziel als Gegenstand des

Lernens ausgewiesen ist.

In der Ausbildungsplanung lässt sich der Stoffanteil von Grobzielen der untersten

Ableitungsebene durch Lerninhalte verdeutlichen, bei Feinzielen sind keine ergänzen-

den Angaben zum Lerninhalt hinzuzufügen, da dieser - bei richtiger und eindeutiger

Beschreibung - aus dem Lernziel selbst hervorgeht ( bindender Lerninhalt ).

Es ist der Lernstoff, den die Schüler lernen sollen. Zum Teil werden sie von der

Ausbildungsorganisation vorgegeben, zum Teil muss der Ausbilder/Lehrer den

Ausbildungsstoff unter Berücksichtigung der Lernziele auch selbst beschaffen. In der

schulischen Ausbildung wird der Ausbildungsstoff (= Lerninhalte) weitgehend durch die

entsprechenden Lehrbücher vorgegeben. Es bleibt dann dem Fleiß und der Fantasie

des einzelnen Ausbilders/Lehrers überlassen, in wieweit er diese Vorgaben mit eigenen

Materialien ergänzt bzw. optimiert.

In jedem Falle muss der Ausbilder/Lehrer den Ausbildungsstoff beherrschen, um die für

das Erreichen des vorgegebenen Lernziels erforderlichen Inhalte auswählen zu

können.

Der Ausbildungsinhalt wird also aufgrund der Lernziele gesammelt und

zusammengestellt. Er gibt Antwort auf die Frage: WAS soll der Lernende nach

Abschluss einer Ausbildung können/wissen?

Bei der Auswahl der Ausbildungsinhalte ist darauf zu achten, dass

der für die Ausbildung vorgegebene Zeitrahmen beachtet wird,

möglichst an Erfahrungen und Wissen angeknüpft werden kann,

Inhalte, die sachlich zusammengehören, zusammen bleiben und aufeinander

abgestimmt sind und

der Grundsatz „vom Leichten zum Schweren“ beachtet wird.

Im Zusammenhang mit vorgegeben Lernzielen und Erfolgskontrollen stellt sich auch

die Frage nach der Gewichtung des Ausbildungsstoffs:

1. Priorität: Was muss der Auszubildende wissen?

2. Priorität: Was sollte der Auszubildende wissen?

3. Priorität: Was könnte der Auszubildende wissen?

Nach diesen Prioritäten ist der Ausbildungsstoff zu sammeln und zu gewichten.

Bildung ist mehr Wissen als man braucht!

40

Page 41: Handbuch für Ausbilder

5.4 Lerngruppe

Als Lerngruppe bezeichnet man die Gruppe, die Klasse die gemeinsam ein bestimmtes

Ausbildungsziel erreichen soll. Demgegenüber gibt es aber Lehrsituationen, in denen

Einzelausbildung stattfindet. D.h. ein einzelner Auszubildender durchläuft eine

Ausbildung, z.B. ein Lehrling in einem Handwerksbetrieb. In einer kleinen Lerngruppe

ist der Ausbildungserfolg in der Regel höher als in einer großen.

Für eine didaktische Analyse kann die Zusammensetzung der Lerngruppe wichtig sein.

Hier sind Alter, Geschlecht, soziale Herkunft, ethnische und religiöse Zugehörigkeit und

(Aus -)Bildungsstand der einzelnen Gruppenmitglieder Fakten, die betrachtet werden

sollten.

Lernen in der Gruppe ist ein Prozess, der sich an den vorgegebenen Lernzielen

orientiert. Dieser Lernprozess wird durch gegenseitige Verständigung durch verbale

oder nonverbale (Gestik, Mimik) Kommunikation gefördert oder auch behindert.

In einer Lerngruppe entsteht in der Regel auch soziales Lernen.

Damit bezeichnet man einen Lernprozess in einer Gruppe/Klasse, der den inneren

Zusammenhalt fördert und zu gemeinsamem Handeln befähigt.

Die Lösung von Problemen und Konfliktsituationen ist Teil des Lernprozesses. Er dient

dazu künftige Konflikte sachlicher anzugehen und zu bewältigen. Dieser Prozess ist

insbesondere für das Zusammenwachsen zu einer Klassengemeinschaft wichtig.

Als soziales Lernen bezeichnet man auch die Förderung des Lernens durch

Zusammenarbeit. Daher sollte - wo immer möglich - das Lernen im Gruppenrahmen

dem Frontalunterricht vorgezogen werden.

In Gruppen entwickeln sich bereits nach kurzer Zeit soziale Beziehungen zwischen den

Gruppenmitgliedern. Die Art dieser Beziehungen wird u.a. durch die Erfahrungen,

Erwartungen und Interessen jedes einzelnen Gruppenmitgliedes bestimmt.

Eine beliebte Stilübung bei Pädagogen ist die Erstellung eines „Gruppensoziogramms“.

Das läuft so ab, dass jeder Schüler aufgefordert wird, aufzuschreiben, mit wem seiner

Mitschüler er gern in einer Gruppe zusammen arbeiten möchte und mit wem nicht und

mit wem es ihm egal ist.

Diese Antworten wertet man dann aus. Als graphische Darstellung wird jeder Schüler

als ein Symbol dargestellt. Jede Antwort wird mit einem Pfeil zu der Person, die

betroffen ist, dargestellt. So ergibt sich dann ein Muster, woraus ersichtlich, auf wen - je

nach Fragestellung - besonders viele oder wenige Pfeile zeigen.

So können sich dann auch die sogenannten „informellen Führer“ herauskristallisieren.

Das sind die Schüler, die besonders anerkannt sind und das Vertrauen der anderen

41

Page 42: Handbuch für Ausbilder

genießen. In der Praxis äußert sich das auch dadurch, dass diese Personen zum

Klassensprecher, Jahrgangssprecher etc. gewählt werden.

Das Ergebnis bekommt man aber auch, wenn man ein paar Gruppenarbeiten

durchführen lässt, bei denen sich die Schüler selbst gruppieren dürfen.

Zu beachten dabei ist, dass dieses Ergebnis nicht fest zementiert ist. Ein Schüler hat

vielleicht gerade eine Runde Eis ausgegeben und schneidet daher jetzt als besonders

beliebt ab. Morgen kann das ein ganz anderer sein.

Wichtig ist, dass man als Ausbilder/Lehrer seine Klasse beobachtet und

Veränderungen wahrnimmt. Solange sich diese Veränderungen auf die Gruppe und

den Lernerfolg positiv auswirken, soll man diese Entwicklungen fördern. Negativen

Veränderungen muss man sofort entgegentreten.

Vertraut sein mit den Eigenschaften und Besonderheiten der Lerngruppe erleichtert

dem Ausbilder die Auswahl von Ausbildungsinhalten, Ausbildungsverfahren und

Ausbildungsmitteln, um die vorgegebenen Lernziele am besten zu erreichen. Seine

Kenntnis der Rollen, die Gruppenmitglieder in der jeweiligen Situation einnehmen, kann

er zur Steigerung der Effektivität der Ausbildung nutzen, z.B. einen guten Turner im

Sportunterricht als „Vorturner“ einsetzen.

Die Beziehungen der Einzelnen untereinander bestimmen das Lernklima in der

Lerngruppe. Eine Störung dieses Lernklimas kann den Ausbildungserfolg nachhaltig

beeinträchtigen. Sollte der Ausbilder/Lehrer eine solche Störung feststellen, ist er gut

beraten, die Störung sofort zu beseitigen. Dazu gilt es, zunächst die Ursache dieser

Störung herauszufinden. Das kann dadurch geschehen, dass man das Gespräch mit

einzelnen Schülern sucht, oder dass man das Problem mit der ganzen Lerngruppe

bespricht. Der Ausbilder/Lehrer sollte dabei vermeiden einzelne bloß zustellen.

Ein weiteres Problem ist das Mobbing. Es bezieht sich oft auf einzelne Schüler durch

die Mehrheit der Lerngruppe. Das kann bei dem Betroffenen zu erheblichen

Einschränkungen in seiner Leistung führen bis hin zur totalen Leistungsverweigerung

(„Schule schwänzen“) und Angstzuständen.

Es ist die Pflicht eines jeden Ausbilders/Lehrers solchen Störungen des Lernklimas

entschlossen entgegen zu treten und keinesfalls zu dulden.

Folgende Maßnahmen können bei der Beseitigung von Störungen hilfreich sein:

Vorschläge aus der Gruppe aufgreifen,

gemeinsame Gruppenziele wieder deutlich in Erinnerung bringen,

positive Gemeinsamkeiten der Gruppe herausstellen,

negative Folgen der Störungen des Gruppenklimas für den Einzelnen

aufzeigen,

42

Page 43: Handbuch für Ausbilder

erforderliche Maßnahmen in der Gruppe so konkret ansprechen, dass sie jeder

versteht, sich damit einverstanden erklärt und bereit ist, sie umzusetzen.

Erst wenn Versuche gescheitert sind, die Störungen des Gruppenklimas durch

Aussprachen mit Einzelnen oder der Gruppe insgesamt zu lösen, sollten ggf.

weitergehende Maßnahmen Anwendung finden. Je nach Ausbildungsorganisation gibt

es dafür entsprechende Verfahren.

5.5 Ausbildungsmittel

In der Pädagogik und hier speziell in der Didaktik wird meist von Ausbildungsmedien

(oder nur Medien) gesprochen. Allerdings verengt der Begriff „Medien“ von vornherein

die Perspektive, weil der Begriff „Medien“ durch den normalen Sprachgebrauch belegt

ist.

Daher ist die Bezeichnung Ausbildungsmittel gewählt, weil er besser differenziert und

der Fantasie, nach geeigneten Ausbildungsmitteln zu suchen, freien Lauf lässt.

5.5.1 Originalmaterial

Für viele Unterrichtszwecke bietet sich natürlich Originalgerät oder Teile an,

insbesondere, wenn es um praktische Ausbildung geht. Für die Ausbildung bestimmter

manueller Fertigkeiten, ist es immer besser praktisch am oder mit dem Gerät arbeiten

zu können. Soll z.B. ein Handwerkslehrling lernen, ein Gewinde auf ein Rohr zu

schneiden, dann kann man sicherlich gewisse Sachverhalte dazu theoretisch im

Unterricht vermitteln. Letztendlich wird er es aber nur dann richtig lernen, wenn er es in

der Praxis an einem Rohr auch mal gemacht hat.

Auch in der schulischen Ausbildung bietet es sich an,- da wo möglich - mit natürlichen

Materialien zu arbeiten. Soll im Biologieunterricht z.B. der Blütenaufbau von

Korbblütlern vermittelt werden, kann man das sicherlich anhand von Löwenzahnblüten

recht anschaulich ohne finanziellen Aufwand im Unterricht deutlich machen.

5.5.2 Ausbildungsmaterial

Mit Ausbildungsmaterial bezeichnet man im weitesten Sinne die „Hardware“ für die

Ausbildungsunterstützung. Es ist das Material, das meist benötigt, um die

Ausbildungshilfsmittel nutzen zu können. Das Ausbildungsmaterial lässt sich oft auch

43

Page 44: Handbuch für Ausbilder

sinnvoll kombinieren, so kann z.B. mit einem Overheadprojektor eine vorgefertigte Folie

auf eine weiße Tafel projiziert werden und dann können Prozessabläufe o.ä. nicht auf

der Folie sondern an entsprechender Stelle dann auf dem projizierten Tafelbild

eingetragen werden (lassen).

Ein Lernprozess wird maßgeblich dadurch unterstützt, dass der angebotene

Ausbildungsstoff, nicht nur akustisch (durch Vortrag) angeboten wird, sondern auch mit

prägnantem Bildmaterial visualisiert wird. Jegliche Visualisierung muss übersichtlich,

gut lesbar und einprägsam sein.

Nicht die aufwendig erstellte Folie ist die beste Folie, sondern diejenige, die

- kurz,

- eindeutig und

- einprägsam

die beabsichtigte Information so darbietet, dass sie vom Auszubildenden möglichst auf

einen Blick erfasst werden kann. Gleiches gilt auch für den Tafelanschrieb.

Bei der Auswahl und Nutzung von Ausbildungsmaterial ist darauf zu achten, dass

durch das Ausbildungsmaterial möglichst wenig Kapazität des Ausbilders/Lehrers

während des Unterrichts gebunden wird. Ein umfangreicher Tafelanschrieb, der durch

den Ausbilder/ Lehrer während des Unterrichts an die Tafel geschrieben wird, ist in

diesem Sinne sicherlich suboptimal. Der Ausbilder/Lehrer muss für diese Zeit den

Schülern den Rücken zuwenden und kann selbst nicht gegenüber den Schülern

agieren. Das provoziert geradezu Schülerstreiche.

Der Ausbildungsfluss wird dadurch unterbrochen und gestört.

Es ist also besser, die Auswahl so zu treffen, dass der Ausbilder/Lehrer stets

Blickkontakt mit der Klasse halten kann. Gegebenenfalls ist es zweckmäßig, bestimmte

Aufgaben einem Schüler zu übertragen (Tafelanschrieb, Inbetriebnahme und

Bedienung von Geräten etc.).

5.5.3 Ausbildungshilfsmittel

Die Ausbildungshilfsmittel sind quasi die „Software“ für die Ausbildung. Es sind die Bild

- und Datenträger, die für den Unterricht benötigt werden. Das Spektrum reicht von

einem herkömmlichen Bild über Folien, Texten bis hin zu Modellen und CUA -

Lernprogrammen. Zum Teil kann man diese Ausbildungsmittel für den Unterricht selbst

vorbereiten oder herstellen, z.T. gibt es auch schon fertige Diaserien, Foliensätze,

Anschauungstafeln oder sonstige Datenträger für verschiedene Lerninhalte.

Gerade das Internet bietet heute einem Ausbilder/Lehrer fast unbegrenzte

Möglichkeiten, für einen bestimmten Ausbildungsinhalt unterstützendes Material zu

44

Page 45: Handbuch für Ausbilder

finden und auf Ausbildungshilfsmittel zu übertragen und für den Unterricht nutzbar zu

machen.

5.6 Methodik

An dieser Stelle sei angemerkt, dass in der „pädagogischen Praxis“ im Sprachgebrauch

gern die Wortschöpfung „didaktisch - methodisch“ als Adjektiv oder Adverb benutzt

wird.

Das ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass sich viele Pädagogen mit Didaktik und

Methodik nur unzureichend beschäftigt haben und den Unterschied zwischen Didaktik

und Methodik nicht genau kennen. Zur Verschleierung dieser Unkenntnis ist dann wohl

die Wortschöpfung „didaktisch - methodisch“ entstanden. Sie ist Sinn-frei.

Entweder ist irgendein Sachverhalt der Didaktik zu zuordnen - wir wissen ja nun was

Didaktik ist - oder irgendein Sachverhalt ist der Methodik zu zuordnen. Die wird jetzt

behandelt.

Grundsätzlich bezeichnet man mit Methodik die methodische Vorgehensweise für ein

Ausbildungsvorhaben und die Ausbildungsformen und - Verfahren. Das bedeutet, die

Methodik ist der Didaktik nachgeordnet und hat den gleichen Stellenwert in einer

didaktischen Analyse wie alle anderen Determinanten auch. Es sagt ja auch niemand

„didaktisch - lerninhaltlich“.

45

Page 46: Handbuch für Ausbilder

5.6.1 Methodische Vorgehensweise

Deduktiv oder Induktiv

Diese Vorgehensweise ist in der Ausbildung eine Standardvorgehensweise.

Deduktiv bedeutet in der Methodik, dass man einen allgemeingültigen Sachverhalt,

eine Regel, ein Gesetz oder eine Definition betrachtet. Dabei werden die einzelnen

Tatsachen der Erfahrung, die zu der allgemeingültigen Aussage geführt haben

untersucht. Man geht also vom Allgemeinen zu Besonderen vor und schließt auf des

Einzelne. Das Ende dieser Untersuchung führt dann wieder zum Ausgangspunkt. Mit

der ursprünglich betrachteten Regel, Aussage, Gesetz etc. wird am Einzelnen geprüft,

ob das Gesetzhafte richtig ist.

Einfach ausgedrückt:

Vom Ganzen auf das Einzelne, die Teile

Vom Allgemeinen zum Besonderen

Der induktive Weg ist die Umkehrung des deduktiven Verfahrens. Hier wird zuerst das

Einzelne oder Besondere betrachtet und untersucht. Ausgangspunkt sind die

Erfahrungen des Einzelnen. Dann wird von den Ergebnissen dieser Betrachtung mittels

Generalisierung auf das Ganze geschlossen.

5.6.2 Ausbildungsformen sind

Unterricht und

Praktische Ausbildung

Im Unterricht soll der Lernende

sich Wissen und Kenntnisse aneignen,

sein Denkvermögen schulen,

Einsichten erhalten,

Fähigkeiten entwickeln.

In der praktischen Ausbildung soll der Auszubildende

Praktische Handlungsabläufe und Tätigkeiten erlernen

Bewegungsabläufe erlernen

46

Page 47: Handbuch für Ausbilder

5.6.3 Ausbildungsverfahren

Ausbildungsverfahren sind die verschiedenen Wege, die zum Erreichen eines Lernziels

führen. Sie gelten für den Unterricht und für die praktische Ausbildung.

Allerdings gibt es Ausbildungsverfahren, die eher für den Unterricht geeignet sind und

Ausbildungsverfahren, die eher in der praktischen Ausbildung Anwendung finden.

Welches Ausbildungsverfahren in welcher Ausbildungssituation gewählt wird, ist

abhängig

vom Lernziel,

vom Lerninhalt

von den organisatorischen Bedingungen,

vom Können des Ausbilders und

von der Aufnahmefähigkeit der Auszubildenden.

Ein Wechsel der Ausbildungsverfahren kann die Ausbildung beleben, sie interessanter

machen und damit motivierender gestalten. Dabei wirkt nicht die Menge, sondern die

sinnvolle Aufeinanderfolge unterschiedlicher Ausbildungsverfahren erfolgssteigernd.

Es sollte vermieden werden, dass ein rasanter Wechsel verschiedener

Ausbildungsverfahren das eigentliche Lernziel in Vergessenheit geraten lässt.

Unten angeführte Grafik veranschaulicht einige ausgewählte Ausbildungsverfahren, die

in der Praxis am häufigsten genutzt werden. Dabei wird jedoch kein Anspruch auf

Vollständigkeit erhoben. Die Anzahl der Ausbildungsverfahren ließe sich beliebig

erweitern.

Für die Auswahl eines Ausbildungsverfahrens muss man wissen, dass der

Auszubildende am besten den Ausbildungsstoff lernt, wenn dabei alle seine Sinne

angesprochen werden. So kann ein Auszubildender sicherlich nach einem einstündigen 47

Page 48: Handbuch für Ausbilder

Vortrag über Haifischhaut erahnen, wie sie sich wohl anfühlen wird, wirklich wissen und

behalten und selbst erklären kann er es aber nur, wenn er diese Haut mal selbst

gesehen und angefasst und möglicherweise sogar gerochen hat.

5.6.3.1 Der Vortrag

Der Vortrag als Ausbildungsverfahren wird meist dann gewählt, wenn die Lerngruppe

sehr groß ist. In aller Regel erfolgt nach einem Vortrag auch keine Lernzielkontrolle.

Der Erfolg eines Vortrags kann sehr unterschiedlich ausfallen. Er hängt ganz

wesentlich vom Vortragenden bzw. der Art des Vortragens ab. Es gibt begnadete

Leute, denen die Zuhörer über eine Stunde an den Lippen hängen und mit Interesse

die Informationen aufnehmen. Es gibt aber auch weniger begabte Redner, die

manchem Schlafmittelhersteller das Wasser in die Augen treiben würden.

Im Normalfall wird ein Vortragender seinen Vortrag mit audiovisuellen

Ausbildungsmitteln unterstützen. Der Vortrag dient dazu einer großen Anzahl von

Zuhörern in relativ kurzer Zeit viele Informationen zu vermitteln. Es kann schnell ein

Überblick über ein Themengebiet gegeben werden und dabei Einblicke in komplexere

Gesamtzusammenhänge eröffnet werden.

5.6.3.2 Das Referat

Für das Referat gilt im Prinzip das Gleiche wie für den Vortrag. Allerdings wird ein

Referat in der Unterrichtspraxis in der Regel etwas kürzer ausfallen. Es eignet sich z.B.

im Rahmen eines Einstiegs als Informations - Input für die weitere Bearbeitung eines

Themas.

5.6.3.3 Das Unterrichtsgespräch

Das Unterrichtsgespräch ist eigentlich das gängigste Ausbildungsverfahren in der

bundesdeutschen Ausbildungswelt. Nun gilt es jetzt, das Unterrichtsgespräch noch

etwas aufzudröseln. Im gelenkten Unterrichtsgespräch (Lehrgespräch) gibt der

Lehrer Inhalt und Ziel vor und regt Schüler zu passenden Antworten an. Das ist das

Übliche.

Alle Mitglieder der Lerngruppe erhalten die Möglichkeit, sich aktiv gestaltend in das

Ausbildungsgeschehen einzubringen, indem sie Fragen stellen, Sachverhalte klären,

und eigene Erfahrungen einbringen.

48

Page 49: Handbuch für Ausbilder

Dabei hat der Ausbilder die Möglichkeit, sich ständig davon zu überzeugen, dass der

Ausbildungsstoff verstanden wurde. Das Lehrgespräch eignet sich sowohl zur

erstmaligen Vermittlung eines neuen Lernstoffes als auch zur wiederholenden

Vertiefung und Festigung.

Das sokratische Gespräch (mäeutisches Gespräch) ist die historische Urform des

Unterrichtsgesprächs. Sokrates ging davon aus, das ein Mensch alles wissen kann.

Der Lehrer muss nur die richtigen Fragen stellen, die der Schüler aufgrund eigener

Einsicht beantworten kann und damit dann auch selbst Wissen und Erkenntnis erlangt.

Für die Unterrichtspraxis bedeutet das, der Lehrer stellt die Fragen so, dass die Schüler

von selbst auf die Lösung kommen, die aber vom Lehrer genau vorhergesehen wird.

Eine andere Variante in der Literatur ist das freie Unterrichtsgespräch (auch

Schülergespräch). Der Lehrer hält sich weitgehend nach dem Anfangsimpuls zurück

und vertraut auf die Fortführung durch die Schüler selbst, die sich gegenseitig

zuwenden. Aber wie geht es dann weiter??? Wo landet dieses Gespräch??? Im Sinne

einer lernzielorientierten Ausbildung sollte man sich die Anwendung dieser Form des

Unterrichtsgesprächs zumindest gründlich überlegen.

Nicht unerwähnt bleiben sollte auch das Prüfungsgespräch. Es ist ein Gespräch zur

Leistungskontrolle.

Im Unterrichtsgespräch kann der Ausbilder/Lehrer gemeinsam mit der Lerngruppe

durch gezielte Fragen die Problemstellung des Lernstoffes erschließen.

Beiträgen aus der Lerngruppe, die in den geplanten Unterrichtsverlauf passen, können

für den weiteren Verlauf aufgegriffen und genutzt werden.

Bei der Stoffvermittlung sollte nach den gängigen Prinzipien „vom Bekannten zum

Unbekannten, vom Leichten zum Schweren, vom Teil zum Ganzen oder vom Ganzen

zum Teil“ vorgegangen werden.

Das Gespräch wird zielgerichtet gelenkt durch allgemeine Hinweise, themenbezogene

Beispiele und Vergleiche, aber auch Äußerung eigener Auffassungen bzw.

Bewertungen

Allgemein sollen Schüler zu längeren Beiträgen ermutigt werden, auch wenn diese

noch nicht die vollständige Lösung des gestellten Problems beinhalten oder auf

falschen Annahmen beruhen. Durch das Gespräch kann der Lehrer sich ein Bild von

der Klasse machen, ein Feedback über ihr Wissen erhalten und zur Übung übergehen.

In einem Unterrichtsgespräch kommt man ja wohl nicht ohne Fragen aus. Aber wie

und welche Fragen stellt man als Ausbilder/Lehrer? Wichtig ist, dass eine Frage auch

als Frage erkennbar ist. Eine Frage fängt also mit einem Fragewort an, z.B.

Wer ? (welche Personen, Gruppen, Parteien)

Was ? (Sachverhalt, Tatbestand)

49

Page 50: Handbuch für Ausbilder

Wann ? (genaues Datum, zeitliche Einordnung, historische Einordnung)

Wo ? (geographische Zuordnung, räumliche Zuordnung)

Wie ? (realer Ablauf, Faktorenanalyse)

Wozu? (das Ziel, der Zweck, die Absicht, der Sinn)

Warum ? (kausaler Zusammenhang, rechtliche und ethische Einordnung)

Diese Fragen bezeichnet man als offene Fragen, da sie dem Antwortenden einen

breiten Spielraum zur Antwort geben. Sie bieten sich zur Gestaltung eines

Unterrichtsgesprächs an.

Demgegenüber steht die geschlossene Frage. Sie lässt dem Antwortenden keinen

Spielraum und erwartet eine Entscheidung, z.B. „Fahren wir mit dem Taxi oder der

Bahn?“ Sie bietet dem Schüler wenig Raum für eine kreative Antwort, jedoch ist eine

solche Frage durchaus geeignet, mit gezielter Fragestellung bei Bedarf einen Schüler

zu disziplinieren

5.6.3.4 Brainstorming

Die Idee des Brainstormings stammt von Alex Osborne und wurde von Charles

Hutchinson Clark weiterentwickelt. Es ist eine Methode zur Ideenfindung, die die

Erzeugung von neuen, ungewöhnlichen Ideen in einer Gruppe von Menschen fördern

soll. In der Unterrichtspraxis kann man Brainstorming zum Beispiel wie folgt

einsetzen:

Kurzer Einstieg mit Informationsinput

Daraus eine Problemstellung ableiten

Jetzt mittels Brainstorming Lösungen suchen lassen

Die Vorschläge sammeln und sortieren

Vorschläge bearbeiten (Gruppenarbeit, U - Gespräch) und dabei bewerten

Zielführende Ansätze herausarbeiten und zur Lösung führen (Konsensfindung)

Wichtig dabei ist, dass wirklich alle - auch abwegig erscheinende - Ideen zugelassen

werden. So kann sich jeder Schüler einbringen. In der Bearbeitungsphase lässt sich

soziales Verhalten durch gegenseitige Akzeptanz und auch das Urteilsverhalten, die

Urteilsfähigkeit schulen.

5.6.3.5 Diskussion

Die Diskussion bedarf - zumindest, wenn sie im Unterricht zielorientiert verlaufen soll -

eines erfahrenen Moderators, der die Diskussion lenkt. Dieses Ausbildungsverfahren

50

Page 51: Handbuch für Ausbilder

kann im Unterricht ähnlich eingesetzt werden wie das Brainstorming. Der Unterschied

liegt darin, dass die Problemstellung in eine polarisierende Frage münden muss. Statt

Lösungen werden jetzt Argumente sortiert nach „Pro“ und „Contra“ gesammelt und

dann daraus zielführende Lösungen mit Konsensfindung erarbeitet. Wer es sich

einfach machen will, teilt die Klasse einfach mittig in zwei Hälften. Die eine Hälfte

bekommt den Auftrag „Pro - Argumente“ zu sammeln, die andere Hälfte sammelt die

„Contra - Argumente“(Gruppenarbeit). Die Ergebnisse werden vorgetragen und

stichwortartig visualisiert (Tafelanschrieb). Dann beginnt die Diskussionsphase (im

Plenum). Man wird erstaunt sein, wie schnell sich die Schüler mit dem Auftrag und den

daraus erwachsenen Argumenten identifizieren und diese dann z.T. vehement

vertreten. Es ist dann die Kunst eines guten Moderators (Lehrers) diese Diskussion im

Sinne des Lernziels so zu lenken, dass auch am Unterrichtsende das gewünschte

Ergebnis (Lernziel) erreicht wird.

5.6.3.6 Einzelarbeit

Zur Einzelarbeit wird die Lerngruppe quasi aufgelöst. Jeder Schüler/Auszubildende

bekommt einen klar umrissenen Auftrag bzw. Aufgabe, die er allein in einem

vorgegeben Rahmen bewältigen muss. Das Arbeitstempo kann der Schüler dabei

weitgehend selbst bestimmen. Der Lehrer/Ausbilder muss jedoch für Fragen dabei

weiterhin zur Verfügung stehen und vor allem das Arbeitsergebnis mit dem Schüler

besprechen. Dieses Ausbildungsverfahren wird häufig im Handwerk angewendet, kann

aber auch fallweise in der schulischen Ausbildung Anwendung finden (Physik -

Versuche, Chemie - Versuche, Kunst, Werken etc.)

5.6.3.7 Gruppenarbeit

Die Gruppenarbeit kann zur Förderung des sozialen Verhaltens (Einordnen,

Hilfsbereitschaft, Partnerschaft etc.) eingesetzt werden.

Der Lehrer kann die Gruppe gezielt einteilen, also wer mit wem zusammen arbeiten

soll, oder er kann auch Gruppen sich selbst finden lassen. Dann suchen sich die

einzelnen Schüler aus mit wem sie gern zusammen arbeiten wollen. Je nach

Lerngruppe kann die eine oder andere Variante von Vorteil sein. Wichtig ist, darauf zu

achten, ob es einzelne gibt, die keinen Anschluss finden oder die gemieden werden.

In dem Fall sollte der Lehrer/Ausbilder stets die Einteilung vornehmen. Ungeachtet

dessen sollte er nach dem Unterricht den Ursachen auf den Grund gehen, warum

51

Page 52: Handbuch für Ausbilder

einzelne ausgeschlossen werden. Es ist alles daran zu setzen, Einzelgänger wieder zu

integrieren.

Die Gruppen können arbeitsteilige oder arbeitsgleiche Aufträge bekommen.

Bei arbeitsteiligen Aufträgen bekommt jede Gruppe einen anderen Auftrag. Diese

unterschiedlichen Aufträge müssen sich zur Lernzielerreichung ergänzen.

Bei arbeitsgleichen Aufträgen bekommt jede Gruppe den gleichen Auftrag.

Die Aufträge für die Gruppen werden zweckmäßigerweise schriftlich auf einem Zettel

vorbereitet formuliert und mit einer Zeitvorgabe für die Bearbeitung verteilt.

Für die Gruppenarbeit bestimmt jede Gruppe einen Leiter und einen „Schriftführer“, der

die Arbeitsergebnisse festhält und am Ende der Bearbeitung vorträgt.

Während der Bearbeitungsphase steht der Ausbilder/Lehrer für Fragen zur Verfügung

und unterstützt die Gruppenarbeit, wenn die Gruppe nicht weiterkommt. Er überprüft

auch während der Bearbeitungsphase, ob die Gruppen im Sinne seiner Aufträge

arbeiten und das Thema in seinem Sinne behandelt wird. Gegebenenfalls gibt er

weitere steuernde Inputs.

5.6.3.8 Partnerarbeit

Partnerarbeit ist die Miniaturform der Gruppenarbeit. Ähnlich wie Gruppenarbeit ist

dieses Ausbildungsverfahren dazu geeignet, Lernziele des affektiven Lernzielbereichs

zu verfolgen.

Der Ausbilder/Lehrer verteilt Aufgaben an jeweils zwei Schüler, die diese dann

zusammen bearbeiten sollen. Hier gilt im Prinzip das Gleiche, wie für die

Gruppenarbeit. Partner können zugeteilt oder freiwillig gewählt werden. Sie können

jeweils gleich leistungsstark sein oder unterschiedlich, je nach verfolgtem Ziel. Für den

Unterricht muss berücksichtigt werden, dass entsprechend viel Zeit zum Vortrag der

Arbeitsergebnisse einkalkuliert werden muss. Sollen nur kleine Übungen mit

gegenseitiger Korrektur durchgeführt werden, hat der Ausbilder/Lehrer kaum Kontrolle

über die Qualität der Korrektur. Sollte man sich gar darauf versteigen wollen, aus dem

„Paarergebnis“ noch die Leistung des einzelnen herausfiltern zu wollen, wird das

Ganze äußerst ineffektiv. Das bedeutet, dass Partnerarbeit im Unterricht gut überlegt

sein will, wenn der Unterricht ökonomischen Prinzipien folgen soll. Wenn es darauf

ankommt, Zeit zu schinden, kann man das mit Partnerarbeit unter dem Deckmantel

sozialen Lernens trefflich tun.

Anders sieht es im praktischen Unterricht aus. Hier gibt es eine Reihe sinnvoller

Anwendungen. Praktische Partnerübungen im Sport sind hier eine gängige Methode.

Zum Beispiel als Teilübung für Mannschaftspiele mit einem Ball können hier Werf - und 52

Page 53: Handbuch für Ausbilder

Fangübungen genauso durchgeführt werden wie Pritschen und Baggern für Volleyball.

Auch für Badminton uns Tennis gibt es hier ein Betätigungsfeld.

Partnerübungen sind auch für Ausbildungsgänge im Handwerk durchaus geeignete

und gängige Verfahren, da sich die Bearbeitung von Werkstücken zu zweit ohnehin

meist einfacher gestaltet. So kann der eine vom anderen lernen und man kann sich

ohne Ausbilder/Lehrer - Kritik gegenseitig korrigieren.

5.6.3.9 VENÜ

Vormachen, Erklären, Nachmachen, Üben. Das ist sicherlich die klassische und

wahrscheinlich auch die erfolgreichste Form des Lehrens überhaupt. In der

pädagogischen Literatur wird diese Methode hinlänglich beschrieben.

Vormachen bedeutet in diesem Fall, dass der gesamte Ablauf einer Tätigkeit zunächst

vorgemacht wird, damit der Auszubildende einen Gesamteindruck bekommt. Dann wird

die Tätigkeit in Einzelschritte zerlegt und jeder einzelne Schritt wird erklärt. Dann lässt

man die Auszubildenden jeden einzelnen Schritt nacheinander nachmachen und üben,

bis sie soweit beherrscht werden, dass sie zum Gesamtablauf zusammengesetzt

werden können. Daraufhin setzt die Übungsphase ein, in der der Gesamtablauf bis zur

angestrebten Lernzielhöhe perfektioniert wird.

Dieses Ausbildungsverfahren bietet sich für den Unterricht genauso wie für die

praktische Ausbildung an.

5.6.3.10 Praktische Arbeit

Der praktischen Arbeit geht in der Regel eine theoretische Unterweisung voraus, in der

das, was in der praktischen Arbeit gemacht werden soll, erklärt wird.

Die praktische Arbeit ist wesentlicher Bestandteil einer Ausbildung. Meist wird erst

durch die praktische Arbeit und Anwendung der Lernstoff verinnerlicht und letztendlich

beherrscht.

Der Begriff praktische Arbeit kann hier durchaus weit gefasst werden. Sie kann sich

z.B. auf sprachliche Übungen genauso beziehen wie auf manuelle Tätigkeiten. So wird

es z.B. schwierig sein eine Sprache zu erlernen, wenn man sie nicht auch in der Praxis

anwendet und spricht. Viele Schüler kennen dieses Phänomen z.B. aus dem

Lateinunterricht. Diese Sprache wird meist dadurch erlernt, dass ein Text gelesen und

übersetzt wird. Es wird aber meist nicht wirklich Latein im Sinne einer Konversation

gesprochen. Daher gelingt es selbst einem Schüler mit dem großen Latinum meist nur

53

Page 54: Handbuch für Ausbilder

mit Mühe, einen Sachverhalt auf Latein zu formulieren und sprachlich darzustellen.

Eine handwerkliche Ausbildung ist ohne praktischen Anteil kaum vorstellbar. Ein

Schweißer wird kaum Schweißen lernen, wenn er es nicht in der Praxis vermittelt

bekommt und übt.

Das bedeutet, praktische Arbeit ist oft der ausgedehnte Teil des Übens von VENÜ.

Bisweilen wird es als eigenständiges Ausbildungsverfahren angesehen.

5.6.3.11 Vorführung

Eine Vorführung kann als Ausbildungsverfahren auch in einen Unterricht eingebaut

werden. Typischerweise wird die Vorführung aber eher der praktischen Ausbildung

zugeordnet. Sie eignet sich zur Vermittlung komplexer Zusammenhänge, die auf

anderem Wege nicht oder nur unvollständig vermittelbar sind. Eine Vorführung muss

vorbereitet werden. Den Auszubildenden muss erklärt werden, was in dieser

Vorführung gezeigt werden wird, wie der Ablauf sein wird und worauf es dabei

ankommt. Der Vorführende muss die personellen und materiellen Mittel zeitgerecht

bereitstellen und vorbereiten, so dass es für die Ausbildung keine unnötigen

Zeitverluste gibt. Gegebenenfalls sind Sicherheitsbestimmungen zu beachten und

entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

Beispiele in der Unterrichtspraxis dafür kennt man aus dem Chemie - und

Physikunterricht wie auch aus dem Sportunterricht.

Nach Beendigung der Vorführung wird im weiteren Unterrichtsverlauf das Ergebnis mit

den Erwartungen verglichen und ausgewertet.

5.6.3.12 Stationsausbildung

Die Stationsausbildung kann einer Vorführung folgen. Bei der Organisation gibt es

einige Regeln zu beachten.

Die Stationen müssen vorbereitet werden. Dazu gehört, dass die Stationen materiell

und ggfs. auch personell hinterlegt sein müssen. Das bedeutet, dass an jeder Station

für jeden Auszubildenden genügend Material und Gerät zur Verfügung steht. Der

Ausbildungsstoff der jeweiligen Station muss hinsichtlich Umfang und

Schwierigkeitsgrad an jeder Station in etwa gleich sein, so dass sich gleiche

Durchlaufzeiten ergeben.

Den Auszubildenden muss an jeder Station erklärt werden, was zu tun ist und wie viel

Zeit sie dafür haben. Es kann sinnvoll sein, die jeweilige Aufgabe mit Erklärung

54

Page 55: Handbuch für Ausbilder

schriftlich zu fassen und an der Station für die Auszubildenden verfügbar zu haben. Es

müssen möglichst gleichstarke Gruppen eingeteilt werden und die Stationen müssen

so gelegt werden, dass ein schneller Stationswechsel möglich ist und dass die

Gruppen sich nicht gegenseitig stören.

Meist wird es sinnvoll (aber nicht immer möglich) sein, die verschiedenen

Ausbildungsstationen schon vor dem Unterricht vorzubereiten, um für die eigentliche

Ausbildung Zeit zu sparen. Ansonsten muss man sich als Ausbilder/Lehrer bewusst

sein, dass die Einrichtung der Stationen während des Unterrichts viel Zeit kosten kann,

insbesondere wenn einzelne Schüler es darauf anlegen, den Unterricht mit

irgendwelchen Späßen zu sabotieren.

5.6.3.13 Wettkampf

Der Wettkampf lässt sich meist problemlos in den Unterrichtablauf einbauen. Er

motiviert die Schüler und lockert das Unterrichtsgeschehen auf. Die Regeln für einen

Wettkampf müssen den Schülern vorher bekanntgegeben werden. Es müssen für alle

Teilnehmer die gleichen Voraussetzungen und Bedingungen gegeben sein.

Im Zuge von Wettkämpfen können sich Spannungen zwischen einzelnen Schülern

oder Gruppen entwickeln. Hier muss der Ausbilder/Lehrer sofort einschreiten und an

das Gebot der sportlichen Fairness appellieren. Typischerweise findet dieses

Unterrichtsverfahren im Sport Anwendung. Es kann allerdings auch im Unterricht

genutzt werden. Z.B. im Englischunterricht: Wer findet innerhalb von 5 Minuten die

meisten Vokabeln mit dem Anfangsbuchstaben „E“ ohne Hilfsmittel.

Auch hier soll nicht unerwähnt bleiben, dass das Ergebnis eines Wettkampfes

besprochen werden muss. Es ist auf Stärken und Schwächen hinzuweisen.

Insbesondere Schwächeren ist hier Hilfestellung zu geben, in dem mit ihnen

besprochen wird, wie sie ihre Leistungen verbessern können.

5.7 Organisatorische Rahmenbedingungen

Die organisatorischen Rahmenbedingungen umfassen praktisch die „Hardware“ eines

Unterrichts. Am plausibelsten wird dieses Problem am Beispiel „Sportstätten“. Nur

wenige Ausbildungsinstitutionen sind mit der kompletten Palette an Sportstätten

gesegnet. Das bedeutet, dass in der Regel ein Organisationsaufwand besteht,

Sportstätten zum erforderlichen Zeitraum zur Verfügung zu haben und diese

Sportstätten müssen unter Berücksichtigung der zu erreichenden Lernziele und der zur 55

Page 56: Handbuch für Ausbilder

Verfügung stehenden Ausbildungszeit auch noch sinnvoll erreichbar sein.

Dieses für die meisten aus eigener Erfahrung hinlänglich bekannte Problem tritt

natürlich auch in anderen Bereichen auf.

Das bedeutet, der Ausbilder/Lehrer muss seine Unterrichtsvorbereitungen auf die

Gegebenheiten abstimmen oder die Gegebenheiten müssen für das

Unterrichtsvorhaben angepasst werden.

In der schulischen Praxis findet man eher den ersten Fall vor, dazu müssen folgende

Aspekte betrachtet werden:

Vorbereitungszeit

Unterrichtsraum

Größe der Lerngruppe

Ausstattung mit Ausbildungsmitteln

Weg - /Zeitberechnungen

Tages - /Jahreszeit/Witterung

Logistik

Es wird jedem einleuchten, dass ein gut vorbereiteter Unterricht besser sein wird, als

eine hastig aus alten Unterlagen generierte „Schülerverwahrungsstunde“.

Solch ein gut vorbereiteter Unterricht benötigt Vorbereitungszeit. Selbst ein begnadet

guter und erfahrener Ausbilder/Lehrer wird ein Mindestmaß an Vorbereitung brauchen,

wenn der Unterricht wirklich gut werden soll.

Der Unterrichtsraum hat Einfluss auf den Unterricht:

Wie groß ist er?

Wie ist de Ausstattung mit Tischen und Stühlen für die Schüler?

Gibt es Einzeltische bzw. Arbeitsplätze für jeden Schüler?

Lassen sich Tische und Stühle zur Gruppenarbeit umgruppieren?

Wie sind die Licht - /Beleuchtungsverhältnisse?

Gibt es Verdunkelungsmöglichkeiten?

Sind Beamer oder Overheadprojektor einsetzbar?

Gibt es entsprechende elektrische Anschlüsse?

Müssen Anschlusskabel frei verlegt werden?

Können dazu die Betriebsschutzbestimmungen bezüglich Stolpergefahr

eingehalten werden?

Über welche und wie viel Tafeln verfügt der Raum?

Kann nur mit Kreide oder Stiften gearbeitet werden?

Stehen dafür unterschiedliche Farben zur Verfügung

Ist der Raum klimatisiert?

Können bei Experimenten o.ä. die erforderlichen Sicherheitsabstände

56

Page 57: Handbuch für Ausbilder

eingehalten werden?

Existieren Fluchtwege? Sind sie nutzbar?

Es ist leicht einsehbar, dass Klarheit über diese Fragen, den Unterricht deutlich

optimieren kann. Basiert z.B. ein wesentlicher Teil des Unterrichts auf der Nutzung

eines Overheadprojektors und man stellt dann fest, dass die Sonne hervorragend auf

die Projektionsfläche scheint und eine Verdunkelungsmöglichkeit existiert nicht oder

der notwendige elektrische Anschluss fehlt, dann sollte man als Ausbilder/Lehrer

eigentlich Schweißtropfen auf der Stirn bekommen oder zumindest ein schlechtes

Gewissen, weil man den Schülern kostbare Ausbildungszeit gestohlen hat.

Auf die Größe der Lerngruppe hat der Ausbilder/Lehrer meist nur wenig oder keinen

Einfluss. Dennoch muss man sich dazu Gedanken machen:

Kann ich Gruppenarbeit durchführen? Wie viel Gruppen?

Habe ich für jede Gruppe die entsprechenden Ausbildungsmaterialien und

Ausbildungshilfsmittel?

Welchen Einfluss hat die Anzahl der Gruppen auf die benötigte

Ausbildungszeit? Bleibt für jede Gruppe genügend Vortragszeit?

Kann bezogen auf die Größe von Gruppe und Raum die Schrift auf

Tafel/Projektionsfläche von allen gelesen werden?

Kann ich von jedem akustisch verstanden werden?

Die Ausstattung mit Ausbildungsmitteln ist von Ausbildungseinrichtung zu

Ausbildungseinrichtung sehr unterschiedlich. Das Spektrum reicht von komplett

ausgestatteten CUA - Hörsälen mit Part – Task - Trainern bis hin zu einem Raum mit

nur Tafel und weißer Kreide. Das bedeutet, dass zur Vorbereitung eines Unterrichts

auch gehört, sich Gedanken zu den Ausbildungsmitteln zu machen. Es muss also

geprüft werden:

Was steht bereits zur Verfügung?

Was kann bis Unterrichtsbeginn von anderer Stelle besorgt/entliehen werden?

Sind die vorhandenen Ausbildungsmittel funktionstüchtig?

Wer beantragt/besorgt zusätzliche Ausbildungsmittel? Welche Fristen sind dazu

einzuhalten?

Sind Haushaltsmittel einzuplanen? Wer genehmigt sie? Zeitlicher Vorlauf?

Welche Alternativen gibt es, die keine oder nur geringe Finanzmittel binden?

Was können die Schüler zumutbar selbst beisteuern, z.B. Büromaterial (Folien,

farbige Folienschreiber, etc.?

57

Page 58: Handbuch für Ausbilder

Es kann für die Unterrichtsgestaltung sehr hilfreich sein, für bestimmte Dinge Schüler

mit Aufgaben zu betrauen. So kann z.B. ein Schüler eingeteilt werden, der rechtzeitig

vor Unterrichtsbeginn eine Landkarte, Schautafel o.ä. aus dem entsprechenden

Aufbewahrungsort (Kartenraum) besorgt.

Eine Weg - /Zeitberechnung klingt zwar banal, ist aber manchmal unerlässlich. Das

Sportstättenbeispiel ist typisch dafür. Das heißt im Rahmen der Unterrichtsvorbereitung

muss geprüft werden, wie lange brauchen die Schüler oder auch der Ausbilder/Lehrer,

um von einem Ausbildungsort zum nächsten zu gelangen? Wie viel Zeit geht davon

von der Ausbildungszeit ab? Stehen dann für die Schüler und Lehrer noch

Pausenzeiten zur Verfügung? So kann sich schnell eine Doppelstunde Ausbildungszeit

auf einen Bruchteil reduzieren. Das sollte für die Unterrichtsplanung berücksichtigt

werden.

Ein ähnlich triviales Thema ist die Planung mit der Tageszeit und dem Wetter. Ein

jeder kennt wahrscheinlich die unsägliche Situation, wenn er bei 30°C nachmittags um

15:00 Uhr im Unterricht sitzt und der monotonen Stimme eines vortragenden Lehrers

zu hören soll. Wer ist da noch nicht in Versuchung geraten, sich Pupillen auf die

Augenlider zu malen, um nicht beim Schlafen erwischt zu werden?

Wer hat schon Lust, im strömenden Regen, Wind und Kälte (Herbstwetter) seine

Leichtathletik - Übungen zu absolvieren? Welche Leistungen/Ergebnisse kann man

erwarten? Also auch diese Faktoren sind im Rahmen der Unterrichtsvorbereitung zu

bedenken. Auswirkungen hat das auf die Wahl Ausbildungsverfahren und

Ausbildungsmittel. Unter bestimmten Umständen muss auf einen Plan „B“

zurückgegriffen werden können. Um beim Sportbeispiel zu bleiben, kann es sinnvoll

sein, vom Sportplatz in die Halle zu wechseln und dort jetzt möglicherweise ein

gänzlich anderes Lernziel zu verfolgen.

Die Logistik ist ein Thema, das in der pädagogischen Literatur wohl eher selten zu

finden ist. Unter Logistik ist hier im weitesten Sinne die Versorgung von Schülern und

Ausbildern/Lehrern zu verstehen. Es ist wohl noch längst nicht an allen

Ausbildungseinrichtungen so, dass Schüler und Lehrer die Möglichkeit und Gelegenheit

haben, sich vor Ort mit Speisen und Getränken zu versorgen. Nun ist es aber so, dass

der Mensch, wenn er unterrichtet oder unterrichtet wird, Kalorien verbraucht. Das wirkt

sich auf den Blutzuckerspiegel im Kreislauf aus. Werden also nach einer gewissen Zeit

nicht geeignete Speisen und/oder Getränke wieder zugeführt, dann sinkt der

Blutzuckerspiegel. Das hat wesentliche Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit eines

58

Page 59: Handbuch für Ausbilder

Menschen. Leider ist es heute so, dass schon eine ganze Reihe von Schülern ohne

gefrühstückt zu haben, in die Schule kommt. Das hat ganz unterschiedliche Gründe.

Ungeachtet dessen sollte man die Eltern auf die Bedeutung eines Frühstücks und

Mitführung eines „Pausenbrotes“ hinweisen. Wenn eine ausreichende Versorgung mit

Speisen und Getränken in der Ausbildungseinrichtung über die gesamte Unterrichtszeit

nicht sichergestellt ist, sollten zunächst die Ausbilder/Lehrer dafür sorgen, dass sie

selbst genügend zu Essen und zum Trinken mitführen, vor allem aber ist den Schülern

die Bedeutung des Blutzuckerspiegels für das Lernen deutlich zu machen.

Bei Sportveranstaltungen, Wandertagen, Ausflügen etc. ist für die Möglichkeit einer

geregelten Nahrungsaufnahme zu sorgen.

Dabei ist auch zu beachten, dass die Nahrung auch wieder irgendwann ihren Ausgang

sucht. Auch dieser Fall ist im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung

entsprechender Veranstaltungen zu berücksichtigen.

Ein weiterer Punkt ist der Witterungsschutz. Es gibt eine Reihe von Ausbildungen, die

im Freien stattfinden. Sowohl im schulischen als auch im handwerklich - industriellen

Bereich. Ein beliebtes Spiel bei jungen Schülern ist es, sich absichtlich nass regnen zu

lassen, in der Absicht, aufgrund der Durchnässung, von den Lehrern wieder nach Haus

geschickt zu werden. Für Ausbildungsvorhaben im Freien können sowohl Hitze als

auch Kälte zu gesundheitlichen Einschränkungen führen. Bei Hitze ist darauf zu

achten, dass genügend Flüssigkeit zur Verfügung steht und bei Sonneneinstrahlung

möglichst eine Kopfbedeckung getragen wird. Bei Kälte und Nässe ist an geeignete

Schutzbekleidung zu denken. Dazu muss man wissen, dass es schon bei

unverdächtigen Temperaturen von 10°C bereits zur Unterkühlung kommen kann.

Grund dafür ist der Chill - Effekt. Der Chill - Effekt tritt besonders bei durchnässter

Kleidung und Wind auf. Je stärker dabei der Wind desto stärker sind die Auswirkungen

des Chill - Effekts.

Ausbildungsmittel werden weitgehend von der Ausbildungseinrichtung zur Verfügung

gestellt. Hier ist darauf zu achten, dass sich alles in einem gebrauchsfähigen Zustand

befindet. Dazu gehört auch, dass entsprechende Ersatzlampen für den Overhead -

Projektor zur Verfügung stehen oder ganz einfach ausreichend farbige Kreide, Wasser

Schwamm und Tuch, um hier gängige Beispiele zu nennen. Erkannte Mängel sollten

bereits vor Unterrichtsbeginn abgestellt werden.

Es muss jedem Ausbilder/Lehrer bewusst sein, dass er selbst letztendlich für seine

Schüler, für die körperliche Unversehrtheit seiner Schüler und für seinen Unterricht

verantwortlich ist. Gegebenenfalls muss sich ein Ausbilder/Lehrer rechtzeitig um die

Dinge kümmern.

59

Page 60: Handbuch für Ausbilder

6 Leistungsbewertung

6.1 Wozu braucht man eine Leistungsbewertung?

An der ganzen Ausbildung dürfte die Leistungsbewertung das lästigste Geschäft sein.

Für nicht wenige Auszubildende ist sie eine stete Quelle der Unsicherheit und des

Ärgers und für den Ausbilder/Lehrer eine ebenso stete Quelle des Zweifels über

Zweckmäßigkeit und Aufwand.

Auf alle Fälle aber fühlt sich nicht selten gerade der pädagogisch stark engagierte

Ausbilder/Lehrer in seinem Verhältnis zu seinem Auszubildenden durch sie erheblich

gestört. Besonders wenn nach einer Ausbildungsphase, in der es ihm vielleicht auch

noch besonders gelungen ist, ein gutes menschliches Verhältnis zum Auszubildenden

herzustellen, er dennoch gezwungen ist, durch die geforderte Leistungsbewertung alles

wieder aufs Spiel zu setzen: Eben hat man sich noch glänzend verstanden, sogar

Fortschritte erzielt und jetzt stellt sich heraus, dass bei objektiver Bewertung alles doch

nicht so gut war!

Sollte man dann nicht wenigstens z.B. beim Fahrradfahren, wo schließlich des Spaßes

wegen gefahren wird, auf eine Leistungsbewertung verzichten?

Die Frage ist natürlich überflüssig, denn beim Fahrradfahren gibt es bisher noch gar

keine Leistungsbewertung, offiziell jedenfalls, nicht und von Wettbewerben einmal

abgesehen. Geht es in der Ausbildung also auch ohne?

Gerade das Fahrradfahren bereitet einiges Kopfzerbrechen, was die Unfallrate

anbetrifft. Kann es da genügen, wenn einem Auszubildenden bescheinigt wird, dass er

im Prinzip weiß, wie ein Fahrrad bedient wird? Oder sollte er nicht eher nachweisen,

dass seine Fertigkeiten und die Kenntnis der Verkehrsregeln ein bestimmtes gesetztes

Niveau wenigstens erreichen, vorzugsweise aber übertreffen und um wie viel? Denn es

ist wohl anzunehmen, dass unter sonst gleichen Voraussetzungen der von den

fahrerischen Fertigkeiten her bessere Fahrer auch der sichere ist.

Damit ist die Leistungsbewertung das Instrument zur Erhöhung der Sicherheit im

Straßenverkehr. Sie dient der Auswahl guter Fahrer und der Fernhaltung fahrerisch

gering trainierter Auszubildenden, ehe sie sich zum Sicherheitsrisiko entwickeln

können.

Dies setzt voraus, dass man weiß, welche fahrerischen Fertigkeiten die Sicherheit

erhöhen und welche bloß mehr oder weniger in der Ausbildung als Selbstzweck

dienen.

Darüber ist man sich aber hoffentlich schon bei der Definition der Lernziele einig

60

Page 61: Handbuch für Ausbilder

geworden.

Womit der Leistungsbewertung zwei weitere Aufgaben zukommen:

Sie dient der Lernzielkontrolle.

Ohne eine ständige Leistungsbewertung kann der Ausbilder/Lehrer gar nicht

wissen, wann er sein Lernziel beim Auszubildenden erreicht hat; und

sie ermöglicht über eine spätere Überprüfung der beruflichen Bewährung

den Nachweis darüber, ob das, was in der Ausbildung gelehrt wird, mit der

späteren beruflichen Bewährung überhaupt zusammenhängt; d.h. ob das, was

gelehrt wird, sinnvoll ist im Hinblick auf die tatsächlichen Anforderungen im

Berufsleben, ob es eine Voraussage auf die spätere beruflichen Bewährung

erlaubt.

Damit erhöht die Leistungsbewertung die Ökonomie der Ausbildung.

Daneben kann eine Leistungsbewertung vor allem im Berufsleben noch einer Reihe

von weiteren Zielen dienen, die hier nur aufgezählt werden sollen:

Gehaltsfindung

Ermittlung der Ausbildungsanforderungen für die Zwecke der Auswahl

Optimaler Arbeitseinsatz (jeder Berufstätige soll die Tätigkeit ausüben für die er

am besten geeignet ist)

Verbesserung des Betriebsklimas (Personalmaßnahmen aller Art lassen sich

durchschaubar machen)

Leistungserhaltung (leistungsfördernde Maßnahmen können frühzeitig

eingeleitet werden, wenn Mängel, die sich einschleichen, sofort erkennbar sind)

Personalplanung und - Entwicklung

Insgesamt gehören bei der Unterrichtsvorbereitung die Planung der Lernziele

und die Festlegung der Leistungsbewertung zusammen. Das eine ergibt ohne

das andere keinen Sinn.

Eine Leistungsbewertung ist erforderlich zur

Lernzielkontrolle

Auswahl im Sinne der schulischen/beruflichen Eignung

Vorhersage zukünftiger schulischer/beruflicher Leistungen

Erhöhung der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Ausbildung

sowie für eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung der

schulischen/beruflichen Arbeitsbedingungen

61

Page 62: Handbuch für Ausbilder

6.2 Welche Bedingungen muss eine Leistungsbewertung erfüllen?

Ganz allgemein liegt der Zweck der Leistungsbewertung darin, den Abstand der

Leistung des Auszubildenden vom Lernziel zu messen.

Dazu hat man sich vor Beginn des Unterrichts hoffentlich auf quantifizierbare,

messbare Werte für Leistung und Lernziel einigen können. Damit muss die

Leistungsbewertung, um den Unterschied zwischen Leistung des Auszubildenden und

Lernziel messen zu können, ein Messinstrument sein.

Was macht nun aber ein Messinstrument zu einem Messinstrument?

Ganz gleich, wer es benutzt, wenn das gleiche gemessen wird, muss immer

dasselbe Ergebnis herauskommen. D.h.: Das Messinstrument darf nicht von

demjenigen, der misst, beeinflusst werden können. Erfüllt das Messinstrument

diese Bedingung, ist es objektiv.

Messen heißt vergleichen. Normalerweise wird das, was gemessen wird, mit

einer vorher festgelegten Skala oder Maßeinheit verglichen, d.h. ein

Messinstrument muss normiert sein.

Ein Metermaß aus Gummi würde wenig Sinn machen, da es bei jeder Messung

am gleichen Gegenstand zu einem anderen Ergebnis kommen würde. Die

Zuverlässigkeit (Reliabilität) eines Messinstrumentes ist dann gegeben, wenn

es bei Messwiederholung unter gleichen Bedingungen zum gleichen Ergebnis

kommt.

Es muss das, was es messen soll, auch tatsächlich messen. Wenn es da im

technischen Bereich auch nur wenige Probleme gibt - wer käme schon auf die

Idee, mit einem Thermometer Länge messen zu wollen! - so ist diese Gefahr

gerade in der Leistungsbewertung allgegenwärtig. Da wird z.B. ein

Fragenkatalog zur Prüfung des Wissensstandes auf einem bestimmten

Fachgebiet entworfen. Hinterher stellt man fest, dass diejenigen, die die

meisten Fragen richtig beantwortet haben, in der Praxis nur ein kümmerliches

Wissen beweisen. Wie ist das möglich?

Ganz einfach: Man hatte pro Frage jeweils mehrere Antwortmöglichkeiten

(multiple - choice) von ganz falsch bis ganz richtig vorgegeben. Und zwar so, dass es

den aufgeweckten Prüflingen auch ohne besonderes Fachwissen möglich war, durch 62

Page 63: Handbuch für Ausbilder

schrittweises Ausschließen der ganz und gar unmöglichen Antworten auf die richtigen

Lösungen zu stoßen.

So etwas - dass etwas ganz anderes gemessen wird, als beabsichtigt - kann nur bei

schriftlichen Prüfungen vorkommen?

Durchaus nicht!

Eine Überprüfungsfahrt z.B. ist nicht nur eine rein fahrerische Angelegenheit, bei der

der Auszubildenden nichts weiter zu tun hat, als sein fahrerisches Können zu zeigen.

Im Idealfall ist das vielleicht so. Im normalen Leben aber ist eine Überprüfungsfahrt

nicht zuletzt auch eine soziale Situation, die den Ausbilder/Lehrer und Auszubildenden

umfasst. In einer solchen sozialen Situation agiert man miteinander, man versteht sich,

man missversteht sich, man kann sich leiden, man kann sich nicht leiden. Es gibt

Auszubildende, die durch ihr angepasstes Verhalten dem Ausbilder/Lehrer die

Überprüfungsfahrt zu einem Vergnügen machen.

Daneben fällt die eine oder andere fahrerische Ungenauigkeit gar nicht so auf. Es gibt

Ausbilder/Lehrer, die so begnadet sind, dass sie so ganz nebenbei einem fremden

Auszubildenden während der Überprüfungsfahrt mehr beibringen, als der in seiner

ganzen vorherigen Ausbildung gelernt hat.

Was wird bei derartigen Überprüfungsfahrten gemessen?

Sicher auch die fahrerischen Fertigkeiten des Auszubildenden, nicht unwesentlich aber

auch dessen soziale Fertigkeiten oder im letzteren Beispiel die pädagogischen

Fertigkeiten des überprüfenden Ausbilder/Lehrers.

Solange es üblich ist, dass einer, der ankündigt, er habe morgen seine

Überprüfungsfahrt, als erstes gefragt wird: „Mit wem?"- solange wird damit auch

eingestanden, dass eine Überprüfungsfahrt als Messinstrument eine ganze Menge

misst, nur das was eigentlich gemessen werden soll (= die fahrerischen Fertigkeiten),

die sind allenfalls ein Teil davon.

Ob mit einer Leistungsbewertung tatsächlich das gemessen worden ist, was gemessen

werden sollte, lässt sich erst später mit einer Bewährungskontrolle in der Praxis

feststellen.

Weil das so mühsam und vor allem zeitaufwendig ist, lässt man die Durchführung von

Bewährungskontrollen gern schleifen, weswegen es so viele Leistungsbewertungen

gibt, von deren Gültigkeit (Validität) man nur eine vage Vorstellung hat. D.h. die

Überzeugung, dass tatsächlich das gemessen wird, was gemessen werden soll,

gründet sich vor allem auf die Erfahrung der Experten, die sich die Leistungsbewertung

63

Page 64: Handbuch für Ausbilder

ausgedacht haben.

Im Straßenverkehr geschehen Bewährungskontrollen hin und wieder aber ganz von

selbst, nämlich dann, wenn Unfälle passieren. Möglicherweise ereilt es dann gerade

denjenigen, der in seiner Überprüfungsfahrt so überraschend gut herauskam, weil er an

den begnadeten Ausbilder/Lehrer geraten war, der ihm noch schnell alles das

beigebracht hatte, was er bis dahin nicht gekonnt und während der Überprüfungsfahrt

vielleicht auch nicht so richtig begriffen hatte. Zu spät stellt sich dann heraus, dass

diese Überprüfungsfahrt eine pädagogische Meisterleistung aber kein Messinstrument

zur Vorhersage zukünftiger fahrerischer Leistung war.

Eine Leistungsbewertung muss ein Messinstrument sein. Dazu muss sie folgende

Bedingungen erfüllen:

Sie muss von demjenigen, der sie durchführt, unabhängig sein (Objektivität).

Sie muss eine Skala/eine Maßeinheit haben (Normierung).

Sie muss bei einer Wiederholung unter gleichen Bedingungen zum gleichen

Ergebnis kommen (Reliabilität/Zuverlässigkeit).

Sie muss das, was sie messen soll, auch tatsächlich messen (Validität/Gültigkeit).

Wie macht man eine Leistungsbewertung zu einem Messinstrument?

Im vorherigen Abschnitt sind die Kriterien aufgezählt worden, die erfüllt sein müssen,

damit eine Leistungsbewertung ein Messinstrument ist. Hier nun soll überlegt werden,

welche praktischen Schwierigkeiten zu überwinden sind, damit eine

Leistungsüberprüfung zu einem Messinstrument wird.

6.2.1 Wie ist Objektivität zu erreichen?

Objektivität liegt dann vor - wir erinnern uns - wenn Durchführung und Auswertung der

Leistungsbewertung nicht von individuellen Maßstäben und Einstellungen der

Prüfer/Ausbilder/Lehrer abhängen.

Das bedeutet, die Prüfer/Ausbilder/Lehrer müssen standardisiert sein. Eine erste

Voraussetzung zur Standardisierung ist, dass alle Prüfer/Ausbilder/Lehrer die Lernziele

samt der dazugehörigen Toleranzgrenzen bzw. Maßeinheiten so im Kopf haben, dass

sie sie auswendig hersagen können. Dies sollte gelegentlich überprüft werden, denn

dann ist zumindest sichergestellt, dass ein seine eigenen Lehrabsichten verfolgender

64

Page 65: Handbuch für Ausbilder

Ausbilder/Lehrer dies wieder besseren Wissens tut. Womit natürlich noch nichts

darüber gesagt ist, was der Ausbilder/Lehrer in pädagogischer Hinsicht treibt, wenn er

mit dem Auszubildenden/der Klasse allein weit weg von jeder Aufsicht ist, die doch erst

eine richtige Standardisierung gewährleisten würde. Was ist zu tun?

Die Standardisierung vieler Ausbilder/Lehrer in einer großen Ausbildungseinrichtung

gehört mit zu den schwierigsten Problemen der Ausbildung überhaupt und ist nur

annäherungsweise zu lösen. Gerade aber weil eine absolute Standardisierung gar nicht

erreichbar ist, stellt sie eine immer währende Aufgabe an jeder Ausbildungseinrichtung

dar.

Der größte Feind jeder Standardisierung ist die wachsende Ausbildungserfahrung der

Ausbilder/Lehrer. Wer sich als Neuling noch willig den Standardisierungsbemühungen

der Ausbildungsleitung unterworfen hat, ist später zunehmend geneigt, darin einen

lästigen Eingriff in die eigene pädagogische Freiheit zu sehen: Schließlich hat man - vor

allem sich selbst - nach so und so vielen Auszubildenden/Klassen bewiesen, dass die

eigene Art und Weise z.B. bestimmte Inhalte zu vermitteln oder Leistungen zu

beurteilen nicht ganz falsch sein kann.

Der zweite Schritt zur Standardisierung der Ausbilder/Lehrer nach der Kenntnis der

Lernziele besteht also darin, die Ausbilder über Sinn, Zweck und Vorgehensweise der

Leistungsbewertung zu unterrichten. Es gilt, sie für eine kontinuierliche

Standardisierung zu motivieren. Dabei ist vor allem wichtig, ihnen klar zu machen, dass

der gute Ausbilder/Lehrer eben nicht der pädagogische Einzelkämpfer ist, dessen

Erfolge aber auch Misserfolge nicht nachvollziehbar sind, weil sie auf einem

persönlichen pädagogischen Geheimnis beruhen. Für die Auszubildenden werden

solche Ausbilder/Lehrer zum Glücksspiel. Die Auszubildenden sollen sich den

Lernzielen gewachsen zeigen, nicht aber den Methoden und Maßstäben des einen

oder anderen Ausbilder/Lehrers. Es gilt vor allem, die Ausbilder/Lehrer davon zu

überzeugen, dass es für einen Menschen unmöglich ist, einen bestimmten Maßstab

kontinuierlich beizubehalten, wenn nicht ständig die Möglichkeit gegeben ist, diesen

Maßstab zu überprüfen.

Die optimale Methode zu einem einheitlichen Maßstab zu gelangen, besteht

zweifelsohne darin, jeden Ausbilder/Lehrer mit jedem anderen Ausbilder/Lehrer das

gesamte Ausbildungsprogramm so lange durcharbeiten zu lassen, bis jeder

Ausbilder/Lehrer davon überzeugt ist, dass alle anderen Ausbilder/Lehrer jeden

leistungsrelevanten Programmpunkt genauso vermitteln würden, wie er es selbst 65

Page 66: Handbuch für Ausbilder

vermitteln würde und vor allem dass jeder andere Abweichungen genauso bewertet,

wie er selbst es tun wurde.

Diese Methode wird natürlich ab einer gewissen Anzahl von Ausbilder/Lehrern sehr zeit

- und kostenaufwendig. Dennoch ist sie angewendet worden, nämlich da, wo es auf

eine besonders exakte Bewertung der Leistung der Auszubildenden ankommt. Gerade

in Anbetracht der „Zentralen Abiturprüfungen“ gewinnt dieser Aspekt zunehmend an

Bedeutung.

Wenn der Ausbildungsgang so teuer wird, dass man sich hohe Durchfallquoten nicht

leisten kann, dann braucht man gute Vorhersagen für den Ausbildungserfolg von

Lehrlingen, Auszubildenden und Studenten. Dann muss die Leistungsbewertung ein

Messinstrument sein.

Die Royal Air Force führt daher genau diese Art der Standardisierung bei denjenigen

Fluglehrern durch, die für die fliegerische Auswahl der Flugschüler zuständig sind.

Eine praktikablere Art der Standardisierung ist es, einen oder einige Standardisierungs

- Ausbilder/Lehrer zu bestimmen, die es übernehmen, alle anderen Ausbilder/Lehrer

regelmäßig nicht nur auf die Einheitlichkeit in der Durchführung der für die Schulung

notwendigen Parameter zu überprüfen, sondern auch die Maßstäbe der Bewertung zu

überwachen. Von daher sind diese Standardisierungsmaßnahmen nicht mit den

gelegentlichen Unterrichtsbesuchen durch Vertreter entsprechender Aufsichtsbehörden

zu verwechseln.

Es erscheint nicht einmal erforderlich, dass diese Standardisierungs - Ausbilder/Lehrer

fachliche Spitzenkräfte sind. Wichtig ist, dass sie in der Lage sind, Abweichungen und

Maßstabsverschiebungen zu erkennen, anzusprechen und Korrekturen durchzusetzen.

Ebenso wichtig ist es, dass die Ausbilder/Lehrer verstehen, dass bei diesen

Standardisierungsbesuchen nicht wie bei den Lehramtsprüfungen ihre pädagogischen

Fähigkeiten zur Debatte stehen, sondern es um die Einheitlichkeit des

Ausbildungsprogramms und der Bewertung geht.

Die Gefahr, dass gerade alte, erfahrene Ausbilder/Lehrer Hinweise, die der

Standardisierung dienen, als Mäkelei an ihren pädagogischen Fertigkeiten empfinden,

ist groß. Standardisierungsmaßnahmen sollten nicht an bestimmte Termine gebunden

sein, sondern sich aus Beobachtungen von Leistungen der Auszubildenden, aus

Gesprächen usw. ergeben und sie sollten auf gar keinen Fall das Odium von

Überprüfungen haben.

Die Objektivität wird in der Leistungsbewertung durch Standardisierung der 66

Page 67: Handbuch für Ausbilder

Ausbilder/Lehrer erreicht.

6.2.2 Wie wird die Leistungsbewertung normiert?

Die Normierung ergibt sich dann von selbst, wenn eine exakte Lernzielbeschreibung

besteht, in der die Toleranzgrenzen aller beobachtbaren Parameter genau festgelegt

sind.

Dann ist zunächst einmal festgelegt, welche Werte die genügenden von den

ungenügenden Leistungen trennen. Wenn es sich dabei z.B. in der Fahrschule um

Verhalten an einer roten Ampel handelt, wie es in der StVO steht, deren

Überschreitungen gefährliche Verkehrssituationen nach sich ziehen, dann bedürfen die

Toleranzgrenzen keiner weiteren Diskussion. Die Lernziele sind erreicht, wenn der

Auszubildenden bei diesen Parametern die Sicherheitsgrenzen nicht mehr

überschreitet.

Wesentlich schwieriger wird die Sache allerdings, wenn man daran geht, zur

Leistungsbewertung Toleranzgrenzen festzulegen, die noch innerhalb der

Sicherheitsbereiche liegen. Etwa wenn man fordert: "Das Lernziel ist erreicht, wenn der

Fahrschüler bei einem herannahenden Fahrzeug bei noch 100 Meter Abstand den

Abbiegevorgang abgeschlossen hat. Eine Unter - oder Überschreitung von weniger als

50 Meter gelten als eine mit "gut" zu beurteilende Leistung. Wenn bei diesem Beispiel

die Sicherheitsgrenze angenommen bei 20 Metern nach unten und oben liegt, dann

müssen die Experten, die diese Leistungsgrenzen festgelegt haben, zwei Fragen

beantworten können.

Erstens, woher wissen sie, dass die 20 – Meter - Grenze die geeigneten Fahrschüler

von den ungeeigneten trennt?

Und zweitens, wieso liegt die Grenze zwischen guten und schlechten Auszubildenden

gerade bei 20 Metern Abweichung? Ehe die Experten dafür keine rationalen Gründe

bringen, bleiben diese geforderten Leistungsgrenzen reine Willkürakte, bestenfalls

gemildert durch eine gewisse aus der Erfahrung stammende gefühlsmäßige

Plausibilität.

Will man diesen Zustand ändern, kommt man um ein Minimum an Statistik nicht herum.

Man muss nämlich von einer möglichst großen Zahl von Auszubildenden die

Leistungen am Ende von Ausbildungsabschnitten notieren (d.h. die Abweichungen von

den Werten eines Lernziels). Man wird dann mit der Zeit eine Verteilung der Leistungen

von Auszubildenden erhalten, die umso klarer ist, je mehr Auszubildenden beobachtet

wurden.

67

Page 68: Handbuch für Ausbilder

Aus dieser Verteilung geht hervor, wie nahe die Auszubildenden überhaupt an die

Werte der idealen Lösung herankommen und in welchem Abstand vom Lernziel bei

einer bestimmten Ausbildungszeit sich der Durchschnitt der Auszubildenden bewegt.

Wenn man dann z.B. feststellt, dass sich praktisch alle Auszubildenden innerhalb der

+/- 20 Meter - Grenze bei unserem vorigen Beispiel befinden, dann kann man die 50

Meter - Grenze aus der Lernzielbeschreibung streichen und eine Unterscheidung nach

guten und schlechten Auszubildenden dürfte bei diesem Fahrmanöver wohl nicht

möglich sein, da alle Werte der Auszubildenden viel zu nahe beieinander liegen.

Ganz anders dagegen, wenn man an Hand der Verteilung feststellt, dass sich der

Durchschnitt bei 50 Metern befindet und die 20 Meter so gut wie nie unterschritten

werden (weil z.B. die Abschätzung der Annäherungsgeschwindigkeit des anderen

Fahrzeugs und der eigene darauf abgestimmte Anfahrprozess zu lange dauern)?

Dann wird man sinnvoller Weise die Grenze, die das Erreichen vom Nichterreichen des

Lernzieles trennt, nach oben verschieben (natürlich noch innerhalb der

Sicherheitsgrenzen der betreffenden Verkehrssituation), um der Mehrzahl der

Auszubildenden die Chance zu geben, das Lernziel überhaupt zu erreichen. Eine

andere Möglichkeit wäre, das Lernziel umzuformulieren. Auf alle Fälle aber ergibt ein

Lernziel, dessen Werte von der Mehrzahl der Auszubildenden nicht erreicht werden,

keinen Sinn - es sei denn, man betreibt eine Auswahl.

Aus den bisherigen Beispielen geht aber auch hervor, dass eine Auflistung von

möglichst vielen Leistungswerten erforderlich ist, um zu entscheiden, ob bei einem

bestimmten Lernziel eine Differenzierung der Auszubildenden in gute, schlechte und

durchschnittliche oder was auch immer, überhaupt sinnvoll ist.

Häufig wird in Ausbildungssystemen eine bestimmte Notenskala von vornherein

vorgegeben. Das kann eine Fünfer oder eine Sechser -, manchmal sogar eine Neuner -

Skala sein.

Die Ausbilder retten sich vor solchen Skalen normalerweise dadurch, dass sie nur

einige wenige der vorgegebenen Notenwerte überhaupt benutzen. Die anderen Werte

sind dann zwar im Sinne einer erwünschten Differenzierung der Leistung von

Auszubildenden gut gemeint gewesen, sind in der Praxis aber überflüssig.

Ehe man also eine Noten - Skala vorschreibt, muss man ermitteln, wie weit die

beobachtbaren Schülerleistungen bei dem zu bewertenden Lernziel überhaupt streuen,

um dann zu überlegen, wie viele Noten eine solche Streuung zur Differenzierung der

Schülerleistung sinnvoller weise zulässt. Es ist klar, dass bei einer Fahrausbildung, bei

68

Page 69: Handbuch für Ausbilder

dem am Ende der Ausbildung z.B. die Fahrtschwankungen aller Auszubildenden

äußerstenfalls 10 km/h auseinander liegen, ein mit 4 bewerteter Auszubildenden sich

nicht wesentlich von einem mit 3 bewerteten Auszubildenden unterscheiden kann,

wenn z.B. eine Siebener - Skala benutzt wird. Man sollte also nicht versuchen, über

eine möglichst vielstufige Notenskala eine besonders gute Differenzierung der

Auszubildenden erreichen zu wollen.

Man würde allenfalls eine Zuordnung der Auszubildenden zu den einzelnen

Notenwerten erzielen, die umso zufälliger ist, je näher die Noten beieinander liegen.

Die Erfahrungen mit den Leistungsbewertungen, wie sie Ausbilder/Lehrer vornehmen,

zeigen, dass die Möglichkeiten zur Leistungsbeobachtung im Fahrzeug bestenfalls eine

Differenzierung der Auszubildenden in unterdurchschnittlich, durchschnittlich,

überdurchschnittlich und Lernziel nicht erreicht zulassen.

In nicht wenigen Bereichen der Leistungsbewertung dürfte es sogar angebrachter sein,

überhaupt nur zwischen Lernziel erreicht und nicht erreicht zu differenzieren.

Wie in einem früheren Abschnitt ausgeführt wurde, soll die Leistungsbewertung kein

Selbstzweck sein. Zur Feststellung, ob das Lernziel erreicht wurde, genügt eine Zweier

- Skala.

Zur Vorhersage der schulischen/beruflichen Bewährung ist eine Viererskala schon das

äußerste, was an Genauigkeit erforderlich ist.

Denn die berufliche Leistung lässt sich im beruflichen Alltag noch viel weniger genau

messen, als das in der schulischen Ausbildung möglich ist, wo immerhin exakt

definierte Lernziele bewertet werden. D.h. eine übergroße Genauigkeit in der

Leistungsbewertung der Auszubildenden während der Ausbildung lässt sich später auf

ihre Zweckmäßigkeit gar nicht mehr überprüfen.

Es soll zum Schluss nicht unerwähnt bleiben, dass es Bundesländer gibt, die für ihre

schulische Ausbildung einen gewissen Aufwand an Statistik vorgeben und betreiben.

Das ist schon mal eine gute Voraussetzung für eine normierte standardisierte

Bewertung von Schülerleistungen. Immerhin ist es nicht verkehrt, sich statistische

Grundkenntnisse anzueignen, wenn man wirklich an den Problemen der

Ausbildungskontrolle interessiert ist.

Die Leistungsbewertung wird normiert, indem die Streuung der Leistungen von

Auszubildenden bei dem jeweils zu bewertenden Lernziel ermittelt und dann in Stufen

unterschiedlicher Leistungshöhe aufgeteilt wird.

69

Page 70: Handbuch für Ausbilder

Dabei ist zu beachten, dass die so erzielten Notenstufen einen solchen Umfang haben

müssen, dass der Ausbilder/Lehrer die in der Ausbildung beobachtbare Schülerleistung

eindeutig einer der Stufen zuordnen kann.

Es ist nicht möglich, die Genauigkeit der Beobachtung der Leistung durch den

Ausbilder/Lehrer dadurch zu fördern, dass man ihm eine Bewertungsskala mit

möglichst vielen Notenstufen vorgibt.

6.2.3 Wie wird die Leistungsbewertung zuverlässig (reliabel)?

Reliabilität bedeutet, dass ein Messinstrument am gleichen Messobjekt bei

Messwiederholung zum gleichen Ergebnis kommen muss. Diese Forderung ist in der

Alltags - Technik kein sonderliches Problem. Aber immerhin spricht es sich allmählich

herum, dass die Dinge in der Physik des atomaren Bereiches schon nicht mehr so

einfach liegen: Da wird nämlich das zu Messende bereits durch die Messung verändert.

Mit diesem Problem hat man sich auf dem Gebiet der Messung erworbener

Fertigkeiten besonders herumzuschlagen.

Man hört nie auf zu lernen und gerade in Prüfungen lernt man eine ganze Menge,

wenn das auch manchmal ein wenig spät ist. Eine Prüfungswiederholung kann von

daher gar nicht zum gleichen Ergebnis kommen, selbst wenn das Messinstrument

"Prüfung" vollkommen reliabel wäre, denn der Messgegenstand, der Prüfling, hat sich

auf alle Fälle schon aufgrund der vorhergehenden Messung verändert.

An dieser Stelle ist ein Wort über psychologische Prüfverfahren (Tests) notwendig.

Auch ein Test ist ein Messinstrument, muss also den hier aufgezählten Kriterien

genügen. Wie steht es da mit der Reliabilität? Ganz sicher wird ein Proband dadurch

verändert, dass er getestet worden ist, die Reliabilität kann also auch hier nicht

vollkommen sein. Es liegt aber ein wesentlicher Unterschied zwischen

psychologischem Test und Lernzielüberprüfung. Der Zweck eines Tests besteht nicht

wie bei letzterer darin, erworbene Fertigkeiten zu überprüfen, sondern er ist so

konstruiert, dass man mit ihm vorhandene Fähigkeiten messen kann. Die aber

verändern sich vor allem beim erwachsenen Menschen nur wenig, wie sich nachweisen

lässt. Testwiederholungen führen bei richtig konstruierten Tests tatsächlich zu einer

hohen Übereinstimmung der Testergebnisse beim gleichen Probanden. Dazu ein

Beispiel:

Die Fähigkeit zur feinmotorischen Koordination von Hand - und Fußbewegungen ist

u.a. erforderlich, um die Fertigkeit "Fahren" zu erlernen. Letztere kann durch viel Übung

70

Page 71: Handbuch für Ausbilder

zum Glück verbessert werden, auch wenn erstere nicht allzu ausgeprägt ist und auch

durch ein langes Fahrerleben nicht wesentlich ausgeprägter wird, wie souverän

mancher auch sein Fahrzeug in der Hand hat. Das führt häufig zu Missverständnissen

zwischen Psychologen und Ausbildern. Die einen messen relativ konstante

Fähigkeiten, die die Grundlage für zu erwerbende Fertigkeiten sind, während die

anderen, die sich während der Ausbildung ständig verändernden Fertigkeiten mit den

Fähigkeiten in einen Topf werfen.

Aber zurück zur Reliabilität der Leistungsbewertung. Es ist klar, dass die sich während

des Ausbildungsprozesses verändernden Fertigkeiten der Auszubildenden eine

Reliabilitätsbestimmung durch Prüfungswiederholung praktisch unmöglich machen.

Dennoch kommen wir nicht darum herum, sicherzustellen, dass unser Messinstrument

"Leistungsbewertung" reliabel ist. Es muss zumindest sicher sein, dass alle

Ausbilder/Lehrer, wenn sie den gleichen Auszubildenden zum gleichen Zeitpunkt

bewerten könnten, zum gleichen Ergebnis kommen würden.

Das sollte nicht allzu schwierig sein. Denn entsprechend unserer Definition setzt sich

das Lernziel aus beobachtbaren, messbaren Parametern zusammen. Es sollte nun

aber doch allen Ausbildern/Lehrern möglich sein, wenn sie den gleichen

Auszubildenden beobachteten, gemeinsam festzustellen, dass er die Geschwindigkeit

bei der betreffenden Fahrt um XX km/h überschritten hat, und wenn sie dann in ihre

Noten - Skala gehen, sollten alle zu dem Ergebnis kommen, dass das z.B. eine

durchschnittliche Leistung war.

Man kann nun in diesem theoretischen Fall jede der Messungen aller Ausbilder/Lehrer

am gleichen Auszubildenden als Messwiederholungen ansehen. Da alle zum gleichen

Ergebnis kamen, kommen mussten, hätte die Leistungsbewertung in diesem Fall ihre

Reliabilität, ihre Zuverlässigkeit bewiesen.

Aus diesem Gedankengang folgt unmittelbar, dass die Reliabilität einer

Leistungsmessung von deren Objektivität abhängt. Offensichtlich kann die Reliabilität

nicht besser sein als die Objektivität. Ist es also nicht gelungen, eine

Leistungsbewertung objektiv zu gestalten, dann braucht man an die Reliabilität gar

keine Gedanken mehr zu verschwenden. Da ist dann doch nichts mehr zu retten.

Für den Auszubildenden würde das bedeuten, dass er mal diese, mal jene Note für

seine Leistungen erhält, ohne dass ihm recht einsichtig würde, warum das so ist. Da

schlechte Reliabilität nur ein anderer Ausdruck dafür ist, dass sich der Maßstab ständig

verändert, hätte unter diesen Umständen auch die Ausbildungsleitung Mühe

nachzuvollziehen, wie sich denn nun eigentlich die Schülerleistung aufgrund der

71

Page 72: Handbuch für Ausbilder

Ausbildung verändert. Sie könnte daher kaum sagen, ob die Ausbildung gut oder

schlecht ist.

Es geht also darum, den Maßstab, nach dem bewertet wird, zu fixieren. Dazu dienen

messbare Lernzielparameter und eine Skala, auf der man den Abstand der jeweils

gemessenen Schülerleistung zum Lernziel bestimmen kann. Je verschwommener die

Stufen dieser Skala sind, umso weniger reliabel kann die Leistungsmessung sein. Das

bedeutet, dass ein Ausbilder/Lehrer auch bei großer Gewissenhaftigkeit gar nicht

verhindern könnte, dass er verschiedene Auszubildende bei objektiv gleichen

Leistungen dennoch unterschiedlich bewertet.

Hinzu kommt, dass die Handhabung eines Messinstrumentes gelernt und geübt

werden muss. Es kann also nicht genügen, Ausbildern ein Leistungsbewertungssystem

in die Hand zu drücken und es dabei allenfalls mit einer Gebrauchsanweisung

bewenden zu lassen. Wenn schon das Ablesen eines Rechenschiebers der Übung

bedarf, um wie viel mehr ist Übung in der pädagogischen Leistungsmessung

erforderlich, wo es kaum möglich sein dürfte, ein Messinstrument zu konstruieren, das

sich so zweifelsfrei ablesen lässt, wie eben ein Rechenschieber!

Die Zuverlässigkeit (Reliabilität) einer Leistungsbewertung kann nur indirekt

erschlossen werden, da jede Prüfung den Prüfling so verändert, dass bei einer

Prüfungswiederholung nicht mehr die gleichen Messbedingungen herrschen.

Die Zuverlässigkeit einer Leistungsbewertung ist abhängig von der Exaktheit der

Lernzieldefinition und von der Objektivität mit der sie durchgeführt wird.

Eine Leistungsmessung, die nicht objektiv ist, kann auch nicht reliabel sein.

Absolutes Grading vs. Relatives Grading

Wird die Leistungsbewertung so vorgenommen, dass lediglich die Abweichung der

Schülerleistung vom Lernziel bestimmt wird, dann nennt man das mit dem

Fachausdruck „ Absolutes Grading“.

Wodurch kann die Reliabilität beim absoluten Grading beeinträchtigt werden?

Im Wesentlichen dadurch, dass die Lernziele nicht exakt genug formuliert worden sind

und sich von daher Interpretationsspielraum von Ausbilder zu Ausbilder in der

Beurteilung des Abstandes der Schülerleistung vom Lernziel ergibt.

Welches ist der wesentlichste Einwand gegen das absolute Grading?72

Page 73: Handbuch für Ausbilder

Es besteht kein Zweifel, dass das absolute Grading optimal dazu beiträgt, ein

Leistungsbewertungsverfahren zu einem Messinstrument zu machen. Dennoch gibt es

einen gewichtigen Einwand dagegen.

Es ist üblich, Schülerleistungen nicht nur einmal im Verlaufe eines Lernprozesses am

Lernziel zu messen, sondern das kontinuierlich Ausbildungseinheit für

Ausbildungseinheit auf dem Wege zum Lernziel hin zu tun. Die Folge ist dann, dass

praktisch alle Auszubildenden den Lernprozess mit schlechten Noten beginnen, was

sicher wenig motivierend ist. Was auch dann entmutigend sein dürfte, wenn jedem

Auszubildenden klar ist, warum das so sein muss und dass sich das, einen normalen

Lernfortschritt vorausgesetzt, rasch ändern wird.

Wie kann der Demotivierung beim absoluten Grading entgegengewirkt werden?

Um die Auszubildenden zu Beginn eines Lernprozesses nicht mit schlechten Noten

schocken zu müssen, relativiert man die Beurteilung des Abstandes der

Schülerleistung vom Lernziel dadurch, dass man sie in Beziehung zur

durchschnittlichen Schülerleistung setzt, die man erfahrungsgemäß in dem gegebenen

Lernabschnitt erwarten kann.

Der Ausbilder/Lehrer sagt sich also z.B. folgendes: Mein Auszubildenden ist noch ganz

schön weit vom Lernziel entfernt, aber dafür, dass es erst die zweite Stunde im

Programm war, war's schon recht gut, also gebe ich ihm nicht eine 4, was dem Abstand

zum Lernziel entspräche, sondern eine 2, weil das meiner Erfahrung über den

gängigen Leistungsstand der Auszubildenden zu diesem Zeitpunkt entspricht. Der

Auszubildenden ist sicher zufrieden, dass er statt einer 4 eine 2 bekommt. Der

Ausbilder/Lehrer dagegen sollte es nur dann sein, wenn er eine Frage zu diesem

Verfahren beantworten kann: Wie stellt er, wie stellt die Ausbildungsleitung sicher, dass

alle Ausbilder/Lehrer über die gleiche Erfahrung darüber verfügen, was Auszubildende

durchschnittlicher Weise in bestimmten Ausbildungsabschnitten an Leistungen zeigen?

Es ist leicht einzusehen, dass dieses relative Grading zwar durchaus schülerfreundlich,

aber im Grunde nicht zu standardisieren ist. Jeder Ausbilder/Lehrer wird seine eigenen

Erfahrungen und Vorstellungen davon haben, was ein Auszubildender wann können

sollte und damit sind Beurteilungsfehlern (siehe diese) Tür und Tor geöffnet.

Genau genommen, tut man auch dem Auszubildenden mit dem relativen Grading

keinen allzu großen Gefallen, denn es lässt sich nicht während des gesamten

Ausbildungsvorganges durchhalten. In dem Moment nämlich, wo z.B. in der Fahrschule

eine Überprüfungsfahrt ansteht, in dem eine wichtige Entscheidung zu fallen ist, z.B. ob

73

Page 74: Handbuch für Ausbilder

der Auszubildenden den Führerschein bekommen darf, kann nicht mehr relativ

bewertet werden. Der Prüfer, der den Überprüfungsfahrt abnimmt, ist aus Gründen der

Straßenverkehrssicherheit ausschließlich an der absoluten Leistung des

Auszubildenden interessiert. Genügt sie dem Lernziel „eigenständige Teilnahme

Straßenverkehr mit einem Kfz“ oder nicht?

Und nun passiert gar nicht mal selten folgendes, wenn der Prüfer diese Frage verneint:

Dann sieht man in den Aufzeichnungsblättern (entspricht einem Ausbildungsnachweis)

des Fahrschülers nach, um zu klären, wie es zu diesem Versagen des Schülers

kommen konnte und stellt fest, dass der Schüler die Ausbildung ohne wesentliche

Schwierigkeiten mit durchschnittlichen Leistungen durchlaufen hat. Nun stehen sich

Ausbilder und Prüfer gegenüber und beide haben sie in ihrem Urteil über den

Auszubildenden auf ihre Art recht. Nur, der eine fand während der Ausbildung, dass

sein Auszubildender relativ gesehen so schlecht gar nicht sei und er es nach seinen

Erfahrungen schon noch schaffen würde. Der Prüfer hingegen konnte nur feststellen,

dass er es absolut gemessen am Lernziel eben nicht geschafft hatte. Wie kann man

diesen Beurteilungsdiskrepanzen entgehen?

Soll die Leistungsmessung die Qualität eines Messinstrumentes haben, führt am

absoluten Grading kein Weg vorbei. Der Vorwurf, demotivierend auf die

Auszubildenden zu wirken, ist kein Argument für das relative Grading, sondern ein

Hinweis darauf, dass die Folge der Lernziele in einem Ausbildungsprogramm in zu

großen Schritten vor sich geht.

Es spricht nichts dagegen, Lernziele so zu formulieren, dass sie vom durchschnittlichen

Auszubildenden innerhalb einer Unterrichtseinheit zu erreichen sind. Es ist also

entweder die Anzahl der Lernziele so zu erhöhen, dass sie schrittweise die

Anforderungen erhöhen, oder aber die Toleranzgrenzen der Lernzielparameter

(beobachtbare Größen) sind schrittweise einzuengen.

In jedem Fall braucht der Ausbilder/Lehrer am Ende der Unterrichtseinheit nur

festzustellen, ob sich der Auszubildende innerhalb der für diese Unterrichtseinheit

maßgebenden Parametertoleranzen bewegt hat und wird so in der Lage sein, auch

dem bloß durchschnittlichen Auszubildenden von der ersten Stunde an motivierende

Noten zu vergeben, ohne sich Gedanken darüber machen zu müssen, wie die

Leistungen seiner Auszubildenden im Hinblick auf die Leistungen Auszubildender

anderer Klassen zu bewerten sind.

74

Page 75: Handbuch für Ausbilder

6.2.4 Wie wird die Gültigkeit (Validität) einer Leistungsbewertung erreicht?

Die Gültigkeit einer Leistungsmessung ist dann gegeben, wenn sie das misst, was sie

messen soll. Was soll sie eigentlich messen?

Es war im vorherigen Abschnitt gesagt worden: Den Abstand der Schülerleistung vom

Lernziel. Das erklärt jedenfalls, wie man misst, aber nicht warum man misst. Wenn

jemand feststellt, dass ein Brett 150 cm lang ist, dann wissen wir, dass er offensichtlich

ein Messinstrument angewendet hat, um das herauszufinden. Ein Messinstrument, das

hoffentlich auch objektiv, normiert und reliabel ist. Was aber natürlich alles nur

Selbstzweck ist, solange wir nicht wissen, warum er denn nun eigentlich gemessen hat.

Nun, er hat das Brett gemessen, weil er in einem Zaun eine Lücke verschließen will, die

150 cm lang ist. Wenn er jetzt das Brett in den Zaun setzt und feststellt, dass es passt,

dann war seine Messung nicht nur objektiv, normiert und reliabel, sie stellt sich auch als

valide oder gültig heraus:

Die aufgrund der Messung getroffene Vorhersage ist eingetroffen - das Brett passt!

Auch der Sinn einer Leistungsmessung besteht letzten Endes darin, eine Vorhersage

zu liefern: In unserem Fall eine Vorhersage auf die spätere schulische/berufliche

Bewährung. Ohne diese Vorhersage auf die zukünftige Bewährung ist jede Ausbildung

bestenfalls ein netter Zeitvertreib. Dabei hört man wohl schon mal den einen oder

anderen Ausbilder/Lehrer/Professor über seinen Auszubildenden/Studenten seufzen:

Die Ausbildung hat er nun ja bestanden, aber ein XXX (Arzt, Pilot, etc.) wird das nie!

Wenn es möglich ist, eine solche Ausbildung zu bestehen, dann kann auf alle Fälle die

am Ende durchgeführte Leistungsmessung nicht das messen, was sie messen soll, sie

kann nicht valide sein. Damit war aber auch die ganze Anstrengung von

Ausbildern/Lehrern und Auszubildenden umsonst.

Die Validität ist damit der zentrale Punkt jeder Ausbildung. Ihr haben alle Überlegungen

zu gelten, wenn mit der Konzeption eines Ausbildungsganges begonnen wird.

Zunächst ist zu klären, was die Praxis fordert, dann sind die Übungen zu entwickeln,

die den Auszubildenden auf die Anforderungen der Praxis vorbereiten und dann ist

festzulegen, wie überprüft wird, ob die vorgesehenen Übungen tatsächlich auf die

praktischen Anforderungen vorbereiten. Mit anderen Worten: Zur Konzeption eines

Ausbildungsganges gehört automatisch auch die Konzeption einer

Bewährungskontrolle!

Wird die Leistungsmessung während der Ausbildung nach den bisher beschriebenen

Kriterien durchgeführt, dann ist bereits ein wesentlicher Schritt zur Bewährungskontrolle

75

Page 76: Handbuch für Ausbilder

getan:

Es liegt dann nämlich eine exakte, in Zahlen belegte Statistik der Schülerleistungen vor.

Diese Statistik braucht nun nur noch mit der Praxis verglichen zu werden und schon

sollte man wissen, wie zweckmäßig die Ausbildung ist. Genau da aber liegt das

Problem.

Womit in der Praxis soll man denn die Ausbildungsstatistik vergleichen? Wie wird die

Leistung in der Berufspraxis gemessen, wenn überhaupt? Eines sollte sicher sein, ganz

gleich wie die Leistungen der Berufspraktiker gemessen wird, nur wenn diese Messung

ebenfalls den Kriterien der Objektivität, Normierung, Reliabilität und Validität entspricht,

hat ein Vergleich mit den Ausbildungsergebnissen überhaupt einen Sinn! Andernfalls

wäre es so, als wolle man einen Zollstock an etwas anlegen, was gar nicht greifbar ist.

Es wird verwundern, dass für die Messung der Berufsbewährung auch Validität

gefordert wird. Ist diese Messung nicht automatisch valide, da ja das, worum es

eigentlich geht, gemessen wird? Durchaus nicht, schließlich gibt es

Gefälligkeitsbeurteilungen, von allen möglichen anderen Beurteilungsfehlern (siehe

diese) einmal ganz abgesehen, die eine Messung der Berufsbewährung völlig

unbrauchbar machen können.

Auch eine Beurteilung findet ihren Sinn nicht darin, dass sie vergangene Leistungen

beschreibt, dann wäre sie allenfalls eine Stilübung, sondern ihr Zweck liegt auch ganz

selbstverständlich darin, dass sie zukünftig zu erwartende Leistungen und

Verhaltensweisen des Beurteilten voraussagt.

Kann die Frage, ob das Außenkriterium (in unserem Fall die schulische/berufliche

Bewährung) nach denselben Messkriterien gewonnen wird wie die Ausbildungsdaten,

guten Gewissens positiv beantwortet werden, dann schlägt die Stunde der Statistiker.

Es gibt eine Reihe von nicht allzu komplizierten statistischen Rechenverfahren, mit

denen der Zusammenhang zwischen verschiedenen Datengruppen anschaulich

dargestellt werden kann, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll. Dafür

hält man sich am besten einen Fachmann, obwohl man als ernsthafter Ausbilder

wahrscheinlich auch nicht ganz ohne statistische Grundkenntnisse auskommen wird.

Wozu nun das Ganze? Welche Fragen kann eine Bewährungsanalyse beantworten,

die man bisher ohne sie nicht auch aus der Erfahrung beantworten konnte?

76

Page 77: Handbuch für Ausbilder

Man wird nicht nur Auskunft darüber erhalten, ob das Gesamtergebnis der Ausbildung

mit der Berufsbewährung zusammenhängt, d.h. ob man überhaupt das Richtige

ausbildet, sondern man wird auch wichtige Einzelfragen beantworten können,

z.B. Welche Phase der Ausbildung hat den höchsten Zusammenhang mit der

Berufsbewährung, ist also der eigentliche Schwerpunkt der Ausbildung? Es

empfiehlt sich, die Notenwerte nach der Bedeutung der Ausbildungsphasen zu

gewichten. Andernfalls gelingt es auch mäßigen Auszubildenden über die

Ergebnisse leichter und für die Berufsbewährung weniger wichtiger

Ausbildungsphasen zu ungerechtfertigt guten Gesamtergebnissen zu kommen.

Ab welcher Ausbildungsstundenzahl steigt der Zusammenhang mit der

späteren Berufsbewährung nicht mehr an? Hat das Ausbildungsprogramm die

optimale Länge? Vielleicht kann das Programm gekürzt werden. Oder, wenn es

verlängert wird: Lässt sich nachweisen, dass sich die spätere Bewährung

verbessert?

Gibt es Programmpunkte (z.B. spezielle Ausbildungsinhalte), die im Grunde

nichts zur Berufsbewährung beitragen, die nur gelehrt werden, weil man das

immer schon getan hat und weil sie den Ausbildern ans Herz gewachsen sind?

Wie sieht der ideale Auszubildende aus, z.B. im Hinblick auf sein Alter?

Doch ganz gleich, welche Frage auch auftaucht: Wenn Daten aus Ausbildung und

Praxis kontinuierlich gesammelt werden, dann ist ihre Beantwortung nur von der Zeit

abhängig, die man braucht, um ein paar statistische Berechnungen durchzuführen.

Zugegeben, die Anlage einer solchen Datensammlung ist zeitraubend und langweilig.

Aber ohne sie ist eine Validierung der Ausbildung nicht möglich und ohne Überprüfung

der Validität weiß der Ausbilder nicht, ob das, was er tut, pädagogisch zweckmäßig und

ökonomisch vertretbar ist.

Die Gültigkeit (Validität) einer Leistungsbewertung in der Ausbildung ergibt sich

aus ihrer Vorhersagegenauigkeit auf zukünftige Bewährung in der Praxis.

Die Bewertung der Bewährung in der Praxis muss nach denselben Kriterien

(Objektivität, Normierung, Reliabilität, Validität) vorgenommen werden, die für die

Leistungsbewertung in der Ausbildung maßgebend sind.

Die Validität einer Leistungsbewertung kann nicht höher sein als ihre Reliabilität

(siehe diese).

77

Page 78: Handbuch für Ausbilder

Ohne eine Validierung weiß man nicht, ob man das Richtige lehrt, ob es

pädagogisch zweckmäßig gelehrt wird und ob der Ausbildungsaufwand

ökonomisch vertretbar ist.

6.3 Leistungsbewertung und Standardisierung der Ausbildung heute

In Deutschland ist neben der auf europäischer Ebene standardisierten Ausbildung im

Bereich der Luftfahrt eigentlich nur noch die Fahrschulausbildung weitgehend

standardisiert. Wenn heute ein Fahrschüler einen Fragebogen ausfüllt und hinterher mit

der Lösungsschablone seine Ergebnisse kontrolliert, wird er zu dem gleichen Ergebnis

kommen, das auch sein Fahrlehrer festgestellt hätte.

In der schulischen Ausbildung erstellen Lehrer zu ihren Klassenarbeiten einen

Bewertungsbogen.

Wenn heute ein Schüler seine Klassenarbeit anhand eines vom Lehrer vorgegeben

Bewertungsbogens kontrollieren würde, zu welchem Ergebnis käme der Schüler und

zu welchem Ergebnis käme der Lehrer? Nun behaupten die Lehrer, das wäre ja mit

einer Fahrschulausbildung gar nicht vergleichbar. Warum eigentlich nicht?

Ein vom Lehrer erstellter Bewertungsbogen zu einer Klassenarbeit ist ja schon löblich.

Es zeigt, dass der Lehrer zumindest schon mal an eine Leistungsbewertung gedacht

hat. In diesem Bewertungsbogen sind dann stichwortartig verschiedene Begriffe

untereinander geschrieben, die der Lehrer zu bewerten gedenkt. Immerhin! Aber das

war es dann auch schon. Was bewertet er jetzt wirklich? Wie bewertet er? Wie wird die

prozentuale Lernzielerreichung ermittelt, zu welcher Note führt die dann?

Wenn man dann dem Lehrer die unsittliche Frage stellt, wo denn der Feinzielkatalog

ist, der dem Bewertungsbogen zugrunde liegen müsste, muss der Lehrer in der Regel

schon passen (ja, den habe ich im Kopf). Nur was und wie bewertet er denn nun

eigentlich, wenn er nicht einmal einen Feinzielkatalog zu Papier gebracht hat? Jeder,

der schon mal Feinziele formuliert hat, die einer Überprüfung standhalten können

müssen, weiß, wie mühsam das sein kann. Das hat der Lehrer nun alles im Kopf. Nur

wenn er auf konkrete Nachfrage, welches Feinziel denn nun diesem

Bewertungskriterium zugrunde liegt, weitschweifige Umschreibungen folgen, aber nicht

das, was man unter Feinziel versteht, dann kann man sich unschwer vorstellen, was

man von der Bewertung dieser Klassenarbeit zu halten hat. Wie können Schüler oder

Eltern dann die Bewertung nachvollziehen und kontrollieren? Ich habe das einige Male

versucht, habe aber immer ins Leere gegriffen. Auf konkrete Fragen geben die Lehrer

78

Page 79: Handbuch für Ausbilder

weitschweifige Erklärungen ab, nur konkret darlegen und begründen und eine

nachvollziehbare Vergleichbarkeit zu Arbeiten anderer Schüler herstellen konnten sie

nicht. Letztendlich war man wieder bei dem auf Erfahrung beruhendem „Gefühl“. So

wurde vor 40 Jahren auch schon bewertet.

Nun gibt es in einigen Ausbildungsinstitutionen die Einrichtung der Supervision. Das

bedeutet, angemeldet oder auch nicht erscheint ein kleines Team, das sich den

Unterricht eines Lehrers anschaut. Das ist ja schon mal gut. Aber was soll jetzt wirklich

dabei herauskommen? Was kann das Team dem Lehrer denn sagen? „Ihr Unterricht

hatte hohen Unterhaltungswert“ vielleicht? Wem soll diese Art der Supervision denn

dienen? Dem Lehrer? Den Schülern? Es ist nur eine Momentaufnahme und sagt in

dieser Form der Durchführung weder über die Leistungsfähigkeit des Lehrers noch der

Schüler wirklich etwas aus. Dazu fehlen die notwendigen standardisierten

Leistungskriterien. Da die fehlen, muss sich das Supervisionsteam wieder auf das

„Bauchgefühl“ verlassen. Entsprechend schwammig wohlwollend fällt dann auch in der

Nachbesprechung mit dem Lehrer die Kritik aus (denn das Supervisionsteam kann und

weiß es mangels konkreter Vorgaben ja auch nicht besser).

Es gibt Ausbildungseinrichtungen in Ländern, in denen wirklich eine Supervision

stattfindet. Dazu gibt es an der Ausbildungseinrichtung eine Standardisierungsgruppe.

Die weiß, wo die Auszubildenden in den verschiedenen Ausbildungsgängen stehen

müssten. Diese Standardisierungsgruppe wird in zwei Varianten eingesetzt. Im

Rahmen von Prüfungen und im laufenden Ausbildungsgeschehen.

Erscheinen sie bei Prüfungen haben die originären Lehrer den Raum zu verlassen und

das Team führt jetzt mit den Schülern eine Prüfung durch. Diese Prüfung besteht aus

einem mündlichen und einem schriftlichen Teil und - sofern angezeigt - auch aus einem

praktischen. In der mündlichen Prüfung werden Fragen gestellt, die der Abklärung des

Kenntnisstandes dienen. Ein Teil der Fragen muss ohne Hilfsmittel beantwortet werden

ein anderer Teil kann mit Hilfe der Ausbildungsunterlagen (Lehrbücher etc.)

beantwortet werden. Der schriftliche Teil besteht aus einem Multiple – Choice - Teil und

aus einem Teil, in denen Antworten frei formuliert werden müssen. Ein Teil der Fragen

muss wieder ohne Hilfsmittel beantwortet werden, für den anderen Teil können

Hilfsmittel benutzt werden. Für alle Prüfungsanteile sind selbstverständlich

entsprechende Standards hinsichtlich der Leistungsbewertung festgelegt. Eine Prüfung

ist bestanden, wenn der Prüfling 70% der Fragen (Feinziele) richtig beantwortet hat.

Erscheint das Team im normalen Ausbildungsablauf, wird auch ein kurzer Test mit den

Schülern durchgeführt, um den Leistungsstand der Lerngruppe anhand der Vorgaben

der Ausbildungseinrichtung zu überprüfen. Es werden aber auch die

Ausbildungsgrundlagen des Lehrers überprüft. Was hat er an Feinzielen für diese

79

Page 80: Handbuch für Ausbilder

Stunde vorgesehen, welchen Stoff hat er dazu vorbereitet? Wo steht er im

Gesamtablauf dieses Fachs? Aus den Leistungen der Schüler und den Unterlagen des

Lehrers ergibt sich so ein Gesamtbild davon, wo die Klasse im Ausbildungsablauf steht.

Ist sie im Lernfortschritt deutlich zurück, ist nach den Ursachen zu fragen und

gegebenenfalls mit geeigneten Maßnahmen nachzusteuern, damit die Schüler keinen

Nachteil gegenüber anderen haben. Das kann dann zusätzlicher Unterricht sein oder

aber auch ein Lehrerwechsel.

Diese konsequente Durchführung der Supervision führt dazu, dass das

Standardisierungsteam verlässliche Daten über die Qualität der Ausbildung sammeln

kann und vor allem, ob die Ausbildung den Vorgaben der Ausbildungsinstitution

entspricht. Auf Grundlage dieser Datenbasis kann die Ausbildungsinstitution erkennen,

welcher Lehrer und welche Schule gute Qualität abliefert und wer nicht. Mit diesen

Erkenntnissen wird die Leitung der Ausbildungsorganisation in die Lage versetzt,

entsprechende Entscheidungen zu treffen, um an allen Schulen einen einheitlichen

Qualitätsstandard der Ausbildung zu erreichen.

Also wenn sich schon einige deutsche Bundesländer Supervisionsteams leisten,

warum führt man dieses Qualitätsmanagement dann nicht konsequent durch?

Das Personal ist doch da!

Im Hinblick auf ein „Zentralabitur“ hätte das sicherlich einen gewissen Charme.

Aber nicht nur da. Es häufen sich die Fälle, in denen sich ein Auszubildender mit

Hauptschulabschluss sich um eine Lehrstelle bemüht und die auch bekommt. Im

Verlauf der Ausbildung stellt sich aber heraus, dass der Betreffende gar nicht

ausbildungsfähig ist, weil ihm dazu einfach gewisse Grundkenntnisse, die man von

einem Hauptschüler erwartet, fehlen. Zum Beispiel der Malerlehrling, der nicht in der

Lage ist, die Quadratmeterzahl der Wände zu berechnen, um die dafür notwendige

Menge der Farbe zu ermitteln.

Hier gibt es sicherlich noch einen Abstimmungs - und Standardisierungsbedarf

zwischen den verschiedenen aufeinander aufbauenden Ausbildungsorganisationen in

Deutschland, nämlich wo liegt heute eigentlich der Abholpunkt für eine weiterführende

Ausbildung.

7 Qualitätskontrolle

Wenn man bis hierher der Leistungsbewertung für die Auszubildenden zustimmt, dann

folgt konsequenterweise daraus natürlich auch der Schluss, dass man mit geringem

statistischen Aufwand auch die Lehrerleistung bzw. die Effizienz der

80

Page 81: Handbuch für Ausbilder

Ausbildungsorganisation bewerten kann.

Man nehme den Prüfer einer Fahrschulausbildung, der jeden Prüfling fragt, wie viel

Stunden Theorie und wie viel praktische Fahrstunden er bei seinem Fahrlehrer bzw. in

der Fahrschule genossen hat. Dann kann der Prüfer nach einem gewissen Zeitraum

der Datensammlung eine Durchschnittszahl der Fahrstunden und der Theoriestunden

fahrlehrerbezogen ermitteln, die ein Schüler im Durchschnitt bei dem einen oder

anderen Fahrlehrer braucht, um die Prüfung zu schaffen. Das lässt sich dann auch

leicht auf die Fahrschule übertragen. Das bedeutet, der Prüfer könnte einem künftigen

Fahrschüler sagen, welche Fahrschule für ihn im Durchschnitt am günstigsten

ausbildet. Es geht also um die Effizienz der Ausbildung, die sich so einfach ermitteln

lässt.

Es geht aber auch um die Lehrerleistung, die sich so einfach ermitteln ließe. Das heißt

bei welchem Lehrer die Schüler die besten Leistungen nach den bisher angeführten

Kriterien im Durchschnitt erreichen. Oder auch an welcher Schule die besten

Leistungen bzw. Abschlüsse im Durchschnitt erreicht werden.

Das würde ganz erheblich zur Transparenz im Bildungswesen beitragen.

Lehrer könnten nach ihrer objektiv nachgewiesenen Qualität als Lehrer gefördert und

befördert werden. Lehrer mit schlechten Lehrerleistungen könnten gezielt

weitergebildet werden, um offensichtliche Mängel auszugleichen.

Eine Qualitätskontrolle und Verbesserung des (Aus -) Bildungswesens könnte

erreicht werden!

Ein solches Verfahren drängt sich also geradezu auf.

Aber warum wird es nicht gemacht? Der Aufwand ist überschaubar!

Da die gleichen Lehrer, die die Kerncurricula zu Papier bringen, auch die sind, die sich

dann dieser Leistungskontrolle stellen müssten, haben sie wohl (bei näherer

Betrachtung irrationale) Gründe genau das nicht zu tun. Wenn ich den Frosch frage, ob

ich das Wasser im Dorfteich ablassen soll, welche Antwort kann ich dann erwarten?

8 Beurteilungsfehler

8.1 Wie sind Beurteilungsfehler in der Leistungsbewertung zu verhindern?

Wenn eine Leistungsbewertung von einem Ausbilder vorgenommen wird, der optimal

standardisiert worden ist und wenn der Leistungsbewertung ein Lernziel zugrunde liegt,

81

Page 82: Handbuch für Ausbilder

das mit beobachtbaren und messbaren Werten beschrieben ist, selbst dann ist mit

Beurteilungsfehlern zu rechnen:

Die Genauigkeit der Leistungsbewertung wird in diesem Fall zumindest vom

Aufmerksamkeitsumfang des Prüfers abhängen, aber auch von seinem Gedächtnis,

wenn ihm nicht andere Möglichkeiten der Speicherung der Schülerleistung gegeben

sind.

Ist überhaupt eine Leistungsbewertung denkbar, bei der die Möglichkeit von

Beurteilungsfehlern völlig ausgeschlossen ist?

Offensichtlich müsste das eine Leistungsbewertung sein, aus der der Mensch als

Prüfer völlig ausgeschlossen ist, also die automatische Datenaufzeichnung. So

verlockend vor allem dem auf "Reinheit" seiner Rohwerte bedachten Statistiker eine

solche Lösung erscheint, so wenig praktikabel ist sie von Nahem besehen. Was die

automatische Datenaufzeichnung liefert, ist zunächst einmal ein Wust von Daten. Man

wird also irgendeine Ordnung in die Daten bringen müssen und man wird eine Auswahl

treffen müssen. D.h. man hat zwar ein objektives Protokoll des Ablaufs, aber die

Auswertung geschieht dann doch wieder durch Menschen und dann ist es egal, ob die

Beurteilungsfehler vom Ausbilder/Lehrer während des Ausbildungsprozesses

begangen werden oder anschließend bei der Auswertung der automatischen

Datenaufzeichnung.

Außerdem liefert die automatische Datenaufzeichnung nur scheinbar ein objektives

Protokoll der Schülerleistung. Er notiert z.B. nicht, welche Rahmenbedingungen

während des Ausbildungsprozesses geherrscht haben, ob es andere Vorkommnisse in

der Umwelt gab, die den Auszubildenden beeinflusst haben usw. Der Ausbilder/Lehrer

wird also als Beobachter in jedem Fall gebraucht.

Damit wird die Sache sehr schnell so aufwendig, dass kein tragbares Verhältnis mehr

zum Nutzen besteht. Die automatische Datenaufzeichnung hat ihren Platz in der

Systemanalyse und in der Forschung, aber nur ganz bedingt in der

Leistungsbewertung.

Wenn aber schon Beurteilungsfehler unter den bisher beschriebenen optimalen

Umständen so gut wie nicht zu verhindern sind, wie steht es dann mit dem

Ausbildungsalltag?

Es ist zwar kein praktikables Leistungsbewertungssystem denkbar, das

Beurteilungsfehler völlig unterbindet, aber es ist durchaus möglich, den Einfluss von

Beurteilungsfehlern auf die Leistungsbewertung klein zu halten und vor allem auch

kontrollierbar zu machen.

Das geschieht zum einen dadurch, dass man den Einfluss des Ausbilders/Lehrers auf

das Bewertungssystem so gering wie möglich hält, was bedeutet:82

Page 83: Handbuch für Ausbilder

Absolutes Grading (siehe dieses)

Vorgegebene Bewertungsnormen

ein Prüfungsablauf, der die Aufmerksamkeit des Prüfers nicht überfordert.

Zum anderen ist dafür zu sorgen, dass alle Ausbilder/Lehrer über die gängigen

Beurteilungsfehler wenigstens soweit Bescheid wissen, dass sie sie auswendig

aufzählen können und zu jedem ein Beispiel zu bringen vermögen. Eine sorgfältige

Ausbilder/Lehrerausbildung wird es damit nicht bewenden lassen, sondern im

Rollenspiel den angehenden Ausbilder/Lehrer besonders die Beurteilungsfehler vor

Augen führen, die in deren eigener Persönlichkeitsstruktur begründet liegen.

Beurteilungsfehler sind bei einer Leistungsbewertung nur bei einer vollständigen

Automatisierung des Bewertungsverfahrens zu vermeiden.

Alle Leistungsbewertungsverfahren, die die Mitwirkung von Ausbilder/Lehrern/Prüfern

verlangen, müssen daher so angelegt sein, dass die Ausbilder/Lehrer/Prüfer lediglich

messbare Daten zu ermitteln haben, deren Anzahl ihren Aufmerksamkeitsumfang nicht

übersteigen darf.

Jeder Ausbilder/Lehrer muss eine eingehende Kenntnis der gängigen

Beurteilungsfehler haben.

8.2 Was sind die gängigen Beurteilungsfehler?

8.2.1 Regressionseffekt

Wenn eine Noten - Skala vergeben ist, die nicht streng mit beobachtbaren und

messbaren Parametern gekoppelt ist, sondern sich auf Eindrücke, Anmutungen oder

Gefühlswerte des Ausbilder/Lehrers (z.B. Güte der Auszubildendenleistung) bezieht,

dann besteht erfahrungsgemäß eine Tendenz, den Mittelwert dieser Notenskala

gehäuft zu vergeben und Extremwerte gar nicht zu benutzen. Die Skala wird praktisch

verkürzt. Es tritt eine Regression der Noten zum Mittelwert hin ein.

Ursache ist natürlich, dass der Mittelwert am wenigsten aussagekräftig ist, und daher

die geringste Gefahr besteht, dass ein Ausbilder/Lehrer/Prüfer für das von ihm

ermittelte Prüfungsergebnis in irgendeiner Form zur Rechenschaft gezogen werden

kann.

8.2.2 Anker - Effekt

83

Page 84: Handbuch für Ausbilder

Kein Ausbilder/Lehrer geht an seine Aufgabe völlig unbelastet von seiner bisherigen

Praxis heran. Er ist durch seine eigene Schulung beeinflusst worden, er hat bestimmte

Schulen, Ausbildungseinrichtungen besucht usw. Das alles hat bei ihm bewusst oder

unbewusst zur Ausbildung eines Maßstabes geführt. An diesem Maßstab sind alle

Leistungsbewertungen verankert, die er bei anderen vornimmt.

Ein Ausbilder/Lehrer, der vor seine Auszubildenden hintritt und verkündet, dass für ihn

die außergewöhnliche Leistung die normale ist, erliegt dem Anker - Effekt.

8.2.3 Logische Fehler

Dieser Beurteilungsfehler tritt vor allem bei solchen Bewertungssystemen auf, die

bereits ein Schritt in die richtige Richtung sind, es aber noch nicht weiter gebracht

haben, als bis zu einer notenmäßigen Bewertung aller Teilschritte eines

Ausbildungsprozesses. Hier werden die Ausbilder/Lehrer/Prüfer dazu verleitet, logisch

messerscharf zu schließen, dass jemand, bei dem bestimmte Teilschritte schlecht zu

bewerten sind, auch insgesamt schlecht ist oder umgekehrt. Es handelt sich hier um

den logischen Schluss vom Teil aufs Ganze.

Ausbilder/Lehrer/Prüfer, die man dabei beobachtet, wie sie über einem

Bewertungsformular heftig am Rechnen sind, damit Teil - und Gesamtnoten

zusammenpassen, sind dabei, den logischen Fehler zu begehen.

8.2.4 Milde - Effekt

Zum Glück sind die wenigsten Ausbilder/Lehrer/Prüfer wirkliche Unmenschen. Ganz im

Gegenteil, nichts ist peinlicher, als über einen Auszubildenden den Stab brechen zu

müssen, während die Dankbarkeit, die aus den Augen eines Schülers leuchtet, der

noch einmal davongekommen ist, wahrhaft herzerwärmend ist. Diese Empfänglichkeit

ist soweit verbreitet, dass der Milde - Effekt durchaus kein Privileg einiger „Weichlinge"

ist.

8.2.5 Nivellierungs - /Pointierungs - Effekt

Der technische Ablauf von Leistungsbewertungen bringt es mit sich, dass zwischen der

Leistungsprobe des Auszubildenden und der Bewertung durch den

Ausbilder/Lehrer/Prüfer mitunter nicht unbeträchtliche Zeitspannen liegen.

Das Gedächtnis des Ausbilder/Lehrers/Prüfers unterliegt dann einem in der

Psychologie gut erforschten Phänomen. Es äußert sich darin, dass unspezifische

84

Page 85: Handbuch für Ausbilder

Gedächtnisinhalte über die Zeit hin eine Tendenz zur Nivellierung haben, sie verlieren

an Farbigkeit und Aussagekraft. Ist dagegen ein Gedächtnisinhalt z.B. mit einem

starken emotionalen Beiwert behaftet, so tritt er in der Erinnerung immer pointierter

hervor und überstrahlt andere, objektiv möglicherweise gleich wichtige

Gedächnisinhalte.

Es kann übrigens auch passieren, dass ein bereits nivellierter Gedächtnisinhalt plötzlich

in einen pointierten umschlägt, dann nämlich, wenn es aus irgendeinem Grund wichtig

ist, sich daran zu erinnern.

Unser Gedächtnis ist so konstruiert, dass es in den meisten Fällen auch dann etwas

liefert, wenn es besser wäre zuzugeben, dass man alles vergessen hat.

Wenn also einem Auszubildenden in einem passablen, im wesentlichen ereignislosen

Prüfungsablauf ein Schnitzer passiert ist und der Ausbilder/Lehrer erst am folgenden

Tag sich hinsetzt, um das Beurteilungsblatt auszufüllen, dann ist zu hoffen, dass er

über den Nivellierungs - /Pointierungs - Effekt Bescheid weiß.

8.2.6 Halo - Effekt

Der Name stammt vom Hof (Halo), der die Sonne (oder auch den Mond) umgibt.

Ähnlich tragen Auszubildende, einen Halo um sich, wenn bekannt ist, dass sie faul,

fleißig, auf allen möglichen Gebieten hervorragend, völlig unfähig usw. sind. Diese

Eigenschaften brauchen sich so in der konkreten Ausbildung gar nicht zu zeigen, aber

der Ausbilder/Lehrer wird sie um seinen Auszubildenden herum sehen.

Ausbilder/Lehrer tun sich immer wieder schwer, bisher hervorragend beurteilten,

exzellent auftretenden Auszubildenden zu bescheinigen, dass sie ihre Finger besser

von diesem Ausbildungsgang lassen sollten. Ein Halo kann heller sein als das Licht,

das von der Leistung stammt.

8.2.7 Stichprobenfehler

Mitunter liegt Prüfungen ein so großer Lehrstoff zugrunde, dass es gar nicht möglich ist,

in der zur Verfügung stehenden Zeit, alles zu prüfen. Wenn dann die Prüfungsleistung

nicht der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Auszubildenden entspricht, dann war die

Stichprobe aus dem Lehrstoff falsch gewählt.

85

Page 86: Handbuch für Ausbilder

Mit dem Stichprobenfehler ist immer dann zu rechnen, wenn der

Ausbilder/Lehrer/Prüfer zum Auszubildenden sagt: "Zeigen Sie mir mal das und das

und den Rest kann ich mir dann schon denken".

8.2.8 Soziale Erwünschtheit

Auszubildende, die bereits über eine bestimmte Vorbildung, über einen bestimmten

Status oder über ein bestimmtes soziales Herkommen verfügen, lässt man nicht

durchfallen.

Obwohl all diese Dinge mit einem Ausbildungsprozess nichts zu tun haben, kann es

vorkommen, dass es in entsprechenden Ausbildungseinrichtungen unausgesprochen

unerwünscht ist, dass Auszubildende mit einem bestimmten sozialen Hintergrund in der

Ausbildung in Schwierigkeiten kommen. Ein Ausbilder/Lehrer hat durchaus die

Möglichkeit, solche Schwierigkeiten weitestgehend zu verhindern, z.B. durch

Gefälligkeitsbeurteilungen.

8.2.9 Tendenz zur Zustimmung

Es gibt ein bekanntes sozialpsychologisches Experiment, in dem ein Proband

aufgefordert wird, an irgendwelchen Gegenständen Längen zu schätzen. Die

Schätzung findet in der Gruppe statt und zufälligerweise ist er immer der Letzte, der

gefragt wird. Was er nicht weiß ist, dass die Gruppe aus Helfern des Versuchsleiters

besteht, die Längenschätzungen abgeben, die mitunter mit den objektiven

Gegebenheiten nur entfernte Ähnlichkeit haben. Es zeigt sich, dass auch in diesen

Fällen die abgegebenen Schätzungen des Probanden sich dem offensichtlich falschen

Gruppenmittelwert anpassen. Wer will schon gern vor allen anderen als Außenseiter

dastehen! Es bedarf schon eines ausgeprägten Selbstbewusstseins, um zu einem von

anderen abweichenden Urteil über einen Auszubildenden zu gelangen, auch wenn

objektive Daten vorliegen.

8.2.10 Gewöhnungseffekt

Wenn ein Ausbilder/Lehrer längere Zeit an einer bestimmten Ausbildungseinrichtung

tätig ist, dann gewöhnt er sich an einen bestimmten geforderten Leistungsstandard.

Das ist nicht mit Standardisierung zu verwechseln, denn für den Auszubildenden

bedeutet es, dass er im gleichen Ausbildungsstoff in der Ausbilder/Lehrergruppe A

durchfallen und in der Ausbilder/Lehrergruppe B bestehen kann. Der

86

Page 87: Handbuch für Ausbilder

Gewöhnungseffekt ist naturgemäß vom einzelnen Ausbilder/Lehrer am schwersten zu

erkennen, da er, wenn er ihm unterliegt, in jedem Fall konform mit dem Stil seiner

Ausbildungseinrichtung ist.

8.2.11 Effekt des verengten Maßstabes

Ein Ausbilder/Lehrer hat unter normalen Umständen pro Klasse zwischen 15 und 20

Auszubildende. Es ist mehr als einmal nachgewiesen worden, dass sich der

Ausbilder/Lehrermaßstab binnen kurzem auf die durchschnittliche Leistung dieser

Gruppe einpendelt. Das kann verheerende Folgen für einen mäßig, aber durchaus

noch ausreichend begabten Auszubildenden haben, der den Ausbilder/Lehrer mit einer

Reihe von Assen teilen muss.

8.2.12 Pädagogische Fehler

Dieser Beurteilungsfehler ist der schlimmste von allen, denn im Gegensatz zu allen

anderen wird er vom Ausbilder/Lehrer bei vollem Bewusstsein begangen. Gemeint ist

die Angewohnheit einiger Ausbilder/Lehrer, Noten als erzieherische Maßnahme zu

missbrauchen. Es wird also eine objektiv falsche Bewertung gegeben, um dem

Auszubildenden "einen Schuss vor den Bug zu geben", oder "damit er nicht übermütig

wird" oder wie die Begründungen da auch immer lauten.

So löblich, wie diese Absichten auch sein mögen, das Leistungsbewertungssystem

wird von dieser Art pädagogischer Maßnahme als Messinstrument ruiniert.

8.2.13 Nichtbewertung einer Leistung

Als Lehrer kann man die Leistung eines Auszubildenden natürlich auch dadurch

manipulieren, indem man Leistungen bewertet oder auch nicht. Bringt ein

Auszubildender häufiger gute Leistungen, die man aber nicht bewertet, dagegen aber

gelegentliche schlechte Leitungen akribisch dokumentiert, so wird am Ende sicherlich

eine schlechte Note stehen, die dem Ausbilder/Lehrer ein hohes Maß an Genugtuung

verschafft, nur der Schülerleistung ist man damit nicht gerecht geworden. Umgekehrt

gilt das Gleiche für das Ignorieren schlechter Leistung, wobei dann überwiegend gute

Leitungen nur dokumentiert werden. Dieses Phänomen ist bisweilen bei der Bewertung

weiblicher Schülerleistungen zu beobachten.

87

Page 88: Handbuch für Ausbilder

8.2.14 Berücksichtigung des sozialen Umfeldes

Es gibt Auszubildende, die unter günstigen sozialen Verhältnissen aufwachsen und es

gibt welche, die unter sehr ungünstigen sozialen Verhältnissen leben. Manchmal sind

einzelne auch durch Schicksalsschläge betroffen, wie Scheidung der Eltern oder Tod

eines nahen Angehörigen. Das soziale Umfeld hat zweifelsfrei Einfluss auf die

Leistungen eines Auszubildenden. So tragisch das für den einzelnen auch ist, so darf

es dennoch keinen Einfluss auf die objektive Leistungsbewertung haben. Vielmehr sind

das Aspekte, die sich in den sogenannten Kopfnoten eines Zeugnisses niederschlagen

können, insbesondere wenn es um die Prognose für die weitere Ausbildung geht.

Darüberhinaus ist es natürlich Aufgabe eines jeden Ausbilders/Lehrers sich eines

solchen Auszubildenden anzunehmen und zu unterstützen. Es muss im zuständigen

Kollegium gemeinsam darauf hingewirkt werden, für den betroffenen Auszubildenden

hier „Schadensbegrenzung“ zu betreiben. Flankierende Maßnahmen, wie Betreuung

durch den Vertrauenslehrer oder Schulpsychologen o.ä. müssen hier erwogen werden.

Bei jüngeren Schülern kann je nach sozialem Umfeld die Einschaltung des

Jugendamtes geboten sein.

9 Risikobewertung

In der Wirtschaft und im militärischen Bereich kennt man den Begriff „Risk Assessment“

und das Verfahren des „Risk Managements“. Hier geht es darum Risiken zu erkennen

und erkannte Risiken zu minimieren. Das empfiehlt sich sicherlich auch für den Bereich

der Ausbildung.

Risiken entstehen in der Unterrichtsdurchführung. Das bedeutet, dass man im Rahmen

der Unterrichtsvorbereitung den Unterricht gedanklich durchgeht (Rehearsel). Dabei ist

zu bewerten, was passiert, was tue ich, wenn…? Das Spektrum reicht vom

Stromausfall bis hin zu Zwischenfällen mit Schülern im Unterricht. Was mache ich,

wenn Ausbildungsmittel ausfallen? Eine Risikobewertung beugt also Überraschungen

vor. Der Ausbilder/Lehrer legt sich also für verschiedene Situationen gedanklich oder

auch mittels vorbereiteter „Hardware“ einen Plan „B“ zu recht. Damit erreicht er in

überraschend auftretenden Situationen Handlungssicherheit. Er hat die Situation vorher

durchdacht und hat sich Handlungsalternativen überlegt.

Fällt z.B. der Overhead - Projektor aus, kann er Kopien der vorbereiteten Folien

bereithalten, bzw. einem Schüler den vorbereiteten Kopiensatz geben, der diesen

Inhalt dann weisungsgemäß an die Tafel schreibt.

88

Page 89: Handbuch für Ausbilder

Es gibt auch eine andere Art von Risiken, die im Unterrichtsvorhaben selbst begründet

liegen. Wird z.B. im Chemie - Unterricht ein Versuch durchgeführt, der potentielle

Gefahren für den Durchführenden oder Zuschauer birgt, dann ist zu prüfen, welche

Sicherheitsbestimmungen einzuhalten sind oder welche Schutzausrüstung zu tragen ist

und ob vorgeschriebene Materialien zur Rettung zur Verfügung stehen (Augendusche,

Feuerlöscher, Rettungsdecke, Verbandskasten).

Bei Veranstaltungen, die außerhalb der Ausbildungseinrichtung stattfinden, wie z.B.

Theater - /Konzertbesuch, Wandertag, Klassenfahrt etc., gibt es wieder andere Risiken:

Sind alle Schüler rechtzeitig zur Abfahrt da?

Ist die Gruppe vor der Abfahrt vollzählig?

Ist Fahrgeld, Fahrkarte, Eintrittsgeld vorhanden? Wird alles mitgeführt, was

dabei sein soll?

Ist der Aussteigebahnhof /Haltestelle bekannt? Ist das Ziel (Adresse) bekannt?

Sind Sitzplätze/Abteile reserviert?

Ist Gelegenheit zum „Toilettenbesuch“ eingeplant?

Ist sichergestellt, dass die Gruppe während der Fahrt zusammen bleibt?

Ist die Gruppe nach dem Aussteigen vollzählig?

Sind Treffpunkte und Zeiten vereinbart, falls ein Schüler den Anschluss verliert?

Sind erforderliche logistische Maßnahmen getroffen?

Wird eine Notfallausstattung mitgeführt (Verbandskasten, gängige

Medikamente gegen Reisekrankheit/Schmerzen)

Gibt es „Risiko - Schüler“ aufgrund von Diabetes, Allergien, epileptischen

Anfällen o.ä.? Falls ein solcher Fall auftritt, gibt es einen Plan zum Verhalten in

Notfällen?

Sind Mobiltelefonnummern ausgetauscht, um die Erreichbarkeit für Notfälle

sicherzustellen? Sind Notfallnummern bekannt?

Wo ist die nächste medizinische Versorgung sichergestellt? Wie ist sie

erreichbar?

Diese Liste von Fragen ließe sich beliebig fortsetzen.

Wichtig ist, dass der Ausbilder/Lehrer dafür sensibilisiert wird, dass in der

Ausbildung etwas schief gehen kann. Dazu muss er sein Ausbildungsvorhaben auf

mögliche Risiken hin untersuchen und bewerten. Er muss die verschiedenen

Situationen gedanklich durchspielen und sich für die verschiedenen Fälle

Lösungsmöglichkeiten und Handlungsalternativen zurechtlegen. Er darf sich auf

keinen Fall von einer Situation überraschen lassen, vor allem dann nicht, wenn sie

als Risiko vorhersehbar war.

89

Page 90: Handbuch für Ausbilder

10 Die Lehrprobe

In einer Lehrprobe soll in der Regel ein angehender Ausbilder/Lehrer beweisen,

dass er das kann, was er können soll, nämlich lehren! Dazu gehört die Theorie und

Praxis des Lehrens. Die Theorie wird in Form einer didaktischen Analyse

nachgewiesen. Es wird also zu einer Unterrichtstunde oder Unterrichtseinheit eine

didaktische Analyse in schriftlicher Form angefertigt.

Auf Basis dieser didaktischen Analyse wird der Unterricht in der Praxis umgesetzt

und durchgeführt.

Wie geht man vor?

In den meisten Ausbildungseinrichtungen findet ja ein Unterricht mit realen

Schülern statt, die von Stunde zu Stunde in den Lernzielen und im Ausbildungsstoff

voranschreiten. Jetzt bekommt man den Auftrag eine Lehrprobe zu halten. Dazu

kann ein bestimmtes Thema von der Prüfungskommission vorgegeben werden, es

kann sich aber auch um eine Lehrprobe handeln, die sich thematisch im normalen

Unterrichtsablauf einfügen soll. Der erste Fall ist etwas einfacher, weil man sich nur

auf das gestellte Thema konzentrieren braucht. Der zweite Fall ist etwas

schwieriger, weil die Lehrprobe ja zukunftsorientiert ist. Das heißt, die Lehrprobe

muss den Lernfortschritt bis „zum Tage des Geschehens“ prognostizieren.

Gedanklich muss also diese Lernprobe mit dem voraussichtlichen Lernfortschritt

synchronisiert werden. Eine spekulative Angelegenheit. Hier gilt es den Joker zu

setzen. Der sieht dann so aus, dass man eine Stunde mit Lernzielen konzipiert, die

man bis dahin in jedem Falle sicher erreichen wird. Schlimmstenfalls langweilt man

die Schüler mit Lernzielen, die sie bereits beherrschen, dafür wird man aber für die

Prüfungskommission eine glänzende Lehrprobe hinlegen können.

Es kommt also auf die Drittwirkung an, nämlich wie der Unterricht auf die

Prüfungskommission wirkt!

Denn für genau diese wird ja diese Lehrprobe zelebriert.

10.1Aufgabe der Prüfungskommission

Aufgabe der Prüfungskommission ist es, nach der Lehrprobe festzustellen, ob der

Ausbilder/Lehrer (Prüfling) in der Lage ist, einen Unterricht qualifiziert vorzubereiten

und durchzuführen.

In ihrer Bewertung der Lehrprobe werden sie Antworten auf folgende Fragen

geben müssen:

Wie war das Lehrerverhalten?

90

Page 91: Handbuch für Ausbilder

Wurde das Lernziel erreicht?

War die Stoffgliederung zweckmäßig?

Waren die Feinziele richtig zugeordnet?

War die Ausbildung organisatorisch richtig vorbereitet?

Wurden die Ausbildungsmittel richtig eingesetzt?

Haben die Schüler mitgearbeitet?

Die Antworten darauf werden durch die didaktische Analyse und die praktische

Durchführung des Unterrichts gegeben.

Wenn man also ein Thema für die Lehrprobe bekommen hat, beginnt man mit der

Auswertung des Auftrags. Er bestimmt den Inhalt und Ablauf der weiteren

Prüfungs - und Bearbeitungsschritte. Der Ausbilder/Lehrer stellt heraus,

welche Absicht die übergeordnete Ausbildungsinstitution verfolgt,

was als wesentliche Leistung von ihm in der Lehrprobe verlangt wird,

an welche Auflagen/Einschränkungen das eigene Handeln gebunden ist,

ob eine grundlegende Lageänderung vorliegt und welche Folgerungen

daraus zu ziehen sind.

Danach stellt er mit Blick auf das weitere Vorgehen fest, worüber bis wann zu

entscheiden ist und welche Informationen vorher zusätzlich benötigt werden.

Damit ist der grobe Rahmen, in dem agiert wird, abgesteckt und der Schwerpunkt

der Überlegungen und die Zielrichtung des Vorgehens und damit der rote Faden

festgelegt.

Daraufhin fertigt man unter Berücksichtigung der Auftragsauswertung eine

didaktische Analyse an, in der man die o.a. didaktischen Determinanten - soweit

zutreffend - beschreibt. Falls ein Punkt nicht relevant ist:„Intentionally Left Blank“!

Die einzelnen Punkte, die man anspricht, bearbeitet man nach folgendem Schema:

Sachstand (Beschreibung der Situation, des Sachverhaltes, der

Charakteristik oder einfach nur Nennung des zu bewertenden Begriffs)

Bewertung (Auswirkung auf den Unterricht, (Handlungs - )Alternativen,

Feststellung der Eignung oder Nichteignung für das Ausbildungsvorhabens)

Folgerungen/Entscheidungen für die Ausbildung (welche didaktische

Entscheidung treffe ich aufgrund der Bewertung? Welche Alternative wähle

ich aus?)

Falls erforderlich, kann man noch eine Begründung für seine Entscheidung

liefern. Eigentlich sollte sich die Entscheidung aber schon schlüssig aus der

Bewertung ergeben. Begründungen eignen sich gut, wenn man bestimmte

91

Page 92: Handbuch für Ausbilder

Entscheidungen besonders herausstellen will oder wenn man einfach nur

Seiten füllen muss.

Dieses Schema hat sich schon vielfach bewährt. Es strukturiert die

Gedankenführung. Man kommt so schlüssig und für die Prüfungskommission

nachvollziehbar zu seinen didaktischen Entscheidungen.

10.2Gliederung einer didaktischen Analyse

Hier also ein Vorschlag für eine Gliederung einer didaktischen Analyse:

Ein Deckblatt mit Thema und Verfasser

Inhaltsverzeichnis

Betreuender Ausbilder/Lehrer

Bezugsdokumente

Hier sind die Ausbildungsrichtlinien der jeweiligen Ausbildungsinstitution

anzuführen, z.B. Rahmenrichtlinien, Curricula,

Fachkonferenzbeschlüsse o.ä. Diese Bezugsdokumente braucht man

unbedingt, denn da stehen die Lernziele drin, um die es geht.

Einführung

Hier wird die Einordnung des vorgegeben Themas in das

Gesamtkonzept des Ausbildungsfachs beschrieben. Dabei sind bereits

die grundsätzlichen Aussagen aus den Bezugsdokumenten zu

beachten, die man dann sinngemäß zitiert.

Falls Auflagen/Einschränkungen gemacht wurden oder bestehen, sind

sie hier anzusprechen.

Weiterhin kann man hier bereits ansprechen nach welchen Prinzipien

der Unterricht aufgebaut werden soll, ob man induktiv oder deduktiv

vorgehen will, von Ganzen zu den Teilen oder umgekehrt, vom Leichten

zu Schweren vom Bekannten zum Unbekannten.

Desweiteren kann man hier bereits die Ausbildungsform ansprechen,

also ob die Lehrprobe als Unterricht oder praktische Ausbildung

durchgeführt werden soll.

Zeit und Ort der Ausbildung können hier ebenfalls bereits festgelegt,

zumal sie aufgrund der Vorgaben und der Rahmenbedingungen meist

kaum oder gar nicht veränderbar sind.

Lerngruppe

92

Page 93: Handbuch für Ausbilder

Den Abschnitt zur Lerngruppe kann man schon unabhängig vom Thema

und Zeitpunkt der Lernprobe vorbereiten, wenn die Lerngruppe klar ist

und sich für die Lernprobe nicht signifikant verändern wird.

Das spart Zeit. Hier kann man auf bekannte Besonderheiten der

Lerngruppe eingehen. Altersspanne, Anzahl der Auszubildenden, Stand

im Reifungsprozess, gruppendynamische Besonderheiten etc.

Lernziele

Die Lernziele sind Dreh - und Angelpunkt einer jeden Ausbildung. Sie

stehen im Mittelpunkt jeglicher Unterrichtsplanung. Sie sind ja in den

Bezugsdokumenten vorgegeben. Hier findet man zumindest die

Richtziele, meist aber auch schon die Grobziele.

Dem vorgegeben Thema ordnet man die entsprechenden vorgegeben

Grobziele zu. Dann leitet man daraus die für den Unterricht vorgesehen

Feinziele ab. Jetzt kommt man nicht umhin, diese Feinziele selbst zu

formulieren (siehe Kapitel Lernziele). Von den Prüfungskommissionen

wird immer gern gesehen, wenn neben den kognitiven auch affektive

Lernziele verfolgt werden (siehe Ausbildungsverfahren Gruppenarbeit)

Bei Themen mit psychomotorischer Ausrichtung gilt das sinngemäß

auch.

Weiterhin ist hier zu beachten, dass die Stunde nicht mit Lernzielen

überfrachtet wird. Lieber nur ein, zwei oder drei Feinziele im kognitiven

und affektiven Bereich planen, die auch sicher erreichbar sind, als dass

man sich selbst unter Leistungsdruck setzt, um am Ende der Stunde

festzustellen, dass man von den vielen Zielen keines richtig erreicht hat.

Zur Darlegung der Lernziele geht man so vor, dass man stichwortartig

mögliche Lernziele zum gestellten Thema skizziert. Dazu beschreibt

man die möglichen Vor – und Nachteile der einzelnen Lernziele und

bewertet sie hinsichtlich ihrer Eignung für das Thema. Dazu kann auch

eine Gewichtung durchgeführt werden. Aufgrund der Bewertung trifft

man dann eine Auswahl für diese konkrete Lehrprobe und damit die

didaktische Entscheidung. Dazu folgt man dem Prinzip „Sachstand,

Bewertung und Folgerung/Entscheidung.

Lerninhalte

Der Lernstoff muss vom Ausbilder/Lehrer in jeder Hinsicht beherrscht

werden. Der Lernstoff wird den Lernzielen zugeordnet. Oft ist er schon

93

Page 94: Handbuch für Ausbilder

in den Bezugsdokumenten zumindest stichwortartig beschrieben. Zum

Teil ergibt er sich aus den verwendeten Lehrbüchern. Zu den

Lehrbüchern gibt es oft sogenannte Lehrerausgaben, die man extra

bestellen muss. In diesen Lehrerausgaben finden sich zusätzliche

Übungen, Arbeitsblätter, zusätzlicher Lernstoff etc. Das kann man

nutzen, muss sich aber darüber im Klaren sein, dass die Mitglieder der

Prüfungskommission das auch kennen. Damit kann man kaum Eindruck

schinden. Sinnvoller ist es daher, sich Material aus anderen Quellen zu

beschaffen. Das Internet bietet nahezu unendliche Möglichkeiten.

Bei der Auswahl ist bereits zu berücksichtigen, dass der Stoff ja

irgendwie visualisiert werden sollte. Es sollten also entsprechende

Grafiken, Bilder oder Animationen dazu vorhanden sein.

In der didaktischen Analyse muss der Ausbildungsstoff so beschrieben

werden, dass die Prüfungskommission eine Vorstellung davon

bekommt, was vermittelt werden soll. Dabei müssen auch die

Prioritäten festgelegt werden, was der Lernende wissen muss, wissen

soll, wissen kann. Damit wird der Schwerpunkt dieser Lehrprobe

deutlich gemacht. Unter diesem Gliederungspunkt sollte nicht ein

kompletter Bearbeitungstext, Buchauszüge o.ä. in epischer Breite zitiert

werden. Ausbildungsinhalte kann man bei Bedarf als Anlage zur

didaktischen Analyse aufnehmen und dann im Text unter diesem

Gliederungspunkt auf die jeweilige Anlage verweisen. Damit zurrt man

sich aber auch fest. Klüger ist es, die Lerninhalte nur stichwortartig zu

umreißen und darzustellen. Das gibt einem bis zur letzten Minute

Handlungsspielraum, was genau man nachher im Unterricht einsetzt.

Bei der Stoffauswahl ist unbedingt darauf zu achten, dass die

Unterrichtsstunde nicht überfrachtet wird. Der Stoff muss von den

Schülern in der vorgegebenen Zeit zu bewältigen sein. Es ist daher

besser, den Umfang eher etwas zu gering zu bemessen. Als alter

Ausbilderfuchs hat man dann aber noch etwas im Hut, das man dann

bei Bedarf heraus zaubern kann (siehe Risikobewertung).

Gerade unerfahrenen Ausbildern geht es in Lehrproben oft so, dass

ihnen die Zeit davon rennt.

Desweiteren sind bei der Stoffauswahl gedanklich schon die

Ausbildungsverfahren und zur Verfügung stehenden Medien zu

berücksichtigen.

94

Page 95: Handbuch für Ausbilder

Auch hier muss für die Prüfungskommission deutlich werden, welche

Alternativen hinsichtlich der Stoffauswahl zur Verfügung standen. Die

verschiedenen Möglichkeiten mit den Vor - und Nachteilen sollten hier

dargestellt werden. Es muss daraus hervorgehen, wie die Alternativen

gewichtet worden sind und warum man sich für die ausgewählten

Alternativen entschieden hat.

Der bekannte Dreiklang von Sachstand, Bewertung und Entscheidung

vermittelt die innere Logik der Entscheidungsfindung.

Ausbildungsverfahren

Wer mutig ist, kann hier experimentieren. Grundsätzlich ist aber davon

abzuraten. In einer Lehrprobe sollte man auf Bewährtes zurückgreifen.

Sinnvollerweise setzt man in einer Lehrprobe Ausbildungsverfahren ein,

die sich in dieser Lerngruppe bereits bewährt haben. Üblicherweise

beginnt man den Unterricht mit einem Lehrgespräch. Hier kann man

zum Einstieg einen Gag einbauen, der Aufmerksamkeit erzeugt zum

Thema hinführt. Karikaturen o.ä. werden immer wieder gern genommen.

Da Lehrproben dazu tendieren, unter Zeitdruck zu leiden, ist es

empfehlenswert, auf Verfahren zurückzugreifen, die eine gute

Steuerungsmöglichkeit durch den Unterrichtenden erlauben. Bewährt

haben sich hier die Kombination aus Lehrgespräch und Gruppenarbeit.

Nur Lehrproben im Rahmen einer Doppelstunde erlauben mehr

Spielraum.

Mit dem Lehrgespräch vermittelt man den Initial – Informations - Input, in

der folgenden Gruppenarbeit wird der Stoff durch zusätzliche

Informationen vertieft, parallel dazu arbeitet man damit die erwähnten

affektiven Lernziele im Bereich Sozialverhalten ab. Mit dem Vortrag der

einzelnen Gruppenergebnisse hat man auch dieses Verfahren

abgehakt. Anschließende Verständnis - und Kontrollfragen durch den

Lehrproben - Prüfling übernehmen die Funktion der Lernzielkontrolle.

Das Ergebnis der Stunde wird durch den Lehrer kurz zusammengefasst

(Lehrgespräch) und schon ist die Stunde und Lehrprobe vorbei.

Die Gruppenarbeit sollte schon einige Male praktiziert worden sein. Man

verliert sonst sehr viel Zeit bei der Zusammensetzung der Gruppen und

der Festlegung der Funktionen (Wer schreibt? Wer trägt die Ergebnisse

vor?).

95

Page 96: Handbuch für Ausbilder

Das sollte alles schon eingespielt sein. Für die Lehrprobe bietet es sich

an, hier im Vorfeld schon klare Festlegungen innerhalb dieser

Lerngruppe für die Gruppenarbeit zu treffen. Das muss man der

Prüfungskommission ja nicht unbedingt darlegen, schindet aber

Eindruck im Persönlichkeitsbereich, weil man augenscheinlich die

Disziplin gut unter Kontrolle hat (Stichwort Drittwirkung).

Die Aufträge für die Gruppenarbeit sind schriftlich für die Gruppen

vorzubereiten, um ständiges Nachfragen zu ersparen. Die Aufträge sind

einfach und verständlich zu halten. Der zu bearbeitende Stoff muss gut

lesbar und verständlich sein und vor allem eher klar, kurz und prägnant

als langatmig und diffus. Die Aussagen müssen sich durch die Schüler

leicht und schnell erfassen lassen. Orakel können leicht unerwünschte

Ergebnisse und ungewollte Komik bringen.

Die Anzahl der Gruppen hat Einfluss auf die benötigte Zeit zum Vortrag

des Gruppenergebnisses. Bei arbeitsteiligen Aufträgen ist mehr Zeit

erforderlich, da ja alle Ergebnisse einzeln ergänzend

zusammengetragen werden müssen, als bei arbeitsgleichen. Hier reicht

der Vortrag des Ergebnisses einer Arbeitsgruppe und die anderen

brauchen jeweils nur ihre neuen zusätzlichen Ergebnisse ergänzen.

Risikobewertung durchführen! Die didaktische Entscheidung für das

jeweilige Ausbildungsverfahren nach obigem Bearbeitungschema

herleiten (Sachstand, Bewertung, Entscheidung). Dabei die in Frage

kommenden Ausbildungsverfahren mit Vor - und Nachteilen für das

Unterrichtsvorhaben darstellen und bewerten und aufgrund der

Bewertung die geeignete Auswahl treffen.

Ausbildungsmittel

Mit originell kombinierten Ausbildungsmitteln kann man in einer

Lehrprobe die Prüfungskommission richtig beeindrucken. Die

Ausbildungsmittel sind das, was in einer Lehrprobe im wahrsten Sinne

des Wortes für die Prüfungskommission richtig sichtbar wird. Hier kann

man mit neuen Ideen auftrumpfen. Sie müssen schön bunt und lebhaft

sein und Schüler in gewünschter Form zur Interaktion animieren. Die

Prüfungskommission will ja sehen, dass man in der Lage ist, den

Unterricht kreativ zu gestalten, also muss man so etwas bieten. Da die

Auswahl an Ausbildungsmitteln bezüglich der Hardware Grenzen findet,

kommt es hier darauf an, durch originelle Kombination hinlänglich

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Page 97: Handbuch für Ausbilder

bekannter oder aber auch mit inzwischen in Vergessenheit geratener

Materialien einen Unterricht zu zelebrieren.

Das Bedarf einer gewissen Vorbereitung und Organisation. Je nach

Thema lässt sich z.B. ein Overhead - Projektor gut mit einem

Whiteboard kombinieren. Wenn das im Unterrichtsraum nicht vorhanden

ist, kann es vielleicht besorgt oder mal für einen Tag irgendwo

ausgeliehen werden (Hotels mit Konferenzraum oder auch verschiedene

kleinere Industrieunternehmen haben transportable Varianten).

Man fertigt also eine Folie an (PowerPoint), die lässt sich dann mit

Beamer oder Overhead - Projektor auf das Whiteboard projizieren. Die

Folie enthält je nach Lerninhalt eine Grundstruktur, die auf den

Whiteboard sichtbar wird.

Diese Grundstruktur kann jetzt auf dem Whiteboard mit farbigen Stiften

durch Schüler und/oder Lehrer an entsprechender Stelle ergänzt,

modifiziert usw. werden. Ein einfaches nicht sehr originelles aber für das

Verständnis gutes Beispiel ist eine Vokabelliste, die auf das Whiteboard

projiziert wird.

Diese Vokabelliste enthält die Begriffe in einer Sprache, die übersetzten

Begriffe werden auf dem Whiteboard mit dem Stift daneben

geschrieben.

Man kann auf diese Weise auch mit Grafiken arbeiten, in die die Schüler

entsprechende Linien, Pfeile, Symbole oder Bezeichnungen eintragen

müssen.

Eine andere bereits in Vergessenheit geratene Variante ist die

Wolldecke mit Schildern, die auf der Rückseite mit grobem Sandpapier

beklebt sind.

Die Wolldecke oder auch mehrere unterschiedlich farbige Wolldecken

werden auf geeigneten Flächen befestigt, das kann die normale Tafel

sein oder eine Landkarte am Kartenständer, die Tür die Wand etc..

Gewebe - Klebeband (kein Krepp) ist hier am geeignetsten. Kreidetafeln

müssen vorher mit einem trockenen Tuch für die Klebestellen gereinigt

werden.

Diese Blanko - Schilder kann man im Rahmen einer Gruppenarbeit

durch die Schüler mit entsprechenden Stichworten, Begriffen, kurzen

Texten etc. beschreiben lassen. Jede Gruppe braucht ausreichend viele

Schilder und dickere Stifte. Zum Vortrag der Ergebnisse kleben dann die

Schüler die Schilder auf die vorbereiteten Wolldecken. Das Sandpapier

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Page 98: Handbuch für Ausbilder

haftet recht gut an der Wolldecke. Die Schilder lassen sich in der

weiteren Bearbeitungsphase leicht abnehmen und an anderer Stelle

wieder anbringen, so dass hier auch die Ergebnisse eines

Brainstormings leicht strukturiert werden können. Zum

Wettbewerbscharakter kann jede Gruppe auch eine andere Farbe

bekommen oder unterschiedliche Farben können eine

Strukturierungsfunktion bekommen.

Wer es jetzt ganz perfekt machen will, der kann am ende der Stunde

das Arbeitsergebnis mit einer Digitalkamera festhalten, dabei ist egal, ob

es die Wolldecke oder Tafel war. Für die nächste Stunde kann das

Ergebnis als Ausdruck verteilt und als Einstieg für den Unterricht genutzt

werden. Diese Absicht vermittelt man der Prüfungskommission, indem

das der Klasse für die nächste Stunde ankündigt.

Diese Art der Nutzung von Ausbildungsmitteln hat den Vorteil, dass der

Prüfungskommission „Action“ demonstriert wird. Es kommt auf die

Drittwirkung an. Der Unterricht wirkt so lebendig, die Schüler halten

etwas in den Händen (ein Wort zur taktilen Lernerfahrung), das sie

irgendwo anbringen können. Man kann mit den Ergebnissen der Schüler

handfest arbeiten.

Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt, aber was immer man an

Ausbildungsmitteln einsetzt, man sollte vorher damit im Unterricht schon

mal umgegangen sein.

Aber auch für die eingesetzten Ausbildungsmittel gilt es, eine

Risikobewertung zu durchzuführen.

Dazu sorgt man zweckmäßigerweise dafür, dass man in der Stunde vor

der Lehrprobe „frei“ hat. Diese Zeit nutzt man, alles zu überprüfen. Eine

vorbereitete Checkliste verhindert, dass man etwas vergisst. Sind alle

notwendigen Ausbildungsmittel vorhanden und sind sie da, wo sie sein

sollen? Sind alle funktionsfähig? Wird eine Verdunkelungsmöglichkeit

benötigt? Funktioniert sie? Wenn nicht, kann ich in einen anderen

Klassenraum mit besserer Infrastruktur ausweichen? Wer entscheidet

wann? Wer hat den Schlüssel?

Wichtig ist, dass man für Back - Ups sorgt und einen Plan B hat. Warum

ist das wichtig? In Prüfungssituationen neigen viele Menschen dazu,

mental mehr oder weniger blockiert zu sein. Das heißt, man hat kaum

noch „Kanäle frei“, um sich mit anderen Dingen als diesem

Prüfgeschehen auseinanderzusetzen. Tauchen dann unerwartete

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Page 99: Handbuch für Ausbilder

Probleme auf, geht diese mentale Blockade bis zur

Handlungsunfähigkeit. Das wäre in einer Lehrprobe schlecht.

Fällt also ein Ausbildungsmittel während des Unterrichts aus, zieht man

die vorbereitete Alternative aus der Tasche. Diese Mühe macht man

sich ja nur für die Lehrprobe. Man sollte sie sich aber auch machen.

Ganz ausgefuchste Prüflinge „lassen ein Ausbildungsmittel ausfallen“,

um dann mit der „zufällig“ vorhandene Alternativlösung einen brillanten

Unterricht hinzulegen. Das bedarf allerdings einer gewissen

schauspielerischen Leistung. Macht aber Eindruck! Aber nicht zu

offensichtlich übertreiben, sonst wird es auch für die

Prüfungskommission durchschaubar.

Also auch unter diesem Gliederungspunkt in der didaktischen Analyse

ist wichtig, dass die Auswahl der Ausbildungsmittel auf einer

didaktischen Entscheidung beruhen muss. Diese Entscheidung gewinnt

man nachdem bewährten Dreiklang von Sachstand, Bewertung,

Entscheidung. Dabei wieder die verschiedenen Möglichkeiten mit Vor -

und Nachteilen darstellen, bewerten und aufgrund der Bewertung eine

Auswahl treffen.

Zu den Ausbildungsmitteln gehört in diesem Sinne auch zusätzliches

Hilfspersonal, das die Schüler stellen, z.B. Tafelschreiber, Zeitnehmer

beim Sport, etc.

Zeit

Die Zeit wird allgemein in der pädagogischen Literatur für die

didaktische Analyse als zu betrachtendes Element angeführt. Das ist

grundsätzlich auch richtig, vor allem dann, wenn man eine Ausbildung

frei von den Sachzwängen, die in einer Ausbildungsorganisation

gegeben sind, konzipiert und durchführen kann. Man muss also Herr

des Geschehens sein und selbst festlegen können, wie viel Zeit man in

die vorgesehene Ausbildung investieren möchte. Das gilt für die

idealtypische Betrachtung für ein Ausbildungsvorhaben. In der normalen

Ausbildungspraxis und vor allem in einer Lehrprobe ist die Zeit für eine

Ausbildung endlich, meist beträgt sie nur 45 Minuten. Im Normalfall ist

das kurz abzuhandeln, indem man sagt, dass für das

Ausbildungsvorhaben 45 Minuten zur Verfügung stehen (Sachstand).

Weiterhin, dass sich die Anzahl der Lernziele und die Lernzielhöhe mit

dem zu vermittelnden Lerninhalten an diesem vorgegebenen

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Page 100: Handbuch für Ausbilder

Zeitrahmen zu orientieren haben. Zur Erreichung des in den

Grundlagendokumenten vorgegebenen Grobziels mussten daher aus

einer Menge in Frage kommender Feinziele, die ausgewählt werden, die

einen möglichst hohen Grad der Lernzielerreichung bezüglich des

Grobziels erwarten lassen (Bewertung). Die unter Punkt „Lernziele“

aufgeführten Lernziele wurden daher ausgewählt. Das Gleiche gilt dann

sinngemäß für die Lerninhalte. Das ist die didaktische Reduktion im

Sinne einer Schwerpunktbildung.

Der eigentliche Aspekt für eine Lehrprobe ist die Zeitverteilung auf die

verschiedenen Phasen des Unterrichts. Wie viel Zeit wird für den

Einstieg benötigt? Wie wird die Zeit auf die verschiedenen Phasen des

Hauptteils (z.B. Bearbeitungsphase, Vertiefungsphase) verteilt. Bleibt

ausreichend Zeit für den Abschluss des Unterrichts übrig? Dabei sind

Art und Umfang des zu vermittelnden Ausbildungsstoffs genauso zu

berücksichtigen wie die geplanten Ausbildungsverfahren. Aus diesen

Determinanten ergibt sich nach entsprechender Bewertung logisch die

Verteilung der zur Verfügung stehenden Zeit.

Weiterhin ist die Zeit natürlich anzusprechen, wenn unübliche zeitliche

Einschränkungen Einfluss auf die Lehrprobe haben. Dass kann der Fall

sein, wenn zu erwarten ist, dass die Schüler voraussichtlich zu spät zum

Unterricht kommen, weil sie erst von der Sportstätte zur Schule laufen

müssen oder weil es Jahreszeitlich bedingt erfahrungsgemäß zu

Störungen im öffentlichen Nahverkehr kommen kann (Winter und

1.Unterrichtsstunde).Siehe auch Risikobewertung.

Organisatorische Rahmenbedingungen

Die organisatorischen Rahmenbedingungen sind meist die Saboteure

einer guten Lehrprobe.

Wenn man während der Lehrprobe unnötigen Stress vermeiden möchte,

lohnt es sich hier im Sinne einer Risikobewertung mögliche Störgrößen

zu identifizieren und entsprechende Vorkehrungen zur

Risikominimierung zu treffen.

Dieser Punkt sollte aufgenommen und angesprochen werden, wenn die

vorhandenen Rahmenbedingungen Einfluss auf das

Unterrichtsgeschehen haben, insbesondere wenn damit unübliche

Einschränkungen verbunden sind. Wenn z.B. bestimmte

Ausbildungsmittel aufgrund infrastruktureller Unzulänglichkeiten nicht

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Page 101: Handbuch für Ausbilder

oder nur mit großem Aufwand nutzbar sind. Das ist z.B. der Fall, wenn

es im Unterrichtsraum keinen funktionsfähigen elektrischen Anschluss

gibt (herausgetretene Steckdose).

Hier sollte man auch seinen Blick für gesetzliche Regelungen bezüglich

Betriebsschutz und Unfallverhütung schärfen. Unter diesem Aspekt wäre

es z.B. verboten, Anschlusskabel elektrischer Geräte frei im

Klassenraum zu verlegen. Grund ist die Stolpergefahr. In der Praxis wird

das zwar oft gemacht, zulässig ist es aber nicht. Wenn man hier keinen

Kritikpunkt in der Lehrprobe liefern will, veranlasst man den

Hausmeister, die Kabel mit dafür vorgesehenem schwarz - gelben Tape

am Boden festzukleben. Notfalls besorgt man sich das Tape rechtzeitig

und regelt das selbst (Checkliste).

Hat man also Rahmenbedingungen identifiziert, die den Unterricht

beeinflussen und daher zu einer didaktischen Entscheidung getroffen

werden muss, geht man wieder nach dem üblichen bewährten Schema

Sachstand, Bewertung, Entscheidung.

Das kann auch dazu führen, dass man z.B. eine potentielle

Gefahrenquelle erkannt hat, aber zu der Bewertung kommt, dass die

bestehende Gefahr in Kauf genommen werden kann und dass man

daher so und so vorgeht.

Damit macht man gegenüber der Prüfungskommission deutlich, dass

einem dieser Punkt überhaupt bewusst ist, dass man aber im Rahmen

seiner Risikoanalyse zu der Bewertung gekommen ist, dass Risiko in

Kauf zu nehmen und dafür notfalls auch die Verantwortung zu tragen.

Dass muss man dann nämlich auch. Zeigt der Prüfungskommission

aber, dass man verantwortungsbewusst ist und Gefahren nicht einfach

ignoriert.

Zusammenfassend gesagt, kommt es also darauf an, mindestens für die

Kernpunkte (Lernziele, Lerninhalte, Ausbildungsverfahren, Ausbildungsmittel) der

didaktischen Analyse

die verschiedenen Möglichkeiten in ihren Funktionen für diese Lehrprobe

aufzuzählen

die verschiedenen Möglichkeiten mit Vor - und Nachteilen für diese

Lehrprobe darzustellen

eine Bewertung der verschiedenen Möglichkeiten hinsichtlich Eignung für

diese Lehrprobe vorzunehmen

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Page 102: Handbuch für Ausbilder

aufgrund der Bewertung die folgerichtige Auswahl und damit die

didaktische Entscheidung für diese Lehrprobe zu treffen.

10.3Plan für die Ausbildung

Die bis jetzt dargestellten Punkte münden zielführend in den Plan für den

Unterricht, der sich jetzt aufgrund der getroffenen didaktischen Entscheidungen

schlüssig ergibt.

Dieser Plan für den Unterricht wird in eine formale Form gegossen. Sinnvoll ist es

den Plan für den Unterricht als Anlage zur didaktischen Analyse anzuhängen.

Diesen Plan fertigt man im DINA4 - Querformat an:

Im Kopf erscheint die Überschrift „Plan für den Unterricht“, dann

1. Ausbildungsthema

2. Ausbildungsziel (Grobziel)

3. Ausbildungsform: Unterricht, Praktische Ausbildung

4.Organisatorische Maßnahmen

5. Ausbildungsort

6. Bezugsdokumente

7. Liste der verwendeten Ausbildungsmittel

Jetzt folgen Spalten

Spalte 8: Zeitbedarf. Hier trägt man die Zeit in Minuten ein die man für die

verschiedenen Abschnitte der Ausbildung vorgesehen hat.

Spalte 9: Ablauf. Hier werden die einzelnen Phasen des Unterrichts

genannt. Einstieg, Informationsteil 1, Bearbeitungsphase, etc.

Spalte 10: Lernziele Hier werden auf Höhe des Zeiteintrages die

entsprechenden Feinziele aus der didaktischen Analyse aufgeführt.

Üblicherweise geschieht das im Hauptteil des Unterrichts.

Spalte 11: Lerninhalte. Hier führt man auf Höhe der jeweiligen Feinziele

die dazu zugeordneten Lerninhalte stichwortartig auf.

Spalte 12: Ausbildungsverfahren. In dieser Spalte nennt man das für

diese Phase des Unterrichts vorgesehene Ausbildungsverfahren.

Spalte 13: Ausbildungsmittel. Hier werden die vorgesehenen

Ausbildungsmittel genannt, die man in dieser Unterrichtsphase einsetzen

will. Falls Hilfspersonal eingesetzt werden soll, wird es hier aufgeführt

(Tafelschreiber, Aufsicht/Hilfestellung beim Geräteturnen o.ä.)

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Page 105: Handbuch für Ausbilder

11 Literaturliste

COMMISSION REGULATION (EC) No 2042/2003of 20 November 2003 on the continuing airworthiness of aircraft and aeronautical products, parts and appliances, and on the approval of organisations and personnel involved in these tasks, ANNEX III (Part - 66)

Bekanntmachungen der Bestimmungen über die Lizenzierung von Piloten (Flugzeug)JAR - FCL 1 (deutsch) vom 17. November 2008(Verkündet im Bundesanzeiger am 27. Januar 2009, Nummer 13a)

Bekanntmachungen der Bestimmungen über die Lizenzierung von Piloten (Hubschrauber)JAR - FCL 2 (deutsch) vom 17. November 2008(Verkündet im Bundesanzeiger am 28. Januar 2009, Nummer 14a)

Nachweis der Einhaltung qualitätssichernder Maßnahmen an staatlichen Ausbildungsstellen gem. VO (EG) Nr. 2042/2003, Anhang IV (Teil 147.B.25)

BMVg, ZDV 3/1 Grundsätze der Ausbildungslehre

Wikipedia Didaktik

Das Fischer Lexikon Pädagogik, Herausgeber: Hans - H. Groothoff

Das Fischer Lexikon Psychologie, Herausgeber: Peter R. Hofstätter

Dieter Lüttge Einführung in die Pädagogische Psychologie

Gisela Maler - Sieber Verhaltensforschung

Wolfgang Klafki: Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik: Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch - konstruktive Didaktik. 2., erweiterte Auflage. Beltz Verlag, Weinheim und Basel 1991.

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