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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext KIK München von Kurt Faller und Soraya Attari unter Mitarbeit von Daniel Günthör Stelle für interkulturelle Arbeit

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HandbuchKonfliktmanagement im interkulturellen KontextKIK München

von Kurt Faller und Soraya Attariunter Mitarbeit von Daniel Günthör

Stelle fürinterkulturelle Arbeit

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Ein Kooperationsprojekt der

unterstützt durch die AWO-Akademie Helene Simon, Bonn

Stelle fürinterkulturelle Arbeit

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4 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

Vorwort von Friedrich Graffe, Sozialreferent der Landeshauptstadt München und Jürgen Salzhuber, Geschäftsführer der Beratungsdienste der Arbeiterwohlfahrt München gGmbH .......................................................................................... 6

1. Rahmenbedingungen .......................................................................................................... 8 1.1. Konzeptentwicklung ....................................................................................................... 8 1.2. Koordinierungsstelle ....................................................................................................... 9 1.3. Mediationsteam ............................................................................................................ 10 1.4. Konfliktfelder ................................................................................................................. 11 1.5. Wer kann sich an die Koordinierungsstelle wenden? .................................................... 11

2. Ablauf der Fallaufnahme ................................................................................................... 12 2.1. Skizze ............................................................................................................................ 12 2.2. Vertragsgestaltung mit „äußeren Auftraggebern“ ......................................................... 13 Frageraster zur Klärung des „äußeren Auftrags“ .......................................................... 13 2.3. Vertragsgestaltung mit Mediatorinnen und Mediatoren ............................................... 14 2.4. Auftragsgestaltung mit Konfliktparteien („innere Auftraggeber“) ................................ 15

3. Konfliktanalyse .................................................................................................................. 16 3.1. Schritte zur Vorbereitung der Konfliktbearbeitung ........................................................ 16 KIK-Gesprächsleitfaden ................................................................................................. 17 3.2. Die Erarbeitung des Mediationsplans ........................................................................... 18 Skizze „Stakeholder-Modell“ ......................................................................................... 19 Mediationsplan ............................................................................................................. 20 Übersicht „Die Eskalationsstufen von Konflikten“ ........................................................ 21

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung .............................................................................. 22 Übersicht „Die Instrumente der Konfliktbearbeitung nach Kurt Faller“ ................................ 23 4.1. Konfliktberatung ............................................................................................................ 24 Übersicht „Das 9 Felder Modell“ .................................................................................. 25 Ablauf der Konfliktberatung ........................................................................................... 26 4.2. Konfliktcoaching ............................................................................................................ 27 Ablauf des Konfliktcoachings ........................................................................................ 27 4.3. Klassisches Setting ....................................................................................................... 28 Ablauf des klassischen Settings: Phasen der Mediation .............................................. 28 4.4. Klärungsgespräch als spezielle Form des klassischen Settings der Mediation ............ 32 Frageraster für die Einzelgespräche ............................................................................. 33 Ablauf des Klärungsgesprächs in 10 Schritten .............................................................. 33 4.5. Shuttle-Mediation .......................................................................................................... 38 Ablauf der Shuttle-Mediation ........................................................................................ 39 4.6. Teamkonfliktmoderation ............................................................................................... 40 Ablauf der Teamkonfliktmoderation .............................................................................. 41 4.7. Gruppen-Mediation ....................................................................................................... 42 Grafik „Gruppen-Mediation“ .......................................................................................... 42 Ablauf der Gruppen-Mediation: Ein Prozess in 12 Stationen ........................................ 43

Inhalt

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Inhalt

5. Dokumentationen exemplarischer Fälle .......................................................................... 48 Fall 1: Konflikt: interkulturelle Gärten/Stadtteilverein – Pachtgarten/Frau M. ....................... 48 Fall 2: Konflikt zwischen Mieter und Vermieter .................................................................... 50 Fall 3: Nachbarschaftskonflikt in einem Stadtteil .................................................................. 51 Fall 4: Klassenmediation an einer Münchner Hauptschule ................................................... 52

6. Anlagen ............................................................................................................................... 54 Anlage 1: Falldokumentation ................................................................................................ 54 Anlage 2: Schweigepflichtsentbindung ................................................................................ 55 Anlage 3: Mediationsvereinbarung ....................................................................................... 56 Anlage 4: Mediationsvertrag ................................................................................................ 57 Anlage 5: Vereinbarung über Fortbildungen ......................................................................... 58

7. Literatur ............................................................................................................................... 59

Impressum ................................................................................................................................ 60

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6 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

Vorwort

Konflikte gehören zum menschlichen Zusammenleben – eine konfliktfreie Gesellschaft wäre auch ziemlich langweilig.

Das Problem ist also nicht der Konflikt, sondern die Frage, wie er bearbeitet wird. Ob Konflikte aktiv aufgegriffen und einer Bearbeitung zugeführt werden, ob sie weiter schwelen, vor Gericht ausgetragen werden oder massiv z.B. im Rahmen aggressiven Verhaltens aufbrechen, wie wir in den französischen Banlieues beobachten konnten – davon hängt es ab, ob sie produktiv oder zerstörerisch sind.

Eine Großstadt wie München, in der Menschen mit unterschiedlichen Lebensstilen, ver- schiedenem kulturellen Hintergrund, ungleichen sozialen Chancen und finanziellen Ressourcen auf relativ engem Raum miteinander leben, bietet jede Menge Konfliktstoff. Eine unbüro- kratische Konfliktmoderation kann, wie viele Beispiele zeigen, etwa dazu beitragen, die Situation im Stadtteil, in der Nachbarschaft, an Schulen zu entspannen, Mobbing am Arbeitsplatz oder Spannungen in Familien abzubauen.

Die Arbeiterwohlfahrt München begann deshalb im Jahr 2000 an einer Konzeption zu „Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext“ zu arbeiten. In Kooperation mit der Landeshauptstadt München wurden zunächst 19 Mediatorinnen und Mediatoren ausgebildet, die unterschiedliche sprachliche, kulturelle und interkulturelle Kompetenzen mitbrachten. Die Ausbildung in interkultureller Mediation erfolgte in Trägerschaft der AWO-Akademie Helene Simon unter der Leitung von Kurt Faller und wurde im Oktober 2004 beendet. Für die bundesweit tätige AWO-Akademie stellt KIK ein Modellprojekt dar. Nach diesem Vorbild wurden auch in anderen Städten Projekte initiiert, etwa in Dortmund. KIK wird von der Anlauf- und Koordinierungsstelle bei den Beratungsdiensten der Arbeiterwohlfahrt München gGmbH und von der Landeshauptstadt München, Stelle für interkulturelle Arbeit, betreut. Inzwischen können 25 Mediatorinnen und Mediatoren eingesetzt werden.

KIK zeichnet sich durch den interkulturellen Ansatz aus, d.h. es wird bei Konflikten mit mindes-tens einem Konfliktpartner nichtdeutscher Herkunft eine Vermittlung versucht. Dieser inter-kulturelle Ansatz ist gerade in einer Stadt wie München besonders wichtig, in der 180 Nationali-täten zusammenleben und ca. 36 % der Bevölkerung einen Migrationshintergrund haben.

Die ausgebildeten Konfliktvermittlerinnen und -vermittler sind während der Ausbildung gezielt mit interkultureller Kommunikation vertraut gemacht worden und haben interkulturelle Kompetenz erworben. Viele hatten davor schon eine langjährige Berufserfahrung in der Sozialen Arbeit. Fast die Hälfte hat selber einen Migrationshintergrund. Insgesamt decken sie 14 Sprachen ab. Ihre Ausbildung hat sich nicht nur auf Mediation beschränkt, sondern um- fasste weitere Methoden, die nun in der Praxis angewendet werden. Deshalb ist der Ausdruck Konfliktvermittlerin bzw. Konfliktvermittler noch passender als der Begriff Mediatorin bzw. Mediator.

KIK baut auf das Mitwirken der Konfliktbeteiligten. Es ist somit ein auf Selbstbestimmung setzendes Projekt, das die Gerichte entlastet und zum friedlichen Zusammenleben in der Stadt-gesellschaft beiträgt. Es entfaltet jedoch auch präventive Wirkung. Zum Beispiel sind in einigen Fällen durch die Konfliktschlichtungen zwischen Vermietern und Mietern in sozialen Notlagen der Stadt als Sozialhilfeträgerin Umzugskosten und teure Unterkunftskosten erspart geblieben.

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Vorwort

KIK ist als Kooperationsprojekt ein positives Beispiel dafür, wie eine Vielzahl von Trägern über die städtische Struktur hinaus zusammen an einem Projekt beteiligt ist. Das Netzwerk besteht inzwischen aus 25 Personen, neben den städtischen Fachkräften auch aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von verschiedensten Migrationssozialdiensten, sozialen Regeldiensten und Migrantenvereinen.

KIK überzeugt und braucht den bundesweiten Vergleich nicht zu scheuen. Das, was in der zweijährigen Ausbildung und in darauf aufbauenden Fortbildungen gelernt und konzeptionell für die Situation in München angepasst wurde, ist in dieser Zusammenstellung festgehalten. Ergänzt wird die Broschüre durch exemplarische Fälle aus der seit 2004 ausgeübten inter-kulturellen Konfliktvermittlung in München. Dieses Handbuch soll nicht nur ein Leitfaden für die ausgebildeten Konfliktvermittlerinnen und -vermittler sowie die mittlerweile zum KIK-Projekt hinzugestoßenen Mediatorinnen und Mediatoren sein. Es kann und soll auch als Anregung und hilfreiche Orientierung für die Praxis der Sozialarbeit in der Stadtverwaltung und bei Einrich-tungen Sozialer Arbeit dienen. Darüber hinaus wird das KIK-Handbuch für alle Akteure in der interkulturellen Konfliktvermittlung, weit über München hinaus, zugänglich gemacht.In diesem Sinne wünschen wir einen produktiven Umgang mit diesem Handbuch.

Friedrich Graffe Jürgen SalzhuberSozialreferent der Geschäftsführer der BeratungsdiensteLandeshauptstadt München der Arbeiterwohlfahrt gGmbH

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8 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

Der kommunale Raum ist Austragungsort für Konflikte, die in einer multiethnischen Stadtgesellschaft auftreten und aufgrund divergierender Interessenlagen, ungleicher Ressourcenverteilung, unterschiedlicher kultureller Prägung, Ausgrenzungen und Diskriminierungen sowie Ethnisierungs- und Selbstethnisierungsprozessen komplexe Strukturen aufweisen.

Die Beratungsdienste der Arbeiterwohlfahrt haben vor Jahren festgestellt, dass es in München keine Einrichtung gibt, die bei Konflikten im interkulturellen Kontext an-gemessen vermittelt. Bei Konfliktparteien unterschiedlicher kultureller Herkunft sollen Konfliktvermittlerinnen und -vermittler eingesetzt werden, die sowohl mit Media-tionstechniken vertraut sind als auch über interkulturelle Kompetenz verfügen. Der kulturelle Unterschied führt nicht automatisch zu Konflikten, vielmehr kann die Verschieden-heit der Kulturen den Umgang mit dem Konflikt bestimmen bzw. beeinflussen. Von dieser Situation ausgehend haben die Bera-tungsdienste der Arbeiterwohlfahrt München gGmbH im Jahre 2000 eine Konzeption für das Projekt KIK (Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext) entwickelt. Dieses Konzept sah vor, eine Konfliktvermittlungs-stelle zu installieren (bestehend aus einer Anlauf- und Koordinierungsstelle sowie den Mediatorinnen bzw. Mediatoren aus den an dem Projekt beteiligten Institutionen), die bei Konflikten, bei denen die Konfliktparteien unterschiedlicher kultureller Herkunft sind, vermitteln sollte. KIK wurde konzipiert als ein Kooperationspro-jekt zwischen Migrationsberatungsdiensten und sozialen Regeldiensten. Dieses Projekt sollte nicht nur zu einem friedlichen Zusam-menleben der Menschen unterschiedlicher

Herkunft beitragen und eine konstruktive Streitkultur in der Gesellschaft fördern, son-dern auch die Möglichkeit für die Entwicklung interkultureller Kompetenz in der konkreten praktischen Zusammenarbeit von Regel-diensten und Migrationsdiensten schaffen.Mit diesen Zielsetzungen hat im November 2001 die Beratungsstelle der Arbeiterwohl-fahrt in München einen Fachtag über Medi-ation im interkulturellen Kontext veranstaltet und die Konzeption des KIK-Projektes vor-gestellt. Es wurden an diesem Vorhaben interessierte Einrichtungen als Kooperations-partner gewonnen, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Ausbildung in Mediation mit interkulturellen Aspekten absolvieren und für die Zusammenarbeit in diesem Projekt freigestellt werden sollten.

Aus verschiedenen Migrationssozialdiensten, Migrantenvereinen und sozialen Regeldiensten wurden 19 Personen unterschiedlicher Herkunft für die Mediationsausbildung aus- gewählt. Die Hauptkooperationspartner waren die Beratungsdienste der Arbeiter-wohlfahrt und das Sozialreferat der Landes-hauptstadt München.

KIK ist gleichzeitig ein Modellprojekt der Beratungsdienste der Arbeiterwohlfahrt und der AWO-Akademie Helene Simon (welche zugleich Ausbildungsträger des KIK-Projektes ist), nach dessen Vorbild in anderen Städten ähnliche Projekte initiiert werden sollen.Die Ausbildung in Mediation hat im Januar 2002 begonnen und erfolgte mit insgesamt 200 Stunden unter der Leitung von Kurt Faller. Sie wurde im Oktober 2004 beendet.

Im Verlaufe der Ausbildung kam es zu einer Ausweitung des Aufgabenbereichs und zu einer größeren Varianz der eingesetzten Instrumente.

1.1. Konzeptentwicklung

1. Rahmenbedingungen

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1. Rahmenbedingungen

Je nach Konstellation der Konfliktparteien und Eskalationsgrad des Konfliktes werden verschiedene Methoden wie klassische Mediation, Shuttle-Mediation, Gruppen- Mediation oder Mini-Trial (Vermittlungskom-mission) sowie Runde Tische eingesetzt.

Neben der Mediation zwischen den beteiligten Konfliktparteien können – in Erweiterung des Aufgabenbereichs – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Einrichtungen bei ihren Fällen in schwierigen Konfliktvermittlungssituatio-nen von KIK begleitet werden (Konfliktcoa-ching). Außerdem können Personen, die in

einen Konflikt involviert sind, bei KIK um Rat nachsuchen (Konfliktberatung). Schließlich kann KIK in Einrichtungen mit hohem Kon-fliktpotential Fortbildungen im Rahmen der präventiven Arbeit durchführen, um Konflikte zu vermeiden (siehe die Vereinbarung über Fortbildungen auf Seite 58, Anlage 5).

Der zweite KIK-Fachtag hat am 8. November 2005 stattgefunden. Hier wurde KIK mit den Erfahrungen der Ausbildung, den ersten Pra-xiserfahrungen, den erweiterten Instrumenten und dem gesamten Anwendungsbereich als Angebot für München dargestellt.

Die Koordinierungsstelle ist bei den Bera-tungsdiensten der Arbeiterwohlfahrt München gGmbH und bei der Stelle für interkulturelle Arbeit der Landeshauptstadt München im Sozialreferat angesiedelt. Die Anbindung bei einer städtischen Stelle wurde als sinnvoll erachtet, weil die Stadt größter Auftraggeber sozialer Arbeit ist und bessere Möglichkeiten hat, um an Informationen über die Fälle (mit Einverständnis der Parteien) von anderen städtischen Stellen oder Behörden (z.B. Polizei) zu gelangen. Um einen niedrigschwelligen Zugang für das anzusprechende Klientel sicherzustellen, ist die Ansiedlung bei den Beratungsdiensten der Arbeiterwohlfahrt zielführend. Zu den Aufgaben der Koordinierungsstelle gehört neben der Fallaufnahme und der Steuerung der Fälle auch die Begleitung der Fallarbeit.

Die Kooperation und Vernetzung mit allen Institutionen, die ähnliche Aufgaben wahr-nehmen, ist ebenso wichtig wie die mit den

Stellen sozialer Arbeit bzw. Stadtteilarbeit, bei denen Konflikte auftreten. Eine permanente Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist erforder-lich. Präsentationen und Artikel regional wie bundesweit zur Bekanntmachung des Projek-tes z.B. bei Fachveranstaltungen gehören des Weiteren zur Arbeit der Koordinierungsstelle. Schließlich ist die Qualitätssicherung, Doku-mentation und Evaluation des Projekts von Bedeutung.

Zur langfristigen Sicherung dieses Projektes müssen neue Vermittlerinnen und Vermittler gewonnen werden, sei es durch Ausbildung oder Aufnahme bereits ausgebildeter Media-torinnen und Mediatoren. Die Honorierung der Konfliktvermittlerinnen und -vermittler für ihren Einsatz sicherzustellen, gehört ebenfalls zu den Aufgaben der Koordinierungsstelle.

1.2. Koordinierungsstelle

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10 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

Die Mitglieder des Mediationsteams der ersten KIK-Ausbildung kommen aus folgendenEinrichtungen:

• BeratungsdienstederArbeiterwohlfahrtMünchengGmbH• LandeshauptstadtMünchen: - Sozialreferat – Allgemeiner Sozialdienst (ASD)/Bezirkssozialarbeit (BSA) - Sozialreferat – Stadtjugendamt, - Sozialreferat – Amt für Wohnen und Migration• CaritasverbandMünchen• DonnaMobile/GesundheitsberatungfürMigrantinnen• Willy-Brandt-Gesamtschule• InitiativgruppeInterkulturelleBegegnungundBildunge.V.• DritteWeltZentrum• InitiativeFreundschaftohneGrenzene.V.• SchlaU-Projekt.

Die Tätigkeit bei KIK ermöglicht diesen Kolleginnen und Kollegen, durch Konfliktvermittlungpraktische Erfahrung zu sammeln und die Methoden aus ihrer Ausbildung können bereichernd für die Arbeit in ihrem angestammten Bereich wirken.Die große Mehrheit des Mediationsteams wurde nach vorherigen Vereinbarungen mit denArbeitgebern für Ausbildung, Supervision und Fallarbeit freigestellt, einige haben für die Tätig-keiten frei genommen. Seit April 2006 werden diejenigen, die die diese Arbeit in ihrer Freizeit erledigen, für ihre Konfliktvermittlung und -beratung honoriert.

Die Konfliktvermittlerinnen und -vermittler der zweiten KIK-Ausbildung, die im Januar 2006 nachder zweiten KIK-München-Fachtagung im November 2005 mit einer Mediationsausbildung beimgleichen Ausbildungsträger (AWO-Akademie Helene Simon) begonnen haben, sind bei derLandeshauptstadt München – Sozialreferat – Bezirkssozialarbeit, beim Verein für Soziale Arbeit und in der Heckscher Klinik sowie bei Refugio tätig.Ab Herbst 2006 wurde das KIK-Team durch Konfliktvermittlerinnen und -vermittler, die ihreMediationsausbildung bei anderen Fortbildungseinrichtungen absolvierten, ergänzt.

Nach aktuellem Stand (Frühjahr 2009) besteht das Team aus 34 Personen; davon 8 Männer und 26 Frauen. 9 Teammitglieder haben Migrationshintergrund.Das Team bietet zur Zeit Konfliktvermittlung und -beratung in den folgenden 14 Sprachen an:

Albanisch Englisch Kroatisch SerbischArabisch Ewe, Mina Kurdisch TürkischBosnisch Französisch PersischDeutsch Italienisch Russisch

Die Zusammensetzung und damit auch die vorhandenen Sprachkompetenzen können sich jedochdynamischändern,weilimmerwiederKolleginnenundKollegenvonaußenindasTeamaufgenommen werden.

1.3. Mediationsteam

1. Rahmenbedingungen

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1. Rahmenbedingungen

KIK kann in folgenden Konfliktfeldern vermitteln:

• Nachbarschaft und Stadtteil: Konflikte zwischen Nachbar/innen, zwischen Vereinen und Einrichtungen bzw. zwischen

diesen und den Stadtteilbewohner/innen, aber auch in politischen und religiösen Fragen im Stadtteil

• Schule und Familie: Konflikte zwischen Schüler/innen, Schüler/innen und Lehrkräften sowie Lehrkräften und

Eltern

• Kinder- und Jugendarbeit: Konflikte zwischen Kindern und Jugendlichen in einem Stadtteil, in den Jugendfreizeitstätten

und ähnlichen Einrichtungen sowie Generationenkonflikte in den Migrantenfamilien

• Betrieb und Ausbildung: Konflikte zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, Mobbing

• Gesundheitsbereich: Konflikt zwischen Patientinnen bzw. Patienten und Pflegepersonal, Angehörigen der

Patientinnen bzw. Patienten und Pflegepersonal bzw. medizinischem Personal

1.4. Konfliktfelder

An die Koordinierungsstelle können sich alle Personen und Institutionen wenden, die als direkteKonfliktpartei oder als dritte Person involviert sind, bzw. Institutionen wie die Bezirkssozialarbeitoder die Regelsozialdienste, bei denen ein Konfliktfall bekannt wird. Es sollte sich um einen Konflikt in jenen Feldern handeln, in denen KIK tätig ist – wie Nachbarschaft und Stadtteil, Schule und Familie, Kinder- und Jugendarbeit, Betrieb und Ausbildung, Gesundheitsbereich. Die Konfliktparteien sollen unterschiedlicher kultureller Herkunft sein.

1.5. Wer kann sich an die Koordinierungsstelle wenden?

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12 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

Die hier abgedruckte Skizze soll den Ablauf der Fallannahme grafisch verdeutlichen.

Sie haben einen Fall ...

2.1. Skizze

2. Ablauf der Fallannahme

Sie

Koordinierungsstelle KIKVorabklärung

KIK-Team

Tandem

Konfliktanalyse

Entscheidung über Fallannahme

Bericht an Koordinierungsstellle(„Falldokumentation“, siehe Anlage 1, Seite 54)

Konfliktparteien

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2. Ablauf der Fallannahme

„Äußerer Auftraggeber“ ist in der Regel die dritte Person oder Einrichtung, die keine Konflikt-partei ist, aber ein persönliches Interesse an oder eine institutionelle Aufgabe bei der Lösung des Konfliktes hat. Dieser wendet sich in der ersten Kontaktaufnahme bezüglich einer Konflikt-vermittlung an die Koordinierungsstelle. Je nach Fallkonstellation und Bedarf werden auch die Konfliktvermittlerinnen und -vermittler Kontakt zu dieser Person oder Institution aufnehmen. Die Vereinbarung mit ihr erfolgt mündlich.Das Ergebnis der Konfliktvermittlung und die Vereinbarungen zwischen den Konfliktparteien werden mit Wissen und Einverständnis der Konfliktparteien sowie unter Beachtung der Schweigepflicht (die Konfliktparteien entscheiden über das Ausmaß der Entbindung von der Schweigepflicht; siehe Formular auf Seite 55, Anlage 2) dem „äußeren Auftraggeber“ ver- mittelt. Diese Informationsweitergabe bezieht sich auf das Endergebnis und nicht auf den Prozessverlauf der Mediation.

Folgendes Frageraster kann bei der Klärung des Auftrags hilfreich sein.

2.2. Vertragsgestaltung mit „äußeren Auftraggebern“

Fragen zur Sache- Was ist der Anlass für Ihre Anfrage?- Wie stellt sich das Problem für Sie dar?- Wer ist an dem Konflikt beteiligt?- Was haben Sie bisher unternommen, um das Problem zu lösen?- Welche interkulturellen Aspekte gibt es Ihrer Meinung nach?

Fragen zum Ziel- Was wäre Ihr Ziel bei der Bearbeitung des Problems?- Was, denken Sie, wollen die betroffenen Parteien erreichen?

Fragen zum Verfahren- Kennen Sie die verschiedenen Verfahren der Konfliktbearbeitung im interkulturellen Kontext?- In der Sache, die Sie mir geschildert haben, sehe ich folgende Möglichkeiten des Vorgehens: a….. b…..

Fragen zu Wünschen/Befürchtungen- Was sollte bei der Bearbeitung noch beachtet werden?- Gibt es noch etwas, was auf jeden Fall berücksichtigt oder auf keinen Fall getan werden sollte?

Frageraster zur Klärung des „äußeren Auftrags“

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14 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

Der Auftrag für Konfliktvermittlung, Konflikt-beratung und -coaching wird von der Koordi-nierungsstelle an die Konfliktvermittlerinnen bzw. Konfliktvermittler vergeben.Konfliktvermittlung/Mediation und meist auch Konfliktberatung und -coaching werden in diesem Projekt grundsätzlich von zwei Media-torinnen bzw. Mediatoren im Tandem durch-geführt. Die Kriterien für die Tandembildung sind je nach Fallkonstellation:• Ethnie• Sprache• Geschlecht• Feldkompetenz• Alter

Das Tandem sollte in den ersten zwei Tagen nach der Fallaufnahme die Konfliktparteien („innerer Auftraggeber”) und den „äußeren Auftraggeber“ telefonisch kontaktiert haben.Möglichst innerhalb von 3 bis 7 Tagen, u.a. auch abhängig von der Eskalationsgefahr, soll das erste persönliche Gespräch mit den Konfliktparteien zustande gekommen sein.

Nach Zusammenstellung und Beauftragung des Tandems wird das Tandem sich je nachNotwendigkeit mit dem „äußeren Auftrag-geber“ in Kontakt setzen, um:• InformationenüberdenFallausderSicht

der „äußeren Auftraggeber“ zu erhalten,• seineFallzuständigkeitbekanntzugeben

und die Zuständigkeit des „äußeren Auf-traggebers“ zu klären.

Ist der Fall angenommen worden, sollen die Tandems während der Fallbearbeitung in regelmäßigen Abständen der Koordinierungs-stelle darüber berichten, in welcher Phase der Bearbeitung sich der Fall befindet und wann ein Termin für seine Beendigung absehbar ist.

2.3. Vertragsgestaltung mit Mediatorinnen und Mediatoren

2. Ablauf der Fallannahme

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2. Ablauf der Fallannahme

Der erste Kontakt findet in der Regel telefo-nisch statt. Wenn die Konfliktbeteiligten ein persönliches Treffen mit den Konfliktvermitt-lerinnen und -vermittlern vereinbaren, bekom-men diese die Möglichkeit:• sichundihreArbeitdenKonfliktbeteiligten

vorzustellen,• denKonfliktausderSichtderKonflikt-

parteien zu erfahren und deren eventuelle Bereitschaft für eine Konfliktvermittlung festzustellen.

Beim ersten Kontakt erscheinen die Konflikt-vermittlerinnen bzw. -vermittler in manchen Situationen ohne telefonische Vereinbarung direkt bei den Konfliktparteien, wie bisweilen bei Migrantenfamilien oder bei Jugendlichen in einem Stadtteiltreffpunkt oder in Unter-künften.

Wenn nur eine der Konfliktparteien die Inter- vention von KIK in dem Konflikt wünscht und die andere nicht, kann der interessierten Konfliktpartei eine Konfliktberatung angebo-ten werden.Für die Konfliktbeteiligten, die ein Mediations-verfahren wünschen, hat KIK eine eigeneMediationsvereinbarung zwischen ihnen und dem KIK-Projekt erstellt (siehe Seite 56, Anlage 3). Es ist erwünscht, dass die Vereinbarung von beiden Parteien, die sich auf ein Mediations-verfahren einlassen, unterschrieben wird.Die meisten Konfliktbeteiligten haben Vor-behalte, eine schriftliche Vereinbarung zu unterschreiben; insbesondere Migrantinnen und Migranten mit geringer Schulbildung. Das kann damit zu tun haben, dass die Personen-gruppe bisweilen schlechte Erfahrung mit unterschriebenen Formblättern und Verträgen gemacht hat oder Probleme hat, den Inhalt des Textes in deutscher Sprache adäquatverstehen zu können. Aus diesen Gründen wird nicht auf eine schriftliche Mediationsver-einbarung bestanden, da die Vermittlung nicht an dieser Hürde scheitern soll.

2.4. Auftragsgestaltung mit Konfliktparteien („innere Auftraggeber“)

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3.Konfliktanalyse

16 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

Zur Vorbereitung der Konfliktbearbeitung gehören folgende drei Schritte:

3.1. Schritte zur Vorbereitung der Konfliktbearbeitung

a) Wenn die Tandems den Auftrag angenom-men haben und über den bisherigen Stand der Gespräche informiert wurden, konzen-trieren sie sich auf die erste Aufgabe:

•zeitnaheineKonfliktskizzeundeinenMediationsplan zu erstellen.

Dazu führen die Mediator/innen Einzel- oder Gruppengespräche mit den verschie-denen Parteien. Bei diesen Gesprächen wird der „KIK-Gesprächsleitfaden“ (siehe Seite 17) eingesetzt. Dabei achten die Mediator/innen auf die beiden folgenden Ebenen:

•denkonkretenKonflikt •deninterkulturellenKontext.

b) Die Ergebnisse aus diesen Gesprächen sowie andere Informationen werden dann von dem Tandem zusammengetragen. Sie bilden die Grundlage für die Erstellung der Konfliktskizze und die Erarbeitung des Mediationsplans.

In der Konfliktskizze auf der Basis des „Stakeholder-Modells“ (siehe Abbildung Seite 19) wird festgehalten, welche Personen und Institutionen in irgendeiner Weise an dem Konflikt beteiligt sind. In dem Mediationsplan beschreiben die Mediator/innen ihre „leitenden Gedanken“ und die einzelnen Schritte für die jeweilige Konfliktbearbeitung.

c) Die Konfliktskizze und der ausgearbeitete Mediationsplan werden der Koordinie-rungsstelle vorgelegt; dann wird gemein-sam beraten, wie weiter vorzugehen ist. Dabei wird auch entschieden, ob das Tandem weiterarbeitet oder ob andere Mediator/innen zusätzlich oder anstelle der ursprünglichen einbezogen werden.Ergebnis dieser Beratungen ist das „Mediationsangebot“ – ein konkreter Vorschlag zum weiteren Vorgehen. Die Mediatorinnen bzw. Mediatoren be-sprechen dieses Angebot mit dem äußeren Auftraggeber und den Konfliktparteien. Mit der Annahme des Angebots ist eine gemeinsame Grundlage für die Bearbeitung des Konflikts vorhanden. Wenn Ämter, Polizei oder andere Institutionen in den Fall involviert sind, wird geklärt, ob die Koor-dinierungsstelle oder die Mediatorinnen bzw. Mediatoren diese Stellen informieren und mit ihnen verhandeln.

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3.Konfliktanalyse

Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 17

KIK-Gesprächsleitfaden

Name ..............................................................................................................................................

Adresse ...........................................................................................................................................

1. Seit wann leben Sie hier in München?

2. Mich würde interessieren, wo Sie herkommen?

3. Darf ich fragen, was Sie beruflich machen?

4. Beschreiben Sie bitte das Problem aus Ihrer Sicht.

5. Was war Ihrer Meinung nach die Ursache für diesen Konflikt?

6. Welche Personen sind an dieser Sache beteiligt?

7. Was haben Sie bisher unternommen? 8. Haben Sie sich an andere Personen/Institutionen gewandt?

9. Was haben die anderen Beteiligten unternommen?

10. Welche Versuche zur Klärung oder Konfliktlösung hat es bereits gegeben? a) von Ihnen b) von den anderen Konfliktbeteiligten c) von Dritten

11. Was, denken Sie, würde passieren, wenn der Konflikt nicht gelöst würde?

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18 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

3.Konfliktanalyse

3.2. Die Erarbeitung des Mediationsplans

Grundlage für die Erarbeitung des Mediations-plans ist die Auswertung der Informationen, die aus der Auftragsklärung und den Einzelge-sprächen gewonnen wurden. Diese Informa-tionen werden nun zu einer Gesamtsicht des Konflikts verarbeitet.Vor allem bei komplexen Konflikten – und interkulturelle Konflikte sind in der Regel komplexe Konflikte – ist es sinnvoll, sich erst einmal einen Überblick über die Beteiligten zu verschaffen.

Dazu ist das „Stakeholder-Modell“ das geeignete Instrument. In einer Skizze wird festgehalten, wer direkt, eher indirekt und als Zuschauer beteiligt ist (siehe Seite 19).

Da Konflikte häufig schon weit fortgeschritten sind, wenn eine Anfrage kommt, ist es wichtig, zu überlegen, ob und wenn ja welche Sofort-maßnahmen notwendig sind, um eine weitere Eskalation zu verhindern (siehe Übersicht „Die Eskalationsstufen von Konflikten“ auf Seite 21).

Anhand der Fragen in den sechs Feldern werden die vorhandenen Informationen sortiert und die „leitenden Gedanken“ für die Vorgehens-weise bei der Konfliktbearbeitung herausge-arbeitet (siehe „Mediationsplan“ Seite 20).Auf dieser Grundlage wird dann ein Vorschlag für die einzelnen Vorgehensschritte entwickelt.

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 19

3.Konfliktanalyse

1 direkt Beteiligte2 indirekt Beteiligte3 Zuschauer

Konflikt

1

3

2

1

1

3

3

2

2

Stakeholder-ModellWer ist beteiligt?

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20 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

3.Konfliktanalyse

Mediationsplan

I. Was ist sofort zu tun? - Sind schnelle Interventionen möglich und notwendig, um eine weitere Eskalation zu verhindern? - Müssen einzelne Parteien besonders unterstützt werden, um sich auf eine Konfliktbearbeitung einlassen zu können?

II. Leitende Gedanken (für die Bearbeitung des Konflikts und die Planung des Verfahrens)

1. Rahmen - Welche Bedeutung hat der Konflikt für den jeweiligen Lebens- und Arbeitsbereich? - Wie hoch sind die Konfliktkosten? Für wen? - Welche anderen Institutionen und Ämter sind damit befasst? - Sind die beteiligten Parteien in Vereinen bzw. Migrantenorganisationen aktiv?

2. Konfliktkultur - Welche Formen der Streitbeilegung sind die beteiligten Parteien gewohnt? - Wie hoch ist die Zufriedenheit mit den bisherigen Ergebnissen der Konfliktbearbeitung? - Welche Kommunikations- und Vermittlungstechniken kennen die beteiligten Personen?

3. Issues - Um was geht es? - Welche Themen sind erkennbar? - Welche Issues sind mit welchen Parteien verknüpft? - Wie weit kennen die Parteien die Issues der Gegenseite? - Wie stark sind die Parteien inhaltlich auf die Issues fixiert? - Beziehen sich die Issues stärker auf die Sach- oder die Beziehungsebene?

4. Eskalation - Wie stark ist der Konflikt eskaliert? - Ist der Konflikt zur Zeit in einer eher kalten oder heißen Phase? - Gibt es erkennbare Wendepunkte in dem Konflikt?

5. Konfliktebenen - Welche Konfliktebene ist bestimmend für den Konflikt? - Welche anderen Konfliktebenen spielen eine Rolle? - Welche speziellen interkulturellen Aspekte sind wichtig?

6. Instrumente der Konfliktbearbeitung - Welche Vor- und Nachteile haben die einzelnen Techniken in diesem Konflikt? - Auf welche Form der Bearbeitung können sich die Beteiligten am ehesten einlassen? - Wie viel Zeit steht für die Bearbeitung zur Verfügung?

III. Schritte - Geplanter Verlauf der Konfliktbearbeitung - Einzelne Schritte - Termine, Zeitrahmen

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 21

Die Eskalationsstufen von Konflikten

3.Konfliktanalyse

1 2 3

4 5 6

7 8 9

I

IIII

IIIIIII

Verhärtung Debatte Taten

BegrenzteVernich-

tungsschläge

Zer- splitterung

Gemeinsam in den

Abgrund

ImagesKoalitionen

Gesichts-verlust

Droh- strategien

Standpunkte verhärten zu-

weilen, prallen aufeinander

Polarisation im Denken, Fühlen

und Wollen, Schwarz-Weiß-

Denken

„Reden hilft nichts mehr“ –

also Taten; Strategien der

vollendeten Tatsachen

Stereotypen,Klischees,

Image- kampagnen, Gerüchte auf Wissen und

Können

öffentliche und direkte Gesichts-angriffe

Drohung und Gegendrohung

zeitweilige Ausrutscher

und Verkrampfung

Taktiken quasirational,

verbale Gewalt

Diskrepanz: verbales –

nonverbales Verhalten,

nonverbales Verhalten dominiert

einander in negative Rollen

manövrieren und bekämpfen

inszenierte „Demaskie-

rungsaktion“, Ritual

Bewusstsein der bestehen-den Spannung erzeugt Krampf

Denken in „Ding-

kategorien“

Paralysieren und Desinte-grieren des feindlichen Systems

kein Weg mehr zurück!

Werben um Anhänger

keine menschliche

Qualität mehr

begrenzte Vernichtungs-

schläge als „passende Antwort“

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22 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Für unterschiedliche Situationen und Konfliktkonstellationen müssen unterschiedliche Konfliktbearbeitungsinstrumente angewendet werden; wobei innerhalb eines Falles mehrere Instrumente genutzt werden können. Die beschriebenen, von Kurt Faller entwickelten und in der Übersicht auf der nächsten Seite kurz vorgestellten Instrumente sind wie ein variabel einsetzbarer Werkzeugkasten zu nutzen (die Nummerierungen beziehen sich auf die Übersicht auf Seite 23):

• SoistKonfliktberatung(1.)undKonfliktcoaching(2.)inderArbeitmiteinzelnen Personen einsetzbar.

• DieklassischenMediationsinstrumente,dasklassischeSetting(3.)unddie Shuttle-Mediation (4.) finden Anwendung bei Konflikten zwischen zwei oder mehreren Parteien.

• BeiKonflikteninGruppenkannmanTeamkonfliktmoderation(5.),Gruppen-Mediation(6.) und Großgruppen-Mediation (7.) wählen.

• InstrumentewieVermittelndurchVerhandeln(8.),Konfliktkommission(9.)oder Managementbymediation(10.)sindvorallembeisichwiederholendenKonflikteninklarbestimmbaren Bereichen, Stadtteilen, Wohnheimen oder anderen Einrichtungen sinnvoll.

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 23

1. Konfliktberatung In den 7 Schritten der Konfliktberatung erarbeitet die Mediatorin bzw. der Mediator mit den

Konfliktbeteiligten oder Verantwortlichen im Einzelgespräch eine Übersicht über den Konflikt und seine Auswirkungen, die günstigste Vorgehensweise und die sinnvollen Techniken.

2. Konfliktcoaching Im Konfliktcoaching begleitet die Mediatorin bzw. der Mediator Konfliktbeteiligte oder Führungskräfte

in regelmäßigen Coaching-Sitzungen bei der selbständigen Klärung eines Konflikts. Die Beteiligten klären den Konflikt eigenständig in ihrem Umfeld, bereiten mit ihrem Konfliktcoach die nächsten Schritte vor und reflektieren die jeweiligen Erfahrungen.

3. Das klassische Setting der Mediation Das klassische Setting ist das Kerninstrument der Mediation. Die Mediatorin bzw. der Mediator

arbeitet mit den beiden Konfliktbeteiligten in den 5 Phasen der Mediation. Das Erlernen des klassischen Settings ist grundlegende Voraussetzung für die Arbeit mit anderen Instrumenten der alternativen Streitbeilegung.

4. Shuttle-Mediation Im Shuttle-Verfahren arbeitet die Mediatorin bzw. der Mediator mit den Beteiligten in

Einzelgesprächen und übernimmt die Aufgabe des „shuttle“ zwischen den Beteiligten.

5. Teamkonfliktmoderation In der Teamkonfliktmoderation werden die Phasen und Techniken der Mediation in veränderten, der

GruppendynamikangepasstenFormenbeiderBearbeitungvonKonflikteninArbeitsteamsange-wandt. Dabei wird die Energie der Gruppe genutzt, um unterschiedliche Konfliktlagen zu bewältigen.

6. Gruppen-Mediation Die Techniken der Gruppen-Mediation werden v.a. in Konflikten zwischen homogenen Gruppen oder

Fraktionen angewandt. Die Bearbeitung derartiger Konflikte erfordert eine differenzierte Bearbeitung in den einzelnen Gruppen und zwischen den Gruppen.

7. Großgruppen-Mediation Der Einsatz von Mediation in Planungs- und Umweltverfahren, in politischen Prozessen

und in großen Organisationen erfordert eigene Settings und Strukturen.

8. Vermitteln durch Verhandeln Bei der Vermittlung in materiellen Konflikten ist die Verbindung von mediativen Ansätzen

und Verhandlungstechniken nach dem Harvard-Konzept sinnvoll.

9. Vermittlungskommission Die Vermittlungskommission ist eine dauerhaft oder für bestimmte Zeiträume eingerichtete

und mit klaren Kompetenzen ausgestattete Vermittlungsstelle.

10. Management by mediation ManagementbymediationbeschäftigtsichmitderFrage,wiemediativeTechnikenimSinne

eines ressourcenorientierten Führungsstils in Management-Entscheidungen oder Personal- und Organisationsentwicklung integriert werden können.

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Die Instrumente der Konfliktbearbeitung nach Kurt Faller

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24 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

Ausgangspunkt • EineKonfliktparteiersuchtumRat,wiemiteinerschwierigenSituationoder

mit einem personalen Konflikt im interkulturellen Kontext umzugehen ist.

Grundgedanke In dem Gespräch sind zwei Ebenen zu trennen: • DieLösung,dasErgebnis,dasdiePersonerreichenwill• DasVerfahren,durchdaseineLösungerreichtwerdensollZu klären ist auch, welche eigenen Möglichkeiten die Person oder die Institution hat, einen Beitrag zur Lösung zu erbringen.

ZielDie zu beratende Person soll unterstützt werden, um • denKonfliktbessereinordnenzukönnen;• einVerfahrenzuerarbeiten,wiederKonfliktbearbeitetwerdenkann• dieeigenenHandlungsmöglichkeitenzuerkennen.

Techniken der Gesprächsführung• Aktivzuhören• Spiegeln(alsodasGesagtewiederholenundbestätigenlassen,

ob es richtig wiedergegeben wurde) • Zusammenfassen

4.1. Konfliktberatung

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Im KIK-Projekt kommen vor allem die Instrumente 1 bis 6 sowie 9 aus der Übersicht auf Seite 23 zur Anwendung. In diesem Handbuch werden diese Instrumente des KIK-Projekts (außer 9. Vermittlungskommission) genauer vorgestellt; außerdem wird das Klärungsgespräch als spezielle Form des klassischen Settings der Mediation erläutert. Dabei werden zur Erläute-rung als schematische Raster jeweils Kategorien wie Ausgangspunkt, Grundgedanke, Ziel(e) und Techniken verwendet und Ablaufübersichten bezüglich der verschiedenen Phasen und Schritte präsentiert.

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 25

Das 9 Felder Modell

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Lösung

Ressource

Problem

Wie wird das für Sie sein, wenn Sie nichts verändern?

Vergangenheit Gegenwart Zukunft

Was genau ist im Moment so schwierig?

Wie ist das Problem entstanden?

Was haben Sie früher gegen ein solches Problem getan?

Was wäre für Sie jetzt hilf-reich?Was wollen Sie jetzt dafüt tun?

Wie wollen Sie das auch in Zukunft sicher-stellen?

Was genau wollten Sie damals ändern?

Was möchten Sie gerne in diesem Augen-blick ändern?

Was möchten Sie denn für die Zukunft?

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26 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Ablauf der Konfliktberatung

Schritt 1: Einen ruhigen Rahmen schaffen - äußere Bedingungen - vereinbarte Zeit

Schritt 2: Das Problem beschreiben Mögliche Fragen: - Wie stellt sich das Problem für Sie dar? - Wie lange besteht das Problem schon? - Wann hat es Sie besonders gestört? - Was wird passieren, wenn das Problem nicht gelöst wird? - Wenn sie an andere Probleme denken, mit denen Sie umgehen müssen, und im Vergleich

dieses Problem auf einer Skala von 1 bis 10 einordnen sollen, wo würden Sie es einordnen?

Schritt 3: Das Problem einordnen EinehilfreicheTechnikisthierdieErstellungeinerSpinnwebanalyse(Stakeholder-Modell) Mögliche Fragen: - Wer ist direkt an dem Konflikt beteiligt? - Wer ist indirekt davon betroffen? - Wer bekommt diesen Konflikt im Umfeld noch mit und ist quasi Zuschauer? - Welche interkulturellen Aspekte sind zu beachten?

Schritt 4: Die unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen benennen Mögliche Fragen: - Welche Positionen haben die beteiligten Personen Ihrer Kenntnis nach? - Welche Interessen verfolgen sie Ihrer Meinung nach? - Wie gehen die Personen miteinander um? - Welche Rolle spielen die kulturellen Unterschiede?

Schritt 5: Die Ziele und Absichten herausarbeiten Mögliche Fragen: - Was wollen Sie erreichen, wenn Sie das Problem angehen? - Was wäre für Sie das optimale Ergebnis? - Womit könnten Sie noch leben? - Was darf auf keinen Fall passieren? - Was könnten Sie tun, um zu einer Lösung zu kommen? - Was hat Sie bisher abgehalten, das zu tun?

Schritt 6: Das Verfahren klären Mögliche Fragen: - Was haben Sie bisher versucht, um das Problem zu lösen? - Warum hat das Ihrer Meinung nach nicht zu einem Ergebnis geführt? - Welche unterschiedlichen Möglichkeiten, das Problem zu bearbeiten,

gibt es Ihrer Meinung nach? Ich kenne noch folgende Varianten: 1... 2... 3... Lassen Sie uns diese Varianten einzeln durchsprechen, damit Sie eine Entscheidung treffen können, welchen Weg Sie wählen wollen.

Schritt 7: Das Vorgehen festlegen Mögliche Fragen: Wenn Sie jetzt diesen Weg gehen: - Was wäre für Sie der erste Schritt? - Wie gehen Sie dann weiter vor? - An welchen Punkten brauchen Sie Unterstützung?

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 27

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Ausgangspunkt • EineFach-oderFührungskrafteinesAmtesodereinerBeratungsinstitutionwillBeratung

und Begleitung im Umgang mit einer schwierigen Situation oder der Bearbeitung eines Konflikts in ihrem Arbeitsbereich.

Grundgedanke • Fach-undFührungskräfteimsozialenBereichsindinihrerArbeitständigmitschwierigen

Situationen oder mit Konflikten mit Klientinnen bzw. Klienten und Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern konfrontiert. Diese Situationen zu bewältigen ist Teil ihres Arbeitsauftrags. Durch das Konfliktcoaching wird diese Fähigkeit der selbständigen Konfliktbearbeitung gestärkt.

Ziel• MitderFach-oderFührungskrafteineStrategieundeinkonkretesVorgehenerarbeiten,

um den Konflikt zu bearbeiten • DieFachkraftinderUmsetzungbegleitenunddieSchrittereflektieren• MitderFachkraftdieErgebnissereflektierenundmöglicheVeränderungenanregen

Techniken• ArbeitmitdemäußerenunddeminnerenSystem• SystemischeGesprächsführung

4.2. Konfliktcoaching

Ablauf des Konfliktcoachings

Schritt 1: Die Klärung des Auftrages Gemeinsam mit der Fach- oder Führungskraft werden der Rahmen, die Zeitdauer

und die Ziele des Coachings erarbeitet und kontraktiert.

Schritt 2: Die Erarbeitung des Vorgehens In der Eingangssitzung werden mit der Fach- oder Führungskraft die Umstände,

die beteiligten Personen sowie die verschiedenen Positionen und Interessen heraus- gearbeitet und das sinnvolle Vorgehen erarbeitet.

Schritt 3: Die Begleitung der Umsetzung Die Fachkraft setzt nun die besprochenen Maßnahmen in dem entsprechenden Fall

um. In regelmäßigen Abständen bespricht der Mediator bzw. die Mediatorin mit ihr die Entwicklung.

Schritt 4: Die Auswertung der Ergebnisse Wenn die Fachkraft erste Ergebnisse erzielt hat, wird in einem Abschlussgespräch

der Prozess reflektiert und überlegt, welche Konsequenzen für den Umgang in vergleichbaren Fällen sinnvoll erscheinen.

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28 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

4.3. Klassisches Setting

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Ausgangspunkt • MediationisteineTechnikderKonfliktbearbeitung,dieesdenKonfliktbeteiligtenmitHilfe

eines Dritten ermöglicht eine Lösung zu finden, welche die Interessen beider Seiten berücksichtigt. Dadurch erhöht sich die Chance, dass die Kooperation am Arbeitsplatz verbessert wird.

Ablauf des klassischen Settings: Phasen der Mediation

Phase I: Einleitung • einenruhigenRahmenfürdieBearbeitungschaffen

Phase II: Darstellung der Sichtweise • dieStandpunktederParteienhören• dieAgendaerarbeiten

Phase III: Konflikterhellung • dieStreitpunkteumfassendklären

Phase IV: Problemlösung • Lösungenfinden

Phase V: Vereinbarung • Lösungenschriftlichfixieren(siehe„Mediationsvertrag“,Anlage4,Seite57)

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 29

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Phase I: Einleitung

Schritt 1: Vorbereitung der äußeren Bedingungen - Wahl des Ortes - Wahl des Zeitpunktes - Gestaltung des Raums und der Sitzordnung - Schreib- und Moderationsmaterial

Schritt 2: Klärung des Rahmens und der Regeln - Mediatorin bzw. Mediator (M) begrüßt die Parteien - M stellt sich selbst vor - Klärung der Ziele der Mediation - Klärung des Rahmens, in dem die Mediation stattfindet - Erläuterung des Verfahrens und der Rolle von M - Klärung der Regeln

Schritt 3: Das Problem einordnen - M klärt mit den Parteien, wer anfängt

Phase II: Darstellung der Sichtweise

Schritt 1: Mediatorin bzw. Mediator (M) spricht mit A - M fragt A nach seiner Position - M spiegelt und stellt weitere Fragen - M fasst zusammen und betont wichtige Punkte - M holt für die Zusammenfassung von A das O.K. ein

Schritt 2: M spricht mit B - M fragt B nach seiner Position - M spiegelt und stellt weitere Fragen - M fasst zusammen und betont wichtige Punkte - M holt für die Zusammenfassung von B das O.K. ein

Schritt 3: M erstellt mit den Parteien die Agenda - M betont noch einmal die für die beiden Parteien wichtigen Punkte - M benennt die Punkte, die den gleichen Sachverhalt betreffen und schlägt

eine neutrale Benennung der Punkte vor - M fragt ständig die Parteien, ob sie damit einverstanden sind - M bespricht mit den Parteien die Reihenfolge der Punkte in der Agenda - M holt von beiden Parteien die Zustimmung zur Agenda ein

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30 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Phase III: Konflikterhellung

Schritt 1: Mediatorin bzw. Mediator (M) bespricht mit Parteien die einzelnen Punkte der Agenda

- M fragt die beiden Parteien zu Punkt 1, 2, 3, ... - M fragt nach Interessen, Bedürfnissen, Motiven, Gefühlen und Ressourcen - M fasst zusammen

Schritt 2: M kann Einzelgespräche führen, wenn dies sinnvoll erscheint - M macht den Vorschlag, Einzelgespräche zu führen und begründet ihn - M vereinbart den Rahmen für die Einzelgespräche - M spricht mit den einzelnen Parteien

Schritt 3: M fasst die Ergebnisse zusammen - M fasst die Ergebnisse Punkt für Punkt zusammen - M holt von den Parteien die Zustimmung ein

Phase IV: Problemlösung

Schritt 1: A und B entwickeln Ideen und Vorschläge für mögliche Lösungen - Mediatorin bzw. Mediator (M) bittet A und B, sich einzeln Ideen und Vorschläge

für mögliche Lösungen zu überlegen - M bietet Schreibmaterial an

Schritt 2: M erarbeitet mit den Parteien eine Konsens- und Dissens-Liste - M klärt Reihenfolge - M bittet A, ihre/seine Ideen vorzutragen, spiegelt und fasst zusammen - M bittet B, ihre/seine Ideen vorzutragen, spiegelt und fasst zusammen - M betont die Punkte, bei denen die Parteien übereinstimmen und notiert die

Konsens-Punkte - M betont die Punkte, bei denen die Parteien noch nicht übereinstimmen und

notiert die Dissens-Punkte - M holt die Zustimmung der Parteien zu der Konsens- und Dissens-Liste ein

Schritt 3: M moderiert die Verhandlung über die Dissenspunkte - M fragt nach Lösungsalternativen und Varianten - M moderiert die Verhandlung - M fasst die Ergebnisse zusammen

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 31

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Phase V: Vereinbarung

Schritt 1: Mediatorin bzw. Mediator (M) macht einen Vorschlag für eine Vereinbarung - M formuliert einzelne Punkte der Vereinbarung - A und B diskutieren diese Vorschläge - M fasst Ergebnisse zusammen

Schritt 2: A und B überprüfen die Vereinbarung - Gegebenenfalls erhalten die Parteien Bedenkzeit oder die Möglichkeit, die

Vereinbarung in ihrem Kreis zu diskutieren - M moderiert Diskussion über Veränderungsvorschläge - M fasst Ergebnisse zusammen

Schritt 3: A und B sowie M unterschreiben die Vereinbarung - Alle unterschreiben die Vereinbarung - M vereinbart einen Termin mit A und B, um die reale Wirkung der Vereinbarung

zu reflektieren - M dankt den Parteien für ihre konstruktive Kooperation

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32 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

Ausgangspunkt: Ein Konflikt zwischen Klienten oder Kunden mit Migrationshintergrund und Mitarbeiter-innen und Mitarbeitern aus Ämtern oder Be-ratungsorganisationen soll in einem Klärungs-gespräch gelöst werden. Es handelt sich um einen Konflikt, der noch nicht so stark eskaliert ist und sich noch überwiegend auf der Sachebene bearbeiten lässt. In dem Klärungsgespräch werden die Phasen der Mediation beachtet und mediative Techni-ken eingesetzt. Es ist aber nicht als Mediation im klassischen Sinne zu bezeichnen.

Einzelgespräche zur Vorbereitung:

Zur Vorbereitung des Klärungsgesprächs werden Einzelgespräche mit den Parteien geführt. Diese Einzelgespräche werden mit den Parteien vereinbart. Dabei ist darauf zu achten, dass die Gespräche vom Rahmen und Zeitumfang (30 bis maximal 45 Minuten) ähnlich gestaltet sind und beide Parteien ähnliche Fragen gestellt bekommen. Es ist sinnvoll, sich dazu einen Frageraster (siehe unten) zu erarbeiten und dies den Parteien auch transparent zu machen.

Ein möglicher Einstieg wäre: „Ich möchte heute mit Ihnen das vereinbarte Klärungsgespräch mit B vorbereiten. Dabei interessiert mich, wie Sie die Angelegenheit sehen und wie die Aktivitäten und Äußerungen von B auf Sie gewirkt haben. Danach würde ich gerne mit Ihnen darüber sprechen, was Sie bei dem gemeinsamen Gespräch erreichen wollen und welche Fragen Sie noch zum Ablauf des Klärungsgesprächs haben. Ich habe auch mit B einen Termin vereinbart und werde mit ihm ein ähnliches Gespräch führen und ihm in etwa die gleichen Fragen stellen.“

4.4. Klärungsgespräch als spezielle Form des klassischen Settings der Mediation

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 33

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Frageraster für die Einzelgespräche

a. Mögliche Fragen zur Sache- Schildern Sie bitte die Situation aus Ihrer Sicht? - Was war dabei für Sie besonders wichtig? - Was hat Sie dabei am meisten gestört? - Wie haben Sie die andere Partei in dieser Situation erlebt? - Was für eine Lösung würden Sie sich wünschen?

b. Fragen zum Ziel (des Klärungsgesprächs)- Was wollen Sie erreichen, wenn Sie in das Klärungsgespräch mit B gehen? - Was denken Sie, was B erreichen will? - Welche Vorstellungen haben Sie dazu, was Sie beachten müssen, um Ihr Ziel zu erreichen?

c. Fragen zum Verfahren- Kennen Sie den Ablauf eines Klärungsgesprächs? - Haben Sie Fragen zu meiner Rolle als Moderatorin bzw. Moderator? - Gibt es etwas, was ich unbedingt beachten sollte? Oder etwas, was auf keinen Fall passieren dürfte?

Ablauf des Klärungsgesprächs in 10 Schritten

Phase I: Einleitung • Schritt1:Rahmen• Schritt2:Ziel• Schritt3:Verfahren

Phase II: Darstellung der Sichtweise • Schritt4:DarlegungderPositionA• Schritt5:DarlegungderPositionB• Schritt6:ErarbeitungderAgenda

Phase III: Konflikterhellung • Schritt7:Interessen• Schritt8:Besinnung

Phase IV: Problemlösung • Schritt9:Lösungen

Phase V: Vereinbarung • Schritt10:Vereinbarung

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34 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Phase I: Einleitung

Schritt 1: Rahmen Die Moderatorin bzw. der Moderator (M) sorgt dafür, dass das Gespräch in

einem angemessenen äußeren Rahmen stattfindet. M begrüßt die Parteien, legt mit ihnen den Zeitplan fest und skizziert den bisherigen Verlauf der Klärung.

Schritt 2: Ziel M fragt die Parteien, was sie in dem heutigen Gespräch erreichen wollen,

spiegelt und fasst zusammen. „Ich habe Sie beide so verstanden, dass Ziel des heutigen Gesprächs die Klärung der Frage ist, .................... Dabei haben Sie, Herr A, betont, dass es für Sie darum geht, dass .................... Und Sie, Frau B, haben deutlich gemacht, dass für Sie .................... wichtig ist.“

Manchmal ist es sinnvoll, hier die Skalierungsfrage zu stellen: „Ich würde Sie gerne fragen, wie hoch Sie die Chance einschätzen, dass in unserem heutigen Gespräch eine Klärung herbeigeführt werden kann. Wenn Sie diese Erfolgschan-cen auf einer Skala von 1 bis 10 einordnen würden – also 1 bedeutet, es kommt überhaupt nichts raus, und 10 bedeutet, das Problem ist vollkommen geklärt –, welche Zahl würden Sie nennen?“

Schritt 3: Verfahren M fragt, wer zuerst seine Position darlegen will und klärt die Reihenfolge.

„Diese Klärung der Reihenfolge ist für dieses Gespräch deshalb wichtig, weil das Verfahren im Klärungsgespräch etwas abweicht von der üblichen Diskus-sion, wie Sie sie kennen.“ „Ich werde ausführlich mit einer Person sprechen, damit Sie Ihre Position in Ruhe darlegen können. Die andere Person bitte ich, während dieser Zeit zuzuhören. Wenn Sie das Gefühl haben, etwas entgegnen oder richtig stellen zu müssen, bitte ich Sie, sich Notizen zu machen und dies anschließend, wenn Sie an der Reihe sind, zum Ausdruck zu bringen. Wenn Sie beide Ihre Positionen dargelegt haben, würde ich gerne mit Ihnen die Punkte herausarbeiten, die gründlich besprochen und geklärt werden müssen.“

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 35

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Phase II: Darstellung der Sichtweisen

Schritt 4: Darlegung der Position A Die Moderatorin bzw. der Moderator (M) spricht mit A und bittet A, seine Positi-

on darzulegen. M spiegelt, fragt nach und fasst immer wieder zusammen. Mögliche Fragen (nach dem 9-Felder-Modell): - Was genau ist im Moment so schwierig? - Wie ist das Problem aus Ihrer Sicht entstanden? - Wie wird das für Sie sein, wenn Sie nichts verändern? - Was möchten Sie gerne in diesem Augenblick verändern? - Wie sind sie damit zurechtgekommen, als das Problem noch nicht so schwierig

für Sie war? - Was haben Sie früher bei vergleichbaren Problemen getan? - Was wäre jetzt für Sie hilfreich? - Was können und was wollen Sie jetzt tun? - Was erwarten sie sich dabei von B? - Zum Schluss fasst M noch einmal die wichtigsten Positionen von A zusammen

und benennt die von A benannten, zu klärenden Themen. M notiert diese Themen entweder auf Karten oder auf der Flipchart.

Schritt 5: Darlegung der Position B M bittet nun A, zuzuhören und spricht in der selben Form mit B.

Schritt 6: Erarbeitung der Agenda M benennt noch einmal die von A und B genannten Themen und ordnet sie

gemeinsam mit A und B den zu klärenden Sachverhalten zu. Dazu schlägt M nicht-wertende Oberbegriffe vor. (Beispiel: „Sie, Frau A, haben den Punkt benannt, dass Sie sich von Herrn B gestört fühlen, weil er – wie Sie sagen – so laut telefoniert. Und Sie, Herr B, haben deutlich gemacht, dass Sie sich durch Besuche von anderen Kolleginnen bei Frau A und die – wie Sie sagen – endlosen Diskussionen gestört fühlen. So wie ich das verstehe, geht es um den Sach-verhalt, was Sie tun können, um in einer angenehmeren Atmosphäre in einem Raum zusammen arbeiten zu können. Ich möchte vorschlagen, diese Themen unter dem Agenda-Punkt ‚Verhalten am Arbeitsplatz’ zu besprechen.“)

Wenn alle Themen der beiden Parteien entsprechenden Agenda-Punkten zugeordnet sind, schreibt M die gesamte Agenda, also die Tagesordnung für die weiteren Gespräche, auf eine Flipchart.

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36 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Phase III: Konflikterhellung

Schritt 7: Interessen Die Moderatorin bzw. der Moderator (M) bespricht nun mit den Parteien die

einzelnen Punkte der Agenda und fragt nach den dahinter liegenden Interessen und Bedürfnissen. Mögliche Fragen (Bsp.: Agenda-Punkt „Verhalten am Arbeitsplatz“):

- Was wären für Sie denn optimale Bedingungen, um gut zu zweit in einem Raum arbeiten zu können?

- Was wünschen Sie sich von Ihrem Gegenüber? - Wenn Sie den Wunsch von A hören, was meinen Sie dazu? In dieser Phase geht es noch nicht darum, für jeden Punkt Lösungen zu finden.

Es kommt nur darauf an, die Hintergründe der Position der Parteien zu hören. Wenn die Diskussion an einem Punkt erschöpft ist, fasst M noch einmal die wesentlichen Aussagen zusammen und leitet zum nächsten Agenda-Punkt über.

Schritt 8: Besinnung Wenn alle Punkte der Agenda besprochen sind, fasst M den Stand der

Diskussion noch einmal mit ihren bzw. seinen eigenen Worten zusammen und bittet die Parteien, sich einige Minuten zu besinnen, die einzelnen Punkte noch einmal für sich in aller Ruhe durchzugehen und darüber nachzudenken, welche Lösungsvorschläge sie einbringen könnten. Diese Ideen sollte sich jede Person notieren.

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 37

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Phase IV: Problemlösung

Schritt 9: Lösungen Die Moderatorin bzw. der Moderator (M) fragt nun, wer zuerst seine Ideen zur

Lösung vortragen will, und klärt die Reihenfolge. M bittet nun die erste Partei, ihre Vorschläge vorzutragen. M spiegelt, fragt nach und fasst die Vorschläge noch einmal mit seinen bzw. ihren Worten zusammen. Zum Schluss notiert M die Lösungsvorschläge der ersten Partei auf der Flipchart. Danach bittet M die zweite Partei, ihre Ideen vorzutragen und verfährt ebenso. Jetzt erstellt M mit den Parteien eine sog. Konsens-Dissens-Liste. M betont die Übereinstimmungen in den beiden Vorschlagslisten und notiert diese unter der Überschrift „Konsens“. Dann arbeitet M mit den Parteien die Punkte heraus, die noch unterschiedlich sind und notiert sie unter der Überschrift: „Dissens“. Diese Punkte verhandelt M nun mit den Parteien und führt – wenn möglich – eine Einigung herbei.

Phase V: Vereinbarung

Schritt 10: Vereinbarung Die Moderatorin bzw. der Moderator (M) fasst nun noch einmal die vereinbarten

Punkte zusammen und macht einen Vorschlag für die schriftliche Vereinbarung. Mit den Parteien bespricht M Satz für Satz der Vereinbarung.

Die Parteien und M unterschreiben nun die Vereinbarung.

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38 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Ausgangspunkt: Ein wesentliches Element im klassischen Setting der Mediation liegt darin, dass beide Konfliktparteien anwesend sind, von der Mediatorin bzw. dem Mediator durch den Prozess geführt werden und die andere Seite direkt erleben. Aber es gibt auch Situationen, in denen die Konfliktparteien zwar eine Rege-lung des Konflikts erreichen wollen, aber nicht mit der anderen Seite zusammentreffen können oder wollen. In solchen Fällen ist das Instrument der Shuttle-Mediation einsetzbar.

Grundgedanken:

• „toshuttle“heißtaufDeutsch„hin-undherbringen“, „shuttle-service“ bedeutet „Pendelverkehr“.

D. h. in der Shuttle-Mediation pendelt die Mediatorin bzw. der Mediator zwischen den Parteien hin und her und versucht so, eine Regelung des Konflikts zu erreichen.

• Normalerweisewirdimklassischen Setting mit allen Konfliktparteien gemein-samgearbeitet,umdieDynamikder Gruppe auch für die Bearbeitung von Einzelkonflikten zu nutzen. Gerade bei interkulturellen Konflikten sind wir aber häufig damit konfrontiert, dass eine der beteiligten Parteien zwar eine Regelung wünscht, aber nicht direkt mit dem Kontrahenten sprechen will. In derartigen Konstellationen ist es auch manchmal für die Mediatorinnen bzw. Mediatoren sinnvoll, eine Shuttle-Mediation vorzuschlagen.

• AberauchbeiKonfliktenzwischenMigran-tinnen bzw. Migranten und Einheimischen bzw. Amtspersonen sind ähnliche Schwierig-keiten denkbar, welche die Shuttle- Mediation sinnvoll erscheinen lassen.

• EntscheidendistdieBereitschaftderKon-trahenten, an einer Regelung des Konflikts unter der Vermittlung von Mediatorinnen bzw. Mediatoren mitzuarbeiten. Die ge-meinsame Kommunikation wird über die Mediatorinnen bzw. Mediatoren und die von ihnen schriftlich festgehaltenen Ergeb-nisse hergestellt.

• ImFolgendenwirdderAblaufderShuttle-Mediation dargestellt. In der Bearbeitung zeigt sich häufig, dass einzelne Parteien zu Beginn eines Mediationsprozesses eine Shuttle-Mediation wünschen, dann aber – wenn sie Vertrauen zu den Mediatorin-nen bzw. Mediatoren und dem Verfahren gewonnen haben – bereit sind, in der 3. oder 5. Phase auch mit der anderen Partei direkt zu sprechen. Damit geht die Shuttle-Mediation wieder in das klassische Setting über.

4.5. Shuttle-Mediation

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 39

Phase I: Vorgespräche mit den Parteien A und B • DieMediatorinnenbzw.Medieatoren(M)stellenFragenzumSachverhaltundzudenjeweiligen

Sichtweisen, den bisherigen Bemühungen und den aus der Sicht der Partei zu klärenden Punkten • MstellenFragenzumZielundzudenRahmenbedingungenderKonfliktbearbeitung;klären,obdie

Parteien die gesetzlichen, strukturellen oder vertraglichen Rahmenbedingungen kennen. • Mklären,wasderanderenParteimitgeteiltwerdensollundvorallem,welcheKlärungspunkteauf

die gemeinsame Agenda genommen werden.

Phase II: Erstellung der Agenda • MerstellennachdenbeidenVorgesprächendieAgendaderzuklärendenPunkteundbeschreiben

zu jedem Punkt die unterschiedlichen Positionen – soweit sie das Mandat der Parteien haben. • DieParteienerhaltendieAgendazurVorbereitungaufdie„intensivenGespräche“.

Phase III: Intensive Gespräche mit den Parteien • MbesprechenmitdenParteienwiederinEinzelgesprächendiePunktederAgenda.• SiefragennachInteressen,HintergründenundBedürfnissen.• Mbringeninnicht-wertenderSprachediePositionderanderenSeiteindasGesprächein.

Wenn M im Tandem arbeiten, übernimmt es ein M, die Argumente der anderen Seite einzubringen, der andere M bleibt in der moderierenden Rolle.

• MbesprechenmitdenParteienIdeenzurRegelungdereinzelnenFragen.• MbesprechenzumSchlussmitjederParteigenau,welchIdeenindasVariantenpapier

aufgenommen werden.

Phase IV: Erarbeitung des Variantenpapiers • MstellennundieverschiedenenIdeenzurLösungineinemVariantenpapierzusammen.• Manchmalistessinnvoll,dassMweitereVariantenanbieten,diesichausderKenntnisder

gesetzlichen oder strukturellen Rahmenbedingungen ergeben. • DieParteienerhaltendasVariantenpapier.

Phase V: Gespräche zur Konfliktregelung • MbearbeitenmitdenParteiendieunterschiedlichenLösungsmöglichkeitenanhanddes

Variantenpapiers. • MbringendabeiwiederaktivdieArgumentederanderenSeiteein.• ZumSchlusswirdgenaubesprochen,welcheLösungenineineVereinbarungeinfließenkönnen.

Phase VI: Erarbeitung des Entwurfs einer Vereinbarung • MerarbeitendenEntwurfeinerVereinbarung.• BeideParteienerhaltendenEntwurf.

Phase VII: Vereinbarung • MbesprechendenEntwurfderVereinbarungmitdenParteien.• ParteienundMunterzeichnendieVereinbarung.

Ablauf der Shuttle-Mediation

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

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40 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

4.6. Teamkonfliktmoderation

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Ausgangspunkt: Teamkonfliktmoderation ist sinnvoll, wenn • einKonfliktinGruppenbesteht,• dasZusammenlebenineinerEinrichtung

schwierig ist, • dieProblemlagenunübersichtlichsind.

Grundgedanken:

• InderTeamkonfliktmoderationwirdmitder gesamten Gruppe gearbeitet, um die DynamikderGruppeauchfürdieBearbei-tung von Einzelkonflikten zu nutzen.

• DieGrundregellautet:Sovielwiemöglichgemeinsam bearbeiten, soviel wie nötig im geschützten Raum (Einzelgespräche, Gespräche in kleinen Gruppen).

• InderTeamkonfliktmoderationsinddiedrei Ebenen: Person – Gruppe – Leitung zu beachten.

Ziele:

• DieKooperationimTeamklären• BessereErgebnisseerreichen

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 41

Schritt 1: Die Moderatorin bzw. der Moderator (M) klärt mit den Mitgliedern der Gruppe Rahmen und Zeitpunkt der gemeinsamen Problemklärung

Schritt 2: Zu Beginn der gemeinsamen Sitzung erläutert M das Verfahren und die Regeln.

Darlegung der Sichtweisen der einzelnen Personen Danach spricht M mit den einzelnen Parteien über ihre Positionen. M spricht einzeln mit jeder Partei. Die anderen Teilnehmenden hören zu und notieren auf dem Arbeitsblatt ihre Bemerkungen zu den Positionen der anderen Parteien: - Was war neu für mich? (grüne Karten) - Womit bin ich nicht einverstanden? (rote Karten) - Worüber können wir verhandeln? (blaue Karten) Wenn alle Parteien ihre Sichtweise dargelegt haben, sollen die Teilnehmenden die Bemerkungen, die ihnen wichtig sind, auf grüne, rote und blaue Karten schreiben.

Rückmelderunde Danach werden die Karten präsentiert. Die Teilnehmenden tragen ihre Karten jeweils nach Themen vor. Bei den roten Karten geht es vorab nicht um inhaltliche Reaktionen, sondern um Erarbeitung der Agenda, das heißt der Ordnung und Festschreibung der Themenbereiche, die im weiteren Verlauf des Moderationsverfahrens intensiver bearbeitet werden.

M erarbeitet und präsentiert Vorschlag zur Agenda Nach der Rückmelderunde ist es sinnvoll, eine Pause einzulegen, die M Gelegenheit gibt, einen Vorschlag zur Gestaltung der Agenda zu erarbeiten. Dieser Vorschlag wird der Gruppe präsentiert und diskutiert. M holt von allen Parteien die Zustimmung zur Agenda ein.

Schritt 3: M legt der Führungskraft und dem Team Vorschläge vor, wie die genannten Problempunkte bearbeitet werden können. Die Vorschläge werden diskutiert und es wird eine Entscheidung über das Vorgehen zu jedem einzelnen Punkt getroffen.

Schritt 4: M koordiniert die einzelnen Aktivitäten zur Klärung der Problemfragen und sichtet die Ergebnisse.

Schritt 5: M bespricht mit dem Team die Ergebnisse der Bearbeitung und erarbeitet die Vereinbarung. Außerdem vereinbart M ein Follow-up-Treffen, um die Umsetzung der Vereinbarung zu überprüfen.

Ablauf der Teamkonfliktmoderation

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

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42 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

Mediatorenteam

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

4.7. Gruppen-Mediation

Ausgangspunkt: Der zu bearbeitende Konflikt besteht zwischen Gruppen, die einigermaßen klar zu definieren sind und sich selbst als mehr oder weniger verbundene Gruppe verstehen.

Grundgedanken:

In dem Setting der Gruppen-Mediation haben wir es mit zwei gleichzeitig laufenden Pro-zessen zu tun: Dem Prozess in den Gruppen und dem Prozess zwischen den Gruppen. In beiden Prozessen ist eine Moderation durch Dritte sinnvoll, um ein positives Gesamt-ergebnis zu erreichen. Daher wird mit unter-schiedlichen Mediatoren-Positionen gearbei-

tet. Einmal mit der Position der Mediatorin bzw. des Mediators mit der Verantwortung für den Gesamtprozess und andererseits mit der Position der Gruppen-Mediatoren, welche die Prozesse in den Gruppen mode-rieren und die Mediatorin bzw. den Mediator im Gesamtprozess unterstützen. Dabei ist die Rolle der Gruppen-Mediatorinnen bzw. Mediatoren besonders anspruchsvoll. Denn sie bewegen sich ständig in zwei Rollen: auf der einen Seite sind sie nah bei ihrer Gruppe, ja sogar teilweise Repräsentanten der Gruppe, auf der anderen Seite sind sie Bestandteil der neutralen dritten Partei, also des Mediatoren-Teams. Gruppen-Mediatoren können auch interne Mediatoren sein, während der Gesamt-prozess von einer externen Mediatorin bzw. einem externen Mediator geleitet wird.

Konfliktparteien

Gruppe A Gruppe B

Ma Mb

M

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 43

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Station 1: Rollenklärung im Mediatoren-Team

Die Mediatorin bzw. der Mediator und die Gruppen-Mediatoren treffen sich, um - die unterschiedlichen Rollen zu klären, - sich über den Rahmen und das Verfahren zu verständigen, - die einzelnen Schritte zu planen.

Station 2: Vorbereitungssitzung in den einzelnen Gruppen

Die Gruppen-Mediatoren klären in ihren Gruppen alle Fragen zur Vorbereitung der Mediation, insbesondere Rahmen, Ziele, Verfahren, Regeln und die Rolle und Arbeitsaufteilung des Mediatoren-Teams. Sie bereiten sich auf die erste gemeinsame Sitzung vor und planen die Darlegung ihrer Position.

Ablauf der Gruppen-Mediation: Ein Prozess in 12 Stationen

Station 1: Rollenklärung im Mediatoren-Team Station 2: Vorbereitungssitzung in den einzelnen Gruppen Station 3: erste gemeinsame Sitzung Station 4: Besprechung in den Gruppen Station 5: Sitzung des Mediatoren-Teams Station 6: zweite gemeinsame Sitzung Station 7: Treffen des Mediatoren-Teams Station 8: Besprechung in den Gruppen Station 9: dritte gemeinsame Sitzung Station 10: Erarbeitung der Vereinbarung durch das Mediatoren-Team Station 11: Einigung in den Gruppen Station 12: Gemeinsame Sitzung zum Abschluss

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44 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Station 3: erste gemeinsame Sitzung

Schritt A: Die Mediatorin bzw. der Mediator (M) erläutert das Verfahren und klärt die Regeln und die Rahmenbedingungen für die Veranstaltung. Danach spricht M mit jeder Gruppe einzeln, moderiert die Präsentation der jeweiligen Positionen, fragt nach, spiegelt und fasst die Ergebnisse zusammen. Die anderen Gruppen hören zu und machen sich Notizen auf dem Arbeitsblatt zu den drei Fragen: - Was war neu? - Wozu muss ich unbedingt etwas sagen? - Worüber könnte man verhandeln?

Schritt B: Nach der Darlegung der Positionen aller Gruppen wird die gemeinsame Sitzung unterbrochen und die Gruppen setzen sich mit den Gruppen-Mediatoren zusammen. Sie arbeiten die Notizen zu den Darlegungen der anderen Gruppen durch und überlegen sich, in welcher Form sie dazu Stellung beziehen wollen. Die erarbeiteten Statements schreiben sie auf Karten: - Grün: Was war neu? - Rot: Wozu muss ich unbedingt etwas sagen? - Gelb: Worüber könnte man verhandeln? Jede Gruppe soll sich auf max. 5 Karten zu jeder Frage einigen. Die Gruppe klärt auch, welche Erläuterungen im Plenum zu jeder Karte abgegeben werden.

Schritt C: Die Gruppen treffen sich wieder im Plenum. M moderiert die Präsentation der Karten – die sog. Rückmelderunde. Und zwar werden erst von allen Gruppen die grünen, dann die roten und die gelben Karten aufgehängt und erläutert.

Schritt D: Im Fish-Bowl-Setting (Mediatorinnen bzw. Mediatoren sitzen im Innenkreis und diskutieren, alle anderen hören zu) erarbeitet das Mediatoren-Team einen Vorschlag für die Agenda.

Schritt E: M diskutiert nun diesen Vorschlag mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. M führt eine Einigung über die Punkte der Agenda und evtl. notwendige Verfahrensschritte herbei. Zum Schluss fasst M die Ergebnisse der Sitzung zusammen.

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 45

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Station 4: Besprechung in den Gruppen

Die Gruppen-Mediatoren besprechen in den Gruppen die Ergebnisse der ersten gemein-samen Sitzung und bereiten sich auf die zweite gemeinsame Sitzung – das Gespräch mit den Expertinnen bzw. Experten – vor.

Station 5: Sitzung des Mediatoren-Teams

Das Mediatoren-Team wertet gemeinsam die Ergebnisse der ersten gemeinsamen Sitzung und der Besprechung in den Gruppen aus und trifft die Entscheidungen über das weitere Vorgehen. Häufig ist jetzt die Einschaltung von Expertinnen bzw. Experten oder Verantwort-lichen sinnvoll, um den übergeordneten Rahmen für mögliche Problemlösungen deutlicher zu betonen.

Station 6: zweite gemeinsame Sitzung

Ziel in dieser Phase der Mediation ist es, den Konflikt zwischen den Gruppen in einen übergeordneten Rahmen zu stellen, um mögliche gemeinsame Ziele oder von allen Seiten akzeptierte Werte zu finden. Je mehr übergeordnete Gemeinsamkeiten gefunden werden, um so eher sind auch Lösungsmöglichkeiten für die konkreten Konflikte zu entdecken.

Schritt A: Die Mediatorin bzw. der Mediator (M) stellt die Expertinnen bzw. Experten vor und bittet die Gruppen, ihre (vorbereiteten) Fragen zu stellen. M moderiert die Expertendiskussion und die anschließende Fragerunde. Zum Schluss fasst M die Ergebnisse zusammen.

Schritt B: Wenn die Positionen der einzelnen Gruppen nach wie vor sehr verhärtet sind, ist es sinnvoll, in der Veranstaltung eine Pause einzulegen, damit die Gruppen die Antworten der Expertinnen bzw. Experten auswerten und neue Fragen oder Forderungen formulieren können.

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46 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Station 7: Treffen des Mediatoren-Teams

Nach der zweiten gemeinsamen Sitzung reflektiert das Mediatoren-Team den Stand des Prozesses und plant die weiteren Schritte. Jetzt ist die Zeit, um noch bestehende Konflikte zwischen einzelnen Personen in Einzel-mediationen zu klären. Oder auch, um weitere Gutachten, Expertisen oder Entscheidungen einzuholen, um den Prozess voran zu bringen.

Station 8: Besprechung in den Gruppen

Zu Beginn dieser Phase arbeiten die Gruppen-Mediatorinnen bzw. -Mediatoren mit ihren Gruppen an Lösungsvarianten. Die Gruppen einigen sich, welche Varianten von allen akzeptiert werden können und verabreden die Form, in der diese Varianten präsentiert werden.

Station 9: dritte gemeinsame Sitzung

Schritt A: Die Mediatorin bzw. der Mediator moderiert die Präsentation der Lösungsvarianten der einzelnen Gruppen. Falls die Gruppen ihre Beiträge nur vortragen, visualisiert das Mediatoren-Team die verschiedenen Lösungsvorschläge.

Schritt B: Das Mediatoren-Team erstellt nun in der Fish-Bowl-Technik eine Konsens-Dissens-Liste. D.h., die Mediatorinnen bzw. Mediatoren arbeiten die Punkte heraus, in denen die Parteien übereinstimmen und in denen sie nach wie vor unterschiedlicher Meinung sind. Das Ergebnis wird anschließend mit den Teilnehmern diskutiert.

Schritt C: Für die wesentlichen Dissens-Punkte werden nun gemischte Arbeitsgruppen (also am Thema interessierte Mitglieder aus den verschiedenen Konfliktgruppen) gebildet, die nach Lösungen suchen.

Schritt D: Die Mediatorin bzw. der Mediator moderiert die Präsentation der Ergebnisse aus den Arbeits-gruppen und fasst die Ergebnisse der Diskussion zusammen.

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 47

4. Instrumente der Konfliktbearbeitung

Station 10: Erarbeitung der Vereinbarung durch das Mediatoren-Team

Das Mediatoren-Team erarbeitet aus den gefundenen Lösungen einen Textvorschlag für eine Vereinbarung.

Station 11: Einigung in den Gruppen

Die Gruppen-Mediatorinnen bzw. -Mediatoren arbeiten mit ihren Gruppen an dem Entwurf der Vereinbarung und einigen sich auf Formulierungen oder Veränderungsvorschläge.

Station 12: Gemeinsame Sitzung zum Abschluss

Schritt A: Die Mediatorin bzw. der Mediator (M) stellt Satz für Satz den Entwurf der Vereinbarung vor und verhandelt über Veränderungswünsche. Zum Schluss liest M den Text der fertigen Vereinbarung noch einmal im Gesamten vor.

Schritt B: Die Konfliktbeteiligten und die Mediatorinnen bzw. Mediatoren unterschreiben die erarbeitete Vereinbarung.

Schritt C: Die Mediator/innen und Parteien verabreden nun nächste Schritte für die Umsetzung der Vereinbarung oder setzen einen Termin für ein Follow-up-Treffen fest. Zusammen reflektieren sie über den gesamten Prozess und beenden die gemeinsame Arbeit.

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48 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

KIK-Instrument: Shuttle-Mediation

Feld: Stadtteil

Konfliktparteien, beratene, gecoachte oder moderierte Personen und Einrichtungen: • LeitungundVorständedesBewohner-

Gartens eines Stadtteilvereins, Mitglieder/Gartennutzer/innen (multinational)

• FrauM.(deutsch),NachbarinmitPacht-grundstück neben Stadtteilverein

• FamilieZ(deutsch),bewirtschaftPacht-garten von Frau M.

• Bezirksausschuss• Liegenschaftsverwaltung

Konfliktdarstellung: In einem Stadtteil gibt es seit 1988 einen Verein, der das Ziel verfolgt, kreative Eigen-initiativen der Bewohnerinnen und Bewohner zur Verbesserung der Lebenssituation zu unterstützen, um so umweltbewusstes, ver- antwortungsvolles Handeln zu fördern. Die Gärten als Orte für gemeinschaftlich Aktive ermöglichen ungezwungene Integration und Kommunikation zwischen Menschen ver-schiedener Altersstufen und unterschied-licher sozialer und nationaler Herkunft. Die Mitglieder der Bewohnergärten haben überwiegend türkischen Migrationshinter-grund. Es gibt über 40 kleine Parzellen. Genau neben diesem Grundstück hat Frau M. eine große Gartenfläche gepachtet. Frau M. ist noch passives Mitglied im Stadtteilverein; sie hat sich jedoch vor einigen Jahren mit den Mitgliedern des Vereins zerstritten und redet seitdem nicht mehr mit ihnen. Grund dafür war, dass eine Bekannte (Frau Z.) aus dem Verein ausgeschlossen wurde (wegen vielerlei Beschuldigungen und unlösbaren Konflikten zwischen dem Vereinsvorstand und der Familie Z.). Frau M. fand dies damals vom

Verein ungerecht und wollte Frau Z. unter-stützen. Da sie selbst für ihren großen Pacht-garten keine Zeit zur Bewirtschaftung hatte, fragte sie, ob Familie Z. (ein Ehepaar, beide frühpensioniert) Interesse an dieser Aufgabe hätten.

Seitdem fingen die Probleme an: Familie Z. übernahm die Pächterrolle, rief mehrmals die Polizei wegen Ruhestörung an, beschuldigte Bewohnerinnen bzw. Bewohner, sie würden unsachgemäß grillen und die Kleingartenord-nung nicht einhalten. Ausländerfeindliche Bedrohungen, gegenseitige Beschimpfungen und Anzeigen waren in diesem Konflikt zwischen Familie Z. (deutsch) und den Bewohnerinnen und Bewohnern (türkisch) an der Tagesordnung. Diese Situation wurde sogar den Medien bekannt.

Über einen Zeitraum von ca. drei Jahren ver- suchten Mitglieder des Bezirksausschusses, der Vereinsvorstand, die Liegenschaftsver-waltung als Vermieter sowie die Leitung der Gärten mehrmals zu vermitteln – immer erfolglos. Das Projekt war mittlerweile gefährdet aufgrund der Streitigkeiten, der Anhäufung von Anzeigen sowie der mangeln-den Kommunikation untereinander.

Fall 1: Konflikt: interkulturelle Gärten/Stadtteilverein – Pachtgarten/Frau M.

5. Dokumentationen exemplarischer Fälle

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 49

5. Dokumentationen exemplarischer Fälle

Verlauf: Mit allen Parteien – den Mitgliedern des Bezirksausschusses und der Bewohnergärten, dem Vereinsvorstand, der Liegenschaftsver-waltung, Familie Z. und Frau M. – wurde getrennt voneinander gearbeitet. Ziel von KIK wares,eineSpinnwebanalyse(Stakeholder-Modell) zu erstellen.

Es wurde dann in folgenden Schritten vorgegangen: • 1. Schritt: Da am Anfang alle Parteien kaum mitein-

ander sprachen und alle unmotiviert wirkten, erarbeiten die KIK-Kolleginnen mit den Parteien getrennt voneinander die Agenda. Welche Gemeinsamkeiten, Themen, Missverständnisse, Fakten, Hürden, Wünsche, Lösungen etc. sind für die Parteien relevant? Die Parteien be-kamen die Ergebnisse der anderen jeweils anderen zu sehen.

• 2. Schritt: Zu einem runden Tisch mit Moderation

wurden Mitglieder des Bezirksausschusses, Frau M., Vorstand und Leitung des Vereins sowie Familie Z. eingeladen. Es wurden alle Ergebnisse und wichtigen Aussagen der Parteien auf großen Blättern visuali-siert dargestellt.

Themen auf der Agenda waren: • Gartenordnung(u.a.Bepflanzungen,Grillen,

„Festbauten“ ) • Bepflanzungen/Trennungslinienzwischen

Bewohnergärten und Frau M.’s Pacht-grundstück.

• Kommunikationmiteinander• Schlichtungsstellefürevtl.auftretende

Konflikte in der Zukunft.

Ergebnisse für die Konfliktparteien Nutzen für die jeweilige Einrichtung: Es wurden folgende Vereinbarungen geschlossen: • GrenzenundBepflanzungenamZaun

zwischen Verein und Frau M. werden mit Unterstützung der Liegenschaftsverwal-tung vor Ort verbindlich definiert und schriftlich festgehalten. Einen Termin werden die Beteiligten selbst festlegen.

• DerStadtteilvereinwirdbeidernächstenGartenversammlung mit den Mitgliedern der interkulturellen Gärten das Thema Grillen thematisieren und nach Lösungen im Verhalten suchen (evtl. neue Grillstand-orte).

• GästesollensichandieVereinbarungender interkulturellen Gärten halten. Herr Z. kann keine „Pächterrechte“ wahrnehmen bzw. nur im konkreten Auftrag von Frau M. die Polizei verständigen.

• ThemaSchuppen:HerrB.vomBezirksaus-schuss nimmt Kontakt zu der Lokalbau-kommission auf und ersucht um Information bei Beschwerden und Anzeigen.

• JedenDienstagisteineGartensprechstunde.Ansprechpartner ist Herr B.

• AngeregtwurdeeineInformationsveran-staltung „Interkulturelle Kommunikation“– angepasst für die Nutzerinnen und Nutzer der Gärten. Herr B. ist interessiert und wird auf KIK zugehen.

• EinweiteresTreffenindieserRundewirdvon allen Beteiligten angestrebt. Die Teil-nahme von Familie Z. wäre wünschenswert.

Die Mediation wurde bei einem Sommerfest des Stadtteilvereins beendet. Die Parteien haben eine Lösung für sich gefunden. Frau M. hat das „Mietverhältnis“ mit Herrn Z. beendet. Herr Z. hat ein anderes Pachtgrund-stück von der Stadt erhalten. Die Kommunika-tion zwischen Frau M. und dem Stadtteilver-ein ist wieder rege. Der Stadtteilverein arbeitet enger mit dem Bezirksausschuss zusammen.

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50 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

KIK-Instrumente: • Konfliktberatung• DasklassischeSettingderMediation

Feld: Haus, Interkulturelle Verständigung im Verhältnis Mieter und Vermieter

Konfliktparteien, beratene, gecoachte oder moderierte Personen und Einrichtungen: • FlüchtlingsfamilieS.ausdemIrak:Die

turkmenische Familie aus dem Nordirak lebt seit einigen Jahren in München. Die Familie hat zwei Kinder. Herr S. spricht ein wenig Deutsch sowie Arabisch und Türkisch. Der Familie ging es im Irak materiell gut. Aufgrund der sozialen, finanziellen und der Wohnverhältnisse fühlt sich die Familie in Deutschland nicht wohl. Sobald es die politische Situation erlaubt, will die Familie zurück in den Irak. Die Familie hat eine Duldung und die Miete wird zum Teil vom Sozialamt bezahlt.

• HerrW.,Fa.W.Immobilien–Nachlass-verwaltungsfirma:

Herr W. ist Nachlassverwalter des An-wesens, in dem sich auch die Wohnung von Familie S. befindet. Herr W. hat sich bei diesem Konflikt an das Büro des Sozialreferenten gewandt (das Auftrag-geber des Falles ist). Er möchte, dass jemand der Familie erklärt, wie sie sich in der gemieteten Wohnung zu verhalten hat.

Konfliktdarstellung: Die Wohnung der Familie S. im Norden von München ist sehr feucht. Die Wohnung ist deswegen stark verschimmelt. Familie S. ist der Meinung, dass der Schim-mel in der Wohnung durch Mängel am Bau entstanden ist. Das Mediatorenteam konnte sich selbst davon überzeugen, dass die Wohnung sehr feucht ist. Ansonsten ist die Wohnung sehr ordentlich und sauber. Im Übergabeprotokoll, das als Anlage zum Miet- vertrag dient, werden feuchte Stellen in der

Wohnung eingeräumt. Es konnte festgestellt werden, dass sich auch in der Wohnung über der Familie S. Schimmel breit gemacht hat und in den gewerblichen Räumen im oberen Stockwerk vor kurzem längere Sanierungsar-beiten wegen Feuchtigkeit durchgeführt worden waren. Herr W. ist dagegen der Meinung, dass die nicht sachgerechten Lüftungsgewohnheiten der Familie, die Ursache für den Schimmel in der Wohnung sind. Es wurde bereits viel Geld in die Renovierung der Wohnungen investiert. Wenn sich nichts ändert, will er der Familie eventuell kündigen.

Verlauf: • ErsterBesuchbeiFamilieS.inihrer

Wohnung: Wohnungsbesichtigung und Gespräch

• GesprächmitHerrnW.imEineWeltHaus• VereinbarungeinesTerminsderKonflikt-

parteien in der Wohnung der Familie • OrtsterminundVermittlungsgesprächmit

Herrn W. bei Familie S. • BerichtandasSozialreferat

Ergebnisse für die Konfliktparteien:

Es wurde folgende Vereinbarung geschlossen: • FamilieS.solleinenWäschetrockner

kaufen bzw. bei der Stadt beantragen. Herr W. ist der Meinung, dass die Feuchtigkeit in der Wohnung u.a. auch daher kommt, dass die Familie Wäsche in der Wohnung aufhängt. Familie S. verpflichtet sich, regelmäßig nach den Vorschlägen von Herr W. zu lüften.

• Weiterhinwirdvereinbart,dassHerrW.eine ihm bekannte Baufirma beauftragen wird, einen Kostenvoranschlag für die Beseitigung des Schimmels zu erstellen. Danach soll die Kostenübernahme geklärt werden.

Fall 2: Konflikt zwischen Mieter und Vermieter

5. Dokumentationen exemplarischer Fälle

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 51

5. Dokumentationen exemplarischer Fälle

Nutzen für die jeweilige Einrichtung: Mittlerweile wurde der Schimmel von Herrn S. selbst beseitigt. Es wurde eine Deeskalation der Lage durch KIK erreicht. Durch den Einsatz von KIK wurde die Flüchtlingsfamilie geschützt; eine Kündigung droht derzeit nicht. Der Stadt sind durch den KIK-Einsatz Kosten erspart geblieben: Personaleinsatz, neue Anschaffungen und evtl. Umzug sowie eine neue Unterbringung der Familie.

KIK-Instrument: Konfliktberatung

Feld: Nachbarschaft, Stadtteil

Konfliktparteien, beratene, gecoachte oder moderierte Personen und Einrichtungen: • deutscheFamiliemit10-jährigemJungen• italienischeFamiliemit12-jährigemSohn• türkischeFamiliemit2Söhnen(6und11

Jahre alt)

Konfliktdarstellung: Eine deutsche Familie, die in einer Eigentums-wohnung (München Modell) wohnt, wird von den Nachbarn im Haus seit Jahren schikaniert. Der 10-jährige Sohn D. wird von den Nach-barskindern (türkische und italienische Jungen) bedroht und misshandelt und leidet bereits an Angstzuständen. Die Familie hat sich deshalb an die städtische Erziehungsbe-ratungsstelle gewandt. Die Kollegin der städtischen Erziehungsberatung hat KIK eingeschaltet.

Verlauf: • ZweiBeratungsgesprächemitmediativen

Techniken wurden geführt, da die deutsche Familie keine Mediation wünscht.

• EskamensozialtherapeutischeRollen-spiele zum Einsatz

• EsgabKooperationsgesprächemitderErziehungsberatungsstelle (Schweige-pflichtsentbindung)

Ergebnisse für die Konfliktparteien /Nutzen für die jeweilige Einrichtung: • StärkungvonD.undseinenEltern.

Erweiterung der Handlungskompetenz der Familie bezüglich des Umgangs mit den Konflikt und ihres Beitrags zu einer Lösung.

• D.hatkeineAngstmehr,gehtjetztindieRealschule und hat dort neue Freunde gefunden. Im Umgang mit den Nachbars-kindern ist er selbstsicherer geworden.

• DieKolleginderstädtischenErziehungsbe-ratungsstelle informierte KIK darüber, dass die Familie sehr zufrieden mit der Beratung von KIK gewesen sei.

Fall 3: Nachbarschaftskonflikt in einem Stadtteil

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52 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

KIK-Instrumente: • Gruppen-Mediation• KonfliktberatungfürdieKlassenlehrerin

Feld: Schule

Konfliktparteien, beratene, gecoachte oder moderierte Personen und Einrichtungen: Eine Übergangsklasse (Klasse zum Deutsch-lernen für neu zugewanderte Jugendliche) und ihre Klassenlehrerin. Die Klasse besteht aus 13 Schülerinnen und Schülern, die aus verschiedenen Ländern stammen (nur 4 türkische Schülerinnen bzw. Schüler kommen aus demselben Herkunfts-land).

Konfliktdarstellung: Es gab Probleme zwischen den Schülerinnen und Schülerinnen sowie zwischen Klasse und Klassenlehrerin. Untereinander wurden Sprüche ausgetauscht, die aus Sicht der Klassenleitung rassistisch waren. Die Klassen- atmosphäre war konfliktreich; die Lehrerin hatte die Situation nicht immer unter Kontrolle.

Vorgehen: • IneinemGesprächmitderSchulewurden

drei Vormittage für eine Klassenmediation festgelegt:

• 1. Vormittag: Die Mediation fand in den sehr schönen

Räumen der Schulsozialarbeit – nicht in der Schule – statt. In Absprache mit der Lehrerin einigte man sich darauf, dass die Lehrkraft zwar im Gebäude war, aber nicht bei der Mediation anwesend war. Die Mediation begann mit spielerischen Übungen zum gegenseitigen Kennenlernen; im Rahmen dessen wurde auch KIK vor- gestellt. Dabei war es ganz wichtig, den Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, dass eine funktionierende Klassengemein-schaft ihr Lernvermögen erheblich unter-

stützen kann und dass sie so wesentlich bessere Zukunftsaussichten hätten. So wurde an diesem Tag eine Positiv- Negativ-Liste aus der Sicht der Schülerin-nen und Schüler zusammengestellt, auf Plakaten festgehalten und ansatzweise diskutiert.

• 2. Vormittag: Zu Beginn wurde in Gruppen an der

Darstellung der Herkunftsländer gearbeitet. Dazu bekamen die Schülerinnen und Schüler Buch- und Kartenmaterial. Sie arbeiteten mit großer Begeisterung und es machte ihnen sichtlich Spaß, ihre Heimat den anderen vorzustellen. Es entwickelten sich hochpolitische Diskussionen, die zeigten, wie wichtig es ist, für solche Gespräche Zeit und Ansprechpartner zur Verfügung zu stellen. Im weiteren Verlauf wurde das Spannungsfeld Spaß – Leistung diskutiert. Dabei kam es zu sehr heftigen Diskussionen, die jedoch viele Punkte aufdeckten, die anscheinend bisher nur unterschwellig „gelaufen“ waren. Die Aufgabe der Mediatorin und des Mediators war es, vor allem darauf zu achten, dass keine unnötigen Verletzungen stattfanden, andererseits Dinge offen angesprochen werden konnten.

• Resümee: Kennenlernen der Interessen – mit

Disziplin – führt zu Respekt der Bedürfnisse der Anderen

Am Schluss wurde ein Plakat mit den wichtigsten Regeln für die Klassengemein-schaft erarbeitet.

• AußerdemwurdemitBeteiligungdesSchulreferats (Schul- und Bildungsbera-tung International) und der Initiativgruppe (eines freien Trägers der interkulturellen Arbeit, besonders im Jugend- und Bildungs-bereich) ein Anschlussseminar zur Berufs-findung und Möglichkeiten der schulischen Laufbahn organisiert.

Fall 4: Klassenmediation an einer Münchner Hauptschule

5. Dokumentationen exemplarischer Fälle

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 53

5. Dokumentationen exemplarischer Fälle

Ergebnisse für die Konfliktparteien: Beim Nachgespräch wurde sowohl von der Lehrerin als auch von den Schülerinnen und Schülern, die das Klassenklima am heftigsten kritisiert hatten, geäußert, dass das Klassen-klima sich erheblich gebessert hat. Im Laufe des Projektes wurde jedem klar, dass hinter der ständig „spaßsuchenden“ Haltung der Einzelnen ein Versuch steckt, eigene Probleme zu verbergen. Am Ende des Projektes konnten die Einzelnen ihr Verhalten und ihre Rolle in der Klassengemeinschaft besser reflektieren. Für die Lehrerin war, so die eigene Aussage, auch vieles über die einzelnen Schülerinnen und Schüler überraschend und neu. Manches Verhalten der Schülerinnen und Schüler könne sie jetzt besser verstehen.

Nutzen für die jeweilige Einrichtung: Die Erleichterung bei der Lehrerin und der Schulleitung war so groß, dass KIK seitens der Schule angefragt wurde, ob das Projekt im nächsten Jahr mit einer neuen Klasse wiederholt werden könnte. Die Schule war diesmal bereit, auch dafür zu bezahlen.

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54 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

6. Anlagen: Anlage 1 – Falldokumentation

Falldokumentation

• Konfliktparteien: Namen Adresse Herkunftsland/Ethnie

• Auftraggeber

• Datum der Fallaufnahme

• Konfliktvermittler/innen

• Konfliktfeld: Nachbarschaft/Stadtteil , Schule, Generationenkonflikt, Kinder- und Jugendarbeit, Arbeit, Sonstiges

• Termine , eingesetzte Instrumente (Konfliktvermittlung, Konfliktberatung/-coaching, Fortbildung, Konfliktprävention bzw. Fortbildung, Konfliktmoderation, Runder Tisch, Mediation, Vermittlungskommission)

Datum: Stunden: Instrument: Datum: Stunden: Instrument: Datum: Stunden: Instrument:

• Um was ging es in der Konfliktvermittlung, Beratung etc.

• Verlauf der Vermittlung

• Inhalt der Vereinbarung und Datum des Fallabschlusses

• Datum des Abbruches und Gründe dafür

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Stelle fürinterkulturelle Arbeit

Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 55

Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

6. Anlagen: Anlage 2 – Schweigepflichtsentbindung

Ein Kooperationsprojekt der

Schweigepflichtsentbindung

Mir/Uns ist bewusst, dass die Arbeit von KIK – Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext oftmals nur im Zusammenwirken unterschiedlicher Organisationen und Personen erfolgreich im Sinne einer Konfliktlösung geleistet werden kann.

Hiermit entbinde ich/entbinden wir ................................................................................................................................................................... ................................................................................................................................................................... ...................................................................................................................................................................

gegenüber ................................................................................................................................................................... ................................................................................................................................................................... ................................................................................................................................................................... von der gesetzlichen Schweigepflicht, sofern dies zu einem erfolgreichen Mediationsverfahren erforderlich ist.

Ich bin einverstanden/Wir sind damit einverstanden, dass meine/unsere personenbezogenen Daten nach § 4a Bundesdatenschutzgesetz von

Herrn/Frau ................................................................................................................................................. und Herrn/Frau .................................................................................................................................................

weitergegeben werden, bzw. mit Organisationen, Institutionen ausgetauscht werden, sofern dies zu einem erfolgreichen Mediationsverfahren erforderlich ist.

München, den ....................................... Unterschrift .............................................................................

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Stelle fürinterkulturelle Arbeit

56 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

6. Anlagen: Anlage 3 – Mediationsvereinbarung

Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

Ein Kooperationsprojekt der

Mediationsvereinbarung

Wir ................................................................................................................................................................... und ........................................................................................................................................................... haben uns entschlossen, eine Mediation durchzuführen. Die Mediation wird geleitet von

...................................................................................................................................................................

und ...........................................................................................................................................................

1. Die Mediation dient dazu, im gemeinsamen Gespräch Vereinbarungen zu erarbeiten – außergerichtlich und selbstverantwortlich.

2. Wir streben eine Lösung an, die alle Beteiligten als fair und bedürfnisgerecht ansehen. 3. Wir verpflichten uns, in der Mediation alle Informationen offen zu legen, die für die Suche nach

einer fairen Lösung wichtig sind. 4. Wir stimmen darin überein, dass Mediation ein freiwilliger Prozess ist und jeder das Recht hat,

die Mediation zu unterbrechen oder zu verlassen. In einem solchen Fall werden wir noch zu einer Sitzung zusammenkommen, um die Gründe zu erörtern.

5. Der Inhalt der Mediationsgespräche ist streng vertraulich. Die MediatorInnen unterliegen der Schweigepflicht. Keiner von uns wird eine/n der MediatorInnen als Zeuge bei einem gerichtlichen Verfahren benennen.

Mit den vorgenannten Bedingungen sind wir einverstanden.

Ort, Datum ............................................................................................................................................... Unterschriften der Beteiligten und MediatorInnen

...................................................................................................................................................................

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Stelle fürinterkulturelle Arbeit

Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 57

Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

6. Anlagen: Anlage 4 – Mediationsvertrag

Ein Kooperationsprojekt der

Mediationsvertrag

zwischen ................................................................................................................................................................... ................................................................................................................................................................... und ................................................................................................................................................................... ................................................................................................................................................................... Im Rahmen des KIK-Projekts wurde seit ................................................................................................ zwischen den Parteien eine Mediation, begleitet von

Herrn/Frau ................................................................................................................................................. und Herrn/Frau .................................................................................................................................................durchgeführt.

Folgende Punkte wurden am ................................ verbindlich besprochen und gemeinsam vereinbart:

1. ............................................................................................................................................................... 2. ............................................................................................................................................................... 3. ...............................................................................................................................................................

Die Vereinbarung wird von den beteiligten Parteien bestätigt. Die Parteien verpflichten sich die aufgeführten Punkte zu erfüllen.

Partei A ................................................................... Partei B .............................................................(Ort, Datum, Unterschrift) (Ort, Datum, Unterschrift)

Mediator 1 ............................................................... Mediator 2 ........................................................(Ort, Datum, Unterschrift) (Ort, Datum, Unterschrift)

Koordinierungsstelle ................................................................................................................................. (Ort, Datum, Unterschrift)

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Stelle fürinterkulturelle Arbeit

58 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

6. Anlagen: Anlage 5 – Vereinbarung über Fortbildungen

Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

Ein Kooperationsprojekt der

Vereinbarung über Fortbildungen

Wie bisher auch werden Fortbildungen im Rahmen der präventiven Arbeit, wie es in unserer Konzeption steht, stattfinden. Rahmen/Aspekte dafür sind:

Überbau/Ziele: • PräventionimDienstedessozialenFriedens,„Eingangstor“zurAkquirierungvon

Vermittlungsfällen für KIK

Rahmen: • SensibilisierungzuinterkulturellenThematikenundKonflikten,Konfliktvermittlung,inden

jeweiligen Bereichen ggf. auch mit Beispielsfällen, mitunter mit einer Einführung der Bearbeitungsmethoden, Konfliktinstrumente

• WerbungfürKIKbeidenInstitutionen• indenBereichen,indenenKIKtätigist(Nachbarschaft,Stadtteil,Schule,Kinder-,Jugendarbeit,

Generationenkonflikte, Betrieb und Ausbildung, Gesundheitsbereich).

Umfang: • grundsätzlicheinganzerTag,inAusnahmefällenzweiTage• ca.10–20%desUmfangsderKIK-Projektstundeninsgesamt

Kosten: • GrundsätzlichzahlendieauftraggebendenInstitutionen.• InAusnahmefällen,insbesonderebeistädtischenStellen,könnenLeistungenkostenloserbracht

werden; im Einzelfall müssen Kosten und Nutzen abgewogen werden. • InsgesamtsolltendieKostenfürFortbildungenaufkeinenFall20%desBudgetsüberschreiten.

Akquirierung: • Esistausdrücklicherwünscht,dassFortbildungsaufträgevondenKonfliktvermittlerinnenbzw.

-vermittlern akquiriert werden • DieAufträgesollendannvondenAuftraggebernbeiderKIK-Koordinierungsstellegemeldetwerden.• DieAufträgewerdenschließlichvonderKIK-KoordinierungsstelleanKIK-Konfliktvermittlerinnen

bzw. -vermittler vergeben.

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Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext 59

Friedrich Glasl: Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben, 8. Auflage, 2004.

Kurt Faller u.a.: Konflikte selber lösen. Ein Trainingshandbuch für Mediation und Konflikte in der Schule und Jugendarbeit, Mühlheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr, 1996.

7. Literatur

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60 Handbuch Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext

Impressum

Herausgeber: Stelle für interkulturelle Arbeit der Landeshauptstadt MünchenBeratungsdienste der Arbeiterwohlfahrt München gGmbH

Lektor: Dr. Florian Roth

Grafik: QS2M, München

Druck: Anderwerk GmbH Druckerei PROJEKT PRINT

Bezugsquelle:Dr. Eva JüstenKoordinatorin bei der Stelle für interkulturelle Arbeit der Landeshauptstadt MünchenSozialreferat Franziskanerstr. 8 81669 MünchenTel.: 089 233 - 40634E-Mail: [email protected]

Sema Mühlig-VersenKoordinatorin bei den Beratungsdiensten der Arbeiterwohlfahrt München gGmbHGoethestraße 5380336 MünchenTel.: 089 54424724E-Mail: [email protected]

Dieses Handbuch ist im Rahmen der Kursreihe „Konfliktmanagement im interkulturellen Kontext“ entworfen und in Kooperation mit der Stelle für interkulturelle Arbeit der Landeshauptstadt München, Sozialreferat und der Beratungsdienste der Arbeiterwohlfahrt München gGmbH entwickelt worden.

Mai 2009

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