Hannah Arendt

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1 BARBARA SUKOWA AXEL MILBERG JANET McTEER JULIA JENTSCH ULRICH NOETHEN MICHAEL DEGEN IHR DENKEN VERÄNDERTE DIE WELT HANNAH ARENDT Material für die schulische und außerschulische Bildung ab Klasse 10/16 Jahre EIN FILM VON MARGARETHE VON TROTTA (ROSA LUXEMBURG, VISION – AUS DEM LEBEN DER HILDEGARD VON BINGEN) TORONTO INTERNATIONAL FILM FESTIVAL OFFICIAL SELECTION TOKIO INTERNATIONAL FILM FESTIVAL COMPETITION

Transcript of Hannah Arendt

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BARBARASUKOWA

AXELMILBERG

JANETMcTEER

JULIAJENTSCH

ULRICHNOETHEN

MICHAELDEGEN

IHR DENKEN VERÄNDERTE DIE WELTHANNAH ARENDT

Material für die schulische und außerschulische Bildung

ab Klasse 10/16 Jahre

EIN FILM VON

MARGARETHEVON TROTTA

(ROSA LUXEMBURG, VISION – AUS DEM LEBEN DER

HILDEGARD VON BINGEN)

TORONTO INTERNATIONAL FILM FESTIVAL

OFFICIAL SELECTION

TOKIO INTERNATIONAL FILM FESTIVAL

COMPETITION

IMPRESSUM

Text & Redaktion: Cornelia [email protected]

In Zusammenarbeit mit:

Gestaltung: Propaganda B

FÄCHEREthik, Religion, Philosophie, Politikwissenschaft, Geschichte,Deutsch, Englisch, Darstellendes Spiel

THEMENNationalsozialismus, Holocaust, Eichmann-Prozess, dasBöse/das Gute im Menschen, Gerechtigkeit, Verantwortungund Wirkung von Medien, politisches Handeln, menschlichesHandeln, religiöse und menschliche Identität, Freundschaft

Hannah Arendt ist weder im Alltag, noch in den Lehrplänenfür die meisten präsent. Dabei kann sie mit ihren Analysendes Totalitarimus, insbesondere der Nazidiktatur und mitihrem Verständnis von Politik in einem modernen Staats-wesen, ihrer hervorragenden Vernetzung in Philosophieund Literatur der abendländischen Kultur als Kronzeuginfür das gesamte 20. Jahrhundert gelten. Sie hat ausgehendvon ihrem Bericht des Nazitäters Adolf Eichmann denBlick auf den Holocaust von der reinen Schuldfrage zumBewusstsein von jedermanns Verantwortung geführt.

In ihrem bewegten Leben als Jüdin auf der Flucht, alspolitische Denkerin, als Frau ihrer Zeit, als Freundin undLebensgefährtin wirkte sie als kritische und emphatischePartnerin privat und gesellschaftlich. Sie hat sich viele

Feinde gemacht, aber sie hat damals wie heute immer nochdas Zeug, sich viele Freunde zu machen: Denn sie wirkthistorisch und aktuell wegweisend in ihrem Verständnisvon Menschlichkeit, persönlicher Verantwortung undregellosem Denken – für die aktuelle Politik in gemischt-nationalen Gesellschaften und für die Anerkennung undWürdigung jedweder Pluralität menschlichen Lebens. Dasmacht sie auch und gerade für junge Menschen zu einerspannenden Denk-Partnerin.

Originalzitate Hannah Arendts sind in typewriterwiedergegeben.

Erhellende Eindrücke wünschtCornelia Hermann

VORWORT

Jede neue Generation, jedes neue Menschenwesen muss,

indem ihm bewusst wird, dass es zwischen eine unendliche Vergangenheit

und eine unendliche Zukunft hingestellt ist,

den Pfad des Denkens neu entdecken und mühsam bahnen.

Filmlänge: ca. 113 MinutenFSK: Ab 6 Jahren

4 Die Filmhandlung

6 Wer war Hannah Arendt?

7 Die anderen historischen Figuren im Film

10 Der Eichmann-Prozess

12 Der Skandal…13 Die Banalität des Bösen

14 Die Rolle der Judenräte15 … und seine Konsequenzen

16 Das aktive Denken – Von Annette Vowinckel(Vorabdruck aus dem Philosophie Magazin, Heft Nr. 2/2013)

18 Hannah Arendt – Denkerin der Freiheit – Von Marie-Luise Knott

19 Margarete von Trotta zu ihrem Film

21 Arbeitsaufgaben22 Vor dem Film24 Zur Filmsichtung25 Nach dem Film

29 Quellen und weiteres Lesenswertes

31 Tipps für weitere Schulmaterialien

INHALTSANGABE

Nur wer an der Welt wirklich interessiert ist,

sollte eine Stimme haben im Gang der Welt.

Im Mai 1960 spürt der israelische Geheimdienst denunter getauchten Adolf Eichmann, der im Dritten Reich dieDeportationen der Juden in die Vernichtungslager orga-nisierte, in Argentinien auf und entführt ihn nach Israel.Hannah Arendt (Barbara Sukowa) bietet dem MagazinThe New Yorker an, über den Prozess in Jerusalem zuberichten. Begeistert ergreift der Herausgeber WilliamShawn (Nicholas Woodeson) die Gelegenheit. Denn dieberühmte politische Denkerin und Schriftstellerin wird zujener Zeit weltweit für klare Standpunkte und scharfsinnigeAnalysen geschätzt.

Als Hannah Arendt ihren „tribe“ – jenen Zirkel illustrerIntellektueller, der regelmäßig in ihrer Wohnung zusam-menkommt um politische, gesellschaftliche oder geistes-wissenschaftliche Themen zu diskutieren – über ihre Pläneinformiert, ist es vor allem Hannahs Ehemann HeinrichBlücher (Axel Milberg), der ihrem Vorhaben skeptischgegenüber steht. Er befürchtet, dass der Prozess seinegeliebte Hannah emotional wieder zurück in die „dunklenZeiten“ führen wird. Doch Hannahs Entscheidung stehtfest: Dieser Prozess bietet ihr die letzte Gelegenheit,einem verantwortlichen Nazi leibhaftig zu begegnen undseinen Charakter zu verstehen.

Im April 1961 reist Hannah nach Jerusalem; sie besuchtalle wichtigen Verhandlungen und protokolliert akribischund präzise das Verfahren, das weltweite Aufmerksamkeiterfährt. In intensiven Diskussionen mit ihrem väterlichenFreund Kurt Blumenfeld (Michael Degen) präzisiert Hannah

ihren Standpunkt. Mit ihrem Ehemann Heinrich Blücher inNew York tauscht sie sich oft aus. Blücher bewundert seineFrau für den Mut, sich dieser Tortur auszusetzen. Aber erahnt auch, wie schwierig es für sie werden wird, ihre Positionzu verteidigen. Er weiß, dass Hannah – allein der Klarheitdes Gedankens verpflichtet – heftigen Widerspruch bei alljenen provozieren wird, für die Hass und Abscheu die einzigangemessenen Reaktionen auf Eichmanns Taten sind.

Zurück in New York beginnt sie ihre Theorien über AdolfEichmann vorzustellen – sehr zum Leidwesen ihres bestenFreundes Hans Jonas (Ulrich Noethen), den Hannah seitihrer gemeinsamen Marburger Studienzeit kennt. Ihr philo-sophischer Ansatz wird nur Verwirrung stiften, warnt Hans.Aber Hannah verteidigt ihre mutigen und einzigartigenPerspektiven und ihr Mann Heinrich unterstützt sie dabei.Während alle Welt sich darin einig ist, dass Eichmann einbestialisches Monster sein müsste – die „Inkarnation desBösen“, erkennt sie nur einen gedankenlosen, kleinen,übereifrigen Bürokraten. Die geistlose Mittelmäßigkeiteines Adolf Eichmann passt einfach nicht zum abgrundtiefBösen seiner Taten. Hannah merkt schnell, dass dieserWiderspruch das Rätsel ist, das es zu lösen gilt.

Ihre Arbeiten über den Eichmann-Prozess rufen bei Hannahauch die prägende Marburger Studienzeit in den 1920erJahren in Erinnerung – als sie bei dem renommiertenPhilo so phen Martin Heidegger (Klaus Pohl) studierte, derihre erste große Liebe ist. Es ist eine schwierige Bezie-hung, weil Heidegger verheiratet ist und seine Ehe nicht

DIE FILMHANDLUNG

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aufgeben will. Regelmäßig besucht er Hannah Arendt inihrer Studentenbude. So groß die Liebe auch ist, dieHannah mit ihm verbindet, so niederschmetternd ist dochihre Enttäuschung, als Heidegger, nachdem er Rektor derUniversität Freiburg wird, mit den Nazis kooperiert.

Nach zwei Jahren intensiver Gedankenarbeit, umfangrei-chen Recherchen, vielen Debatten mit ihren FreundinnenMary McCarthy (Janet McTeer) und Lotte Köhler (JuliaJentsch) sowie natürlich mit Heinrich, liefert HannahArendt endlich ihr Manuskript ab.

Die Veröffentlichung ihrer Artikelserie im The New Yorkerprovoziert sofort einen Skandal in den USA, Israel und baldauch in der restlichen Welt. Um dem öffentlichen Trubel zuentgehen, zieht sich Hannah aufs Land zurück. Nicht nurHans Jonas geht auf Distanz, auch andere Freunde wieKurt Blumenfeld und Kollegen aus der Universität kritisierensie heftig. Sie erhält Briefe mit Beschimpfungen undBeleidigungen, auch handfeste Drohungen sind dabei.Hannahs akademische Karriere ist gefährdet. Vom Mossadwird sie massiv bedrängt, die geplante Veröffentlichungihres heute berühmten Buches „Eichmann in Jerusalem.Ein Bericht von der Banalität des Bösen“ aufzugeben.

In wahrer Verbundenheit halten nur ihre Freundinnen MaryMcCarthy und Lotte Köhler sowie ihr Mann Heinrich zu ihr.

Blumenfeld stirbt, ohne sich mit Hannah zu versöhnen.Doch bei ihren Vorlesungen sind die Hörsäle überfüllt;gebannt und mit aufrichtigem Interesse verfolgen die jungenStudenten die scharfen Analysen und unerschrockenenSchlussfolgerungen von Hannah Arendt – dieser unange-passten politischen Denkerin.

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Dass man im Guten und Bösen dem Wirklichen die Treue halten muss,

darauf läuft doch alle Wahrheitsliebe heraus und alle Dankbarkeit dafür,

dass man überhaupt geboren wurde.

Hannah Arendt wird am 14. Oktober 1906 in Linden (heuteHannover) geboren und wächst in einem sozialdemokra-tischen, jüdisch-assimilierten Elternhaus auf. Sie studiertPhilosophie und Theologie in Marburg und Freiburg. EdmundHusserl und Martin Heidegger gehören zu ihren Professoren.Mit Heidegger beginnt sie eine Liebesaffäre, die sichwegen seiner Ehe und auch seiner Haltung zum National-sozialismus nicht vertieft. Sie fühlt sich ihm aber ein Lebenlang nah und trifft ihn wiederholt.

In erster Ehe ist sie von 1929 bis 1937 mit dem PhilosophenGünther Stern, auch bekannt als der Autor Günther Anders,verheiratet. 1933 flieht sie nach kurzer Inhaftierung durchdie Gestapo über Karlsbad und Genf nach Paris, wo sieals Sozialarbeiterin bei verschiedenen jüdischen Organi-sationen arbeitet. 1940 heiratet sie den späteren Philoso-phiedozenten Heinrich Blücher. Nach einer Internierungund Flucht aus dem berüchtigten Lager Gurs emigriert sie1941 mit Ehemann und Mutter in die USA und arbeitet alsJournalistin. 1951 erhält sie die amerikanische Staatsbür-gerschaft; im gleichen Jahr erscheint ihr Buch „Elementeund Ursprünge totaler Herrschaft“, das zu einem Stan-dardwerk über ungelöste politische und gesellschaftlicheProbleme des modernen Nationalstaats wird. Nach Gast-vorträgen an den Universitäten Princeton und Harvarderhält sie eine Professur am Brooklyn College in NewYork. Wegen ihres unerbittlichen, klaren Urteils schätzendie Studenten sie als Lehrerin.

1961 beobachtet sie im Auftrag des Magazins The New Yorkerden Eichmann-Prozess. Ihre Artikelserie löst ein heftigesMedienecho aus. Das darauf basierende Buch „Eichmannin Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen“erregt ebenfalls viel Aufmerksamkeit und gilt heute als ihrwichtigstes Werk. Es war ihr nur unangenehm, dass siedurch die Debatte um ihren Bericht so ins Licht der Öffent-lichkeit rückte. Dadurch ist es ihr aber auch gelungen,über die Kontroverse hinaus Einfluss auf die historischenInterpretationen des Nationalsozialismus zu nehmen.

Neben ihren vielen Kontakten zu Wissenschaftlern undPhilosophen pflegt sie in ihrer deutschen Sprachheimatregel mäßigen Kontakt über Briefe mit den Literaten Ingeborg

Bachmann, Hilde Domin, Hans Magnus Enzensberger, UweJohnson und Rolf Hochhuth. Bei ihnen sieht sie politi scheTheorie und Dichtung in einer kreativen, sich gegenseitigbefruchtenden Konstellation, in der bestimmte FacettenDeutschlands hervorgehoben werden. Sie selbst schreibtihre Bücher und Aufsätze in den USA auf englisch undfür den deutschen Sprachraum auf deutsch unabhängigvoneinander. Ihr Gedankengang zum gleichen Thema istfür den jeweiligen gesellschaftlichen Kontext verschiedendurchdacht und ausgedrückt und entsprechend nichtohne Weiteres direkt zu übersetzen. So hat sie sich ihreÜbersetzer auch immer individuell ausgesucht.

Das Fernsehen hält Hannah Arendt für einen Segen, füreine Belebung der Demokratie, weil politische Auseinan-dersetzungen nun von vielen Menschen verfolgt werdenkönnen. Wahrscheinlich würde sie dies heute auch vomInternet und seinen Möglichkeiten behaupten.

Später wird Hannah Arendt von Günter Gaus in einemInterview gefragt, ob sie ihr Eichmann-Buch angesichts derReaktionen lieber anders geschrieben hätte. Sie verneintdies: „Ich wäre vor der Alternative gestanden,es zu schreiben oder nicht zu schreiben. Man

kann ja die Schnauze halten.“

Am 4. Dezember 1975 stirbt sie in New York.

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Ich gehöre nicht in den Kreis der Philosophen.

Mein Beruf - wenn man überhaupt davon sprechen kann – ist politische Theorie.

Ich fühle mich keineswegs als Philosophin.

Hannah Arendt, Foto © Ricarda Schwerin

WER WARHANNAH ARENDT?

wird 1899 in Berlin geboren. Seine Ausbildung endet mitdem Abbruch eines Pädagogik-Studiums. Obwohl er keinJude ist, tritt er der zionistischen Jugendgruppe Blau-Weißbei. Nach der Einziehung zum Kriegsdienst wird BlücherMitglied des Spartakusbundes und tritt 1919 in die Kommu -nistische Partei Deutschlands ein. Als Angestellter einerpolitischen Nachrichtenagentur besucht er in seiner FreizeitAbendvorlesungen über politische Theorie und Kunst -geschichte. Er arbeitet an verschiedenen Kabarett- undFilmprojekten mit, bevor er 1933 vor dem NS-Regime nachPrag und später nach Frankreich flieht. Hier begegnet erauch Hannah Arendt, die seine dritte Ehefrau wird. Ge-meinsam fliehen sie über Spanien und Portugal in die USA,wo Blücher Vorlesungen an der New School for SocialResearch in New York hält und ab 1952 am Bard Collegeals Professor für Philosophie lehrt. Heinrich Blücher stirbtam 31. Oktober 1970.

In einer seiner letzten Vorlesungen beschreibt er sein Ver-hältnis zu Hannah Arendt:„... Was jetzt zählt, ist die wechselseitige Einsicht zweierPersönlichkeiten, die einander als solche erkennen; dieletzten Endes zueinander sagen, ‚Ich garantiere dir dieEntwicklung deiner Persönlichkeit, und du garantierst mirdie Entwicklung der meinen.‘ Das ist die Grundlage allenwirklichen Gemeinschaftsdenkens.“

wird 1884 in Ostpreußen geboren und beginnt 1904 einStudium der Rechtswissenschaften in Berlin, Freiburg undKönigsberg. 1909 startet er seine berufliche Karriere alsParteisekretär der Zionistischen Vereinigung für Deutsch-land, deren Präsident er später wird. Als Generalsekretärdes zionistischen Weltverbandes 1911 bis 1914 besucht erdas erste Mal Palästina, wohin er 1933 emigrieren wird. Inden Zwanziger Jahren lernt er Hannah Arendt kennen.Über heftige Debatten entwickeln die beiden eine engefreundschaftliche Beziehung, die über Jahrzehnte anhält.Ihre Themen sind Zionismus, Politik, Diaspora, Shoah,Assimilation, Rückkehr nach Palästina und die allgemeineProblematik jüdischer Identität. Hannah Arendts Bericht-erstattung über den Eichmann-Prozess sowie ihre Theorienüber die Banalität des Bösen führen zum Bruch. Alssie erfährt, dass Blumenfeld schwer erkrankt ist, besuchtsie ihn noch einmal in Israel. Doch ihre Differenzen könnendie beiden nicht überbrücken. Unversöhnt mit HannahArendt stirbt Kurt Blumenfeld am 21. Mai 1963 in Jerusalem.

DIE ANDEREN HISTORISCHEN FIGUREN IM FILM

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HEINRICH BLÜCHER

KURT BLUMENFELD

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wird 1906 in Solingen als Sohn eines Buchhalters geboren.Die Familie zieht nach Linz, wo Eichmann ohne Schulab-schluss eine Ausbildung zum Mechaniker beginnt, abernicht abschließt. 1927 tritt Eichmann der Deutsch-Öster-reichischen Frontkämpfervereinigung bei. Fünf Jahre späterwird er Mitglied der österreichischen NSDAP und der SS.1935 erfolgt die Versetzung nach Berlin in das neu geschaf-fene „Referat Juden“ – Eichmann ist nun „Sachbearbeiterfür Judenangelegenheiten“. Er organisiert in Berlin, Wienund Prag effektiv die Vertreibung von Juden und erfährtdafür hohe Anerkennung der deutschen NS-Führung. 1939wird er Leiter der Reichszentrale für jüdische Auswanderungin Berlin und später des Referats IV D 4 „Auswanderungund Räumung“, das auch „Dienststelle Eichmann“ genanntwird. Das heißt, er ist für die gesamte Organisation derDeportation der Juden aus Deutschland und den besetzteneuropäischen Ländern zuständig. Ihm untersteht die kom-plette Logistik – von der Zusammenstellung der Transportebis zur Auslastung der Eisenbahnzüge in die Todeslager.Damit ist er maßgeblich für die industrielle Ermordungvon ungefähr sechs Millionen Juden mitverantwortlich; erselbst spricht später auch stolz von 10 Millionen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs flieht Eichmannaus einem amerikanischen Internierungslager. Zunächstlebt er unerkannt als Holzfäller in der Lüneburger Heide.Unter wechselnden Namen und mit Unterstützung katho-lischer Kreise gelingt ihm die Ausreise über Italien nachArgentinien, wo er ab 1950 als Riccardo Klement mit Frauund Kindern in Buenos Aires wohnt. 1960 wird er vonMitarbeitern des israelischen Geheimdienstes Mossadentlarvt und entführt. Das Verfahren in Jerusalem 1961findet weltweite Beachtung. Über 600 Journalisten sindanwesend, als Eichmann sich als „nicht schuldig im Sinneder Anklage“ bekennt. Am Ende heißt das Urteil dennoch„Schuldig – Tod durch den Strang“. Nach Ablehnung desRevisionsverfahrens wird Eichmann am 31. Mai 1962 inIsrael hingerichtet, seine Asche im Mittelmeer verstreut.

wird 1889 in Meßkirch geboren. Er wird zu einem der ein-flussreichsten deutschen Philosophen. Mit seinem 1927erschienenen Hauptwerk „Sein und Zeit“ begründet er eineneue philosophische Ausrichtung in den Fundamentalbe-griffen des Seins. Von 1923 bis 1927 hat er eine Professuran der Universität Marburg, wo auch Hannah Arendt zuseinen Studenten zählt. Eine leidenschaftliche Liebesbe-ziehung beginnt. Die Affäre zwischen dem Professor undseiner neunzehnjährigen Studentin ist nicht unproblema-tisch, denn Heidegger will weder seine Stellung, noch seineEhe gefährden. Das Verhältnis zu Hannah Arendt bleibtauch sonst angespannt, denn er tritt 1933 in die NSDAPein, nachdem er Rektor der Freiburger Universität wird.

Hannah Arendt besucht ihn bis zu ihrem Tod immer wiederfreundschaftlich in Freiburg und lernt auch seine Fraukennen. Die Gründe für sein anfängliches Bekenntnis zumNationalsozialismus bekommt sie nicht heraus, vermutetals Antrieb die entschiedene antisemitische Haltung seinerEhefrau. In der Nachkriegszeit weithin noch gemieden, er-hält Heidegger später neue Chancen zur Veröffentlichung.Er stirbt fünf Monate nach Hannah Arendt am 26. Mai 1976.

OTTO ADOLF EICHMANN

MARTIN HEIDEGGER

wird 1912 in Seattle geboren. Im Alter von sechs Jahren istsie Vollwaise. Die Erziehungsberechtigten wechseln und soerfährt Mary phasenweise eine katholische, protestantischeund jüdische Sozialisation. Im Alter von 30 Jahren veröffent-licht sie ihre ersten Texte und wird zu einer anerkanntenSchriftstellerin und Frauenrechtlerin. Berühmt aber wirdsie wegen ihrer Freundschaft mit Hannah Arendt. DerBriefwechsel zwischen den beiden aus über 25 gemeinsa-men Jahren der Freundschaft („Im Vertrauen. Briefwechsel1949 – 1975“, erschienen bei Piper) erlangt Weltruhm. Mitstreitbarer Meinungsfreudigkeit nimmt Mary McCarthyauch an zahlreichen New Yorker Intellektuellenfehden teilund verteidigt ihre Freundin vehement in der Eichmann-Debatte. Noch heute gehören ihre Reportagen über denVietnamkrieg zu den klügsten Hintergrundberichten.

Sie ist von Hannah Arendt als ihre literarische Nachlass-verwalterin eingesetzt worden und gab nach eigenerÜberarbeitung Hannah Arendts unvollendetes Buch „DasLeben des Geistes“ heraus. Mary McCarthy stirbt am25. Oktober 1989.

wird am 10. Mai 1903 in Mönchengladbach geboren undmacht 1921 das Abitur. Sein Vater ist Textilunternehmer,seine Mutter ist die Tochter des Oberrabbiners von Krefeld.Gegen den Willen des Vaters wendet sich Hans Jonaszionistischen Zirkeln zu. Er beginnt ein Studium der Phi-losophie und Kunstgeschichte in Freiburg und Marburgbei Martin Heidegger und Edmund Husserl. Im Studiumlernt er Hannah Arendt kennen; eine langjährige Freund-schaft entsteht.

Im August 1933 emigriert Hans Jonas nach London, 1935geht er nach Jerusalem, 1949 übersiedelt er nach Kanadaund 1955 schließlich nach New York, wo er wieder aufHannah Arendt trifft und bald fester Teil ihres Zirkels wird.Er übernimmt Gastprofessuren an den renommiertestenUniversitäten der USA und beschäftigt sich vorwiegendmit geistes- und philosopiegeschichtlichen Themen. In derFolge des Buches und der Artikel, die Hannah Arendtüber Adolf Eichmann veröffentlicht, kommt es zu einemheftigen persönlichen Konflikt, der die Freundschaft fürlange Zeit schwer belastet. Erst nach langer Zeit könnendie beiden das Zerwürfnis überwinden. Jonas stirbt am5. Februar 1993 in seinem Haus bei New York.

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HANS JONAS

MARY McCARTHY

Erst indem wir darüber sprechen, vermenschlichen wir das,

... was in unserem eigenen Inneren vorgeht.

Am 11. April 1961 wird der Strafprozess gegen Adolf Eichmannvor einer Sonderkammer des Bezirksgerichts Jerusalemeröffnet und endet im Dezember 1961 – nach Urteilsver-kündung, Berufung und Ablehnung der Revision – mit demTodesurteil gegen Adolf Eichmann. Der Premierministerund Staatsgründer Israels Ben Gurion hatte entschieden fürdas Gericht im Land der Opfer plädiert. Er wollte verhin-dern, dass der Prozess vor einem internationalen Gerichts -hof geführt und somit der internationalen Verantwortungausgesetzt werde. Vielmehr versprach er sich insbeson-dere hohen erzieherischen Wert für die Jugend des Landes.Der deutsche Philosoph und lebenslange Freund HannahArendts, Karl Jaspers, war der Meinung, der Prozess umEichmann gehöre an einen internationalen Gerichtshof,um ein Verbrechen gegen die Menschheit zu verhandeln.

Hannah Arendt ging es mit ihrer Teilnahme am Prozess umdie unmittelbare Begegnung mit einem Hauptverantwort-lichen der Organisation des Holocaust. Sie wollte aberauch prüfen, ob diese Art von Prozess geeignet war, derAufarbeitung der jüdischen Vergangenheit und derGerechtigkeit zu dienen. Deshalb bewarb sie sich beimThe New Yorker als Berichterstatterin und flog als Gerichts-reporterin nach Jerusalem.

Drei Richter unter dem Vorsitz von Moshe Landau führenden Prozess. Oberstaatsanwalt Gideon Hausner ist mit einemStab von Staatsanwälten anwesend, sowie der VerteidigerEichmanns, Dr. Robert Servatius, mit seinem Assistenten.Die Verhandlung wird in hebräischer Sprache geführt undsimultan gedolmetscht. Adolf Eichmann verfolgt seinen

DER EICHMANN-PROZESS

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Prozess aus einer Glaskabine. Psychologische Gutachterbescheinigten dem Angeklagten geistige Gesundheit.

Den Prozess wertet Hannah Arendt als Schauprozess, dermit unzähligen Zeugen und Beweismaterial das Ausmaßder Judenvernichtung darstellen wollte. Dabei hatte vielesmit Eichmann gar nichts zu tun. Er passt aber auch alsPerson nicht in das Bild, das sich Hannah Arendt voneinem Nazitäter gemacht hatte.

Sie nennt ihn ein Gespenst in der Glaskiste. Siesieht ihn nicht wie erwartet als Ungeheuer, sondern alsHanswurst, der offenbar die Fakten seiner Karriere alsNationalsozialist vergessen hat. Dafür referiere er in Floskelnseine Gefühle und Stimmungen, resümiert sie. In der Tatfällt aus den überlieferten Dokumenten und Archivauf-nahmen auf, wie sehr Eichmann in klischierten Redensartenspricht. In seinem Auftreten ist nicht der stolze Organisatordes Völkermordes oder gar eine monströse Führungsfigurzu erkennen. Er zieht sich gänzlich auf seine Position alsAusführender von Befehlen zurück: ein untergeordneterFunktionär, der nur möglichst gut seine Pflicht getan habe,aber keinerlei eigene Verantwortung trug.

Die Staatsanwaltschaft sieht in Eichmann gerade nicht denSchreibtischtäter, sondern den ideologisch verblendetenInitiator der Endlösung. Hannah Arendt beurteilt dieseIdeologie bereits seit ihrem Buch zum Totalitarismus„Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft“ (1955) alsvöllig sinnentleert und erkennt in ihm den entsprechendenRepräsentanten des Nationalsozialismus, der sich freiwilliggleichschalten ließ ohne denkendes Gewissen.

Spätere Analysten des Prozesses gaben zu bedenken, dassEichmanns Haltung gerade auch mit all den Redensarten,die wie auswendig gelernt wirken, das Ergebnis einer stra-tegisch ausgefeilten Prozess-Vorbereitung war. Viele Nazi-Angeklagte haben sich vor ihren Verhandlungen in dieserArt der harmlosen Selbstpräsentation geschult, wie man inder aktuellen Forschung herausgefunden hat. InsbesondereEichmann hatte sich in eigenen Memoiren und Interviews –die Hannah Arendt noch nicht kennen konnte – als leiden-schaftlicher Antisemit geoutet, der sehr stolz auf seineTaten war. Diese Berichte liegen heute in gut lesbarenEditionen vor, nachdem sie lange verschollen waren.

Am 31. März 1962 wird das Todesurteil an Adolf Eichmanndurch Erhängen vollstreckt. Er stirbt selbstbewusst undohne jede Äußerung von Reue.

In der Folge gibt es weitere Verfahren gegen Nazi-Verbre-cher in der Bundesrepublik, die bisher unbehelligt imNachkriegsdeutschland gelebt haben, z.B. 1963 – 1965 dieFrankfurter Auschwitz-Prozesse mit 200 überlebendenZeugen.

1965 berät der Deutsche Bundestag zum ersten Mal dieVerjährung von NS-Verbrechen und kommt zu dem Schluss,dass es keine Verjährung dafür geben kann.

Hannah Arendt gelingt es mit ihrer Analyse der PersonEichmanns, die Flucht nahezu aller NS-Verbrecher aus ihrenVerantwortlichkeiten in „Unzuständigkeiten“ und Pflichtge-fühl aufzuzeigen. Unabhängig davon, wie man ihren Blickauf Eichmann heute bewerten mag, ist diese Leistung fürdie moderne Holocaust-Forschung hoch anzuerkennen.

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Ein Prozeß hat mit dem Schauspiel gemein,

daß beide mit dem Täter beginnen und enden, und nicht mit dem Opfer.

Am 16. Februar 1963 erscheint der erste von fünf Artikelnüber den Eichmann-Prozess unter dem Titel „Eichmann inJerusalem: A Report on the Banality of Evil“ in der ZeitschriftThe New Yorker. Der letzte Artikel kommt vier Wochenspäter heraus. Geplant ist eine Veröffentlichung als Buchunter dem gleichen Titel bei Viking Press.

Das Erscheinen der Prozessberichte Hannah Arendts ruftbei manchen Lesern – die meisten von ihnen Juden – großeEmpörung hervor. Man erklärt ihr sogar im Namen desdeutschen Judenrates „den Krieg“. Ihr Text wird strengverurteilt – auch von einer Anti-Defamation-League, dieRichtlinien zum Kampf gegen das erwartete Buch heraus-gibt und in einem Rundbrief alle Rabbiner in NYC zu einerPredigt gegen Hannah Arendt am jüdischen Neujahrstagaufruft. Nicht nur in Zeitungsartikeln, sondern auch inöffentlichen Vorträgen vor jüdischen Studentenvereinenund vor ehemaligen KZ-Häftlingen wird gegen HannahArendts angebliche „Verteidigung Eichmanns“ gesprochen.Sie wird als Verräterin am eigenen jüdischen Volk emp-funden wegen der gelesenen Behauptung, Juden seien

nicht weniger am Holocaust schuldig als andere. Man wirftihr Arroganz, Kälte, Gefühllosigkeit für das grauenvolleSchicksal der Opfer und fehlende Liebe zu ihrem eigenenVolk vor. Sogar als „Verächter der Menschen“ wird sie voneinem Rezensenten betitelt.

Man spricht in der Sekundärliteratur von einem „Bürger-krieg“, der anlässlich der sogenannten Eichmann-Kontro-verse unter New Yorker Intellektuellen ausgebrochen sei.In jedem Fall waren die Zeitungsartikel und das 1963erschienene Buch ein Anstoß zu einer heftigen Debatte überjüdische Identität, über den Holocaust und seine Folgen,über die Funktion und die Bedeutung des Staates Israel.

Was genau erregte derart heftige Reaktionen?

Über den angeblich distanzierten Ton Hannah Arendtshinaus richten sich die Vorwürfe zum einen gegen denBegriff von der Banalität des Bösenund zum anderengegen die Darstellung der Judenräte im Dritten Reich.

DER SKANDAL…

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DIE BANALITÄT DES BÖSEN

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Eichmann war nicht die Art von Verbrecher, als welchen dieAnklage ihn sah, kein gewalttätiger oder fanatischer Über-zeugungstäter, sondern eher einer, der aus Gedanken losig -keit, aus der Unfähigkeit, Gut und Böse zu unterscheiden,aus dem Gehorsam gegenüber den an ihn ergangenenBefehlen zu einem willigen Werkzeug der Vernichtungs-politik für Millionen Menschen geworden war. Ihm fehltejede Vorstellungskraft für sein Tun. So argumentiert diejüdische Zeugin in ihrem Bericht.

Eichmann ist in Hannah Arendts Augen kein Monster, alsdas die meisten ihn sahen. Die Juden erwarteten von dieserSicht weise eine pauschale Befreiung vom Status des Opfersund eine gerechte Bestrafung des Täters. Sie sieht in einersolchen Dämonisierung die Gefahr, ihm Größe zu verleihen,die ihm keineswegs zukommt, und ihn auch zu instrumen-talisieren. Ja sogar zu suggerieren, man sei als deutscherBürger einer solchen Macht hilflos ausgeliefert gewesen.Er ist für sie auch nicht besonders dumm, er ist schlichtgedankenlos und unbeirrbar funktionierend. Dies – seineUnterwürfigkeit und Suche nach Anerkennung bei Obrig-keiten – brachten ihn dazu, die Deportation der Juden soeffektiv zu organisieren. Seine Taten gründeten auf einerIdeologie, die intellektuell zu vertreten Eichmann selbstkaum in der Lage war. Insofern ist das Böse, das er repräsen -tierte banal; nicht habgierig, neidisch oder auch besondersambitioniert, einfach banal. Früher in ihrer Analyse desTotalitarismus hatte sie noch vom radikal Bösen (nachKant) gesprochen, was sie jetzt gegenüber einem ihrerkritischen jüdischen Freunde, Gershom Scholem, korrigiert:

Ich bin in der Tat heute der Meinung, dass das

Böse immer nur extrem ist, aber niemals radikal,

es hat keine Tiefe, auch keine Dämonie. Es kann

die ganze Welt vernichten, gerade weil es wie

ein Pilz an der Oberfläche weiterwuchert. Tief

aber und radikal ist immer nur das Gute.

Aus dieser Einschätzung des Angeklagten Eichmann alseinem Repräsentanten der Nazi-Verbrecher resultiert derkritische Vorwurf, sie verharmlose deren Taten mit ihremSchlagwort von der Banalität des Bösen und damitden Holocaust und den Mord an Millionen Menschen.Hannah Arendt fühlt sich in ihrem Ton und der Zielsetzungfalsch verstanden und beantwortet persönlich die unzäh-ligen Briefe, ohne sich dabei jedoch zu rechtfertigen. So wiesie dies auch öffentlich nicht tut. Sie zielt auf das Bewusst-werden der persönlichen Verantwortung jedes einzelnenwährend mörderischer Herrschaft. Das Denken als Grund-lage eines funktionieren den Gewissens propagiert sie indiesem Zusammenhang als letzte Rettung in Ausnahme-zuständen. Es sichert das Urteilsvermögen des einzelnenin einer Umgebung, dessen moralische Maßstäbe zusam-mengebrochen waren. Damit verhindert es Verbrechengegen die Mensch lichkeit. Dieses Verständnis vom Denken,insbeson dere dem geländerlosen Denken, bleibt HannahArendts Kernthema bis zu ihrem Tod: Der Zusammenhangvon Handeln und Denken ist essentiell in ihrem Werk.

Könnte vielleicht das Denken als solches – die

Gewohnheit, alles zu untersuchen, was sich

begibt oder die Aufmerksamkeit erregt, ohne

Rücksicht auf die Ereignisse und den speziellen

Inhalt – zu den Bedingungen gehören, die die

Menschen davon abhalten oder geradezu dagegen

prädisponieren, Böses zu tun?

DIE ROLLE DER JUDENRÄTE

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Judenräte waren die anerkannten Repräsentanten derjüdischen Gemeinden. Eichmann erklärt im Prozess, wie enger mit diesen Räten bei der Judenvernichtung zusammen-gearbeitet hat. In Amsterdam wie in Warschau, inBerlin wie in Budapest konnten sich die Nazis

darauf verlassen, dass jüdische Funktionäre

Personal- und Vermögenslisten anfertigen, die

Kosten für die Deportation und Vernichtung bei

den zu Deportierenden aufbringen, freigewordene

Wohnungen im Auge behalten und Polizeikräfte

zur Verfügung stellen würden, um die Juden

ergreifen und auf die Züge bringen zu helfen.

Dies nimmt Hannah Arendt zum Anlass deren Rolle genauerzu unter suchen und kommt zu dem Schluss, das jüdischeEstablishment (Gemeindevertreter und Leiter der großenjüdischen Organisationen) habe durch die Kooperation mitden Nazis die massenhafte Ermordung der Juden erleichtert.Von Polen bis Holland und Frankreich, von

Skandinavien bis zum Balkan gab es anerkannte

jüdische Führer, und diese Führerschaft hat

fast ohne Ausnahme auf die eine oder andere

Weise, aus dem einen oder anderen Grund mit den

Nazis zusammengearbeitet. Wäre das jüdische

Volk wirklich unorganisiert und führerlos

gewesen, so hätte die Endlösung ein furchtbares

Chaos und ein unerhörtes Elend bedeutet, aber

die Gesamtzahl der Opfer hätte schwerlich die

Zahl von 4,5 bis 6 Millionen Menschen erreicht.

Für Hannah Arendts Kritiker bedeutet eine solche Aussagedie Verhöhnung der Opfer des Holocausts. Während fürHannah Arendt die Unterwerfung der Judenräte unter dieangeordneten Deportationen Lebensrettung von Judenverhindert hat, argumentieren ihre Gegner, dass diesesVerhalten der Rettung eigener und auch fremder Lebendiente. Ein Entkommen aus der Vernichtungsmaschinerieder Nazis oder gar Widerstand sei unmöglich gewesen.Doch Hannah Arendt konstatiert, gerade die jüdischenRepräsentanten hätten jegliche Kooperation verweigernkönnen, wie es z.B. in den Niederlanden oder auch inDänemark und Italien funktionierte, wo man Juden vonentsprechenden öffentlichen Stellen einfach nicht auslie-ferte. Widerstand auf breiter Basis habe anders als dieinnere Emigration auch auf deutsche Befehlshaber zumTeil zersetzenden Einfluss gehabt.

Nicht nur jüdische Institutionen oder Persönlichkeiten desöffentlichen Lebens distanzieren sich von Hannah Arendt.Auch enge Freunde ziehen sich demonstrativ zurück:Hans Jonas bricht für ein Jahr den Kontakt ab. Besondersschmerzt sie die Unversöhnlichkeit bis in den Tod ihresväterlichen Freundes Kurt Blumenfeld.

Hannah Arendt wertet die Gegnerschaft zu ihrem Berichtals Rufmord, der bis zur Behinderung des Verkaufs ihresBuches in Chicago und New York führt. Sie sieht sich demmachtlos ausgeliefert, weil sie es als unabhängige Personmit teils organisierten Kampagnen zu tun hat. HannahArendt versteht die Aufregung nicht, weil sie sie auf einMissverständnis ihres Textes zurückführt.

Neben Hannah Arendts Mann Heinrich Blücher und ihrerengen Freundin Mary McCarthy wagen es der PsychologeBruno Bettelheim, der Historiker Raul Hilberg und ihrFreund und Kollege Karl Jaspers öffentlich für sie einzu-treten. Der fürchtet sogar um ihr Leben und rät zu einer„Leibgarde“. Er schreibt: „Wie unendlich naiv, nicht zumerken, dass der Akt, ein solches Buch in die Welt zusetzen, eine Aggression ist gegen ‚Lebenslügen‘.“

In der Arbeit mit ihren Studenten gewinnt Hannah Arendtdie Kraft zurück, die sie die Auseinandersetzung um ihrEichmann-Buch gekostet hat. In der Tat steigt ihr Ansehenan den Universitäten in den USA und auch Europa und siewird bei ihren diversen Vorträgen gefeiert. Denn sie isteine der ersten, die eine ernsthafte öffentliche Diskussion

schmerzlicher Fragen über die Verantwortlichkeit undBeurteilung der Täter, über die Opfer und die stummenZuschauer eröffnet hat. Für sie ging es um die persönlicheVerantworung und Integrität jedes einzelnen in einemStaatswesen. Die Annahme einer etwaigen Kollektivschuld,wie sie sehr lange diskutiert wurde auch noch für jungeDeutsche, war Hannah Arendt völlig fremd.

… UND SEINE KONSEQUENZEN

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Begreifen bedeutet, sich aufmerksam und unvoreingenommen der Wirklichkeit,

was immer sie ist oder war, zu stellen und entgegenzustellen.

POLITIKUnter Politik oder dem Politischen, wie Arendt es inAnlehnung an Carl Schmitt bezeichnet, versteht Arendtdas Prinzip des Miteinanders der Menschen, die zumeinen grundverschieden sind, zum anderen erst von denMöglichkeiten des Menschseins Gebrauch machen, wennsie miteinander interagieren. Das Politische kanndemnach die Gestalt eines Nationalstaates annehmen, eskommt jedoch bereits dann zum Tragen, wenn Menschensich im öffentlichen Raum organisieren: in einer revolu -tionären Situation, in einem Stadtstaat wie der antikengriechischen polis oder in einer Räterepublik. Arendt zufolge bildet das Politische – neben dem Privatenund der Gesellschaft – einen der drei Räume, in denen sichmenschliches Zusammenleben gestaltet. Während dasPrivatleben unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet,bildet die Gesellschaft eine Art überdimensionierten Haus-halt, in dem Menschen sich von verschiedenen materiellenInteressen leiten lassen. Im Unterschied dazu muss dasPolitische frei gehalten werden von allen partikularenInteressen. Keinesfalls kann es dabei um die Vereinheit -lichung der Verschiedenartigkeit gehen. Vielmehr verstehtArendt unter dem Politischen jenen gemeinschaft -lichen Raum, in dem sämtliche Stimmen und Parteien dieMöglichkeit haben, sich frei zu artikulieren.

TOTALE HERRSCHAFTDie Verschiedenartigkeit und Pluralität der Menschen istArendt zufolge eine Grundbedingung des Politischen.Wenn hingegen, wie in einem totalitären System, gewaltsamEinheit hergestellt wird, kommt dies für sie der Zerstörungdes Politischen gleich. Der Ausdruck totalitärePolitik ist demnach ein Widerspruch in sich. Alsorganisierte Verlassenheit bezeichnet Arendtdie totalitären Regimes, in denen demokratische Prinzipienwie Repräsentation, der Schutz der Meinungsfreiheit oderdas Recht auf körperliche Unversehrtheit ihre Gültigkeit

verloren haben. Stattdessen wird die Herrschaft durchdie Verbreitung von Angst und Terror stabilisiert, die theo-retische Legitimationsgrundlage bildet eine Ideologie –ein in sich geschlossenes System, das auf jeden kritischenÜberprüfungsversuch feindlich reagiert. Ausgereiftetotalitäre Systeme waren Arendt zufolge der Nationalso-zialismus und der Stalinismus, nicht jedoch der italienischeoder spanische Faschismus. Ursprünglich war Arendt derÜberzeugung, dass totalitäre Systeme nur von außenzerstört werden könnten. Nach Stalins Tod im Jahr 1953änderte sie jedoch ihre Meinung. Linke Intellektuelleunterstellten Arendt wegen ihrer Kritik an der Sowjetunionlange eine antikommunistische Grundhaltung. Arendt indeswandte sich weniger gegen die Idee des Kommunismusals gegen die Ausformung dieser Idee zu einer Ideologie,die Terrormaßnahmen und Massenmorde als notwendigeMittel zur Erlangung des guten Zwecks rechtfertigte.

HANDELN In „Vita activa oder vom tätigen Leben“ unterscheidetArendt drei Formen der menschlichen Tätigkeit: Arbeiten,Herstellen und Handeln. Die Arbeit dient der Aufrecht-erhaltung des täglichen Lebens und ist zyklischer Natur,da sie stets auf ein Neues ausgeführt werden muss. DasHerstellen ist ein kreativer Prozess, dessen Produkte dau-erhaft in der Welt bleiben, statt – wie die Ergebnisse derArbeit – umgehend verbraucht zu werden. Von Arbeit undHerstellung unterscheidet sich das Handeln in zweierleiHinsicht: Erstens vollzieht es sich im immateriellen Raum.Zweitens setzt es die Existenz vieler unterschiedlicherMenschen, also Pluralität, vorraus. Handeln kannder Mensch also nur im öffentlichen Raum unter seines-gleichen und letzlich beeinflusst er damit nicht wenigerals den Lauf der Geschichte. Das Handeln ist spontan unddeshalb weder planbar noch vorhersehbar. Folgt manArendt, erfanden die Griechen auf dem Marktplatz(agora) jene Kunst des Handelns, die noch immer als einerder Grundpfeiler der Demokratie gilt: die öffentlichepolitische Rede.

Sich selbst wollte Hannah Arendt nicht als Philosophin,sondern als politische Theoretikerin verstanden wissen.Dessen ungeachtet ist ihr Werk von den politischenKatastrophen des 20. Jahrhunderts ebenso geprägt wie

von der kritischen Auseinandersetzung mit der philoso-phischen Tradition. Sie erkannte die Banalität des

Bösen, Freiheit und Pluralität galten ihr als Grundbedin-gungen des Menschseins.

DAS AKTIVE DENKEN

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Von Annette Vowinckel (Vorabdruck aus dem Philosophie Magazin, Heft Nr. 2/2013)

RADIKALITÄT/

BANALITÄT DES BÖSEN

In Anlehnung an Immanuel Kant spricht Arendt von derRadikalität des Bösen. Wie sie in einem ihrerHauptwerke, „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“,erklärt, ist das Böse dann radikal, wenn keinerlei Motiv fürein Verbrechen ausgemacht werden kann. So lässt sichder Mord an sechs Millionen Juden weder durch Habgier,Missgunst, Eifersucht oder Neid hinreichend erklären,ausschlaggebend war hierfür einzig und allein eine irratio-nale antisemitische Ideologie. Arendt ging es jedoch nichtum das Ausmaß, sondern um die Art der Verbrechen, diesie als historisch neuartig beschrieb. Die Kehrseite dieserRadikalität ist für Arendt die Banalität des Bösen –ein Begriff, den sie in ihrem Bericht über den Eichmann-Prozess prägte. Die Verbrechen, die der Nazi-Schreibtisch -täter Adolf Eichmann auf sich lud, beruhen demnach eherauf Gedankenlosigkeit und Dummheit als auf Bösartigkeit.Diese Deutung stieß auf heftige Kritik seitens der jüdischenGemeinden in aller Welt. Arendt wurde vorgeworfen, dieNS-Verbrechen zu verharmlosen und Eichmann aus seinerVerantwortung zu entlassen. Einen wesentlichen Punkthat die Radikalität allerdings mit der Banalität des Bösengemein: In beiden Fällen liegt kein klassisches Tatmotivvor. Auch Eichmann ging es nicht darum, sich selbst zubereichern, sondern er folgte blind einer Ideologie.

REVOLUTIONDer Begriff der Revolution ist abgeleitet von dem lateini-schen Verb revolvere, was so viel heißt wie „wiederkehren“oder „sich wiederholen“. Arendt wendet sich entschiedengegen diese konservative Bedeutungskomponente,indem sie betont, dass eine Revolution im modernen Sinngerade nicht die Rückkehr zu etwas Altem, sondern denAufbruch zu etwas ganz Neuem bezeichnet. Im Unterschiedzu anderen Theoretikern geht sie jedoch nicht davon aus,dass Revolutionen immer gewaltsam verlaufen. Vielmehrkann das Neue – in der Regel der Wechsel zu einer demo-kratischen Staatsform – auch friedlich herbeigeführtwerden. Entscheidend ist, dass sich zu diesem Zweckviele Menschen zusammenschließen und gemeinsam denöffentlichen Raum erobern. Die gelungenste Revolution istihn Arendts Augen weder die Französische von 1789 nochdie Oktoberrevolution von 1917, sondern die AmerikanischeRevolution von 1760, die in den Augen vieler Historikerkeine Revolution, sondern eher eine Steuerrevolte war.Arendt favorisierte dieses Ereignis, weil dabei weder Hassauf die Herrschenden noch Mitleid mit den Armen oderUnterdrückten als Motiv ausschlaggebend war, sonderneinzig der Wille, derFreiheit einen Raum zu geben.Dass dies keineswegs selbstverständlich war, zeigt fürArendt die Französische Revolution: Ging es 1789 nochum das Erlangen von Freiheit, verkam die neue Republikbald selbst zur Tyrannei.

DENKEN, WOLLEN, URTEILENSo wie sie bei den praktischen Tätigkeiten zwischen Arbei-ten, Herstellen und Handeln differenzierte, unterschiedArendt bei den geistigen Tätigkeiten zwischen Denken,Wollen und Urteilen. Denken ist das stille Zwiegesprächeines Menschen mit sich selbst, es geht dabei keineswegsum konkrete Resultate. Das Wollen ist zielstrebig und richtetsich, im Unterschied zu dem an Gegenwart und Vergangen-heit orientierten Denken, auf die Zukunft. Es ist willkürlich,zuweilen ungerecht und schließt die Möglichkeit des Nicht-wollens ein. Das Urteilen, das sich wiederum auf Vergangen-heit und Gegenwart bezieht, erfordert die Einnahme einerMetaperspektive, in der auch die Sichtweisen anderer vor-kommen. Es abstrahiert von persönlichen Vorlieben undInteressen und kommt zu einem Ergebnis, das auch anderemögliche Sichtweisen einschließt. Während das Denkenund das Wollen im Singular stattfinden, setzt das Urteilendie Existenz einer Vielzahl von Menschen – zumindest inder Vorstellung des Urteilenden – ebenso voraus, wie einenvorübergehenden Rückzug aus der menschlichen Gesell-schaft. Einen Mangel an Urteilskraft, den Arendt in Anschlussan Kant als die Unfähigkeit zum induktiven Denkenbezeichnet, ist ihr zufolge unheilbare Dummheit.Ferner wird das Erinnern, nach Arendt keine eigenstän-dige Tätigkeit des Geistes, als besonderes Moment desDenkens wie auch des Urteilens klassifiziert.

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Hannah Arendt ist in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhun-derts zweifellos die Freiheitsdenkerin par excellence. Inihrem Totalitarismusbuch hatte sie 1949 die Bedrohungder Freiheit durch die Gewalt-Herrschaft von Ideologieund Terror untersucht. In ihrem Werk „vita activa“ hatte sie1957 regelrecht ein Loblied des freien politischen Handelnsgesungen; und in ihrem Revolutionsbuch hatte sie 1963anhand der amerikanischen und der französischen Revo-lutionen die Fragilität der politischen Freiheit erkundet.Arendts Freiheitspathos speiste sich nicht allein aus Theo-rien und Analysen, sondern vor allem aus verschiedenenpolitischen Kämpfen ihrer Zeit: 1) aus dem Aufstand derArbeiter- und Soldatenräte im Winter 1918/19, an denenihr Mann Heinrich Blücher teilgenommen hatte, 2) ausErfahrungen ihrer Freunde im Spanischen Bürgerkrieg, 3)aus ihrem eigenen Engagement im jüdischen Freiheits-kampf gegen Hitler und 4) zuletzt aus den zeitgenössi-schen Berichten zum Ungarn-Aufstand 1956.

In allen ihren politischen Texten hat Hannah Arendt be-tont, dass es Freiheit nur geben kann, wo es Rechte gibt.Es gab in der griechischen Polis eine Bürgerverfassung,und die Versammlung der „Freien“ auf der Agora regeltedie weltlichen Angelegenheiten. Erst das Vorhandenseineiner „constitutio“ – die Konstitution – verleiht, so Arendt,

der Freiheit eine weltliche Realität. Hinter Arendts Idee,dass die Freiheit einer Verfassung bedarf, steckt die Vor-stellung, dass die Menschen von Natur aus nicht gleichsind. In den Aspekten des schieren (bloßen) Lebens sindsie Abhängige; sie zerfallen in Reiche und Arme, in Herr-schende und Beherrschte, in Arbeitslose und Arbeitsplatz-besitzer. Umso mehr bedürfen Menschen einer politischenInstitution, in der sich – Kraft der Verfassung – die Ver-schiedenen als Ebenbürtige versammeln können. EineGleichheit im Rahmen des Gesetzes (nicht zu verwechselnmit der Gleichheit der Lebensumstände) existiert nur indieser von Menschen geschaffenen Einrichtung: der „polis“,der Republik. Freiheit also braucht einen solchen Gesell-schaftsvertrag, und sie braucht Zeit und Ort für dasZusammenhandeln, damit Öffentlichkeit nicht längermissverstanden wird als die Summe aller Interessen oderals das Aushandeln der Interessen aller Einzelleben.

Marie-Luise Knott lebt als freie Autorin, Journalistin und Übersetzerinin Berlin. Sie war Mitbegründerin der deutschen Le Monde diplomatique.Zahlreiche Veröffentlichungen zu Kunst und Literatur; zu Hannah Arendtzuletzt: „Von den Dichtern erwarten wir Wahrheit“, Matthes & Seitz Berlin,2007, zusammen mit Barbara Hahn; „Hannah Arendt – Gershom Scholem,Der Briefwechsel, 1939 – 1964“, Jüdischer Verlag, 2010; sowie „Verlernen –Denkwege bei Hannah Arendt“, Matthes & Seitz Berlin, 2011.

HANNAH ARENDT – DENKERIN DER FREIHEIT

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Von Marie-Luise Knott (Vorabdruck aus dem Philosophie Magazin, Heft Nr. 2/2013)

Das Licht, das Hannah Arendt durch ihre Werke in dieWelt gebracht hat, strahlt noch. Und es wird sogar heller.Immer mehr Menschen berufen sich auf sie: zu einer Zeit,wo viele andere sich noch einer Ideologie verpflichtetfühlten, hielt sie sich nur an ihre eigene Anschauung undErkenntnis.

Als ich 1983 einen Film über Rosa Luxemburg machenwollte, war ich überzeugt, sie sei die wichtigste Frau undDenkerin des 20. Jahrhunderts gewesen, und ich war neu-gierig zu begreifen, was für eine Frau sich hinter derKämpferin und Revolutionärin verbarg. Für uns heute, amBeginn des 21. Jahrhunderts, ist sicherlich Hannah Arendtdie Wichtigere, Weitblickende; viele ihrer Gedanken werdenheute erst verstanden und aufgegriffen. Für den Begriffvon der Banalität des Bösen z.B., den sie für ihrenBericht über den Eichmann-Prozess geprägt hat, ist siezunächst scharf angegriffen und sogar angefeindet worden,heute taucht er immer wieder auf, wenn es um die Beur-teilung von Naziverbrechen geht.

Und wieder hat mich die Frau interessiert, die sich hinterder unabhängigen Denkerin verbirgt.

Sie ist in Deutschland geboren und in New York gestorben.Was hat sie dorthin gebracht?

Als Jüdin ist sie nicht freiwillig aus Deutschland fort gegan-gen, und wie in anderen meiner Filme stellt sich auch hierdie Frage: wie verhält sich ein Mensch, wenn er historischenund gesellschaftlichen Ereignissen und Bedingungen aus-gesetzt ist, die er nicht beeinflussen kann? Sie hätte, wieso viele andere Juden, ein Opfer des Nationalsozialismuswerden können. Aber sie erkennt die Gefahr und fliehtrechtzeitig aus Deutschland nach Paris und gelangt überMarseille und Lissabon nach New York, zusätzlich enttäuschtvon den Freunden, die sich an die neue Zeit anpassen,denen, wie sie in einem Interview einmal sagte, zu Hitleretwas einfiel. Das Exil wird ihr zweites Erwachen. Vorher,als sie noch bei Martin Heidegger studierte, war sie nuram reinen Denken interessiert, plötzlich muss sie sich der

MARGARETHE VON TROTTA ZU IHREM FILM

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„Das Licht, das die Werke eines Menschen ausstrahlen,tritt direkt in die Welt ein und leuchtet auch nach seinemTod weiter. Ob es hell oder dunkel, flackernd oder beständig ist, das hängt von der Welt und ihrer Entwicklung ab. Die Nachwelt wird es beurteilen.

Doch das Licht, das vom Leben eines Menschen ausgeht – gesprochene Worte, Gesten, Freundschaften –überlebt nur in Erinnerungen. Soll es in die Welt eintreten, dann muß es eine neue Form annehmen. Aus vielen Erinnerungen und Geschichten muß eine Geschichte hervorgehen.“

Elisabeth Young-Bruehl in ihrer Biographie „Hannah Arendt: Leben, Werk und Zeit“

EIN FILM ÜBER HANNAH ARENDT UND WARUM

Margarethe von Trotta

Welt stellen – und sie stellt sich der Vergangenheit, indemsie sich mit dem konfrontiert, der für viele den millionen-fachen Mord an den Juden repräsentiert: Adolf Eichmann.

Um dem Film die nötige Tiefe zu geben und der Konfron-tation dem zum Verständnis nötigen erzählerischen Raumzuzubilligen, haben wir uns auf jene Phase ihres Lebenskonzentriert, in der sich die Lebenswege von Hannah Arendtund Eichmann kreuzen. Die kompromisslose und unange-passte Denkerin stößt auf den gefügigen Bürokraten, deraus einer Mischung aus Gehorsam und GedankenlosigkeitMillionen Menschen in die Gaskammern transportierte.Die Beschränkung auf jene Jahre zwischen der ErgreifungEichmanns und der Veröffentlichung ihres Buches „Eich-mann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen“hat uns außerdem erlaubt, Hannah Arendt als Person, alsFrau, als Liebende, als Freundin intensiver wahrzunehmen.In Rückblenden wird ihre Liebesgeschichte zu MartinHeidegger erzählt, von dem sie – obwohl er der national-sozialistischen Partei beigetreten ist – nicht los kommt.Ebenso haben wir mehr Zeit, um ihr Leben in New Yorkzu beschreiben: mit ihrem Mann Heinrich Blücher, den siein Paris im Exil kennengelernt hat, und mit ihren deutschenund amerikanischen Freunden, wie zum Beispiel der AutorinMary McCarthy oder dem Philosophen Hans Jonas.

Es ist ein Film geworden, der Hannah Arendt zwischenDenken und Fühlen zeigt; als leidenschaftliche Denkerin undals Professorin; als Frau, die zu lebenslangen Freundschaftenfähig ist – manche haben sie als „Genie der Freundschaft“gepriesen – aber auch als kämpferische Person, die keineAuseinandersetzung scheut, die, wenn sie etwas als richtig

erkannt hat, es mutig vertritt und verteidigt, aber immermit der Absicht zu verstehen. Ich will verstehen,ist der Satz, der sie vielleicht am besten beschreibt.

Gerade in diesem Punkt verspüre ich eine große Nähe zuihr und der Art und Weise, wie sie auf die Menschen unddie Welt blickt. Ich wollte nie urteilen, sondern immer nurverstehen. In diesem Film will ich verstehen, was HannahArendt über Totalitarismus denkt und den moralischenZusammenbruch im letzten Jahrhundert, über Selbstbe-stimmung, Entscheidungsfreiheit, über das Böse und überdie Liebe. Und ich wünschte mir, dass zusammen mit mirauch die Zuschauer begreifen, warum es lohnt, an dieseFrau zu erinnern.

Der Schlüssel zum Verständnis ihres Lebens liegt in ihremWunsch, sich eine Haltung zu bewahren, die sie selbstamor mundi genannt hat, die „Liebe zur Welt“. Ihr Glaubean die Macht des Subjekts, das der Geschichte eben nichthilflos gegenüber steht, auch wenn es die Erfahrung derVerletzbarkeit und des Fremdseins gemacht hat, machtsie für mich zu der außergewöhnlichen Frau, deren „Lichtnoch heute leuchtet“. Eine Frau, die lieben kann undgeliebt wird. Und die denkt – ohne Geländer.

Der Film basiert nicht allein auf Recherchen schriftlicherund audiovisueller Quellen in amerikanischen Archiven;um uns einen möglichst authentischen Eindruck von ihrerPersönlichkeit zu machen, haben wir ausführliche Gesprächemit Zeitzeugen geführt, die Hannah Arendts Lebenswegüber viele Jahre begleitet haben.

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Folgende Aufgaben sind – meist fächerübergreifend – fürden Unterricht ab Klasse 10 gedacht und verzichten bewusstauf die Kenntnis von Texten Hannah Arendts, was denRahmen der Lehrpläne meist überschreiten bzw. zeitlichüberfordern würde.

Insbesondere in einzelnen fachspezifischen Seminaren –auch der außerschulischen Bildungsarbeit – lassen sichaber sehr gut originale Textpassagen (Hinweise s. Quellen)als erweiternde Aspekte einbeziehen. Eine Gegenüber-stellung der englischen und der deutschen Fassungen istdabei oftmals erhellend.

ARBEITSAUFGABEN

a) Recherchieren Sie, um welche Taten es bei dem Prozessum Adolf Eichmann geht. Wofür wurde er in Jerusalemangeklagt und hingerichtet? Tragen Sie stichpunktartigFakten zusammen und präsentieren Sie diese auf einerTIMELINE der Zeit der Nazi-Herrschaft in Deutschland.

b) Ergänzen Sie auf Ihrer Zeitschiene andere Täter, dieSie aus diesem Kontext kennen.

c) Welche Verantwortung schreiben Sie aus Ihrer Kenntnisden einzelnen zu? Kennzeichnen Sie Unterschiede bzw.Gemeinsamkeiten und eventuell auch Hierarchien,wenn Sie Ihnen wichtig erscheinen, zu einem zeitge-schichtlichen Schaubild der Täterprofile. MarkierenSie darin deutlich ADOLF EICHMANN in seiner Rolle.

d) Diskutieren Sie in einer fiktiven EXPERTENRUNDE imVorfeld des Prozesses 1961 Ihre Erwartungen an denEichmann-Prozess – eventuell für eine internationaleDokumentation auf Englisch. Bilden Sie dazu eineRunde verschiedener Fachleute aus verschiedenenLändern: z.B. mit dem israelischen Botschafter, der dieOpfer-Interessen vertritt; dem argentinischen Bot-schafter, der die Interessen eines „Gastgebers“ desentführten Eichmann vertritt; einem deutschen Regie-rungsvertreter, der für einen internationalen Prozess-Ort plädiert; den beiden Staatsanwälten Israels alsAnkläger Eichmanns. Argumentieren Sie aus IhrerRecherche der jeweils individuellen Fach-Quellenvorab, die den anderen Experten nicht bekannt sind.Die übrigen Teilnehmer schüren mit kritischen Fragenan die Runde die Diskussion.

VOR DEM FILM

DER ANGEKLAGTE ADOLF EICHMANNRecherche, Präsentation, Geschichtsnarration, Diskussion

GESCHICHTE, POLITIKWISSENSCHAFT, evtl. ENGLISCH

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a) Erstellen Sie in Gruppenarbeit eine Bild- und Textcol-lage aus ihren persönlichen Assoziationen zum Begriffdes BÖSEN. Sammeln Sie aus verschiedenen Kontexten(z.B. Film, Literatur, Zeitungsmeldungen).

b) Referieren und erläutern Sie vor dem Plenum die ge-meinsame Auswahl und was zur Bewertung „böse“führte: Unterscheiden Sie bei der Bewertung persön-liche Einschätzungen, gesellschaftliche Einordnungund fiktionale Festschreibungen (z.B. der Teufel, derJoker aus DARK KNIGHT, die Volturi aus der TWILIGHT-Reihe, Lord Voldemort in HARRY POTTER, HannibalLecter aus DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER, DarthVader aus STAR WARS; Shir Khan in DAS DSCHUN-GELBUCH, Hagen von Tronje im NIBELUNGENLIED,Macbeth, Marinelli in EMILIA GALOTTI, Franz von Moorin DIE RÄUBER, Mepistopeles in FAUST I/II; Gargamelbei DIE SCHLÜMPFE, Mandarine in IRON MAN)

c) Recherchieren Sie Definitionen für „das Böse“ unter-schiedlicher Philosophen zu unterschiedlichen Zeiten(z.B. Epiktet, Augustinus, Kant, Nietzsche, Jaspers,Baudrillard, Eagleton) und referieren diese kurz vordem Plenum aus ihrem Zeitkontext und aus Ihrer Ein-schätzung heute.

d) Hängt vielleicht das Problem von Gut und

Böse, unsere Fähigkeit, Recht und Unrecht

zu unterscheiden, mit unserem Denkvermögen

zusammen?...

Könnte vielleicht das Denken als solches – die

Gewohnheit, alles zu untersuchen, was sich

begibt oder die Aufmerksamkeit erregt, ohne

Rücksicht auf die Ergebnisse und den spe-

ziellen Inhalt – zu den Bedingungen gehören,

die Menschen davon abhalten oder geradezu

dagegen prädisponieren, Böses zu tun?

Analysieren, diskutieren und bewerten Sie kritischdiese beiden Fragen Hannah Arendts, die ihr Lebens-werk prägen, aus Ihrer heutigen Sicht auf persönlicheErfahrungen, auf Statements in den Medien, auf diepolitische Situation weltweit. Formulieren Sie einen Antwortbrief an Hannah Arendt.

„DAS BÖSE“Begriffsdefinitionen und persönliche Haltungen. Recherche, Bewertung und philosophischer Exkurs

PHILOSOPHIE, DEUTSCH, GESCHICHTE, POLITIKWISSENSCHAFT

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a) Recherchieren Sie im Netz und in der Bibliothek, werHannah Arendt war und dokumentieren dies in einerkleinen Stichwort-Übersicht.

b) Betrachten Sie das Plakat zum Film HANNAH ARENDT(siehe auch Cover dieses Heftes) und assoziieren Siegemeinsam spontan Ihre Erwartungen an den Film.

c) Starten Sie im Umfeld Ihrer Schule/Ihres Wohnorteseine spontane Umfrage bei Passanten auf der Straße,indem Sie ihnen das Plakat zeigen: Wer war diese Frauund was erwarten die Passanten von einem Film über sie?

d) Fassen Sie die unterschiedlichen Ergebnisse Ihrereigenen und der Straßen-Recherche zu einem multi-medialen Porträt zusammen. Bedienen Sie sich dabeiunterschiedlicher Medien (z.B. selbstverfasster Text/Internet- bzw. Zeitungs- oder Lexika-Text/Interview-Antworten/literarische Texte/Briefzitate, sowie Bilder,Tondokumente). Stellen Sie dieses Porträt dem Filmtrailer der Homepage(www.HannahArendt-derFilm.de) gegenüber.

WER WAR HANNAH ARENDT?Recherche, spontane Umfrage, Präsentation

GESCHICHTE, PHILOSOPHIE, POLITIKWISSENSCHAFT

Plakat zum Film HANNAH ARENDT

Folgende Fragen können teils – auf Gruppen aufgeteilt –ins Kino mitgegeben werden, teils als Impulsfragen für dieunmittelbare Diskussion nach der Sichtung genutzt werden.Sie zielen auf spontane persönliche Eindrücke ohne An-spruch auf sachliche Bestätigung durch etwaige Recherche,wie in den Aufgaben vor oder nach dem Film.

- Was zeichnet die weibliche Hauptfigur in HANNAHARENDT aus?

- Wie erleben Sie das Umfeld der Hauptfigur – einerseitsin New York, andererseits in Jerusalem? Welche Rollenimmt sie selbst ein, welche wird ihr zugesprochen?Wie charakterisiert sie selbst ihre unterschiedlichenLebenswelten?

- Achten Sie auf die ersten Schlagworte des Films, dieunauffällig im Anfangsdialog das Thema setzen undgleichsam wie eine Ouvertüre wirken: „Macht“ und„Verteidigen“. Wie wird dieses Thema im gesamtenFilm variiert – inhaltlich und darstellerisch?

- Was erfahren Sie von Hannah Arendt als Opfer derNazidiktatur? (Stichworte: „in finstere Zeiten zurück-versetzt“, ihre Flucht aus dem Lager in Gürs, ihreSelbstmordgedanken)

- Welche Zweifel zu der Reise nach Jerusalem teilensich Ihnen mit? Wer hat welche und warum?

- Welcher Ruf eilt Adolf Eichmann voraus? Welche Rolle

spielt er in dem sozialen Umfeld Hannah Arendts? Wieerleben Sie ihn in den Archivaufnahmen als reale Person?

- Welche Handlungsebenen erkennen Sie im Film? Wo-rauf steuert jede einzelne zu? Wie hängen sie mitei-nander zusammen?

- Achten Sie auf einzelne Stilmittel des filmischen Erzäh -lens z.B. eingestreute Archivbilder vom realen Prozessund nachgestellte Prozess-Szenen; Rückblenden zurjungen Studentin Hannah Arendt und ihrem ProfessorMartin Heidegger; Gegenschnitte in den Dialogen;Standbilder leerer Räume; Großaufnahmen auf HannahArendt. Welche Reaktionen, welches Erlebnis stelltsich darauf jeweils bei Ihnen als Zuschauer ein?

- Worauf sind Sie beim Filmgucken gespannt?

- Welche Rolle spielen die Sachinformationen für Sie imFilm? Sind sie Ihnen wichtig oder ist Ihnen andereswichtiger? Beobachten Sie genau im Vergleich zu IhrenRecherchen vorab, wie die Informationen zu histori-schen Fakten fiktional eingebettet sind. Andererseits:Welche Emotionen erleben Sie mit?

- Beachten Sie den Rahmen der stummen rauchendenHauptfigur: Sie ist statisch und allein dargestellt. Wel-chen Ton setzen diese Bilder von Hannah Arendt amAnfang und welcher abschließende Eindruck stelltsich durch die beinahe identischen Bilder am Anfangund am Ende ein?

ZUR FILMSICHTUNG

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Bedenken Sie die Szene, in der Hannah Arendt und HeinrichBlücher Gäste bei sich empfangen und wir den Freundes-kreis des Paares kennenlernen. Erinnern Sie sich sowohlan den Dialog, als auch an die Körpersprache und dieBewegung im Raum.

a) Szenenanalyse- Welche Themen werden angesprochen? Was erfahren

Sie sachlich aus diesem Gespräch (z.B. zur Situation derJuden, zu Eichmann). Erstellen Sie eine Übersichtslistezu den angesprochenen Themen/Begriffen, die Sieevtl. später noch nachrecherchieren.

- Was erfahren Sie über die Beziehungen der auftreten-den Figuren untereinander? Woran erkennen Sie derensozialen Status bzw. gar Hierarchien?

- Wie erleben Sie die einzelnen Charaktere in ihrenjeweiligen Haltungen, Interessen, Werten?

b) Spielen Sie die Szene nach, indem Sie sich zunächst indie historische Situation und die Figuren hineinversetzen.Adaptieren Sie die Szene danach in eine ähnliche ge-sellschaftliche Situation mit ähnlichem Inhalt, wie Siesie heute, 50 Jahre später, nachvollziehen würden.

c) Welche spezifischen Charakteristika der Zeit und desgesellschaftlichen Kontextes lassen sich aus der Film-szene herauslesen?

d) Diskutieren Sie dazu anschließend Ihre individuellenErlebnisse beim Nachspielen, Adaptieren und Reka-pitulieren der Filmszene.

e) Welchen Sprechduktus erleben Sie in den realen Archiv-Aufnahmen, die in den fiktionalen Film übernommenwurden: Wie spricht Eichmann? Wie formuliert er?Wie erleben Sie seine Körpersprache und Selbstdar-stellung? Vergleichen Sie eventuell auch eigenes Video-Recherchematerial vom Eichmann-Prozess. SammelnSie spontan Schlagworte, die Ihnen aus dem Eindruckdieser Szenen einfallen.

f) Welchen Eindruck schildert die Figur Hannah Arendtsdavon? Zu welchen persönlichen Einschätzungen undWertungen kommt sie? Sammeln und analysieren Sieaus den jeweiligen Szenen.

g) Welche Rolle messen Sie persönlich einem solchenTäter-Typus zu? Bewerten und diskutieren Sie die Rolledes einzelnen Bürgers innerhalb totalitärer Systemeaus Ihren Kenntnissen des historischen und auch desaktuellen politischen Kontexts.

NACH DEM FILM

SPRACHE ALS AUSDRUCKSMITTEL UND ALS THEMA IN FILMISCHER FIKTION UND REALITÄTKleingruppenarbeit und Diskussion im Plenum, Filmanalyse und Spiel, Adaption

DEUTSCH, DARSTELLENDES SPIEL

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INDIVIDUELLE UND GESELLSCHAFTLICHE FILMKRITIKRollenspiel, Diskussion, Textarbeit

DEUTSCH, ENGLISCH, GESCHICHTE

a) Der Eichmann-Prozess liegt 50 Jahre zurück, HannahArendt ist 37 Jahre tot. Welche Rolle spielt ein solcherFilm heute – für Sie persönlich, für die heutige politischeBildung und für die gegenwärtige kulturelle Bildung? Diskutieren Sie dies aus der Sicht heutiger Journalisten/Philosophen/Schauspieler/Politiker in verteilten Rollenauf einem fingierten EXPERTEN-PANEL. Der andere Teilder Gruppe stellt Fragen dazu aus dem Auditorium.Welche Antworten veröffentlichen Sie abschließendin einer Presseerklärung?

b) Verfassen Sie eine Filmkritik, die Ihre Kenntnis der his-torischen Fakten mit Ihrer persönlichen Einschätzungdieses Filmes heute anschaulich für die Leser verknüpft.Achten Sie auf Sachlichkeit und die Unterscheidungzwischen Beschreibung und Bewertung. Wem emp-fehlen Sie den Film?

c) Initiieren Sie mit dieser Filmkritik oder auch verschie-denen gegenübergestellten Kurzstatements aus IhremKurs/Ihrer Klasse einen Blog zum Film im Internet.Welche Bilder würden Sie als Screenshots aus dem Filmdafür auswählen?

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a) Wie wurde aus Hannah Arendts Prozessbericht ein„Skandal“/eine „Kontroverse“/eine „Affäre“? TragenSie in Gruppenarbeit Ihre Eindrücke aus dem Filmund ergänzender Recherche zusammen. Welche Rollespielten die Medien, bestimmte Organisationen undInstitutionen dabei? Inwieweit fanden persönliche Ein-drücke/Verletzungen/Interpretationen Eingang in „dieÖffentlichkeit“? Wie definierte sich diese sogenannte„Öffentlichkeit“?

b) Welche Wirkung zeigen die Reaktionen einzelner bzw.ganzer Institutionen bei Hannah Arendt und ihrenFreunden? Welches Bild von Aktion und Reaktion habenSie in dieser Kontroverse gewonnen? Welche Kreiseziehen die jeweiligen Äußerungen?

c) Wie reagiert Hannah Arendt auf die Vorwürfe an sie –persönlich und/oder öffentlich? Wo vermischen sichper sönliche und offizielle Äußerungen? Mit welcherKonsequenz?

d) Stellen Sie diesem Skandal aus den 60er Jahren desletzten Jahrhunderts einen Medienskandal Ihrerheutigen Erfahrung gegenüber? Unterscheiden Sie diejeweiligen Medien, das Tempo der Reaktionen, dasBild von „Öffentlichkeit“, persönliche und offizielleWirkungen und Konsequenzen von Äußerungen/Meinungen (z.B. Wäre die Kritik an Hannah Arendtauch heute so schädlich/so nachhaltig für sie?).

e) Dokumentieren Sie grafisch Ihre Ergebnisse der Analysedes damaligen Medienskandals von einem Prozessbe-richt bis zu Kündigung von Berufsanstellung undFreundschaften und eines heutigen Shitstorms von einereventuell zufälligen Äußerung bis zu existentiellenKonsequenzen.

f) Diskutieren Sie die Unterschiede und die Ähnlichkeitendamals und heute in der großen Gruppe.

EIN MEDIEN-SKANDAL – DAMALS UND HEUTERecherche, Medien-Analyse, persönliche Einschätzung

DEUTSCH, GESCHICHTE, POLITIKWISSENSCHAFT

Denken war für Hannah Arendt in ihrem ganzen Werk einzentrales Motiv – zur Selbstbestimmung, zur Verhinderungvon totalitären Einflüssen auf den Einzelnen, zur Präzisionund Reflexion individuell und als Bürger einer Gemein-schaft. Freies, unvoreingenommenes Denken ohne Außen -einflüsse und vorgeformte Bahnen – sie nannte es Denkenohne Geländer.Charakteren beim Denken zuzuschauen ist im Film eherungewöhnlich, auch wenn es um Dramen und nicht umAction-Filme geht. Margarethe von Trottas Film ist wesent -lich geprägt von solchen Bildern, in denen die SchauspielerinBarbara Sukowa als Hannah Arendt vor unseren Augennichts als nur denkt.

a) Assoziieren Sie nachträglich frei solche Bilder ausdem Film und tauschen Sie sich in der Gruppe überdie Wirkung aus. Was lösen sie bei Ihnen aus? Wassagen sie über die Figur aus? Erleben Sie diese Bilderrein statisch oder auch als bewegt oder bewegend?Machen Sie dazu Aussagen z.B. über die Bildkompo-sition, das Licht, den Ausdruck des Gesichts.

b) Vergleichen Sie Ihre Eindrücke mit denen aus anderenFilmen der jüngeren Filmgeschichte, wo wir ebensoin einzelnen Sequenzen Frauen ausdrücklich beimDenken zuschauen (z.B. Julianne Moore als LauraBrown in THE HOURS, Kate Winslet als April Wheelerin REVOLUTIONARY ROAD, Kristen Stewart als Bellain TWILIGHT – NEW MOON, Nina Hoss als Barbarain BARBARA). Erstellen Sie dazu Standbilder aus denverfügbaren DVDs. Vergleichen Sie jeweils Situationund persönliche Haltung der Figuren.

c) Versuchen Sie ähnliche Bilder in Ihrer Alltagsumgebungoder als gegenseitige Inszenierung mit der eigenenKamera einzufangen. Unterscheiden Sie dabei insbeson-dere den Ausdruck des Denkens von einem Ins-Leere-Blicken, Posen für jemanden, Ausstellen von etwas,Selbst-Darstellen. Präsentieren Sie die eigenen unddie zitierten Werke in einer Bilder-Galerie des Denkens.

d) Ergänzen Sie dazu MINDMAPS zur Definition „Was istDenken und wohin führt es?“, die Sie in Kleingruppenerstellen. Zitieren Sie dabei z.B. Literaten und Philo-sophen und assoziieren Sie auch frei.

EXKURS: Aus den Credits zum Film erfahren Sie, dassHANNAH ARENDT das Werk von Frauen ist: eine Regis-seurin, eine Autorin, eine Cutterin, eine Kamerafrau undeine Produzentin (aus einem Produzenten-Paar). SpekulierenSie, ob der Film einen besonderen weiblichen Blick aufdie historische Frauenfigur darstellt. Hätte ein gemischtesTeam den Film anders aussehen lassen? Hätte insbesondereein Mann auf dem Regiestuhl andere Bilder gefunden, diehistorische Hannah anders umgesetzt? Gibt es eine weib-liche Form des Filmemachens? Gibt es eine weiblicheForm des Denkens?

DENKEN OHNE GELÄNDER –SPEZIELL IM FILM, SPEZIELL VON FRAUEN?Bildanalyse, Recherche, freies Gestalten und Präsentieren, Gender-Diskussion

KUNST, DARSTELLENDES SPIEL, PHILOSOPHIE

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Wenn jeder gedankenlos mitschwimmt in dem, was alle anderen tun und glauben,

dann stehen die Denkenden nicht mehr im Hintergrund, denn ihre Weigerung

ist nicht zu übersehen und wird damit zu einer Art Handeln.

Arendt, Hannah: Eichmann in Jerusalem. NeuausgabeMünchen (Serie Piper 308) 1996

Arendt, Hannah und Fest, Joachim: Eichmann war vonempörender Dummheit. Gespräche und Briefe. Hrsg.Ursula Ludz und Thomas Wild München (Piper) 2011

Arendt, Hannah und Scholem, Gershom: Der Briefwechsel. Hrsg. Marie-Luise Knott. Berlin (Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag) 2010(Zur Eichmann-Kontroverse S. 428 – 465. Sehr anregende Lektüre insbe -sondere im freundlichen und respektvollen, dabei nie akademischen Ton)

Arendt, Hannah: Über das Böse. Eine Vorlesung zu Fragen der Ethik. München (Piper) 2006 (Eine philosophische Vorlesung von 1965, die ihren Begriff des Bösen,die Fragen nach Gehorsam und Freiheit anschaulich herausarbeitet imabendländischen philosophischen Kontext)

Arendt, Hannah: Vom Leben des Geistes. Das Denkenund Wollen. München (Piper TB) 4. Auflage, 2008

Arendt, Hannah: Von Wahrheit und Politik. Originalaufnahmen aus den 50er und 60er Jahren.(Der Hörverlag München) 1999/2006

Arendt, Hannah und Nanz, Patrizia: Wahrheit und Politik. Berlin (Wagenbachs Taschenbuch) 2006(Leicht zu lesender Essay als Reaktion auf die Eichmann-Kontroverse,1967 erstmals erschienen. Sehr klar werden hier Hannah Arendts Verständnis von objektiver Wahrheit und handelnder, verantwortlicherPolitik erläutert. Sehr gut für Schüler-Diskussionen geeignet)

Breier, Karl-Heinz: Hannah Arendt. Zur Einführung.Hamburg (Junius) 4. Auflage 2011(Ein Blick auf H.A. aus aktuellem politischen Verständnis heraus. Gute Diskussionsgrundlage insbesondere im PW-Unterricht)

Calderon Leyton, Elia: Integration von Migranten –Theorie und Praxis. Das Konzept pluraler Identität vonHannah Arendt als Grundlage für eine humanitäre Integrationspolitik in Deutschland. Berlin (Humboldt Universität) Diss. 2010(Interessanter aktueller Ausblick als Diskussionsgrundlage)

Fest, Joachim: Begegnungen. Über nahe und ferneFreunde. (Rowohlt) 2004s.a. gekürzt:http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=32134693&aref=image035/E0437/ROSP200403801420147.PDF&thumb=false(gerade auch für Jugendliche eindrückliche detaillierte SelbstbetrachtungH.A.s ihrer „Affäre“ mit Heidegger)

Fritze, Lothar (Hrsg.): Hannah Arendt weitergedacht.Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2008(Verschiedene wissenschaftliche Aufsätze zur Wirkung HannahArendts zur kritischen Diskussion)

Hedinger, Sandra: Hannah Arendt (1906 – 1975): Frieden durch Politik. In: Frauen über Krieg und Frieden.Frankfurt/M. (Campus) 2000, S. 124 – 156(Interessante Gender-Analyse zu Hannah Arendts Wirken)

Heuer, Wolfgang: Hannah Arendt. Rowohlts Monographien. Reinbek (Rowohlt) 5. Auflage 1999(Zu Eichmann insbesondere S. 60 und S. 108ff. mit vielen Originalzitaten)

Jelinek, Gerhard: Der Eichmann-Faktor. ORF und 3sat,2012. 3sat Themenabend 08.05.2012(Die 3sat-Dokumentation von Gerhard Jelinek erklärt die geistesge-schichtlichen Zusammenhänge vom Jahr 1962 bis in die Gegenwart)

Judt, Tony: Hannah Arendt und das Böse. S. 82 – 100 In: Das vergessene 20. Jahrhundert. Die Rückkehr despolitischen Intellektuellen. Frankfurt (Fischer Tb) 2011(Anregende aktuelle Würdigung Hannah Arendts)

Kipphardt, Heinar: Bruder Eichmann. Schauspiel undMaterialien. Reinbek (Rowohlt Tb) EA 1986(Schauspiel zu Haltung und Charakter Eichmanns, das sich sehr gutzum Vergleich mit Hannah Arendts Sicht eignet)

Knott, Marie-Luise: Verlernen. Denkwege bei HannahArendt. Berlin (Matthes & Seitz) 2011(Anregende, einfach zu verstehende Anleitung durch Hannah Arendtspolitisches und ästhetisches Weltverständnis, das die poetischeSchreibweise der politischen Denkerin in den Mittelpunkt stellt)

Lang, Jochen von: Das Eichmann-Protokoll. Tonbandaufzeichnungen der israelischen Verhöre.Wien (Propyläen Taschenbuch) 2001, 1. Auflage(Unbedingt empfehlenswert zur sprachlichen und inhaltlichen Detailanalyse des Zeitdokuments)

Milgram, Stanley: Das Milgram-Experiment: Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität.Reinbek (rororo) 1982, 17. Auflage(Der Klassiker bietet sich hier besonders zur Lektüre bzw. für Referateim Blick auf Eichmann an.)

Monaco, James und Bock, Hans-Michael: Film verstehen –Das Lexikon: Die wichtigsten Fachbegriffe zu Film undNeuen Medien. Reinbek (Rowohlt Tb) 2011(Grundlagenwerk zur Filmanalyse)

Mulisch, Harry: Strafsache 40/61. Eine Reportage überden Eichmann-Prozess. Berlin (Aufbau) 2002, 3. Auflage(Ein sehr individueller Essay von 1961 – der Vollständigkeit halber hiererwähnt)

QUELLEN UND WEITERES LESENSWERTES

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Diese Liste berücksichtigt ausdrücklich nur Materialien zum Thema des Films und verzichtet bewusst auf eine breitereBibliographie zu Hannah Arendts Werken und Wirken, die jedoch in einzelnen Quellen leicht zugänglich ist und deminteressierten Leser sehr empfohlen sei.

Philosophie Magazin Heft 02/2013.Erscheinungsdatum 10.01.2013(Klassiker- Dossier Hannah Arendt)

Prinz, Alois: Hannah Arendt oder Die Liebe zur Welt.Frankfurt (insel taschenbuch) 2012

Prinz, Alois: Beruf Philosophin oder Die Liebe zur Welt.Die Lebensgeschichte der Hannah Arendt.(Beltz & Gelberg) 2001(Eingängig zu lesendes Jugendbuch auch im Kontext der deutschenPhilosophie des 20. Jahrhunderts)

Smith, Gary (Hrsg.): Hannah Arendt Revisited: „Eichmannin Jerusalem“ und die Folgen. Frankfurt/Main 2000(Gesammelte Aufsätze für eine Konferenz, die aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven Hannah Arendts Wirkung neu einschätzen; sehr anregend für Thesen und Diskussionen zum Thema)

Sontheimer, Kurt: Hannah Arendt. München (Piper) 2005(Leicht lesbare Einführung in Hannah Arendts Leben und Werk)

Stangneth, Bettina: Eichmann vor Jerusalem. Das unbehelligte Leben eines Massenmörders.Hamburg (Arche) 2011(Spannende Thesen zu Bekanntheit und Wirkung Eichmanns bisheute, wissenschaftlich sauber und provokant im Ton)

Verhörprotokolle von Adolf Eichmann. Opferberichtevon KZ-Häftlingen. Auszüge aus Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem. 2 CD Hörbuch (Laut gegenNazis-Edition der Deutschen Grammophon) 2007(Auszüge aus literarischen Werken insbesondere auch von jugendlichenZeitzeugen-Berichten und Rollenspiel Eichmann/Hauptmann AvnerLess in Gegenüberstellung. Sehr anschaulicher Überblick für Schülerals erste Anregung zum Weiterforschen)

Vowinckel, Annette: Arendt. Grundwissen Philosophie.Leipzig (Reclam) 2006(Sehr klare, auch kritische Übersicht über Hannah Arendts Leben undWerk mit Begriffsglossar)

Wiebel, Martin (Hrsg.): Hannah Arendt – Ihr Denkenveränderte die Welt. (Piper) 2012(Das Begleitbuch zum Film HANNAH ARENDT bietet einen Einblick indas Werk Hannah Arendts, in ihr Denken und Schreiben und eröffneteinen Blick hinter die Kulissen des Films und erzählt dabei dessenspannende Entstehungsgeschichte.)

Wild, Thomas: Hannah Arendt. Leben Werk Wirkung.(Suhrkamp BasisBiographie) Frankfurt/M. 2006(Kleines Bändchen, das durch Stichworte und Bilder sehr übersichtlichund anschaulich insbesondere auch den Bezug zur Belletristik der Zeitherstellt; speziell für den Deutschunterricht)

Wild, Thomas: Nach dem Geschichtsbruch. Deutsche Schriftsteller um Hannah Arendt. Berlin (Matthes & Seitz) 2009(Klare Übersicht über Hannah Arendts Rezeption im geistesgeschicht-lichen Umfeld der 60er und 70er Jahre in Deutschland)

Wojak, Irmtrud: Eichmanns Memoiren. Ein kritischerEssay. Frankfurt (Fischer Tb) 2004(Eindrückliche übersichtliche Analyse zu Eichmann und HannahArendts Blick auf ihn mit seltenem Bild- und Quellenmaterial)

Young-Bruehl, Elisabeth: Hannah Arendt. Leben, Werkund Zeit. Frankfurt (Fischer TB) 2004(Standardwerk der Arendt-Schülerin mit umfangreichem Nachlassmaterial)

www.britannica.com/holocaust/article-9342978(Englische Seite zur Definition und Rolle der Judenräte)

www.dhm.de.Website des Deutschen Historischen Museums Berlin(Unter den Suchbegriffen ARENDT und EICHMANN umfangreichesDatenmaterial zu Biographien und zeitlichem Kontext)

www.dradio.de/dlf/sendungen/essayunddiskurs/1408616(Text der Hörfunksendung vom 13.03.2011 von Wolfgang Dreßen 50 Jahre nach dem Eichmann-Prozess, der klar Hannah Arendts Haltung zusammenfasst)

www.HannahArendt-derFilm.de(Homepage des aktuellen Kinofilms)

www.hannah-arendt.de(Bietet übersichtlich wesentliches Material zu Hannah Arendt)

www.hannaharendt.netZeitschrift für politisches Denken(Aktuell gepflegte Seite zu Material und Wirkung in der NachfolgeHannah Arendts)

www.mediamanual.at/mediamanual/leitfaden/index.php(Fundamentales Basiswissen zur Filmanalyse in sehr kurzer übersichtlicher Form)

www.onlinekunst.de/oktober/14_10_arendt.html (Bildhafte anschauliche Seite mit vielen guten Links über die Biographieund aktuelle Bibliographie hinaus)

www.philomag.de(Homepage des philosophie Magazins, dessen Januarausgabe (Erschei -nungsdatum 10. Januar 2013) sich dem Thema Hannah Arendt widmet)

www.talmud.de/cms/Banales_und_Boeses_Hann.139.0.html(Jüdische Seite mit einer Darstellung von Sabine Steinhoff zu HannahArendts Prozessbericht)

www.uni-oldenburg.de/arendt-zentrum(Der Hannah Arendt Nachlass der University of Memphis/Tennesseewird dort auf Microfilm verwaltet)

www.welt.de/kultur/history/article13063495/Eichmann-zog-in-Jerusalem-eine-perfide-Show-ab.html (Artikel von Alan Posener anlässlich 50 Jahre Eichmann-Prozess vom04.04.2011 mit Verweis auf die Ausstellung in Berlin und einem Interviewmit der Buchautorin Bettina Stangneth)

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Die folgenden Websites wurden am 06.10.2012 zuletzt überprüft und verweisen auf weitere:

ALBERT SCHWEITZER –EIN LEBEN FÜR AFRIKA

1949 – in den ersten Jahrendes Kalten Krieges. AlbertSchweitzer ist dank seinerPhilosophie der „Ehrfurchtvor dem Leben“, die er inseinem Urwald-HospitalLambarene verwirklicht,einer der am meisten be-wunderten Menschen derWelt. Als Albert Einsteinihn bittet, mit ihm gemein-sam vor den Gefahren derAtombombe zu warnen,

interpretiert der US-Geheimdienst dies als Angriff auf diePolitik der westlichen Welt. Deshalb soll eine Verleum-dungskampagne das Lebenswerk des fast 75-jährigenSchweitzer in Misskredit bringen. Er gerät unter Druck,die Schließung des Hospitals droht. Soll er trotzdem seinemGewissen folgen und seine Stimme gegen die Atomgefahrerheben? Die Schwierigkeiten und den Mut, für seineÜberzeugungen und Wertvorstellungen zu kämpfen, werdenvor dem Hintergrund der McCarthy-Ära in den USA biszur Verleihung des Friedensnobelpreises gezeigt.

Das Material ist für die schulische und außerschulischeBildung ab 7. Klasse/12 Jahre und die Erwachsenenbil-dung gedacht.

FÄCHER: Deutsch, Philosophie, Religion, Ethik, Geschichte, Sozialkunde, Politik, Musik,Kunst

THEMEN: Entwicklungshilfe, Kolonialisierung, Kalter Krieg, Friedenspolitik, Atomwaffen,Individuum und Gesellschaft, Loyalität, Werte, Liebe, Familie, Globalisierung,Natur- und Tierschutz

FILMLÄNGE: 114 MinutenFSK: ohne AltersbeschränkungFBW-Prädikat: wertvoll

Die Onlinefassung des Schulmaterials zum Herunterladenfinden Sie unter: www.albertschweitzer-derfilm.de

CARLOS – DER SCHAKAL

Sein Name ist Ilich RamírezSánchez, doch die Weltkennt ihn als Carlos.CARLOS – DER SCHAKAL.Ein Phantom und ein Phä-nomen. 1975 verantworteter den Anschlag auf dasOPEC-Hauptquartier inWien, in den Jahren daraufagiert er als kaltblütigerMörder und effizienter Ma-nager organisierter Gewalt– und macht den Terror

zum Business. Er wird zum meistgesuchten Terroristender Welt. Immer wieder schafft er es mit Hilfe der Ge-heimdienste in Ost und West unterzutauchen. Mit denJahren verlassen ihn jedoch sein sicheres Gespür undseine treuen Partner, die ihn nun als Relikt des KaltenKrieges möglichst unauffällig loswerden wollen. Für heutige junge Zuschauer stellt der Film nicht nur Fragennach Schuld, Leid und Verantwortung in einer Epoche derjüngeren Geschichte, sondern auch die nach aktuellen gesell -schaftlichen und politischen Aufgaben ihrer Generation.

Das Material ist für die schulische und außerschulischeBildung ab Klasse 10/16 Jahre und die Erwachsenenbil-dung gedacht.

FÄCHER: Geschichte, Sozialkunde, Politikwissenschaft,Erdkunde, Ethik, Religion, Deutsch,Englisch, Film-AG

THEMEN: Terrorismus, Staatenbündnisse offen undverdeckt, Macht und Interesse,Geheimdienste, Palästina vs. Israel,Individuum und Gesellschaft,Utopie – Ideal – Realität, Revolution,Gewalt, individuell menschliche undgesamtgesellschaftliche Werte, Gender,Starruhm, Biographie, dokumentarischeund fiktive Erzählformen

FILMLÄNGE: 190 Min. (Einteiler) | 330 Min. (Dreiteiler)FSK: ab 16 JahrenFBW-Prädikat: besonders wertvoll

Die Onlinefassung des Schulmaterials zum Herunterladenfinden Sie unter: www.carlos-derfilm.de

HAT IHNEN DAS SCHULMATERIAL GEFALLEN?

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Weitere pädagogische Begleitmaterialien sind bei der NFP marketing & distribution GmbH erschienen.

LOURDESMuss man sich ein Wunderverdienen? Im Wallfahrts-ort Lourdes erhebt sicheine junge Frau aus ihremRollstuhl. Geheilt? Privile-giert? Oder letztlich dochvon Gott verlassen? Glau be,Hoffnung, Liebe: LOURDESverfolgt Grund konstantenmenschlicher Selbster -findung mit lakonischemHumor und ist eine realis-tische Bestandsaufnahme

alltäglicher Vorgänge in einem Wallfahrtsort und zugleichdas stille und präzise Nachdenken über menschlicheGrundbefindlichkeiten.

Das Material ist für die schulische und außerschulischeBildung ab 7. Klasse/12 Jahre und die Erwachsenenbil-dung gedacht.

FÄCHER: Religion, Ethik, Philosophie, Psychologie,Deutsch, Kunst, Darstellendes Spiel,FilmAG

THEMEN: Religion, Glaube, Schicksal, Marienwunder,Theodizée, Werte, Rituale, Glückssehnsucht,Gesellschaft und Menschenbild, Behinderung

FILMLÄNGE: 99 MinutenFSK: Freigabe ohne AltersbeschränkungFBW-Prädikat: besonders wertvoll

Die Onlinefassung des Schulmaterials zum Herunterladenfinden Sie unter: www.lourdes-derfilm.de

WOMEN WITHOUT MENDie Welt wurde im Juni2009 Zeuge wie die Män-ner und Frauen der Grü-nen Revolution im Iran umBürgerrechte, Freiheit undDemokratie rangen. ImHerbst 2009 hat die be-kannte Künstlerin ShirinNeshat dazu einen histori-schen Kinospielfilm präsen -tiert: WOMEN WITHOUTMEN erzählt ebensopoetisch wie brisant die

Geschichte von vier Frauenschicksalen im politisch-gesell-schaftlichen Umfeld der Unruhen im Jahre 1953. DieExilregisseurin greift dafür auf eine literarische Vorlageder Autorin Sharnush Parsipur zurück.

Das Material ist für die schulische und außerschulischeBildung ab Klasse 10/16 Jahre und Erwachsenenbildunggedacht.

FÄCHER: Politische Weltkunde, Deutsch, Englisch,Religion, Ethik, Sozialkunde, Kunst,Darstellendes Spiel, Film- und Foto-AGs

THEMEN: Gender, politische Hierarchien undHerrschaftssysteme, Islamismus, Freiheit,Tod und selbstbestimmtes Leben, Exil,bildende Kunst, Politik und Poesie

FILMLÄNGE: 99 MinutenFSK: ab 12 JahrenFBW-Prädikat: besonders wertvoll

Die Onlinefassung des Schulmaterials zum Herunterladenfinden Sie unter: www.womenwithoutmen-derfilm.de

Zum Filmstart am 10.01.2013erscheint auch die neue Ausgabedes Philosophie Magazins miteinem umfangreichen Dossierzu Hannah Arendt und einem16-seitigen Textauszug als heraus-nehmbares Booklet.

Sie können diese Ausgabe im Rahmen einer Kooperation zwischen NFPmarketing & distribution und dem Philosophie Magazin zu Vorzugskon-ditionen als Probeabonnement bestellen: Für 10,- EUR* erhalten Sie dasHannah-Arendt-Heft im Rahmen des Pakets kostenlos sowie die beidenfolgenden Ausgaben. Bestellung unter: Philosophie Magazin Leserservice,Tel. 040 - 41 44 84 63, Stichwort „NFP“.

Das Philosophie Magazin bietet alle zwei Monate philosophischeReflexionen zu aktuellen Ereignissen und zentralen Fragen des täglichenLebens. In jeder Ausgabe wird neben einem spannenden Heftthemajeweils ein/e große/r Denker/in vorgestellt, mit einem Dossier im Heftund einem Original-Textauszug als Booklet.Sie können die bisherigen Ausgaben bestellen, Einzelhefte für jeweils8,- EUR*, das gesamte Archivpaket (Ausgabe 1 – 6) für 30,- EUR*:Philosophie Magazin Leserservice, Tel. 040 - 41 44 84 63.

*Preis in Deutschland inkl. MwSt. und Versand. Weitere Länder auf Anfrage. Das Probeabo gehtin ein Jahresabonnement über, wenn nicht spätestens 2 Wochen nach Erhalt des dritten Heftesabgesagt wird. Das Jahresabonnement ist jederzeit kündbar. Preis des Jahresabonnement inDeutschland 36,- EUR inkl. MwSt. und Versand, weitere Länder auf Anfrage. Philosophie Magazinist eine Publikation der Philomagazin Verlag GmbH, Brunnenstraße 143, 10115 Berlin, Deutsch-land, Geschäftsführer: Fabrice Gerschel.

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Nr. 1 + Aristoteles Nr. 2 + Kant Nr. 3 + Nietzsche Nr. 4 + Sokrates Nr. 5 + Marx Nr. 6 + Buddha