Hannah Höch, 1976 - Michael Imhof Verlag · in ein Pulverfaß geworfen“, wie Hannah Höch es...

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Hannah Höch, 1976

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Page 1: Hannah Höch, 1976 - Michael Imhof Verlag · in ein Pulverfaß geworfen“, wie Hannah Höch es selbst be-zeichnete.4 Das Scheitern der Revolution und die politischen Schwierigkeiten

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Inhalt

9 Vorwort Sebastian Möllers / Andreas Schäfer

10 Vorhang auf für Hannah Höch Luisa Pauline Fink

20 Die Anti-Revue. Hannah Höchs unvollendetes Bühnenwerk Johanna Függer-Vagts 30 Großes Theater auf Papier. Zu Hannah Höchs Collagen Katharina Hoins

41 Katalog

82 Biographie

88 Werke in der Ausstellung 94 Autorinnen 96 Impressum

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Vorhang auf für Hannah Höch Luisa Pauline Fink

Dada siegt!2

Das Cabaret Voltaire in Zürich wurde 1916 von Hugo Ball und Emmy Hennings begründet. Es war über fünf Monate ar-tistischer und politischer Austragungsort, an dem sich Dada formierte. Die Künstlerbewegung stellte den Kunstbegriff grundlegend in Frage und setzte von Beginn an auf die Öff-nung der Grenzen zwischen bildender Kunst und Theater. Dada fand als Nom de Guerre schnell international Anklang – in Berlin, Hannover, Köln, New York und Paris bildeten sich in rascher Folge dadaistische Künstlerkreise mit je unter-schiedlichen Ausprägungen. Lesungen sinnfreier Gedichte, kakophone Musikdarbietungen, karnevaleske Rollenspiele und wilde Maskentänze waren bei den Soireen des Cabaret Voltaire Ausdruck von Widerstand angesichts einer durch den Ersten Weltkrieg ausgelösten tiefgreifenden politischen und kulturellen Krise. Künstler der ersten Stunde wie Hans Arp, Tristan Tzara und Richard Huelsenbeck entlarvten mit ihren Aktionen den „pervertierten Wertekanon einer Gesell-schaft, der zum Massentod in den Schlachtfeldern geführt hatte und der sich auch nach 1918 in der Weimarischen Lebensauffassung behaupten konnte“.3

Sophie Taeuber tanzend, mit einer Maske von Marcel Janco, Cabaret Voltaire, Zürich 1917

Hugo Ball in einem kubistischen Kostüm Cabaret Voltaire, Zürich 1916

Marcel Janco, Cabaret Voltaire Fotografie des verschollenen Gemäldes von 1916

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Dada Berlin oder infernalische Missklänge

In Berlin schlug Dada ein, als habe jemand „ein Streichholz in ein Pulverfaß geworfen“, wie Hannah Höch es selbst be-zeichnete.4 Das Scheitern der Revolution und die politischen Schwierigkeiten der jungen Weimarer Republik, die mit ei-nem „wahnwitzige[n] Simultankonzert von Morden, Kultur-schwindel, Erotik und Kalbsbraten“ einhergingen, lieferten den Nährboden für die zunehmende Radikalisierung von Dada.5 Im Berliner Dadakreis, der sich ab 1918 gebildet hat-te, war Hannah Höch die einzige Frau unter Künstlern wie Johannes Baader, John Heartfield, George Grosz und Raoul Hausmann.

Mit der Ersten Internationalen Dada-Messe (1920) und Ver- anstaltungen wie den Matineen im neu gegründeten Avant-gardetheater Die Tribüne sorgten sie bei Presse und Pub-

likum für Furore. Hannah Höch war im Rahmen der Dada-Aktionen ein Mal persönlich auf öffentlicher Bühne zu sehen: Ende April im Jahr 1919 fand begleitend zu einer Ausstellung in I. B. Neumanns Graphischem Kabinett am Kurfürsten-damm eine von Richard Huelsenbeck und Jefim Golyscheff initiierte Aufführung statt, bei der Höch Teil eines zehnköpfi-gen Chors war. Ausgestattet mit Topfdeckeln und einer Kin-derpistole stimmte der Chor gemeinsam mit einem Orches-ter in ein improvisiertes Simultankonzert ein, das möglichst laut infernalische Missklänge produzieren sollte. Hannah Höch beschreibt ihren Auftritt rückblickend als den „Dada-Olymp“, auf dem sie gestanden habe. Auch wenn ihr, wie sie schreibt, damals etwas bange zumute war, habe sie nicht feige erscheinen wollen und „was das Zeug, das Blechzeug, halten wollte mit Hingebung drauflosgedroschen [...]“.6

Eröffnung der 1. Inter- nationalen Dada-Messe in der Buchhandlung Dr. Burchard in Berlin, 1920 Stehend von links nach rechts: Raoul Hausmann, Otto Burchard, Johannes Baader, Wieland und Margarete Herzfelde, George Grosz, John Heartfield. Sitzend: Hannah Höch und Otto Schmalhausen

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Höchs Entwürfe zeigen nichtsdestotrotz, dass sie mit den Konventionen einer Nummernrevue deutlich bricht. In Ka-barettbühne II (1924/25) führen surreal anmutende Figuren an den Wänden und unter der Decke akrobatische Aktio-nen aus. Mit den Auftritten der Darsteller auf der Bühne hät-ten sie eine bunte Gemengelage gebildet und damit ganz im Sinne von Schwitters Erklärungen zur Merz-Bühne ein grotesk humorvolles Ineinandergreifen von Bühnenraum und Darstellern provoziert.8 Die blauköpfigen Tänzerinnen rechts an der Wand stellen eine visuelle Doppelung zu den Tänzerinnen der Bühne dar und konterkarieren spöttisch die stereotype Darbietung von Revue-Tänzerinnen jener Zeit, die betont erotisierend auftraten. Auch die Figur links mit dem kugelförmigen Gewand findet eine formale Entsprechung in Die Mäuse (1924/25) und erzeugt einen doppelbödigen Kommentar zu den Frauenfiguren, die Höch in Mäusekostü-men auftreten lässt. Die erhaltenen Blätter zur Anti-Revue sind – wenn auch die Darbietung als ein unterhaltsames Ereignis angelegt war – Zeugnis eines unkonventionellen Bühnenexperiments. Allein die Markierung einer illusionisti-schen Bühne im Hintergrund von Kabarettbühne II – einer Bühne hinter der Bühne – stellt aus heutiger Sicht eine pro-gressive Reflexion des Theaters dar.

Anti-Revue mit Kurt Schwitters

Für laute, bruitistische Auftritte hatte Hannah Höch ansons-ten jedoch wenig übrig. Dies wird auch anhand ihrer Zeich-nungen und Aquarelle zur Bühneninszenierung Anti-Revue deutlich, die sie in Zusammenarbeit mit Kurt Schwitters ent-wickelte (vgl. Abb. S. 22–25).7 Höch und Schwitters verband über viele Jahre eine enge Freundschaft und das gemein- same Interesse an einer Kunst, die sich bei aller Radikalität weiterhin mit ästhetischen Fragen auseinandersetzte. Den Entschluss zur Anti-Revue fassten Höch und Schwitters 1924 nach dem für sie enttäuschenden Besuch der Revue-Vorstellung Halloh! Die große Revue von Paul Lincke im Metropol-Theater in Berlin. Unter dem Titel Schlechter und Besser sollte ein Revuestück entstehen, das dem biederen Rahmen des Genres etwas entgegenzusetzen vermochte. Dabei war vorgesehen, dass Höch die Bühnenbilder und Kostüme entwarf und Schwitters die Regie übernahm. Für die Libretti wurde der Komponist und Kritiker Hans Heinz Stuckenschmidt gewonnen. Da die Inszenierung nie zur Aufführung kam, lässt sich die Szenenfolge heute nur noch in Ansätzen rekonstruieren. Aus den erhaltenen Entwürfen wird allerdings deutlich, dass die Anti-Revue nicht im Sinne einer dadaistischen ‚Anti-Performance‘ zu verstehen ist, son- dern eine Dramaturgie und Rollenfiguren weitgehend bei-behalten wurden.

Anti-Revue: Kabarettbühne II, 1924/25, Aquarell, Gouache und Bleistift, 34 x 48,9 cm

Berlinische Galerie, Landes-museum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur

Bühnen- und Figurinen- entwurf für die Anti-Revue Schlechter und Besser: Die Mäuse, 1924/25 Aquarell, Gouache und Bleistift, 29,5 x 20,9 cm

Berlinische Galerie, Landes-museum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur

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Album, 1933 Album und Collage, 36 x 28 x 3 cm

Berlinische Galerie, Landes-museum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur

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Die Anti-Revue. Hannah Höchs unvollendetes Bühnenwerk Johanna Függer-Vagts

Der Tanz zählt zu den Phänomenen, die von den wachsenden Medienunternehmen der Weimarer Republik mit Begeiste-rung aufgegriffen werden, und hat unter anderem durch die Methodik Rudolf von Labans und Émile Jaques-Dalcrozes Impulse erfahren, die ihn für ein zeitgenössisches Publikum interessant gemacht und das Körperbewusstsein durch eine Reflexion über das gesellschaftliche Geschlecht revo-lutioniert haben. Tanz wird im frühen 20. Jahrhundert nicht nur in seiner historischen Entwicklung untersucht, sondern auch auf eine neue theoretische und didaktische Grundlage gestellt.1 Gleichzeitig mit der Etablierung des avantgardis-tischen Ausdruckstanzes in der Zwischenkriegszeit durch Tänzerinnen wie Mary Wigman, Gret Palucca, Josephine Baker und deren Nähe zu künstlerischen Kostümbällen, Da-da-Soireen und Festen ziehen in Berlin kommerzielle Institu-tionen der Unterhaltungsbranche wie das Metropol-Theater durch ihre Jahresrevuen und Shownummern ein Massen-publikum an.2 Hannah Höch wendet sich diesem populären oder kulturindustriellen Musiktheater ebenso zu wie den Experimenten der Avantgarde.

Im collagierten Album, das um 1933 entstand, sind seiten-füllend Pressefotografien tänzerischer Figurationen wie ein abstraktes Formenvokabular versammelt. Die Kunsthisto- rikerin Susan Laikin Funkenstein, die Höchs Auseinander-setzung mit dem tänzerischen Medium untersucht, be-schreibt die „spezifischen geometrischen Formen“, die in den Fotografien gezeigt werden, als Figurationen von Recht-ecken, Bögen, Kreisen und Winkeln.3 „Trotz kultureller Differenzen“, so Funkenstein über populäre, expressive, folk-loristische und asiatische Tänze, „eint [sie] die gemeinsame Grundlage der Geometrie.“4 Während Hannah Höch einer-seits an diesen ‚turbulenten Figurationen‘ interessiert ist, die der avancierte zeitgenössische Tanz ausbildet, und selbst wiederholt Kostüme entwirft und ins Gewand der Tänzerin schlüpft – wie im Kostüm zum Zilleball –, wendet sie sich 1925 dem eigenen Projekt eines Revuestückes zu, das ins Gegenteil rhythmischer Raumerschließung und freier Gestiken des Ausdruckstanzes umschlägt.5

Kat. 14

Kostüm zum Zilleball, um 1924 Bleistift

Hannah Höch nach einem Kostümfest, 1926

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Kat. 20

Mechanischer Kopf (Entwurf), um 1925 Bleistift

Kat. 23

Die Puppe Balsamine, 1927 Deckfarben

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Kat. 29

Der Berg, 1939 Öl auf Leinwand

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Kat. 26

Wilder Aufbruch, 1933 Öl auf Leinwand

Kat. 31

1945, 1945 Öl auf Leinwand

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