Hans-Jürgen Weißbach, Elmar Witzgall, Robert Vierthaler, Außendienstarbeit und Neue Technologien...

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Hans-Jürgen Weißbach · Elmar W itzgoi I · Robert Vierthaler AUSSEN DIENSTARBEIT UND NEUE TECHNOLOG I EN Branchentrends, Fallanalysen, Interviewauswertung en -----· ......... . ----· ......... . ----· ..... . ----· ... ··- -----· .... ·- ------·. ····-- MENSCH UNDTECHNIK SOZIAL- VERTRAGLICHE TECHNIK- GESTALTUNG 13 Westdeutscher Verlag

Transcript of Hans-Jürgen Weißbach, Elmar Witzgall, Robert Vierthaler, Außendienstarbeit und Neue Technologien...

  • Hans-Jrgen Weibach Elmar W itzgoi I Robert Vierthaler

    AUSSEN DIENSTARBEIT UND NEUE TECHNOLOGIEN Branchentrends, Fallanalysen, Interviewauswertungen

    ----- ......... . ---- ......... . ---- ..... .

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    MENSCH UNDTECHNIK SOZIAL-VERTRAGLICHE TECHNIK-GESTALTUNG 13

    Westdeutscher Verlag

  • Hans-Jrgen Weibach Elmar WitzgaU Robert Vierthaler

    Auendienstarbeit und neue Technologien

  • Sozialvertrgliche Technikgestaltung Band 13

    Herausgeber: Der Minister fr Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen

    Die Schriftenreihe .,Sozialvertrgliche Technikgestalrung" verffentlicht Ergebnisse, Er-fahrungen und Perspektiven des vom Minister filr Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen initiierten Programms .,Mensch und Technik - Sozial-vertrgliche Technikgestaltung''. Dieses Programm ist ein Bestandteil der .. Initiative Zukunftstechnologien" des Landes, die seit 1984 der Frderung, Erforschung und sozialen Gestaltung von Zukunftstechnologien dient. Der technische Wandel im Feld der Mikroelektronik und der modernen Informations-und Kommunikationstechnologien hat sich weiter beschleunigt. Die konomischen, sozialen und politischen Folgen durchdringen alle Teilhereiche der Gesellschaft. Neben positiven Entwicklungen zeichnen sich Gefahren ab, etwa eine wachsende technolo-gische Arbeitslosigkeit und eine sozialunvertrgliche Durchdringung der Gesellschaft mit elektronischen Medien und elektronischer Informationsverarbeitung. Aber es bestehen Chancen, die Entwicklung zu steuern. Dazu bedarf es einer breiten ffentlichen Diskus-sion auf der Grundlage besserer Kenntnisse ber die Problemzusammenhnge und Ge-staltungsalternativen. Die Interessen aller vom technischen Wandel Betroffenen mssen angemessen bercksichtigt werden, die technische Entwicklung mu dem Soziai-staatspostulat verpflichtet bleiben. Es geht um sozialvertrgliche Technikgestaltung. Die Schriftenreihe .,Sozialvcrtrgliche Technikgestaltung" ist ein Angebot des Ministers fur Arbeit, Gesundheit und Soziales, Erkenntnisse und Einsichten zur Diskussion zu stellen. Es entspricht der Natur eines Diskussionsforums, da die Beitrge die Meinung der Autoren wiedergeben. Sie stimmen nicht unbedingt mit der Auffassung des Heraus-gebers berein.

  • Hans-Jrgen Weibach Elmar WitzgaU Robert Vierthaler

    Auendienstarbeit und neue Technologien Branchentrends, Fallanalysen, Interviewauswertungen

    Westdeutscher Verlag

  • CIP~Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

    Auendienstarbeit und neue Tccbnologicn: Branchentrends, Fallanalysen, Interviewauswertungen I

    Haos~JUrgeo Weissbach; Elmar Witzgall; Robcrt Vierthaler.-Opladen: Westdt. Verl., 1990

    (Sozialvertrgliche Technikgestaltung~ lld. 13) ISBN 3~531-12207-X

    NE: Witzgall, Elmar:; Vierthalcr, Robcrt:; GT

    Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Beeteismann International.

    Alle Rechte vorbehalten 1990 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen

    Das Werk einschlielich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschtzt. Jede Verwertung auerhalb der (fngen Grenzen des Urheberrechtsge-setzes ist ohne Zustimmung c:les Verlags unzulssig und strafbar. Das gilt insbesondere fUr Vervielfltigungen, bersetzungen, Mikroverfil-mungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    Umschlaggestaltung: Hansen Werbeagentur GmbH, Kln Druck und buchbinderische Verarbeitung: Weihert~Druck, Darmstadt Printed in Germany

    ISBN 3-531-12207-X

  • Inhaltsverzeichnis

    Vorbemerkung ......................................... 1

    1. Auendienst als Forschungs- und Gestaltungsfeld ..... 3

    2. Auendienst als Dienstleistungsarbeit: Theoretische Anstze ...... ~ ....................... 13

    2.1. Auendienst als Vermittlungsarbeit ................ 15 2.1.1. Erklrungsbedrftigkeit von Gtern .............. 18 2.1.2. Informationshaltigkeit von Gtern ............... 19 2.2. Auendienst und Marktdifferenzierung .............. 21 2.2.1. Produktlebenszyklus, Sttigungsmrkte,

    Verdrngungsmrkte .............................. 21 2.2.2. Marktdifferentierung und Formen der

    Kundertbeeinflussung ............................. 24 2.3. Auendienst und Marktanonymitt ................... 27 2.4. Verschiebung voh Vermittlungsarbeit auf hhere

    Ebenen ........................................... 32 2.5. Substitution von Vermittlungsarbeit durch

    Produkte und Kundenselbstbedienung ................ 34 2.6. Von Produkt- zu Beratungsmrkten? ................. 37 2.7. Neue Distributionskonzepte ........................ 39 2.7.1. Gibt es einen Anachronismus der mitarbeiter-

    bezogenen im Vergleich zu den kundenbezogenen Kontroll formen? .................................. 40

    2.7.2. Die VeriA~eruh~ und Zentralisierung kunden-bezogenen Wissens ............................... 41

    2.7.3. Der Auendienst in der Konfliktzone zwischen Hersteller~ und Handelsmacht .................... 45

    2.8. Kommunikative Rationalisierung und strategis~he Kommuhikation ....................... 49

    2. 9. Hypothesen ..................................... 55 2.10. Untersuchungsdimensionen und Methode ............. ss

  • VI

    3. Hinter den Kulissen des Aupendienstes: ; Informatisierte Planung und Steuerung der Au,endiens tarbei t ............................... 64

    3.1. Vom Batch zum Dialog: die Entwicklung von.Vertriebsuntersttzungssysteme ....... ~ ... ;~.65

    3.2. Mechanistische Vertriebssteuerungskonzepte ....... 75 3.3 .. Das. sich selbst ad absurdum fhr~nde

    mechanistische Vertriebssteuerungskonzept: Der Fall H-~~.; ... ~" .. 81

    3.4. Grenzen der mechanistischen Vertriebssteuerung: Handelsmacht und turbulente Mrkte ....... ~ ..... 88

    3.5. Neue Marktanforderungen - auf der Suche nach Alternativen zur hard-selling-Praxis: Der Fall Q ..................... .................. 92

    3.6. Die neue Rollenunklarheit des Aupendienstes im "postmechanistischen" Distributionskonzept ........ 99

    3.7. Wandel und Stabilitt von Anreiz~ und Steuerungssystemen im "postmechanistischen" Vertriebskonzept ............................... 104

    3. 7 .1. Prmiensysteme .............................. 104 3.7.2. Management by objectives ...................... 110 3.7.3. Leistungswettbewerbe und "incerttives" .......... 112 3.7.4. Mehr Transparenz und Selbststeuerung im

    Aupendienst? ................................ 113

    4. Ttigkeiten und Technikeinsatz im AuPendienst: Branchentrends und Fallstudien ................. 118 4~1. Die Allgegenwart der Echtzeituhr: Vertriebs-

    auPandienste in der Nahrungsrnittelindustrie ..... 118 4.1.1. Aupendienst ersetzt Einzelhandelsarbeit -

    ersetzt die Speditionsarbeit knftig die Aupendienstarbeit? .......................... 118

    4.1.2. Mobile Datenerfassung als Spiegelbild zentralistischer Logistikkonzepte~ ...... ~ ...... 122

    4.1.3 Leistungsverdichtung durch Pensumsteuerung als Preis der Festentlohnung.~ .... ; ...... 126

    4.1.4. Die Echtzeituhr als Preis der Nichtaue-lagerung des eigenen Fuhrparks? Der Fall N1132

  • VII

    4.1.5. Taktung der Vertriebsarbeit ohne Echt-zeitkontrolle: Der Fall N2 ..................... 138

    4.1.6. Zusammenfassung und Ausblick ...... : ............ 143

    4.2. Zwischen Professionalisierung und hard-selling: Ttigkeits- und Statusdifferenzierung der Auendienste in der Chemie- und Pharmaindustrie .. 145

    4.2.1. Deprofessionalisierung und Marginalisierung der Mitarbeiter im Markenartikelvertrieb? ...... 148

    4.2.2. Subprofessionals beraten Vollprofessiorials: Der Pharmaauendienst ... : ...................... 152

    4.2.3. Kompetenz statt Frequenz: Der Fall f ........... 162 4.2.4. Differenzierung von Technikeinsatzlinien

    im Pharmaauendienst ........................... 167 4.2.5. Informationstechnische Zentralisier.ung

    "auf Vorrat: Der Fall C2 ...................... 17 3 4.2.6. Die langen Schatten des europischen Binnen-

    marktes: Der Fall CJ .......................... 179 4.2.7. Zusammenfassung und Ausblick ................... 184

    4.3. Anstze zur Ttigkeitsintegration im Investitionsgtervertrieb: Auendienste in der Metall- und Elektroindustrie .................... 186

    4.3.1. Vertrieb von Investitionsgtern und in-vestitionsgterhnlichen Produkten ............ 190

    4.3.2. Erfolgreiche Teilintegration von Verkauf, Beratung und Verwaltung: Der Fall~ ....... 197

    4.3.3. Verhinderung der Ttigkeitsintegration von Vertrieb und Wartung im grobetrieblich-brokratisierten Arbeitskrafteinsatz: Der Fall ................ : ... ~ ................ 203

    4. 3. 4. Zusammenfassung und Ausblick. ~ ........ ......... 209

    4. 4. Auf dem Wege zum Chipklernpner"? Der rlartungs-auendienst in der Comtiuter~ndustrie ............. 211

    4.4.1. Dequalifizierung in der Hardware-, hohe Anforderungen in der Systemsoftwarewartung ..... 212

    4.4.2. Aus 11 onlinett-Arbeit wird 11 offline 11 -Arbeit ...... 216

  • VIII

    4.4.3. Der mittelstndische Markt als Zentrali-sierungshemmnis: Der Fall ll .................. 219

    4.4.4. Hyperzentralistische Fernwartungskonzepte im Hochtechnologiebereich: Der Fall !2 ......... 229

    4.4.5. Zusammenfassung und Ausblick ................... 233

    4.5. Ablsung alter und Entstehung neuer Au~en-dienste im Druck- und Verlagswesen ............... 235

    4.5.1. Bedeutungsverlust der Verlagsberater ........... 236 4.5.2. Das lange Warten auf die Text-Bild-

    Integration: Der Fall Q ....................... 238

    4.6. Anpassung an vernderte Wettbewerbssituation und verndertes Kundenverhalten: Der Versipherungsauendienst ......................... 244

    4.6.1. EDV in der Versicherungsbranche ................ 249 4.6.2. Neue Marketingkonzepte ........................ 252 4.6.3. Au~endienstuntersttzungs- und -steuerungs-

    systeme ....................................... 258 4.6.4. Der ganz gewhnliche Au~endienstmitarbeiter:

    Telefon und Briefpost als Informationsber-tragungs- und Kommunikationsmittel: Der Fall Y!, ........................ 259

    4.6.5. Btx als Fortfhrung einer Dezentralisierungs-politik: Der Fall V2 ......................... 261

    4.6.6. Status- und Technikdifferenzierung im Au~endienst als Mittel der Kanalisierung von Dezentralisierungsbestrebungen: Der Fall V3 ................................... 263

    4.6.7. "Intelligente" Technologien mit unintelli-genter Nutzung: PC und Laptop im Auendienst: Der Fall Y,t .. 268

    4.6.8. Laptops im beratungsintensiven Einsatz: Der Fall VS .................................. 270

    4.6.9. Zusammenfassung und Ausblick ............... 270

  • IX

    5. Aupendienstarbeit aus Sicht der Betroffenen ...... 279 5 .1. Methodisches ................................... 279 5.2. Die berufliche und personelle Zusammen-

    setzung des Samples .............................. 281 5.3. Funktionen, Kompetenzen und Bedingungen

    von Auendienstarbeit ............................ 285 5.4. Neue Informations- und Kommunikationstechno-

    lagien im Auendienst Erfahrungen beim betrieblichen Einsatz ............................ 291

    5.5. Wie verndern die neuen IuK-Technologien die Arbeitssituation? ........................... 294

    5.6. Interessenartikulation und Ansprche an die kollektive Interessenvertretung .................. 297

    5.7. Zusammenfassung .................................. 301

    6. Branchenbergreifende Organisations- und Techniktrends im Aupendienst ....................... 303

    6.1. "Es gibt nichts Neues im Handel, das es nicht schon einmal gegeben hat" .................. 306

    6.2. Reaktionstypen der Unternehmen auf Unsicher-heiten in Vertrieb und Auendienst ............... 308

    6.3. Das Dilemma konzeptionell geforderter oder planmig eingeschrnkter "Subjektivierung" des Auendienstes: Lt sich "strategische Kommunikation" dekretieren oder verbieten? ...... 313

    6.4. Die Paradoxierung der mechanistischen Ver-triebssteuerungskonzepte als Ursache ihrer Zhlebigkai t .................................... 317

    6.5. Das Ende des Handelsvertreters - aber kein Trend zum "Normalarbeitsvertrag"? .............. 318

    6.6. Deckungsbeitragsorientierung statt Umsatz-oder Besuchsfrequenzsteuerung? ................... 327

    6.7. Erste Anstze zu Ttigkeitsintegration und Professionalisierung ............................. 330

    6.8. Der Auendienst in der Vernetzungswirtschaft: Restgre oder unverzichtbare Problernlsungs-instanz? ......................................... 3 33

    6.9. Szenarien der Auendienstentwicklung ............ 339

  • X

    7. Innovationsbedarf und soziale Innovations-gestaltung im Auendienst ......................... 345

    7 .1. Handlungsfeld Qualifizierung ..................... 345 7.2. Probleme gewerkschaftlicher Betreuung und der

    Betriebsratsarbeit im Auendienst ................ 354 7.3. Probleme der Technikgestaltung und Mit-

    bestimmung im Auendienst ........................ 358 7.3.1. Die Mitbestimmungsproblematik beim Netzwerk-

    einsatz ........................................ 359 7.3.2. Von der Dateneinsicht durch den unmittel-

    baren Linienvorgesetzten zum Routinesuch-lauf? .......................................... 364

    7.4. Der europische Binnenmarkt und die Auendienste ..................................... 365

    Literaturverzeichnis .................................. 372

    Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen:

    Tab. 1:

    Abb. 2:

    Abb. 3:

    Abb. 4:

    Abb. 5:

    Abb. 6:

    Abb. 7:

    Abb. 8: Abb. 9:

    Abb.10:

    Abb.ll:

    Oberblick ber die untersuchten Auendienstfelder ... ~ .......................... 63 Technikeinsatzlinien im Versicherungs-auendienst ................................... 275 Die berufliche, qualifikatorische und personelle Zusammensetzung des Sarnples ........ 282 Grnde fr Berufswahl, Besttigung der beruflichen Erwartungen ....................... 284 Umsatzentwicklung, Einkommensentwicklung und durchschnittliche Wochenarbeitszeit ....... 288 Neue IuK-Technologien: Aktuelle Auswir-kungen und Erwartungen ....................... 295 Regulationsformen der individuellen vs. kollektiven Interessenvertretung .............. 299 Entwicklungstrends im Auendienst ............ 305 Reaktionsweisen auf Unsicherheit im Vertrieb ...................................... 312 Regulierung von Umsatz, Einkommen, Ver-triebsaktivittenund Beschftigung ........... 322 Status- und Einkommenspyramide im Auendienst ................................. 325

  • Vorbemerkung

    Der vorliegende Forschungsbericht entstand im Rahmen des vom Ministerium fr Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen gefr-derten Sotech-Projekts "Mitarbeiter im Auendienst", das von Mal 1987 bis September 1988 von AIQ e. V. in Dortmund durchgefhrt wurde. Das Projekt wurde von Hans-Jrgen Weibach geleitet, der auch den grten Tell des vor-liegenden Berichts verfate. Als WissenschaftUche Mitarbeiter wirkten Robert Vierthaler und Elmar Wltzgall im Projekt mit. Elmar WitzgaB sehrleb das Ka-pitel 5., Robert Vlerthaler betelUgte sich an der Durchfhrung von mehreren Fallstudien und wertete die Literatur zu Kapitel 4.6. aus. Er schied jedoch vor Beginn der Arbeit am Abschlubericht aus dem Projekt aus. Der gesamte Bericht wurde zu Anfang des Jahres 1990 von Hans-Jrgen Weibach noch einmal aktualisiert und berarbeitet.

    Im Projekt arbeiteten auer den Genannten wetterhin mit: Ronald Kohl, der wtchtl.ge Vorarbeiten und umfangreiche Untersttzung bei der administrativen Abwicklung leistete, Michael Schnnann, der mit Interview- und Auswer-tungsarbeiten befat war, Nicole Stelnau, die fr die Broorganisation und den Textausdruck verantwortlich war, Barbara Weibach, dle den Prototyp einer Auendienstuntersttzungssoftware konzipierte.

    Ein ursprnglich vorgesehener Berichtstell zur Entwicklung dieses Software-pakets, das mit Hilfe einer Kleindatenbank entwickelt wurde, wird im Rahmen dieser Verffentlichung aus verschiedenen Grnden noch nicht abgedruckt. Zum einen hat sich die Angebotssituation auf den Softwaremrkten in den 15 Monaten seit Abschlu des Berichts so rapide verndert, da die damals ent-wickelten, etwas euphorischen Einschtzungen z.B. hinsichtlich der Mglichkeit des Einsatzes von Prototypingverfahren beim betriebsspezifischen Anpaproze von Vertriebssoftware einer Revision bedrfen: Der Durchsetzungsproze von Standardsoftware im Auendienst vollzieht sich schneller als erwartet. Zum anderen sind die betrieblichen Mindestanforderungen an den Hard- und Saft-wareeinsatz im Auendienst in der Zwischenzelt deutlich gestiegen, so da -auch angeslchts der laufenden Preissenkungen fr Portables - ein Einstieg in mobile Technologien unterhalb der Ebene von Festplattensystemen tm Vertrieb kaum noch sinnvoll erscheint. Das heit nicht, da unsere Untersuchungser-gebnisse insgesamt nicht mehr aktuell wren; im Gegentell ist darauf hinzu-weisen, da die konzeptionelle Durchdringung der Technologieinsatzproblematlk

  • 2

    im Auendienst, die Einfhrung der entsprechenden Systeme, die Beratung der Betriebsrte und vor allem die Qualifizierung der Mitarbeiter mit dem Bedarf kaum Schritt gehalten haben. Auf diese Themen und auf unsere Prototy-penentwicklung wie auf die darauf gegrndete Beratungs- und Zielgruppenar-beit werden wir im Rahmen einer gesonderten Verffentlichung eingehen.

    Wichtig erscheint uns noch der Hinweis, da sich die erwartete Konzentra-tionswelle in den Vertriebsauendiensten auch nach Abschlu der Arbeit an unserem Bericht fortgesetzt hat. Fr kleine und mittlere Unternehmen 1st die Schwelle zur Entwicklung von speziell auf ihre Bedrfnisse hin angepaten Systemen weiter gestiegen. Allein drei der von uns untersuchten Unternehmen sind seit 1989 aufgekauft worden, wobei sie ihren selbstndigen Marktzugang z.T. verloren und die Auendienste das Unternehmen und ggf. den Arbeitsort gewechselt haben (vgl. WEJSSBACH 1989).

    Abschlleend mchten wlr nicht versumen, insbesondere Joachim Liesenfeld vom Projekttrger RISP, der das Projekt engagiert betreute, und unserem KCJ-operatlonspartner Eckart Scholz von der Abteilung Angestellte beim DGB-Bundesvorstand zu danken.

    Dortmund, im Januar 1990 Hans-Jrgen Weibach Elrqar Wi tzgall

  • 1. AuPendlenst als Forschungs- und Gestaltungsfeld

    Wer kennt nicht den "AuPeridienstler", der mittags in der gutbrgerllchen Gaststtte beim preiswerten Stammessen seine Auftragsformulare ordnet, ergnzt und die nchsten Kundenbesuche vorbereitet, der seinen Service-wagen in der zweiten Spur abstellt und herausspringt, um Feinkostsalate auszullefern, der mit einer schweren Werkzeugtasche und Handbchern unter dem Arm durch die Pupgngerzone zur Reparatur eilt, oder der im grauen Anzug (durch den er sich vom Flliallelter unterscheidet) Waren von der Palette in das Regal des Supermarktes nachfllt, weil dort auPer an der Kasse kein Verkaufspersonal mehr zu sehen ist.

    Uns allen sind diese Bilder zwar gelufig. Fundierte Analysen ber das breite Spektrum von AuPendienstarbelt, ber die dort Beschftigten und ber die Entwicklung ihrer Ttigkelten gibt es jedoch nicht. Dabei ist damit zu rechnen. dap fast 600.000 Arbeitnehmer und Selbstndige mit AuPendienstttigkelten in Vertrieb, Beratung. Service und Reparatur be-schftigt sind. Nicht mitgezhlt und auch in unserer Untersuchung nicht bercksichtigt sind: die gelegentlich reisenden Innendienstler, diejenigen gewerblich Beschftigten, die lngerzyklische Ttigkelten an wechselnden Einsatzorten (z.B. auf Baustellen oder als Auslandsmonteure) verrichten, ferner dle im Personen- und Gtertransport (Bahn, Personennahverkehr, Werksverkehr und Spedltlonsverkehr, Luft- und Seeverkehr) beschftigten Personen sowie Zhlerableser, Postzusteller, Slcherheltsdlenste usw., die tglich von einem festen Sttzpunkt aus arbel ten oder regelmpige Tou-ren fahren.

    Das Desinteresse der Industriesoziologie (aber auch der "An-gestelltensozlologle" oder der Arbeitswissenschaft) an den Aupendlenstt-tlgkelten hngt unmittelbar mit einem konstitutiven Merkmal dieser T-tigkeiten zusammen: mit Ihrer nicht vorhandenen oder nur schwach ent-wickelten Einbindung in einen "Betrieb" 1 > Wegen Ihres analytischen

    1 > Dieses Desinteresse zeigt sich brigens auch ln unserer Studie zur Organisation und Planung der industriellen Instandhaltung (MALSCH u.a. 1982), in der die Service- und Wartungstechniker der Maschinenhersteller im AuPendlenst wie auch die Leihhandwerker bei den Anwendern global

  • 4

    Betriebsbezuges hat die Industriesoziologie die Ttigkeiten im Auen-dienst weitgehend vernachlssigt. Auch die Untersuchungen zu Ttigkeit und Bewutsein von Angestellten ln den 60er und 70er Jahren haben dieses Defizit nicht kompensiert. Man mu schon bls auf Slegfrled Kra-cauer zurckgehen, wenn man berhaupt Materialien und sporadische An-merkungen zu Auendienstttigkelten finden will. Dtese wirken dafr berraschend aktuell:

    "Ich pfeif. auf Tarif! Lohn und Brot ist mlr Heber. Welch. Arbeitgeb. mchte gern ein. zuverlss. vlels. geblld. Kaufm., Ende 40er, fr Innen-und Auendienst als Mitarbeiter?" (Anzeige 1929 in einer Berliner Ta-geszeitung, ln: KRACAUER l 930).

    Die Anzeige verdeutllcht, da die Auendienstarbeit stets eine Sphre darstellte, in der sich das "Normalarbeltsverhltnls" - wenn es denn berhaupt bestand und nicht der selbstndige Handelsvertretertypus do-minierte - unter dem Druck konomischer Krisen und erzwungener Fluk-tuation besonders schnell zurckblldete. Im Auendienst war kaum mit Widerstand der brigen Mitarbeiter, Betriebsrte oder Gewerkschaften gegen die Einstellung von Personen zu rechnen, die nicht zu tarlfllch vereinbarten "Normalbedingungen" beschftigt waren. Selbst in jenen lngeren Prosperittsphasen, dle dle Obernahme von Handelsvertretern in Angestelltenarbeitsverhltnisse begnstigten, haben sich "Normalarbeitsverhltnisse" lm Auendienst nie vollstndig durchsetzen knnen.

    Fr die unternehmerlache Entscheidung, ob Auendienstier als Ange-stellte oder Handelsvertreter beschftigt wurden, und fr dle vertragli-che Ausgestaltung der Auendienstvertrge spielen mehr noch .als die Angebots- und Nachfragesituation auf dem Arbeitsmarkt Zweck-mlgkelts-, Kontroll- und Verfgbarkeltsargumente eine Rolle, die sich nicht zuletzt aus Besonderheiten der jewe111gen Absatzkette ergeben. Der groen Mannigfaltigkelt der Ttigkeltsformen und Vertragsv.erhltnlsse im Auendienst tragen weder Arbeits- noch Handels- (HGB) oder Werkvertragsrecht (BGB) vollstndig Rechnung. So geht das Handelsrecht seit ber 90 Jahren unbeirrt davon aus, da es sich bei einer Person,

    unter ''Fremdleistungen" subsumiert, aber. lm einzelnen nicht weiter untersucht wurden.

  • 5

    die f'iir einen Unternehmer Geschfte vermittelt oder abschliet, stets selbst um einen Gewerbetreibenden handelt, sofern er Ttigkeit und Ar-beltzelt "Im wesentlichen frei" bestimmen kann ( 84 I HGB). Den Han-delsvertreter trifft die Sorgfaltspflicht des ordentUchen Kaufmanns ( 86 IIJ HGB). Wenn Eigenart und Umfang des Geschfts keine kaufmnnischen Einrichtungen erfordern oder wenn Arbeitserleichterungen (z.B. Bros) des Geschftsherrn genutzt wurden, bleibt er doch nach fi 4 HGB wenigstens Minderkaufmann .. Eine uneingeschrnkte Abschluberechtigung ist fr die Erlangung des Selbstndigenstatus gar nicht erforderlich: Auch sog. Ver-mittlungsvertreter, die nur Vertragsantrge entgegennehmen ( 55 IV, 91 II HGB) oder Nebenberufler ( 92 b HGB) sind Handelsvertreter. Hingegen sieht das HGB an anderer Stelle vor, da auch angestellte Handlungsgehi1fen fr die von ihnen vermittelten oder geschlossenen Geschfte Provisionen empfangen knnen ( 65 HGB) oder als Abschlu-vertreter auerhalb des Betriebes ( 55 I HGB) ttig sein knnen. Es gibt also keine eindeutigen kaufmnnischen Kriterien der Punk-tionsabgrenzung von selbstndigen Au(.\endienstttlgkeiten. Deren Regu-Herung ist bis auf wenige gesetzllch fixierte Rechte mehr oder weniger den Zweckmigkeltserwgungen des "Prinzipals" (so immer noch 60 ff. HGB) berlassen. Zu diesen Rechten gehren lediglich: der Kundenschutz, d.h. die Provisionsflligkeit auch ohne eine vermittelnde Ttigkeit des Auendienstlers, nmlich dann, wenn ihm der Bezirk dauerhaft zugewie-sen wurde; gestaffelte Kndigungsfristen je nach Dauer des Vertrags-verhltnisses; und ein Ausgleichsanspruch bel Ausscheiden aus dem Dienst.

    Dte persnliche Abhngigkeit vom Prinzipal beklagt schon Gregor Samsa, Kafkas melanchollscher Tuchwarenvertreter mit Inkassobefugnis aus der Erzhlung "Die Verwandlung" (KAFKA 1965, S. 11 ff.), der durch einen Kredit an seinen Chef geknebelt ist: "Ach Gott ... was fr einen an-strengenden Beruf habe ich gewhlt! Tagaus, tagein auf der Reise. Die geschftlichen Aufregungen sind viel grer als im eigentlichen Geschft zu Hause, und auerdem ist mir noch die Plage des Relsens auferlegt, dle Sorgen um die Zuganschlsse, das unregelmige schlechte Essen, ein im-mer wechselnder, nle andauernder, nle herzUch werdender menschlieber Verkehr. Der Teufel soll das alles holen I ... Dies frhzeitige Aufstehen ... macht einen ganz bldsinnig ... Nun, dle Hoffnung lst noch nicht gnz-lich aufgegeben: habe ich einmal das Geld beisammen, um die Schuld der Eltern ... abzuzahlen - es drfte noch fnf bis sechs Jahre dauern -

  • 6

    wird der grolle Schnitt gemacht. Vorlufig allerdings mull ich aufstehen, denn mein Zug fhrt um fUnf." (S. 72 f.)

    Frelllch ist die Beziehung des Au!lendlenstlers zum "Prinzipal" heute weitgehend entpersonallslert und durch dle Abhngigkeit von einer Ver-trlebsbUrokratte ersetzt, ohne dall sich dadurch etwas an der lsollerten Arbeitssituation gendert htte. Sowohl wegen ihres gesonderten Rechts-status als auch bedingt durch Laufbahn und Berufsbiographie galten und gelten die Au!lendlenstler als "Einzelkmpfer ... Ihr berufllches und sozia-les Schicksal Ist ebensowenig Gegenstand arbeitspolitischen Interesses und sozlalpolltlscher Eingriffe wie das der Tankstellen- und Kneipenpchter oder Zeitungsverkufer. Zwar kann der Bundesmintster der Justiz durch Rechtsverordnung eine Untergrenze der vertragllchen Let-stungen des Unternehmens gegenOber Einfirmenvertretern festlegen (nach 92 a HGB), um Ihre soziale Abslcherung sicherzustellen. Praktische Bedeutung hat diese Vorschrift jedoch nicht, da von der Ermchtigung noch nle Gebrauch gemacht wurde (vgl. DAUBLER 1989, Bd. 2, S. 842).

    Das 11 Universallstlsche" und "freiheitliche" (HGB 1982, EinfUhrung, S. 16) Handelsrecht egalisiert auch dort, wo gewaltige konomische Abstnde klaffen: "Quantitative Anforderungen an die Betriebs- und Unterneh-mensgr!le enthlt das Erfordernis der notwendigen peraHnliehen Selb-stndigkelt und Freihalt ... nicht. Der beim Endverbraucher auftretende selbstndige Buch-. Zeitschriften-, Haushaltsarttkel- und Versi-cherungsvertreter ist daher mit seinem Ein-Mann-Betrieb ebenso Han-delsvertreter wie eln grol3es Unternehmen mit Vertretungen aus aller Welt, das ln Form einer Handelsgesellschaft betrieben wird und seiner-seits einen Stab von Vertretern und Untervertretern eingesetzt hat. n (v. GAMM, 1976, S. 88)

    Eln gewisses sozlalpolltlsches und gewerkschattspolltlsches Interesse an dieser Gruppe von Beschftigten bestand allenfalls ln Zelten extremer Verelendung und drohender Radlkalislerung, so in der Weltwirtschafts-krlse, als Tausende von kleinen Handelsvertretern, Kommissionshndlern und Wandergewerbetrelbenden von ihren Prinzipalen gekndigt wurden, wovon z.B. Horvaths Stck "Glaube, Liebe, Hoffnung" handelt. In besseren Zelten fhrte der Auendienst hingegen selne ausgeprgte Sonderexistenz, ohne da Gewerkschaften und Sozialpolltiker seine Problematik zur Kenntnis nahmen. Das waren eben Leute, dle 11 fUr slch selbst sorgten" (Betriebsrat).

  • 7

    Ob im AuPendlenst die Arbeitszelten und Pausen eingehalten und welche Gehlter und Provisionen dort gezahlt wurden, war entweder nicht Ober-prOfbar oder lag auperhalb des Interesses und Problemhorizonts der mei-sten Betriebsrte. Dies B.nderte steh auch nicht ln den Boom-Phasen, ln denen scheinbar m'helos verkauft wurde und in denen. das Leltblld des selbstB.ndigen Agenten durch das einer gering qualifizierten, leicht er-lernbaren "Jedermann"-TB.tlgkelt ersetzt wurde. Auch hier setzte steh die Ausgrenzung fort, nur unter anderen Vorzeichen.

    Auch nach der Obernahme vieler Aupendlenstler in ein Nor-malarbeitsverhltnis Un den Zelten der hektischen Expansion der Mar-kenartikel-Vertrlebsaupendlenste in den 70er Jahren) und selbst noch nach einem Gewerkschaftseintritt waren sie den "statloniren" Mitarbei-tern und ihren Vertretungen oft suspekt, war ihr Aufgabenbereich eine terra lncognita im betriebllchen Regullerungssystem, hatten die Be-triebsrte - allen Bestimmungen Im BetrVG zum Trotz - faktisch keinen EinfiuP auf ihre Einstellung, ja bekamen sie kaum zu Gesicht. Der Grad der Indlviduallslerung der AuPendlensttB.tlgketten und die ln den "fetten Jahren 11 mit diesen Ttigkelten verbundenen hohen Autonomie- und Einkommenschancen UePen den Eindruck entstehen, als knnten die AuPendtenstler lhre Interessen selbst hinreichend vertreten, Ja sie Uepen die gesamte Gruppe der im AuPendlenst BeschB.ftigten als unkontrollierbar und elitr erscheinen.

    Zu der Abschottung der Gewerkschaften gegenber dem Phnomen Aupen-dlenst und zu den Vorbehalten in den Belegschaften trug das stabil ne-gative Image bei, demzufolge es sich beim AuPendlenstler typtscherweise um eine kurzfristig angelernte Person mlt geringer Loyalitt und starker Erwerbsorientierung handele, deren TB.ttgkelt lm wesentUchen darin be-stehe, Kunden zu 'bervortellen. Einer solchen Person gegenOber schien MlPtrauen nicht nur seitens der Kollegen, sondern auch seitens der eigenen Vorgesetzten geboten zu sein.

    Hren wir hierzu noch einmal Gregor Samsa als leidvolles Belspiel nlr dle Ausgrenzung durch Kollegen und Vorgesetzte. Eines Morgens nach dem Aufwachen erlebt er, der notortsehe Nichtsnutz der Famllle und der Fremdkrper im Betrieb, sich ln eln Ungeziefer verwandelt: "Sle wissen auch sehr wohl. d&P der Reisende, der fast das ganze Jahr auperhalb des GeschB.ftes ist, so leicht ein Opfer von Klaischerelen, Zuflligkelten und

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    grundlosen Beschwerden werden kann, gegen dle sich zu wehren Ihm ganz unmglleh Ist, da er von Ihnen meistens gar nichts erfhrt und nur dann, wenn er erschpft eine Reise beendet hat, zu Hause die schlimmen, auf Ihre Ursachen hln nicht mehr zu durchschauenden Folgen am eignen Leibe zu spren bekommt." (KAFKA 1966, S. 88 f.)

    Nun war das Negativimage des Auendienstes sicher nicht Immer aus der Luft gegriffen und auch nicht nur auf einige "schwarze Schafe" in der Zunft zurflckzutnhren. Es Ist aber kaum je aufzubrechen: Der hart arbei-tende, erfolgreiche selbstndige AuPendlenstler wird wegen seiner Auto-nomie und seiner Privilegien angefeindet. Boomt das Geschft jedoch und luft der Verkauf wie von selbst", drngen viele Mitarbeiter aus dem Innen- in den Au_endlenst, was Immer wieder zu einem circulus vitiosus der Rekrutlerung von unzulnglich quallf1z1erten Berufswechslem, ge-ringen Weiterbildungsanstrengungen der Unternehmen wie der Betroffe-nen, zweifelhaften Vertriebsmethoden und Servicestandards und geringem Ansehen der Auendienstttigkelten - sowohl lm eigenen Betrieb als auch im Auenraum - fhrt.

    Dieses Negativimage nun scheint sich gegenwrtig zu indem. Dafr knnte der Wandel von Anbleter- zu Kufermrkten mlt ausschlaggebend sein: Die Unternehmen legen ganz offenslehtllch greren Wert auf Wei-terbildung von Vertriebs- und Servlcemitarbeitern, diese Bereiche werden strategisch durchgeplant, dle Mitarbeiter wettergebildet und nachgeschult, hher qualifizierte Krfte (auch Hochschulabsolventen) drAngen ln den Auendienst und finden dies keineswegs mehr ehrenrflhrlg. Im Gegenteil: Sie finden dort oft AT-Vertrge, hhere Einkommen und mehr Autonomie als lm stationren Betrieb. Auch Gewerkschaften (lm Zuge der Entwick-lung neuer angestelltenpolltlscher Konzepte) und Berufsverbnde nehmen sieh der verschiedenen AuPendienstgruppen mehr oder weniger Intensiv an.

    In neuester Zelt scheint der Einsatz von mobilen Informations-und Kommunlkatlonstechnologien den Aufwertungsprozep des Berufsbil-des zu begilnstlgen, auch wenn er dafr nicht entscheidend 1st. Der Auendlenstler, der weltgehend autonom seine kundenbezogenen Auswer-tungen auf dem PC fhrt, 1st keine Fiktion mehr. Doch gibt es auch gegenlufige Trends: Ober Mobilfunk 1st der Auendienstier Tag und Nacht ansprechbar; mlt HUfe von Fahrtenschreibern und Autocomputern klinnen sein Tourenplan und dle Einhaltung der Zahl der Kundenbesuche

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    pro Tag rigide berwacht werden; im Eiltempo packt er Waren Im Regal um und tastet Stckzahlen und Preise ln ein mobiles Datenterminal eln.

    Die Gewerkschaften sehen hierdurch einen technologischen Kontrollschub auf den Auendienst zukommen, der dessen Ansprachbarkelt durch die Gewerkschaften im Hlnbllck auf die typischen Arbeitnehmerrisiken erhht. Diese Einschtzung basiert auf der Hypothese, da der isolierte, bisher wettgehend autonome Au~endlenstler den durch die neuen Technologlen Induzierten oder verstrkten Risiken (z.B. der Identifizierungsproblematik der individuellen Leistung) noch massiver ausgesetzt Ist als die Be-schftigten Im stationren Betrieb. Auch tn Deregullerungstendenzen, die stationr und 1m Au~endienst Beschftigte oft glelchermJ\en betreffen, werden neue Ansatzpunkte einer Senstblllslerung der Auendienstier fr die Notwendigkelt einer gewerkschaftlichen Vertretung gesehen. In Fach-krelsen werden zudem immer hufiger soziale Folgeprobleme diskutiert, die im Zusammenhang mit dem nach wie vor hohen Antell an Be-rufswechslern, aber auch ml.t dem neuerHeben Vormarsch der kleinen und Klelnstselbstndlgen Im Au~endlenst entstehen. Diese Probleme erinnern Im Kem an die schon seit den 20er Jahren virulenten Fragen, die bisher jedoch hufiger literarisch veranschaullcht oder auf der Btlhne themati-siert (von Katka ber Horvaths Stck bls zu Millers sprichwrtlichem "Tod des Handlungsreisenden") als zum Gegenstand analytischer Untersu-chungen oder nachhaltiger sozlalpollttscher Problemlsungen gemacht wurden.

    Das Btld der knftigen Entwicklung des Auendienstes 1st alles andere als leicht berschaubar. Wenngleich dle Betonung seiner Bedeutung als unternehmensstrategischer Faktor unter dem Strich einen unaufhaltsamen Aufwertungsproze zu signalisieren scheint, so sind doch neuartige sozlalpolltische Rlstken unbersehbar, die an Brisanz mit denen der Letharbelt, der Telearbelt, der Tankstellenpchter oder der nicht verstcherungspfilchtigen Beschftlgungsverhltnlsse vergleichbar slnd (vgl. DAUBLER, Bd. 2, s. 833 ff, zur Problematik der arbelt-nehmerhnllchen Personen ).

    Es wlrd also Zelt fr elne erste, notwendig flberbllcksartlge Analyse der Probleme der Beschftigten im (und der Unternehmen mit. dem) Auen-dienst vor dem Hintergrund der dort auszumachenden organisatorischen. technologtsehen und sozialen Umbruchtendenzen. Dle Analyse zielt vor-rangig auf generelles Orlentlerungawlssen hlnslchtllch der m6gllchen

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    Verknpfungen sozialer und technischer Entwicklungen und weniger auf systematische Technologiefolgenabschtzung oder auf die Gewinnung konkreten Gestaltungswissens zur Bewltigung von Technlkfolgen. Auch die Evaluation von Entwicklungstrends Im Hinblick auf konkrete Bedrf-nisse und HandlungsmHgUchkelten bestimmter Akteursgrupp~n {z.B. von Betriebsrten) war Im Rahmen einer Pilotstudie nicht beabsichtigt: Zum einen nehmen dle Akteure gegenber diesen Trends hchst differenzierte und teils sogar widersprchliche Positionen ein. Dies zeigt sich z.B. an den Schwierigkeiten, griffige "Aufhnger" fr die gewerkschaftliche Ange-stelltenarbeit Im AuPendlenst zu finden. Zum anderen konstatieren sie selbst die vorrangige Notwendigkelt einer analytischen Bestandsaufnahme, um Ihr Instrumentarium modernisieren zu knnen (fr den DGB vgl. RICHERT 1989, s. 313). So dient diese Studie dazu, zunchst "Ansatz-punkte und Handlungsmglichkelten fr notwendige Kurskorrekturen" bei allen Akteuren (LATNIAK u.a., S. 458) aufzuzeigen.

    zwei Anforderungen, denen steh die Vertrlebsaupendlenste heute ausge-setzt sehen, verleihen der Arbeit ber Ihre sozial- und technlkpolltlsche Fragestellung hinaus zustzliche Aktualltt Im Rahmen der vor allem ln Nordrhein-Westfalen laufenden "Modernislerungsdlskussion": 1. die Anforderungen der Stabilisierung und Umstrukturierung kleiner und mittlerer Unternehmen mit sinkenden Marktzugangschancen in einer Phase beschleunigter Konzentration der Vertriebswege und 2. die Perspektive des EG-Blnnenmarktes ab 1992.

    Erstens bringt die Konzentration der Vertriebswege und der Wegfall von selbstndigen Zwischendistributionsstufen eine Reihe von Risiken und Marktzugangshrden fr kleine und mittlere (vor allem Verbrauchsgter produzierende) Unternehmen mlt sich. In vielen Super- und Abholmrkten sind nur noch der Marktf1lhrer und daneben ein Billtgangebot g~llstet. Neullstungen von Produkten mlttelstndlscher Hersteller slnd extrem. schwierig durchzusetzen. Auch Grundstoff- und Investitions-gterhersteller sind auf neue Vertriebsschienen angewiesen bzw. mit er-hhtem Vertriebsaufwand konfrontiert, wenn sie durch Produktinnovation einen Ausgleich fr Umsatzrckgnge auf Schrumpfungsmrkten suchen. Betrachtet man z.B. die MontanzuUeferer, die Ihre Produktion bisher oft ln einem 30-km-Radius abgesetzt haben, so wird deutllch, da slch fr sie die Fragen des Aufbaus elnes eigenen Vertriebsapparats und seiner Qualifizierung bisher noch gar nicht gestellt haben.

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    Zweitens stellt die Schaffung des europischen Binnenmarktes nicht nur fr die kleinen und mittleren Unternehmen, sondern auch z.B. fr Phar-maindustrie, Groversicherer oder EDV-Hersteller eine vllig neue Anforderungssituation dar. Auslndische Anbieter werden die Verdrn-gungskonkurrenz auf vtelen Mrkten verstrken. Der Interna-tionalisierungs- und Konzentrationsproze von Produktion, Handel und Dienstleistungen wird steh durch Fusionen und Aufkufe erheblich be-schleunigen. Viele Unternehmen sind keineswegs angemessen vorbereitet auf den Zwang zur gleichzeitigen Ausdehnung des eigenen Exportge-schfts und zur Abwehr von Importkonkurrenz. Gefordert wird nicht nur eine Intensivierung der eigenen Vertriebsarbeit und eine Verbesserung der Servicequalitt Im Inland, sondern auch die europaweite Ausdehnung des eigenen Vertrlebsnetzes. Wie aber die Chancen einer potentiellen Vervielfachung des Marktes vertriebsstrategisch und organisatorisch konkret wahrzunehmen sind, ob und wie man z.B. durch Marktausweitung und europaweiten Auendiensteinsatz zu einer Degression der Vertriebskosten gelangen kann, ist den meisten Unternehmen unseren Be-obachtungen zufolge noch weltgehend unklar.

    Die Vermutung, da dem Auendienst und dem Einsatz neuer Kom-munlkatlonstechnologlen Im Proze der Erschlieung des Europilsehen Binnenmarktes Schlsselrollen zufallen werden, Hegt nahe. Dabei werden gleichzeitig sowohl erhhter Kosten- als auch betrlchtllcher Anforde-rungs- und Quallfikatlonsdruck lm Auendienst ausgebt. Der mit mobller Technik ausgestattete Auendienst kann die oft schwerflligen und teu-ren Netze von Auslandsbros, Servicesttzpunkten und Vertriebsgesell-schaften ergnzen bzw. sogar ersetzen. Vertriebskooperation durch ge-meinsame Auendienste oder eln europawett agierender Auendienst, der durch mobile Kommunikationstechniken an jedem Ort erreichbar ist, scheinen mglicherweise praktikable Alternativen zu teuren Auslands-bros zu werden. Eine Alternative dazu wre nur die (kurz- und mlttel-frtstlg unwahrschelnllche) radikale Reduzierung des geschftUchen Rei-severkehrs und dle weltgehende Substitution persnlicher Kundenkontakte durch Telekommunikation (vgl. OLLMANN 1989). Bezeichnend fr die vom bevorstehenden Binnenmarkt induzierte technologisch-soziale Experl-mentlerphase Im Vertrieb sind die PHotvorhaben deutscher Gro~unternehmen zur Erprobung neuer Technologlen lm Au~endlenst, die bereits auerhalb der Landesgrenzen lauten, so z.B. in Belgien, wo dle Dere-gullerung der Telekommunikation wel~ fortgeschritten Ist. Deren Eraeb-nlsse knnten ab 1993 ln der Bundesrepublik implementiert werden. Die

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    sozlalpolitlschen Folgeprobleme, die die Existenz bernational arbeitender Aupendlenste aufwirft, werden heute bereits ln der Debatte um dle Oe-regulierung im Gtertransportgewerbe deutlich; die Folgeprobleme der In-ternationalen Vemetzung zeigt exemplarisch unsere Fallstudie beim Rechnerhersteller 12.

    Wlr vermuten. dap die Ergebnisse unserer Studie fr die in den genann-ten Bereichen anstehenden Diskussionen wichtige Anregungen und dar-ilber hinaus Anstpe fr eine sozlalvertrgllche Innovationsgestaltung liefern knnen.

  • 2. Aupendienst als Dienstleistungsarbelt: Theoretische Anstze

    Nicht alle Dienstleistungsbereiche setzen der Rationalisierung durch In-formations- und Kommunikationstechniken strkere Widerstnde entgegen als die Produktion, wie noch BRAVERMAN 1977 oder OFFE/BERGER 1980 behaupten. In den Bereichen des Dienstleistungssektors, in denen die Leistungserstellung vor allem in der Verarbeitung. kunden- oder klien-tenbezogener Informationen besteht oder auf dieser beruht (so bel Ver-sicherungen, in der Anlageberatung oder Anzeigenwerbung, ja selbst beim knowledge engineering) schreitet dle Informatlsierung der Leistungser-stellung offenbar schneller voran als in der Produktion. So kann von einer Ratlonallsierungsreslstenz des Dlenstlelstungsbereichs Insgesamt nicht mehr ausgegangen werden (vgl. auch KARLSEN u.a. 1985; BAETH-GE/OBERBECK 1986). Tellwelse wird sogar eine Komplementaritt der Ra-tlonallsierungsprozesse im sekundren und tertiren Sektor unterstellt: So unterscheidet GERSHUNY 1981 zwischen gUterbezogener und dienstlei-stungsbezogener Arbeit im tertiren Sektor und versucht nachzuweisen, da zumindest die erstere direkt an das Wachstum und die Produktivittsentwicklung des industriellen Sektors angekoppelt lst.

    In Analogie zu den 11 neuen Produktionskonzeptenil (KERN/SCHUMANN 1984) wird denn auch von neuen "Dienstleistungskonzepten" (BIERVERT u.a. 1987) oder - bezogen auf Distributionsarbeit - von neuen Distribu-tionskonzepten gesprochen. Fr die Dienstleistungs- und Distributions-arbeit wird ebenso wie fr dle Produktionsarbeit konstatiert, dsP nicht mehr der einzelne Arbeitsplatz Ausgangspunkt der Rationalisierungser-wgungen ist, wie er es noch ln der Phase der Ratlonallslerung von ge-ring quallfizierten Massenttigkeiten durch Einsatz von Batchrechnem war (vgl. BAETHGE/OBERBECK 1986, S. 20 tf.).

    Trotz der beobachteten Konvergenzen und Komplementarltflten geht ein Tell der konomischen und industriesoziologischen Forschung (wie schon die Studie von BRANDT u.a. 1978) immer noch von der grundlegenden Verschiedenheit der Rationalisierungsprozesse im Dienstleistungs- und im Bereich der materiellen Produktion aus und leitet daraus dle Notwen-digkelt einer speziellen Theorie der Dlenstleistungakonomle ab. Von BRANDT u.a. wurde anknpfend an die Sohn-Rethelsche Dltferenzlerun1 von Markt- und Produktionskonomie postullert, daP "externen" Bedln-

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    gungen im Proze der Informationstechnischen Rationalisierung des Dienstleistungssektors eine hhere Bedeutung zukomme als den "internen" Bedingungen, die in der Industriellen Produktion eine strkere Rolle spielten (vgl. s. 320 f.). Von anderen Autoren wird Im Anschlu an OFFE 1984 ein zentraler Unterschied zwischen Produktions- und Dienstlei-stungsrationalisierung in der notwendigen Unterwerfung der Dienstlei-stungserstellung unter widersprchliche Rationalittsanforderungen ge-sehen: Die Dienstleistung werde einerseits nach Kriterien von Effizienz und Kontrolle bewirtschaftet, andererseits erfordere ihre kundengerechte Erbringung eine hohe Flexibllltt und Autonomie. Das dienstleistungsty-pische Rationalisierungsdilemma besteht OFFE zufolge darin, da beide Komponenten verschiedenen Rationalisierungsmodi unterliegen, jedoch nicht unabhngig voneinander beelnMut werden knnen (zur Diskussion vgl. BIERVERT u.a. 1987, S. 56). KARLSEN u.a. 1985 verweisen Insbeson-dere darauf, da der Herstellungsproze der Dienstleistungen im Unter-schied zur Produktion ein Interaktionsproze Ist, an dem Klienten betei-ligt sind, und da Jede Vernderung der Arbeitsmethoden und Arbeits-mittel auch die Klientenbeziehung unmittelbar berhrt, was von diesen nicht immer hingenommen wird.

    Andere Autoren gehen nicht von einer Polarisierung, sondern von einem kontinuierlichen Spektrum von Ausprgungen zwischen den Extremformen "Dienstleistung als untersttzender Service zu einer Sachleistung" und "echte Dienstleistung" aus (so z.B. STAFFELBACH 1988). Daraus ergeben sich Je unterschiedltche Innovationsformen und -verlufe und unter-schledllche Notwendigkelten der symbollachen Kommunikatton des Lel-stungsinhal ts.

    Zwar kann man einen potentiellen Widerspruch zwischen Okonomlslerung und Flexibillslerung, zwischen effizienter Ressourcenverwendung und ef-fektiver Marktwirksamkelt von Arbeitsprozessen nicht nur fQr den Dienstlelstungsberelch, sandem auch fQr die materielle Gterproduktion und dort vor allem fr dle nexlble Kleinserlenproduktion vermuten (vgl. WEISSBACH 1987). Der von BRANDT u.a. hervorgehobene grere Einflu externer Faktoren auf Rationalisierungsprozesse im Bankgewerbe lm Ver-gleich zur Stahllndustrle erscheint uns heute nicht mehr dienstlei-stungsspezifisch zu sein. Vielmehr drften sich fr die Mehrzahl der Produktions-. Distributions- und Dienstleistungsorganisationen externe FlexiblUttsanforderungen ln gewissem Umfang als Rationalisierungs-hemmnis der Leistungserstellung auswirken. Doch tritt der Widerspruch

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    speziell lm Dienstleistungsbereich und dort vor allem an der unmittelba-ren Kundenschnittstelle besonders deutllch zutage, wenn der Kunde nicht zum "systemgerechten Ver"alten" erzogen werden kann. Ein systemge-rechtes Verhalten kann zwar von den Klienten staatlicher Sozialbrokra-tien in begrenztem Umfang erwartet werden (vgl. KARLSEN u.a. 1985). nicht jedoch ohne weiteres von potentiellen Kufern von Waren und Dienstleistungen. Zum besseren Verstndnis des Untersuchungsfeldes Auendienst knnte sich also der Gedanke einer tendenziell widersprch-lichen Bestimmtheit der Dienstleistungsarbeit durch (interne) Okonomi-slerungsgeslchtspunkte einerseits. (externe) Vermittlungsfunktionen an-dererseits als fruchtbare Arbeitshypothese ~rwelsen.

    Darber hinaus erscheint es lm Zusammenhang unseres Themas ntzlich, weitere allgemeine Anstze zur Analyse der Entwicklung und Rationali-sierung des Dienstleistungssektors auf die von ihnen angebotenen Er-klrungsanstze und Entwicklungshypothesen hin zu sichten und anband empirisch gesttzter Plauslbillttserwgungen zu prfen, ob sie fr das Verstndnis der Ratlonallslerungsprozesse in den Vertriebs- und Ser-viceauendiensten hUfreich sein knnten. In Auseinandersetzung mit diesen theoretischen Beltrgen werden dann Arbeitshypothesen ent-wickelt, an denen steh Organisation und Auswertung der anschlieenden Branchenanalysen und Fallstudien orientieren.

    2.1. A~endlenst als Vermittlungsarbeit

    Die explosionsartige Entwicklung der Vertriebs- und Serviceauendienste in den letzten 15 bis 20 Jahren scheint der von OFFE 1984 so apostro-phierten "funktionallstisch-bedarfsorientlerten" These ber den sozio-konomlschen Strukturwandel Recht zu geben, wonach der Antell der Dienstleistungsarbeit an der Gesamtheit gesellschaftlicher Arbeit als Folge eines durch zunehmende Arbeitstellung bedingten gesellschaftUchen Bedarfs im Wachsen begriffen sei. Mit wachsender Gterproduktion, mit steigender Komplexitt und Differenzierung von Angebot und Nl!-chfrage steigt dieser These zufolge der gesellschaftliche Bedarf an 11 Vermitt-lungsarbeit", der sich auf speziallalerte Funktionstrger konzentriert. Im Bereich der privaten Endnachfrage entsteht der Vermittlungsbedarf vor allem dadurch. da dle Unternehmen ihre Leistungen fr anonyme Mas-senmrkte erbringe~.

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    Die These kann Ihre NAhe zu den von GERSHUNY 1981 (S. SO ff.) so ge-nannten und von lhm krltlslerten "Melloratlonstheorlen" nicht ganz ver-leugnen. GERSHUNY meint damit den Ansatz DARRENDORFs 1976, der selbst expllzlt auf den Meliorationsbegriff von J. St. Mill zurckgreift, sowie die Postlndustrlallsmus-Theorien von BELL 1979 und GALBRAITH 1974. Weniger beelnfiut von Vorstellungen kologtscher oder sonstiger objektiver Grenzen des Wachstums als vielmehr ausgehend von Wnsch-barkelts- und Akzeptanzgrenzen des Wachstums und der extremen Ar-beitstellungstendenzen ln den hochlndustrlallslerten Staaten postulieren diese Autoren Sttigungstendenzen der industriellen Produktion und eine sinkende Beschftigung im industriellen Sektor. Daraus und aus steigen-den Bildungs-, Gesundheits- und sozialen Planungsbedrfnissen resul-tiere - so die Melloratlonstheoretlker - elne Umvertellung der Ar-beltsplt.ze zugunsten des Dlenstleistungssektors. Dieses wird von GERSHUNY am Belspiel der Entwicklung Grobritanniens (S. 68 tf.) empi-risch widerlegt. Wlr mssen hier nicht detailliert auf dle Diskusston eingehen, zumal sie auf einer problematischen statistischen Basts, dle auerdem nur bis zur Mitte der 70er Jahre reicht, gefhrt wurde und keine speziellen Rckschlsse hinsichtlich der Zukunft der Dlstrlbu-tlonsttlgkelten zulAt. GERSHUNY selbst Ist an diesem Punkt unent-schieden: Einerseits weist er auf eine positive Beschftlgungsentwlcklung der produktionsbezogenEm Dienste hin. Dies schliet die Expansion von Beratungsttigkeiten usw. ein. was mit OPPEs Theorie der Vennlttlungs-arbeit noch vereinbar wre. Andererseits zeigt er ror Grobritannien einen wAhrend der 70er Jahre sinkenden Antell der Distributions- und Transportarbeit an der Gesamtbeschftigung auf. Festzuhalten Ist nur, da seine Kritik an der Mel1oratlonstheorle insofern nicht stichhaltig ist, als in den meisten Industriestaaten und vor allem ln den USA der Anteil der Ausgaben ror Dienstleistungen am privaten Konsum heute wieder zu-nimmt und steh dies auch in entsprechenden Beschftigungsverschiebun-gen uert (vgJ. STAFFELBACH 1988, S. 287, und die dort zitierte Lite-ratur).

    Auf GERSHUNYs Konzept von "Selbstbedienungswlrtschaft" (S. 86) mssen wlr jedoch an anderer Stelle (vgl. Kapitel 2. 7.) zurckkommen, da in Ihm die These von der Obernahme wichtiger Vermittlungsarbeiten durch dle Konsumenten (bzw. allgemeiner: von der Substitutton von Dienstleistun-gen durch Gter, s. 90 ff.) enthalten Ist.

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    Beziehen wir nun die 11 funktlonaUstisch-bedarfsorlentlerte" These vom relativen Anstieg der Vermittlungsarbeit auf den Au~endlenst, so wre dessen konkrete Verinlttlungsarbett vor allem darin zu sehen, den Um-schlag und die Feindlstrlbutlon eines Immer unberschaubareren Waren-angebots auf sich differenzierenden, gleichwohl weltgehend anonymen Mrkten durch Aufnahme direkter Kundenkontakte zu untersttzen. Da-durch erst wrden latente Bedarfe potentieller Abnehmer, soweit sie sich nicht ln spontanen oder geplanten Kufen uern, aufgesprt und ln zahlungsfhige Nachtrage transformiert. Andere auendtenstspezlflsche Vermittlungsfunkttonen knnten z.B. darin bestehen. unter Umgehung der vertikalen Arbeitstellung ln der Dlstrlbutl~n die Warenprsentation 11 Vor Ort11 zu pflegen oder die Vielzahl immer komplexerer Produkte, die vom Anwender weder voll durchschaut noch selbstndig repariert werden knnen, zu warten, tunktionsfhig zu halten und den Kunden bezglich ihrer Anwendung zu beraten.

    Nach OFFE stellt dle Expansion der Vermittlungsarbeit eine kompensie-rende Gegenbewegung zu den Regelungs- und Abstlmmungsdeflzlten der immer arbeltstelllger organisierten Wirtschaftsttigkelt und zur unzulng-llchen kapitallstischen ex post-Koordlnatlon ber den Markt dar. Dem-nach knnte eine Expansion der Vertriebsauendienste allgemeiner als Funktion zunehmender Anonymitt der Anbieter-Kunden-Bezlehung ei-nerseits, wachsender ZentraUsierung und berregionaler Organisation der Warenproduktion und -distrlbutlon andererseits Interpretiert werden, wofr auch aus historischer Sicht einiges spricht (stehe dazu Kapitel 2.5.). Der Selbstbedienungshandel mit seiner weltgehenden Anonymtsie-rung der Kundenbeziehung einerseits und die Identifizierung und gezlelte Ansprache einzelner Kunden durch den mobilen Vertriebsauendienst an-dererseits slnd in dieser Perspektive zwar extrem polarisierte, vielleicht auch unterschiedlich wnschenswerte, doch letztendlich komplementre Varianten der Ratlonallslerung von Dlstrlbutionsprozessen. Das Wachstum der Wartungsauendienste erscheint geradezu als notwendige Reaktion auf die Ausdnnung des Fachhandels und auf die Zentrallslerung der Ver-triebsnetze und Wartungssttzpunkte. Dle globale Tendenz kann auch als zunehmende Separierung der auf den Kunden bzw. auf den Zwischenhan-del zielenden Information von der physischen Distribution und Anwen-dung der Ware beschrieben werden, wobei dem Auendienst dle Rolle zu-kommt, dle dabei entstehenden informatlonellen Diskrepanzen zu schlieen.

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    2.1.1. Erklirungsbedftrttlgkelt von Gfttem

    Im BewujUsein des Auendienstes und der Vertriebsleitungen erfhrt das Theorem von der steigenden Notwendigkelt der ''Vermittlungsarbelt" elne gewlsse Konkretlslerung, aber auch Umakzentulerung und plakative Ver-einfachung. Fragt man Auendienstexperten nach den konkreten Ursachen des parallel zur Entwicklung der Kundenselbstbedienung steigenden Auendienstaufwands, so erhlt man von ihnen gemeinhin zur Antwort, da das Wachstum der Auendienste mit der "steigenden Erklrungsbe-drftlgkelt11 vteler Produkte bzw. Dienstleistungen zu tun habe. Der Komplexitt von Waren und Dienstleistungen sei im Rahmen der Waren-prsentation in Abholmirkten, tn denen sich nur noch "problemlose" Wa-ren verkaufen lieen, nicht mehr Rechnung zu tragen. Aber auch der Fachhandel sei nicht mehr in der Lage, sich den erforderllchen Markt-berblick und das anwendungstechnische Wissen selbst zu verschaffen und die Kunden adquat zu beraten: um so Intensiver msse er vom Auendienst bearbeitet werden.

    In der Tat finden sich Auendienstier hufig bei der Neueintflhrung, Zwischen- und Enddistribution solcher Produkte, die vom Einzelhandel nicht einfach "ins Regal gestellt'' werden knnen oder drfen (z.B. von Medikamenten) sowie von komplexen Dienstleistungen (Bausparvertrgen, Lebensversicherungen). Wir finden sie ferner in der Dlstrlbutlon von Produkten, bei denen Vortflhrung, Anwenderberatung bzw. technischer Service ausschlaggebend fr den Vertrlebserf~lg sein knnen (z.B. bei Industriechemikallen, Land- und Baumaschinen, Kosmetika, Haushalts-staubsaugern). Schlielich treffen wir auf Auendienste bei der periodi-schen Neuelntflhrung von modischen und Produkten mit kurzem Lebens-zyklus zur Sicherstellung ihrer raschen Prsenz auf allen Distributions-stufen (so etwa bei der Einfhrung neuer Modelle 1m Facheinzelhandel zu Beginn der Modesalson, von neuen Nahrungsmitteln oder von modischem Autozubehr).

    Die "Erklrungsbedrftigkeit" einer Ware Ist jedoch kein Merkmal, das ihr objektiv anhattet: Vieles, was Im Regal steht oder vor der Wohnungstr ln Einzeltellen abgeladen wird, erweist sich beim Zusammenbau zwar als erklrungsbedflrttig, wlrd aber vom Kunden trotzdem akzeptiert. Der Be-griff der Erklrungsbedrftigkelt verweist also eher auf Merkmale und Akzeptanzfaktoren des jeweils angezlelten Abnehmerkreises als auf fixe

  • Produktelgenschaften: Eine Rheumadecke wird auf einer fr Rentner or-ganisierten Vertriebsfahrt er- bzw. "verklrungsbedrftlg" (Bonmot von c. WEHRSIG). Hingegen werden Computer auch hherer Leistungsklassen immer fter ber den Fachhandel und auch ber Abholmrkte vertrieben; ihre Erklrungsbedrftlgk.elt Ist relativ zur jeweiligen Anwenderquallfl-katlon zu sehen. Je sophlstlzlerter und lnformatlonshaltiger ein Produkt, desto weniger wird steh der mgllcherwelse hoch qualiftzierte Kufer auf kaufmnnische "Vermlttlungsarbelter" verlassen wollen, und desto eher wird er in seiner Kaufentscheidung der Fachpresse oder sogar der "Mund-zu-Mund-Empfehlung" seiner Branchenkollegen folgen (deren Be-deutung gerade fr den High-Tech-Vertrieb hat McKENNA 1986, s. 71, herausarbeitet}. Da der Versuch einer Zuordnung von objektiver Kom-plexitt des Produkts und Art der Vertriebsschiene nicht aufgeht, zeigt sich auch darin, da identische Produkte sowohl ber den Auendienst wle ber den Fachhandel oder stationre Agenturen vertrieben werden knnen (z.B. Bagger, Nutzfahrzeuge, Mhdrescher). Der auf der "Erkl-rungsbedrftigkelt11 von Produkten baslerende Ansatz vermag also nicht allein zu begrnden, warum die Tendenz zur Kundenselbstbedienung oder -Information glelchzeltlg mlt dem Auendiensteinsatz zunehmen kann -und zwar sogar bei identischen Produkten.

    2.1.2. Infonnatlonabaltlgkelt von GOtem

    Auch wenn wir statt der Komplexitt die "Informatlonshaltlgkelt" des Produkts betrachten, finden wir keine auf den ersten Bllck plausiblen Zusammenhnge mlt einem eventuellen Auendlenstelnsatz: "Hoch lnfor-matlonshaltlge Produkte wle Printmedien oder Software werden ohne, 11 Wenlg lnformatlonshaltlge" wie Tiefkhlkost oder Kosmetika unter Mit-wirkung des Auendienstes verkauft. Auerdem gUt hier dasselbe, was ber dle Erklrungsbedrftigkelt gesagt wurde: Es mu stets gefragt werden, fr wen der Informationsgehalt soundso hoch lst - seine Mebarkelt einmal vorausgesetzt. Doch ist dle Kategorie Insofern inter-essanter als dle der Erklrungsbedrftlgkeit, als sie z.B. elne Begrndung dafr glbt, warum bei bestimmten Produkten dle konsequente Trennung von Ware und Information (vgl. FACHTAGUNG LOGISTIK 1986, S. 17 ff.} gar nicht mOgllch lst oder durch den Auendienst kompensiert werden mu: So kann angenommen werden, da es Immer mehr Produkte mit 11 Verstecktem" Informationsgehalt gibt wie z.B. teure Parfums oder Phar-

  • maka, deren mgllcherwelse sogar noch beschnigende Belpackzettel von Arzt und Patient kaum gelesen werden und vor der ersten Verschreibung auch gar nicht gelesen werden knnen. Diese Produkte bedrfen der Ver-mittlungsarbelt, um ihren versteckten Informationsgehalt zu vermitteln. In gewissem Sinne enthlt heute jedes hermetlach verpackte Produkt lm Selbstbedienungsladen - soweit nicht sogleich durch ein bekanntes Mar-kenzeichen identlflzierbar - einen gewissen Antell an derart "versteck-ter" Information. Nicht immer ist es mgllch, diesen Informationellen Ge-halt durch Symbole oder materielle Surrogate zu verdeutHeben - eine Schwierigkeit, die STAFFELBACH 1988, s. 278 nur bei der Vermarktung von Dienstleistungen sieht, die aber auch bel materiellen Produkten auf-tritt: Man erkennt dies Immer wieder an aufgerissenen Verpackungen in den Supermrkten. Hier nun stehen Verkaufstrderer im Aupendienst be-reit, um die Information sozusagen auf dem Probierteller hppchenweise wieder an den Verbraucher bringen zu knnen oder durch personenbezo-gene Merkmale Vertrauen zu erwecken.

    Auch fQr den Flllallelter sinkt der Informationsgehalt der Waren (und der Kaufvorgnge) tendenziell, vor allem wegen der Zentrallsierung aller wichtigen Informationellen Vorgnge ln der disponierenden Konzernzen-trale. Er hat immer mehr mlt nur physischen, informationsarmen Waren-nssen zu tun (vgl. DELFMANN!WALDMANN 1987, S. 78). Diese Entwick-lung, dle Grollkunden und Herstellern abwicklungstechnische Vorteile bringt und auch dle Filialletter von Dispositions- und Schreibarbeiten entlastet, droht vor Ort zu einem eklatanten Informationsmangel zu fh-ren: Es besteht kein Oberbllck mehr ber Verfallsdaten, ber tatschllche Abverkufe, ber Ladenhter, es wird falsch ausgeprelst etc. Hier greift der herstellereigene AuPendlenst ein, berspringt gleichsam mehrere Dls-trlbutlonsebenen mlt Ihrem von oben nach unten verlaufenden Informa-tionsgeflle und "pfiegt" das Regal. "Vermittler" sein bedeutet hier trel-llch eher, eine LckenbJierfUnktlon der neuen Logistikkonzepte und Technologien wahrzunehmen. Offen bleibt, ob durch den knftigen, Immer auch zeltraubenden Einsatz dezentraler Informatlonstechnologlen der Fl-llalleiter den Informationsverlust wieder wettmachen kann, oder ob es der Aupendienstler 1st, der auch knftig die Lckenbperrolle - gesttzt auf Informations- und Kommuniktlonstechnologlen - wahrnimmt.

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    2.2. Auendienst und Marktdifferenzierung

    Wenn komplexe oder hoch lnformatlonshaltige technische Produkte in je-dem Abholmarkt zu kaufen sind, wenn die Akzeptanz und auch das An-wendungswissen der Kunden (ln Abhngigkelt von Bildung, Freizeltbudget und Status) diesen Produkten gegenber steigt und gelegentlich bereits Formen von (Hlfl-, Computer-, Video- usw.) Fettschismus annimmt -warum Ist dann ein Auendienst noch erforderlich? Und wenn er schon belm Absatz komplexer Produkte an dle Endverbraucher nicht mehr not-wendig Ist - wre dann nicht erst recht zu erwarten, da die (Unter-haltungselektronik-, Automobil- usw.) Fachhndler ihre Dispositionen treffen knnten, ohne sich von einem Auendienst der Hersteller beraten zu lassen?

    2.2.1. Produktlebenszyklus, Slttlgungsmlrkte, Verdrngungsmrkte

    Es ist kein Zufall, da Kleincomputer oder Gerte der Unterhaltungselek-tronik sich "fast von selbst", ohne Auendienstarbeit an der Kunden-schnittstelle verkaufen, whrend Drogerieartikel oder Spirituosen heute z.T. von einem Heer von Werbedamen der Hersteller ln Sonderakttonen im Kaufhaus angepriesen werden und von Auendienstlern in Intensiver Arbeit ln den Regalen "placiert" werden. Umgekehrt lst es nicht nur auf Irrationalltten des Verbrauchers zurckzufhren, wenn er den Neutral-selfenreiniger an der Haustr fr 5,99 DM kauft, whrend dieser nebenan lm Kaufhaus fr 2,99 DM zu haben Ist. Diese augenflligen Unterschiede, dle kaum etwas mlt einer objektiven Erklrungsbedrftigkeit der Produkte zu tun haben, lenken den Blick von Produktmerkmalen weg auf Oberdif-ferenzierung und Transparenzmngel des Marktes, auf die Unterscheidung von Anbleter- und Nachfragermrkten und auf Phnomene des Pro-duktlebenszyklus. Dort wo ein Anbleter an der Spitze der Produktinnova-tion steht (vorausgesetzt, da tatschlich Produktlnnnovatlon in merkli-chen Sprngen stattfindet) oder wo der Name eines Herstellers mit spe-zifischen Qualltten oder Innovationen fest assozUert ist, braucht er nicht notwendig einen aufwendigen Auendienst. Die durch hohe techni-sche Standards gekennzeichneten Marktfhrer werden Im Sortiment des Fachhandels und vieler Abholmrkte ohnehin "gellstet" und sind dort an bevorzugter Stelle prsentiert .. Kleine Anbleter mssen hingegen ln mh-

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    samer Arbeit Nischen aufspren und "Klinken putzen". Sie setzten nicht so sehr auf die Strke des Produkts als - z.B. Im Direktvertrieb - auf die Schwchen des Kunden oder die Intransparenzen des Marktes. Dort wiederum, wo in einem breiten Wettbewerbsfeld wettgehend identische Produkte vertrieben werden, deren Marktchancen berwiegend von der (regionalen) Preisfhrerschaft und von Liefertermlnen bestimmt werden (so etwa bei Heizl, manchen Baustoffen, Standardstahl), bentigt man keinen Auendienst. Hier kann man bequem mittels Telefonverkauf durch den Innendienst arbeiten.

    Eln hoher Auendienstaufwand Ist also oft ein Symptom weltgehend ge-sttigter, "hyperdlverstfizlerter" ( TOSTMANN 1987, S. 1 09) Mrkte mit geringer Transparenz und geringer tnnovattonsrate, auf denen Anbleter ohne groe Innovationsanstrengungen ihre Nischen halten oder Mitanbie-tern einige Umsatzprozente abnehmen wollen. Unsere Hypothese, da~ die

    Au~endienstantelle verschiedener Branchen an den Gesamtbeschftigten-zahlen eher mit dem Grad des Verdrngungswettbewerbs korrelieren als mit dem Produktlonswachstum, l~t sieh letder nicht ohne gro~en Pri-mrerhebungsaufwand berprfen. Deutlieh zu beobachten Ist jedoch dle Rolle des Aupendienstes als Dltrerenzlerungsfaktor des Angebots. Gele-gentUch mup sogar die hohe "Erklrungsbedrftigkeit" vieler Produkte und Dienstleistungen selbst als Differenzierungsform des Angebots bei geringer Markttransparenz betrachtet werden. Sie resultiert aus Ab-grenzungsstrateglen der Anbleter, dle - wenn sie nicht in der glckli-chen Lage sind, entweder Markt- oder Preisfhrer zu sein oder aber an der Spitze der Produktinnovation zu stehen - auf Nachahmung oder mi-nimale Differenzierung von Produkten und Dienstleistungen in einem breiten Wettbewerbsfeld verwiesen sind. Der AuPendienst dient dann ent-weder dazu, elnen effektiven Produkt- und Konditionenvergleich durch Heraushebung der Nichtvergleichbarkelt der Produkte zu verhindern (wie z.B. durch Hinwels auf das Kleingedruckte bei Verslcherungsantrgen, das ansonsten Im Verkaufsgesprflch eher bergangen wird) oder aber durch Zusatzserviceangebote zur Heraushebung des Produkts aus der Masse beizutragen. Der Au~endlenst, sein ~rsehelnungsblld und seine Argumen-tation werden um so wichtiger, je nAher die Varianten, zwischen denen Kaufentscheidungen zu treffen sind, prelsllch und qualitativ beleinander liegen. Er tritt vor allem dann tn Erscheinung, wenn das Kautverhalten weder allein durch deutlich zutage tretende oder allgemein zugeschrie-bene Produkteigenschaften noch durch den Preis hinretchettd bestimmt wird, und wenn beim Kunden oder Zwischenhandel diesbezglich hohe

  • Unsicherheiten bestehen. In solchen Unsicherheitssituationen hngt der Vertriebserfolg entscheidend ab von der Form des Erstkontakts mit dem Kunden, von der Art der gezielten Ansprache von Zielgruppen, den da-bei 1'herbergebrachten" selektiven Produktinformationen oder zustzli-chen Servlcelelstungen. Versagen diese Strategien, kann der AuPendlenst Immer noch - ln genauer Kenntnis der rtllchen Angebote der Konkurrenz - die Orderentscheidungen des Handels durch flexibles Nachgeben bel den kundenspezifischen Konditionen beeinflussen. Er kann dies weltaus effektiver als eine weit entfernte Vertrlebsleltung, die Ihre kleinrum-lichen Markt- und Preisbersichten erst mit wochenlanger oder minde-stens tagelanger Verzgerung erhlt.

    Setzen einige Anbieter ln einer Branche erst etnmal AuPendienste ein, so geht davon eine gewisse Sogwirkung aus. Unternehmen, die dies nicht tun, laufen Gefahr, Umsatzantelle etnzubPen oder vom Handel nicht mehr gellstet zu werden. Auch in der Intersektoralen Konkurrenz um die Kaufkraft der Konsumenten mobilisiert ein hoher Aupendlenstetnsatz in einer Branche eine Menge Nachfrage, die sonst an andere Branchen ab-gegeben wrden. So mssen andere Branchen nachziehen. Ein aktuelles Beispiel dafr ist die Konkurrenz von Versicherungs- und Bausparaupen-diensten mit Geldberatern der Banken. die verstrkt auch lm AuPendienst auftreten, wenn es darum geht, das Sparkapital der Konsumenten auf Bank- statt auf Versicherungs- oder Bausparkonten zu lenken.

    Besonders wichtig Ist die Prsenz von AuPendlensten auch in der ersten Phase des Produkteinfhrungszyklus auf berdltferenzterten, weltgehend gesttigten Mrkten: Immer mehr neue Produkte knnen nur noch durch intensives "Vorab-Marketing" aus der Taufe gehoben werden. Dazu gehrt auch der mit der Anzeigen- und Fernsehwerbung koordinierte AuPen-dienst- und Werbedamenelnsatz, so z.B. bei neuen Zigarettenmarken oder auch bei Zeitschriften. MuP die teure Produkteinf'Ohrung durch Aupen-dlenste tns Auge gefaPt werden, so Ist diese Tatsache allein oft schon ein Indikator dafr, dap das MlPertolgsrisiko auf dem heip umkllmpften Markt als hoch angesehen wird. Und wenn Immer stregeplagte profes-sionelle Kufer oder Multlpllkatoren unter Bergen von Direktwerbung frmlich ersticken, wie z.B. dle Arzte unter den unverlangten Direktzu-sendungeil der Pharmaindustrie, halten Branchenexperten dle ElnfQhrung neuer Prllparate durch den Aupendlenst sogar fr unabdingbar (vgl. GEHRJG 1987, S. 63).

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    Doch auch in der letzten Phase des Produktlebenszyklus, bel sinkender Kundendichte oder bei weltrumig verstreuter geringer Nachfrage knnen Auendienstier dle stationren Vertriebsinfrastrukturen wie rtliche Niederlassungen oder Auslieferungslager z.T. ersetzen und so zur Ko-stendegresslon im Vertrieb beitragen. Dies gilt insbesondere, wenn der Anbieter nur einen geringen Marktanten aufweist oder wenn er Produkte bzw. Dienstleistungen des 11 nlederfrequenten" Bedarfs vertreibt: Man will nicht auf den Kunden und seine episodischen Bedarfsartikulationen warten, in d~nen das Risiko eines spontanen "Umstlegs" auf ein anderes Produkt angelegt ist, sondern versucht ihn zu "pflegen", d.h. periodisch oder aus aktuellem Anla anzusprechen und zu motivieren, und zwar auch zum Kauf kleinerer Mengen. Das erschiene bei rasch expandieren-den Mrkten, so etwa in der Boomphase des Lebenszyklus eines voll "einschlagenden" Produkts nur als Zelt- und Kostenverschwendung.

    Schllellch blldet der Auendienst Immer noch eine wichtige Vertriebs-schiene, wenn es aufgrund einer zu geringen Zahl oder Dichte von Ver-triebssttzpunkten nicht mgllch ist. die Vermittlungsarbeit durch ver-schiedene Formen der Selbstbedienung oder Technisierung (z.B. in Form der Verlagerung des Informatlonsbeschaffungs-, Vertragsabschlu-, Ab-hol-, Transport- und Wartungsaufwands) auf den Kunden abzuwlzen.

    2.2.2. Marktdifferenzierung und Ponnen der Kundenbeelnnussung

    Ob und in welchem Umfang ein Auendienst unter den genannten Markt-konstellationen eingesetzt wird, hngt stets auch von der Einschtzung der Kundenmentalltt und -mobllltt ab. Grundlagen der Kundenbeein-flussung durch den Auendienst bllden die mit der Verkaufsslt~ation verbundenen materiellen oder sozialen (und zwar auch Schein-) Gratttl-kationen, ferner Imagefaktoren sowohl auf der Produkt- als auch auf der Kuferselte, die subjektive Unsicherheit und Unlnformlerthelt des Kufers und schllellch die vom Kufer wahrgenommene oder geforderte Bequem-lichkeit, die dle Transaktion durch den Auendienst lm Verhltnis zu anderen Medien bietet ("convenlence"). Das 1'convenience"-Argument wird von Experten hung ln engen Zusammenhang mit einer drohenden Ober-forderung und Orlentlerungsloslgkeit der Verbraucher gebracht, um auf-wendige Auendienstaktivitten und den Einsatz gering oder aus-schlleJlch kaufmnnisch qualifizierter Mitarbeiter im Auendienst

  • gleichzeitig zu rechtfertigen. Nur in wenigen Fllen aber ist ein ver-strkter Auendiensteinsatz auf eine tatsichlieh drohende Oberforderung der Kufer oder Hndler durch die Komplexitt der Anwendungsprobleme zurckzufhren. In der Regel Ist es umgekehrt: Auf typtsehen innovati-ven Anbletermrkten (etwa bei Einfhrung neuartiger High Tech-Produkte oder ln der Untel'haltungselektronlk) scheuen Kunden und Hndlel' gerade ln der Anlaufphase keine Mhen und keine Wege, um an das Produkt heranzukommen. Man steht das an den Besucherzahlen von Funkausstel-lungen und Autosalons. Hobby- und Elektronlkfachmessen. Es handelt slch dabei eben nicht um "convenience"-Mrkte, sondern um sog. "spe-ciality-services", die deshalb weltgehend stationr angeboten werden knnen. "Convenience"-Kunden hingegen sind solche, dle auf lange Suchprozesse verzichten (vgl. STAFFELBACH 1988, S. 281) und an einem hohen Innovationsgehalt des Produkts selten interessiert sind. Konse-quenterwelse spielt im 11 convenlence"-Geschft der dauernde enge Draht zum Auendienstmitarbeiter in der Nachbarschaft eine gewisse Rolle, so z.B. Im Versicherungssektor.

    Gerade weil Im Verbrauchsgtergeschft selten przise konomisch be-grndet werden kann, warum ein Auendienst bzw. eine bestimmte Auendienstdichte erforderlich lst - etwa Im Vergleich zu Mltanbletern. die ohne oder mit kleineren Auendiensten auskommen -. werden soziale oder (pseudo-)"anthropologische" Alltagstheorien zur Legitimation des Auendiensteinsatzes herangezogen. Diese laufen meist auf dle Zuschrel-bung der Merkmale (bzw. auf eine Typisierung des Kunden auf den DI-mensionen) Bequemlichkeit, Unlnformlertheit, Unsicherheit und Ristkoseheu hinaus. Hinzu kommen zielgruppenspezifische Attribute wie Mitrauen bel lteren Kunden oder Geltungsbedrfnis beim Arzt, was in entsprechende Strategien (oder eher ln Stereotype) der Kundenansprache umgesetzt wird. Selten hingegen wird dem Kunden von den Vertriebsleitungen tech-nisches Interesse attestiert oder hieraus gar der Schlu gezogen, einen technisch besonders versierten Auendienst einzusetzen.

    Nun sind die sozialen Begrndungen der Funktion des Auendienstes nicht smtllch von der Hand zu weisen. Gerade das beim Kunden wahr-genommene Merkmal "Unsicherheit" erscheint als strategischer Ansatz-punkt von Auendienstarbeit brauchbarer als etwa dle Erkl-rungsbedrftigkelt der Produkte. Allerdings ist diese Unsleberbett nicht persnllchkeltsstrukturell, sondern sltuatlv ausgeprgt.

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    Die meisten Au~endlenstrezepte Im Verbrauchsgtersektor hypostasieren den FaktoT der Verunsicherung des Kunden und betonen einseitig dle darin angelegte Mglichkelt der Ausnutzung von Informatlonsvorsprngen. Diese 0Tlentlerung prgt auch die Steuerungs- und Kontrollformen im

    Au~endlenst und fllt gelegentlich sogar auf Ihn zurck. Ist der Kunde an "conventence" orientiert, braucht eT weder TranspaTenz noch umfas-sende Information. Es wird lhm auch kein eigenstndiges Informations-verhalten zugetTaut. Infolgedessen braucht auch der Au~endlenstler keine Informationen 'Ober Produkte oder Konditionen der Konkurrenz und kann an einer "kurzen" Informationstechnischen Leine gehalten werden. Ist der Kunde mt~trauisch, so mssen Ihm sogar Informationen vorenthalten werden, die man folgerichtig am besten gar nicht erst an den Auf:\en-dlenst weitergibt. Und Ist er vertrauensvoll-naiv, kann er also ohne Skrupel getuscht werden, so frchten dle Zentralen alsbald, auch von Ihren eigenen Auendiensten - etwa bei der Spesenabrechnung - betro-gen zu wet'den. Das "low-trust"-Kllma (FOX 1974) scheint ebenso ein Charakteristikum des Auf:\endlenstes zu sein wie es dessen Verhltnis zu den Vertt'lebsleltungen prgt. Auf diese wechselseitigen Zuschrelbungen und ihre Effekte wird ln den Fallstudien 11och zurckzukommen sein.

    OffenbaT kommen die "convenience"-Mrkte (wie z.B. der deutsche Ver-stcherungsmarkt) mit Ihrer traditionellen Orientierung auf den Auf:\en-dtenst und mtt Ihrem Modell des 11 inltlatlvlosen Kunden" allmAhllch unter Druck, ohne daf:\ von den Unternehmensleitungen allzu ernsthaft dle Al-ternative einer guten fachllchen Beratung gegenber den low-pt'ice-An-bletern verfolgt w'Drde: Die Kunden knnten nmlich auf die Idee kom-men, steh vom Auf:\endlenst detallliert fachlich beraten zu lassen, um anschllef:\end das billigere Angebot der Konkurrenz ohne Au~endlenst zu nutzen. "Dte notwendig werdende Pronuerung des Auf:\endtenstes kann nicht ausschllef:\llch tn der Intensivierung ... fachlicher Beratung liegen, well diese vom auendienstlosen Mitbewerber paraaltAT ausgenutzt werden. kann. Kundenservicekultur muf:\ vielmehr auf etwas anderes abzielen, nmlich auf dte emotionale und soziale Ansprache und Bindung des Kunden." (GEISSLER 1989, S. 1117) In diesem Sinne fordert z.B. die Ver-sicherungswirtschart von Ihren Auf:\endlenstlem, beim Kunden ein kom-plexeres Verstndnis von Sicherheit Ober die "nackte" Finanzdienstlei-stung hinaus. zu eTzeugen, und zwar dergestalt, da~ dle soziale und emo-tionale Komponente des Slcherheltsgetohls (z.B. ln Ponn des Auen-dienstmltarbelters selbst und seines menschlichen "Elntohlungsvenn-gens") quasi zum akzeptierten und vom Kunden mitbezahlten Bestandteil

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    des Produkt wird. "Kundenservlcekultur unterscheidet slch deutlich von der 'Kultur des produkt- und abschluorientierten ... Absatzes .... durch taktische Manahmen der Kundenberatung." (S. 1120) Wir werden aber sehen. wie schwer es in "gewachsenen" Vertriebs- und Auendienstorga-nisationen 1st, solche Orlentierungen zu entwickeln, vom Ziel der kom-petenten fachlichen Beratung ganz zu schweigen.

    Mlt noch subtileren Alltagstheorien mu lm Investitionsgtervertrieb ge-arbeitet werden. Dort ist die Verkaufssituation strker versachlicht. Die Markttransparenz ist fr die spezialisierten professionellen Einkufer grer, whrend das "convenience"-Argument eine untergeordnete Rolle spielt. Daher mu steh auch der Auendienst vor einer Vergrberung und Emotionallslerung der ArgumentationsUnten hten und bedarf immer wie-der der fachlichen Untersttzung durch dle Zentrale. Eine intensive Zusammenarbeit von Auen- und Innendienst wre hier also besonders notwendig. Doch auch im Investitionsgtergeschft lst man von einer "high-trust"-Atmosphre effektiver Kooperation von Innen- und Auen-dienst oder zwischen den verschiedenen Auendiensten gelegentllch noch wett entfernt, wle zwei unserer Fallbelspiele zeigen werden (Elektrogertehersteller E und Industriechemikalienvertrieb im Unterneh-men C2).

    2.3. Aui)endtenst und MarktanonymitAt

    Dle zunehmende Dlsparathelt und Anonymitt eines Marktes infolge rumllcher oder sozialer Ausweitung oder die Intransparenz von Ziel-gruppen sind seit jeher Ursachen eines verstrkten Auendiensteinsatzes gewesen. Der Typus des angestellten Reisenden verdankt seine Verbrei-tung vor allem der Entwicklung der Markenartikelkonzerne mit ihrer Produktion fr den anonymen Markt der Entwicklung grorumiger Dl-stributionssysteme gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

    "Dle groen integrierten Kapltalgesellschatten, dle ln den achtziger und neunzlger Jahren des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten zu entstehen begannen, waren auf der Grundlage einer neuen Konzeption der Absatzpolitik aufgebaut." (BRAVERMAN 1977, S. 200) Wegen des rlumll-chen Auselnandertallens von zentraUalerten Produktlonaatltten und Im-mer breiter gestreuten anonymen AbsatzmArkten neue Vertriebsweae mlt

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    angestellten Aupendlenst- und Auslieferungsmitarbeitern erforderlich. Diese traten zuerst in der Nahrungsmittel- und Kleinmaschinenindustrie (z.B. bel der Vermarktung von Konserven, Zigaretten, NAh- und Landma-schinen) an die Stelle von Kommissionren und GroPhndlern. Der Einsatz von angelernten ''salesmen konnte aber nur funktionieren, weil grope Te1le der fr die Vermarktung entscheidenden Vermittlungsleistung von der Zentrale bernommen oder vorstrukturiert wurden: Die Marke mute durch ihr Image weltgehend "tr sich" sprechen (UNGER 1981, S. 12). Auendienstvertrieb und zentrales Marketing bedingten sich also wech-selseitig.

    Auch die Geburtsstunde des Wartungsauendienstes fiel ln diese Phase: Maschinen konnten als Markenartikel "nicht verkauft werden, ohne da~} tr Wartung, Kundendienst und ln vielen Fllen fr dle Installation Vorsorge getroffen wurde. Dies machte es fr den Hersteller schwierig, slch am Ort von den bestehenden Handlungseinrichtungen vertreten zu lassen. n (BRA VERMAN 1977 I s. 201)

    Ziel der Anstrengungen der Grounternehmen war es, den "autonomen Charakter der Nachtrage nach ihren Produkten zu mindern und ihren induzierten Charakter zu vergrern." (S. 203) Das zentrale Marketing in Verbindung mit dem Aupendienst soll das leisten, was VEBLEN 1923 in Analogie zum Fordlsmus "eine Massenproduktion von Kunden" nennt: Es findet eine "Umleitung von Kunden von einem zu einem anderen konkur-rierenden Verkufer" statt, doch vom Standpunkt des einzelnen Verku-fers erscheint dies als "eine Produktion von neuen Kunden oder die Er-haltung von Kunden, die bei dem betreffenden Konzern bereits in Be-nutzung sind. Somit kann man diesen Erwerb und diese Instandhaltung von Kunden mlt Recht zu festgesetzten Produktionskosten pro Einheit kalkulieren, und diese Operation eignet sich tilr Massenproduktlon. 11

    VEBLEN geht davon aus, dap "dle Fabrikation von Kunden nunmehr al~ eine Routinettigkelt ausgefhrt werden kann, vlllg im Geist der me-chanischen Industrien." (S. 306 t., zlt. nach BRAVERMAN 1977, S. 203 f.)

    Der AuPendlenst spielt in Strategien der Verwandlung von autonomer in Induzierte Nachfrage heute noch eine wichtige Rolle, auch wenn Waren-wlrtachattssysteme und Marktforschung den Kunden durch Verfolgung der Datenspuren, die er auf seinen tAgllchen Einkufen hlnterUlt, relativ transparenter gemacht haben als um dle Jahrhundertwende. HinterUlt eine Klientel (z.B. Landwirte oder Klelnuntemehmer) bei seltenen Ge-

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    schAftskontakten kaum brauchbare Datenspuren, lst sle gar ber viele Branchen oder regional verstreut, nicht relsewllllg, nur an Ihrem Stand-ort ansprachbar und a prlori schwer elngrenzbar, so wird der Au~endlenst als Kontaktmedium tendenziell wichtiger als der Adressenhandel, dle Anzeige lm Branchenfachblatt oder die Messeveranstaltung. Beispiele fr derartige Konstellationen, in denen die potentiellen Kunden mhsam der Anonymitt entrissen werden mssen und man steh "Theorien" ber sie machen mu~. sind: die Einfhrung eines neuen, multifunktionalen Industrieklebstoffes, dessen Prsentation an steh noch keinen Kunden zu einer Reise zur Chemiefachmesse veranlat, dessen Vertrieb allein aber keine Messestnde des Herstellers auf den verstreuten Fachmessen der zahlreichen potentiellen Abnehmerbranchen rechtfertigt; der Verkauf von Wasseraufbereitungsanlagen ln die Dritte Welt, deren lokale Gegebenbet-ten zunchst weltgehend unbekannt sind; der Vertrieb von Mhdre-schern. bel denen nur wenlg Ersatzbedarf anfllt, welcher zudem in der Fliehe des lndllchen Raumes gezielt aufgesprt, d.h. auch optisch aus-gekundschaftet werden mup, wobei zustzlich lokale Informationen ber die Bonitt der Kufer einzuholen slnd; oder der Verkauf von Bau-maschinen oder Nutzfahrzeugen an dle mittelstndische Wirtschaft, wofr ebenfalls elne Besichtigung des Fuhrparks Im Hof, Bankausknfte, Infor-mationen ber dle rtllche Auftragslage und mapgeschnelderte Flnanzle-rungskondltionen von Wichtigkelt sind.

    Dle neuerdings von BIERVERT u.a. 1987 (S. 59) wieder hervorgehobene Rolle der Marktanonymitt als Ursache sowohl der Expansion von Ver-mlttlungsarbelt als auch der aktuellen lnformatlonstechnlschen Durch-dringungsversuche des Marktes trifft aber selten auf alle Distributions-stufen und dle Endnachfrager gleichzeitig zu. So existieren weit ge-streute, gering zentraUalerte Fachhandelssparten (z.B. der Zeitschriften-oder Schrelbwarenhandel), die zwar einen bekannten Kundenstamm mlt von Monat zu Monat genau kaikullerbarer Nachtrage besitzen. Sle selbst stellen aber ror dle Hersteller der entsprechenden Produkte einen anonymen Markt dar, aus dem nur wenige Groabnehmer hervorragen. Die Hersteller begngen sich ln diesen Fllen lm allgemeinen mit elner gro-ben Typisierung des Zwischenhandels und verzichten auf dle konsequente Entanonymlslerung des Endverbrauchers. Die Kenntnis seines Durch-schnittspronls reicht ror dle Produktgestaltung und -werbung weltsehend aus. Weder wird er direkt angesprochen (auper durch das Produkt selbst) noch wird dle Rolle des lokalen Fachhandels bel der richtigen Placleruna des Produkts ln Frage gestellt. Auch glbt es hochzentralisierte GrotJ-

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    marktketten, .deren Spitzenorganisationen mit ihrem Globalbedarf den Lieferanten gut, deren PHialen Ihnen aber kaum bekannt sind oder gar nicht bereist werden. Diese Selbstbedienungsfillalen wiederum haben an jedem einzelnen Standort Zehntausende von fQr den Hersteller und auch ror die Flllalleltung weltgehend anonymen Kunden.

    BIERVERTs Argument von der Marktanonymit.t, die den Einsatz von Ver-mlttlungsarbelt erzwingt, 111Pt also offen, an welchen der zahlreichen

    ~Schnittstellen 11 zwischen den vertikalen Distributionsstufen anonyme Be-ziehungen vorherrschen oder akzeptiert werden, und welche unterschled-llchen Effekte dies filr Umfang und Form der Auendienstarbeit hat. Pilr den Einsatz des AuPendienstes an der einen oder anderen Schnittstelle sind z.B. Kapitalstflrke, Bevorratungspolitik, Qualifikation oder Risikobe-reitschaft der Zwischendistributeure entscheidend. Manchmal mup ein kleiner Kreis gut bekannter, aber lnformatlonell berforderter und daher ln den Augen des Herstellers zu 1'konservativ" disponierender Fach-hndler (z.B. Bekleidungsfachhandel) durch AuPendtenstler intensiv be-reist werden, um ihnen eine aktivere Vertriebspolitik nahezulegen. In anderen Fllen werden komplexe Produkte aufgrund zentraler Vertrags-abschlOsse ohne jeden persnlichen Kontakt von Speditionen an Grop-mrkte gellefert und dort wiederum vollstndig anonym erfolgreich ver-kauft. Ein Aupendienstler htte ln einem solchen Markt mgllcherwelse gar keinen kompetenten Ansprachpartner mehr.

    Im ersten Pali llegt die Ware durchschnlttllch mehrere Wochen lang im Laden. Da der kleine Fachhndler meist vorsichtig disponiert und modi-sche Risiken scheut, mup ihm der Aupendienst permanent auf die Sprilnge helfen: Der Abverkauf muP beobachtet, Lilcken im Sortiment mQssen Identifiziert werden. Der Hndler mup immer wieder zum selektiven Nachdisponieren und zum Eingehen kontrolUerter Risiken gentigt und dabel intensiv beraten werden. Bert man lhn einmal falsch, so ist der Kontakt tilr die nchste Saison "tot". Von Anonymitt der Hersteller-Hilndler-Beziehung kann Jedoch keine Rede sein, und wahrscheinlich kennt der Hndler in diesem Pali auch seinen Kundenkreis recht gut. Im zweiten Fall schlgt sich aufgrund der Erschlieung eines groen Kun-denkreises durch einen zentralen Abholmarkt die Ware fast ohne Ver-triebsautwand und weltgehend risikolos um, sobald sie auf der Palette im Gang steht - von Reklamationen einmal abgesehen. Oft ist sie noch nicht einmal bezahlt, wenn sie schon ausverkauft ist. Personale Vermittlung lst hier trotz hochgradiger Anonymitt oer Beziehungen zwischen Hersteller

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    und FUiale einerseits, Filiale und Endverbraucher andererseits kaum notwendig. Im ersten Fall war sie jedoch sehr wirksam, da sie Rlstken dmpft bzw. zum Eingehefl kontrollierter Risiken ermutigt. Der Aul}en-dlenst stellt also einen vertrauensbUdenden und risikomindernden Faktor des Marktes dar. Dies gUt allerdings nur dort, wo die Anonymitt und die Zahl der Abnehmer nicht so grop sind, dap der Auendienst un-gestraft eine Vertriebspolltlk der "verbrannnten Erde" betreiben kann, indem er z.B. mlt problematischen Produkten von Grostadt zu GroPstadt zieht.

    Eln gemeinsamer Nenner fr die Elnsatzg~blete des Aupendienstes ist nach unseren bisherigen Ausfhrungen schwer zu finden. Das Erschei-nungsblld des Aupendlenstes verndert steh permanent. Das Etikett "Vermittlungsarbeit" erscheint uns dafr zti abstrakt und zu undifferen-zlert. Als vorlufiges Ergebnis der bisherigen Versuche einer konomi-schen Funktionsbestimmung knnte man festhalten:

    1. Der Aupendlenst soll den Umschlag d~r Umlaufkapitale beschleunigen, die sieh auf "hyperdlversiflzierten" Mrkten auf eine zunehmende Zahl von veralterungsbedrohten Produkten aufspllttern. Insbesondere nimmt er diese Funktion unter Bedingungen intensiven Verdrngungswettbewerbs, bei unzureichender Innovationshhe der Produkte, auf. intransparenten Mrkten oder bei einem nicht fichendeckenden Netz von Handelssttz-punkten wahr. Er ergnzt bzw. ersetzt dabei stationre Vertriebsnle-derlassungen, die sich nicht (mehr) rentieren.

    2. Zugleich spielt der Auendienst eine wichtige Sensorenrolle im Wett-bewerbsfeld und bei der Entanonymisierung der Kunden, die bis hin zur Bonittsprfung reicht. Er liefert den Marketlngabtellungen, aber auch dem Fachhandel eine Flle qualltaUver und quantitativer Daten ber Kunden, Konkurrenten, ber die unterschiedliche Artlkelplacierung und Preise in den Verkaufsstellen. Umgekehrt berbrckt er Informations-lcken beim Zwischenhandel oder Endverbraucher, die aus der zuneh-menden Trennung von physischer Warendistribution und Informationsflu ln der logistischen Kette resultieren.

    3. In sozialer Hinsicht besteht dle Funktion des Auendienstes einerseits darin, Vertrauen aufzubauen und die Kundenanonymitt sowie dle mit lhr verbundenen Risiken so weit wie mgllch zu reduzieren. Andererseits be-steht sie gerade darin, Vertrauen (nimllch in Konkurrenzprodukte) zu

  • erschttern und Kufer bzw. Distributeure in ihren eingefahrenen Kon-sum- bzw. Beschaffungsmustern zu verunsichern, wofr ebenfalls genaue Informationen Ober den Kunden vorhanden seln, aber auch nexibel ge-nutzt werden milssen. Die hochgradige Sltuatlonsabhnglgkeit dieser wi-dersprilchllchen Funktionen impllziert, da sie weder uneingeschrnkt durch Informationstechnik ilbernommen noch bellebig von den Marketing-und Vertriebsabteilungen vorstrukturiert werden knnen. Trotzdem ver-suchen die Vertriebsleitungen dle Anspracherisiken oft noch durch wet-tere Standardisierung und Typisierung der Kundenansprache zu senken. So bewegt steh der Auendienstmitarbeiter meist in dem Widerspruch. da einerseits groe Anteile seiner Kommuntkation mit den Kunden schablonenhaft verlaufen, whrend andererseits ein hochnexibles. situationsgerechtes Agieren von lhm verlangt wird.

    4. Ausdruck dieser Wldersprilchllchkelt 1st hufig die durch den Auen-diensteinsatz geschaffene, scheinbare, wen blo "atmosphrische" Entanonymisierung der Kundenbezlehung. Diese erfolgt z.B. im Kaufhaus belm Einsatz von "Werbedamenn. d.h. von Auendlenstlerlnnen, durch dle man steh eine Indlvldualtslerung und Intensivierung der Kundenansprache im Vergleich. zum normalen Verkaufspersonal erwartet. Nicht detallllerte Informationen Ober Produkteigenschaften und dle. Interpretation des je lndlvlduellen Kundenbedarfs stehen in der Kommuntkation lm Vorder-grund, sondern die weltgehend auf Kundentypen abgestellte routinemige Prsentation von personalen Eigensc