Hans von Aachen im Kunsthistorischen Museum

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Die Presse Kultur Spezial: Hans von Aachen im Kunsthistorischen Museum

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Hätte Hans von Aachen, gebürtiger Kölner Ma-ler, der durch um- fangreiche Aktivitäten

zwischen Wolfenbüttel und Rom, Be-sancon und Wien künstlerische Spu-ren quer durch Europa hinterlassen hat, in der Kunstgeschichte ein ande-res Standing, wenn ihm die Zeitläuf-te gewogener gewesen wären? Wenn nicht wenige Jahre nach seinem Tod der Dreißigjährige Krieg ausgebro-chen wäre? Oder verbaute sich der zu seinen Lebzeiten nicht nur als Künst-ler erfolgreiche, sondern vor allem von Kaiser Rudolf II. auch als höfischer Berater geschätzte und als Diplomat überaus angesehene Hans von Aachen eine „posthume“ Karriere selbst – etwa, indem er sich nicht einem einzigen unterscheidbaren Stil verschrieb, sondern sich auf mehre-ren Gebieten als Virtuose behauptete? Indem er sich nicht bloß in einem Genre profilierte, sondern alle gro- ßen Genres und wichtigen Techniken souverän beherrschte?Ein groß angelegtes Ausstellungspro-jekt in den drei für das Leben, Wirken und die Rezeption Hans von Aachens wohl wichtigsten europäischen Städ-ten hat sich nun der verdienstvollen Aufgabe angenommen, das Schaffen dieses lange unter seinem Wert ge-schlagenen Künstlers, dessen Profil nicht in die üblichen Schemata des Kunstbetriebs passen mag, neu auf-zuarbeiten und einer unvoreinge-nommenen Bewertung zuzuführen. Nach Stationen im Aachener Suer-mondt-Ludwig-Museum und in der Prager Burggalerie ist die über 100 Werke – Gemälde, Zeichnungen und Stiche – umfassende Schau nun als glanzvoller Abschluss im Kunst-

historischen Museum zu sehen. Da-mit wird sie zum einen von der Stadt getragen, der die Familie des Künst-lers entstammt und der er seinen Namen verdankt, zum anderen von Prag, der Residenzstadt Rudolfs II., wo Hans von Aachen den Höhe-punkt seiner Karriere erreichte, und schließlich von Wien, wo sich, ver-teilt über die bedeutenden Kollek- tionen der Stadt das Gros seiner Werke befindet – vom Kunsthisto-rischen Museum über die Albertina und das Liechtenstein Museum bis zur Nationalbibliothek und dem Hee-resgeschichtlichen Museum.

Lebenskünstler. Vielleicht ist aber einfach auch erst jetzt die Zeit reif, dem Publikum einen Künstler näher-zubringen, dessen Werdegang sich in vielem mehr mit den Mechanismen und Anforderungen unserer Gegen-wart als mit überkommenen roman-tischen Idealen deckt.Ausgehend von dem, was durch Überlieferungen bekannt ist, kann man Hans von Aachen durchaus als Pragmatiker beschreiben – als einen, der konsequent seinen Weg ging, in-dem er sich Aufgaben gelassen stell-te, Herausforderungen annahm und dafür kluge und originelle Lösungen bereithielt. Dabei inszenierte er sich weder als Genie, noch ließ er zu, dass ihm das Leben übel mitspielte. So kopierte er etwa, als er nach Ab-schluss in Venedig 22-jährig durch Vermittlung von Gaspar Rem, einem Kunsthändler mit guten Verbin-dungen in den Norden, in der Werk-statt des Francesco Moretto anheu-erte, geduldig ein venezianisches Kirchenbild ums andere, während er seine Fertigkeiten in der freien

Malerei selbst verbesserte. Es mutet wie eine schelmische Finte an, dass er nach Ablauf der Monate in der Lagunenstadt Gaspar Rem (der aus seiner mangelnden Wertschätzung für den jungen Kölner kein Hehl ge-macht hatte) ein lachendes „Selbst-porträt im Spiegel“ zum Geschenk machte, um ihn auf diese Weise von seinen Fähigkeiten zu überzeugen. Die Rechnung ging tatsächlich auf, er konnte sich auf diese Weise spät, aber doch Rems Anerkennung sichern. „Dieses Konterfei hielt Gaspar, solan-ge er lebte, in großer Wertschätzung und ließ es jeden mit großem Lob

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selbstporträt.Hans von Aachen, auf Eichenholz.

Hans von Aachen (1552–1615) ist die künstlerische entdeckung des Jahres 2010: ein Freigeist und Universalist von europä-ischem Format, der sich in kein Schema pressen lässt. t e x t: j o h a n n a h o F l e i t n e r

Aus dem Rahmen der Geschichte

gefallen

hans von aachen. „Allegorie der Herrschaft – Wiederkehr des

goldenen Zeitalters unter Saturn“, Öl auf Kupfer.

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sehen“, erwähnt der Maler Karel van Mander, in „Het Schilder-Boeck“, der ersten nördlich der Alpen erschie-nenen Kunsttheorie. Einen anderen Beweis für sein Geschick, sich Frei-heit und Unabhängigkeit zu sichern, erbrachte Hans von Aachen Jahre später, während seiner Zeit in Bayern, wo er ab 1588 acht Jahre tätig war. Da nahm er für sich gleich zu Beginn einen sozialen Freiraum in Anspruch, der für Künstler der Spätrenaissance ungewöhnlich war, und konnte ohne

Zunftzugehörigkeit sowohl Aufträge für das Patriziat annehmen als auch für adelige Auftraggeber und die Kir-che tätig sein. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich von Rom und Florenz aus der Name Hans von Aachen unter den Sammlern und Auftraggebern allerdings längst herumgesprochen.Dabei hätte von Aachens Werdegang durchaus eine andere Wende neh-

men können. Wie ihn van Mander im „Schilder-Boeck“ beschreibt, muss er ein Wunderkind gewesen sein, das „Mutter Natur für die Malkunst vor-gehalten“ habe: „Unter anderem hat er auch eine Katze nach dem Modell gezeichnet . . . und zwar so, dass ein Maler, der dies mit der Feder gezeich-net sah, meinte, dieser ginge in die Zeichenschule und habe da nun sol-che Fortschritte gemacht. Als er aber hörte, dass dies nicht der Fall sei, war er umso mehr erstaunt, und er emp-fahl, dass man ihn der Malkunst vor-behalten sollte: Denn in dem (sagte er) steckt ein Mann drinnen, und er solle ein großer Meister werden.“

Wunderkind. In der Folge wurde das Kind von den Eltern in Köln in die Lehre gesteckt und nach flämischer Tradition ausgebildet. Vor allem im Porträt brachte es Hans von Aachen schon in jungen Jahren zu einer ge-wissen Meisterschaft, die er im Lauf der Jahre immer mehr vervollkomm-nete. Mit dieser Begabung ausgestat-tet, sollte er nicht nur in seinem Spät-werk, am kaiserlichen Hof in Prag (ab 1596), ein gefragter höfischer Porträtist werden. Viel früher schon herrschte rege Nachfrage nach seinen Künstlerbildnissen, wobei sich das Flämische seiner Malerei bald schon mit einer gewissen „Venezianità“ mischte. Ebenso entwickelte er im Selbstporträt einen ganz eigenen Stil, wobei er sich häufig als „Lachender“ darstellte – bisweilen in komischer Verdoppelung. Als Meisterwerke gel-ten seine Mitte der 1580er-Jahre in Florenz entstandenen Bildnisse der kulturellen Elite, darunter von Giam-

bologna, Bartholomäus Spranger, Joseph Heintz, Adriaen de Vries so-wie der Dichterin Laura Battiferri – eine Liste, die nicht zuletzt auch Hans von Aachens soziale Verankerung in der Künstlergemeinschaft widerspie-gelt. Eine weitere Spezialität von ihm war die Erweiterung ins Genrehafte.Unmittelbar nach Venedig ging Hans von Aachen für einige Zeit nach Rom

– mit dem vorrangigen Ziel, seine Zeichenkunst zu perfektionieren. Im Haus des Anthonisz Santvoort traf er auf Hans Speckaert, um den sich in Rom eine Art Privatakademie gebildet hatte. Zurückgekehrt nach Venedig, erhielt er, ungeachtet seiner deutschen Herkunft, nach und nach erste große Aufträge, die bedeutends-ten davon von den Medici in Florenz, darunter das berühmte Porträt des toskanischen Großherzogs Frances-co I., das ihm über die Grenzen Ita- liens Ruhm verschaffte. Aber auch in Venedig ansässige niederländische Kaufleute bestellten bei ihm Bilder mit religiösen und mythologischen Themen, in denen er sich immer wie-der auch als großartiger Landschafter erwies.

Auf dem Gipfel. Schon während seines anschließenden achtjährigen Intermezzos in München und Augs-burg (1588–1598), wo Hans von Aa-chen für Herzog Wilhelm V. von Bay-ern, die Jesuiten und die Fugger tätig war, drängte Kaiser Rudolf II. auf sei-ne Anwesenheit am Prager Hof. Nach der Heirat von Aachens mit Regina di Lasso, der Tochter des Komponisten Orlando di Lasso im Sommer 1596, kam es zur Übersiedlung nach Prag, was eine grundlegende Änderung sei-ner sozialen Stellung und die Erlan-gung zahlreicher Priviligien bedeute-te. Hans von Aachen war aber nicht nur Hofkünstler und Rudolfs engster Vertrauter. Als kaiserlicher Gesand-ter und erster Berater in Belangen der Kunstsammlung genoss er in ganz Europa größten Respekt und Ehr-furcht. Eine diplomatische Sonder- aufgabe war die Wahl einer geeigneten Braut für den Kaiser – eine Aufgabe, in deren Zusammenhang einige seiner rätselhaftesten Bildnisse entstanden. Sporadisch war er auch noch für an-dere Auftraggeber tätig, darunter Karl von Liechtenstein, Herzog Heinrich Julius von Braunschweig, Lobkowicz. Seine Kunst war gefragter denn je, doch wurde es immer schwieriger, Werke von ihm zu erwerben – eine Situation, die bis heute unverändert ist. Nach dem Tod Rudolfs II. 1612 blieb von Aachen bis auf Weiteres am Hof, nunmehr unter Kaiser Matthias. Die Rückkehr nach Deutschland war zwar geplant, doch sollte er sie nicht mehr erleben. Hans von Aachen starb am 4. März 1615 in Prag. n F

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„jupiter, antiope und amor“ von Hans von Aachen.

„Er ist katholisch, spricht ein wenig Italienisch und ist ein wahrheitsliebender Mann, der den

Wein und die Fröhlichkeit liebt.“ (Karel van Mander)

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„5 allegorien auf die türkenkriege: kriegserklärung an konstantinopel“, Hans von Aachen.

„der sturz des Phaeton“, Alabaster,

beidseitig bemalt (links).

„triumphzug des amor und

bacchus“, Alabaster, beidseitig bemalt

(rechts).

„scherzendes Paar mit

spiegel“, Kupfer.

„erzherzogin anna (1585–1618) von tirol“, Tochter von Erzher-zog Ferdinand II. von Tirol, Gemahlin von Kaiser Matthias, Öl auf Leinwand.AusstellunG

hans von aachenHofkünstler in europa 19. Oktober �010 bis 9. Jänner �011

Di bis so, 10 bis 18 uhr Do, 10 bis �1 uhrwww.khm.at