Hattrick für die Marktforschungsmesse - Kantar TNS...Executive bei der TNS Infratest Holding,...

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esearch & esults 7 · 2008 18 NEWS E s ist wie mit dem berühmten Henne und Ei-Problem: Selbst die Marktfor- scher auf der diesjährigen Marktfor- schungsmesse „Research & Results“ konnten nicht mit Sicherheit prognosti- zieren, ob die Wirtschaftskrise ihre eige- ne Zunft nun beflügelt oder nicht. Spa- ren die Unternehmen an der Marktfor- schung, um dann gegebenenfalls richtig baden zu gehen, oder machen sie nun erst Recht Marktforschung, um die Mar- keting-Entscheidungen niet- und nagel- fest abzusichern? Zumindest der An- drang bei der nunmehr dritten Auflage der Research & Results, die am 18. und 19. November in München stattfand, sprach für letzteres. „Die Research & Re- sults 2008 hat gezeigt, dass sich die Marktforschungsmesse als das Bran- chenforum schlechthin etabliert hat. Zweistellige Zuwächse bei Besucher- und Ausstellerzahlen machen deutlich, dass die Marktforschungsmesse zum Pflichttermin der Forschungsszene ge- worden ist“, so das zufriedene Resümee Hans Reitmeiers, Geschäftsführer des Veranstalters. Fast 3000 Messeteilnehmer tummelten sich im Münchner M,O,C, – erneut eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Vorjahr, als die Messe 2500 Interessen- ten anlockte. Belohnt wurde die Neugier der Besucher mit einer wesentlich grö- ßeren Auswahl an Ständen und Work- shops. Knapp 140 Unternehmen stellten aus, und damit mehr als doppelt so vie- le wie bei der Erstauflage 2006 und zwanzig Prozent mehr als im Vorjahr (115). 84 stark frequentierte Aussteller- Workshops (2007: 72) boten den teil- weise deutlich über 100 Teilnehmern Ge- legenheit, sich über die neuesten Ange- bote, Themen und Trends zu informie- ren. Was für 41 Prozent der akkreditier- ten Teilnehmer laut Umfrage der Gelszus Messe-Marktforschung ohnehin einer der Hauptgründe für den Messebesuch war. Neue Kontakte zu knüpfen, hofften 44 Prozent der Befragten. Besucher geben Bestnoten Dass die Erwartungen in beiden Fällen erfüllt wurden, zeigen die Bestnoten, die die Messeteilnehmer für die Research & Results ausstellten. Vier von fünf Besu- chern waren (sehr) zufrieden, auch wenn so mancher Unmut darüber äußerte, dass einige Workshops die Türen dicht ma- chen mussten – es gab zu viele Interes- senten. Sechs parallel stattfindende Workshops mit teilweise bis zu 100 Zu- hörern, das machte sich dann auch auf den Messeständen bemerkbar, wo sich laut Andera Gadeib in den ersten Stun- den „die Leute noch etwas mehr hätten schieben dürfen.“ Gegen Abend dann war die Stimme der Vorstandvorsitzen- Hattrick für die Marktforschungsmesse Fotos: www.dominikmuenich.de In ihrer dritten Auflage hat sich die Messe Research & Results nicht nur endgültig als der Branchentreff für Marktforscher etabliert, son- dern auch die Aussteller- und Besucherzahlen des Vorjahrs nochmals über- trumpft. von Vera Günther und Elke Häberle Messeparty im Münchener P1 Eine Bildergalerie finden Sie auf S. 46

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Es ist wie mit dem berühmten Henneund Ei-Problem: Selbst die Marktfor-

scher auf der diesjährigen Marktfor-schungsmesse „Research & Results“konnten nicht mit Sicherheit prognosti-zieren, ob die Wirtschaftskrise ihre eige-ne Zunft nun beflügelt oder nicht. Spa-ren die Unternehmen an der Marktfor-schung, um dann gegebenenfalls richtigbaden zu gehen, oder machen sie nunerst Recht Marktforschung, um die Mar-keting-Entscheidungen niet- und nagel-fest abzusichern? Zumindest der An-drang bei der nunmehr dritten Auflageder Research & Results, die am 18. und19. November in München stattfand,sprach für letzteres. „Die Research & Re-sults 2008 hat gezeigt, dass sich dieMarktforschungsmesse als das Bran-chenforum schlechthin etabliert hat.Zweistellige Zuwächse bei Besucher-und Ausstellerzahlen machen deutlich,dass die Marktforschungsmesse zumPflichttermin der Forschungsszene ge-worden ist“, so das zufriedene ResümeeHans Reitmeiers, Geschäftsführer desVeranstalters. Fast 3000 Messeteilnehmer tummelten

sich im Münchner M,O,C, – erneut einedeutliche Steigerung im Vergleich zum

Vorjahr, als die Messe 2500 Interessen-ten anlockte. Belohnt wurde die Neugierder Besucher mit einer wesentlich grö-ßeren Auswahl an Ständen und Work -shops. Knapp 140 Unternehmen stelltenaus, und damit mehr als doppelt so vie-le wie bei der Erstauflage 2006 undzwanzig Prozent mehr als im Vorjahr(115). 84 stark frequentierte Aussteller-Workshops (2007: 72) boten den teil-weise deutlich über 100 Teilnehmern Ge-legenheit, sich über die neuesten Ange-bote, Themen und Trends zu informie-

ren. Was für 41 Prozent der akkreditier-ten Teilnehmer laut Umfrage der GelszusMesse-Marktforschung ohnehin einerder Hauptgründe für den Messebesuchwar. Neue Kontakte zu knüpfen, hofften44 Prozent der Befragten.

Besucher geben Bestnoten Dass die Erwartungen in beiden Fällenerfüllt wurden, zeigen die Bestnoten, diedie Messeteilnehmer für die Research &Results ausstellten. Vier von fünf Besu-chern waren (sehr) zufrieden, auch wennso mancher Unmut darüber äußerte, dasseinige Workshops die Türen dicht ma-chen mussten – es gab zu viele Interes-senten. Sechs parallel stattfindendeWorkshops mit teilweise bis zu 100 Zu-hörern, das machte sich dann auch aufden Messeständen bemerkbar, wo sichlaut Andera Gadeib in den ersten Stun-den „die Leute noch etwas mehr hättenschieben dürfen.“ Gegen Abend dannwar die Stimme der Vorstandvorsitzen-

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In ihrer dritten Auflage hatsich die Messe Research &Results nicht nur endgültigals der Branchentreff fürMarktforscher etabliert, son -dern auch die Aussteller-und Besucherzahlen desVorjahrs nochmals über-trumpft.

von Vera Günther und Elke Häberle

Messeparty

im Münchener P1

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den der Aachener Dialego AG dennochsehr angegriffen: „Wir haben sehr vieleKunden aus der Industrie aus allen Tei-len der Nation gesprochen.“ Eine Ein-schätzung, die Aysel Dolma, MarketingExecutive bei der TNS Infratest Holding,München, bestätigte: „Die Qualität derBesucher war sehr gut. Es waren sehrviele Marktforscher aus den Unterneh-men an unserem Stand, darunter auchviele Neukunden, mit gezielten Fragen.“Ebenso gemischt wie die Besucher-

struktur, die sich laut Akkreditierungs-liste aus den unterschiedlichsten Bran-chen wie Energie, FMCG, Automobil undPharma zusammensetzte, präsentiertesich laut Einschätzung von Torsten Boh-se, Geschäftsführer der Hamburger TrendResearch, das Ausstellerangebot. „DieMesse bietet eine sehr gute Mischung auskleinen Dienstleistern und großen Insti-tuten aus den unterschiedlichsten Markt -forschungssegmenten. Auch wenn na-türlich ein sehr großer Schwerpunkt aufder Online-Marktforschung liegt.“ Dashat nicht zuletzt auch finanzielle Grün-de. So rechnet Marc Smaluhn, ManagingDirector Central Europe bei ResearchNow in Hamburg, „mit einem Wachstum

der Onlineforschung. Insbesondere auf-grund des zusätzlichen Kostendrucks er-warten wir einen weiteren Schub aus derklassischen Marktforschung in RichtungOnline.“ Tatsächlich war auf der Research &

Results ein Trend unverkennbar: Foren,Blogs oder Communities sind für dieMarktforschungsinstitute keine schwar-zen Löcher mehr. Im Gegenteil: Ob Niel-sen, GfK, Dialego, TNS Infratest, H,T,P,Concept – um nur einige zu nennen – allemischen sie kräftig mit im Mitmachweb

und nutzen dieses, um Erkenntnisse über die Befindlichkeiten und Bedürf-nisse der Konsumenten herauszufiltern,darauf aufbauend Systematiken undTools für die Marktforschung zu entwi-ckeln und den User bereits frühzeitig indie Entwicklung von Produkten und De-sign oder auch in die Kommunikationeinzubeziehen. So etwa Dialego, die inihrer eigenen Community Live-Brain -stormings mit Produktentwicklern undpotenziellen Konsumenten veranstaltenund damit jedem Vorurteil entgegentre-

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ten will, dass sich qualitative Marktfor-schung über die Online-Plattform aus-schließt. In den gleichen Gewässern fischen auch Messe-Neulinge wie dieHyve AG. Die „Innovationsagentur“ be-schäftigte sich ursprünglich mit Themenwie Industriedesign oder auch webba-sierten IT-Lösungen und hat ihr Tätig-keitsfeld nun um neuartige Research-Verfahren wie Netnography, User Co-Creation oder über Ideen-Communitiesfür kundenzentrierte Neuproduktent-wicklungen ausgeweitet. Der Grund für dieses verstärkte Enga-

gement im Web 2.0 liegt auf der Hand:„Im selben Maße wie User GeneratedContent massenhaft und intensiver ge-nutzt wird, steigt dessen Bedeutung fürdie Werbung und für die Marktfor-

schung“, bringt es Florian Thielecke,Mitglied des Sales-Teams der NielsenCompany, auf den Punkt. Das Mitmach-web mit seinen engagierten und interak-tiven Usern liefert hierfür natürlich ei-nen idealen Nährboden und bringtunterschiedliche Angebote zu Tage. Hin-zu kommt das sich wandelnde Interesseder werbungtreibenden Firmen: „DieKunden wollen mehr Trendforschung.Sie wollen wissen, was morgen die Ver-braucher interessiert, und weniger, wasgestern wie gelaufen ist“, beobachtet Jo-hannes Hercher, Geschäftsführer vonRogator und MobiTED aus Nürnberg. DieUnternehmen erwarten in diesem Zu-sammenhang von ihren Dienstleistern,dass diese echte, dauerhafte Trends her-ausfiltern und nicht jedem kurzfristigen

Hype aufsitzen. Dassdies nicht immer ein ein-faches Unterfangen ist,liegt auf der Hand. Ent-sprechend aufwändigsind die auf der Research& Results vorgestelltenAnsätze.

Inszenierung im Weblog

Beispielsweise der vonH,T,P, Concept: Das inMünchen ansässigeUnternehmen hat sichbesonders den Weblogsverschrieben und unter-sucht, wie sich diese fürdie qualitative Marke-tingforschung einsetzenlassen. „Wir inszenierenBlogs, setzen sie eigensauf“, erläutert Svenja

Prins, Senior Project Director bei H,T,P,Concept, in ihrem Workshop „Fokus-Blogs – die Adaption eines Web 2.0-Kommunikationstools auf die Bedürf-nisse der Marketingforschung“. Die ide-alen Rahmenbedingungen für diese so-genannten Fokus-Blogs: eine Laufzeitzwischen sieben und 14 Tagen, eine (off -line rekrutierte) Gruppengröße zwischenzehn und 25 Personen sowie ähnlicheInteressen oder Lebensphasen der User.Weitere Zutaten, um einen Blog zumLaufen zu bringen: Ein Moderator, derdas Geschehen permanent, aber unauf-fällig lenkt, der die Teilnehmer „pam-pert“ und von Zeit zu Zeit frische Auf-gabenstellungen festlegt. Die Einsatzge-biete sind vielfältig: Fokus-Blogs eignensich für Bedarfs- und Zielgruppenanaly-sen, zur Innovationsforschung, zurDurchführung von Produkttests oderauch zur Produktoptimierung. WeiteresEinsatzfeld: die ethnologische For-schung. Die konkrete Fragestellung wä-re hier: „Wie konsumieren Deutsch -türken und in Deutschland lebende Tür-ken?“ Aber auch für sensible Themen, etwa „Wie meistern chronisch Krankeihren Alltag?“, seien Blogs geeignet, berichtet Prins aus der Praxis. EinemVorurteil erteilt sie eine klare Absage:„Blogforschung ist keine Quick’n’Dirty-Marktforschung, sondern eine berei-chernde Option im flexiblen und modu-laren Forschungskontext.“ Diese Option möchte die Nielsen

Company insbesondere für die Konsum-güterforschung nutzen. Im Rahmen ei-nes Workshops haben sich die Frankfur-ter dem Thema „Buzz-Metrics: Mund-propaganda in Web-Blogs – Analyse vonConsumer Generated Media anhand vonFMCG-Produkten“ verschrieben. Nielsensucht dabei thematisch zu den zu testen-

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„Hype oder Hoffnungsträger: Was bringt das Web2.0?“ Diese Frage versuchte Moderator ProfessorMatthias Fank zusammen mit vier Branchen-Exper-ten zu klären. Im Zentrum des hochrangig besetz-ten Podiums standen Fragen wie etwa „Wie nutzendie Unternehmen das Mitmach-Web?“ und „Wiesind die generellen Anforderungen in Bezug auf dasWeb-Monitoring?“.

„Viele Werbungtreibende nehmen Web 2.0 nach wie vormit einem Gefühl zwischen Angst und Machtlosigkeitwahr“, konstatierte Winfried Felser auf dem Podium. Werdas Thema an sich vorbeiziehen lasse, begehe definitiv ei-nen Fehler, warnt der Gründer und Vorstand der KölnerNetSkill AG. Schließlich seien Foren, Blogs & Co. die neueSchnittstelle zum Markt und damit zu den Verbrauchern.Martin Oetting, Gesellschafter und Leiter Forschung beider Trnd AG, einer Spezialagentur für Word-of-Mouth-

Marketing, rät den Marketern ebenfalls dringend, sich mitUser Generated Content (UGC) auseinanderzusetzen. AusKostengründen, und weil dort das „wahre Leben“ tobe.Soll heißen: In der „klassischen“ (Offline-)Marktforschungwird viel Zeit und Geld darauf verwendet, „reale“ Situa-tionen nachzustellen. Im Netz dagegen verhalten sich dieMenschen nahezu authentisch. „Wer an den Bloggern undForenteilnehmern vorbeigeht, hat am Ende des Tagesnichts zu lachen“, so die Warnung des Word-of-Mouth-Spezia listen. Aus qualitativer Marktforschungssicht (vonder Früh erkennung von Trends bis hin zu kommunikati-ven Maßnahmen) sind die User seiner Ansicht nach Goldwert.

Die Berührungsängste aber beginnen schon früh: „Wir ha-ben im Web 2.0 mehr Risiken als Chancen gesehen“, ge-stand Michael Marcks, Senior Marketing Strategy Consul-tant bei Fujitsu Siemens Computers. Seine Motivation, sich

dennoch mit Social Marketing beziehungsweise dem Mo-nitoring im Web 2.0 zu beschäftigen: „Wir wollten ein Früh-warnsystem installieren.“ Die Beschäftigung mit User Ge-nerated Content ist seither fixer Bestandteil des Online-Marketings bei Fujitsu Siemens. Allerdings beschränkeman sich aufs Beobachten und versuche nicht, mit Blog-gern & Co. in Kontakt zu treten, beschreibt er die eher pas-sive Vorgehensweise.

Für Björn Ollhäuser, Projektmanager im Bereich Issues Management bei der BMW Group „ist es wichtig, im Web2.0 Reputationsrisiken zu erfassen – seien es Bild-, Wort-oder Tonbeiträge.“ Der Münchner Autobauer hat in punktoWeb-Monitoring vor allem „Blogs, Foren und Communitiesrund um Autos, Umwelt und Politik“ im Visier. „Die syste-matische Verdichtung der Vielzahl an Informationen“ seidie große Herausforderung: „Wir arbeiten an der Professio-nalisierung unserer Aktivitäten“, beschreibt auch MargitKling, Head of Market Research & Planning bei Ebay, denaktuellen Status Quo im Mitmach-Web. Dies impliziere dieStandardisierung von Prozessen oder die Einführung vonKennziffern. Ziel sei die Steigerung der Effizienz, vor allemaber „wollen wir unsere Kunden besser verstehen“, unter-streicht Kling.

„Web 2.0-Monitoring steht noch am Anfang, es fehlenStandards, Messsysteme und Tools“ so das abschließendeFazit von Moderator Matthias Fank, Professor für Informa-tionsmanagement an der FH Köln und Vorstand des Insti-tutes für e-Management (IfeM). Fest stehe aber auch: „Mo-nitoring ist mehr als eine moderne Form des Clippings.“Seine Abschlussfrage: „Wie sollen sich Neueinsteiger demThema nähern?“ BMW-Mann Ollhäuser pragmatisch: „Be-kommen Sie ein Gefühl für Communities und definierenSie ihre Anforderungen – für ihre Agentur oder für einselbst erarbeitetes Auswertungssystem.“

„Web-Monitoring ist mehr als eine moderne Form des Clippings“

Diskutierten über Web 2.0-Forschung (v.l.): Björn Ollhäuser (BMW Group), Dr. Margit Kling (Ebay), Professor Matthias Fank (FH Köln / IfeM), Martin Oetting (Trnd AG), Michael Marcks (Fuijitsu Siemens Computers), Dr. Winfried Felser (NetSkill AG)

den Produkten passende UGC-Inhalteaus und analysiert die Aussagen quali -tativ und quantitativ. Basierend auf den Analysen werden Handlungsemp-fehlungen abgeleitet. Buzz-Metrics eig-net sich laut Nielsen-Sales-Mann Flo -rian Thielecke zur Erweiterung der Kom-munikationsstrategie, zum Erkennenvon Trends, aber auch als Frühwarnsys-tem. Beispielsweise habe man für einenKunden das Thema „Haarcolorationen“

auf Herz und Nieren abgeklopft. In Fo-ren seien kritische User-Beiträge aufge-taucht, die sich mit der schädlichen Wir-kung von Ammoniak (häufig Bestandteilvon Haarfärbemitteln) auf Schwangereauseinandergesetzt haben. Von einemähnlichen Anwenderbeispiel kann auchDialego-Chefin Andera Gadeib berich-ten: Im Laufe einer virtuellen Gruppen-diskussion sei man drauf gestoßen, dassbei der Entwicklung eines unsichtbaren

Spray-BHs in jedem Fall auch aufFCKW-Freiheit der Inhaltsstoffe zu ach-ten sei. Online kann den Wissenshorizont der

Marktforscher auf manchmal überra-schende Weise erweitern. Aber nicht nurdas: „Seit wir online forschen, hat sichdas Tempo der Marktforschung unge-mein beschleunigt“, so der Eindruck vonTrend-Research-Geschäftsführer TorstenBohse. Diese Entwicklung nehmen Bar-

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bara Primas und Stephanie Ludwig imgesamten Bereich der qualitativen Markt-forschung wahr. In ihrem Vortrag „Tra-dition und Innovation in der qualitati-ven Marktforschung“ lieferten die bei-den GfK-Marktforscherinnen einen tra-gisch-komischen Einblick in den hekti-schen Alltag qualitativer Marktfor-schung. „Die Rolle des Einkaufs wird beiden Kunden immer größer. Bereits mitden Fachabteilungen des Kunden abge-stimmte Studienkonzepte durchlaufenregelmäßig eine neue Preisdiskussion,bevor es zum Abschluss kommt“, beklagtLudwig. Der Leistungsumfang stehe da-bei im umgekehrten Verhältnis zur Ge-schwindigkeit der Angebotserstellung,pflichtet Barbara Primas bei. Ein realesBeispiel: ein Angebot für eine qualitati-ve Länderstudie. „Methodischer Inputerwünscht, gerne auch mit Vorstellungvon Alternativen mit Vor- und Nach -teilen samt der sich daraus ergebenden

Auswirkungen fürs Preisbudget – unddas innerhalb von 48 Stunden“, zähltPrimas auf. Was ebenso für die Ergeb-nispräsentation gilt: „Stellen Sie sich alsMarktforscher darauf ein, dass Sie für dieInterpretation der Ergebnisse und die ab-schließende Empfehlung nur ein Fünftelder Zeit zur Verfügung haben, die manIhnen bei Vertragsabschluss zugesagthat“, rät Stephanie Ludwig. Und letzt -endlich wollten die Kunden dann dieaufwändige Marktforschung gar nichtsehen, sondern die Ergebnisse kurz inZahlen und Key Insights zusammenge-fasst wissen. Solche Erfahrungen werdenvon den im Publikum anwesendenMarktforschern offenbar geteilt, wie eif -riges Nicken, spontane Lacher und sehrviel Applaus am Ende des Vortrags be-stätigten.

Konsument im MittelpunktDoch trotz aller Hürden: Die qualitativeMarktforschung wird zunehmend wich-tiger, der Konsument wird mehr undmehr in die Marketingentscheidungen live mit einbezogen. Einen Tauchkurstief in das Konsumentenverhalten gabendeshalb Renate Arndt und Patricia Blauvon der Heidelberger GIM Gesellschaftfür innovative Marktforschung. ImWorkshop „Out of Office – auf Augen-höhe mit dem Konsumenten“ stellten siemit DIVE (Deep Immersion Vivid Expe-rience) ein neues Verfahren vor, anhanddessen Marketingentscheider „ein tiefe-res Verständnis und aussagekräftigereEinsichten für den Konsumenten entwi-ckeln sollen“, so Patricia Blau. Sie for-dert von den Kunden: „Weg von Zahlenund Statistiken – hin zu echten Men-schen.“ Die eigene Perspektive zu wech-seln, sich in die Rolle der Konsumenten

zu versetzen, sei Voraussetzung für einenachhaltige Produktentwicklung undein erfolgreiches Marketing. Die Grund-lagen für den Tauchgang will die GIM ineinem zweitägigen Trainingsprogrammliefern, das die Entscheider darauf vor-bereitet, sich mehrere Stunden oder garTage ohne Marktforscher im direkten Le-bensumfeld ihrer Zielgruppe zu be-wegen. Die Vorlieben der Verbraucher ver-

sucht auch Blauw Research zu erfor-schen, allerdings mit einem anderen An-satz. Das Nürnberger Marktforschungs-unternehmen lädt Konsumenten undProduktdesigner zu einem gemeinsamenDesign-Game. Moderiert von einemMarktforscher, entwickeln die TeamsStrategien für Produkt und CorporateDesigns, indem sie die Funktionen iden-tifizieren, die ein Design unbedingt er-füllen muss. Diese Faktoren werden an-schließend in einem von Blauw entwi-ckelten Bewertungsschema durchleuch-tet. „Was führt dazu, dass ein Design ge-fällt oder nicht? Die Effekte von Designauf Markenfaktoren wie Bekanntheit,Image und Kaufbereitschaft sind oftmalsnicht sehr greifbar“, erläutert Pieter vanGinkel, Business Cell Manager bei BlauwResearch: „Design ist aber messbar,wenn man sich die Mühe macht, es inseine einzelnen Komponenten zu zerle-gen.“Das klingt schon wieder eher nach

dem typischen Tätigkeitsbild, das die Öf-fentlichkeit von Marktforschern hat:akribisches Sammeln und Auswertenvon Daten. So wie bei TNS Infratest: Einegigantische relationale Datenbank dientzur Strukturierung und Evaluierung vonDaten und Erkenntnissen zu Markterfor-dernissen und Marktlücken in einem In-novationsprozess. „Die meisten neuen

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Produkte sind lediglich Line-Extensionsoder Me-too. Um eine erfolgreiche, echteInnovation herauszubringen, braucht eseine ganzheitliche Sicht des Marktes“,erläutert Thomas Liehr, European Direc-tor Product Development bei TNS Infra-test. „Aus 100 Ideen werden zehn ver-marktungsfähige Produkte, von denendrei Erfolg haben“, zählt er die Chancenfür einen Launch auf. Doch statt denTrichter schneller zu befüllen und aufErfolg hoffen, rät er dazu, das Ziel bes-ser einzugrenzen, um den Ausschusssystematisch zu reduzieren.“ Am Be-ginn des mehrstufigen Innovationspro-zesses, den Liehr in seinem Vortrag „In-novationsforschung: Von der Improvi-sation zum strategischen Geschäftspro-zess“ skizzierte, steht deshalb die de-taillierte Erforschung des Marktes, desWettbewerbsumfelds, der Kundenbe-dürfnisse und der möglichen Vertriebs-kanäle. So genannte „Powerstorms“-Kreativitätsworkshops grenzen in allenStufen des Innovationsprozesses dieAuswahl weiter ein, bis nur noch einkleiner aber erfolgversprechender Kor-ridor von Ideen übrig bleibt – ein Kon-zept, das den Zuhörern wohl einleuch-tete. Liehr: „Der Vortrag hat einige sehrinteressante Anfragen von Kunden der

Sektoren Telekom, FMCG und Financeausgelöst, wir sind mit dem Feedbacksehr zufrieden!“

Networking ist zentralInwieweit sich aus der Neugier der Besu-cher dann tatsächlich neue Geschäfteentwickeln, werden vermutlich erst dienächsten Monate zeigen. „Wir gehennicht davon aus, die Messe mit vollenAuftragsbüchern zu verlassen“, sagt Michael Krämer, Geschäftsführer desgleichnamigen Münsteraner Marktfor-schungsinstituts, der die in seinen Au-gen sehr professionelle Messe gern auchzum Networking mit Kollegen und Mit-bewerbern nutzt, „um mal wieder überden Tellerrand zu schauen.“ Networking, das ist bei einer Dienst-

leistungsmesse wie der Research & Re-sults vermutlich so wichtig wie auf kaumeiner anderen Ausstellung. Schließlichist Marktforschung keine Meterware vonder Stange. Die Probleme der Kundensind ebenso vielfältig wie die angebote-nen Lösungen auf der Messe. Um das zuvermitteln und für die Gattung zu trom-meln, sind Verbände wie BVM (Berufs-verband Deutscher Markt- und Sozial-forscher) und ADM (Arbeitskreis Deut-

scher Markt- und Sozialforschungsinsti-tute e. V.) angetreten. Für ADM-Ge-schäftsführer Erich Wiegand zwei erfolg-reiche Tage: „Wir haben zahlreiche Ge-spräche führen können über die Themen-bereiche, die für die Verbands aktivitätendes ADM zentral sind. So etwa Qualitäts-standards, Selbstregulierung, Interes-senvertretung, Öffentlichkeitsarbeit undder Ausbildungsberuf „Fachangestell-te(r) für Markt- und So zialforschung.“Besonders gefreut hat ihn deshalb dieTatsache, dass auch Auszubildende dieMesse besucht haben.Dass die Messe dennoch „alles andere

als eine Veranstaltung für Studenten ist“,hebt Joachim Scholz, Leiter Unterneh-menskommunikation beim Bonner In-fas-Institut, positiv hervor: „Wir hattendurchweg qualifizierte Kontakte. Es sindwesentlich mehr betriebliche Marktfor-scher an unseren Stand gekommen alsim letzten Jahr.“ Das wichtigste Anlie-gen der Bonner Marktforscher: „DieKunden weiter für das Thema Qualitätsensibilisieren.“ Die von Besuchern undAusstellern gleichermaßen als sehr pro-fessionell gelobte Marktforschungsmes-se lieferte hierfür sicher den geeignetenRahmen.www.marktforschungsmesse.de