Hauke Thun: Projektmanagement in Kreativagenturen

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PM FIREFIGHTERS Project Management GmbH l Gänsemarkt 44 l 20354 Hamburg l E-Mail: [email protected] Kreativagenturen verschenken Effizienzpotenziale Obwohl sich das Projekt bezogene Arbeiten in Agenturen etabliert hat, ist professionelles Projektmanagement weitgehend unbekannt von Hauke Thun „Das ist doch eine völlig selbstverständliche Sache.“ So oder ähnlich lauten die Antworten, fragt man einen Agenturgeschäftsführer oder Accountdirektor aus einer Werbe-, PR- oder Internetagentur nach dem Stellenwert des Projektmanagements in seinem Unternehmen. Tatsächlich ist das sehr wechselhafte Projektgeschäft, in dem immer flexiblere, medienüber- greifende Lösungen gefragt sind, geradezu charakteristisch für die gesamte Kreativbranche. Umso erstaunlicher ist es, dass die in anderen Branchen etablierten internationalen Projekt- management- Standards in Agenturen nicht nur wenig gepflegt werden sondern oftmals gar nicht bekannt sind. Projektmanagement wird hier fast ausnahmslos auf das Kosten- und Zeitmanagement fokussiert. Weil durch diese Beschränkung andere wichtige Teilbereiche weitgehend unges- teuert bleiben, kommt es häufig zu den für den Agenturalltag typischen Reibungsverlusten. Das gilt insbesondere für das Ressourcen-Management, die gezielte Koordination der zur Verfügung stehenden Mitarbeiter-Kapazitäten. Dass die Agentur spontane Schnellschüsse des Kunden auch stemmen können muss, wenn die Ressourcen in diesem Moment nicht ausreichend zur Verfügung stehen, ist unbestritten. Die langfristige Planung der Kapazitäten trägt aber wesentlich zur Vermeidung von Überhängen wie auch allzu großer Engpässe bei. Davon profitiert die Qualität des kreativen Produkts und die Mitarbeiter bleiben dauerhaft motiviert. Das Ressourcen-Management sorgt zudem für eine Transparenz, die dem Mana- gement bei notwendigen Strukturanpassungen wertvolle Orientierung liefert. Eine weitere zentrale Aufgabe ist das Stakeholder-Management. Es regelt den Informati- onsfluss, die Rollenverteilung und die individuelle Einbindung aller Projektbeteiligten, die Einfluss auf den Arbeits- und Kreativprozess und das Produkt haben. Das beinhaltet die Entwicklung eines Kommunikationsplanes, der Entscheidungswege und Eskalationsszena- rien definiert, die auch das Abstimmungs- und Kooperationsverhalten schwieriger Charaktere berücksichtigen. Wie oft kommt es vor, dass sich Entscheidungsträger des Kunden oder aus dem eigenen Management unkooperativ verhalten oder Änderungen in allerletzter Minute verlangen. Das Stakeholder-Management kann solche strapaziösen Situationen nicht gänz- lich verhindern, ihnen aber effektiv vorbeugen und sie entschärfen. Dem Thema Änderungen gebührt besondere Beachtung: Denn auch ein klar definiertes Änderungsmanagement ist wesentlicher Bestandteil eines vollständigen Projektmanage- ments. Wer, wann, welche Änderungen am Produkt vornehmen darf und soll, sollte zwischen Agentur und Kunde fest verabredet und im Vertrag festgehalten werden. Ansonsten können ungeahnte Kostenfallen entstehen, die dafür sorgen, dass das Projekt ohne Gewinn oder sogar mit Verlust abgeschlossen wird. Im Vergleich mit den Projektmanagement-Routinen in anderen Industrien fällt auch auf, dass in vielen Agenturen kein Lessons-Learned-Prozess nach Abschluss der Projekte etabliert. Die systematische Analyse und Dokumentation von Erkenntnissen und Optimierungsbedar- fen ist ein empfehlenswertes Instrument, um die Projektintelligenz – und damit auch die Effizienz – des Unternehmens zu steigern. Bleibt eine professionelle Nachlese hingegen aus, kann es passieren, dass sich Fehler wiederholen.

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Kreativagenturen verschenken Effizienzpotenziale

Obwohl sich das Projekt bezogene Arbeiten in Agenturen etabliert hat, ist professionelles Projektmanagement weitgehend unbekannt

von Hauke Thun „Das ist doch eine völlig selbstverständliche Sache.“ So oder ähnlich lauten die Antworten, fragt man einen Agenturgeschäftsführer oder Accountdirektor aus einer Werbe-, PR- oder Internetagentur nach dem Stellenwert des Projektmanagements in seinem Unternehmen. Tatsächlich ist das sehr wechselhafte Projektgeschäft, in dem immer flexiblere, medienüber-greifende Lösungen gefragt sind, geradezu charakteristisch für die gesamte Kreativbranche. Umso erstaunlicher ist es, dass die in anderen Branchen etablierten internationalen Projekt-management- Standards in Agenturen nicht nur wenig gepflegt werden sondern oftmals gar nicht bekannt sind. Projektmanagement wird hier fast ausnahmslos auf das Kosten- und Zeitmanagement fokussiert. Weil durch diese Beschränkung andere wichtige Teilbereiche weitgehend unges-teuert bleiben, kommt es häufig zu den für den Agenturalltag typischen Reibungsverlusten. Das gilt insbesondere für das Ressourcen-Management , die gezielte Koordination der zur Verfügung stehenden Mitarbeiter-Kapazitäten. Dass die Agentur spontane Schnellschüsse des Kunden auch stemmen können muss, wenn die Ressourcen in diesem Moment nicht ausreichend zur Verfügung stehen, ist unbestritten. Die langfristige Planung der Kapazitäten trägt aber wesentlich zur Vermeidung von Überhängen wie auch allzu großer Engpässe bei. Davon profitiert die Qualität des kreativen Produkts und die Mitarbeiter bleiben dauerhaft motiviert. Das Ressourcen-Management sorgt zudem für eine Transparenz, die dem Mana-gement bei notwendigen Strukturanpassungen wertvolle Orientierung liefert. Eine weitere zentrale Aufgabe ist das Stakeholder-Management . Es regelt den Informati-onsfluss, die Rollenverteilung und die individuelle Einbindung aller Projektbeteiligten, die Einfluss auf den Arbeits- und Kreativprozess und das Produkt haben. Das beinhaltet die Entwicklung eines Kommunikationsplanes, der Entscheidungswege und Eskalationsszena-rien definiert, die auch das Abstimmungs- und Kooperationsverhalten schwieriger Charaktere berücksichtigen. Wie oft kommt es vor, dass sich Entscheidungsträger des Kunden oder aus dem eigenen Management unkooperativ verhalten oder Änderungen in allerletzter Minute verlangen. Das Stakeholder-Management kann solche strapaziösen Situationen nicht gänz-lich verhindern, ihnen aber effektiv vorbeugen und sie entschärfen. Dem Thema Änderungen gebührt besondere Beachtung: Denn auch ein klar definiertes Änderungsmanagement ist wesentlicher Bestandteil eines vollständigen Projektmanage-ments. Wer, wann, welche Änderungen am Produkt vornehmen darf und soll, sollte zwischen Agentur und Kunde fest verabredet und im Vertrag festgehalten werden. Ansonsten können ungeahnte Kostenfallen entstehen, die dafür sorgen, dass das Projekt ohne Gewinn oder sogar mit Verlust abgeschlossen wird. Im Vergleich mit den Projektmanagement-Routinen in anderen Industrien fällt auch auf, dass in vielen Agenturen kein Lessons-Learned-Prozess nach Abschluss der Projekte etabliert. Die systematische Analyse und Dokumentation von Erkenntnissen und Optimierungsbedar-fen ist ein empfehlenswertes Instrument, um die Projektintelligenz – und damit auch die Effizienz – des Unternehmens zu steigern. Bleibt eine professionelle Nachlese hingegen aus, kann es passieren, dass sich Fehler wiederholen.

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Natürlich gibt es angesichts derart massiver Vorteile auch konkrete Gründe dafür, warum sich Agenturen scheuen, ihr Projektmanagement auszubauen (das betrifft übrigens inhaber-geführte Agenturen stärker als die Ableger internationaler Netzwerke). Das meist genannte Killer-Argument: Professionelles Projektmanagement ist ein bürokratisches Monster, dass die Kreativität behindert und das erwünschte produktive Chaos unmöglich macht. Das ge-naue Gegenteil ist der Fall! Denn durch professionellere, bewährte Verfahren erhält das kreative Personal durch Entbindung von administrativen Vorgängen mehr Freiraum und kann sich besser entfalten. Andere Einwände wiegen da schon schwerer: So befindet sich der Account- oder Etat-direktor, bei dem in der Regel das Projektmanagement verankert ist, als zugleich operativ Verantwortlicher in einem Rollenkonflikt, intern wie gegenüber seinen Kunden. Ein Wider-spruch, der sich nicht auflösen lässt, zumal eine separate Projektmanagement-Struktur neben dem Account Management häufig nicht zur Debatte steht. Daher ist eine Weiterquali-fizierung der eingebunden Mitarbeiter, die mehr Weitblick, Transparenz und Klarheit in der Kommunikation sowie bessere Abläufe zur Folge hat, eine attraktive Lösung. Natürlich muss auch der Kunde mitspielen – es braucht sein Einverständnis, sich an die Spielregeln eines konsequent geführten Projektmanagements zu halten, sofern er sie nicht schon im eigenen Unternehmen anwendet. Ein anderer nicht unwesentlicher Aspekt ist die Frage der Gegenfinanzierung. Die Weiter-qualifizierung der Mitarbeiter zugunsten eines besseren Projektmanagement-Knowhows lässt sich selten direkt an den Kunden weiterberechnen. Und für die Steuerung des Projekts werden in der Regel nicht mehr als 10-15 Prozent als eigenständige Kostenposition im Bud-get seitens des Kunden akzeptiert. Das Agentur-Management ist deshalb gut beraten, solche Qualifizierungsmaßnahmen als Investition in die eigene Effizienz und Zukunftsfähigkeit zu verstehen und entsprechende Mittel bereitzustellen. Eine Entscheidung, die angesichts der Effizienzsteigerungen, die durch Optimierung der Prozesse möglich sind – nach Einschätzung von Experten sind es bis zu 30 Prozent - nicht schwer fallen sollte. Zumal der Aufwand für die Implementierung in einem überschaubaren Rahmen bleibt. Professionelles Projektmanagement führt zu höheren Deckungsbeiträgen und zu einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit der Agentur am Markt. Nicht zuletzt profi-tiert auch der Kunde von mehr Transparenz und einer professionellen Projekt-Abwicklung. Hamburg, im Dezember 2009

Der Autor Hauke Thun ist Gründer und Inhaber von PM Firefighters (www.pm-firefighters.eu). Vor der Gründung seines Unternehmens im Jahr 2003 war der Dipl.-Ing. der Techni-schen Informatik 18 Jahre in unterschiedlichen Funktionen in den Bereichen Software-Entwicklung, Projektmanagement und Unternehmensführung tätig. Zu seine Stationen gehören die IDM Inc., G+J EMS GmbH, HTC Babelsberg GmbH, e-dict GmbH (Ge-schäftsführer), 7d AG (Vorstand), divine GmbH (Director Quality Management). Thun verfügt über Zertifizierungen nach GPM / IPMA Level D und PMI / PMP. Er engagiert sich außerdem international, so etwa als Assessor für den International Project Excel-lence Award (IPMA).