Hausarbeit, Aufg. 1-3

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1 A. Anspruch B gegen A aus §433 Abs. 2 BGB 1 B könnte gegen A einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung iHv 160 Euro aus §433 Abs. 2 haben. I. Anspruch entstanden Voraussetzung hierfür wäre ein wirksamer Kaufvertrag. Ein Kaufvertrag kommt durch zwei korrespondierende Willenserklärungen zustande, Angebot und Annahme. 1. Angebot Fraglich ist, was in diesem Fall als Angebot anzusehen ist. Das Zusenden der Ware kommt hierfür in Betracht. Ein Angebot gem. §145 ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung 2 , die auf den Abschluss eines Vertragsverhältnisses gerichtet ist und inhaltlich so bestimmt ist, dass es durch bloße Zustimmung angenommen werden kann. Zu diesem Zweck muss es die sogenannten essentialia negotii, Ware und Preis, enthalten, und den Vertragspartner kenntlich machen. Sie wird gem. §130 Abs. 1. S. 1 mit Zugang an den Adressaten wirksam. 3 Das Schreiben der B an A enthält sowohl die Preise als auch die mitgesendeten Waren. Auch die B als Vertragspartnerin geht klar hervor. Somit ist das Angebot inhaltlich hinreichend bestimmt. Problematisch könnte in diesem Fall allerdings der Zugang des Angebots sein. Gem. §131 Abs. 2 S. 2 muss das Angebot bei Abgabe an einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person lediglich einen rechtlichen Vorteil aufweisen, um wirksam zu werden. In der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind gem. §106 Minderjährige, die das siebente Lebensjahr vollendet haben. Eine lediglich rechtlich vorteilhafte Willenserklärung liegt vor, wenn durch sie die Rechtsstellung des Minderjährigen verbessert wird 4 . Hierbei kommt es nicht auf die Vorteilhaftigkeit des Vertrages an sich an, der durch die Angebotserklärung angetragen wird. 1 Paragraphenangaben ohne Gesetzesbezeichnung sind im Folgenden solche des BGB. 2 Rüthers/Stadler - §19 Rn. 3. 3 Rüthers/Stadler - §17 Rn. 44; Brox/Walker AT 166 4 Rüthers/Stadler - §23 Rn. 9.

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1

A. Anspruch B gegen A aus §433 Abs. 2 BGB1

B könnte gegen A einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung iHv 160 Euro aus §433

Abs. 2 haben.

I. Anspruch entstanden

Voraussetzung hierfür wäre ein wirksamer Kaufvertrag. Ein Kaufvertrag kommt

durch zwei korrespondierende Willenserklärungen zustande, Angebot und

Annahme.

1. Angebot

Fraglich ist, was in diesem Fall als Angebot anzusehen ist. Das Zusenden der

Ware kommt hierfür in Betracht.

Ein Angebot gem. §145 ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung2,

die auf den Abschluss eines Vertragsverhältnisses gerichtet ist und inhaltlich so

bestimmt ist, dass es durch bloße Zustimmung angenommen werden kann. Zu

diesem Zweck muss es die sogenannten essentialia negotii, Ware und Preis,

enthalten, und den Vertragspartner kenntlich machen. Sie wird gem. §130 Abs. 1.

S. 1 mit Zugang an den Adressaten wirksam.3

Das Schreiben der B an A enthält sowohl die Preise als auch die mitgesendeten

Waren. Auch die B als Vertragspartnerin geht klar hervor. Somit ist das Angebot

inhaltlich hinreichend bestimmt.

Problematisch könnte in diesem Fall allerdings der Zugang des Angebots sein.

Gem. §131 Abs. 2 S. 2 muss das Angebot bei Abgabe an einer in der

Geschäftsfähigkeit beschränkten Person lediglich einen rechtlichen Vorteil

aufweisen, um wirksam zu werden. In der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind

gem. §106 Minderjährige, die das siebente Lebensjahr vollendet haben. Eine

lediglich rechtlich vorteilhafte Willenserklärung liegt vor, wenn durch sie die

Rechtsstellung des Minderjährigen verbessert wird4. Hierbei kommt es nicht auf

die Vorteilhaftigkeit des Vertrages an sich an, der durch die Angebotserklärung

angetragen wird.

1 Paragraphenangaben ohne Gesetzesbezeichnung sind im Folgenden solche des BGB.

2 Rüthers/Stadler - §19 Rn. 3.

3 Rüthers/Stadler - §17 Rn. 44; Brox/Walker AT 166

4 Rüthers/Stadler - §23 Rn. 9.

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2

A war zum Zeitpunkt der Angebotserklärung 17 Jahre alt und somit in ihrer

Geschäftsfähigkeit beschränkt. Durch diese bekommt A die Chance auf einen

Vertragsschluss mit der B, Verpflichtungen liegen allein durch die

Angebotserklärung nicht vor; es handelt sich um eine rechtlich lediglich

vorteilhafte Willenserklärung. Folglich geht die Willenserklärung auch ohne

Einwilligung der Eltern zu.

Es liegt also ein wirksames Angebot der B vor.

2. Annahme

A müsste für das Zustandekommen eines Kaufvertrages dieses Angebot auch

wirksam angenommen haben. Fraglich ist nun, worin eine Annahme der A zu

sehen sein könnte. Die Annahme ist eine grundsätzlich empfangsbedürftige

Willenserklärung, durch die der Antragsempfänger dem Antragenden sein

Einverständnis mit dem angebotenen Vertragsschluss zu verstehen gibt5. A könnte

das Angebot durch eine ausdrückliche Annahmeerklärung angenommen haben.

Sie hat sich gegenüber B aber in keiner Weise geäußert, eine ausdrückliche

Annahme liegt also nicht vor.

A könnte weiterhin das Angebot durch die Zahlung des Kaufpreises angenommen

haben. A zahlte allerdings nicht an B, folglich liegt auch keine konkludente

Annahme durch Zahlung vor.

Fraglich ist, ob das Schweigen der A als Annahme zu werten ist. Grundsätzlich

hat das bloße Schweigen nicht die Bedeutung einer Willenserklärung6. Unter

besonderen Umständen wird Schweigen allerdings als Willenserklärung gewertet.

Eine Variante ist, dass es vorher von den beiden Vertragsparteien vereinbart

wurde, Schweigen als Willenserklärung zu werten7, eine andere, dass es von

Gesetz her geregelt ist8.

In diesem Fall schrieb B in ihrem Schreiben, dass A „gar nichts“ tun müsse; dies

ist weder eine Vereinbarung, da nur von B ausgehend, noch fällt dies unter die

von Gesetz her geregelte Variante. Also kann man hier A’s Schweigen nicht als

Annahme werten.

Die Annahme könnte allerdings konkludent gem. §151 erklärt worden sein; in

diesem Fall muss sie nicht explizit dem Vertragspartner mitgeteilt werden.

5 Brox/Walker AT 176

6 Brox/Walker AT 195, Rüthers/Stadler - §17 Rn. 24

7 Larenz/Wolf - §28 Rn. 71; Brox/Walker AT 91

8 Rüthers/Stadler - §17 Rn. 29

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3

Voraussetzung ist, dass ein konkludentes Verhalten nach außen hin gezeigt wird,

das den Willen zum Vertragsschluss signalisiert. So ein Verhalten kann

beispielsweise in der ständigen Nutzung der Kaufsache zu finden sein.

A nutzt den Schal und später auch die Tasche. Außerdem erzählt sie ihrer

Freundin „stolz von dem Schnäppchen“. Hiermit ist nach objektiven Kriterien der

Wille zum Vertragsschluss erkennbar.

Fraglich ist allerdings, ob der Ausnahmetatbestand nach §241a greift und somit

eine konkludente Annahme ausschließt.

a) Ausnahmetatbestand des §241a

Gem. §241a werden „durch Lieferung unbestellter Sachen […] durch einen

Unternehmer an einen Verbraucher“ keine Ansprüche begründet.

aa) Persönlicher Anwendungsbereich des §241a (§13 und §14)

Fraglich ist, ob der persönliche Anwendungsbereich eröffnet ist. Dafür ist

erforderlich, dass ein Verbrauchervertrag vorliegt. Verbraucherverträge sind

Verträge zwischen einem Unternehmer nach §14 als Lieferanten oder Leistenden

und einem Verbraucher gemäß §13 als Kunden.9

Dafür müsste A Verbraucherin i.S.d. §13 sein. Verbraucher ist demnach jede

natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder

ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet

werden kann.10

Problematisch ist hier, dass gerade zu prüfen ist, ob ein

Rechtsgeschäft abgeschlossen wurde; somit kann die Verbrauchereigenschaft nur

durch eine hypothetische Betrachtung ermittelt werden, also ob ein Vertrag über

die unbestellt zugesendete Ware dem privaten oder gewerblichen Bereich des

Bestellers zuzuordnen wäre11

.

A bekommt Schal und Tasche als Privatperson zugesandt und benutzt sie auch zu

privatem Zweck, also ist sie als Verbraucherin gemäß §13 anzusehen.

Weiterhin müsste B als Unternehmerin i.S.d. §14 tätig geworden sein.

Unternehmer ist nach §14 jede natürliche oder juristische Person, die bei

Abschluss eines Rechtsgeschäfts ihre gewerbliche oder selbstständige berufliche

Tätigkeit ausübt12

.

9 Larenz/Wolf, §29 Rn. 67

10 Medicus/Lorenz, Rn. 583

11 Staudinger/Olzen, §241a Rn. 21

12 Medicus/Lorenz, Rn. 584

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4

B handelt gewerblich mit französischen Gegenständen und ist folglich

Unternehmerin i.S.d. §14.

Somit ist der persönliche Anwendungsbereich eröffnet.

bb) Sachlicher Anwendungsbereich des § 241a

Fraglich ist, ob der sachliche Anwendungsbereich des §241a eröffnet ist. Dafür

muss gem. §241a Abs. 1 eine Lieferung unbestellter Sachen vorliegen oder die

Erbringung sonstiger Leistungen. Relevant ist hier nur die erste Alternative.

Eine Lieferung liegt vor, wenn die Sache derart in den Herrschaftsbereich des

Empfängers gelangt, dass dieser daran Besitz ergreifen kann13

. Eine Sache ist

gem. §90 ein körperlicher Gegenstand, und unbestellt ist diese, wenn sie dem

Verbraucher ohne eine ihm zurechenbare Aufforderung zugeht.14

Schal und Tasche wurden der A zugeschickt, sodass sie diese benutzen konnte.

Somit hat sie an den Sachen die tatsächliche Sachherrschaft (unmittelbarer Besitz)

erlangt; eine Lieferung liegt damit vor. Besitz kann nur an Sachen ausgeübt

werden15

, folglich sind Tasche und Schal Sachen i.S.d. §90. Des Weiteren ging

von A keine Aufforderung zur Lieferung dieser Sachen aus, womit die Lieferung

auch unbestellt ist.

Somit ist der sachliche Anwendungsbereich eröffnet.

cc) Anwendbarkeit des §241a

Strittig ist nun, ob §241a überhaupt auf diesen Fall anzuwenden ist.

aaa) Konkludente Annahme durch Nutzung

Nach der ersten Ansicht ist in dem Nutzen der Ware eine konkludente Annahme

zu sehen16

. A hätte also eine Annahmehandlung abgegeben.

bbb) Keine konkludente Annahme durch Nutzung

Nach der anderen Ansicht stellt auch eine Nutzung aufgrund von §241a keine

konkludente Annahme dar17

. Somit hätte A keine Annahmehandlung abgegeben.

ccc) Stellungnahme

Da die Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, ist der Streit zu

entscheiden.

13

Staudinger/Olzen, §241a Rn. 22/23 14

Palandt/Grüneberg, §241a Rn. 3 15

Brox/Walker AT, 776 16

Lorenz, JuS 2000, 841; Casper, ZIP 2000, 1607; 17

Palandt/Grüneberg, §241a Rn. 6; MüKo/Kramer; §241a Rn. 13

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5

Für die erste Ansicht spricht der Wortlaut des Gesetzes: nur „durch die Lieferung“

werde kein Anspruch begründet, sondern durch den Annahmewillen, der in der

ständigen Benutzung zu erkennen ist18

. Weiterhin spricht der objektive Zweck der

Norm für eine konkludente Annahme, und zwar soll der Verbraucher von der

Lästigkeit, die mit der unbestellten Zusendung verbunden ist, befreit werden19

.

Eine Schenkung sei nicht das Ziel. Der Verbraucher soll nicht den Substanz-oder

Gebrauchswert der Sache ohne Gegenleistung erlangen20

.

Als letztes Argument für diese Ansicht spricht die systematische Stellung der

Paragraphen im Schuldrecht, nicht im Allgemeinen Teil bei der

Rechtsgeschäftslehre21

. Somit wären auch bei der Lieferung unbestellter Sachen

die allgemeinen Grundsätze der Rechtsgeschäftslehre, in diesem Fall §151,

anzuwenden.

Für die andere Ansicht spricht der Sinn und Zweck der Norm nach dem

Gesetzgeber: Der Verbraucher soll die unbestellte Ware gerade beliebig nutzen

und gebrauchen dürfen22

. Es soll im Ergebnis auf eine Schenkung hinauslaufen23

.

Dass die Vorschrift im allgemeinen Schuldrecht steht, spricht nicht dagegen, da

ein zwingender Standort für die Regelung ohnehin nur schwer auszumachen ist24

.

Der letzten Ansicht ist zu folgen. Der Wille des Gesetzgebers ist klar formuliert

und lässt keine Zweifel daran offen. Eine Nutzung unbestellter Waren stellt also

abweichend von der herkömmlichen Dogmatik keine konkludente Annahme dar.

b) Rechtsfolge des §241a

Durch die Wirkung des §241a stellt eine Nutzung der Kaufsache keine

konkludente Annahmeerklärung dar. Folglich ist das Benutzen des Schals und der

Tasche durch die A nicht als Annahme von B’s Angebot zu werten. Es liegt keine

wirksame Annahme vor.

II. Ergebnis

Mangels Annahme ist kein wirksamer Kaufvertrag entstanden. B hat keinen

Anspruch auf Kaufpreiszahlung gegen A aus §433 Abs. 2.

18

Lorenz, JuS 2000, 833 (841); Casper, ZIP 2000, 1602 (1607) 19

Casper, ZIP 2000, 1602 (1607) 20

Berger, JuS 2001, 649 (654) 21

Larenz/Wolf, §29 Rn. 68 22

Palandt/Grüneberg, §241a Rn. 6f; Böttcher/Möritz, VuR 2/2005, S. 46; Schwarz, NJW 2001,

1449 (1451); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2323) 23

BT-Drs. 14-2658 S. 46 24

Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319)

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6

B. Anspruch B gegen A auf Herausgabe des Schals aus §985

B könnte gegen A einen Anspruch auf Herausgabe des Schals aus § 985 haben.

Voraussetzung dafür wäre das Vorliegen einer Vindikationslage. Diese liegt vor,

wenn der Anspruchssteller Eigentümer und der Anspruchsgegner Besitzer ohne

Recht zum Besitz i.S.d. §986 ist25

.

I. A als Besitzerin

A müsste für einen Anspruch aus §985 Besitzerin des Schals sein.

Besitzer einer Sache ist derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft ausübt

(854 I).

A übt keine tatsächliche Sachherrschaft über den Schal aus, mithin ist sie keine

Besitzerin.

II. Ergebnis

B hat mangels Besitzereigenschaft der A keinen Anspruch auf Herausgabe des

Schals aus §985 gegen diese.

C. Anspruch B gegen A auf Herausgabe der Tasche aus §985

B könnte gegen A einen Anspruch auf Herausgabe der Tasche aus §985 haben.

Voraussetzung hierfür wäre das Vorliegen einer Vindikationslage.

I. B als Eigentümerin

Dafür müsste B Eigentümerin der Tasche sein. Eigentum ist das umfassende

Nutzungs- und Verwertungsrecht an körperlichen Gegenständen (Sache i.S.d.

§90)26

. Ursprünglich war B Eigentümerin, könnte das Eigentum aber gem. §929

S. 1 durch Übereignung verloren haben. Voraussetzung dafür ist eine Einigung

der Parteien. Die Einigung ist ein dinglicher Verfügungsvertrag, bestehend aus

beiderseitigen Willenserklärungen27

.

Bei der Tasche handelt es sich um eine unbestellte Ware. Bei solchen ist das

Zusenden zwar auch ein Angebot auf Übereignung, dieses steht nach allgemeinen

Auslegungsgrundsätzen gem. §§ 133, 157 unter der aufschiebenden Bedingung

25

Wolf/Wellenhofer §21, Rn. 8 26

Wolf/Wellenhofer §1, Rn. 12 27

Wolf/Wellenhofer §7, Rn. 4

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7

(§158 Abs. 1) der Kaufpreiszahlung bzw. des Vertragsschlusses28

. Nichts anderes

ist hier anzunehmen.

Da diese Bedingung nicht erfüllt ist29

, hat B das Eigentum nicht gem. §929 S. 1

verloren.

Es kommt weiterhin ein gesetzlicher Eigentumserwerb nach §241a in Betracht.

Dies entspricht aber weder dem Wortlaut des §241a noch dem Willen des

Gesetzgebers, der in der Gesetzesbegründung zu dem §241a das dauerhafte

Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum anspricht30

, woraus sich schließen

lässt, dass das Eigentum nicht auf den Verbraucher übergehen soll31

.

Folglich ist B noch Eigentümerin der Tasche.

II. A als Besitzerin

Weiterhin müsste A Besitzerin der Tasche sein. Durch das Zusenden der Ware hat

sie die unmittelbare Sachherrschaft über die Tasche erworben. Mithin ist sie

Besitzerin.

III. Kein Recht zum Besitz

A dürfte auch kein Recht zum Besitz i.S.d. §986 haben. Ob die Lieferung

unbestellter Sachen ein solches Recht begründet, ist strittig.

Für ein solches Recht zum Besitz spräche, dass dem Verbraucher ein umfassendes

Recht, die Ware zu nutzen, zu gebrauchen oder zu verbrauchen, zusteht. Dies sei

nichts anderes als ein Recht zum Besitz i.S.d. §98632

.

Andererseits schließt §241a nur Ansprüche des Unternehmers gegen den

Verbraucher aus, und begründet keine Rechte oder Ansprüche des Verbrauchers

gegenüber dem Unternehmer33

. Der Verbraucher darf die Ware nur nutzen, weil

die Ansprüche des Unternehmers ausgeschlossen werden, nicht, weil er ein Recht

zum Besitz innehat. Zudem verlangt ein Besitzrecht, dass zwischen dem

Eigentümer und dem Besitzer eine Rechtsbeziehung besteht, kraft derer dem

Besitzer der Besitz zusteht34

. Allerdings will §241a durch seinen umfassenden

Anspruchsausschluss gerade eine Rechtsbeziehung zwischen Verbraucher und

28

Schwarz, NJW 2001, 1449 (1450); Sosnitza, BB 2001, 2317 (2322); Berger, JuS 2001, 649

(653) 29

s. S. 1ff 30

BT-Drs. 14/2658, S. 46 31

Schwarz, NJW 2001, 1449 (1450); Sosnitza, BB 2001, 2317 (2322) 32

Sosnitza, BB 2000, 2317 (2323) 33

Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452) 34

Staudinger NACHSCHLAGEN

Page 8: Hausarbeit, Aufg. 1-3

8

Unternehmer verhindern35

. Folglich begründe die Lieferung unbestellter Waren

kein Recht zum Besitz.

Letzter Ansicht ist zuzustimmen. A hat kein Recht zum Besitz i.S.d. §986.

Die Voraussetzungen des §985 sind hiermit grundsätzlich erfüllt.

IV. Ausschluss durch §241a

Allerdings könnte der Herausgabeanspruch durch die Sperrwirkung des §241a

ausgeschlossen sein. Die Voraussetzungen des §241a liegen vor36

.

1. Kein Ausschluss der Vindikation

Die erste Ansicht lehnt dies ab37

.

B hätte gegen A einen Herausgabeanspruch nach §985.

2.Ausschluss der Vindikation

Die zweite Ansicht stimmt dem jedoch zu38

.

Somit hätte B gegen A einen Anspruch auf Herausgabe der Tasche nach §985.

3. Stellungnahme

Die Ansichten führen zu verschiedenen Ergebnissen. Daher ist der Streit zu

entscheiden.

Gegen den Ausschluss der Vindikation spricht zunächst der objektive Zweck der

Norm. §241a soll den Verbraucher vor der Lästigkeit unbestellter Waren befreien.

Der Herausgabeanspruch befreit den Verbraucher aber gerade von der ihm

aufgedrängten Ware, weswegen der §241a teleologisch reduziert werden sollte. Es

sei nicht unzumutbar für den Verbraucher, die Ware herauszugeben, wenn der

Unternehmer sie abholen komme39

. Weitere Gründe für eine teleologische

Reduktion seien das dauerhafte Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz

sowie der Sanktionsgedanke, der hinter dem §241a steht. Diese Prinzipien seien

dem BGB fremd40

. Des Weiteren besagt der Art. 9 der Fernabsatzrichtlinie, also

der Artikel, der durch den §241a umgesetzt werden sollte, dass der Verbraucher

von jedweder „Gegenleistung“ befreit werden solle. Der Herausgabeanspruch ist

allerdings keine Gegenleistung, und warum der Gesetzgeber alle Ansprüche gegen

35

Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452) 36

s. S. 3ff 37

ohne Begründung Bülow/Artz, NJW 2000, 2056; Casper, ZIP 2000, 1605ff; Flume, ZIP 2000,

1428 38

Schwarz, NJW 2001, 1449 (1450); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319ff); Berger, JuS 2001, 649

(652); Lorenz, JuS 2000, 833 (841) 39

Casper, ZIP 2000, 1602 (1607) 40

Casper, ZIP 2000, 1602 (1607)

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9

den Verbraucher ausschließt, sei nicht ersichtlich41

. Somit bestände generell schon

kein Umsetzungsbedarf42

.

Für den Ausschluss der Vindikation spreche zunächst der Wortlaut der Norm:

§241a Abs. 1 spricht von einem „Anspruch gegen diesen“, also den Verbraucher.

Unter diesem weiten Wortlaut lasse sich auch der Herausgabeanspruch nach §985

subsumieren. Dies bekräftige auch die systematische Stellung zu Abs. 2, der eine

Sonderregel für gesetzliche Ansprüche beschreibt. Folglich seien gesetzliche

Ansprüche auch unter Abs. 1 zu subsumieren, so lange Abs. 2 nicht greift.

Weiterhin sei die Norm nicht durch gemeinschafts- oder verfassungskonforme

Auslegung in ihrem Anwendungsbereich einzuschränken, da das

Gemeinschaftsrecht dem nationalen Gesetzgeber keine Schranken zieht. Die

Fernabsatzrichtlinie enthalte nämlich nur eine

Mindestharmonisierungsmaßnahme, wodurch es dem nationalen Gesetzgeber

freigestellt sei, strengere Bestimmungen zu erlassen43

.

Zwar stelle das dauerhafte Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz eine

Ausnahme zu dem System des BGB dar, das heiße aber nicht, dass sich der

Gesetzgeber nicht dieser Ausnahmen bedienen dürfe44

. Ein anderes Beispiel, wo

das Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz außerdem existiere, ist bei der

Verjährung von Herausgabeansprüchen zu finden45

. Auch der Sanktionscharakter

des §241a sei dem BGB nicht völlig fremd: Sowohl im Deliktsrecht als auch beim

Ausschluss des Bereicherungsanspruchs nach §817 S. 2 sowie bei der

Selbsthilfevorschrift des §227 lasse sich ein solcher Sanktionscharakter finden.

Der generalpräventive Zweck dieser Sanktion im Interesse eines verbesserten

Verbraucherschutzes legitimiere die Abweichung von dem klassischen Ziel des

Zivilrechts46

.

Die zweite Ansicht überzeugt. Der Ausschluss der Vindikation entspricht dem

Willen des Gesetzgebers47

. Eine teleologische Reduktion aufgrund eines

objektiven Zweckes ist bei einer solch jungen Norm sehr fragwürdig, wenn er in

diesem Maße dem erklärten Willen widerspricht48

.

41

Casper, ZIP 2000, 1602 (1604) 42

Casper, ZIP 2000, 1602 (1604); Flume, ZIP 2000, 1427 (1429) 43

Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319) 44

Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320) 45

Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320); BT-Drs. 2658 S. 46 46

Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320f) 47

BT-Drs. 14-2658 S. 46; Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319); Schwarz, JuS 2001, 1449; Riehm,

JURA 2000, 505 (512); Deckers, NJW 2001, 1474 48

Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319ff)

Page 10: Hausarbeit, Aufg. 1-3

10

Aus diesen Gründen ist der Herausgabeanspruch nach §985 durch §241a

ausgeschlossen.

V. Ergebnis

B hat wegen §241a keinen Anspruch auf Herausgabe der Tasche aus §985 gegen

A.

D. Anspruch B gegen A auf Herausgabe der Tasche aus

§812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2

B könnte gegen A einen Anspruch auf Herausgabe der Tasche aus §812 Abs. 1 S.

2, Alt. 2 gemäß der Zweckverfehlungskondiktion haben. Voraussetzung für die

Zweckverfehlungskondiktion ist, dass der Anspruchsgegner etwas durch Leistung

des Gläubigers ohne rechtlichen Grund erlangt hat.

I. Etwas erlangt durch Leistung der B

A muss etwas durch Leistung der B erlangt haben. „Etwas“ ist jeder

Vermögensvorteil49

, Leistung die bewusste und zweckgerichtete Mehrung

fremden Vermögens50

.

A hat durch das Zusenden der Tasche den Besitz an dieser erlangt. B hat die

Tasche der A bewusst zugesendet, um einen Vertrag herbeizuführen. Somit hat A

durch Leistung der B einen Vermögensvorteil erlangt.

II. Ohne Rechtsgrund

Weiterhin darf für diese Leistung kein Rechtsgrund vorgelegen haben. Der

fehlende rechtliche Grund muss darin liegen, dass der Anspruchssteller eine

ungeschuldete Leistung erbracht hat, um ein Tun oder Unterlassen des

Empfängers zu bezwecken51

, und dieser Zweck, über den sich die Parteien

verständigt haben müssen52

, darf nicht eingetreten sein53

. Bei der Verständigung

über den Zweck genügt es, dass der Empfänger die Erwartung des Leistenden

erkennt und durch die Annahme zu verstehen gibt, dass er die Zweckbestimmung

billigt54

.

49

Brox/Walker BT, §37 Rn. 2 50

Brox/Walker BT, §37 Rn. 6 51

Brox/Walker BT, §37 Rn. 32 52

Brox/Walker BT, §37 Rn. 33 53

Brox/Walker BT, §37 Rn. 35 54

Brox/Walker BT, §37 Rn. 33

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11

a) Zweck der Leistung

Der Zweck der Leistung muss ein ungeschuldetes Tun oder Unterlassen des

Empfängers sein und darf nicht der Erfüllung einer bestehenden Verpflichtung

dienen55

.

B hat der A die Tasche mit dem Zweck, einen Kaufvertrag zu schließen,

geschickt. Darin bestand auch keine Erfüllung einer bestehenden Verpflichtung.

Somit ist diese Voraussetzung erfüllt.

b) Verständigung der Parteien über den Zweck

Weiterhin müssen sich A und B über den Zweck verständigt haben. Dabei reicht

es aus, wenn B der A ihre Erwartung mitgeteilt hat und A diese billigt, ohne sich

verpflichten zu müssen.

B hat der A in der Sendung ihren Wunsch, einen Kaufvertrag zu schließen,

mitgeteilt. Dies billigt A, ohne eine Verpflichtung eingehen zu wollen. Folglich ist

auch diese Voraussetzung erfüllt.

c) Kein Eintritt des Zwecks

Schließlich darf der Zweck nicht eingetreten sein.

Es kam kein Kaufvertrag zustande. Mithin ist der Zweck nicht eingetreten.

III. Zwischenergebnis

Alle Voraussetzungen der Zweckverfehlungskondiktion sind erfüllt. B hat

grundsätzlich einen Herausgabeanspruch der Tasche gegen A gem. §812 Abs. 1

S.2 Alt. 2.

IV. Ausschluss durch §241a

Allerdings ist dieser bereicherungsrechtliche Anspruch ebenso wie die

Vindikation56

aufgrund der Wirkung des §241a nicht begründet57

.

V. Ergebnis

Demnach besteht kein Anspruch aus §812 Abs. 1 S. 2 Alt 2.

55

Brox/Walker BT, §37 Rn. 32 56

s. S. 8ff 57

Palandt/Grüneberg, §241a Rn. 7; MüKo/Kramer, §241a Rn. 15; Berger, JuS 2001, 649 (652);

Riehm, JURA 2000, 512; Löhnig, JA 2001, 33 (35)

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12

A. Anspruch A gegen D auf Schadensersatz aus §823 Abs. 1

A könnte gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz aus §823 Abs. 1 haben.

I. Rechtsgutverletzung

Voraussetzung hierfür wäre eine Rechtsgutverletzung i.S.d. §823 Abs. 1. Solche

Rechtsgüter sind gem. §823 Abs. 1 das Leben, der Körper, die Gesundheit, die

Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen. Unter sonstigen

Rechten sind solche absoluten Rechte zu verstehen, kraft deren ihr jeweiliger

Inhaber von jedem anderen verlangen kann, dass er ihn in der Verwertung des

Rechts oder in der Ausübung der aus ihm fließenden Befugnisse nicht

beeinträchtige58

.

1. Eigentum als verletztes Rechtsgut

Zunächst kommt eine Eigentumsverletzung durch D in Betracht.

Eine Eigentumsverletzung liegt vor, wenn in die Befugnisse des Eigentümers, mit

einer Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung

auszuschließen, eingegriffen wird59

.

Dafür müsste A Eigentümerin der Tasche sein. Ursprünglich war B Eigentümerin

der Tasche. Wie aus einer vorherigen Prüfung hervorgeht, hat B das Eigentum

nicht an A verloren60

. Folglich ist A nicht Eigentümerin der Tasche. Das

Eigentum als verletztes Rechtsgut fällt somit raus.

2. Ein sonstiges Recht als verletztes Rechtsgut

Weiterhin kommt die Verletzung eines sonstigen Rechts in Betracht.

Der berechtigte Besitz ist ein solches61

, der unberechtigte nicht62

. Allerdings ist

der Besitz der A an der Tasche unberechtigt. Folglich wurde auch kein sonstiges

Recht verletzt.

Es liegt keine Rechtsgutverletzung vor.

58

Kötz/Wagner Rn. 158 59

Fuchs, S. 17 60

s. S. 6f 61

Kötz/Wagner Rn. 158 62

Schwarz, NJW 2001, 1449 (1453)

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13

II. Ergebnis

Mangels Rechtsgutverletzung hat A keinen Anspruch auf Schadensersatz aus

§823 Abs. 1 gegen D.

B. Anspruch A gegen D auf Schadensersatz aus §823 Abs. 2 i.V.m. §303 StGB

A könnte gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz aus §823 Abs. 2 i.V.m.

§303 StGB haben.

Voraussetzung dafür ist zunächst, dass eine Schutzgesetzverletzung vorliegt.

I. Schutznormqualität

Entscheidendes Kriterium für die Schutznormqualität ist, dass §303 StGB

Individualschutz gewähren will. Dieser steht im Gegensatz zum Schutz der

Allgemeinheit63

.

§303 StGB soll das „Eigenbeherrschungs-und Eigenverwertungsinteresse“ an

Sachen vor Vernichtung, Beeinträchtigung ihres Bestandes oder Wertes sowie vor

Entziehung tatsächlicher Nutzungsmöglichkeiten schützen64

.

Somit soll ein gewisser Individualschutz gewährleistet werden. Mithin hat §303

StGB Schutznormqualität.

II. Persönlicher Schutzbereich

A kann sich nur auf die Verletzung des §303 StGB berufen, wenn sie zu dem

Personenkreis gehört, den die verletzte Norm schützen will.

§303 StGB schützt „fremdes Eigentum“65

, also Sachen, die jemand anderes als

des Täters Eigentum sind. Die Tasche ist allerdings nicht A’s Eigentum66

.

Somit ist der persönliche Schutzbereich nicht eröffnet.

III. Ergebnis

A hat gegen D keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §823 Abs. 2 i.V.m. §303

StGB.

63

Fuchs, S. 128 64

MüKo StGB /Wieck-Noodt, §303 Rn. 1 65

MüKo StGB/Wieck-Noodt, Vorbemerkung zu den §303ff,; Schönke/Schröder-Stree/Hecker,

Vorbemerkungen zu den §§303ff. Rn 1 66

s. S. 6f

Page 14: Hausarbeit, Aufg. 1-3

14

C. Anspruch A gegen D auf Schadensersatz über eine

Drittschadensliquidation

A könnte gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz über eine

Drittschadensliquidation haben.

Eine solche Drittschadensliquidation hat folgende Voraussetzungen: Zunächst

muss derjenige, der aufgrund einer Schädigung einen Anspruch gegen den

Schädiger erhält, selbst keinen Schaden erleiden. Weiterhin darf derjenige, der

den Schaden erlitt, keinen Anspruch gegen den Schädiger haben. Schließlich muss

diese Schadensverlagerung zufällig erfolgt sein67

. Als Folge davon müsse der

Anspruchsinhaber den Anspruch analog zu §285 Abs. 1 an den Geschädigten

abtreten.

Somit hätte A gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz über eine

Drittschadensliquidation, falls B einen Anspruch ohne Schaden und A einen

Schaden ohne Anspruch hätte, und diese Verlagerung zufällig erfolgte.

I. Anspruch ohne Schaden

B müsste gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz haben, ohne selbst einen

Schaden erlitten zu haben. Schaden ist jeder Nachteil, der an den Rechtsgütern

einer Person entsteht68

Zweifelhaft ist allerdings zunächst, ob ein Unternehmer, der unbestellte Waren

versendet, wirklich keinen Schaden erleide, wenn eine solche unbestellte Sache

beschädigt wird.

Dafür spricht, dass der Unternehmer jegliche Ansprüche gegen den Verbraucher

verliert, wenn er eine Sache unbestellt versendet. Dadurch, dass er sie auch nicht

mehr herausverlangen kann69

, werde sie für ihn wertlos70

.

Allerdings könnte die Ware auch trotz dem Anspruchsausschluss für den

Unternehmer nicht gänzlich wertlos sein: Beispielsweise könnte der Unternehmer

die Ware von dem Verbraucher freiwillig zurückbekommen; dem stehe nichts

entgegen71

. Relevanter ist aber der Fall, wenn ein Dritter in einer der folgenden

Konstellationen zu dem Verbraucher und Unternehmer hinzustößt: Wenn der

Verbraucher die Sache an einen bösgläubigen Dritten veräußert, habe der

67

Verweyen, JURA 2006, 571 (572) 68

Deutsch/Ahrens, §33, Rn. 621 69

s. S. 6ff 70

Link, NJW 2001, 2811 (2812) 71

Verweyen, JURA 2006, 571 (575); Jacobs, JR 2004, 490 (492)

Page 15: Hausarbeit, Aufg. 1-3

15

Unternehmer die Möglichkeit, sie nach §985 herauszuverlangen72

. Denselben

Anspruch habe der Unternehmer auch gegenüber demjenigen, dem der

Verbraucher die Sache verleiht oder vermietet73

. Ein Herausgabeanspruch aus

§816 Abs. 1 S. 2 stehe dem Unternehmen gegen den gutgläubigen Erwerber zu,

der die Ware schenkweise von dem Verbraucher erlangt74

.

Die zweite Meinung ist überzeugend. Dass die Ware einen gewissen

wirtschaftlichen Restwert für den Unternehmer behält, geht aus den genannten

Gründen hervor.

Somit hat B durch die Beschädigung der Tasche einen Schaden erlitten.

II. Ergebnis

Aufgrund des Schadens der B hat A keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen D

über eine Drittschadensliquidation.

A. Anspruch B gegen D auf Herausgabe des Schals aus §985

B könnte gegen D einen Anspruch auf Herausgabe des Schals aus §985 haben.

Voraussetzung hierfür wäre das Vorliegen einer Vindikationslage.

I. B als Eigentümerin

Dafür müsste B Eigentümerin des Schals sein. Ursprünglich war B dies, könnte

aber ihr Eigentum an D verloren haben, nachdem A über den Schal an D verfügt

hat.

1. Eigentumserwerb der D nach §929 S. 1

D könnte von A das Eigentum durch Übereignung nach §929 S. 1 erlangt haben.

Dafür müsste A als Berechtigte gehandelt haben.

Berechtigter i.S.d. §929 ist grundsätzlich der Eigentümer selbst75

sowie von ihm

ermächtigte Verfügungsbefugte gem. §185 Abs. 176

.

A ist weder Eigentümerin noch wurde sie von der Eigentümerin B zu einer

Verfügung des Schals ermächtigt. Somit handelte A nicht als Berechtigte i.S.d.

72

Sosnitza, BB 2000, 2317 (2322) 73

Jacobs, JR 2004, 490 (492) 74

Jacobs, JR 2004, 490 (492) 75

Wolf/Wellenhofer §7, Rn. 19 76

Wolf/Wellenhofer §7, Rn. 22

Page 16: Hausarbeit, Aufg. 1-3

16

§929. D hat folglich das Eigentum nicht von A durch Übereignung nach §929 S. 1

erlangt.

2. Gutgläubiger Eigentumserwerb der D nach §§929 S. 1, 932

Allerdings kommt ein gutgläubiger Eigentumserwerb des Schals durch D gem.

§§929 S. 1, 932 in Betracht.

a) Einigung und Übergabe

Voraussetzung dafür ist zunächst eine dingliche Einigung und die Übergabe. A

und D müssten sich darüber einig gewesen sein, dass das Eigentum an den Schal

auf D übergeht und A müsste ihn der D auch tatsächlich übergeben haben.

Übergabe ist die beiderseitig gewollte Übertragung des unmittelbaren Besitzes

vom Veräußerer auf den Erwerber77

.

Grundsätzlich ist dies der Fall. A wollte den Schal an D übereignen, und D nahm

dieses Angebot auf Übereignung an. Dann hat A den Besitz vollständig

aufgegeben und D den Besitz erworben. Dies geschah auf Veranlassung der A.

Somit wurde der Schal auch nach §929 übergeben.

Allerdings ist fraglich, ob die Verfügung der A wirksam war. A ist gem. §106 in

der Geschäftsfähigkeit beschränkt; somit ist ihr Angebot auf Übereignung nach

§107 nur wirksam, wenn ihre Eltern dem zustimmen oder aber es für sie rechtlich

vorteilhaft wäre.

A’s Eltern stimmten zu dieser Übereignung nicht zu. Folglich kommt es auf die

rechtliche Vorteilhaftigkeit dieser Übereignung an. Hierbei sind nur die

rechtlichen Folgen des Rechtsgeschäfts relevant, nicht die wirtschaftliche

Betrachtung78

.

A hat durch die Übereignung keinen Vorteil erlangt. Somit ist dieses dingliche

Angebot generell zustimmungspflichtig.

Allerdings hat A durch die Übereignung auch keinen Nachteil erlangt, da sie nicht

die Eigentümerin des Schals war. Es handelt sich somit um ein neutrales Geschäft,

welches nicht der Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters bedarf79

.Dies ist aus

§165 zu entnehmen, der den Fall der Vertretung durch einen Minderjährigen

regelt80

. Folglich liegt grundsätzlich eine wirksame Einigung vor.

77

Wolf/Wellenhofer §7 Rn. 7 78

Palandt/Ellenberger, §107 Rn. 2; MüKo/Schmitt, §107 Rn. 28 79

Palandt/Ellenberger, §107, Rn. 7; MüKo/Schmitt , §107 Rn. 33 80

Palandt/Ellenberger, §107, Rn. 7; MüKo/Schmitt , §107 Rn. 33

Page 17: Hausarbeit, Aufg. 1-3

17

Jedoch ist es fraglich, ob diese auch dann Bestand hat, wenn dadurch der

Minderjährige eine ihm nicht gehörende Sache übereignet.

aa) Kein gutgläubiger Eigentumserwerb von Minderjährigen möglich

Die erste Meinung spricht sich gegen einen gutgläubigen Eigentumserwerb von

einem Minderjährigen aus81

. Somit würde der gutgläubige Eigentumserwerb der

D nach §§929 S .1, 932 scheitern.

bb) Gutgläubiger Eigentumserwerb von Minderjährigen möglich

Die zweite Meinung spricht sich hingegen für einen gutgläubigen

Eigentumserwerb von einem Minderjährigen aus82

. Somit wäre ein gutgläubiger

Eigentumserwerb bei allen gegebenen Voraussetzungen möglich.

cc) Stellungnahme

Da die Meinungen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, ist der Streit zu

entscheiden.

Für die erste Meinung spricht, dass die Vorschriften über den gutgläubigen

Eigentumserwerb (§§932 ff83

) den Erwerber nur so stellen wollen, wie er bei

Richtigkeit seiner Vorstellung stünde84

. Wäre der minderjährige Veräußerer also

wirklich der Eigentümer, wie es der Erwerber glaube, würde die Verfügung an

§107 scheitern. Das heißt, der Erwerber könnte selbst bei Richtigkeit seiner

Vorstellung kein Eigentum erwerben, ein guter Glaube an dieses Eigentum kann

den Eigentumserwerb dann auch nicht vollbringen85

. Warum der Erwerber bei

dem gutgläubigen Eigentumserwerb schutzwürdiger als der tatsächliche

Eigentümer sein soll, sei nicht ersichtlich86

. Somit sei §932 restriktiv auszulegen

und teleologisch zu reduzieren87

.

Gegen diese Ansicht spricht, dass §107 einzig die Interessen des Minderjährigen

schütze, die aber bei einer Verfügung über eine ihm nicht gehörende Sache nicht

tangiert werde, da es ein neutrales Geschäft sei88

. Der Zweck des §107 sei

nämlich einzig, den Minderjährigen vor sich selbst zu schützen, §107 habe also

81

Medicus BürgR, Rn. 542; Staudinger/Wiegand, §932 Rn. 11; Petersen, JURA 2003, 399 (401);

Weber JuS 1999, 1 (7) 82

Palandt/Ellenberger, §107, Rn. 7; MüKo/Schmitt , §107 Rn. 33; Schreiber, JURA 1987, 221

(222); Westermann/Gursky, §47, II, 1.; Soergel/Henssler, §932, Rn. 34ff 83

Im Folgenden beschränke ich mich auf den §932 84

Medicus, BürgR, Rn. 542 85

Weber, JuS 1999, 1 (7) 86

Medicus, BürgR, Rn. 542; Staudinger/Wiegand §932, Rn. 11 87

Medicus, BürgR, Rn. 542; Petersen, JURA 2003, 399 (401) 88

Westermann/Gursky, §47, II, 1.

Page 18: Hausarbeit, Aufg. 1-3

18

Vorsorgecharakter89

. Somit sei die Minderjährigkeit im Verhältnis zwischen dem

bisherigen Eigentümer und dem Erwerber irrelevant; vielmehr müsse die durch

§932 angeordnete Rechtsfolge zwecks Rechtssicherheit verbindlich sein90

.

Schließlich spricht gegen die von der anderen Ansicht geforderte teleologische

Reduktion des §932, dass diese auf einer systemwidrigen Vermengung der

Wertungen des §932 einerseits und des §107 andererseits beruhe. Solange der

Minderjährige keinen unmittelbaren Nachteil erleide, sei der gutgläubige Erwerb

so zu beurteilen, wie er bei jedem anderen Nichtberechtigten beurteilt worden

wäre91

. §932 setze nämlich einzig den guten Glauben an das Eigentum voraus, um

die Interessen des Alteigentümers mit dem des potentiellen Erwerbers abzuwägen;

§107 würde sich also bei einer teleologischen Reduktion faktisch für den

Alteigentümer auswirken, obwohl er nur den hier keines Schutzes bedürftigen

Minderjährigen schützen soll92

.

Die letzte Ansicht ist überzeugend. Für eine Verabsolutierung der

Unwirksamkeitsfolgen des §107 unabhängig von dessen Normzweck besteht

ebenso wenig Anlass wie für einen über §932 hinausgehenden Schutz des

eigentumsbezogenen Erhaltungsinteresses des Alteigentümers93

.

Somit kann D grundsätzlich das Eigentum am Schal von A erwerben, sofern die

anderen Voraussetzungen für den gutgläubigen Eigentumserwerbs erfüllt sind.

b) Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe

Die dingliche Einigung muss außerdem im Zeitpunkt der Übergabe noch wirksam

sein94

. In diesem Fall fallen Einigung und Übergabe zeitlich zusammen. Somit

liegt die dingliche Einigung im Zeitpunkt der Übergabe vor.

c) Fehlende Berechtigung der A

Für einen gutgläubigen Eigentumserwerb darf A keine Berechtigte i.S.d. §929

sein. Dies ist der Fall95

.

d) Gutgläubigkeit der D gem. §932 Abs. 2

Zudem muss D in gutem Glauben gewesen sein. Der Erwerber ist gem. §932 Abs.

2 nicht in gutem Glauben, wenn er weiß, dass der Veräußerer nicht der

89

Schreiber, JURA 1987, 221 (222) 90

Westermann/Gursky, §47, II, 1. 91

Soergel/Henssler §932, Rn. 34 92

Soergel/Henssler §932, Rn. 35 93

Soergel/Henssler §932, Rn. 35 94

Wolf/Wellenhofer §7 Rn. 18 95

s. S. 14

Page 19: Hausarbeit, Aufg. 1-3

19

Eigentümer ist oder dies infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist96

. Grobe

Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in einem

ungewöhnlich hohen Maße missachtet wird97

.

D wusste nicht, dass A nicht die Eigentümerin des Schals ist, und sie hat dabei

nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt missachtet. Somit war sie gutgläubig.

e) Kein Abhandenkommen der Sache i.S.d. §935

Gem. §935 Abs. 1 S. 1 ist der gutgläubige Eigentumserwerb ausgeschlossen,

„wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder

sonst abhanden gekommen war“.

B hat den Schal der A freiwillig zugesandt. Somit ist ihr die Sache nicht i.S.d.

§935 abhanden gekommen. Folglich ist der Ausnahmetatbestand zu §932 nicht

erfüllt.

3. Zwischenergebnis

D hat somit das Eigentum an dem Schal durch einen gutgläubigen

Eigentumserwerb erlangt, B ihres folglich verloren.

II. Ergebnis

Mangels Eigentümereigenschaft der B hat diese keinen Anspruch auf Herausgabe

des Schals aus §985 gegen D.

B. Anspruch B gegen A auf Erlösherausgabe aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2,

667

Dafür muss zunächst eine Geschäftsführung ohne Auftrag98

vorliegen.

Bei der GoA besorgt jemand (Geschäftsführer) das Geschäft eines anderen

(Geschäftsherr), ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu

berechtigt zu sein (§677).

I. Geschäftsbesorgung

Eine Geschäftsbesorgung liegt vor, wenn der Geschäftsführer eine Tätigkeit im

Interesse und Sorgenkreis des Geschäftsherren wahrnimmt.

A handelt mit B’s Schal. Eine Geschäftsbesorgung liegt vor.

96

Wolf/Wellenhofer §8 Rn. 16 97

Wolf/Wellenhofer §8 Rn. 17 98

im Folgenden GoA

Page 20: Hausarbeit, Aufg. 1-3

20

II. Unerlaubte Eigengeschäftsführung gem. §687 Abs. 2

Bei der unerlaubten Eigengeschäftsführung führt der Handelnde ein objektiv

fremdes Geschäft wissentlich zu seinem eigenen Vorteil99

.

A handelt mit C’s Schal, um das Geld zu behalten. Eine unerlaubte

Eigengeschäftsführung liegt vor.

III. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung

Eine GoA liegt nicht vor, wenn der Geschäftsführer vom Geschäftsherrn

beauftragt oder in einer sonstigen Weise dazu berechtigt wurde.

Dies ist nicht der Fall.

Somit sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erlösherausgabe gem.

§§687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 grundsätzlich gegeben.

IV. Ausschluss durch §241a

Allerdings könnte der Anspruch auf Erlösherausgabe gem. §241a ausgeschlossen

sein. §241a soll zu einem umfassenden Anspruchsausschluss des Unternehmers

gegen den Verbraucher führen100

. Also ist auch der Erlösherausgabeanspruch

ausgeschlossen.

V. Ergebnis

B hat wegen des Ausschlusses durch §241a keinen Anspruch auf Erlösherausgabe

aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 gegen A.

C. Anspruch B gegen A auf Erlösherausgabe aus §816 Abs. 1 S. 1

B könnte gegen A einen Anspruch auf Erlösherausgabe aus §816 Abs. 1 S. 1

haben. Voraussetzung dafür ist, dass A als Nichtberechtigte über den Schal eine

Verfügung traf, die gegen B als Berechtigte wirksam ist. Eine Verfügung ist jedes

Rechtsgeschäft, durch das unmittelbar auf den Bestand eines Rechts im Sinne

einer Rechtsminderung oder eines völligen Rechtsverlustes eingewirkt wird101

.

99

Brox/Walker BT, §35 Rn. 58 100

Schwarz, NJW 2001, 1449 (1453( 101

Brox/Walker BT, §38 Rn. 19

Page 21: Hausarbeit, Aufg. 1-3

21

I. Verfügung der A als Nichtberechtigte

Zunächst muss A als Nichtberechtigte über eine Sache der B verfügt haben.

A hat als Nichtberechtigte den Schal an die gutgläubige D übereignet102

. Dies war

eine Verfügung. Somit hat A als Nichtberechtigte über den Schal verfügt.

II. Wirksamkeit der Verfügung

Weiterhin muss die Verfügung der B gegenüber wirksam sein.

B hat auf Grund D’s gutgläubigen Erwerbs das Eigentum an der Tasche verloren.

Folglich ist die Verfügung B gegenüber wirksam.

III. Entgeltlichkeit der Verfügung

Schließlich muss die Verfügung entgeltlich erfolgt sein.

A hat von D 90€ für den Schal erhalten. Die Verfügung ist also entgeltlich erfolgt.

B hat somit generell einen Anspruch auf Erlösherausgabe aus §816 Abs. 1 S. 1.

IV. Ausschluss des Erlösherausgabeanspruchs durch eine rechtvernichtende

Einwendung gem. §818 Abs. 3

Allerdings könnte der Erlösherausgabeanspruch aus §816 Abs. 1 S. 1 gem. §818

Abs. 3 ausgeschlossen sein, falls A nicht mehr bereichert wäre103

.

Ist das Empfangene für außergewöhnliche Dinge verwendet worden, die sich der

Empfänger sonst nicht verschafft hätte, sogenannte Luxusausgaben, so ist die

Bereicherung regelmäßig weggefallen104

.

A hat mit dem Erlös ihre Freunde „auf einige Runden Crémant und Pernod“

eingeladen und den gesamten Verkaufserlös aufgebraucht. Da sie dies ohne den

Verkauf des Schals nicht gemacht hätte, sind diese Ausgaben als Luxusausgaben

zu bezeichnen. Somit ist A nicht mehr bereichert.

V. Ergebnis

B hat wegen der vollständigen Entreicherung der A keinen Anspruch auf

Erlösherausgabe gem. §816 Abs. 1 S. 1 gegen diese.

102

s. S. 13ff 103

Brox/Walker BT, §39 Rn. 7 104

Palandt/Sprau, §818 Rn. 35

Page 22: Hausarbeit, Aufg. 1-3

22

A. Feststellung des anzuwendenden Rechts

Grundsätzlich ist gem. Art. 43 Abs. 1 EGBGB für eine Sache das Recht des

Staates relevant, in dem sich die Sache befindet (lex rei sitae = Recht der

belegenen Sache)105

. Der Lageort ist der Ort der physischen Präsenz der Sache106

.

Die Tasche befindet sich in Deutschland. Somit ist gem. Art. 43 Abs. 1 EGBGB

grundsätzlich deutsches Recht anzuwenden.

Allerdings könnte hier im Hinblick auf die dingliche Rechtslage ein

Statutenwechsel vorliegen. Ein Statutenwechsel liegt vor, wenn eine bewegliche

Sache in den Herrschaftsbereich einer anderen Rechtsordnung verbracht wird107

.

Die Tasche wurde von Frankreich nach Deutschland gebracht. Somit liegt ein

Statutenwechsel vor. Nun ist zu entscheiden, ob ein schlichter Statutenwechsel

i. S. d. Art. 43 Abs. 2 oder ein qualifizierter Statutenwechsel i. S. d. Art. 43 Abs. 3

vorliegt. Ein schlichter Statutenwechsel liegt vor, wenn der sachenrechtliche

Tatbestand unter der Herrschaft des alten Statuts schon abgeschlossen war, ein

qualifizierter, wenn der sachenrechtliche Tatbestand unter der Herrschaft des alten

Statuts nur teilweise verwirklicht war108

. Der Inhalt von Rechten bestimmt sich

vom Zeitpunkt des Statutenwechsels an nach dem neuen Recht109

.

C hat die Tasche unter Eigentumsvorbehalt an B geliefert; d.h. als die Tasche

noch in Frankreich war, wurde ein Eigentumsvorbehalt vereinbart. Dieser

Vorgang ist abgeschlossen; somit liegt ein schlichter Statutenwechsel vor und der

in Frankreich vereinbarte Eigentumsvorbehalt gilt gem. Art. 43 Abs. 2 EGBGB

auch in Deutschland fort, wenn das deutsche Recht einen solchen

Eigentumsvorbehalt kennt. Der Eigentumsvorbehalt ist in §449 geregelt. Folglich

steht die Tasche zum Zeitpunkt der Lieferung weiterhin unter

Eigentumsvorbehalt. Der Inhalt wird nun nach deutschem Recht geregelt.

Mithin ist deutsches Recht anzuwenden.

105

Kropholler, §54, I, 1. (S. 554); Looschelders, IPR, Art. 43 Rn. 11 106

Looschelders, IPR, Art. 43 Rn. 11 107

Looschelders, IPR, Art. 43 Rn. 44 108

Kropholler, §54, III (S. 559) 109

Rauscher, Rn. 1430

Page 23: Hausarbeit, Aufg. 1-3

23

B. Anspruch C gegen A auf Herausgabe der Tasche aus §985

C könnte gegen A einen Anspruch auf Herausgabe der Tasche aus §985 haben.

Voraussetzung hierfür wäre das Vorliegen einer Vindikationslage.

I. C als Eigentümerin

Dafür müsste C Eigentümerin sein. Ursprünglich war sie dies, könnte aber ihr

Eigentum gem. §929 S. 1 an B durch Übereignung verloren haben.

1. Eigentumserwerb der B nach §929 S. 1

B könnte von C das Eigentum durch Übereignung nach §929 S. 1 erlangt haben.

Voraussetzung dafür ist zunächst die dingliche Einigung der Parteien.

B und C haben sich über den Eigentumsübergang geeinigt, allerdings einen

Eigentumsvorbehalt i. S. d. §449 vereinbart.

Somit steht der Eigentumsübergang nach §929 S. 1 unter der aufschiebenden

Bedingung (§158 Abs. 1) der vollständigen Kaufpreiszahlung gem. §449 Abs. 1.

B hat den Kaufpreis noch nicht gezahlt, somit ist die Bedingung noch nicht erfüllt.

Da C auch wirksam vom Vertrag mit B zurückgetreten ist, kann diese Bedingung

auch nicht mehr eintreten. Mithin hat B das Eigentum an der Tasche noch nicht

erlangt.

2. Eigentumserwerb der A von B nach §§929 S. 1, 932

Weiterhin könnte C ihr Eigentum an der Tasche verloren haben, wenn A das

Eigentum an der Tasche von B erlangt hätte.

Voraussetzung ist hierfür zunächst die dingliche Einigung der Parteien. B hat A

die Tasche unbestellt zugesandt. Bei einer solchen unbestellten Ware ist das

Zusenden zwar auch ein Angebot auf Übereignung, dieses steht nach allgemeinen

Auslegungsgrundsätzen gem. §§ 133, 157 unter der aufschiebenden Bedingung

(§158 Abs. 1) der Kaufpreiszahlung bzw. des Vertragsschlusses.110

Nichts anderes

ist hier anzunehmen. Da diese Bedingung nicht erfüllt ist111

, hat A kein Eigentum

an der Tasche erlangt.

Somit ist C immer noch Eigentümerin der Tasche.

110

Schwarz, NJW 2001, 1449 (1450); Sosnitza, BB 2001, 2317 (2322); Berger, JuS 2001, 649

(653) 111

s. S. 1ff

Page 24: Hausarbeit, Aufg. 1-3

24

II. A als Besitzerin

Weiterhin müsste A Besitzerin der Tasche sein. Durch das Zusenden der Tasche

durch B hat sie die unmittelbare Sachherrschaft erworben. Somit ist sie Besitzerin

der Tasche.

III. Kein Recht zum Besitz

A dürfte auch kein Recht zum Besitzt i. S. d. §986 haben.

Eine Lieferung unbestellter Waren begründet kein Recht zum Besitz112

. Sonstige

Gründe für ein Recht zum Besitz sind nicht ersichtlich. Somit hat A kein Recht

zum Besitz. Die Voraussetzungen des §985 sind hiermit grundsätzlich erfüllt.

IV. Ausschluss durch §241a

Allerdings könnte der Anspruch auf Herausgabe aufgrund von §241a

ausgeschlossen sein.

1. Ausschluss der Vindikation

Die erste Ansicht spricht sich für den Ausschluss der Vindikation aus113

.

Somit hätte C keinen Anspruch auf Herausgabe gegen A.

2. Kein Ausschluss der Vindikation

Die andere Ansicht spricht sich gegen einen Ausschluss der Vindikation aus114

.

Somit besteht C’s Anspruch auf Herausgabe gegen A.

3. Stellungnahme

Die Ansichten führen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Daher ist der Streit zu

entscheiden.

Für den Ausschluss des Herausgabeanspruches spreche, dass es für einen

Unternehmer ein Leichtes sei, die Regelung des §241a durch Vorschieben eines

anderen Unternehmers, der formal Eigentümer sei, auszuhöhlen115

. Um dies zu

verhindern, sei auch der Herausgabeanspruch eines Dritten auszuschließen.

Außerdem stünde ein annehmender Unternehmer besser als ein annehmender

Verbraucher, wenn man den Anschluss nicht ausschließen würde. Dieser hätte bei

Ingebrauchnahme nämlich das Angebot angenommen und so gutgläubig das

Eigentum erworben; er wäre nur zusätzlich dem Anspruch auf Kaufpreiszahlung

112

s. S. 7 113

Krebs, AnwKomm. §241a Rn. 18; Böttcher/Möritz, VuR 2/2005, S. 48f 114

Berger, JuS 2001, 649 (653f.); Link, NJW 2003, 2811 (2812) 115

Krebs, AnwKomm. §241a Rn. 18

Page 25: Hausarbeit, Aufg. 1-3

25

ausgesetzt116

. Der Verbraucher wäre also in gewisser Hinsicht benachteiligt, was

gegen den Verbraucherschutzcharakter der Norm sprechen würde.

Dagegen spreche, dass nur weil auch eine Missbrauchsmöglichkeit bestehe, nicht

gleich auch die Ansprüche aller redlichen Vorbehaltseigentümer ausgeschlossen

sein müssten117

. Es könne nicht angehen, eine Norm allein im Hinblick auf die in

ihr enthaltenen Missbrauchsgefahren auszulegen118

.

Des Weiteren sei §241a eine wettbewerbsrechtliche Vorschrift im Gewande des

Zivilrechts119

, und somit seien die Rechtsfolgen des §241a Abs. 1 einzig auf den

unlauter handelnden Unternehmer zu beschränken120

.

Der zweiten Ansicht ist aus genannten Gründen zuzustimmen. Es wird nämlich

gerade Rechtsunsicherheit geschaffen, wenn §241a auch Ansprüche gegen Dritte

und nicht nur Unternehmer ausschließen würde.

Der Rechtsstaat darf nur rechtswidriges Verhalten sanktionieren121

, ein redlich

handelnder Vorbehaltsverkäufer darf nicht wegen eines unlauter handelnden

Unternehmers bestraft werden.

Somit ist der Herausgabeanspruch der C gegen A nicht aufgrund §241a

ausgeschlossen.

V. Ergebnis

Die Voraussetzungen des §985 sind erfüllt. Somit hat C einen Anspruch auf

Herausgabe der Tasche gegen A.

C. Anspruch C gegen A auf Herausgabe der Tasche aus §812 Abs. 1 S. 1 Alt.

1

C könnte gegen A einen Anspruch auf Herausgabe der Tasche aus der

Leistungskondiktion gem. §812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 haben. Voraussetzung für die

Leistungskondiktion ist, dass der Anspruchsgegner etwas durch Leistung des

Anspruchsstellers ohne Rechtsgrund erlangt hat122

.

116

Böttcher/Möritz, VuR 2/2005, S. 48 117

Link, NJW 2003, 2811 (2812) 118

Link, ebenda 119

Berger, JuS 2001, 649 (653) 120

Berger, ebenda 121

Berger, JuS 2001, 649 (654) 122

Brox/Walker BT, §37 Rn. 1

Page 26: Hausarbeit, Aufg. 1-3

26

I. Etwas erlangt

A müsste einen Vermögensvorteil erlangt haben. A hat als Vermögensvorteil den

Besitz der Tasche erlangt.

II. Durch Leistung

Dies müsste durch Leistung der C geschehen sein. C hat allerdings nicht geleistet.

Mithin ist diese Voraussetzung nicht erfüllt.

III. Ergebnis

C hat aufgrund mangelnder Leistung ihrerseits keinen Anspruch auf Herausgabe

der Tasche aus §812 Abs. 1 S.1 Alt. 1.

D. Anspruch C gegen A auf Herausgabe der Tasche aus §812 Abs. 1 S.1 Alt. 2

C könnte gegen A einen Anspruch auf Herausgabe der Tasche aus der

Nichtleistungskondiktion gem. §812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 haben. Voraussetzung für

die Nichtleistungskondiktion ist, dass der Anspruchsgegner etwas in sonstiger

Weise, nicht durch Leistung wie in der 1. Alternative, auf Kosten des

Anspruchstellers ohne Rechtsgrund erlangt hat.

I. Etwas erlangt

A müsste einen Vermögensvorteil erlangt haben.

A hat als Vermögensvorteil den Besitz der Tasche erlangt.

II. In sonstiger Weise

Die Bereicherung muss „in sonstiger Weise“ entstanden sein. Dies ist der Fall,

wenn der Bereicherte selbst durch eigene Handlung in das Recht eines anderen

eingreift und auf diese Weisesein Vermögen vermehrt, oder wenn der Eingriff

durch einen Dritten erfolgt123

.

B hat der A die Tasche zugesandt. Somit erfolgte der Eingriff durch einen Dritten.

III. Auf Kosten der C

Dies muss auf Kosten der C geschehen sein. Das heißt nicht, dass bei ihr eine

Vermögensminderung eingetreten sein muss124

. Es kommt darauf an, dass

jemandem ein Gut der C von der Rechtsordnung zugewiesen ist.

A ist in Besitz von C’s Eigentum. Folglich erfolgte der Eingriff auf Kosten der C.

123

Brox/Walker BT, §38 Rn. 3 124

vgl. Brox/Walker BT, §38 Rn. 6

Page 27: Hausarbeit, Aufg. 1-3

27

IV. Ohne Rechtsgrund

Dies geschah ohne Rechtsgrund, wenn der Bereicherte in eine geschützte

Rechtsposition des Gläubigers eingerückt ist, deren beeinträchtigter Gehalt und

Nutzung ihm ohne Zustimmung des Rechteinhabers in rechtmäßiger Weise nicht

zukämen125

. Die Tasche ist C’s Eigentum. A ist in den Besitz der Tasche

gekommen. C hat dem nicht zugestimmt. Folglich geschah dies ohne

Rechtsgrund.

V. Ergebnis

C hat gegen A einen Anspruch auf Herausgabe der Tasche aus §812 Abs. 1 S. 1

Alt. 2.

E. Anspruch C gegen A auf Schadensersatz aus §§ 989, 990

C könnte gegen A einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§989, 990 haben.

I. Vindikationslage

Zunächst muss eine Vindikationslage vorliegen. C muss somit Eigentümerin und

A Besitzerin ohne Recht zum Besitz sein.

Diese Voraussetzungen liegen vor126

.

II. Bösgläubigkeit im Zeitpunkt des Besitzerwerbs

Weiterhin muss A im Zeitpunkt des Besitzerwerbs bösgläubig gewesen sein.

A wusste nicht, dass C die eigentliche Besitzerin ist und sie eigentlich kein Recht

zum Besitz habe. Somit war sie nicht bösgläubig.

III. Ergebnis

C hat mangels Bösgläubigkeit der A keinen Anspruch auf Schadensersatz aus

§§989, 990.

A. Klageänderung: Schadensersatz statt Herausgabe

Fraglich ist, ob B während des Verfahrens das Ziel der Klage von Herausgabe des

Schals auf Schadensersatz ändern kann.

125

Palandt/Sprau, §812 Rn. 44 126

s. S. 26f

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28

Gem. §263 ZPO darf eine Klage nach Eintritt der Rechtshängigkeit, also nach

Erhebung der Klage, nur noch geändert werden, wenn der Beklagte einwilligt

oder das Gericht dies für sachdienlich erachtet. Änderung der Klage in diesem

Sinne bedeutet eine Änderung des Streitgegenstandes127

.

Allerdings lässt §264 ZPO bestimmte Klageänderungen generell zu, um inhaltlich

zusammenhängende Streitfragen möglichst rasch und umfassend klären zu lassen,

wo dies den Beklagten nicht unzumutbar belastet128

. Es werden die Fälle der

Ergänzung oder Berichtigung des Vorbringens(§264 Nr. 1 ZPO), der Erweiterung

oder Beschränkung des Klageantrags (§264 Nr. 2 ZPO) und schließlich der

Anpassung an spätere Veränderung (§264 Nr. 3 ZPO) geregelt.

B will die Klage von Herausgabe auf Schadensersatz ändern, nachdem sie

während des Prozesses erfuhr, dass die Tasche beschädigt und der Schal nicht

mehr in A’s Besitz ist. Somit könnte ein Fall des §264 Nr. 3 ZPO vorliegen.

Voraussetzung ist zunächst, dass sich die Identität des Klagegrundes nicht

geändert hat129

. Klagegrund ist der tatsächliche Vorgang, aus dem der Kläger sein

Recht ableitet, also der seinem Antrag zu Grunde liegende Lebenssachverhalt130

.

Eine Änderung des Klagegrundes ist gegeben, wenn durch neue Tatsachen der

Kern des in der Klage angeführten Lebenssachverhalts verändert wird131

. An

diesem Lebenssachverhalt hat sich nichts geändert. Somit hat sich die Identität des

Klagegrundes nicht geändert.

Weiterhin ist eine Veränderung erforderlich, die später, d. h. nach

Rechtshängigkeit eingetreten ist oder von der der Kläger erst nach diesem

Zeitpunkt erlangt hat oder hat erlangen müssen132

. Die Tasche war schon vor

Eintritt der Rechtshängigkeit beschädigt und der Schal veräußert worden.

Allerdings hat B erst während des Prozesses davon erfahren; dass sie erst dann

davon erfuhr, ist nicht ihr Verschulden. Somit ist auch die zweite Voraussetzung

erfüllt.

B. Ergebnis

Alle Voraussetzungen für eine Klageänderung sind erfüllt. Folglich kann B das

Ziel der Klage von Herausgabe auf Schadensersatz ändern.

127

Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 195 128

Musielak/Foerste, ZPO, §264 Rn. 1 129

Hk-ZPO/Saenger, §264 Rn. 3 130

Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 63 131

Hk-ZPO/Saenger, §263 Rn. 4 132

HK-ZPO/Saenger, $264 Rn. 7; RGZ 70, 337 (338)