Hausarbeit Bildungssysteme in Europa - Schweden 1998

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Proseminar WS 1997/98 „Bildungssysteme in Europa“ Leitung: Frau Dr. Sonja Steier-Jordan Schweden Die endlose Reform des Bildungswesens? Seminararbeit Bernd Stange Matr.-Nr.: 108090220918

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Proseminar WS 1997/98 „Bildungssysteme in Europa“ Leitung: Frau Dr. Sonja Steier-Jordan

Schweden Die endlose Reform des Bildungswesens? Seminararbeit

Bernd Stange Matr.-Nr.: 108090220918

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Inhalt

1. Einleitung 3 2. Historische Aspekte des schwedischen Bildungssystems 7 3. Rechtliche Grundlagen und Verwaltung des Bildungswesens 11 4. Vorschulerziehung (förskolan) 15 5. Die neunjährige Grundschule (grundskolan) 17 6. Die freiwillige Gymnasialschule (gymnasieskolan) 19 7. Tertiärbildung - Universitäten und Hochschulen (universitet och högskolor) 29 8. Erwachsenenbildung (vuxenutbildning) 32 9. Zusammenfassung und Kritik 34 10. Quellenangaben und Anmerkungen 36

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1. Einleitung

Einführung

Schweden gilt auch in Zeiten anhaltender Rezession und knapper Haushaltsmittel in den Au-gen vieler Europäerinnen und Europäer als Muster eines sozial progressiven Staates, speziell aus bildungspolitischem Blickwinkel. Das Land hat, ebenso wie seine skandinavischen Nach-barn, traditionell hohe Aufwendungen für Bildung und Ausbildung.

3,7%

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4,6%

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6%

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D S D S

Abb.1: Bildungsausgaben als prozentualer Anteil des Bruttoinlandsproduktes 1992,

bezogen auf alle Bildungsstufen - links - und nur Primar- und Sekundarbereich - rechts.[1]

Begriffe wie „Wohlfahrtsstaat“ oder „schwedisches Modell“ waren insbesondere in den 60er und 70er Jahren in aller Munde, als die schwedische Bildungspolitik in Deutschland (bei der Diskussion um die Einführung der Gesamtschule) mit großem Interesse verfolgt wurde.[2]

Vor dem Hintergrund der spezifischen Verhältnisse und Bedingungen sind jedoch keine all-gemeinen, auf andere Länder direkt übertragbaren Modelle zu erwarten, dazu fehlen diesen Ländern oft die Voraussetzungen. Man kann von bildungspolitischem Standpunkt also nicht von „dem schwedischen Modell“ sprechen. Schulentwicklung ist zu sehr an gesellschaftliche, regionale, politische, wirtschaftliche, soziale und historische Gegebenheiten und Umstände gebunden. Im Rahmen dieser Arbeit soll das schwedische Bildungssystem unter Berücksichtigung dieser Konstellationen deskriptiv-explikativ vorgestellt und der Versuch einer kritischen Bewertung unternommen werden.

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1. Einleitung 4

Eckdaten

Das Königreich Schweden (Konungariket Sverige) ist - gemessen an der Fläche ebenso wie an der Bevölkerungszahl - das größte Land auf der skandinavischen Halbinsel. Etwa 8,8 Mil-lionen Menschen leben auf knapp 450 000 km2 (in der Ausdehnung vergleichbar mit Spanien oder Kalifornien), entsprechend einer Bevölkerungsdichte von 19 Einwohnern pro Quadrat-kilometer. Berücksichtigt man die Tatsache, daß ungefähr 90% der Einwohner in der süd-lichen Landeshälfte beheimatet sind, kann man sich ein Bild von der spärlichen Besiedlung des nördlichen Teils machen.[3]

Die schwedische Bevölkerung ist ethnisch weitgehend homogen. Neben der schwedischen Majorität (ca. 91%) gibt es nennenswerte Minderheiten anderer skandinavischer Nationali-täten. Einen gewissen Sonderstatus besitzen die im äußersten Norden Schwedens ansässigen Samen (etwa 17 000, entsprechend knapp 2% der Gesamtbevölkerung).[4]

Die schwedische Sprache gehört zusammen mit Dänisch, Norwegisch, Isländisch und Fä-röisch zu den nordgermanischen Sprachen. Im Gegensatz zu den Nachbarländern Norwegen und Finnland gibt es nur eine Amtssprache. Durch die seit Jahrhunderten anhaltende Immi-gration aus Finnland sprechen etwa 300 000 schwedische Bürger Finnisch. Die Samen sprechen ihr eigenes Idiom, Samisch, eine finnisch-ugrische Sprache.[5]

Gemäß der Verfassung von 1975, welche die von 1809 abgelöst hat, ist Schweden eine reprä-sentative parlamentarische Demokratie mit monarchischem Staatsoberhaupt (seit 1973 Carl XVI. Gustav), das allerdings nur noch zeremonielle Aufgaben hat. Ursprünglich galt die mo-narchische Erbfolge im Mannesstamm, die jedoch 1978 (Geburt der ersten Tochter Victoria) zugunsten der Primogenitur[6] aufgehoben wurde. Die Verfassung und Verwaltung des Landes ist relativ einfach strukturiert. Mit dem 1971 ein-geführten Einkammersystem, dem Reichstag (riksdag), ist Schweden - anders als die Bundes-republik - zentralistisch aufgebaut. Die Legislative liegt beim Parlament, das künftig alle vier (bisher drei) Jahre gewählt wird. Die Exekutive wird von 20 Ministerinnen und Ministern (statsråd/minister) wahrgenommen, denen ein Ministerpräsident (statsminister) vorsteht.[7]

Zwischen der zentralen und kommunalen Ebene ist das Land in 23 Provinzen (län) mit eige-nen Präsidenten (landshövding), eigenen Verwaltungen (länsstyrelse) und eigenen Provinzial-landtagen (landsting) aufgeteilt. Die unterste Verwaltungseinheit bilden die 288 Gemeinden (kommuner), von denen drei Viertel weniger als 30 000 und nur elf mehr als 100 000 Ein-wohner besitzen. Die drei einwohnerstärksten Städte Schwedens sind Stockholm (mit Voror-ten etwa 1,6 Mio.), Göteborg (432 000) und Malmö (235 000).[8]

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1. Einleitung 5 Neben der politschen Aufteilung kennt das Land auch eine historische Gliederung in drei gro-ße Landesteile (von Süden nach Norden: Götaland, Svealand und Norrland) sowie 25 Land-schaften (landskap), die gebietsweise mit den 23 Provinzen übereinstimmen.[9]

Schweden ist ein traditionell sozialdemokratisch geführtes Land (seit 1932) mit großem Ein-fluß der Gewerkschaften (landsorganisationen, LO). Lediglich in den Jahren 1976 bis 1982 und 1991 bis 1994 wurde das Land von einer bürgerlich-konservativen Regierung geführt.[10]

Nach der letzten Wahl im September 1994 bildeten die Sozialdemokraten unter der Führung von Ministerpräsident (statsminister) Göran Persson eine Minderheitsregierung.

2,1%

5,0%

4,1%

7,2%

7,7%

22,4%

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0% 25% 50%

Andere

Miljöpartiet (mp)

Kristdemokraterna (kp)

Folkpartiet (fp)

Centern (c)

Moderaterna (m)

Vänsterpartiet (v)

Socialdemokraterna (s)

Abb.2: Ergebnisse der Reichstagswahl im September 1994

(Bemerkung: In Schweden besteht eine Sperrminorität von 4%).[11]

Im kommenden Herbst wird der neue Reichstag gewählt. Auch wenn sich die Verhältnisse zwischen Sozialdemokraten und Moderaten (der führenden bürgerlich-konservativen Partei) seit der letzten Wahl mittlerweile relativiert haben (Umfrage vom Dezember 1997: Social-demokraterna: 37,4%, Moderaterna: 30,4%[12]), werden der Regierungspartei gute Chancen eingeräumt, auch weiterhin den Ministerpräsidenten zu stellen.

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1. Einleitung 6

Schwedische Geschichte

Die Geschichte Schwedens[13] läßt sich ohne Abwertung mit der Formel „Von der Großmacht zum Kleinstaat“ wiedergeben. Im frühen Mittelalter drangen schwedische Wikinger weit in das osteuropäische Tiefland, bis Kiew und Konstantinopel vor. Die darauf folgenden Jahr-hunderte wurden durch die schwedischen Könige und ihre verschiedenen Eroberungskriege geprägt. Kennzeichnend für das Mittelalter waren auch die wiederholten Konfrontationen mit den skandinavischen Nachbarn. Zwischen 1397 und 1521 war Schweden mehrfach mit Nor-wegen und Dänemark unter dänischer Hegemonie verbunden (Kalmarer Union). Gustav Vasa vertrieb 1521 die Dänen und wurde selbst 1523 zum König gewählt. Er entmachtete im Zuge der Reformation die katholische Kirche und unterstellte die Religion seinen Kompetenzen. Infolgedessen gehören heute etwa 90% der Bevölkerung der evangelisch-lutherisch Schwe-dischen Kirche an. Während der nächsten 200 Jahre, insbesondere im Dreißigjährigen Krieg, baute Schweden seine Großmachtstellung aus. Im frühen 18. Jahrhundert ging die Epoche mi-litärischer Stärke und überregionalen Einflusses mit dem Ende des Absolutismus zuende. Mit dem Jahr 1814 begann nicht nur die bis 1905 währende Union mit Norwegen, sondern auch die Ära der schwedischen Neutralität, die trotz erheblicher Schwierigkeiten auch in beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts fortdauerte. Diese Tatsache, verbunden mit der politischen Kontinuität, begünstigten den Übergang von einer eindeutig landwirtschaftlich geprägten Ge-sellschaft zu einem Industriestaat mit einem dichten sozialen Netz bei einer fast schon sprichwörtlich hohen Steuerlast der Bürger. 1973 übernahm Carl XVI. Gustav nach Tod seines Großvaters den Thron. Zum 1. Januar 1975 erhielt das Land eine neue Verfassung, welche die Rechte des Königs stark einschränk-te. Bei den Reichstagswahlen 1976 siegten zum ersten Mal nach 44 Jahren sozialdemokra-tischer Regierung die bürgerlichen Parteien. Nach zwei Legislaturperioden konnten die Sozialdemokraten unter Olof Palme[14] die Regierungsmehrheit zurückgewinnen. 1991 ent-schieden die bürgerlichen Parteien erneut die Parlamentswahlen für sich. Sie erklärten die seit 1814 strikt befolgte Neutralitätspolitik für überholt und steuerten die Aufnahme des Landes in die Europäische Union an. Die Integration Schwedens in die EU erfolgte nach einem konsul-tativen Referendum, bei dem sich 52,2% für den Beitritt aussprachen, zum 1.Januar 1995.

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2. Historische Aspekte des schwedischen Bildungssystems

Mittelalter

Das Schulwesen in Schweden ist, wie in anderen europäischen Ländern auch, auf kirchliche Initiative hin entstanden. Nicht nur in Klosterschulen wurde Wissen vor allem an den kleri-kalen Nachwuchs weitergegeben, die Kirchen spielten auch beim Volksunterricht eine große Rolle. Geistliche vermittelten in den Schulen in erster Linie die christliche Lehre. Mit der Reformation änderte sich das Verhältnis der Kirche zum Volksunterricht grund-legend. Die Schließung der Klöster und Schulen wirkte sich nachteilig auf die Entwicklung des schwedischen Schulwesens aus. An die Stelle der Kirche trat jedoch frühzeitig der Staat, der die Sorgepflicht und Verantwortung für die Volksbildung übernahm. Gustav Vasas Appell an die Bevölkerung, die Kinder in die Schule zu schicken, war eine wichtige Äußerung für Entstehung eines demokratischen Bildungsprinzips.

18./19. Jahrhundert

Schon früh waren Bestrebungen zu erkennen, das bestehende System zu reformieren. Im 18. Jahrhundert bereits wurden mehrere Vorschläge erarbeitet, das Schulwesen zu ändern. 1807 wurden erstmals moderne Fremdsprachen - Deutsch und Französisch - an höheren Schulen eingeführt. In der Verfassung von 1809 wurde das Recht eines jeden auf die seinen Vor-aussetzungen und Fähigkeiten entsprechende Bildung festgeschrieben. Gleichzeitig mit der Errichtung der Volksschule (folkskolan) für Jungen und Mädchen nach dem Prinzip der Ge-schlechtertrennung und unterschiedlichen Ansprüchen im Jahr 1842 wurde eine Unterrichts-pflicht von sechs Jahren für alle Kinder eingeführt. Während die sechsjährige Volksschule und das zwölfjährige Gymnasium zunächst nebeneinander ohne die Möglichkeit eines Über-gangs existierten, trat im Laufe des 19. Jahrhunderts eine immer verzweigtere Differenzierung der Schulbildung ein, die auch den Wechsel von der Volksschule auf das Gymnasium zuließ.

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2. Historische Aspekte des schwedischen Bildungssystems 8

20. Jahrhundert

1905 wurde eine neue Schulverordnung verabschiedet. Die sechsjährige Realschule wurde eingeführt, die mit dem Realschulexamen (etwa Mittlere Reife) abschloß. Nach der 5. Real-schulklasse war der Übergang in ein vierjähriges Gymnasium, nach Beendigung der Real-schule der in ein dreijähriges möglich. Die Realschule ihrerseits baute auf Kenntnissen der er-sten drei Volksschulklassen auf. 1909 wurden zudem kommunale Mittelschulen geschaffen, die auf die sechste Volksschulklasse aufbauten. Die Reformen der Jahre 1905 bzw. 1909 be-wirkten den Ausbau eines reich differenzierten mittleren Schulwesens. Die Reform von 1927 bedeutete für das Gymnasium eine Reduktion von neun Jahren auf drei bis vier, unter gleichzeitiger Einbeziehung der vierjährigen Realschule als Unterbau bzw. Mit-telstufe des Gymnasiums. Gleichzeitig war es Mädchen erstmals möglich, das Gymnasium zu besuchen. Die Zunahme an Komplexität und Differenzierung der verschiedenen Schularten und der möglichen Übergänge zwischen diesen ging zu Lasten der Transparenz des Schul-systems.

Nach dem 2. Weltkrieg

1950 schließlich wurde die probeweise Einführung einer neunjährigen „Einheitsschule“ be-schlossen und damit ein Bruch mit der bisherigen Bildungstradition. Diese Versuche fußten auf Analysen und Erfahrungen einer 1946 einberufenen Schulkommission, die riet, Volks- und Realschulen zu vereinen und alle Schüler nach weitgehend einheitlichen Lehrplänen zu unterrichten. Desweiteren wurde die allgemeine Schulpflicht von sechs auf neun Jahre herauf-gesetzt. 1962 beschloß der Reichstag das neue Schulgesetz und damit die Einführung der neunjährigen Grundschule (grundskolan), die bis zum Schuljahr 1972/73 landesweit obliga-torisch wurde. Diese Schulform löste alle bis zu jenem Zeitpunkt bestehenden mittleren Schu-len sowie die Volksschule ab. 1970/71 griff diese einschneidende Reform auch auf den Sekundarbereich über, im Sinne ei-ner additiven Integration des ehemals eigenständigen Gymnasiums, der Fachschulen und der Berufsschulen zur „Gymnasialschule“ (gymnasieskolan). Damit wurden die allgemein-aka-demisch orientierte und die beruflich-technische Bildung gleichgestellt, weil allen Absolven-ten der oberen Sekundarschule trotz unterschiedlicher Länge und inhaltlicher Verschiedenheit ihrer Ausbildungsgänge die Hochschulreife erteilt wurde.

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2. Historische Aspekte des schwedischen Bildungssystems 9 Die folgende Abbildung zeigt die sukzessiv ansteigende Differenzierung des Schulwesens bis Mitte dieses Jahrhunderts und die ebenso stetige Vereinfachung danach.

S c h u l j a h r 1 9 6 2 1 9 5 6 1 9 2 7 1 9 0 5 1 8 9 4 1 8 4 2

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V o l k s s c h u l e / G r u n d s c h u l e

G y m n a s i u m

R e a l s c h u l e / M i t t e l s c h u l e

B e r u f s s c h u l e

F a c h s c h u l e

Ü b e r g ä n g e Abb. 3: Strukturelle Entwicklung der wichtigsten Schulformen des schwedischen

Bildungswesens unterhalb der Hochschulen in der Zeit von 1842 bis 1991 (nach E. Jüttner[23], ergänzt).

Universitäten und Hochschulen

Noch zu Zeiten der Kalmarer Union wurde 1477 die erste Universität Schwedens in Uppsala gegründet. Ihr folgte 1666 die Universität in Lund (damals erst seit acht Jahren zu Schweden gehörig). Die Stockholmer Universität entstand 1878 aus einer privaten Hochschule.[24]

Lange Zeit blieb das Universitätswesen unangetastet. Eine Anpassung hinsichtlich der Über-gangsmöglichkeiten vom Sekundar- zum Tertiärbildungsbereich erfolgte erst in jüngster Zeit. Ein weiterer Grund für die Reformierung der Hochschulen waren und sind die seit Mitte der Sechziger Jahre stetig steigenden Zahlen von Studienanfängern. So beschloß der Reichstag 1965 in einer Reihe von Städten „Universitätsfilialen“ aufzubauen, welche die bestehenden Hochschulen entlasten sollten. (Man vergleiche die schwedische Situation mit der Grün-dungswelle von Universitäten im Ruhrgebiet zur gleichen Zeit!)[25]

Nach den ersten Erfahrungen mit der Vereinheitlichung des Schulwesens, griffen die Integra-tionsprozesse auch auf den tertiären Bildungsbereich über. 1977 wurden alle postsekundären

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2. Historische Aspekte des schwedischen Bildungssystems 10 Bildungseinrichtungen - bis zu jenem Zeitpunkt ein sehr heterogenes Gefüge - zu einem einzi-gen Hochschulsystem zusammengefaßt. Generell wurde das Prinzip der Einheitsschule auf die Hochschulbildung übertragen. Jedoch ist diese Integration bei weitem formaler im Sinne einer additiven Zusammenfügung zu ver-stehen. So besitzen die Universitäten einen nach wie vor (teilweise sogar ausgeprägteren) akademischen Charakter, während die vorrangige Aufgabe der Fachhochschulen die Lehre ist.[26]

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3. Rechtliche Grundlagen und Verwaltung des Bildungswesens

Einführung

Ein wichtiges Charakteristikum des schwedischen Verwaltungssystems ist die Aufgaben-teilung zwischen den einzelnen Ministerien und den zentralen obersten Verwaltungsbehörden. Während sich die Ministerien als vergleichsweise kleine Einheiten in erster Linie mit der Er-arbeitung von Gesetzesvorlagen beschäftigen, genießen die obersten Verwaltungsbehörden demgegenüber eine relativ unabhängige Rolle. Sie sind der Regierung insgesamt, nicht dem jeweiligen Fachministerium verantwortlich. Die Kontrolle über den gesamten Bildungsbetrieb üben Bildungsminister und Schulministerin gemeinsam aus, beide Teil des Bildungsmini-sterium.

Die Situation vor 1991

Bis 1991 war die oberste Verwaltungsbehörde im Bildungsbereich die Generaldirektion für das Schulwesen (skolöverstyrelsen, SÖ) für die Anleitung und Kontrolle des gesamten schu-lischen Zweiges, nach der Zusammenlegung mit der Generaldirektion für Berufsausbildung (överstyrelsen för yrkesutbildning) auch für diese zuständig. Daneben gab es 24 Provin-zialschulämter, welche die Interessen der Generaldirektion in den Provinzen wahrnahmen. Im Bereich des Hochschulwesens hat das Zentralamt für Universitäts- und Hochschulwesen (universitets- och högskoleämbetet, UHÄ) eine ähnliche Funktion ausgeübt. Die Verwaltung dieser Bereiche galt als stark zentralisiert. Gründe hierfür lagen in den Re-formen der Nachkriegszeit, in der Neugliederung und Vereinfachung des Schulsystems mit Einführung von Grund- und Gymnasialschule. Die Staatsmacht wollte damit sicherstellen, daß alle Schüler eine gute und gleichwertige Ausbildung erhalten sollten, unabhängig von Wohnort (in einem Flächenland wie Schweden bei einer derart unterschiedlichen Bevöl-kerungsdichte ein wichtiger Gesichtspunkt), Schule und Sozialmilieu. Als Mittel der Wahl zur Durchsetzung dieser Ziele schien die Schaffung einer zentralen Behörde geeignet. Diese sollte gewährleisten, daß die Bestimmungen des Schulgesetzes befolgt und die Rechte des einzelnen Schülers respektiert werden. Nach und nach wuchs der Reglementierungsmechanismus immer mehr an, bis er schließlich eine Weiterentwicklung hinderte.

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3. Rechtliche Grundlagen und Verwaltung des Bildungswesens 12 Die zentralistische Steuerung der schwedischen Schuledurch die Generaldirektion und die Provinzialschulämter funktionierte offensichtlich nicht mehr. Verantwortlichkeiten in der Schule waren unklar verteilt, die Arbeit in der Schuleschwer zu beeinflussen. Richtlinien und Lehrpläne waren in ihren Aussagen unklar, die Adressaten oft anonym. Ende der 70er, An-fang der 80er Jahre wurden erste Versuche zur Vereinfachung und Dezentralisierung des Sy-stems durchgeführt. Mit der Explosion der öffentlichen Aufwendungen seit Mitte der 80er Jahre trat der Bedarf nach Rationalisierung und einer effizienteren Gestaltung der öffentlichen Verwaltung immer mehr in den Vordergrund. Weitere wichtige Forderungen waren eine grö-ßere Transparenz und eine bessere Einflußnahme auf den öffentlichen Betrieb. Im Herbst 1988 beschloß der schwedische Reichstag den Übergang von einem regelgesteuer-ten Schulwesen hin zu einem ziel- und resultatorientierten. Der Staat übernimmt dabei die übergreifende Verantwortung für die Schule und legt generelle, landesweit gültige Ziele fest, die eine gleichwertige Ausbildung im ganzen Land garantieren. Weiterhin wurde mit dem Reichstagsbeschluß „Über die Zuständigkeit der Schule“ vom 1. Juli 1991 und dem Kommu-nalgesetz vom 1. Juli 1992 das Verhältnis der Zentralgewalt zu den Kommunen und Pro-vinzen neu geregelt. Den Gemeinden wurde durch die Dezentralisierung der politischen Ent-scheidungs- und Verwaltungsprozesse ein größeres Mitspracherecht eingeräumt, bei gleich-zeitiger flexiblerer Anpassung an die lokalen Begebenheiten.

Die rechtlichen Grundlagen heute

Die Grundlage allen Handelns innerhalb des Schulwesens bildet das Schulgesetz (skollagen). Es enthält die maßgeblichen Bestimmungen für Bildung und Ausbildung in allen Schul-formen. Das Gesetz gibt die umfassenden Bildungsziele und übergreifenden Richtlinien für die allgemeine Schultätigkeit an. §2. Alle Kinder und Jugendlichen sollen unabhängig von Geschlecht, Wohnsitz und sozialen

wie ökonomischen Verhältnissen, gleichen Zugang zu Bildung und Ausbildung im öffentlichen Schulwesen haben.

Die Ausbildung soll innerhalb jeder Schulform gleichwertig sein,

wo immer diese im Land erfolgt.

Die Ausbildung soll den Schülern Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln und, in Zusammenarbeit mit dem Elternhaus, deren harmonische Entwicklung zu

verantwortungsbewußten Menschen und Mitgliedern der Gesellschaft fördern. Dabei soll Rücksicht genommen werden auf Schüler mit besonderen Bedürfnissen.

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3. Rechtliche Grundlagen und Verwaltung des Bildungswesens 13 Desweiteren werden im Schulgesetz auch die grundlegenden Anforderungen an die Ge-meinden festgelegt. In einem Anhang zum Schulgesetz ist auch ein Zeitplan (timplan) für die Grundschule (siehe dort) aufgeführt, der die Mindestzeit an lehrergeleitetem Unterricht an-gibt, ebenso wie eine Auflistung aller nationalen Programme (nationella program) für die Gymnasialschule (ebenfalls dort näher beschrieben). Reichstag und Regierung beschließen weiterhin einen sogenannten Lehrplan (läroplan), der zusammen mit dem Schulgesetz den Schulbetrieb steuert. Es wird unterschieden zwischen dem Lehrplan für das öffentliche/obligatorische Schulwesen (läroplan för det offentliga/ obligatoriska skolväsendet, lpo), der hauptsächlich die Grundschule als Pflichtschule ein-schließt, und dem Lehrplan für das freiwillige Schulwesen (läroplan för det frivilliga skolvä-sendet, lpf), der die Gymnasialschule und die allgemeine Erwachsenenbildung umfaßt. Diese Lehrpläne geben die Aufgaben der Schule und aller am Schulbetrieb beteiligten, sowie Nor-men und Werte, die dem Unterricht zugrunde liegen, wieder. Zuletzt wurden solche Lehrpläne im Herbst 1994 verabschiedet (lpo 94 bzw. lpf 94); näheres hierzu in den jeweiligen Abschnit-ten. Komplettiert werden das Schulgesetz und die Lehrpläne durch Kurspläne (kursplaner) für je-des einzelne Fach, in dem Zweck, Ziel, Inhalt und Aufbau dieses Faches bestimmt werden. Dabei werden teils die Ziele angegeben, die der jeweilige Unterricht anstreben soll, teils die Ziele, die alle Schülerinnen und Schüler am Ende ihrer Schulzeit erreicht haben sollen. Außerdem beinhalten die Kurspläne allgemeine Bewertungskriterien für die Notengebung. Exemplarisch wird im Kapitel über die Grundschule näher auf den Kursplan für die natur-wissenschaftlichen Fächer eingegangen. Während Schulgesetz, Zeitplan, Lehr- und Kurspläne von der Regierung erarbeitet werden und landesweit gelten (und daher auch nationale Steuer- oder Zieldokumente - de nationella styr- eller måldokumenten - genannt werden), liegt die Zuständigkeit für die detaillierte Durchführung dieser Vorgaben in den Händen der Gemeinden. Die Richtlinien sehen vor, daß jede Kommune in einem Schul(entwicklungs)plan (skolplan) festlegt, wie die Arbeit und die Schwerpunkte der Schulen in der Gemeinde mittel- und langfristig entwickelt und verändert werden sollen. Dabei muß aus dem Plan ersichtlich sein, wie die Ziele der hierarchisch höher stehenden Richtlinien (Schulgesetz, Zeitplan, Lehr- und Kurspläne) durch Schulleitung, Lehrer und Schüler verwirklicht werden sollen. Inhalt, Organisation und Arbeitsweise können den lokalen Verhältnissen angepaßt werden, Lehr- und Kurspläne dürfen jedoch nicht im Sin-ne kommunaler Interessen geändert werden. Eine weitere Mitbestimmungsform auf lokaler Ebene - insbesondere für die Planungen in der einzelnen Schule - ist das Schulprogramm oder der Arbeitsplan (det lokala läroplansarbetet).

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3. Rechtliche Grundlagen und Verwaltung des Bildungswesens 14 Hierin werden alle anderen Bestimmungen mit den Möglichkeiten, Vorgaben und den zur Verfügung stehenden Mitteln von Schulpersonal und Schülern umgesetzt, in Hinblick auf Struktur und Inhalt der Arbeit in der Schule. So muß für jede Schule ein Zeitplan aufgestellt werden, aus dem hervorgeht, wie die garantierte Unterrichtszeit, die sich ja auf die gesamte Grundschule bezieht, auf die einzelnen Jahreskurse verteilt wird. Außerdem enthält der Zeitplan für die Grundschule eine gewisse Anzahl von Stunden, die nicht weiter spezifiziert sind. Der Schüler kann diese Zeit zur Vertiefung seiner Kenntnisse in einem oder mehreren Fächern nutzen; alternativ besteht die Möglichkeit, daß die Schule diese Zeit dazu verwendet, bestimmten Fächern mehr Zeit als die im Zeitplan angegebene zuzuweisen (Ausbildung eines speziellen Schulprofils).

Fazit

Die ehedem zentralisierte Verwaltung des Bildungsbetriebs ist nunmehr besser auf lokale Probleme und Bedürfnisse abgestimmt. Die Kommunen sind jetzt praktisch Träger des ge-samten Schulunterrichts unterhalb der Universitäts- und Hochschulebene einschließlich der Personalpolitik (Einstellung von Lehrkräften). Seit dem 1. Januar 1993 erhalten die Gemein-den nur noch pauschale Staatszuschüsse für ihre gesamte Tätigkeit statt zweckgebundener Zuwendungen für einzelne Aufgabenbereiche. Prinzipiell gilt jedoch, daß der Unterricht in der Grund- und Gymnasialschule unentgeltlich ist, ebenso wie Lernmittel, Schulmahlzeiten, Gesundheitsfürsorge und Schultransport. Die Aufgaben der Generaldirektion für das Schulwesen und der 24 Provinzialschulämter haben mit Wirkung vom 1. Juli 1991 das Zentralamt für Schule und Erwachsenenbildung (skolverket) und seine regionalen Büros übernommen. Diese sind in erster Linie nur noch für die zentrale Entwicklungsarbeit und die Auswertung der an den Schulen gesammelten Er-fahrungen zuständig. Das Zentralamt wurde beauftragt, dem Parlament und der Regierung alle drei Jahre eine zusammenfassende Einschätzung des schwedischen Schulwesens vorzulegen, aus der ein neuer nationaler Schulentwicklungsplan (nationell utvecklingsplan för skolorna) erarbeitet wird. Das Zentralamt für Universitäts- und Hochschulwesen wurde ebenfalls aufgelöst; an seine Stelle traten die Staatliche Universitäts- und Hochschulpräfektur (kanslerämbetet) und das Zentralamt für Höhere Bildung (högskoleverket, HSV), so daß auch im Bereich des Hoch-schulwesens der Prozeß der Dezentralisierung und der Stärkung der Autonomie der einzelnen Hochschulen und Universitäten eingeleitet wurde.

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4. Vorschulerziehung (förskolan)

Mit Beginn des Jahres 1998 wechselte die Aufsicht und Kontrolle der Vorschulerziehung (förskolan) aus den Händen des Ministeriums für Gesundheit und soziale Angelegenheiten (socialdepartementet) bzw. dem Zentralamt für das Gesundheits- und Sozialwesen (social-styrelsen) als ausführender Verwaltungsbehörde in die Obhut des Zentralamtes für Schule und Erwachsenenbildung (skolverket). Die Bestimmungen für den Vorschulbetrieb wurden teilweise ergänzt und erweitert in das Schulgesetz aufgenommen. Die Kommunen als wichtigste Träger sind verpflichtet, für Betrieb und Entwicklung der Kin-derbetreuung Sorge zu tragen; in nur wenigen Fällen liegt die Verantwortung hierfür bei Kirchen, Betrieben, Vereinen oder Elternkooperationen. 1990 betrug die Zahl der Vor-schuleinrichtungen 13 665, davon waren 12 917 in öffentlicher Trägerschaft. Aufgrund der seit langem hohen Frauenerwerbstätigkeit in Schweden besitzt gerade die Vor-schulerziehung eine lange Tradition und einen beachtlichen Stellenwert in der Gesellschaft. Zwar ist auch in Schweden das Recht auf einen Platz in einer Vorschuleinrichtung verbrieft, dennoch bleibt (aus finanziellen Gründen) das Angebot an solchen Plätzen weit hinter dem Bedarf zurück. Nichtsdestoweniger hat sich die Zahl der öffentlich finanzierten Vorschul-plätze im Zeitraum von 1970 bis 1990 verdreifacht. Bislang konnten Eltern und ihre Kinder im Vorschulalter zwischen vier verschiedenen Be-treuungsformen wählen: Kindertagesstätten (barndaghem) Teilzeitgruppen (deltidsgrupper) Familientagesstätten (familiedaghem) Offene Vorschulen (öppen förskola) Die Kindertagesstätten (barndaghem) bieten eine ganztägige Betreuung und richten sich in er-ster Linie an Kinder im Alter zwischen einem und sechs respektive sieben Jahren, deren El-tern erwerbstätig sind oder sich in der Ausbildung befinden. Teilzeitgruppen (deltidsgrupper) entsprechen weitgehend den deutschen Vorschulkindergärten und sind für vier- bis sechs-jährige Kinder vorgesehen, die täglich mehrere Stunden zusammentreffen. Dem deutschen Modell der Tagesmutter (dagmamma) am nächsten kommt die Beaufsichtigung in einer Familientagesstätte (familiedaghem), wo die Betreuung der Kinder von einer von der Ge-meinde angestellten Pflegeperson wahrgenommen wird. Die Offene Vorschule (öppen förskola) ist eine schwedische Besonderheit, die sich an Eltern und ihre Kinder im Vor-schulalter gemeinsam wendet. Diese kommen einige Male in der Woche mit speziell

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4. Vorschulerziehung (förskolan) 16 ausgebildeten Vorschullehrkräften (förskollärare) zusammen, wobei die Kinder spielerisch Fertigkeiten erwerben und die Pädagogen den Eltern mit Rat und Hilfe zur Seite stehen kön-nen. All diesen Vorschuleinrichtungen ist gemeinsam, daß ihnen kein festgelegtes Programm im Sinne eines Lehrplans zugrunde liegt. Mit den Neuregelungen in der Vorschulerziehung zum 1. Januar 1998 wurde auch eine neue Form der Betreuung gefunden: die (freiwillige) Vor-schulklasse (förskoleklass) mit einem Umfang von mindestens 525 Stunden. Nach Wunsch des Zentralamtes für Schule und Erwachsenenbildung soll die Vorschulklasse die noch nicht in die Grundschule eingeschulten Sechsjährigen behutsam an den allgemeinen Schulbetrieb heranführen.

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5. Die neunjährige Grundschule (grundskolan)

Wie bereits im zweiten Kapitel erläutert, weist das schwedische Bildungssystem ein im Ver-gleich zu anderen Ländern sehr hohes Maß an Homogenität in der Zielsetzung, der Struktur und den Inhalten auf. Gründe hierfür sind das seit Jahrzehnten währende Bestreben der Re-gierung allen Schülern eine gleichwertige Ausbildung zukommen zu lassen, ohne viel Wert auf eine allzu frühe Leistungs- und Interessensdifferenzierung zu legen, und das schwer zu durchschauende System von Schulformen und den möglichen Übergängen zwischen diesen nach der Reform von 1927. Nach der Beendigung der Versuchsphase einer "Einheitsschule" und der Verabschiedung des Schulgesetzes etablierte sich die neunjährige Grundschule als die dominierende Pflichtschule. Neben der Grundschule existieren auch Sonderschulen (särskolor) für geistig Behinderte und Lernschwache sowie Spezialschulen (specialskolor) für Hörgeschädigte und Blinde. Außer-dem kennt das öffentliche Schulwesen auch Samenschulen (sameskolor), an denen nach ei-nem Lehrplan mit samischer Prägung unterrichtet wird. Die Zahl freier Schulen (fristående skolor) - also Schulen in nicht-kommunaler Trägerschaft - ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen (allein zwischen 1991/92 bis 1993/94 verdrei-fachte sich die Zahl von 61 auf fast 200!). Hierbei handelt es sich in erster Linie um Einrich-tungen mit speziellen pädagogischen Konzeptionen (Montessori-/Waldorf-Pädagogik); dane-ben gibt es aber auch einige Konfessionsschulen. Diese Schulen benötigen die Anerkennung des Zentralamtes für Schule und Erwachsenen-bildung, welches prüfen und überwachen muß, ob diese Schulen die gleichen Ziele hinsicht-lich des allgemeinen Kenntnisstandes zum Ende der Schulpflicht verfolgen wie das öffent-liche Schulwesen. Ist dies nicht der Fall, kann das Zentralamt die Legitimation widerrufen. Die Kommunen leisten einen erheblichen Beitrag zur Finanzierung der freien Schulen (etwa 85% der Kosten pro Schüler und Schuljahr). Die Schülerzahl in den kommunalen Schulen erreichte im letzten Jahr nahezu 960 000 (Zunahme seit 1990: 8,1%), im Vergleich dazu betrug Anteil der Schüler, die eine freie Schule besuchten, etwa 1%; die Zahl der Schuleinheiten stieg in den letzten sieben Jahren um fast 6% auf 4936 (siehe hierzu Abb.3) Die Schulpflicht beginnt in Schweden mit Erreichen des siebten Lebensjahres und endet mit dem sechzehnten. Auf Wunsch der Eltern ist auch eine vorzeitige Einschulung mit sechs Jah-ren möglich (flexibler Schulbeginn); seit dem 1. Juli 1997 sind die Kommunen verpflichtet, Plätze für alle Sechsjährigen bereitzustellen (Anteil dieser Altersgruppe 1993 etwa 5%).

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5. Die neunjährige Grundschule (grundskolan) 18 Die Grundschule ist in drei Stufen zu je drei Jahren aufgeteilt: Unterstufe (lågstadiet, Klassen 1 bis 3), Mittelstufe (mellanstadiet, Klassen 4 bis 6) und Oberstufe (högstadiet, Klassen 7 bis 9). Die Verteilung der Schüler auf die verschiedenen Stufen zeigt Abb.4. Unter- und Mittelstufenschulen existieren in jedem Wohnviertel, die Oberstufe ist dagegen in größeren Mittelpunktschulen zusammengefaßt. Es gilt das Prinzip der Jahrgangsklasse, in kleineren Schulen können jedoch auch mehrere Jahrgänge eine Klasse bilden. Während Unter- und Mittelstufe einen Klassenlehrer samt undifferenziertem Unterricht mit für alle Schüler verbindlichen Unterrichtsfächern kennen, wird der Klassenverband in der Oberstufe zugunsten eines Fachlehrersystems und einer Leistungsdifferenzierung in den Fächern Englisch und Mathematik aufgegeben. Desweiteren sind in der Oberstufe auch freie Aktivitäten außerhalb des regulären Unterrichts vorgesehen.

Schuljahr

Zah

l der

Sch

üler

850000

900000

950000

1000000

1986/87 1987/88 1988/89 1989/90 1990/91 1994/95 1995/96 1996/974500

4600

4700

4800

4900

5000

Zah

l der

Sch

ulei

nhei

ten

881523

958972

4632

4936

Abb.3: Entwicklung der Zahl der Schüler und der Schuleinheiten seit 1986/87

Schuljahr

Zah

l der

Sch

üler

250000

300000

350000

1986/87 1987/88 1988/89 1989/90 1990/91 1994/95 1995/96 1996/97

lågstadium

mellanstadium

högstadium

Abb.4: Verteilung der Schüler auf die verschiedenen Stufen

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6. Die freiwillige Gymnasialschule (gymnasieskolan)

Einführung

Das Gymnasium als Form höherer Schulbildung besitzt in Schweden eine relativ lange Ge-schichte (siehe Abb.3). Im 19. Jahrhundert noch als eigenständiger, zwölfjähriger Schultyp konzipiert, wurde das Gymnasium in diesem Jahrhundert - insbesondere nach der Reform von 1927 - immer mehr in die übrigen Schulformen integriert, bis 1970/71 alle Bereiche der Se-kundarbildung zur dreijährigen Gymnasialschule (gymnasieskolan) zusammengefaßt wur-den.[22]

War das Gymnasium früher den Kindern sozial besser situierten Familien vorbehalten, so ist heute die Gesamtheit der schwedischen Kommunen dazu verpflichtet, allen Absolventen der neunjährigen Grundschule unentgeltlich eine weiterführende Ausbildung zu ermöglichen.[49]

250000

275000

300000

325000

350000

1986/87 1987/88 1988/89 1989/90 1990/91 1993/94 1994/95 1995/96 1996/97

Schuljahr

Zah

l der

Sch

üler

600

610

620

630

640

650

Zah

l der

Sch

ulei

nhei

ten

629

641

313 662

289 580

Abb.6: Entwicklung der Schülerzahlen und Schuleinheiten seit 1986/87.[50]

Vor dem Hintergrund steigender Qualifikationsanforderungen und erhöhter Bildungserwar-tungen ist der Anteil der Jugendlichen, welche von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und ihre Ausbildung entweder direkt nach Abschluß der Pflichtschule oder nach ersten Erfah-rungen in der Arbeitswelt auf der Gymnasialschule fortsetzen, von rund 70% Mitte der Sieb-ziger Jahre auf mehr als 95% im Schuljahr 1996/97 angestiegen. Nahezu alle von ihnen schließen diese Schulform innerhalb von drei Jahren ab.[49]

Die Entwicklung der Schülerzahlen und Schuleinheiten gibt Abb.6 wieder.

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6. Die freiwillige Gymnasialschule (gymnasieskolan) 20

Die Situation vor 1991

Das System der Gymnasialschule war vor 1991 „ein weites Feld“ von unübersichtlicher Kom-plexität. Bis dahin war die Struktur durch zwei sich kreuzende Gliederungsprinzipien gekenn-zeichnet. Zum einen gab es 25 zwei bis vier Jahre währende Linien (linjer) unterschiedlichster Ausrich-tung. Die zweijährigen Linien besaßen eine theoretische oder praktische Prägung, während die dreijährigen überwiegend theoretisch orientiert waren und auf ein Hochschulstudium vor-bereiteten. Die einzige vierjährige Linie vermittelte nach drei Jahren die Berechtigung zum höheren technischen Studium, nach vier Jahren den Berufsabschluß als graduierter Ingenieur. Oft waren diese Linien noch in verschiedene Zweige unterteilt. Andererseits gab es eine große Anzahl (zwischen 100 und 500) von Spezialkursen (specialkurser) und Studienprogrammen (studieprogram), deren Dauer zwischen einer Woche und mehreren Jahren variierte. Diese verhalfen zu einer weitgefächerten Berufsausbildung bzw. hatten hochschulvorbereitende Funktionen. Quer zu dieser Einteilung in Linien, Kurse und Programme existierte eine weitere Einteilung nach Sektoren (sektorer), welche in etwa den klassischen Berufsfeldern entsprach und den einzelnen Schulen eine Profilbildung ermöglichte. Dieser Aufbau der Sekundarbildung widersprach weitgehende dem allgemeinen Wunsch nach Einheitlichkeit. Zudem war das Lehrplanwerk seit 1970 nicht verändert worden, was zu zu-sätzlichen pädagogischen und sozialen Konflikten führte. Die Reform von 1991 sollte den weiterführenden Schulen ein neues strukturelles und inhaltliches Gesicht geben.[51]

Die alten Regelungen finden Erwähnung, weil die Übergangsphase noch nicht gänzlich ab-geschlossen ist. Auch ist gerade die Gymnasialschule ein Beleg für den ungebrochenen Trend zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Bildungswesens.

Die Situation heute

Generell gelten für den Sekundarschulbereich die gleichen grundlegenden Richtlinien wie für die Grundschule: Schulgesetz, Lehrplan, Programmziele (siehe unten) und Kurspläne.

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6. Die freiwillige Gymnasialschule (gymnasieskolan) 21

Der Lehrplan (läroplan)

Der Lehrplan für das freiwillige Schulwesen vom 1. Juli 1994 (läroplan för det frivilliga skolväsendet 1994, Lpf 94) beinhaltet die bindenden Vorschriften für die Gymnasialschule, aber auch für alle Gebiete der Erwachsenenbildung (siehe dort).[52]

Diese unterscheiden sich nicht wesentlich von denen des Lpo 94. Lediglich in den Aufgaben der verschiedenen Bildungsformen und den Voraussetzungen zur Teilnahme an diesen, gibt es Abweichungen. Ziele (mål) und Richtlinien (riktlinjer) werden für die folgenden sechs Bereiche des weiter-führenden Schulwesens angegeben:

Kenntnisse (kunskaper) Normen und Werte (normen och värden) Verantwortung und Einfluß der Schüler (elevernas ansvar och inflytande) Ausbildung, Arbeit und Leben in der Gemeinschaft (utbildningsval, arbeite och samhällsliv) Beurteilung und Notengebung (bedömning och betyg) Verantwortung der Schulleitung (rektors ansvar)

Die 16 nationalen Programme (nationella program)

Die verwirrende Anzahl von Linien, Spezialkursen, Studienprogrammen und Sektoren samt ihrer unterschiedlichen Länge ist 16 nationalen Ausbildungsprogrammen (nationella pro-gram) für die Gymnasialschule gewichen, welche einheitlich drei Jahre umfassen. Von diesen sind zwei eher studienvorbereitend (unterstrichen), die restlichen 14 eher berufsvorbereitend (diese beinhalten auch ein 15wöchiges Berufspraktikum (arbetsförlagd utbildning)). Die meisten Programme weisen eine weitere Differenzierung in verschiedene Teilgebiete auf, welche ab dem zweiten Jahr auf der Gymnasialschule gewählt werden können:

Sozialwesen und Freizeitpädagogik nicht aufgeteilt Bauwesen Bauschlosser Maler Haus- und Anlagenbau Maurer

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6. Die freiwillige Gymnasialschule (gymnasieskolan) 22

Elektrotechnik Automation Elektronik Installation

Energiewesen Energie Fahrzeugtechnik Heizung Lüftung und Sanitär

Kunst/Ästhetik Kunst und Formgebung Design Tanz/Theater Musik

Fahrzeugbau/-technik Flugtechnik Karosseriebau KFZ-Mechaniker Transportwesen

Wirtschaft und Verwaltung nicht aufgeteilt Handwerk verschiedene Handwerksberufe Hotel- und Restaurantwesen Hotelwesen

Restaurant Großhaushalte

Industrie Industrie Verarbeitung/Prozeßabläufe Holz Textil und Bekleidung

Lebensmittel Bäckerei und Konditorei Fleischerei

Medien Information und Werbung Druck

Agrarwirtschaft nicht aufgeteilt Naturwissenschaften naturwissenschaftlicher Zweig

technischer Zweig Gesundheitspflege Pfleger/innen

Arzthelfer/innen Zahnarzthelfer/innen

Gesellschaftswissenschaften Wirtschaft humanistischer Zweig gesellschaftswiss. Zweig[53]

Nicht jede Schule muß jeden Zweig anbieten; daneben gibt es die Möglichkeit lokaler Beson-derheiten. Mit dem neuen Lehrplan wurde auch ein garantierter Mindestunterricht für die Programme festgelegt. Dieser beträgt in den natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Programmen 2150 Stunden, in allen übrigen 2370 Stunden (siehe unten).[49]

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6. Die freiwillige Gymnasialschule (gymnasieskolan) 23 Allen Programmen ist gemeinsam, daß sie acht allgemeinbildende Kernfächer (kärnämnen) umfassen: Schwedisch, Englisch, Mathematik, Gemeinschaftskunde, Religion, Sport und Ge-sundheit, Naturkunde und Kunst. Die Spezialfächer (karaktärsämnen) geben den Program-men ihre unterschiedliche Ausrichtung. So besitzt das naturwissenschaftliche Programm (naturvetenskapsprogram) im naturwissen-schaftlichen Zweig folgende Unterrichtsfächer und -zeiten:

Schwedisch 200 h Geschichte 80 h Englisch 150 h Philosophie oder 40 h Gesellschaftskunde 90 h Psychologie Religion 30 h Fremdsprache 190 h Mathematik 300/240 h Physik 220 h Naturkunde 30 h Chemie 180 h Sport und Gesundheit 130 h Biologie 110 h Kunst 90 h Umweltkunde 0/60 h Summe Kernfächer 960/900 h Technik 60 h

Wahlfach 190 h Lokale Besonderheit/ 100 h

Berufspraktikum Spezialarbeit 20 h

Gesamtsumme 2150 h Diese Ausbildungsprogramme sollen ein breites Basiswissen vermitteln und den allgemeinen Zugang zum Hochschulstudium ermöglichen.[54]

Durch Kombination von Spezialfächern verschiedener Programme kann jede Kommune soge-nannte speziell ausgerichtete oder Sonderprogramme (specialutformade program) schaffen. Diese beabsichtigen lokalen oder regionalen Bedarf zu decken. Ein Sonderprogramm kann so-gar auf die besonderen Bedürfnisse eines einzelnen Schülers ausgerichtet sein. Bedingung für die speziell ausgerichteten Programme im allgemeinen ist jedoch, daß sie ebenfalls die acht Kernfächer umfassen und einem „gewöhnlichen“ Programm in Fragen der Anforderungen und des Umfangs entsprechen müssen. Neben den nationalen und speziell ausgerichteten Programmen gibt es sogenannte individu-elle Programme (individuella program), deren Länge und Inhalt allein von den Interessen des Schülers gelenkt werden (kein garantierter Mindestunterricht). Sie geben den Schülern die Gelegenheit, verschiedene Kurse auszuprobieren. Die Zielsetzung dieser Programme ist der spätere Übergang zu einem der anderen Programmformen. Allerdings kann auch ein Zeugnis (slutbetyg) für ein individuelles Programm vergeben werden, wenn die Anforderungen der einzelnen Kurse des Programms erfüllt worden sind.

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6. Die freiwillige Gymnasialschule (gymnasieskolan) 24 Eine Variante des individuellen Programms ist die Lehrlingsausbildung (lärlingsutbildning), einer Kombination von Berufsausbildung und Unterricht in den Kernfächern (entsprechend dem deutschen Ausbildungssystem mit Berufsschulunterricht).[49]

Programmziele und Kurspläne (programmål och kursplaner)

Jedes Fach(gebiet) eines Programms besteht aus einem oder mehreren Kursen, von denen jeder mindestens 30 Stunden einschließt. Ebenso wie die Grundschule kennt auch die Gym-nasialschule Vorschriften zu Inhalt und Zielen dieser Kurse, die Kurspläne (kursplaner). Es wird differenziert zwischen den Kursplänen für die Kernfächer (kärnämnen) und denen für die übrigen Disziplinen. Dabei müssen die Kurspläne für die Kernfächer nicht zwangsläufig in allen Programmen identisch sein, da sich der Umfang dieser in den verschiedenen Pro-grammen beträchtlich unterscheiden kann. Auf die Kurspläne soll hier nicht mehr näher ein-gegangen werden, da diese schon im Abschnitt über die Grundschule hinreichend diskutiert worden sind. Zudem ähneln sich die Kurspläne beider Schulformen sehr stark. Die Intention der Kurse eines Programms als Ganzes, die Prägung dieses Programms gleich-sam, ist im sogenannten Programmziel (programmål) - einem „Ober“kursplan gewisserma-ßen - festgehalten. Zusammen mit dem Lehrplan bildet dies den wesentlichen Hintergrund, vor dem die Kurspläne zu sehen sind.[55]

Zur resultatorientierten Leistungsbewertung steht neben den in der Primarstufe angewandten Noten godkänd (G), väl godkänd (VG) und mycket väl godkänd (MVG) eine weitere Ab-stufung zur Verfügung: mangelhaft (icke godkänd, IG). Noten werden nach jedem abge-schlossenen Kurs vergeben. Für die Bewertung gelten die Abschnitt über die Grundschule ge-nannten Kriterien.[56]

Nach Beendigung der Gymnasialausbildung können die Schüler ein Abschlußzeugnis (slut-betyget) erhalten, welches aus den Leistungsbewertungen aller abgeschlossenen Kurse zusam-mengestellt ist.[49]

Alle erfolgreich absolvierten nationalen Programme verleihen die allgemeine Berechtigung zum Hochschulstudium. Die meisten Studiengänge benötigen allerdings eine besondere Be-rechtigung in einem oder mehreren Fächern. In den studienvorbereitenden Programmen wird diese Qualifikation in vielen Disziplinen vergeben, in den übrigen Programmen kann der Schüler diese z.B. durch Wahl eines individuellen Programms, welches solcher Fächer ent-hält, erwerben.[55]

Page 25: Hausarbeit Bildungssysteme in Europa - Schweden 1998

8. Erwachsenenbildung (vuxenutbildning)

Fortbildungsmaßnahmen sind in Schweden weit verbreitet und besitzen eine bemerkenswerte sozial- und bildungspolitische Bedeutung. Erhebungen zeigen, daß durchschnittlich jeder zweite Erwachsene an irgendeiner Form der Erwachsenenbildung (vuxenutbildning) teil-nimmt.[66]

Im Mittelpunkt dieser Angebote steht die kommunale Erwachsenenbildung (kommunal vuxenutbildning, Komvux), welche gleichermaßen grundlegende (grundläggande vuxen-utbildning) als auch weiterführende (gymnasial vuxenutbildning) Kenntnisse vermittelt. Bei der grundlegenden Erwachsenenbildung wird in erster Linie Wert auf ein Basiswissen für das alltägliche Gesellschafts- und Berufsleben gelegt. Sie verhilft zu einem Wissensstand, der im Umfang dem der neunjährigen Grundschule entspricht. Die Vorkenntnisse eines jeden Schülers bestimmen das Ausgangsniveau des Unterrichts. Die Maßnahme kann beendet wer-den, sobald die individuellen Ausbildungsziele erreicht worden sind. Ein Abschlußzeugnis (grundskolekompentens för vuxna) kann bei Erreichen der Kursziele in Schwedisch, Englisch, Mathematik und Gesellschaftskunde erteilt werden.[67]

Der Lehrplan für die gymnasiale Erwachsenenbildung stimmt in weiten Teilen mit dem für die Gymnasialschule überein. Auch hier ist nach Absolvierung einer bestimmten Anzahl von Kursen die Vergabe eines Zeugnisses möglich. Für beide Weiterbildungstypen gilt jedoch, daß der Lernende das Lerntempo selbst bestimmt, so daß beispielsweise die Kombination mit einem Beruf oder einem Praktikum möglich ist. Zur Zielgruppe von Komvux zählen Erwach-sene mit lückenhafter Primar- und/oder Sekundarausbildung. Erfahrungsgemäß stellen Immi-granten ein großes Kontingent der Teilnehmer.[58]

Für Erwachsene, die nicht an ihrem Wohnort mit einem Hochschulstudium beginnen können oder anderweitig gebunden sind, gibt es den deutschen Fernuniversitäten vergleichbare Ein-richtungen: die staatlichen Erwachsenenschulen (Statens skolor för vuxna, SSV) in Norr-köping und Härnösand. Die Unterweisung geschieht per schriftlicher Korrespondenz; daneben kommen die Studierenden auch regelmäßig zu lehrergeleitetem Unterricht und Prüfungen zu-sammen.[67]

Für beide Fortbildungsmaßnahmen - Komvux und SSV - gelten die Bestimmungen des Lehr-plans für das freiwillige Schulwesen von 1994 (Lpf 94). Ein weiteres, wichtiges Angebot der Gemeinden für Einwanderer, ist der kostenlose Unterr-icht in Schwedisch und Landeskunde (svenskundervisning för invandrare, Sfi). Dieser umfaßt 240 Stunden Unterweisung und findet während der Arbeitszeit statt, ohne daß eventuelle Verdienstausfälle entstünden.[67]

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8. Erwachsenenbildung (vuxenutbildning) 26 Während die bisher aufgeführten Maßnahmen vollständig von öffentlicher Seite finanziert werden, ist dies bei den Volkshochschulen (folkhögskolor) und Studienzirkeln (studiecirklar) nur teilweise der Fall. So tragen verschiedene Bürgerbewegungen die Hälfte des Unterhalts für die Volkshochschulen (1868 gegründet!). Die Studienzirkel (1993 etwa 2,7 Millionen Teilnehmer!) erhalten Zuschüsse von Bildungsorganisationen, welche den Gewerkschaften, politischen Parteien und Freikirchen nahestehen. Die größte dieser Körperschaften ist der Arbeiterbildungsverband (arbeternas bildningsförbund, ABF).[58]

Weiterhin gibt es die auch in Deutschland üblichen, vom Arbeitsministerium geförderten Maßnahmen zur Umschulung und Fortbildung (arbetsmarknadsutbildning, AMU); ebenso be-sitzen viele Unternehmen eigene Programme zur Weiterbildung ihres Personals (personalut-bildning/kompetensutveckling).[58]

174451

25240 15795

230000

0

50000

100000

150000

200000

250000

300000

Komvux Sfi SSV Folkhögskolor

Fortbildungsmaßnahme

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Abb.7: Teilnehmerzahlen verschiedener Fortbildungsmaßnahmen.[68]

Alle Programme sind in der Regel kostenlos; weitgehend werden die Teilnehmer sogar mit öffentlichen Mitteln subventioniert. Jedoch machen die verschiedene sozialen Schichten ganz unterschiedlich Gebrauch davon; Angestellte stellen z.B. einen erheblich größeren Anteil als Arbeiter.[58]