Healthcare Check-Up: Die grosse Baustelle

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HEALTHCARE CHECK-UP Magazin für den Healthcare Sector / Ausgabe Nr. 5 / Februar 2014 Roadmap to «Spital 2022» – Rückblick auf den Healthcare Event 2013 Fokus: Bau, Betrieb und Bewertung von Spitalimmobilien Sicher in die vernetzte Zukunft Leistungsangebot: Von der Strategie zur Abbildung im Reporting «Spital 2022» Die grosse Baustelle

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Unter anderem in dieser Ausgabe: Roadmap to "Spital 2022" - Rückblick auf den Healthcare Event 2013, Fokus: Bau, Betrieb und Bewertung von Spitalimmobilien, Sicher in die vernetzte Zukunft, Leistungsangebot: Von der Strategie zur Abbildung im Reporting, Die Schweiz im OECD-Gesundheitsbericht 2013

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HEALTHCARE CHECK-UPMagazin für den Healthcare Sector / Ausgabe Nr. 5 / Februar 2014

Roadmap to «Spital 2022» – Rückblick auf den Healthcare Event 2013

Fokus: Bau, Betrieb und Bewertung von Spitalimmobilien

Sicher in die vernetzte Zukunft

Leistungsangebot: Von der Strategie zur Abbildung im Reporting

«Spital 2022»

Die grosse Baustelle

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Healthcare Check-up / Februar 2014

Differenzierung der Leistung

Vernetzung der Anbieter

Interaktion Kunde und

Leistungserbringer

Transparenz bezüglich Kosten

und Qualität

Bau und Betrieb von Spitälern

Bewertung von Spitalimmobilien

Sicher in die vernetzte Zukunft – Bedeutung einer effektiven IT-Strategie

Leistungsangebot: Von der Strategie zur Abbildung im Reporting

Roadmap to «Spital 2022»

Roadmap to «Spital 2022» – Rückblick auf den Healthcare Event 2013

2 | Roadmap

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Februar 2014 / Healthcare Check-up

Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Im Dezember 2013 haben wir unseren 4. KPMG Healthcare Event in Zürich durchgeführt. Unter dem Motto Roadmap to «Spital 2022» haben diverse Vertreter der Gesundheitspolitik, Leistungserbringer und Beratung über aktuelle Herausforderungen im Gesundheitswesen diskutiert. Schwerpunktthema war in diesem Jahr die Spital­finanzierung. Diese Thematik wurde zum einen aus der Sicht des Finanzieres präsentiert und zum anderen wurde auf die damit zusammenhängenden Herausforderungen und Chancen für Kantone und Spitäler eingegangen.

Neben der Spitalfinanzierung bilden zwei weitere Artikel einen weiteren Schwerpunkt dieses Magazins: die Immobilien. Es werden Eckpunkte zum Bau und Betrieb von Spitälern diskutiert, sowie mögliche innovative Betriebskonzepte skizziert. Zudem werden unterschiedliche Ansätze zur Bewertung von Spitalimmobilien erläutert und der erforderliche Miteinbezug der Tragbarkeit aufgezeigt.

In diesem Heft finden Sie zudem, wie eine umfassende IT­Strategie hilft, zeitgerecht neue Möglichkeiten der IT in der Organisation und den

Abläufen zu verankern, wie aufgrund der Nutzung von Systemdaten das Leistungsangebot beurteilt werden kann und Entschei­

dungen zur zukünftigen Positionierung getroffen werden können, was der neuste Gesundheitsbericht der OECD in Bezug auf die Schweiz aussagt.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und freuen uns, wenn Sie aus dieser Publikation Ideen und Impulse für Ihre Arbeit in Ihren Alltag mitnehmen können.

Michael HerzogAndré Zemp

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Schweiz

Roadmap to «Spital 2022» – Heraus forderungen im aktuellen Spannungsfeld

S. 4 – 5

Bau und Betrieb von Spitälern S. 6 – 7

Bewertung von Spitalimmobilien S. 8 – 9

Sicher in die vernetzte Zukunft – Bedeutung einer effektiven IT­Strategie

S. 10 – 11

Leistungsangebot: Von der Strategie zur Abbildung im Reporting

S. 12 – 13

Deutschland

Der E­Patient: Was kommt da auf das Gesundheitswesen zu?

S. 14 – 15

International

Gesundheit auf einen Blick – die Schweiz im OECD­Gesundheitsbericht 2013

S. 16 – 18

Das Krankenversicherungssystem von Abu Dhabi S. 19 – 21

Inhaltsverzeichnis

Michael Herzog André Zemp Sektorleiter Healthcare Leiter Advisory HealthcareLeiter Audit Healthcare

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Healthcare Check-up / Februar 20144 | Roadmap to «Spital 2022»

Roadmap to «Spital 2022» – Heraus forderungen im aktuellen Spannungsfeld

Am vierten Healthcare Event von KPMG diskutierten Experten und Ver­treter aus dem Gesundheitswesen anhand der Roadmap «Spital 2022» über die zukünftigen Herausforde­ rungen und mögliche Lösungsansätze im Schweizer Gesundheitsmarkt. Zu den Teilnehmern zählten Direktoren, Finanzverantwortliche und Projektleiter von Schweizer Spitälern sowie Vertre­ter von Behörden. Die Referate wurden von Vertretern der Credit Suisse und der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich sowie von Healthcare­Spezialis­ten der KPMG gehalten. Aktuelle Fra­gestellungen betrafen unter anderem die Finanzierung von Bauprojekten, eine klare Unternehmensstrategie, eine sichere IT­Infrastruktur und realis­tische Businesspläne.

InfrastrukturGemäss einer Studie der Credit Suisse sind im Gesundheitswesen Baupro­jekte in der Höhe von knapp 9 Milliar­den Franken absehbar. Viele Spitäler müssen sich folglich früher oder später mit dieser Thematik auseinanderset­zen. Eine frühzeitige Planung und Aus­arbeitung sind zentrale Bestandteile für eine erfolgreiche Realisierung, da sol­che Projekte sehr zeitintensiv sind. Insbesondere die Regelung der Finan­zierung bedarf besonderer Aufmerk­samkeit. Mit dem Bau einer neuen Inf­rastruktur sind allerdings noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Anhand eines Beispiels der Universitätsklinik Charité in Berlin zeigt Ulrich Prien, Lei­ter Real Estate bei KPMG, dass neue Konzepte im Unterhalt und Betrieb gros ses Potenzial besitzen. Die Charité ist eine Kooperation mit Unternehmen aus der Privatwirtschaft eingegangen

und hat mit diesen zusammen ein Joint Venture gegründet, welches für den gesamten Betrieb und Unterhalt der Liegenschaften verantwortlich ist. Dieses neue Unternehmen generiert heute mit 2’700 Angestellten einen Umsatz von 130 Millionen Euro. Die Umsetzung eines solchen Projekts wäre auch in der Schweiz denkbar.

Finanzierung durch BankenDie Finanzierung von Projekten im Gesundheitswesen stellt für Vertreter aus der Finanzbranche ein grosses Potenzial dar, beinhaltet aber auch Risi­ken, da bisher nur eine sehr begrenzte Erfahrung vorhanden ist. Anne Chese­aux (Credit Suisse, heute pro res­source) führte aus, dass zwischen Spi­tälern und Kapitalgebern in einem iterativen Prozess eine Lösung ange­strebt wird. Von zentraler Bedeutung für eine erfolgreiche Finanzierung sind insbesondere eine klare Unternehmens­strategie, eine Reduktion der Investiti­onsliste auf das Notwendigste und rea­listische Annahmen im Businessplan. In diesem Zusammenhang wird deut­lich: Sowohl die Finanzbranche als auch die Spitäler betreten bei einer Finanzierung Neuland. Wie sich dies in Zukunft entwickeln wird, dürfte äusserst spannend bleiben.

Die Rolle des RegulatorsIn der Folge erläuterte Hansjörg Leh­mann (Leiter Gesundheitsversorgung, Gesundheitsdirektion Kanton Zürich) die Finanzierung aus Sicht des Regula­tors. Seit 2012 werden Betriebs­ und Investitionsentscheidungen nicht mehr unabhängig von der Erlössituation durch die Fallpauschalen gefällt. Um eine Benachteiligung einzelner Spitäler

zu verhindern, wurden erhaltene Inves­titionsbeiträge gemäss dem Restwert der Immobilien in Darlehen umgewan­delt. Dies könnte nun Spitäler in Bedrängnis bringen, welche einen sol­chen Ausbau (kurz vor der Umstellung der Spitalfinanzierung) nicht primär aufgrund von Kosten­Nutzen­Über­legungen getätigt haben. In Zukunft besteht für den Kanton aber immer noch die Möglichkeit der Vergabe von Darlehen für Bauprojekte, sofern bestimmte Kriterien erfüllt sind.

IT-StrategieDer technologische und kulturelle Wandel macht auch vor dem Gesund­heitswesen nicht Halt. Vernetzung, mobile Medien oder Cyberkriminalität sind aktuelle oder zukünftige Heraus­forderungen, mit welchen sich auch Spitäler auseinandersetzen müssen. An Beispielen wie der Einführung von eHealth, mit welcher Patienten einen direkten Einblick in die eigenen medizi­

Bereits zum vierten Mal fand im November 2013 der KPMG Healthcare Event in Zürich statt. Unter dem Motto Roadmap to «Spital 2022» wurden Referate zu den Themen Immobilien, Finanzierung, IT­Strategie und Leis­tungsangebot gehalten und Entwicklungsschritte für die Zukunft diskutiert. Die hohe Teilnehmerzahl zeigt, dass diese Fragestellungen im heutigen Spannungsfeld für viele Institutionen von grosser Bedeutung sind.

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Februar 2014 / Healthcare Check-up Roadmap to «Spital 2022» | 5

nischen Daten erhalten, dem Einsatz von mobilen Diagnosegeräten zur Selbstanalyse oder der Verwendung von Cloud­Lösungen zeigt Robert Hegyi (Senior Manager IT Advisory KPMG) mögliche Entwicklungen im Bereich IT auf. Diese Themen werden in Zukunft einen wesentlichen Einfluss auf die IT­Strategie von Spitälern haben.

Ausbau LeistungsangebotAnhand eines fiktiven Beispiels des Spitals «Züribiet» zeigten André Zemp (Leiter Healthcare Advisory KPMG) und Roland Kolb (Geschäftsführer TIP GROUP® Schweiz) das optimale Vorgehen beim Ausbau des Leistungs­angebots eines Spitals auf. Zentrale Elemente in einem solchen Prozess sind eine kritisch vertiefte Marktana­lyse und die Erstellung einer SWOT­Analyse. Gemäss den Erfahr ungen von André Zemp budgetieren Spitäler vielfach eine Steigerung der Fallzahlen, obwohl diese Annahme oftmals zu

wenig fundiert ist. Ein weiterer wichti­ger Punkt ist der Einbezug von medizi­nischen Leistungserbringern. Durch die Integration während des gesamten Prozesses steigt das betriebswirt­schaftliche Verständnis, und die Ver­pflichtung der involvierten Personen wird greifbar. Roland Kolb zeigte auf, wie wichtig in der Folge vor allem ein regelmässiges Controlling ist: Nur auf diese Weise kann eruiert werden, ob der Ausbau des Angebots ein wirkli­cher Erfolg war und einen positiven Beitrag ans Betriebsergebnis leistet.

Chancen und RisikenAbschliessend kann festgehalten wer­den, dass die aktuellen Verände­rungen für das Spital im heutigen Spannungsfeld eine anspruchsvolle Herausforderung darstellen. Diese Veränderungen beinhalten aber nicht nur Risiken, sondern bieten den Spitä­lern auch eine Vielzahl an Entwick­lungsmöglichkeiten.

Matthias ZannantonioConsultantAdvisory HealthcareKPMG AG Zürich T: +41 58 249 29 18E: [email protected]

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Healthcare Check-up / Februar 20146 | Spitalimmobilien

Bau und Betrieb von Spitälern

Die Umstellung von einer objektorien­tierten Defizitdeckung auf ein subjekt­orientiertes Preissystem schlägt sich sowohl in der Erfolgsrechnung als auch in den Bilanzen der Spitäler nieder. All­fällige Verluste oder Investitionen wer­den nicht mehr durch die öffentliche Hand gedeckt, sondern müssen über die Geschäftstätigkeit finanziert wer­den. Das Betriebsergebnis wird dabei stark durch den Leistungsauftrag und die bestehende Infrastruktur beein­flusst. Ein Betrieb mit einem hohen Anteil an Neubauten ist wettbewerbs­fähiger als ein Spital mit renovations­bedürftiger Substanz.

Ein gesundes Eigenkapital als BasisUm dem zukünftigen Investitionsbedarf gerecht zu werden, müssen die Spitäler in der Lage sein, über Gewinne Rückla­gen im Eigenkapital zu bilden. Dabei kommt der Höhe der Fallpauschale und damit auch dem Verhandlungserfolg für die Finanzierung der Anlagenutzungs­

kosten (ANK) eine wesentliche Bedeu­tung zu. Im Allgemeinen liegt der Eigen­kapitalanteil als Basis für die Erneuerung der Spitalinfrastruktur zu tief. Weiter wird eine allfällige Verwendung des ANK­Anteils zur Deckung operativer Ver­luste nicht verhindert. Als Konsequenz können in der Zeit bis zur notwendigen Ersatzinvestition zu wenig Rücklagen gebildet werden. Dies ist insbesondere deshalb von Relevanz, da Finanzierungs­partner, d.h. Banken und andere institu­tionelle Investoren, auf eine gesunde Bilanz mit einem Eigenkapitalanteil von mindestens 30% achten.

Eine Analyse von Spitälern im Kanton Zürich zeigt eine EBIT­Marge von 0.7% bis 7.3% und Eigenkapitalquoten von 6% bis 43% für das Jahr 2012. Alle betrachteten Spitäler weisen ein positi­ves EBITDA aus und können somit Abschreibungen für zukünftige Investiti­onen bilden. Nach Abzug der Zinsver­bindlichkeiten auf das Fremdkapital kann

der übrig bleibende Betrag zur Stärkung der Eigenkapitalbasis genutzt werden. Trotz dieses relativ positiven Ergebnis­ses bleibt die Frage offen, ob die Gewinne sowie die Frist zur Äufnung der Mittel vor dem Hintergrund des bau­lichen Zustandes ausreichend sind.

Finanzierungskonditionen werden nebst der Bilanzstärke und der gene­rellen Tragbarkeit auch durch zusätzli­che Sicherheiten (Bürgschaften, Garantien, Landwerte), die Laufzeit des Kredites und den Amortisations­plan bestimmt. Je nach Ausgangslage kann sich ohne vorausschauende Pla­nung eine schwierige Pattsituation in Bezug auf die Erneuerung der Infra­struktur ergeben.

Planung und BauVor diesem Hintergrund ist eine itera­tive Finanzplanung auf Basis des Leis­tungsauftrages und des Geschäfts­modells notwendig. Ein langfristig

Seit der Einführung von Swiss DRG müssen Bau und Betrieb durch die Spitäler selbständig finanziert werden. Um dem zukünftigen Investitionsbe­darf gerecht zu werden, werden die Spitäler zusätzliches Eigenkapital bilden müssen. Dies zwingt zu einem effizienten Betrieb und kostenorientierten Planungs­ und Bauprozessen.

Klassischer Ansatz

Erneuerungsbedarf zur Erbringung des Leistungsauftrages

Definition Raumbedarf Planungskredit Architekturwettbewerb GU ­ / TU­Ausschreibung Investitionsantrag Staatliche Finanzierung

Die Zukunft

Geschäftsmodell > Definition Leistungsauftrag Businessplan / Finanzierungskonzept Planung = «Design to Cost» Betreibermodell Integrale Ausschreibung Eigen­ und / oder private Finanzierung

Fazit: Teilprojekt Finanzierung Konditionen (Höhe Verzinsung Eigenkapital / Fremdkapital) der Anlagen Sicherheiten (z.B. Eigenkapitalbasis, Garantien, Bürgschaften, Landwerte) Laufzeiten / Amortisation Tragbarkeit / Zinsdeckungsgrad

Spitalplanung = «Design to Cost»

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Februar 2014 / Healthcare Check-up Spitalimmobilien | 7

angelegter Businessplan und ein Finan­zierungskonzept zur Realisierung not­wendiger Infrastrukturanlagen bilden dabei die Basis und bestimmen das betrieblich maximal mögliche Investiti­onsvolumen. Dabei gilt der Grundsatz «Design to Cost», d.h., realisiert wer­den kann nur, was man sich aufgrund der Geschäftstätigkeit auch nachhaltig leisten kann. Bauliche Leistungen wer­den auf dieser Basis integral, d.h. mit einem funktionalen Leistungsbe­schrieb, Kosten­ und Terminvorgaben, ausgeschrieben, eingekauft und wäh­rend der Ausführung überwacht.

Im Rahmen einer solchen Submission können auch zusätzlich betriebliche In frastrukturleistungen im Facility Management integriert und / oder Finanzierungsofferten eingeholt wer­den. Der bisherige Ansatz eines Archi­tekturwettbewerbes ohne klare Kos­ten­ und Terminvorgaben lässt sich je nach Ausgangslage nicht finanzieren. Durch die frühzeitige Einbindung von Finanzierungsexperten lassen sich zudem schwerwiegende Planungs­fehler vermeiden.

Facility ManagementFacility­Management­Leistungen wer­den heute aufgrund ihrer zentralen Rolle im täglichen Ablauf praktisch aus­nahmslos durch die Spitalbetriebe selbst erbracht. Obwohl das Interesse von Drittanbietern an einem Marktein­tritt gross wäre, wurden bisher kaum entsprechende Ausschreibungen durchgeführt. Dabei besteht ein erheb­liches Potenzial, die Effizienz zu stei­gern und Synergien zu nutzen.

Exemplarisch ist dabei das Joint Ven­ture der Universitätskliniken der Charité in Berlin mit verschiedenen Facility­Management­Dienstleistern (FM AG). In den ersten 5 Jahren seit der Gründung der CFM Facility Management GmbH im Jahr 2006, welche sämtliche Leistungen von der Sterilisation bis zu den Waren­ und Logistikprozessen und dem IT­Support erbringt, konnten total rund 150 Millio­nen Euro eingespart werden1. Wie erfolgversprechend ein solches Kooperationsmodell ist, zeigt auch die seit einem Jahr bestehende «Labor Berlin – Charité Vivantes GmbH». Sie hat die beabsichtigte Effizienzsteige­rung übertroffen und die Kosten für Laborleistungen für Charité und Vivan­tes im Vorjahresvergleich bereits um 1 Million Euro gesenkt.

Idee: «Swiss Medical Excellence»–GesellschaftIn der Schweiz liessen sich durch ver­mehrte Zusammenarbeit und Koordi­nation von Supportprozessen ebenfalls wesentliche Effizienzsteigerungen erzielen. Dabei liegt der erste Schritt immer beim Auftraggeber, welcher alleine oder gemeinsam mit Partnerbe­trieben die Möglichkeit eines Joint Ventures aktiv prüft. Im Falle der Cha­rité wurde auf dieser Basis die CFM GmbH mit heute rund 2’700 Mitarbei­tern gegründet, wobei 51% der Anteile von der Charité gehalten werden. Auf diese Weise können die Mission und der Leistungsauftrag nachhaltig gesi­chert und umgesetzt werden. Alle FM­Leistungen werden als Auftrag formu­liert und periodisch ausgeschrieben,

so dass ein klarer Anreiz für den Auf­bau von Business Excellence besteht.

Ein analoges Modell könnte durch den Zusammenschluss ähnlicher Betriebe in einer Einkaufsgemeinschaft und einem Joint Venture von entsprechend spezialisierten FM­Dienstleistern ent­stehen. Eine solche «Swiss Medical Excellence»­Gesellschaft könnte im Spitalwesen wichtige Funktionen über­nehmen und entsprechendes Know­how bündeln. Die CFM GmbH hat zum Beispiel auch ein eigenes Team von Architekten und Ingenieuren für Infra­strukturaufgaben und koordiniert Auf­gaben in der Forschung und Lehre.

AusblickSwiss DRG führt zu neuen Herausfor­derungen im Bereich der Infrastruktur, welche es durch ein Umdenken in Bezug auf bisherige Planungs­ und Betriebsprozesse zu meistern gilt. In Bezug auf den Bau und den Betrieb gelten neu die folgenden Grundsätze: Jede Planung beginnt mit deren Finanzierung.

Gemeinsam lassen sich Synergie­potenziale realisieren.

Finanziert werden nachhaltige posi­tive Ergebnisse, nicht die bauliche Substanz.

51% des Kapitals 49% des Kapitals

HC-Verband

Swiss Medical Excellence AG

Ein Modell für die Schweiz?

Joint Venture

Spital X Spital Y Spital Z FM AG A FM AG B FM AG C

1 www.cfm­charite.de

Ulrich PrienPartner, Head Real EstateKPMG AG Zürich T: +41 58 249 62 72E: [email protected]

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Healthcare Check-up / Februar 20148 | Spitalimmobilien

Bewertung von Spitalimmobilien

REKOLE® / VKLDie Bewertung von Spitalimmobilien wird über REKOLE® und VKL geregelt. Die Bewertungen erfolgen aus­schliesslich auf der Basis der Kosten (REKOLE®: Gebäudeversicherungs­wert / VKL: Anschaffungskosten). Die so ermittelten Werte widerspiegeln jedoch nicht in jedem Fall den Markt­wert der Immobilie. Diese Thematik ist dann aktuell, wenn zum Beispiel für einen Um­ oder Neubau eine Finanzie­

rung gesucht werden muss. Finanzins­titute verlangen in solchen Fällen eine Marktwertbeurteilung auf der Basis der Ertragskraft des Spitalbetriebes und nicht eine Bewertung in Anleh­nung an die Baukosten.

MarktansatzDie Bewertung eines Spitals nach einer ertragsorientierten Bewertungs­methode (Ertrags­, Bar­ oder DCF­Wert1) unterscheidet sich nicht

wesentlich von der Bewertung einer Wohn­ oder Geschäftsimmobilie. Die grösste Herausforderung ergibt sich in der Bemessung oder Einschätzung des Ertrages, der operativen Kosten und des resultierenden Cashflows. Wäh­rend sich bei einer Wohn­ oder Geschäftsimmobilie der Ertrag aus der Drittvermietung ergibt, werden Spitä­ler meist eigen genutzt und es fliessen keine Mieterträge. Somit stellt sich für den Bewertungsexperten die Aufgabe, die massgebenden Marktmieten zu schätzen, welche bei einer (theoreti­schen) Vermietung der Flächen durch eine Immobiliengesellschaft an den Nutzer verlangt werden könnten. Aber genau dies stellt die grosse Herausfor­derung dar. Vergleichsmieten für Büros, Lager, Personalzimmer oder Restaurants sind meist bekannt, nicht jedoch für spitalspezifische Nutzflä­chen wie Operationssäle und Patien­tenzimmer. Hier fehlen, als Folge der fast ausschliesslichen Eigennutzun­gen, entsprechende Vergleichsmieten. Aufgrund dieser Tatsache hat der Marktansatz – zumindest vorläufig noch – ebenfalls seine Grenzen.

KostenansatzFür die Herleitung einer tragbaren Marktmiete werden Kostenmieten genommen, welche mit Vorteil nach Nutzer oder Hauptnutzung (z.B. Lager, Nebennutzflächen, Empfang, Büro, Restaurant, Behandlungs­räume, Patientenzimmer, Operations­räume, IPS, Radiologie etc.) separat veranschlagt werden. Die eigentliche Herausforderung stellt sich in der

Wie die Anlagekosten bewertet werden müssen, bestimmen REKOLE® und VKL. Diese Bilanzwerte können jedoch nicht für eine Finanzierung verwen­det werden, da Finanzinstitute eine marktorientierte Bewertung verlangen, welche auf dem Ertrag und nicht auf den Anlagekosten basiert. Im Hinblick auf den enormen Investitionsbedarf der Spitäler von rund 20 Milliarden Fran­ken werden Marktwertbeurteilungen in Zukunft einen immer wichtigeren Stellenwert einnehmen.

1 Discountet­Cashflow­Wert

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Kostenberechnung, weil meist nur die Gesamtbaukosten, nicht jedoch die Kosten pro Nutzung bekannt sind. Im Weiteren gilt es, zwischen Mieter­ und Eigentümerausbauten zu unter­scheiden, denn nur die vom Eigentü­mer finanzierten Baukosten sind in der Kostenmiete zu berücksichtigen. Eine ebenfalls nicht einfache Aufgabe, denn aufgrund der Eigennutzung fehlt diese Unterscheidung oft. Hier spie­len Erfahrungswerte eine entschei­dende Rolle.

In einem ersten Schritt werden die Baukosten pro Nutzer oder Hauptnut­zung ermittelt. Diese Baukosten soll­ten sich an die effektiven Gebäude­neubaukosten anlehnen. Von diesen Neubaukosten wird eine Amortisation als Basis für die Kostenmiete berech­net. Also derjenige Betrag, der jährlich wiederkehrend zurückgelegt werden müsste, um die entsprechenden Bau­kosten in der jeweiligen Amortisati­onszeit zu finanzieren. Für die Berech­nung der Kostenmiete müssen zwei Annahmen getroffen werden: Lebens­dauer (Amortisationszeit) und Zins­satz. Hier besteht die Möglichkeit, dass die Abschreibungsdauer und die Verwendung des Zinssatzes in Anleh­nung an REKOLE® vorgenommen werden, d.h., dass die Baukosten im Verhältnis 65% (Anlagekategorie A1­An mit einer Abschreibungsdauer von 33 1/3 Jahren) zu 35% (Anlageka­tegorie C1 mit einer Abschreibungs­dauer von 20 Jahren) aufgeteilt sowie jeweils mit einer Verzinsung von 3.7% kalkuliert werden.

Der Nachteil dieser Berechnung ist jedoch, dass die Kostenmieten in der Regel höher ausfallen, als wenn die Abschreibung auf mehr als nur zwei Baukostenpositionen mit entspre­chend unterschiedlichen Lebensdau­ern und einem marktorientierten Zins­satz berechnet werden.

Wenn die Kostenmiete bestimmt ist, darf die Finanzierung bzw. die Verzin­sung des Landwertes nicht vergessen werden. Die Verzinsung des Landwer­tes geschieht ebenfalls mit Vorteil in Anlehnung an VKL mit 3.7%.

Die nächste Herausforderung stellt sich in der Bestimmung des massge­benden Landwertes. Oft ist dieser nicht bekannt oder der bilanzierte Landwert widerspiegelt nicht jenen Wert, welcher im Markt erzielt werden könnte. In diesem Fall muss dieser auf der Basis von Vergleichswerten bestimmt werden, welche bei Parzel­len in der öffentlichen Bauzone oft nicht vorliegen. Alternativ kann der Landwert mit Hilfe einer Rückwärts­rechnung aus den Gebäudeneubaukos­ten (Marktwert minus Gebäudeneu­baukosten = Landwert) hergeleitet werden.

TragbarkeitEine Kostenmiete hat den grossen Vorteil, dass die effektiven Baukosten als Basis genommen und somit finan­ziert werden. Weil sich die Kosten­miete direkt an die Baukosten anlehnt, ergeben hohe Baukosten eine entsprechend hohe Kosten­

miete. Es fehlt somit eine marktorien­tierte Betrachtung.

Die auf die beschriebene Weise kalku­lierte Kostenmiete muss darum in jedem Fall ins Verhältnis zum Ertrag gesetzt werden, so dass deren Trag­barkeit geprüft werden kann. Dies kann mit Hilfe einer vereinfachten Kontroll­rechnung erfolgen, indem die Kosten­miete ins Verhältnis zum Umsatz oder Gewinn gesetzt wird. Die Kostenmiete muss jedoch in jedem Fall nachhaltig durch den Cashflow gedeckt sein.

ZukunftViele Spitäler stehen vor wichtigen Investitionsentscheidungen. Eine Markt­wertbeurteilung wird in Zukunft daher einen immer höheren Stellenwert ein­nehmen und ist eine wichtige Grundlage für die Gespräche mit den Finanzierungs­partnern. Nebst reinen Finanzierungsfra­gen können auf Basis einer Mietwertbe­stimmung auch strukturelle Fragen (Immobiliengesellschaft / Betriebsgesell­schaft mit Eigenmietmodellen) mit dem Ziel einer erhöhten Führungseffizienz geklärt werden. VKL und REKOLE® basieren im Falle eines Mietverhältnis­ses auf der verrechneten Miete als Grundlage für die Herleitung der Anlage­nutzungskosten (VKL Art. 8, Abs. 2).

Beat OchsnerSenior ManagerHead Valuation Real EstateKPMG AG Zürich T: +41 58 249 29 40E: [email protected]

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Healthcare Check-up / Februar 201410 | Vernetzte Zukunft

Sicher in die vernetzte Zukunft – Bedeutung einer effektiven IT-Strategie

Heutige Vernetzung mit geringem NutzenWir kennen heute eine Vielzahl unter­schiedlicher Vernetzungsformen, die uns das Leben erleichtern sollen. Mit eHealth wird eine vollständige Integra­tion aller Beteiligten – vom Lieferanten über die Ärzte und den Versicherer bis zum Konsumenten – in die internen Pro­zesse angestrebt. So existieren bereits heute Spitalverbunde, Kooperationen mit vor­ und nachgelagerten Leistungs­erbringern, Zuweiser­ und Patientenpor­tale, Einkaufsgemeinschaften und Online­Plattformen zur Kommunikation zwischen Arzt und Patient.

In Zukunft werden alle Beteiligten im Gesundheitswesen miteinander ver­netzt sein. Es entstehen dadurch unge­ahnte Chancen für künftige Unterneh­mensmodelle und Prozesse. Diese Vernetzungsformen scheinen auf den ersten Blick mehrheitlich Vorteile zu bieten (Mehrwert für Kunden, Firmen und Mitarbeiter). Der Nutzen, vor allem im Bereich der Geschäftsprozesse, hält sich aufgrund fehlender Integration von Prozessschritten heute noch stark in Grenzen. Eine solche Vernetzung birgt jedoch auch erhebliche Risiken. So wird vielerorts die Informationssicher­heit vernachlässigt, unerkannte Daten­lecks und «Backdoors» werden nicht erkannt. Aktuelle Studien zeigen, dass jeder dritte Schweizer ernsthaft besorgt ist, dass seine Daten in fremde Hände gelangen. Ebenso stellen nicht geklärte Fragen der Zusammenarbeit, wie beispielsweise hinsichtlich des Datenschutzes, und die zunehmende Komplexität der IT­Infrastrukturen Herausforderungen dar, die künftig gemeistert werden müssen.

Die grösste Herausforderung ist und bleibt jedoch die Integration und Ver­netzung der Geschäftsprozesse.

Reduktion von Kommunikationsfeh-lern als prioritäre HerausforderungDie aktuellen Anforderungen an Ärzte, Spitäler, Kostenträger und Patienten liegen in den Bereichen der Reduktion von Kommunikationsfehlern auf allen Stufen, der schnelleren Informations­weitergabe intern und extern, der Ver­einfachung der Administration und im Zugriff auf aktuelle Daten. So ist es nicht weiter erstaunlich, wenn die gesellschaftlichen Veränderungen auch einen erheblichen Einfluss auf die bestehende Vernetzung haben wer­den.

Technologische Entwicklung: Vision oder schon Realität?Der technologische Wandel in den letz­ten Jahren wird einem erst verdeut­licht, wenn man auf ältere Bilder von Spitälern schaut. Auf allen Ebenen haben inzwischen technische Mittel Einzug gehalten und vereinfachen die täglichen Arbeitsabläufe.

Futuristisch anmutende Neuerungen wie dreidimensionale Drucker oder interaktive Linsen lassen nur erahnen, welche technischen Möglichkeiten in Zukunft auf uns zukommen und wel­che Auswirkungen diese auf die Arbeitsprozesse haben werden.

Permanente Auseinandersetzung zwischen technischen Möglich-keiten und SicherheitsbedenkenBriefe und Faxe verlieren täglich an Bedeutung, und Social­Media­Kom­ponenten sind allgegenwärtig. Nicht

selten werden Informationen aus Social­Media­Anwendungen auf dem Markt angeboten und verkauft. Bereits ein Siebtel der Weltbevölke­rung ist in einem oder mehreren sozi­alen Netzwerken aktiv und es ist eine rasante Zunahme von Apps auch im Gesundheitswesen zu verzeichnen. Einige der heutigen Patienten­ und Zuweiserportale sind bereits mit Facebook verbunden.

In gewissen Ländern, wie den USA und Brasilien, werden Gesundheits­tipps so bereits regelmässig ausge­tauscht und dadurch auch persönliche Informationen preisgegeben. Der Ver­zicht auf Privatsphäre wird dabei aber bewusst in Kauf genommen.

In Brasilien ist sogar ein klarer Kultur­wandel im Umgang mit mobilen Lösun­gen erkennbar: Die persönliche Gesundheitssituation wird regelmässig gemessen, um Diagnoseinformationen zu erhalten. Aktuell wird sogar daran gearbeitet, dass die persönlichen Daten an eine Gesundheitsplattform übermittelt werden und im Gegenzug Energiemodelle, Schlafhinweise und Ernährungstipps zurückgemeldet wer­den. Bei Abweichungen wird ein sofor­tiger Alarm an den Träger des Geräts transferiert (Health Living). Eine Ver­schmelzung mit eHealth ist nur eine Frage der Zeit, was zur totalen Vernet­zung von Spital, Praxis und Patient füh­ren wird.

Cyberkriminalität und die Rolle staatlicher InstitutionenAufgeschreckt durch die aktuellen Machenschaften, die Snowden­Affäre sowie die intransparente Rolle von

Wo führen Facebook, Apps und mobile Geräte in Zukunft hin? Wird das Gesundheitswesen ebenso wie andere Branchen der totalen Vernetzung aus­geliefert sein, und werden Datenschutz und Informationssicherheit überhaupt noch gewährleistet werden können? Welchen Einfluss haben die aktuellen Trends auf Ihre Geschäftsprozesse und letztendlich auf die IT­Strategie?

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Februar 2014 / Healthcare Check-up Vernetzte Zukunft | 11

Geheim­ und Nachrichtendiensten werden sowohl Private als auch Unter­nehmen stark verunsichert und manch einer fragt sich, wie sicher seine per­sönlichen Daten, vor allem auch im Gesundheitsbereich, sind.

Mit der zunehmenden Angreifbarkeit von Infrastrukturen und IT­Lösungen steigt aber auch die Sensibilität der Menschen und nicht jedermann ist bereit, seine persönlichsten Daten preiszugeben.

Die totale Vernetzung als Konsequenz der EvolutionDurch die immer grösser werdende Vernetzung werden sich im Gesund­heitswesen die Landesgrenzen öff­nen. In Grossbritannien führen die starke Verschmelzung von mobilen Lösungen mit Social­Media­Kompo­nenten und der rasant wachsende Markt bereits heute zum starken Vor­marsch von Telehealth (remote Dia­gnose, remote Intervention).

Im amerikanischen Gesundheitsmarkt sind hingegen vollintegrierte modulare Applikationslösungen aus einer Hand, hochautomatisierte Schnittstellen und

papierlose Prozesse auf dem Vor­marsch.

Big Data: Umgang mit riesigen DatenmengenDie exponentielle Zunahme der Daten in verschiedenen Formen (Bilder, Berichte, Forschungsergebnisse, Untersuchungen) sowie die vielfältigen Informationen aus allen möglichen Sys­temen stellen uns vor bisher unbe­kannte Herausforderungen.

Zukunftsforscher prophezeien, dass in Zukunft die Daten die heutige Rolle des Öls als umkämpftes Gut übernehmen werden. Gerade im Healthcare­Bereich werden gewaltige Daten­ und Bildmen­gen verarbeitet, um den Hunger des globalen Gesundheits­Netzwerks zu stillen. Ein professionelles Datenmana­gement ist daher unerlässlich.

Nachhaltiger Unternehmenserfolg durch aktuelle IT-Strategien Auch wenn die treibenden Kräfte des Internets und der Vernetzung von der Informatik­ / Technologie­Ebene aus kommen, müssen in einem ersten Schritt die neuen Geschäftsmodelle auf der Führungsebene in einer

Geschäftsstrategie verankert werden. Dies bedingt ein radikales Umdenken und das Definieren neuer Angebote, Märkte und Produkte. Das Unterneh­men rüstet sich damit für die künftigen Trends und Veränderungen. Sämtliche Prozesse im Gesundheitswesen wer­den sich vermehrt auf den Patienten als Kunden sowie auf die neuen Tech­nologien ausrichten. Vollständig IT­unterstützte Geschäftsprozesse wer­den entstehen und die traditionellen Abläufe der Medizin beeinflussen. Für den wirtschaftlichen Erfolg des Gesundheitswesens ist der effiziente Einsatz der eigenen Ressourcen von zentraler Bedeutung. Entsprechend sind IT­Investitionen und die Organisa­tion an einer dem Bedarf angepassten IT­Strategie auszurichten.

FazitDie gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen zeigen deutlich, dass eine auf die Zukunft ausgerichtete IT einen unerlässlichen Faktor darstellt, um unser Gesundheitswesen effektiver, effizienter, transparenter und nachhaltig zu gestalten, Ausgaben zu optimieren und die Bedürfnisse der Patienten in den Mittelpunkt zu stellen.

Philip FerberSenior ManagerCIO AdvisoryKPMG AG ZürichT: +41 58 249 41 96E: [email protected]

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Healthcare Check-up / Februar 201412 | Leistungsangebot

Leistungsangebot: Von der Strategie zur Abbildung im Reporting

Was sind die zentralen Herausforderungen?Der Businessplan hat sich als zentrales Element sowohl zur Spitalfinanzierung als auch zur Langfristplanung im Unter­nehmen etabliert. Banken legen bei der Kreditvergabe Wert auf eine starke Eigenkapitalbasis und eine realitätsnahe Bewertung des künftigen Geschäfts­ganges. Als Mindestanforderung for­dern Banken deshalb eine solide Strate­gie und einen Businessplan über mehrere Jahre, der verschiedene Szena­rien aufzeigt.

In der Gesundheitsbranche herrscht Optimismus. Es wird Wachstum prog­nostiziert und alle Spitäler wollen daran

Das Gesundheitswesen ist für Banken Neuland. Zur eigenen Absicherung und zur Finanzierung von Spitalbauten ist daher ein solider Businessplan gefragt. Doch welche Bestandteile muss dieser enthalten und wer ist an diesem Strategiepapier beteiligt? Wer das betriebswirtschaftliche Verständnis und das Commitment zum eigenen Unternehmen fördern will, muss die Leistungser­bringer in den Strategieprozess einbinden. Für die fachspezifische Leistungsent­wicklung braucht es valide eigene Zahlen und Kenntnisse des Marktumfeldes.

1 Average Length of Stay (mittlere Aufenthaltsdauer)2 Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats (Stärken, Schwächen, Chancen, Risiken)

Stärken Versierte, initiative Ärzteschaft Effiziente Prozessabläufe im OP Hoher Anteil zusatzversicherter Patienten

Schwächen Wenige externe Zuweiser Zahlreiche Abstimmungsprobleme im medizintechnisch­pflegerischen Bereich

Zu viele Lieferanten als Folge der Ein­kaufspolitik, im Benchmark zu teure Implantate

Chancen Hohes Bevölkerungswachstum im Einzugsgebiet

Zunehmender Bedarf an Revisions­eingriffen

Neue Kooperationsmöglichkeiten mit Reha XY

Zusätzliche Gewinnung von Belegärzten

Risiken Mitbewerber baut neue Infrastruktur

Aktive Abwerbung von Ärzten Mangelndes Anreizsystem für Ärzte (hohe Abgaben im Zusatzversicherungsbereich)

Beispiel einer SWOT-Analyse

IST 2012 PLAN 2013 PLAN 2014 PLAN 2015 PLAN 2016 PLAN 2015Anzahl Fälle 805.00 835.00 855.00 885.00 905.00 925.00CMI 1.03 1.03 1.03 1.03 1.03 1.03CM 829.15 860.05 880.65 911.55 932.15 952.75Baserate 9’460.00 9’460.00 9’460.00 9’460.00 9’460.00 9’460.00Erlös -7’843’759.00 -8’136’073.00 -8’330’949.00 -8’623’263.00 -8’818’139.00 -9’013’015

EK Implantate 1’168’860.00 1’212’420.00 1’241’460.00 1’285’020.00 1’314’060.00 1’343’100.00EK Medikamente 400’890.00 415’830.00 425’790.00 440’730.00 450’690.00 460’650.00EK Material 314’755.00 326’485.00 334’305.00 346’035.00 353’855.00 361’675.00EM med. Fremdleistungen 762’335.00 790’745.00 809’685.00 838’095.00 857’035.00 875’975.00DB I -5’196’919.00 -5’390’593.00 -5’519’709.00 -5’713’383.00 -5’842’499.00 -5’971’615.00./. Verrechnungen LE KST 1’804’810.00 1’872’070.00 1’916’910.00 1’984’170.00 2’029’010.00 2’073’850.00DB II -3’392’109.00 -3’518’523.00 -3’602’799.00 -3’729’213.00 -3’813’489.00 -3’897’765.00./. Umlagen DL KST 624’680.00 647’960.00 663’480.00 686’760.00 702’280.00 717’800.00DB III -2’767’429.00 2’870’563.00 -2’939’319 -3’042’453.00 -3’111’209.00 -3’179’965.00./. ANK Anlagenutzung 2’537’360.00 2’631’920.00 2’694’960.00 2’789’520.00 2’852’560.00 2’915’600.00Ergebnis -230’069.00 -238’643.00 -244’359.00 -252’933.00 -258’649.00 -264’365.00

Beispiel: Plan-DeckungsbeitragsrechnungCube: HCC_TIP.KTR_MCO aufbereitet am: 10.03.2011

teilhaben. Oftmals fehlen aber Antwor­ten auf die Frage, in welchen Fachberei­chen das Unternehmen Wachstum anstreben will. Um diese Frage beant­worten zu können, ist es unumgänglich, die Fachbereichsverantwortlichen in den Strategiebildungsprozess einzubin­den. Ein Businessplan stiftet dann Mehrwert, wenn er Aussagen über die zukünftige Entwicklung der medizini­schen Fachgebiete zulässt.

Welche Datenanalysen sind für einen Businessplan hilfreich?Grundlage für jeden Businessplan sind valide Daten. Das Controlling unterstützt dabei die Fachbereichsverantwortlichen mit der Bereitstellung der notwendigen

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Februar 2014 / Healthcare Check-up Leistungsangebot | 13

und Risiken sind vertrauensfördernd für Entscheider und Finanzierer.

Ein fachspezifischer Businessplan umfasst im Kern die gleichen Themen wie ein bereichsübergreifender Busi­nessplan. Es ist aber darauf zu achten, dass sämtliche Aspekte auf den medizi­nischen Fachbereich Bezug nehmen. Untenstehend eine Auflistung der wich­tigsten Inhalte eines Businessplans am Beispiel der Orthopädie: Management Summary Ausgangslage Gesundheitsmarkt Orthopädie – Demografische Entwicklung, Hospitalisationsrate, Bedarf (Basis Spitalplanung und eigene Beobach­tungen)

Mitbewerber – Marktanteile, Strate­gien, Spezialisierungen

Eigenes Leistungsangebot Orthopädie heute – Eigene Daten (Fälle, Marktanteile, DRGs, CM, CMI, ALOS, Fallkosten, Inlier / Outlier, Spezialitäten, VVG­Anteil etc.), Kooperationen, Spezialisierungen

SWOT­Analyse Strategie – z.B. Aufbau Osteoporose­Zentrum, Kooperation / Vernetzung mit Rehabilitationskliniken, Zuweiser­strategie

Investitionen Ressourcen – Personalbedarf, OP­Kapazitäten

Ergebnisberechnungen – Szenarien Meilensteine

Die Ergebnisberechnungen in Form verschiedener Szenarien (z.B. Real Case, Best Case und Worst Case Sze­nario) kann beispielsweise in Form einer Plan­Deckungsbeitragsrechnung über mehrere Jahre dargestellt werden (vgl. Abbildung unten).

Damit der Businessplan nicht zum Papiertiger wird, ist die Plan­Deckungsbeitragsrechnung als Instru­ment für das strategische und opera­tive Controlling zu verwenden. Die Plan­Deckungsbeitragsrechnung schafft die nötige Grundlage für die Ergebnisanalyse in einem bestimm­ten Fachbereich. Mit Hilfe eines jährli­chen Soll­Ist­Vergleich können Ergebnisabweichungen analysiert und daraus Massnahmen abgeleitet werden.

Welcher Nutzen ergibt sich daraus?Es ist keine Frage, das Gesundheits­wesen ist ein Wachstumsmarkt mit Chancen und Risiken. Damit ein in die­sem Markt operierendes Unternehmen von diesem Wachstum profitieren kann, ist eine gezielte und fachspezifi­sche Auseinandersetzung mit der eige­nen Organisation und mit dem Markt unumgänglich. Die SWOT­Analyse bie­tet hier einen strukturierten Ansatz. Voraussetzung für die Durchführung einer SWOT­Analyse ist die rasche Ver­fügbarkeit von Daten in der gewünsch­ten Qualität.

Der Einbezug der Leistungserbringer, d.h. des medizinischen Personals, erhöht das betriebswirtschaftliche Ver­ständnis und das Commitment der Beteiligten. Nur so können fundierte Aussagen auf Fachbereichsebene gemacht und Entscheidungsgrundla­gen geschaffen werden, die es erlau­ben, den Erfolg in einem bestimmten Fachbereich zu messen.

IST 2015 PLAN 2015 Abweichung % Abweichung absAnzahl Fälle 903.00 885.00 2.03 18.00CMI 1.03 1.03 1.03 1.03CM 930.09 911.55 2.09 18.54Baserate 9’460.00 9’460.00 9’460.00 9’460.00Erlös -8’798651.00 -8’623263.00 2.03 175’388.00

EK Implantate 1’195’376.00 1’285’020.00 ­6.98 89’644EK Medikamente 465’083.00 44’730.00 5.53 ­24’353EK Material 313’830.00 346’035.00 ­9.31 32’205.00EM med. Fremdleistungen 849’354.00 838’095.00 1.34 ­11’259.00DB I -5’975’008.00 -5’713’383.00 4.58 261’625.00./. Verrechnungen LE KST 2’035’093.00 1’984’170.00 2.57 ­50’923DB II -3’939’915.00 -3’729’213.00 5.65 210’702.00./. Umlagen DL KST 693’038.00 686’760.00 0.91 ­6’278.00DB III -3’246’877 -3’042’453.00 6.72 204’424.00./. ANK Anlagenutzung 2’854’703.00 2’789’520.00 2.34 ­65’183.00Ergebnis -392’174.00 -252’933.00 55.05 139’241.00

Beispiel: Kostenträger inkl. Vorschau DRG 13OZ / Fachgebiet OrthopädieCube: HCC_TIP.KTR_MCO aufbereitet am: 10.03.2011

André ZempLeiter Advisory Healthcare KPMG AG Zürich T: +41 58 249 28 98E: [email protected]

Daten. Der erste Schritt kann in der Durchführung einer Portfolio­Analyse in den relevanten Fachgebieten, z.B. Orthopädie, bestehen. Die Portfolio­ Analyse zeigt die fallzahlmässig wich­tigsten DRGs, die in einem bestimmten Betrachtungszeitraum im Spital behan­delt wurden. Die Analyse der Herkunft der Patienten lässt Rückschlüsse über das Einzugsgebiet des Spitals und die Bedeutung des Spitals für die Region zu. Diese Daten werden auch zum gezielten Zuweisermanagement herangezogen. Aus der Auswertung von Inlier und Out­lier sowie der ALOS1 ­Analyse können Rückschlüsse auf die Prozesseffizienz gezogen werden. Das OP­Controlling unterstützt diese Analyse zusätzlich, z.B. mit Auswertungen der Schnitt­Naht­Zeit.

Die beispielhaft aufgelisteten Bestand­teile der Datenanalyse auf Fachgebiets­ebene bilden die Basis für die Durch­führung einer SWOT2 ­Analyse (vgl. Abbildung links). Die SWOT­Analyse ist integraler Bestandteil eines Business­plans, weil sie aus der gezielten Ausei­nandersetzung mit dem eigenen Unter­nehmen und den aktuellen Ent wick­lungen im Markt hervorgeht. Die SWOT­Analyse soll keine Pauschalaus­sagen enthalten, sondern fundierte Inhalte, die sich aus der Datenanalyse ableiten und mit Zahlenmaterial unter­mauern lassen. Die kritische Auseinan­dersetzung sowohl mit seinen Stärken und Schwächen als auch den Chancen

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Healthcare Check-up / Februar 201414 | Erfahrungen aus Deutschland

Der E-Patient: Was kommt da auf das Gesundheitswesen zu?

Die Arzt-Patienten-Kommunikation wird immer wichtiger. Das Informationsverhalten der Patientinnen und Patienten ändert sich rasant. Schon jetzt ist bei Perso­nen der Altersgruppe 18 bis 39 Jahre das Internet die zweithäufigste Informationsquelle. Begriffe wie «E­Patient» oder «Patient 2.0» machen die Runde.2 Allerdings: Auch der geschulte Blick ins Internet kann ein fundiertes Medizinstudium und die lange medizinische Praxis des Arztes nicht ersetzen.

Der E­Patient tritt Ärzten und Kranken­häusern deutlich anders gegenüber als ein schlecht oder gar nicht informierter Patient. Die Frage ist daher nicht, ob ein solcher Patient wirklich ausrei­chend und richtig informiert ist. Entscheidend ist vielmehr, wie der Arzt beziehungsweise das Personal der Gesundheitseinrichtung mit diesem Patienten umgeht. Anstatt das (Halb­)Wissen des Patienten zu ignorieren und ihm damit zu verstehen zu geben, dass sein Wissen nicht wert sei, vom Arzt überhaupt berücksichtigt zu werden, scheint es zielführender, den Patienten dabei zu unterstützen, sich in der Vielfältigkeit der Onlineinformatio­nen unterschiedlicher Qualität zurecht­zufinden.

Die ärztliche Ausbildung beschäftigt sich bis heute zu wenig mit Kommuni­

kation. Nur allmählich wird in Lehre und Praxis akzeptiert, dass Kommuni­kation ein wesentlicher Bestandteil der ärztlichen Qualifikation ist, ja in Zukunft sogar ein entscheidender Erfolgsfaktor sein wird. Immerhin: Die Approbationsordnung erhebt die ärztliche Gesprächs führung erstmals im Jahr 2012 zum Gegenstand der ärztlichen Ausbildung.

Zunehmend wichtiger wird es, mit dem Patienten dauerhaft zu kommuni­zieren. Daher empfiehlt es sich in vielen Fällen, auch nach der Entlas­sung aus dem Krankenhaus die Beziehung zum Patienten aufrechtzu­erhalten. Eine solche ganzheitliche Kommunikation muss natürlich im Vergütungssystem der niedergelasse­nen Ärzte und Krankenhäuser eine adäquate Berücksichtigung finden. Dies ist derzeit nicht der Fall: Im ambulanten Bereich wird das Patien­tengespräch verhältnismässig gering vergütet und im stationären Bereich erfolgt bislang gar keine separate Vergütung.

Der E-Patient kennt seine Rechte und setzt sie durch Der E­Patient wird seine Rechte kennen und konsequent durchsetzen. Dafür sorgen allein schon die zahlreich vorhandenen und nach Betätigung suchenden Fachanwälte für Medizin­recht.

Derzeit wird in Deutschland erstmalig ein zusammenhängendes Patienten­recht geschaffen. Dieses hinkt zwar noch immer den allgemeinen Erwar­tungen hinterher. Aber ein Anfang ist gemacht. Sowohl für niedergelassene als auch Krankenhausärzte wird es immer wichtiger, rechtssicher zu behandeln. Für sie wird es beispiels­weise zunehmend erforderlich, Behandlungsabläufe so zu dokumen­tieren, dass im Fall von Schadenersatz­klagen ein lückenloser Nachweis vorhanden ist. Die meisten Arztprozes­se scheitern vor Gericht aufgrund unzureichender Dokumentationen.

Ebenfalls essenziell: Im Fall einer Fehlbehandlung sollten der Arzt und das Krankenhaus die richtige Form der Kommunikation zum betroffenen Patienten finden. So kann zum einen unter Umständen auf dem Vergleichs­wege einem langwierigen und teuren Gerichtsverfahren vorgebeugt werden und zum anderen ein potenzieller Reputationsverlust vermieden werden.

Wie schnell kommt der E-Patient? Durch das Internet und andere moderne Medien gibt es für die meisten Men­schen die Möglichkeit, preiswert und schnell mehr und bessere Informatio­nen zu bekommen. Hierdurch ergibt sich ein rasanter Schub hin zum mündi­gen Patienten. Gleichzeitig gibt es aber auch viele hemmende Faktoren.

Eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient kann wesentlich zum Behandlungserfolg beitragen. In der Alltagspraxis bestehen hier allerdings noch erhebliche Defizite. So erachteten in einer Studie der Akademie für Tech­nikfolgenabschätzung in Baden­Württemberg aus dem Jahr 2001 beispiels­weise 93 Prozent der befragten Patientinnen und Patienten eine umfassende und verständliche Information seitens des Arztes als sehr wichtig. Gleichzeitig entsprachen ihrer Einschätzung nach jedoch nur knapp 30 Prozent der Ärzte adäquat diesem Wunsch.1

1 Winand Gellner, Michael Schmöller (Hg.), Neue Patienten – Neue Ärzte?, Nomos Verlagsgesellschaft 20082 Gesundheitsberichterstattung – GBE kompakt, April 2011

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Februar 2014 / Healthcare Check-up Erfahrungen aus Deutschland | 15

Prof. Dr. Volker PenterLeiter Healthcare DeutschlandKPMG AG, Berlin T: +49 30 2068­4740E: [email protected]

nehmen kann. Der Prozess könnte allerdings auch kurzfristig durch bestimmte Faktoren beschleunigt werden. Beispiele sind:

Beschleunigende Faktoren 1. Ein oder mehrere grosse Gesund­

heitsdienstleister (zum Beispiel grosse flächendeckend agierende Krankenhausketten, Krankenversi­cherungen) erkennen den E­Patien­ten als einen Wettbewerbsvorteil und informieren ihre Patienten besonders gut. Andere Patienten könnten dann auch so gut informiert sein wollen.

2. Es entwickelt sich eine einheitliche Informationsplattform auf der Grundlage einer privaten Idee und Initiative – so eine Art Facebook für das Gesundheitswesen.

3. Ausländische Investoren erkennen die Chancen einer neuen Kommuni­kationskultur im deutschen Gesund­heitswesen und bringen innovative Ideen nach Deutschland.

4. Die Politik erkennt das Thema in seiner wahren Bedeutung und greift regulierend ein.

Die Zukunft des mündigen Patienten hat begonnen. Dies sollten wir alle erkennen. Im Vorteil sind diejenigen, die heute bereits danach handeln.

Hemmende Faktoren 1. Nach wie vor sind die Akteure des

deutschen Gesundheitswesens zu wenig von sich aus an einem mündigen Patienten interessiert. Man reagiert, propagiert, aber kaum einer treibt den Prozess des mündigen Patienten konsequent voran.

2. Vor allem ältere Patientinnen und Patienten werden sich mit den modernen Medien nicht in vollem Umfang auseinandersetzen. Für viele von ihnen sind Ärzte noch immer die «Halbgötter in Weiss».

3. Viele Patienten beschäftigen sich nicht wirklich aktiv mit ihrer Gesund­heit, sondern folgen – wenn über­haupt – den Anweisungen der Ärzte. Patienten sind häufig nicht bereit, wirklich Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen.

4. Und nicht zu vergessen: Es gibt Krankheiten, die Menschen so weit beeinträchtigen, dass sie – wenn von der Krankheit betroffen – nur noch eine eingeschränkte oder gar keine aktive Rolle einnehmen können.

Daher wird man davon ausgehen können, dass es den E­Patienten zwar zunehmend geben wird, dies aber auch einen längeren Zeitraum in Anspruch

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Healthcare Check-up / Februar 201416 | OECD-Gesundheitsbericht

Gesundheit auf einen Blick – die Schweiz im OECD-Gesundheitsbericht 2013

Abnahme der Anzahl Betten Die Anzahl Spitalbetten pro 1‘000 Ein­wohner hat sich im OECD­Durch­schnitt seit dem Jahr 2000 von 5.6 auf 5.0 reduziert. Als Ursache für diese Entwicklung wird der medizinische Fortschritt gesehen, der es möglich macht, mehr Menschen ambulant statt stationär zu behandeln. Etwa 70% der Betten in den OECD­Ländern sind Akut spitalbetten.

Die Schweiz liegt mit etwas weniger als 5 Spitalbetten pro 1‘000 Einwohner ähnlich wie die Niederlande im Mittel­feld. Während sich dort die Anzahl Bet­ten zwischen 2000 und 2011 kaum verändert hat, wurde die Anzahl Spital­betten in der Schweiz um 2 Betten pro 1’000 Einwohner reduziert. Unser Nachbarland Deutschland hingegen, dessen Gesundheitssystem seit Ein­führung der DRGs verstärkt mit dem­jenigen der Schweiz verglichen wird,

liegt 2011 mit 9 (statt 8 im Jahr 2000) Betten deutlich über dem Durchschnitt.

Reduktion der mittleren Aufent-haltsdauer im Spital In einigen Ländern hat sich auch die ALOS1 reduziert. Im Durchschnitt liegt diese nicht mehr bei 9.2 Tagen, sondern gemäss den Zahlen von 2011 bei 8 Tagen. Nicht nur die Schweiz, sondern auch Japan und Grossbritannien zählten lange zu den Ländern mit vergleichsweise langen Aufenthaltsdauern im Spital. Auch 2011 lag die ALOS aller Fälle in Schweizer Spitälern mit ca. 9 Tagen am oberen Ende der Skala. Interes­sant ist zudem eine differenziertere Betrachtung: Bei Geburten liegt die Schweiz 0.9 Tage über, bei Myokard­infarkten hingegen 0.2 Tage unter dem Durchschnitt. Seit 2000 ist die ALOS in Schweizer Spitälern um vier Tage gesunken.

Einfluss der Fallpauschalen - systeme (DRGs)Die Tendenz der sinkenden ALOS lässt sich unter anderem auf den Wechsel zu DRG­Systemen oder ähnlichen Finanzie­rungssystemen in einer zunehmenden Anzahl Länder wie die Schweiz, Deutsch­land, Polen und Frankreich zurückführen. Fallpauschalen setzen einen klaren Anreiz zur Reduktion der Aufenthalts­dauer, um damit die Fallkosten zu redu­zieren. In der Schweiz wurden die Swiss DRGs erst per Januar 2012 eingeführt.

Mengenausweitung?!Ein weiterer und gefürchteter Effekt von Fallpauschalen ist die Mengen­ausweitung. Interessanterweise wer­den teure Operationen, die einen hohen Anteil am Kostenwachstum haben, wie etwa der Einsatz künstli­cher Hüft­ oder Kniegelenke, in den DRG­Ländern Deutschland und Schweiz doppelt so häufig durchge­führt wie im OECD­Durchschnitt. Die Schweiz ist Spitzenreiter mit 306 Hüftrevisionen pro 100‘000 Einwoh­ner. Deutschland folgt mit 286, wäh­rend der Durchschnittswert 2011 bei 160 liegt. Auch in Frankreich und den Niederlanden wurden fast 60 bzw. 70 mehr Hüftrevisionen als im OECD­Durchschnitt durchgeführt.

Der neuste OECD­Gesundheitsbericht «Health at a Glance 2013» bietet einen Einblick in die Entwicklungen und Einflüsse im Gesundheitswesen der OECD­Staaten. Die Schweiz schneidet im Bereich Qualität überdurchschnittlich gut ab. Im Bereich der Gesundheitsausgaben zeigt sich hingegen, dass diese Qualität ihren Preis hat. Der Bericht macht ausserdem auf den besorgniserre­genden Mangel an Allgemeinärzten in fast allen OECD­Ländern aufmerksam.

1 Average Length of Stay (mittlere Aufenthaltsdauer)

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Februar 2014 / Healthcare Check-up OECD-Gesundheitsbericht | 17

Ärztliche GrundversorgungEin Aspekt der OECD­Qualitätsmes­sungen fokussiert auf die ärztliche Grundversorgung, z.B. durch nieder­gelassene Haus­ und Fachärzte, die unter anderem chronisch Erkrankte dauerhaft betreuen und entscheiden, wann eine Spitalbehandlung notwen­dig ist. Die Qualität der Grundversor­gung ist ein wichtiger Pfeiler in Gesundheitssystemen, da er die hohen Kosten, welche die stationären Aufenthalte verursachen, abfangen kann. Die Schweiz liegt z.B. mit dem Anteil Spitaleintritte von Asthma und Diabetes Erkrankten – zwei der häu­figsten chronischen Erkrankungen – weit unter dem OECD­Durchschnitt, was auf eine gute ambulante Betreu­ung hinweist.

Lebenserwartung und GesundheitszustandDieses gute Ergebnis ist auch im Zusammenhang mit einer hierzulande sehr hohen Lebenserwartung und einem guten Gesundheitszustand der Bevölkerung (gemäss Selbsteinschät­zung von 81.3%) zu sehen. In der Schweiz liegt die Lebenserwartung bei 82.8 Jahren. Somit können die Schwei­zer – rein statistisch – mehr als 2 Jahre älter werden, als die Einwohner aller anderen OECD­Länder. Insgesamt ist die Lebenserwartung in allen Mit­gliedsstaaten in den vergangenen Dekaden gestiegen.

Zufriedenheit mit der ambulanten Versorgung Die Messung der Patientenzufrieden­heit hat seit Mitte der 90er Jahre in fast allen OECD­Ländern an Bedeutung gewonnen. In der Schweiz ist diese Bestandteil der jährlichen nationalen Qualitätsmessungen durch den ANQ2.

In den OECD­Messungen liegt die Schweiz 2010 in drei von vier abgebil­deten Zufriedenheitskriterien unter den Top 4: Verständlichkeit des Arztes, Möglichkeiten, Fragen zu stellen oder Bedenken zu deponieren, und Involvie­ren des Patienten bei Entscheidungen.

Seit der Einführung der DRGs kann in der Schweiz nochmals eine verstärkte Verschiebung von medizinischen Leis­tungen aus dem stationären in den vor­gelagerten ambulanten Bereich beob­

achtet werden. Die Qualität und die Sicherung der ambulanten Versorgung haben somit weiter an Bedeutung gewonnen.

Komplikationsraten bei operativen EingriffenKomplikationsraten im OP sind ein wichtiger Indikator für Qualität und Patientensicherheit. Die OECD­Studie vergleicht unter anderen das Auftreten post­operativer Lungenembolien oder Venenthrombosen. Die Schweiz schneidet mit 500 Komplikationsfällen auf 100‘000 Spitalaustritte, d.h. 0.5%, überdurchschnittlich gut ab.

Geringeres Wachstum der GesundheitsausgabenSeit 2008 ist die jährliche Wachstums­rate der Gesundheitsausgaben pro Kopf in fast allen OECD­Ländern von 4.1% auf 0.2% im Durchschnitt gesun­ken. Hintergrund ist die Wirtschafts­krise, die sich in stark betroffenen Län­dern wie Griechenland und Island besonders deutlich auf die Gesund­heitsausgaben ausgewirkt hat: Um 11% sind die Gesundheitsausgaben in Griechenland und um 6% in Island zwischen 2009 und 2011 gekürzt wor­den. In der Schweiz zeichnet sich die­ser Trend nicht ab; zwischen 2000 und 2009 sowie 2009 und 2011 haben sich die jährlichen Wachstumsraten kaum verändert (0.5%).

Schweizer Qualität hat ihren PreisBetrachtet man die Gesundheitsausga­ben pro Kopf, sind nur die Gesundheits­systeme der USA und Norwegens teurer als jenes der Schweiz. Somit gab die Schweiz 2011 mit 5’643 US­Dollar pro Kopf etwa ein Drittel mehr aus für Gesundheitsleistungen als der OECD­Durchschnitt, aber immer noch ein Drit­tel weniger als die USA. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt die Schweiz – seit 2003 fast unverändert – mit 11.0% auf Platz sechs im OECD­Ranking. Der Durchschnitt liegt jedoch bei 9.3%. In der Schweiz ist gleichzeitig auch das Einkommensniveau gestie­gen, so dass die hohen Ausgaben finan­ziert werden können.

Bricht man die durchschnittlichen Gesundheitsausgaben pro Kopf herun­ter, wird ein Schweizer Einwohner durchschnittlich mit 470 US­Dollar

2 Nationaler Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken

«Health at a Glance»Der aktuelle Bericht der OECD zur Gesundheit in den 34 Mitgliedsstaa­ten bezieht sich auf die OECD­Sta­tistiken 2013, die hauptsächlich auf nationalen Daten beruhen. Im Wesentlichen werden die Entwick­lungen zwischen den Jahren 2000 und 2011 verglichen.

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Healthcare Check-up / Februar 201418 | OECD-Gesundheitsbericht

(d.h. ca. 430 Franken) Prämien­ resp. Steuerzahlungen monatlich belastet.

Zugang zur GesundheitsversorgungDie obligatorische Krankenversiche­rung in der Schweiz garantiert struktu­rell einen Zugang für jedermann zur medizinischen Grundversorgung. Dies allein ist jedoch noch kein ausreichen­der Indikator für den Zugang zur Gesundheitsversorgung. Der Umfang der Zuzahlung zur Krankenversiche­rung bietet weiteren Aufschluss. Stützt sich ein Gesundheitssystem verstärkt auf eine «out­of­pocket»­ Finanzierung, verlagern sich die Kosten tendenziell zu jenen, welche die Leistungen verstärkt in Anspruch nehmen.

Hohe Zuzahlungen zur Kranken-versicherung in der Schweiz Im OECD­Mittel wendet ein Privat­haushalt etwa 3.0% des Einkommens für Zuzahlungen für medizinische Ver­sorgung auf. In der Schweiz sind es 3.8%. Die Kostenaufteilung gibt wei­tere interessante Hinweise: Lediglich in Belgien werden mehr Zuzahlungen für Spitalaufenthalte getätigt. In der Schweiz fliessen mehr als die Hälfte der Zuzahlungen in Spitalbehandlun­gen und weitere fast 30.0% in Zahnbe­handlungen, die von der Grundversi­cherung nicht abgedeckt werden.

Zunahme der älteren BevölkerungBis zum Jahr 2050 wird in der OECD bei der Bevölkerung älter als 65 ein

Wachstum von 27.0% erwartet. Bei der Bevölkerung älter als 80 liegt die durchschnittliche Wachstumsprog­nose bei 10.0% und in der Schweiz sogar bei 12.0%. In der Schweiz neh­men mehr als ein Fünftel der 65+ Bevölkerung, bereits Langzeitpflege in Anspruch (20.3%) – davon nur etwa 5.0% zu Hause (z.B. durch die Spitex). Damit sind in der Schweiz fast doppelt so viele ältere Menschen als im OECD­Durchschnitt (12.7%) pflegebedürftig.

Zunahme der DemenzerkrankungenDie Anzahl Demenzerkrankungen steigt nicht nur in der OECD, sondern welt­weit. Die WHO3 prognostiziert eine Ver­doppelung der Erkrankungen bis 2030 und eine Verdreifachung bis 2050. In der Schweiz sind bereits ca.6.5% der Bevölkerung 60+ betroffen.

Steigender Bedarf an PflegefachkräftenGleichzeitig wird bis im Jahr 2050 in der OECD eine Verdoppelung des Bedarfs an Fachkräften für Langzeitpflege erwartet. Diese Entwicklung wird unter anderem durch die Abnahme von Pflege durch Familienmitglieder getrig­gert – bei einem gleichzeitigen Wachs­tum der alternden Bevölkerung.

Ärztemangel in der OECDDie Anzahl Ärzte gemessen an der Bevölkerung (pro 1‘000 Einwohner) vari­iert innerhalb der OECD sehr stark. Die Schweiz und Deutschland liegen mit

3.8 Ärzten pro 1‘000 Einwohner im obe­ren Drittel – das sind in der Schweiz etwa 30‘400 Ärzte. Mehr als ein Drittel dieser Ärzte ist jedoch bereits 55 Jahre alt, was künftig einen enormen Ärz­temangel auslösen wird. Dieser wird vor allem die Hausarztmedizin betref­fen, denn diese ist mit weniger als einem Drittel aller Ärzte im OECD­Durchschnitt bereits heute unterpropor­tional vertreten.

FazitDer Schweiz wird im aktuellen Gesund­heitsbericht der OECD eine gute bis sehr gute Prozess­ und Strukturqualität bescheinigt. Auch hinsichtlich Patien­tensicherheit liegt die Schweiz deutlich über dem OECD­Durchschnitt. Gleich­zeitig wird erneut bestätigt, dass sich die Schweiz eines der weltweit teuers­ten Gesundheitssysteme leistet und auch leisten will. Die Schweizer Bevöl­kerung bescheinigt sich selbst einen guten Gesundheitszustand und hat die höchste Lebenserwartung in der OECD. Dies trägt jedoch auch zum Effekt der demografischen Entwick­lung bei: Der Anteil der älteren Bevöl­kerung steigt stetig. Gleichzeitig wer­den künftig nicht nur verstärkt Ärzte, sondern auch Pflegekräfte gesucht. Diese Herausforderungen gilt es anzu­gehen, um mit vereinten Kräften aller Anspruchsgruppen und neuen innova­tiven Ansätzen die qualitativ hochste­hende Gesundheitsversorgung zu sichern.

3 World Health Organization

Marc Dominic Widmer Senior ManagerAudit Healthcare KPMG AG Zürich T: +41 58 249 41 24E: [email protected]

Julia FinkenConsultantAdvisory HealthcareKPMG AG ZürichT: +41 58 249 35 62E: [email protected]

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Februar 2014 / Healthcare Check-up Internationales | 19

Das Krankenversicherungssystem von Abu Dhabi

Autoren: Mehmet Sait Gunes, Munich Health Daman Holding Ltd., München, und Anja Helbig,National Health Insurance Company – Daman, Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate

Abu Dhabi ist eines von sieben Emira­ten, welche sich 1971 als Föderation zusammengeschlossen haben und seitdem auch als die Vereinigten Ara­bischen Emirate (kurz: VAE) bekannt sind. Die Staatsform der VAE wird vom Auswärtigen Amt Deutschlands als «patriarchalisches Präsidialsys­tem mit traditionellen Konsultations­mechanismen» definiert. Jedes ein­zelne Emirat hat eine lokale Regierung und bestimmte Mitglieder der lokalen Regierung übernehmen gleichzeitig eine Rolle innerhalb des Staatsapparates.

Die VAE, deren Gesamtfläche unge­fähr der von Österreich entspricht, lie­gen an der Küste des Persischen Gol­fes. Sie zählen Katar, Saudi Arabien und Oman zu ihren unmittelbaren Nachbarn. Das Land verfügt mit sei­nen 7,9 Millionen Einwohnern über die siebtgrössten Ölvorkommen der Welt und ist eine der am weitesten

entwickelten Volkswirtschaften im Nahen Osten. Das Bruttoinlandspro­dukt pro Kopf für 2012 wird vom Inter­nationalen Währungsfonds (IWF) auf circa 51’000 Euro geschätzt (Deutsch­land circa 32.500 Euro).

Die VAE sind in den letzten Jahren vor allem durch ihr zweitgrösstes Emirat Dubai bekannt geworden. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass die VAE ihren Wohlstand vor allem dem grössten Emirat, Abu Dhabi, zu ver­danken haben.

Historische Entwicklung Bis in die Sechzigerjahre hinein gab es im Land nur einfache Bauten, teil­weise ohne Elektrizität und Kanalisa­tion. Dementsprechend war auch der Stand der medizinischen Versorgung. Der Beginn der Erdölförderung und die damit einhergehende Prosperität verbunden mit neuen Herausforde­rungen, änderte dies gravierend.

Die Gründung des föderalen Gesund­heitsministeriums in den Siebzigerjah­ren gab dem Gesundheitswesen einen deutlichen Impuls, die Qualität der Krankenversorgung stieg kontinuier­lich. Über mehrere Jahre stellte die Regierung für alle Einwohner gegen eine geringe Jahresgebühr sogenannte Gesundheitskarten aus und übernahm die vollen Behandlungskosten in staat­lichen Krankenhäusern. 2001 wurde die «General Authority for Health Ser­vices» in Abu Dhabi gegründet, welche durch Reformen im Jahr 2007 in die «Health Authority Abu Dhabi» (HAAD) und die «Abu Dhabi Health Services Company» (SEHA1) aufgeteilt wurde.

Während HAAD als Regulator agiert, leitet SEHA öffentliche medizinische Einrichtungen. Heute ist SEHA mit 13 Krankenhäusern und 40 Einrichtun­gen für ambulante Behandlungen der grösste öffentliche Dienstleister im Gesundheitswesen. Darüber hinaus

Wenn Dubai in der Region ein Vorreiter für wirtschaftlichen Aufschwung ist, so ist es Abu Dhabi in Sachen Krankenversicherung. Verglichen mit den anderen Emiraten ist die Qualität, Effizienz sowie die flächendeckende Absicherung der Bevölkerung einzigartig. Die Unterschiede sind insbesondere auf die politische Autonomie in jedem Emirat zurückzuführen. Vor allem die unterschiedlichen Auffassungen zur Ausstattung und Implementierung auf Landesebene haben bisher die Einführung eines einheitlichen Krankenversiche­rungssystems verhindert.

1 «Seha» ist das arabische Wort für Gesundheit.

Indikatoren des Gesundheitswesens in den Vereinigten Arabischen Emiraten Quelle: angelehnt an HAAD, Health Statistics 2011; WHO, NHA, 2010

VAE Schweiz Abu Dhabi

Gesamtgesundheitsausgaben pro Kopf (in US­Dollar) 1’544 6’944 n / a

Lebenserwartung bei Geburt (Männer/Frauen) 77 / 79 80 / 84 75 / 77

Bevölkerungswachstum 1999 bis 2009 (in Prozent) 4,1 0,6 5,5

Säuglingssterblichkeitsquote (pro 1.000 Einwohner) 7,0 4,0 6,4

Anzahl stationäre Betten (pro 1.000 Einwohner) 1,9 5,3 2,5

Anzahl Ärzte (pro 10.000 Einwohner) 19,3 40,7 20,4

Anzahl Krankenschwestern (pro 10.000 Einwohner) 40,9 159,6 43,6

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Healthcare Check-up / Februar 201420 | Internationales

hat SEHA Partnerschaften mit interna­tionalen Anbietern wie John Hopkins oder Cleveland Clinic. Die grösste private Krankenhauskette ist Al Noor. Das Gesundheitsministerium in seiner heutigen Form existiert lediglich auf föderaler Ebene; seine Befugnisse in den jeweiligen Emiraten sind begrenzt. Die regulative Steuerung wird primär von HAAD übernommen. Neben der Implementierung von regu­latorischen Standards verfolgt HAAD eine konstante Verbesserung des Gesundheitssystems in Bereichen wie Effizienz und Qualität.

So erlaubt zum Beispiel HAAD den Ver­sicherern, direkt mit den Dienstleistern zu verhandeln. Darüber hinaus wurden sogenannte «Standard Provider Con­tracts» eingeführt, in denen Kosten­

sätze für medizinische Leistungen fest definiert sind. Versicherung und Dienst­leister, beispielsweise ein Krankenhaus, können lediglich über sogenannte Multi­plier2 verhandeln.

Die Tabelle auf Seite 19 veranschaulicht wichtige Indikatoren des Gesundheits­wesens, wie zum Beispiel die Lebens­erwartung, die der in Deutschland nahekommt. Die Säuglingssterblich­keitsrate ist ebenfalls im internationalen Vergleich gering.

Laut HAAD sind in Abu Dhabi derzeit insgesamt 4’900 Ärzte, 10’504 Pflege­kräfte und 5’222 sonstiges Personal aus dem Gesundheitsbereich (inklusive Apotheker) in 34 Krankenhäusern (3’659 Betten), 759 Kliniken und 427 Apotheken tätig.

Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung Im Jahr 2005 wurde gesetzlich vor­geschrieben, dass jeder Arbeitgeber seine ausländischen Arbeitskräfte («Expats») versichern muss. Drei Jahre später wurde das sogenannte Thiqa3­Programm ins Leben geru­fen, indem sich alle Staatsbürger der VAE («Nationals») registrieren müs­sen, wenn sie kostenlose ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen möchten.

Mit der Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung verfolgte man zunächst drei Ziele: erstens, jedem Einwohner von Abu Dhabi medizini­sche Versorgung zu gewähren, zwei­tens, die Qualität des Gesundheits­wesens zu verbessern, und drittens,

2 Ein Multiplier ist ein Faktor zwischen 1 und 3, der mit dem Kostensatz multipliziert werden kann.3 «Thiqa» ist das arabische Wort für Vertrauen.

Abbildung 8Darstellung des Krankenversicherungssystems von Abu Dhabi anhand der drei Produktsparten von DamanQuelle: HAAD Health Statistics 2011, Munich Health Daman Holding-Analyse

1 ist grösser als die Einwohnerzahl in Abu Dhabi zurückzuführen, die in anderen Emiraten leben.

KostenträgerArbeitgeber

Versicherungsbeiträge

Enhanced 1,1 Millionen Mitglieder

Alle Expats

Thiqa 0,7 Millionen Mitglieder

Staatsbürger der VAE

Basic 1,3 Millionen Mitglieder

Expat Monatsgehalt < 5.000 AED

Privat

Health Authority – Abu Dhabi Insurance Authority

Öffentlich (SEHA)

Anbieter im Ausland

Finanzministerium Kosten und Admingebühren

Subvention, wenn technischer Prämienanteil nicht ausreicht

Kosten des Dienstleisters werden durch die Versicherung beglichen.

Kosten des Dienstleisters werden durch die Regierung beglichen.

Mitgliedschaft

MarktanteilVersicherungs- gesellschaft 1

Versicherungträger

Dienstleister

Regulatoren

31,8 %

7,0 %

14,4 %

46,8 %

Admin- gebühren

Daman

Al Dhafra

ADNIC

Sonstige (35 Versicherer)

Daman (Third Party

Administrator)

Daman

100 %

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Februar 2014 / Healthcare Check-up Internationales | 21

National Health InsuranceCompany – DamanDaman5 wurde 2006 als rein staatli­ches Unternehmen mit der Münche­ner Rückversicherungs­Gesellschaft als strategischem Partner und Rück­versicherer gegründet. 2008 wurde das Unternehmen in ein Joint Ven­ture umgewandelt: 80 Prozent der Anteile hält die Regierung und 20 Prozent die Münchener Rück. Daman war die erste spezialisierte Krankenversicherung in den VAE und steigerte innerhalb von sechs Jahren seine Mitgliederzahl auf mitt­lerweile 2,3 Millionen. Heute

beschäftigt Daman über 1’500 Mit­arbeiter und darf sich als wesentli­cher Bestandteil des Gesundheits­wesens in Abu Dhabi bezeichnen. Daman bietet drei Produktsparten: den «Basic»­Plan, die «Enhanced»­ Produkte und den «Thiqa»­Plan. Der «Basic»­Plan und die «Enhanced»­ Produkte sind auf die Bedürfnisse der «Expats» zugeschnitten, wäh­rend der «Thiqa»­Plan ausschliess­lich für die «Nationals» vorgesehen ist. Die Abbildung auf Seite 20 ver­anschaulicht die Unterschiede im Detail und gibt Aufschluss über den generellen Aufbau des Systems.

mittelfristig staatliche Subventionen zu reduzieren. Notwendig wurden diese Massnahmen vor allem durch die sich verändernden demografi­schen Verhältnisse und durch die stei­gende Anzahl chronischer Krankhei­ten im Land. Von rund 2,4 Millionen in Abu Dhabi lebenden Menschen sind ungefähr 20 Prozent «Nationals» und 80 Prozent «Expats» aus der ganzen Welt und aus jeder Gesellschafts­schicht. Die Mehrheit der Ausländer kommt vorwiegend aus Indien, Bang­ladesch, Pakistan und den Philippi­nen, gefolgt von arabischen Staaten, Afrika, dem angelsächsischen Sprach­raum sowie Europa. Während der Grossteil der «Expats» zwischen 20 und 30 Jahre alt ist, ist der grösste Teil der «Nationals» noch jünger, und zwar unter 15 Jahren.

Ausgehend von der Fragestellung, welches Krankenversicherungssys­tem diese heterogene Bevölkerung am besten bedienen kann und gleich­zeitig am effizientesten finanziert wer­den kann, wurde die National Health Insurance Company – Daman gegrün­det. (Abbildung Seite 20)

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Kosten der Krankenversicherung sei­ner ausländischen Arbeitnehmer und deren Familien zu übernehmen. Der Nachweis einer Krankenversicherung ist Voraussetzung für die Erteilung der Arbeits­ und Aufenthaltserlaubnis.

Ein monatlicher Verdienst unter 5’000 Dirham der Vereinten Arabi­schen Emirate (AED) (1’028 Euro) berechtigt zum «Basic»­ Plan bei Daman und kostet 600 AED (123 Euro) pro Jahr. Reicht hier der techni­sche Prämienanteil nicht für die Deckung der medizinischen Kosten aus, werden diese von der Regierung subventioniert. Es dürfen auch andere Versicherer die Einkommensgruppe unter 5’000 AED mit der gleichen Prä­mie versichern, jedoch erhalten diese im Gegensatz zu Daman keine Sub­ventionen von der Regierung.

Für alle anderen bieten Daman und mittlerweile 38 Wettbewerber Kran­kenversicherungsprodukte mit unter­

schiedlichsten Leistungen im soge­nannten «Enhanced»­Segment an. Gemäss HAAD lag 2011 die durch­schnittliche Prämie aller Versiche­rungsgesellschaften und ­produkte in diesem Segment pro Jahr bei 3’019 AED (620 Euro) je Versicherten. Beim «Thiqa»­Plan übernimmt die Regierung für ihre Staatsbürger, unab­hängig davon, ob sie erwerbstätig sind oder nicht, fast alle Behandlungs­kosten innerhalb und – im Notfall – auch ausserhalb der VAE. Daman agiert dabei als sogenannter «Third Party Administrator» (TPA) und betreut die Versicherten im Auftrag der Regierung. Das «Thiqa»­Pro­gramm ist im weltweiten Vergleich eines der besten und umfassendsten Gesundheitsprogramme. Allerdings steigen auch hier die Kosten jährlich aufgrund von Inflation im Gesund­heitswesen und steigender Inan­spruchnahme der Leistungen.

Fazit Abu Dhabi hat mit Daman innerhalb weniger Jahre erfolgreich ein Kranken­versicherungssystem implementiert, das heute allen seinen Einwohnern medizinische Versorgung in unter­schiedlicher Ausprägung bietet. Die Regierung hat rechtzeitig und als erste in der Region den Handlungsbedarf erkannt und eine Vorreiterrolle über­nommen.

Das starke Wirtschaftswachstum und der damit verbundene Reichtum des

Landes haben auch ihre Schattensei­ten. Wohlstandskrankheiten wie Über­gewicht und Diabetes prägen das Krankheitsbild der ganzen Nation. Daman versucht dem entgegenzuwir­ken mit seinen sogenannten «Disease Management Programmen». Die Teil­nehmer dieser Programme werden motiviert, ungesunde Lebensgewohn­heiten langfristig umzustellen. Darüber hinaus hat Abu Dhabi zusammen mit HAAD das «Weqaya»4­Programm ein­geführt, das alle Staatsbürger zu regel­mässigen Vorsorgeuntersuchungen verpflichtet. Die Regierung hat grosses Interesse daran, das Gesund­heitswesen weiter zu verbessern. Die bisherigen Ergebnisse, die Vision und die konsequente Umsetzung deuten auf ein Gelingen der ambitionierten Pläne hin.

4 «Weqaya» ist das arabische Wort für Prävention.5 «Daman» ist das arabische Wort für Versicherung.

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