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MENSCHEN FÜR ANDERE Nr. 1 | 2014 Das Magazin der Jesuitenmission Leben nach dem Taifun

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MENSCHENFÜRANDEREN

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Das Magazin der Jesuitenmission

Leben nach dem Taifun

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Liebe Freundinnen und Freundeunserer Missionare und Partner weltweit!

„Leben nach dem Taifun“ ist der Titel dieses Heftes. Naturkatastrophen erschüttern im-mer wieder unseren Alltag. Sei es ein Sturm, ein Erdbeben oder der Tod eines geliebtenMenschen. Unerwartet und heftig wie ein Taifun bricht der Tod in unser Leben ein. Un-ser Osterheft beschäftigt sich mit dem Geheimnis von Tod und Auferstehung auf sehrkonkrete Weise. Nicht der Glaubenslehre, sondern der wirklichen Erfahrung des Todes,der Lebensbedrohung stellen wir uns. Und echte Erfahrungen des neuen Lebens, desNeustartes, nachdem bereits alles verloren war.

Pro Jahr gibt es auf den Philippinen im Schnitt 20 Taifune. Die meisten sind harmlos.Der Taifun Haiyan hat mit besonderer Wucht getroffen. Die Schritte ins Leben nachdem Taifun müssen wohl überlegt sein. Der Wiederaufbau muss so gestaltet sein, dass erdem nächsten Taifun trotzen kann. Neues Leben heißt hier für die Dorfbewohner auchWege aus der Armut zu finden.

Die Begegnung mit Reisbauern in Myanmar bleibt mir in Erinnerung. Sie stehen nachder Sturmflut auf und nehmen ihr Schicksal in die Hand. „Von der Katastrophenhilfezur Selbstständigkeit“. Wir bleiben nicht im Schock über die Naturkatastrophe stecken.Wir begnügen uns nicht mit Katastrophenhilfe. Aus diesem Tod kann neues Leben er-stehen. Seit einem Jahr erwachen neue Kräfte in fünf Bauerndörfern in Myanmar.

Bei meiner Projektreise nach Ägypten habe ich Räume des gemeinsamen Lernens in-mitten einer gespaltenen Gesellschaft kennengelernt. In Sozialeinrichtungen und Kul-turzentren lernen Christen und Muslime gemeinsam, die Ausbildung der Kinder undJugendlichen des Landes in den Mittelpunkt zu stellen.

Ich danke Ihnen für all Ihre Hilfe!

Hans Tschiggerl SJMENSCHEN FÜR ANDERE

EDITORIAL

ImpressumMENSCHEN FÜR ANDERE Das Magazin der Jesuitenmission, 2014 - Heft 1Medieninhaber und Herausgeber: Missionsprokur der Gesellschaft Jesu in Österreich,Mag. Johann Tschiggerl SJ, Dr. Ignaz Seipel Platz 1, A-1010 Wien, Tel +43 01 5125232-56,[email protected], www.jesuitenmission.atRedaktion: Hans Tschiggerl, Katrin Morales, Magdalena Weber.Druck und Gestaltung: LDD Communication GmbH, ldd.atZiel der Publikation: Information der Spender über die aktuellen Entwicklungen in den Hilfsprojekten.Bildnachweis: Jesuitenmission, Herbert Kneissl

Österreichische Post AG / Sponsoring Post, 13Z039521S. ZVR Zahl 530615772, SO 1345 MENSCHEN FÜR ANDERE

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Die alte Dame im Rollstuhl hältdie Hand von Pater Javy fest undfreut sich riesig über seinen Be-

such. Es lässt sich nicht leugnen: Die ersteBegegnung mit Miss Esther, wie sie vonallen genannt wird, löst ein innerlichesZurückzucken aus. Hände und Gesichtsind entstellt. Narben und Deformati-onen, die ihre Lepra-Erkrankung zurück-gelassen haben. Es braucht ein wenig Zeit,um die Schönheit in ihren Gesichtszü-gen zu entdecken, die Freude und auchden Schmerz. Die 88-Jährige kam als jun-ges Mädchen nach Culion und ihr Lebenspiegelt die wechselvolle Geschichte derkleinen philippinischen Insel wider.

Insel der lebenden TotenIm Jahr 1902, als die USA die Kontrol-le über die Philippinen übernahm, gab esauf den Philippinen etwa 30.000 Lepra-

kranke. Um die als hochansteckend undunheilbar geltende Infektion einzudäm-men, wurde auf der nur von einigen Fi-scherfamilien bewohnten Insel Culioneine zentrale Quarantänezone eingerich-tet. In den nächsten Jahrzehnten sollteCulion zur größten Leprakolonie der Weltanwachsen mit knapp 7.000 Erkrankten.Niemand von ihnen kam freiwillig. PerGesetz waren Ärzte und Behörden ver-pflichtet, Erkrankte zu isolieren und ineine Leprakolonie zu schicken – notfallsmit Polizeigewalt. Eine Rückkehr von derLeprainsel war verboten. Culion galt alsInsel der lebenden Toten. Eine Zeit langgab es sogar eine eigene Währung, um zuverhindern, dass mit dem zirkulierendenGeld auch Krankheitserreger die Insel ver-lassen. Erst 1964 wurde das Gesetz zurIsolierung von Leprakranken aufgehobenund 1998 erhielt Culion den Status einer

Die philippinische Insel Culion wurde vergangenen November vom Taifun Haiyangetroffen. Seit mehr als einem Jahrhundert begleiten Jesuiten das wechselvolleSchicksal der Inselbewohner.

Schönheit trotz Zerstörung

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PHILIPPINEN

normalen Ortsgemeinde. Vorher hatte dieInsel unter der Verwaltung des Gesund-heitsministeriums gestanden.

ArmutskrankheitenDr. Arturo Cunanan ist ein Kind der In-sel. Die Großeltern des heute 55-jährigenArztes haben sich als Patienten auf der Le-

prainsel kennengelernt. „80 Prozent derInselbevölkerung stammt von Leprapati-enten oder Krankenhauspersonal ab“, sagtDr. Cunanan. Als anerkannter Experte füröffentliches Gesundheitswesen und Leprahat er viel für die ehemals so verrufene In-sel getan. Seit mehr als 15 Jahren hat eskeinen einzigen neuen Fall von Lepra ge-geben. „Heute haben wir vor allem mitAtemwegserkrankungen und Tuberkulo-se zu kämpfen, also Krankheiten, die engmit Armut, Mangelernährung und un-gesunden Lebensbedingungen, wie demKochen auf offenem Feuer, zusammen-hängen“, erklärt er.

Seelsorger und NothelferDie ehemaligen Leprapatienten lebenheute alle bei ihren Familien oder in einerArt Alten- und Pflegeheim des Kranken-hauses. Seit Gründung der Leprakoloniehaben Jesuiten die Seelsorge für Culionund die umliegenden kleinen Inseln über-nommen und haben eine Kirche und eineSchule mit einem angeschlossenen klei-nen College aufgebaut. Aus drei Jesuitenbesteht die Kommunität auf der Insel.Pater Javy hat zwei Jahre lang als Pfar-rer auf Culion gearbeitet. Auf der Straßewird er von allen sofort erkannt und freu-dig begrüßt. Der Grund seines Kommens:Als Direktor der jesuitischen Sozial- undHilfsorganisation SLB in Manila ist er fürdie Wiederaufbau- und Entwicklungs-projekte in Culion verantwortlich. Dennauch hier hat der Taifun Haiyan/ Yolandaam 8. November 2013 eine Schneise derZerstörung hinterlassen.

Stumme Zeugen der Zerstörung„Wir hatten für Mitte November die Ein-weihung des neuen Krankenhaustraktesgeplant“, seufzt Dr. Cunanan. „Aber derTaifun hat den Neubau so zerstört, dasswir den Trakt wieder abreißen müssen.“

Miss Esther (oben) kam

als Mädchen auf die

1906 gegründete Lepra-

station (unten).

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PHILIPPINEN

Auf die Frage, ob nicht wenigstens öffent-liche Gebäude gegen solche Schäden ver-sichert gewesen seien, kann Dr. Cunanannur müde lächeln. Auch das Loyola Col-lege ist schwer beschädigt. Der Taifunhat die solide Stahlkonstruktion des Bi-bliotheksdaches freigelegt und verbogen.Solche stummen Zeugen der gewaltigenZerstörungskraft sind auch nach den Auf-räumarbeiten auf der Insel noch zu sehen:Hausruinen, umgeknickte Palmen, an denStrand gespülte Holzreste der zerstörtenPfahlhütten und Fischerboote.

Die SturmnachtDas kleine Fischerdorf Binudac auf derHauptinsel Culion wurde schwer vomTaifun getroffen, da die Häuser direkt amStrand weder dem Wind noch den Wellenviel Widerstand bieten konnten. „Der Tai-fun kam am Abend“, erzählt Betty Abapo.„Der Wind wurde immer heftiger und eswurde sehr kalt. Wir beteten und sangenKirchenlieder. Als sich der Sturm ein we-nig beruhigte, rannten wir alle zur Schule,die für das Dorf als Evakuierungszentrumdient. Aber später wurde der Sturm sostark, dass sogar Teile des Schuldaches da-vonflogen. Wir bekamen alle noch mehrAngst. Erst um vier Uhr morgens hörteder Sturm auf. Als wir zurück ins Dorf gin-gen, sahen wir, dass der Taifun die Häuserzerstört hatte. Auch Bäume waren umge-

knickt und wir hatten viele Boote verlo-ren. Wegen der Kälte während des Sturmswurden viele von uns krank und bekamenFieber. Hunger leiden mussten wir nicht.Wir hatten noch Maniok und Süßkar-toffeln, die wir angebaut haben, und dieKokosnüsse, die von den Palmen gefallenwaren. Und dann kamen auch schon dieJesuiten der Pfarrei mit ersten Hilfsgütern.Viele in Binudac haben alles verloren, aberwir helfen uns gegenseitig.“

Logistischer KraftaktSo wie in Binudac wurden Tausende Fi-scherfamilien auf Culion und den klei-nen Nachbarinseln ihrer Existenzgrund-lage beraubt. Die Pfarrei und die lokaleVerwaltung begannen bereits am nächstenTag mit Hilfe der jesuitischen Organisa-tion SLB die Versorgung der Taifunopfermit Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Klei-dung, Planen und Solarlampen sicherzu-stellen. Auch der Strom, den es schon zuNormalzeiten nur 12 Stunden pro Tag aufder Hauptinsel gibt, war komplett ausge-fallen. In ihrer Statistik listet die Inselver-waltung 5.689 betroffene Familien auf,die erste materielle Hilfe erhalten haben.Die internationale Aufmerksamkeit rich-tete sich nach dem Taifun auf die größerenInseln Leyte und Samar. Die Provinz Pala-wan, zu der die Insel Culion zählt, machtekeine Schlagzeilen. Dafür sind die kleinen

Ben Abapo zeigt den

Fischfang des Dorfes.

Zerstörte Boote und

Häuser haben vielen

Familien die Lebens-

grundlage geraubt.

Culion gehört zur

Provinz Palawan im

Westen der Philippinen,

die zwischen dem Süd-

chinesischen Meer und

der Sulusee liegt.

Palawan

Mindoro

Culion

PuertoPrincesa

Manila

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PHILIPPINEN

Inseln, auf denen Fischer und zum Teilnoch indigene Gemeinschaften mit eige-ner Sprache und Kultur leben, zu dünnbesiedelt.

Wiederaufbau und nachhaltige Ent-wicklungDie Phase der ersten Nothilfe und pro-visorischer Reparaturen ist längst abge-schlossen. Jetzt geht es um langfristigenWiederaufbau und vor allem um nach-haltige Entwicklung. Der Wiederaufbaumuss so geplant werden, dass er dem näch-

sten Taifun trotzen kann und den Dorfbe-wohnern einen Weg aus der Armut bietet.Sind Fischerboote aus Holz oder Fiber-glas besser? Sollen die zerstörten Dörferan anderen, weniger gefährdeten Ortenwieder aufgebaut werden? Wie lässt sichsicherstellen, dass es für alle Dörfer Eva-kuierungszentren gibt, die wirklich sichersind? Könnten sich die Fischer in einerzentralen Kooperative zusammenschlie-ßen, die die Lagerung, Kühlung und denVerkauf selbst organisiert, um nicht län-ger von Mittelsmännern abhängig zu seinund schlechte Preise in Kauf nehmen zumüssen? Wie lassen sich die Alphabeti-sierungskurse für die indigenen Gemein-schaften ausbauen? Welche Einkommens-quellen neben der Fischerei sind denkbar?Was für Zukunftsaussichten hat das Tou-rismus-Projekt in Culion, zu dem auchKurse am College, ein jesuitisches Insel-hotel und das kleine ReiseunternehmenKawil Tours zählen?

Atemberaubende SchönheitPater Javy, der vor seinem Ordenseintrittim strategischen Management gearbeitethat, ist optimistisch: „Es gibt gute Ideenund viel Potenzial, um Culion voranzu-bringen. Wir werden bei jedem Schrittdie Dorfbewohner und die lokale Verwal-tung einbeziehen. Denn nur dann gibt eseinen Prozess der Gemeindeentwicklung,der auf Dauer angelegt ist.“ Culion unddie kleinen Nachbarinseln sind von atem-beraubender Schönheit. Palmen, Sand-strände, Meer, Mangrovenwälder, Koral-lenriffe. All dem konnte der Taifun nichtsanhaben. Aber damit es auch für die Be-wohner aus der Leprakolonie ein Paradiesder Zukunft und Hoffnung wird, brauchtes einen langen Atem und viel Durchhal-tevermögen.

Judith Behnen

Blick auf die Kirche von

Culion (oben).

Frauen der indigenen

Gemeinschaft der Tag-

banuas, die auf Nach-

barinseln leben (unten).

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Die Welt zeigte Mitgefühl und re-agierte auf die Not in Myanmar.Die Jesuiten, inkognito im Land,

reagierten mit der „Myanmar Rehabilita-tion Initiative“ (MRI). Notfallmaßnah-men, Notunterkünfte, Wiederaufbau vonDörfern und das Programm „Zurück indie Schule“ erhielten volle Aufmerksam-keit. Wir begannen das Leben der Bau-ern zu verstehen. Sie leben in einer qual-

vollen Ironie: Sie, die die Welt ernähren,leben in Hunger. Die Armut dieser Bau-ern wird durch falsche Agrarpreispolitikverursacht: In den meisten Entwicklungs-ländern ist mit dem Verkauf von einemLiter Coca Cola mehr zu verdienen alsmit der Produktion von einem Kilo Reis.Finanzielle Not zwingt die Bauern in dieHände von Kredithaien. Landwirte zah-len bis zu 20% Zinsen monatlich an Kre-dithaie. Diese Schuldenfalle ist Generati-onen übergreifend. Bauern verlieren ihreProduktionsflächen an die Kreditgeber.So zieht der Kreislauf der Armut mono-ton seine Schleifen: Kredit aufnehmen –pflanzen – ernten – Schulden zurückzah-len und wieder Geld aufnehmen. Wenndann auch noch die Natur die Ernte zer-stört, verlieren die Bauern das Land undwerden Landarbeiter, ihre Söhne undTöchter werden Gastarbeiter, sehr oft„Sklaven“ in modernen Betrieben.

Die Hilfsarbeit der Jesuiten mit denBauern in Myanmar begann bereits imJahr 2009. Naturgewalten zerstörtendie Lebensgrundlage unzähliger Bau­ern im fruchtbaren Ayeayerwady Delta.Ein Tropensturm mit einer Wind­geschwindigkeit von mehr als 300Stundenkilometern und 10 Meter ho­hen Sturmfluten tötete rund 150.000Menschen und machte 2,4 Millionen zuFlüchtlingen.

Von der Katastrophenhilfe zurSelbstständigkeit

MYANMAR

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MYANMAR

Der PlanAnfang 2013 wird vom MRI ein Pro-gramm entwickelt mit dem Ziel, verschul-dete Bauern mit liquiden Mitteln auszu-statten. Kreditvereine werden gegründet,die von den Bauerngemeinschaften nachfünf Jahren selbst verwaltet werden sollen.MRI arbeitet in Richtung Gemeinschafts-bildung durch Mobilisierung der Dorf-bewohner, Entwicklungsprogramme fürFrauen, Stärkung der Bildungsinfrastruk-tur (Errichtung von Schulen, Lehreraus-bildung), Bildung von Bauern-Koopera-

tiven, Selbsthilfegruppen und durch dieFinanzierung von Kleinprojekten mit Mi-krokrediten.

Die ArbeitIm Mai 2013 starteten wir das Projekt.120 Bauernfamilien wurden unter Vertraggenommen. Die meisten Dörfer sind vomWirbelsturm zerstört. Der Wiederaufbauist ein mühsamer und schmerzvoller Pro-zess. Es sind traurige Erinnerungen an diegroße Zahl der Toten und Verschwun-denen in den Dörfern. In einem Dorf star-ben 488 Menschen. Ein anderes Dorf hatalle Kinder verloren. Cyril Nay Myo HtetSJ, ein junger Jesuit in Ausbildung, steigtin das Programm ein. Nun wird eine syste-matische Aufbauarbeit möglich: regelmä-ßige Besuche, Gemeindeversammlungenund Schulunterstützungen. Der Name„MRI“ wird den Dorfbewohnern lang-sam bekannt. Der SozialwissenschaftlerDr. Walter Fernandes SJ leitet und beglei-tet die Untersuchung „Auswirkungen derKatastrophe auf die Entwicklung im Del-ta“. Vier Mitarbeiter - unter ihnen zwei Je-suiten - nehmen an diesem wissenschaftli-chen Begleitprojekt teil. Die Arbeit in denDörfern ist auf eine Entwicklung der ar-men Gemeinden ausgerichtet: Kredite,Mobilisierung der Gemeinschaft. Mit Hil-fe des begleitenden Forschungsprojekteswollen wir die Politik auf die Lage derBauern in Myanmar aufmerksam machen.

Der Besuch in den DörfernEine Delegation von Biomin besucht dasProjekt. Die Anreise von Yangon nach La-butta dauert zehn Stunden. Wir habenGlück, dass wir die Erlaubnis des Staateszur Einreise in dieses Gebiet Burmas be-kommen. Nach einer wilden Bootsfahrtauf dem reißenden Pyanmalot Fluss er-reicht das Team Kyaung Su. Die Dorfbe-wohner versammeln sich an der Mole und

Fr. Amal SJ und Cyril SJ

mit einer Bauerngenos-

senschaft (oben).

Gemeinsam in eine

bessere Zukunft

(unten).

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MYANMAR

begrüßen die Besucher mit Liedern. Essind die ersten Ausländer in diesem Dorfund sie werden herzlich empfangen. Ge-meinsam besuchen wir die Felder. Bei ei-ner Versammlung der Dorfgemeinschaftmit den Gästen drücken die Projektteil-nehmer ihre Dankbarkeit aus. Anfragenwerden gestellt. Besonders über die Rück-zahlung der Kredite an die Gemeinschaftwird diskutiert. Schließlich folgt ein üp-piges Mahl. Das Biomin Team ist zutiefstberührt von der Liebe und dem Empfangdurch die Bauernfamilien.

Die Eröffnung der ersten ScheuneIm Dorf Kaniyantabin unterstützt MRIund Biomin den Bau einer Reis-Scheu-ne. Das Fehlen von Lagermöglichkeitenzwingt die Landwirte zum Verkauf derReisernte mit verheerenden Ergebnissen.Die Scheune wurde von der Gemeinschafterrichtet. Das Gebäude wird feierlich er-öffnet. Die Dorfbewohner haben eingroßes Fest vorbereitet und ein buddhisti-scher Mönch segnet die Scheune.

Wir möchten die Zusammenarbeit weiterstärken. Der Besuch hat gezeigt, dass sichdas Projekt gut entwickelt und sich dieArbeit lohnt. Es werden weitere Möglich-keiten angedacht: die Infrastruktur in denDörfern stärken, Landestege, Brücken,Schulen erneuern, die Ausbildung vonFrauen unterstützen. Wir planen, nochmehr Bauern in das Projekt aufzunehmen.

Fr. Amalraj Chinnappan SJ

Herbert Kneissl ist der Marketing Direktor der Firma BIOMIN, diedas Labutta­Landwirtschaftsprojekt der Jesuiten in Burma unter­stützt. Hier ein Gespräch mit ihm nach dem Projektbesuch.

Was waren Ihre ersten Eindrücke?

Es waren sehr ergreifende Momente: die Versammlung der armen Reis-bauern, die für uns gekochten Speisen und die Danksagungen im Ge-meinschaftshaus im Dorf Kyaung Su. Die Freude über unseren Besuch,die freundlichen Gesichter, die Willkommenslieder und der bescheideneStolz mit dem uns die erntereifen Reisfelder gezeigt wurden, bleiben mirin lebendiger Erinnerung.

Myanmar – arme Menschen in einem reichen Land

Die erste Reis-

Scheune wird

eröffnet.

Herbert Kneissl

im Reisfeld.

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MYANMAR

Wie kommt BIOMIN in ein Dorf,das noch nie von einem Ausländerbesucht wurde?

Wir sind ein niederösterreichischesBiotechnologieunternehmen, das na-türliche Futteradditive für die Nutz-tierhaltung produziert, die weltweiterfolgreich vermarktet werden. NebenInnovation, Partnerschaft und Wert-schätzung haben wir auch den Unter-nehmenswert Nachhaltigkeit definiert.Dazu gehört neben Verantwortung fürUmwelt und Wirtschaftlichkeit auchder Bereich soziale Verantwortung. Mit

dem Hauptziel, denÄrmsten unserer Ge-sellschaft zu helfenund Hilfe zur Selbst-hilfe zu geben, werdenseit 2009 Hilfspro-jekte der Jesuitenmis-sion – MENSCHENFÜR ANDERE mitlandwirtschaftlichemBezug in Entwick-lungsländern unter-stützt.

Was ist für Sie alsManager am Pro-jekt in Labuttainteressant?

Es ist ein Projekt füreine unabhängige Zu-kunft in Menschen-würde. Das kleineTeam der Jesuiten inMyanmar unter derLeitung von PaterAmal SJ hat ein nach-haltiges Programmentwickelt, um den

Reisbauern eine gesicherte und un-abhängige Zukunft zu ermöglichen.Seit dem Frühjahr 2013 werden für120 Bauernfamilien in mehreren Dör-fern, die sich in Genossenschaften zu-sammenfinden müssen, Kredite mit2 % Verzinsung zur Verfügung gestellt,kleine Lagerhäuser gebaut und die In-frastruktur - wie die Ausstattung derSchulen - finanziert. Die Kredite müs-sen 3 Jahre lang zurückbezahlt werden,bevor das Geld in die kleinen Genos-senschaften als eigenes Kapital über-tragen wird. Aber jetzt schon werdendurch Maßnahmen, wie Einlagerungder Ernte in die Lagerhäuser und spä-teren Verkauf, wenn die Preise wiedersteigen, zusätzlich Mittel erwirtschaf-tet, um finanziell rasch unabhängig zuwerden.

Welche Chancen geben Sie demProjekt?

Es sind schwierige Bedingungen, aberdie Aussichten sind vielversprechend.Die Situation in den Dörfern ist 5 Jah-re nach dem Zyklon immer noch nichteinfach. Die Bambushütten sind insta-bil, Schweine und Hühner leben unterden Hütten. Strom gibt es nur manch-mal im Gemeinschaftshaus durch ei-nen Generator. Trinkwasser ist Regen-wasser, das in Tonkrügen gesammeltwird. Sanitäre Anlagen gibt es nicht,die Stege sind baufällig. Die Schulen- gebaut aus Holz - wurden zum Teilwieder aufgebaut, aber die Spuren derKatastrophe sind nach wie vor sichtbar.Wir konnten insgesamt 5 Dörfer besu-chen. Überall herrscht Aufbruchsstim-mung. Darin liegt eine große Kraft.

Herbert Kneissl

Labutta

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RECHENSCHAFTSBERICHT

Durch Ihre großzügige Hilfsbereitschaft konnten wir imvergangenen Jahr wieder viele Projekte und Projektpart­ner fördern. Dafür wollen wir Ihnen im Namen aller, denenunser Einsatz ein Leben in Würde ermöglicht, von HerzenDANKE sagen.

Im Jahr 2013 beliefen sich die Einnahmen der JesuitenmissionMENSCHEN FÜR ANDERE auf 2.776.048,26 Euro. Mehr als90% davon kommt unseren sozialen Projekten zugute. Von denProjektüberweisungen 2013 gehen 25,17 % an Projekte in Asien,11,08 % nach Afrika, 6,49 % nach Mittel- und Lateinamerika und57,16 % an Sozialprojekte in Osteuropa und Europa. 6,41 % derEinnahmen wurden für Projektbegleitung und administrative Auf-gaben verwendet.

Das Jahr 2013 war geprägt von einem weiteren Ausbau der Zu-sammenarbeit.

Die Jesuitenmissionen Europas vereinbarten engere Kooperatio-nen bei Katastropheneinsätzen, Freiwilligeneinsätzen (Jesuit Vo-lunteers) und bei der Förderung von strategischen Partnern wiedie Aids-Hilfe (AJAN) und die Flüchtlingshilfe der Jesuiten (JRS).Durch die Bündelung der Kräfte können wir nachhaltiger helfen.

Ruth Zenkert und P. Georg Sporschill SJ haben das Projekt Eli-jah für Roma Kinder in Transsilvanien/Rumänien gestartet. Wirkönnen als Projektpartner und in der Spendenbetreuung behilf-lich sein.

Mit Biomin und der Erber AG konnten wir einige landwirtschaft-liche Projekte unterstützen. Es ist beeindruckend, wie die österrei-chische Firma ihren weltweiten Erfolg für nachhaltige Entwick-lungshilfeprojekte fruchtbar werden lässt.

Mit der Hilfe von Dr. Richard Fischer bauen wir eine technischeSchule in Guatemala: „El Limon“. Die Idee ist durch die Förde-rung den Grundstein zu legen. Die weitere Entwicklung muss dieengagierte und ausgebildete Jugend selbst in die Hand nehmen.

Für jede Unterstützung und Ihre Treue, die unseren globalenEinsatz ermöglicht, bedanken wir uns auf diesem Wege herz­lich. Ihre Hilfe kommt an!

Hans Tschiggerl SJ

Danke für Ihre Hilfe!

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Unsere Projekt

MITTEL UND LATEINAMERIKA

Peru Marcapata GemeinschaftskücheHaiti SchulprojektParaguay Sonidos de la TierraGuatemala Fe y Alegria Gesunde SchuleGuatemala Fe y Alegria Berufsschule El Limon

Summe der Projektüberweisungen:146.602,77 Euro

EUROPA

Rumänien Elijah RomaprojektBulgarien ConcordiaKosovo Loyola GymnasiumBauern für BauernJesuit Development OfficeCanisianum Studienstipendien

Summe der Projektüberweisungen:1.272.000,00 Euro

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ktpartner 2013

ASIEN

Kirgisien Meerim Nuru Licht der BarmherzigkeitKambodscha Banteay Prieb LandwirtschaftsprojektChina Leprosy ServiceChina Luis Gutheinz SJ ForschungsprojektChina Jinde CharitiesChina Diözese Jin XianIndien Andrah Pradesh Dalit ProjektIndien Darjeeling Jesu AshramIndien Darjeeling Gandhi AshramIndien Assam Adivasi ProjektIndien Dumka Provinz Dalit SchulprojektIndien Kalkutta Saju KulturprogrammOsttimor Kasait Schule und LehrerausbildungVietnam Hurtado Center Clean Water ProjektPhilippinen KatastrophenhilfeJRS Landwirtschaftsprojekt für Migranten aus MyanmarJRS SyrienhilfeMyanmar Labutta LandwirtschafsprojektStudienstipendien China Vietnam Osttimor Philippinen

Summe der Projektüberweisungen:926.707,26 Euro

AFRIKA

Südsudan Schule in WauBurundi Landwirtschaftsschule KibimbaBurundi Jezu Mwiza- AJANAfrican Jesuit Aids Network AJANJRS Grands Lacs Goma KriseJRS Malawi FlüchtlingsarbeitJRS Ostafrika Urban RefugeesSimbabwe St Ruperts HospitalSimbabwe Life LinesSimbabwe BrunnenbauSimbabwe Makumbi Wadzanai CenterNiger MaradiKenia St. Joseph the Worker

Summe der Projektüberweisungen:246.657,00 Euro

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RECHENSCHAFTSBERICHT

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Es gibt sie in Spanien undPortugal, in Italien undÖsterreich, in Deutsch-

land und der Schweiz, in Englandund Irland, in Kanada und Aus-tralien: Jesuitenmissionen oderjesuitische NGOs, die Mitgliedim Xavier Network sind. Überdieses interne Netzwerk, das nachdem ersten JesuitenmissionarFranz Xaver benannt ist, tauschenwir uns aus und koordinieren ge-meinsame Projekte. Auch die Ka-tastrophenhilfe zählt seit einigenJahren dazu. Um zu vermeiden,dass unsere Partner vor Ort mitjeder Organisation einzeln kom-munizieren müssen, wählen wirfür die Nothilfe nach bestimm-ten Kriterien eine Mitgliedsor-ganisation aus, die den Kontakthält, sich um den Projektverlauf

und Finanztransfer kümmert unddie anderen Mitglieder über allewichtigen Schritte informiert.

KatastrophenhilfeAuf den Philippinen, in Haiti, Sy-rien, Ägypten, Pakistan oder SriLanka: Wo immer Katastrophenüber Menschen hereinbrechen,dort sind Jesuiten anwesend undbetroffen. Unsere Mitbrüder le-ben und arbeiten vor Ort. Sofort-hilfe und langfristiger Wiederauf-bau sind durch unser weltweitesNetzwerk gut zu organisieren.Das Xavier Network bündelt nundie Bemühungen in Europa, da-mit die Hilfe von uns allen raschund ohne großen Reibungsver-lust ankommt.

Langfristige PartnerschaftIm Dezember war die Jesuiten-mission Nürnberg mit einem klei-nen Team auf den Philippinen,um mit dem jesuitischen Hilfs-und Sozialwerk SLB die nächstenProjektschritte zu planen. Es istbeeindruckend, was SLB in denersten Wochen an Nothilfe gelei-stet hat: In 53 Transporten auf dieInseln Culion, Busuanga, Leyteund Samar wurden knapp 18.000Familienrationen mit Lebensmit-teln und Hygieneartikeln sowieTrinkwasser, Planen, Solarlampenund Medikamente verteilt. Dielangfristige Wiederaufbauarbeitwird SLB hauptsächlich in Cu-lion leisten. Als Xavier Networkwerden wir dabei finanziell undberatend zur Seite stehen.

Hans Tschiggerl SJ

In der Katastrophen­ und Nothilfe stimmen sich Jesuitenmissionen und Hilfswerke des Ordens unter­einander ab und reagieren im Verbund.

Gebündelte Hilfe: Xavier Network

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Ann Kathrin Ott, Freiwillige der Jesu­itenmission in Makumbi, Simbabwe,schreibt uns: „In einer fremden Kulturzu leben, die sich so sehr von meiner ei­genen unterscheidet, stellt eine weitausgrößere Herausforderung dar, als ichdachte.“ Lesen Sie ihren Bericht.

Zwei Tage in der Woche arbeite ichin der Vorschule in Makumbi,die restliche Zeit in anderen Ein-

richtungen, wie zum Beispiel dem „Wad-zanai“, dem Frauenzentrum. Im „Wad-zanai“, das von Polly Chonyera geleitetwird, stehen viele Aufgaben an. Das „GirlChild Project“ dient der Aufklärungsar-beit in Schulen und versucht das Problemdes sexuellen Missbrauchs zu bekämpfen.Wir trocknen mit den Mädchen Mangosoder mahlen Erdnüsse zu Peanutbutter

und verkaufen sie dann auf dem Markt,um etwas Geld zu verdienen.

Ich arbeite auch im „Herbal Center“ mit,das von Sr. Yulita geleitet wird. Dort istgerade Erntezeit. Die Kräuter müssen fürdie Herstellung von Tee getrocknet wer-den. Für HIV-positive Menschen werdenauch schmerzlindernde Salben und anderepflanzliche Medikamente hergestellt, dieden Ausbruch der Krankheit verzögern.

Teure Krankenhäuser ohneFachpersonalAn zwei Nachmittagen in der Woche binich in einem Krankenhaus. Ich versuchemit den Patienten ins Gespräch zu kom-men. Leider sind nur noch wenige dazuin der Lage, denn die meisten Leute kom-men aufgrund der hohen Kosten - 5$pro Tag - erst ins Krankenhaus, wenn esschon fast zu spät ist. Ein bis zwei Mal proWoche kommt ein Arzt in das Kranken-haus. Sonst gibt es nur die Krankenpfle-gerinnen, die das nötige Fachwissen nicht

Hoffen undvertrauen

Der Strom ist

weg! Wir kochen

im Children's

Home den Sadza

draußen auf dem

Feuer.

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haben. Zurzeitbringe ich einemschwer trauma-tisierten Mäd-chen, einer Wai-sen, regelmäßigetwas zu essen.Dafür muss manim Krankenhausextra bezahlen.So sind viele Pa-tienten während

ihres Aufenthalts darauf angewiesen, dassihre Familien sie versorgen.

Gewonnene FreundschaftenVor einigen Monaten habe ich mich mitMai Tsikirai angefreundet, bei der ich im-mer meine Tomaten kaufe. Sie wohnt seitvier Jahren mit ihrer Familie in einemRohbau ohne Dach. Die Krise von 2008hat ihnen die letzten Ersparnisse geko-stet. Die Regenzeit ist jedes Jahr Segenund Fluch zugleich. Der Regen sichertihr Überleben, weil er den Mais und dieKartoffeln bewässert, aber er bereitet ih-nen auch viele schlaflose Nächte, da er dasHaus ständig unter Wasser setzt. Einer ih-rer Söhne hat nun Arbeit gefunden undkümmert sich um das Dach, dafür wirddieses Jahr die Kartoffelernte sehr schlechtausfallen.

Cynthia, die im letzten Jahr in der Vor-schule war, hat die vergangenen vier Jahrebei ihrer Tante in Makumbi gewohnt. IhrVater ist schon lange gestorben und überihre Mutter hört man nur Gerüchte. Cyn-thia hat sich vor ein paar Jahren am Kopfverletzt und leidet seitdem unter Lern-schwäche. Sie ist HIV-positiv. Nun ist siezu ihrer Mutter nach Headcliff gezogen,einem der ärmsten Quartercamps in derUmgebung, wo sie weder in die Schulenoch zu einem Arzt gehen kann.

Möge das Unmöglichemöglich werden!Hier in Simbabwe habe ich Menschenkennengelernt, die ständig in die Kniegezwungen werden. Sie müssen sich alleshart erkämpfen. Doch einige dieser Men-schen besitzen etwas, das unwahrschein-lich wertvoll ist: Hoffnung und Vertrauen.George ist einer dieser Menschen. Er lehrtJugendlichen im „Ruvarashe Trust“ dasSchusterhandwerk. Sein größter Wunschist es, nach Europa zu reisen. Leiderscheint dies unmöglich zu sein: er ist ohneGeld und offizielle Berufsausbildung, kör-perlich behindert, und kommt aus Simb-abwe, einem der ärmsten Länder der Welt.Trotzdem ist er fest davon überzeugt, dasser es eines Tages schaffen wird.

Zur Unterstützung meines Projektesin Makumbi:

Verwendungszweck:Ann-Kathrin Ott, Simbabwe

PSK: 7086326BLZ: 60000BIC: OPSKATWWIBAN: AT52 6000 0000 0708 6326MENSCHEN FÜR ANDERE - Jesuitenaktion

Der Graduation-day von

den Pre-School-Kindern

in Headcliff (oben).

Im "Ruverashe Trust"

bringt George den

Jugendlichen das

Schusterhandwerk

bei (unten).

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ÄGYPTEN

Mursi oder Sisi?“ fragt uns daskleine Mädchen aus der Nach-hilfegruppe, die wir gerade in

einem armen Stadtviertel Kairos besuchthaben. Wir warten an der Straße auf unserAuto, das im chaotischen Verkehr Kairossteckengeblieben ist. Die Umstehendenwerden hellhörig. Kurz sind wir perplexangesichts dieser politischen Gretchen-frage und reden uns dann heraus, dass wirals Ausländer doch gar nicht so gut Be-scheid wüssten über die politische Situa-tion in Ägypten.

In unserer Herbstaussendung 2013 hat Pater Magdi Seif SJ über die Krisensitua­tion in Ägypten berichtet. Seitdem hat sich wieder einiges verändert, wie die dreiMissionsprokuratoren Toni Kurmann (Schweiz), Hans Tschiggerl (Österreich) undKlaus Väthröder (Deutschland) bei ihrem Besuch feststellen konnten.

Begegnungen in Ägypten

Hoffnung, Chaos und PutschDrei Jahre nach der Revolution befindetsich Ägypten weiterhin in einer tiefen Kri-se, deren Ende nicht absehbar ist. Im Ja-nuar 2011 demonstrierten die Menschenauf dem Tahrir-Platz in Kairo für dasEnde der Diktatur von Hosni Mubarakund für eine demokratische Gesellschaft.Nach dem Wahlsieg von MohammedMursi, dem Kandidaten der Muslimbru-derschaft, versank das Land mehr undmehr im Chaos, bis Militärchef AbdelFattah al-Sisi im Juli 2013 gegen Präsi-dent Mursi putschte und ihn ins Gefäng-

»MursioderSisi?«

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nis warf. Die Ambivalenz zwischen demBekenntnis zu rechtsstaatlichen Struktureneinerseits und der Erleichterung anderer-seits, von einer Militärdiktatur vor demEinfluss der Muslimbruderschaft geschütztzu werden, ist überall zu spüren – auch un-ter den Jesuiten und ihren Mitarbeitern.Unter der Herrschaft der Muslimbruder-schaft hatte sich Ägypten immer mehr inRichtung eines fundamentalistischen is-

lamistischen Staates entwickelt, was ins-besondere die Christen, deren Anteil ander Gesamtbevölkerung Ägyptens je nachSchätzung zwischen 6 und 12 Prozent aus-macht, in Angst und Schrecken versetzte.In ihren sozialen und kulturellen Werkensetzen sich die ägyptischen Jesuiten schonseit langem für ein friedliches Miteinandervon Moslems und Christen ein.

Französische Tradition in KairoIn Kairo treffen wir Joseph Mizzi SJ, denLeiter des ehrwürdigen Gymnasiums „Col-lège de la Sainte Famille“, an dem schonder berühmte Wissenschaftler Pierre Teil-

hard de Chardin als junger Jesuit unter-richtet hat. Morgens werden die Schülermit Schulbussen in ganz Kairo eingesam-melt. „Wir halten die französische Tradi-tion weiterhin hoch“, erklärt uns PaterMizzi. „Unser Ruf ist immer noch sehrgut. Aber mit den modernen und be-stens ausgestatten Schulen können wirnicht mithalten. Allerdings muss mandort auch ein Vielfaches von dem bezah-len, was wir an Schulgebühren nehmen.“Beim Rundgang durch die mehr als hun-dertjährige Schule besuchen wir die im-posante Bibliothek, das alte Theater unddie große Kirche.

Leidenschaft für KunstGleich nebenan befindet sich das von Je-suiten gegründete Kulturzentrum „Re-naissance“. Auf den vier Stockwerken istan diesem Abend viel Betrieb und wirtreffen junge Männer und Frauen, Mos-lems und Christen, die den arabischenFrühling aktiv mitgestaltet haben. Victorführt uns durch das Haus: „Wir wollendie Kunst zu den einfachen Leuten brin-gen. Bisher war das ein Privileg der Rei-chen und Gebildeten.“ Wir spüren dieEnergie und Leidenschaft dieser jungenLeute, sei es beim gemeinsamen Produ-zieren eines Animationsfilms oder beimEinüben rhythmischer Tänze im großenSaal.

Brandstiftung in MiniaVon Kairo fahren wir nach Minia. Dortunterhalten die Jesuiten mitten in derStadt ein großes Sozialwerk. Es ist immerviel Betrieb auf dem etwa zwei Hektargroßen Gelände mit seinen 150 Mitar-beitern: eine Schule für 800 Kinder, Kin-dergarten, Einrichtungen für Behinder-te, Kulturzentrum, Theater, Bibliothek,Nachhilfekurse, Pfadfinder, Kirche undJesuitenkommunität. Wir machen einen

Pater Magdi Seif

blättert in einem

der alten Folianten

aus der Schul-

bibliothek in Kairo.

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Rundgang und bleiben vor dem zerstörtenGebäude und den ausgebrannten Fahr-zeugen stehen, die von Muslimbrüdern inBrand gesteckt wurden. „Es war am 14.August, einem Mittwoch. Sie kamen mor-gens und attackierten das Zentrum mitMolotowcocktails“, erzählt der Mitarbei-ter Magdi Asham. „Am Nachmittag ka-men sie wieder, diesmal über die Mauer.Es waren mehr als 200 Männer. Sie nah-men alles mit, was sie tragen konnten, ran-dalierten und zündeten das Haus an. Dasmuss jetzt komplett abgerissen werden.Und die Polizei konnte nicht kommen, dasie auch belagert wurde.“ Sein Blick fälltauf ein verbranntes Spezialmotorrad fürBehinderte. „Das ist alles so sinnlos. Seitso vielen Jahren arbeiten wir gemeinsam,Muslime und Christen, für die Schwa-chen der Gesellschaft.“ Aber seine Stimmeverliert schnell den pessimistischen Ton:„Es wird weitergehen. Viele muslimischeNachbarn haben ihr Bedauern und ihreSolidarität zum Ausdruck gebracht. Undder Direktor unserer muslimischen Part-nerorganisation El Warsha kam am näch-sten Tag und hat uns Geld für den Wie-deraufbau angeboten.“ Trotzdem bleibtdie Verunsicherung. Die Mauern wurdenhöher gezogen und Menschen, die einan-der nicht kennen, begegnen einander mitMisstrauen.

Maßgeschneiderte SchuheAm Nachmittag fahren wir in ein Dorf.Dort hat das Sozialwerk Behinderten ge-holfen, eine kleine Existenz aufzubauen.Wir besuchen den Schuhmacher Ora-bi. Gestützt auf seine beiden Krücken er-wartet er uns schon vor dem Geschäft.Er strahlt über das ganze Gesicht, als wirseine kleine Werkstatt betreten. Aus ei-ner Schublade zieht er ein fertiges PaarSchuhe hervor. „Dafür brauche ich einenTag. Maßgeschneidert! Damit verdiene

ich 15 ägyptische Pfund.“ Umgerechnetist das etwas mehr als 1,50 Euro. „Aberlieber repariere ich Schuhe“, meint Orabiverschmitzt. „Da kann ich noch mehr ver-dienen!“ Man spürt, wie stolz dieser jungeMann auf seine Leistung ist. Ohne Ausbil-dung und Werkstatt wäre Orabi von denAlmosen anderer Menschen abhängig.Nun ist er Unternehmer, kann sein Lebenselbst bestreiten und ist in die Gemein-schaft des Dorfes integriert.

Verbrannte Roll-

stühle in Minia

(oben).

Schuhmacher Orabi

(unten).

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Fehlende Touristen400 Kilometer südlich von Minia liegenArmant und Luxor. In Luxor besuchenwir die archäologischen Ausgrabungenaus der Zeit der verschiedenen Pharao-nendynastien, Zeugnisse einer unterge-gangenen Hochkultur. Auch hier sind dieFolgen der politischen Krise zu spüren.Touristen? Fehlanzeige. Alle Nilschiffe lie-gen vor Anker, das weltberühmte Luxor-Museum hat nur einige Stunden geöffnetund unser Führer hat schon seit Monatennichts mehr zu tun. Hier ist man nichtgut auf die Muslimbruderschaft zu spre-chen, da viele Einwohner vom Tourismusleben. Ähnlich wie in Minia betreibendie Jesuiten in Armant ein Sozialwerk, zudem auch ein Waisenhaus und ein Ärzte-zentrum gehören. Wir kommen mit einerjungen muslimischen Sozialarbeiterin insGespräch. „Das Arbeitsklima bei den Je-

suiten ist gut und ich kann viel lernen“,erklärt sie uns. „Und ich möchte etwas fürdie Armen tun. Am Anfang waren meineEltern dagegen, dass ich bei einer christ-lichen Organisation arbeite. Aber zu Hau-se erzähle ich allen von meiner Arbeit undzeige ihnen Fotos. Nun werden sie immerneugieriger und finden es nicht mehr soschlecht.“

Exerzitien für Muslime und ChristenAm Ende unserer Reise, in Alexandrien,treffen wir den jungen ägyptischen Jesu-iten Atif-Soubhi, der vom Theologiestu-dium aus Paris zurückgekehrt ist und imExerzitienhaus von Mariout mitarbeitet.Er hat gerade zum ersten Mal einen ge-meinsamen Kurs für Moslems und Chris-ten gehalten. „Es gab für die Gruppe so-wohl gemeinsame Meditationsübungenwie auch muslimische Gebete und katho-

Soziale Arbeit in

Armant (oben).

P. Atif-Soubhi,

der seine Exerzi-

tienkurse erklärt

(unten).

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lische Messen, zu denen aber immer alleeingeladen waren und auch tatsächlichteilgenommen haben.“ Ein kleines Expe-riment mit einer klaren Botschaft: die Al-ternative ist nicht nur „Mursi oder Sisi“,wo eine politische oder religiöse Richtungalle anderen beherrscht. Es gibt einen drit-ten Weg für Ägypten, von dem nicht nurdie Jesuiten träumen: ein Miteinander desgegenseitigen Respekts und der wechsel-seitigen Anerkennung.

Klaus Väthröder SJ

Danke für Ihre Unterstützung!

Auf unsere Spendenbitte für die Arbeit der Jesuiten in Ägypten haben wir über 60.000,-Euro erhalten. Wir danken allen Spenderinnen und Spendern! Das Geld fließt in zweiProjekte: in den Wiederaufbau, die Arbeit in Minia und in ein Ferienheim am Roten Meerfür Kinder und Familien aus armen Stadtvierteln.

Das Land am Nil

durchlebt schwere

Zeiten.

Auch im koptischen

Kloster Anaphora,

das an Taizé erin-

nert, gibt es Kurse

für Muslime und

Christen (oben).

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IN KÜRZE

Volksschule des Kollegium Kalksburg sammelt für StraßenkinderKinder der vierten Klassen unterstützen unter Anleitung ihrer Lehrer und derDirektorin Doris Holfeld das Straßenkinderprojekt „Zurück zur Schule“ in Manila. AlsSternsinger zogen sie in jede Klasse. Mit Gedichten und Liedern erinnerten sie an dieSuche der drei Weisen nach dem Gotteskind. Mit den gesammelten € 1.885,60 können41 Straßenkinder versorgt werden. Neben der Ausbildung erhalten sie Schulkleidung,Lehrmittel, warme Mahlzeiten und medizinische Betreuung.

Begegnungsreise nach Simbabwe und Teilnahme am „MAGIS“-ProgrammVom 6.-24. August 2014 machen junge Erwachsene aus Deutschland, Österreich undder Schweiz eine Studien- und Begegnungsreise der Jesuitenmission. Im ersten Teil derReise stehen Projekte der Jesuiten im Bistum Chinhoyi im Mittelpunkt.Ab 15. August: Teilnahme mit ca. 300 weiteren Erwachsenen aus aller Welt, an der„MAGIS“-Begegnung. Im Rahmen des Programms geht es in verschiedene soziale,ökologische oder spirituelle Projekte in Simbabwe, Sambia und Südafrika.Mehr Infos: [email protected]; www.jesuitenmission.at

Exerzitienkurse mit Autobiografischem Schreiben 2014Mag. Monika Tieber-Dorneger, Ökumenische Exerzitienleiterin.www.schreibflow.at, [email protected], +43 676 73 23 294„... begleitet zu werden und zu heilen“ 14. bis 20. Juli 2014

Bildungshaus Stift Zwettl 3910 Zwettl 1„... dass du, Mensch, Wort wirst“ 10. bis 16. August 2014

Exerzitienhaus Werdenfels bei Regensburg93152 Nittendorf, Waldweg 15

„... dass du, Mensch, Wort wirst“ 7. bis 13. Dezember 2014Haus der Stille,8081 Heiligenkreuz am Waasen

Oper „San Ignacio de Loyola“,23. Mai 2014, Jesuitenkirche Wien I, 21:00 UhrIm Rahmen der „Langen Nacht der Kirchen“ wird zum200-jährigen Jubiläum der Wiedererrichtung des Jesuitenordensdie Oper San Ignacio zur Aufführung gebracht. Die Oper zeigtAusschnitte aus dem Leben des Heiligen. Sie war um 1750 inden Missionen des Ordens in Südamerika verbreitet und wur-de zu Festlichkeiten aufgeführt. Die Partitur wurde in Archivenvon San Rafael, Moxos und Santa Ana, Chiquitos in Boliviengefunden. Die Autoren blieben anonym. Sie lässt sich ganz imitalienischen und internationalen Barockstil verorten. Unse-re Aufführung ergänzt die Oper mit Instrumentalmusik vonArcangelo Corelli, der damals auch in den Missionen in derNeuen Welt als Modell-Komponist galt.

Sternsinger für das

Straßenkinderprojekt

„Zurück zur Schule“

in Manila.

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Liebe Leserin, lieber Leser!Diese Spendenbitte möchte ich mit einem großen Dankeschön beginnen. Alsauf den Philippinen der Taifun wütete, war unsere Weihnachtsausgabe schon inder Druckerei. Deshalb konnten wir nur noch einen kleinen Extra-Zettel bei-legen. Dank Ihrer Hilfe konnten wir 54.000,- Euro zur ersten Nothilfe auf denPhilippinen beitragen!

Ich möchte Ihre Spendenbereitschaft nicht überstrapazieren, aber für denWiederaufbau in Culion brauchen wir Ihre weitere Hilfe. Ein Fischerboot ko-stet 325 Euro. Ein Haus schlägt mit 2.500 Euro zu Buche. 1.598 Häuser und458 Boote sind komplett zerstört worden. Sollten einige Dörfer aus Sicherheits-gründen umgesiedelt werden müssen, werden die Kosten weiter steigen. Seitüber 100 Jahren begleiten Jesuiten die Bewohner von Culion. Wir möchtenunseren Projektpartnern und Freunden auf den Philippinen nach diesemSchicksalsschlag langfristig zur Seite stehen. Danke für Ihre Hilfe und Ihre Treue!

Hans Tschiggerl SJMissionsprokurator

UNSERE BITTE: Hilfe für Culion/Philippinen

JesuitenmissionSpendenkontoPSK 7086 326BLZ: 60000BIC: OPSKATWWIBAN: AT52 6000 0000 0708 6326MENSCHEN FÜR ANDEREStichwort: Philippinen

Ihr Spende ist gemäß § 4a Z.3und 4 EstG absetzbar!ZVR-Zahl 530615772 / SO 1345

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JESUITENMISSIONDr. Ignaz Seipel Platz 1, A-1010 WienTel.: +43 1 512 5232 [email protected]: AT52 6000 0000 0708 6326BID: OPSKATWWMENSCHEN FÜR ANDERE

Danke für Ihre Unterstützung!po

wer

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