Heft 1 Januar 2010

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AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ Januar 2010 | Heft 1 Gesellschaft Care Farming: Soziale Leistungen in der Landwirtschaft Seite 4 Agrarwirtschaft Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems Seite 10 Nutztiere Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung: Leistungen der Kälber Seite 18 Agroscope | BLW | SHL | AGRIDEA | ETH Zürich

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Heft 1 Januar 2010

Transcript of Heft 1 Januar 2010

Page 1: Heft 1 Januar 2010

AgrArforschung schweiz

J a n u a r 2 0 1 0 | H e f t 1

Gesellschaft Care Farming: Soziale Leistungen in der Landwirtschaft Seite 4

Agrarwirtschaft Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems Seite 10

Nutztiere Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung: Leistungen der Kälber Seite 18

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Page 2: Heft 1 Januar 2010

3 Editorial

Gesellschaft

4 Care Farming: Soziale Leistungen in der Landwirtschaft

Hans Wydler und Rachel Picard, Forschungs­

anstalt Agroscope Reckenholz­Tänikon ART,

8356 Ettenhausen

Agrarwirtschaft

10 Weiterentwicklung des Direkt­zahlungssystems Simon Lanz et al. Bundesamt für

Landwirtschaft BLW, 3003 Bern

Nutztiere

18 Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung: Leistungen der Kälber

Isabelle Morel und André Chassot, Forschungs­

anstalt Agroscope Liebefeld­Posieux ALP,

1725 Posieux

Umwelt

24 Eine Schwachstellenanalyse der Ökoqualitätsverordnung

Stefan Mann, Forschungsanstalt

Agroscope Reckenholz­Tänikon ART,

8356 Ettenhausen

Kurzbericht

30 Die neue Landschaft einer globalen Landwirtschaft

Urs Gantner, Bundesamt für Landwirtschaft

BLW, 3003 Bern

34 Porträt

35 Aktuell

39 Veranstaltungen

InhaltJanuar 2010 | Heft 1

Soziale Dienstleistungen – als multifunktionaler Aspekt der Land wirt -schaft – erhalten durch die Bindung an den bäuerlichen Familien betrieb und den Kontakt zur Tier- und Pflanzenwelt eine ganz be sondere Qualität. Aktuell werden heute von mindestens 550 Fami lienbetrieben bezahlte soziale Dienstleistungen erbracht. Das Forschungsprojekt von ART unter-sucht Chancen, Schwierigkeiten und Potenzial für landwirtschaftliche Familienbetriebe rund um das Angebot soziale Dienstleistungen. (Foto: Gabriela Brändle, ART)

ImpressumAgrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös­sische Ämter und weitere Fachinteressierte.

HerausgeberinAgroscope

Partnerb Agroscope (Forschungsanstalten Agroscope Changins­Wädenswil

ACW; Agroscope Liebefeld­Posieux ALP und Schweizerisches Nationalgestüt SNG; Agroscope Reckenholz­Tänikon ART)

b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bernb Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, Zollikofenb Beratungszentralen AGRIDEA, Lindau und Lausanne b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich,

Departement Agrar­ und Lebensmittelwissenschaften

Internet www.agrarforschungschweiz.chwww.rechercheagronomiquesuisse.ch

Redaktion Andrea Leuenberger­Minger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agro nomique Suisse, Forschungs anstalt Agroscope Liebefeld­Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E­Mail: [email protected]

Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Changins­Wädenswil ACW, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, E­Mail: [email protected]

Sekretariat Nicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche AgronomiqueSuisse, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld­Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E­Mail: [email protected]

Redaktionsteam Vorsitz: Jean­Philippe Mayor (Direktor ACW), Eliane Rohrer (ACW), Gerhard Mangold (ALP und SNG), Etel Keller­Doroszlai (ART), Karin Bovigny­Ackermann (BLW), Beat Huber­Eicher (SHL), Philippe Droz (AGRIDEA), Jörg Beck (ETH Zürich).

Abonnement Zeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten),inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–** reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch oder [email protected]

Druckerei Glasson Imprimeurs Editeurs SA, 1630 Bulle

ISSN infosISSN 1663-7852 (Print)ISSN 1663-7909 (Internet)Schlüsseltitel: Agrarforschung SchweizAbgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz

© Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion.

Berner FachhochschuleHaute école spécialisée bernoiseSchweizerische Hochschulefür Landwirtschaft SHLHaute école suisse d’agronomie HESA

Agroscope

Page 3: Heft 1 Januar 2010

Liebe Leserin, lieber Leser

Kundenumfragen zeigen es, die Arbeiten von Agroscope werden geschätzt

und gebraucht. Vorausschauend geben sie Antworten auf existenzielle Her­

ausforderungen. Unsere natürlichen Ressourcen, allen voran Boden und

Wasser, sowie die fossilen Energieträger sind begrenzt. Eine nachhaltige

Nutzung der Produktionsfaktoren ist unerlässlich, damit die Land­ und Er­

nährungswirtschaft im ländlichen Raum weiterhin gedeihen können. Das

hat Agroscope erkannt, lange bevor die Schlagzeilen zur Ernährungskrise

die Runde machten. Wer die Ressourcenökonomie am besten beherrscht

und am effizientesten umsetzt, wird zu den Leadern der Zukunft gehören.

Facettenreiche Projekte

Die Projekte von Agroscope sind vielfältig: Weiden im Berggebiet erhalten,

Sorten aus der Genbank im Permafrost lagern, gesunde Inhaltsstoffe in

Früchten und Gemüsen fördern, Informationsplattform für sichere Lebens­

mittel schaffen, nachhaltige Pferdezucht fördern, Ackerbau wettbewerbs­

fähig trimmen, Ammoniak aus Ställen auf der Spur sein... Diese Projekte und

Arbeiten haben im Grunde denselben Zweck: nachhaltig gesunde Nah­

rungsmittel zu produzieren und dabei möglichst wenig Ressourcen zu ver­

brauchen sowie möglichst viel Biodiversität und Landschaft zu schaffen.

Denn schlussendlich geht es darum, unserer Vision einer Land­ und Ernäh­

rungswirtschaft für Mensch, Tier und Umwelt zum Durchbruch zu verhelfen.

Information ist unerlässlich

Die Zeiten des Forschens im stillen Kämmerlein gehören der Vergangenheit

an. Tue Gutes und sprich darüber: Agroscope muss noch vermehrt zeigen,

was sie alles leistet. Information und Kommunikation sind unerlässlich und

heute Teil der Forschungsarbeit. Hier ist Agroscope auf gutem Weg und

wird noch zulegen: mit dem neuen einheitlichen Internetauftritt, mit dem

neuen Jahresbericht und nicht zuletzt mit der neuen zweisprachigen Zeit­

schrift «Agrarforschung Schweiz», in der wir zusammen mit unseren wichti­

gen Partnern in Forschung und Wissensaustausch sachlich und anschaulich

Forschungsergebnisse bekannt machen werden.

Agroscope sucht und pflegt den Kontakt mit den verschiedenen Kunden­

gruppen. Sie vernetzt sich auch international mit Erfolg. Agroscope arbeitet

vermehrt sektoren­übergreifend und multidisziplinär, zum Beispiel mit den

Forschungsprogrammen NutriScope, AgriMontana, ProfiCrops und Profilait.

Dies gilt es in Zukunft noch weiter zu intensivieren.

Nur so wird Agroscope unverzichtbare Partnerin im Agrar­ und Lebens­

mittelbereich bleiben. Ihre Forschung muss rasch zu Antworten auf die

brennenden Fragen von heute beitragen und vorausschauend die Heraus­

forderungen der Globalisierung, des Klimawandels und der Ernährungssi­

cherheit anpacken. Dies setzt einen steten Lern­ und Verbesserungswillen

voraus. Das ist zwar fordernd, aber auch motivierend.

Kommunikation ist das A und O

Manfred BötschDirektor des Bundesamtes für Landwirtschaft BLW

Editorial

3Agrarforschung Schweiz 1 (1): 3, 2010

Page 4: Heft 1 Januar 2010

E i n l e i t u n g

Die gegenwärtige politische Diskussion setzt sich in­tensiv mit multifunktionalen Aspekten der Landwirt­schaft auseinander. Soziale Dienstleistungen tragen in hohem Mass zu Integration, Teilhabe, Wohlbefinden und zur Lebensqualität von betreuten Menschen bei. Die Landwirtschaft erbringt hier Leistungen, die noch zuwenig Beachtung finden. Soziale Dienstleistungen können zwar auch ausserhalb der Landwirtschaft er­bracht werden, sie erhalten aber durch die Bindung an

den bäuerlichen Familienbetrieb eine besondere Qua­lität (Kasten 1). Künftig ist mit einem sich ausweitenden

Markt und einer steigenden Nachfrage nach Sozialen

Dienstleistungen zu rechnen. Sozialpädagogische Inter­

ventionen nehmen gegenwärtig zu. Ebenso steigt die

Zahl der Obhutsentzüge und im Bereich der Pflege und

Betreuung von älteren Menschen kann auf Grund der

demografischen Entwicklung mit einem ansteigenden

Bedarf nach Pflegeplätzen gerechnet werden. Der Be­

reich der Betreuung und Pflege von Menschen mit

Behinderungen befindet sich aktuell in starkem Wandel.

Care Farming: Soziale Leistungen in der Landwirtschaft

G e s e l l s c h a f t

4 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 4–9, 2010

Hans Wydler und Rachel Picard, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8356 Ettenhausen

Auskünfte: Hans Wydler, E-Mail: [email protected], Tel. +41 52 368 32 06

1 Eigene Übersetzung aus dem «Memorandum of Understanding for the implementation of a European Research Action designated as COST 866 ‘Green Care in Agriculture’, 164th CSO Meeting, 29 – 30 March 2006».

Mit sozialen Dienstleistungen in landwirtschaftlichen Fa-

milienbetrieben sind alle Betreuungs-, Pflege-, Erzie-

hungs- und Bildungsangebote gemeint, die in landwirt-

schaftlichen Haushalten erbracht werden. Einen beson-

deren Stellenwert gewinnen diese Angebote, indem der

ländliche Lebenszusammenhang, das ländliche Milieu

und das Sozialumfeld für das Erbringen dieser Leistun-

gen einbezogen werden. So entfaltet die Teilnahme am

Leben und bei der Arbeit auf einem Bauernhof eine spe-

zifische Wirkung. Wichtig sind der Kontakt zur Tier- und

Pflanzenwelt, die Wirkung von Landschaft, das Erleben

von Tages- und Jahreszeitenrhythmus und die Beteili-

gung – nach Kräften und Fähigkeiten – bei den anfallen-

den Arbeiten. Besonderheit erhält dieses Umfeld, durch

die Zahl und Präsenz der Haushaltsmitglieder; durch die

Anschaulichkeit und die ersichtliche Notwendigkeit der

zu erledigenden Arbeiten, durch die mögliche Anpas-

sung der Aufgabenstellung an die Fähigkeiten und Kom-

petenzen der betreuten Person und der damit möglichen

Erfolgserlebnisse und der Sinnfindung. Eine weitere Be-

sonderheit stellt die Art und Weise dar, wie die Mitglie-

der des Haushalts den betreuten und gepflegten Perso-

nen begegnen. Diese Begegnung ist geprägt durch die

Bereitschaft, die Person zu akzeptieren und auch in den

Familienhaushalt zu integrieren. In englischsprachigen

Ländern wird häufig der Begriff von «Green Care» ver-

wendet, Green Care umfasst neben Care Farming aber

weitere Tätigkeitsfelder im Bereich der Gesundheitsför-

derung und Therapie. Eine Definition wurde von

Braastad (2006) vorgelegt: «‘Green care’ meint den Ge-

brauch eines landwirtschaftlichen Familienbetriebs, der

Tiere und Pflanzen, des Garten, des Waldes und der um-

gebenden Landschaft als Grundlage für die Förderung

körperlicher und seelischer Gesundheit, wie auch der Le-

bensqualität verschiedener Zielgruppen».1 Damit sind –

über die Landwirtschaft hinaus – auch professionelle Ak-

tivitäten im Bereich Therapie und Rehabilitation gemeint

(z. B. tiergestützte Therapie oder Gartentherapie). Wei-

tere, meist synonym für Care Farming verwendete Be-

griffe sind: Farming for Health, aber auch Social Farming

(Soziale Landwirtschaft, l’agricoltura sociale,

l’agriculture sociale).

Kasten 1 | Soziale Dienstleistungen – Care Farming und Green Care

Page 5: Heft 1 Januar 2010

In der Schweiz erbringt rund ein Prozent der

bäuerlichen Familienbetriebe Soziale Dienst-

leistungen. Damit gehört die Schweiz bezüg-

lich der Verbreitung mit zu den führenden

europäischen Ländern im Bereich Care Farming.

Zu diesen Dienstleistungen zählen zum

Beispiel betreutes Wohnen und Arbeiten für

Menschen mit Behinderungen auf einem Bau-

ernhof, Familienplatzierungen von Kindern aus

sozial schwierigen Situationen in bäuerlichen

Pflegefamilien oder die Pflege von älteren

Menschen in bäuerlichen Familienbetrieben. In

verschiedenen europäischen Ländern werden

diese Aktivitäten gezielt gefördert und unter-

stützt und verschiedene Forschungsvorhaben

befassen sich mit dem Thema. Dabei sind For-

men, Zielgruppen und Art der Leistungen äu-

sserst vielfältig. Auch in der Schweiz bieten so-

ziale Dienstleistungen den Familienbetrieben

eine mögliche Diversifikationsstrategie mit

grossem Potenzial an. Die Vielfalt von Angebot

und Nachfrage, aber auch die unterschiedli-

chen Formen, wie Familienbetriebe beim Er-

bringen ihrer Leistungen unterstützt werden,

werfen eine Reihe Fragen auf. Diesen Fragen

geht ein Forschungsprojekt von Agroscope Re-

ckenholz-Tänikon ART nach.

Care Farming: Soziale Leistungen in der Landwirtschaft | Gesellschaft

Auch in der Schweiz werden persönliche Pflegebudgets

diskutiert, die sogenannte IV­Assistenz. In den nächsten

Jahren sind alle Kantone gefordert, eine Leitbild für die

Behindertenbetreuung zu schaffen. Soziale Dienstleis­

tungen können als spezielles Angebot mit besonderen

Qualitäten ein zielgruppengerechtes Angebot darstellen.

Wissenslücken füllen

Die Datengrundlage über strukturelle Diversifikation in

der Landwirtschaft – und dazu sind auch Soziale Dienst­

leistungen zu rechnen – ist zur Zeit unzureichend. Insbe­

sondere wenn nicht nur der Betrieb, sondern der ganze

Haushalt betrachtet wird, fehlen aussagekräftige Daten.

Paralandwirtschaft und Soziale Dienstleistungen stan­

den bis anhin wenig im Fokus des Interesses landwirt­

schaftlicher Forschung. Einige Hinweise können aus der

Zentralen Auswertung von Buchhaltungsdaten (ZA) von

ART gewonnen werden: Rund ein Prozent der landwirt­

schaftlichen Betriebe erbringen «Beratungs­ und Pfle­

geleistungen». Werden solche Leistungen erbracht, so

liegt der Erlös (d. h. der Bruttoertrag, in der ZA als Rohl­

eistung bezeichnet) im Rahmen anderer Diversifika­

tionsstrategien wie dem Agrotourismus oder der Direkt­

vermarktung (Abb. 1). Eine Auswertung der Zusatzbe­

fragung der Landwirtschaftlichen Betriebszählung des

Bundesamtes für Statistik BFS zeigt, dass Paraland­

wirtschaft regional sehr unterschiedlich verbreitet ist

(Abb. 2).2 Soziale Dienstleistungen wurden in der Befra­

gung des BFS nicht erfasst, treten aber ebenfalls regio­

nal ungleich verteilt auf.3

M e t h o d e n u n d e r s t e R e s u l t a t e

Befragung «aller» Betriebe mit

Sozialen Dienstleistungen

Ein laufendes Projekt von ART setzt sich zum Ziel, mit

einer Erhebung zum Ist­Zustand solche Wissenslücken in

der landwirtschaftlichen Forschung zu schliessen und

Betreuungsleistungen erfordern viel Geduld, Zeit und Sozialkompetenzen

5Agrarforschung Schweiz 1 (1): 4–9, 2010

2 Die Daten dieser Darstellung stammen aus der Landwirtschaftliche Betriebszählung des Bundesamts für Statistik BFS, das im Jahr 2005 eine Zusatzbefragung zu den Nebentätigkeiten bäuerlicher Familien durchführte.

3 Dies kann aufgrund der im Projekt von ART ermittelten Netzwerke und Familienbetriebe geschlossen werden.

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Page 6: Heft 1 Januar 2010

Gesellschaft | Care Farming: Soziale Leistungen in der Landwirtschaft

6 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 4–9, 2010

das Feld der Sozialen Dienstleistungen in der Schweiz

besser auszuleuchten. Untersucht wird das bezahlte Er­

bringen von Sozialen Dienstleistungen in landwirt­

schaftlichen Familienbetrieben. Nicht untersucht wer­

den Leistungen, die unentgeltlich im Sinne von Freiwilli­

genhilfe oder Nachbarschaftshilfe erbracht werden,

auch wenn solche Leistungen in ländlichen Gebieten

besonders häufig sind (Schmid, 2001). Nach aktuellem

Wissensstand werden heute mindestens in 550 Familien­

betrieben bezahlte Soziale Dienstleistungen erbracht.4

Die meisten dieser Haushalte/Betriebe arbeiten mit ei­

ner Vernetzungs­ und Unterstützungsorganisation zu­

sammen (im folgenden Netzwerk genannt). Verhältnis­

mässig viele aktive Betriebe fanden sich im Kanton Bern.

Das Feld der sozialen Dienstleistungen ist äusserst

vielfältig. Häufig sind unter anderem die Betreuung von

Menschen mit Behinderung oder Familienplatzierungen

von Kindern und Jugendlichen in Problemsituationen.

Diese erfolgt häufig auch in Zusammenarbeit mit einem

Schulheim oder einer Organisation mit eigenem Schul­

angebot. Menschen mit einer Suchtvergangenheit erle­

ben auf einem Familienbetrieb eine Phase der körperli­

chen und seelischen Stabilisierung. Auf Familienbetrie­

ben werden auch ältere Menschen gepflegt und es wird

für Menschen mit Demenz gesorgt.

Die offenbar gute Qualität der geleisteten Arbeit

und möglicherweise auch der attraktive Preis führen ak­

tuell zu einer grossen Nachfrage nach Partnerfamilien.5

Gleichzeitig sind Soziale Dienstleistungen für die bäuer­

25000

20000

15000

10000

5000

0

2003

Handel, Verarbeitung, Direktverkauf (ohne Kelterei), Kostträger

Agrotourismus (Ferien, Schlafen im Stroh, Gastwirtschaft, Reitschule)

Pflege- und Beratungsleistungen

Schule auf dem Bauernhof

2004 2005 2006

Rohl

eist

unge

n in

Fra

nken

Abb. 1 | Rohleistungen aus vier Formen struktureller Diversi fika-tion: Mediane der Betriebe mit Leistungen, 2003 bis 2006 (in Franken).

4 Es ist davon auszugehen, dass weitere Familienbetriebe gefunden werden können.5 Ergebnis von verschiedenen Gesprächen mit Vertreter / innen von Netzwerken.

Quelle: zentrale Auswertung von Buchhaltungsdaten, forschungsanstalt reckenholz-Tänikon ArT; n = 2663 bis 3270, ungewichtete stichprobe, eigene Berechnung

70

60

50

40

30

20

10

0ZH BE

strukturelle Diversifikation

landwirtschaftliche Diversifikation

LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU

Ant

eile

in P

roze

nt

Abb. 2 | Unterschiedliche Verbreitung von Diversifikation (nach Kanton, in Prozent).

strukturelle Diversifikation: Direktverkauf: 22.9 %, Verarbeitung: 17 %, Agrotourismus: 6.8 %, handwerk: 2.9 %, Bearbeitung und Verarbeitung von holz: 2.8 %, sonstige: 4.9 %; landwirtschaftliche Diversifikation: Vertragsarbeiten: 18.7 %, energie: 3.5 %, Aquakultur: 0.2 %. Datenquelle: zusatzbefragung zur Landwirtschaftlichen Betriebsdatenerhebung, 2005; n = 9849, ungewichtete stichprobe, eigene Auswertung.

Page 7: Heft 1 Januar 2010

Care Farming: Soziale Leistungen in der Landwirtschaft | Gesellschaft

7Agrarforschung Schweiz 1 (1): 4–9, 2010

lichen Familien eine grosse Herausforderung, denn es

handelt sich um eine Aufgabe, die viel Engagement, So­

zial­ und Betreuungskompetenz benötigt. Damit diese

schwierige Aufgabe nicht zu Überforderung führt, ist

eine Unterstützung durch die Fachpersonen der Netz­

werke wichtig. Das Forschungsprojekt von ART unter­

sucht, welche Schwierigkeiten sich rund um das Ange­

bot Sozialer Dienstleistungen ergeben und wo die

Chancen und das Potenzial für die landwirtschaftlichen

Familienbetriebe liegen.

Die Erfolgsgeschichte der niederländischen

«Zorgboeren»

Neben der Schweiz gibt es eine Reihe von europäischen

Ländern mit einer beachtlichen Verbreitung von Care Far­

ming: zum Beispiel Belgien, Niederlande und Norwegen.

In diesen Ländern wird Green Care systematisch durch

Supportcenter gefördert. Das Beispiel der Niederlande ist

in der Literatur am besten dokumentiert und wird des­

halb hier ausgeführt.

Care Farming ist in den Niederlanden eine Erfolgsge­

schichte. Bereits vor zehn Jahren konnte ein Nationales

Supportcenter gegründet werden.6 Dieses hat insbeson­

dere in der Anfangsphase wichtige Öffentlichkeits­ und

Unterstützungsarbeit geleistet. Ausserdem beriet es in­

teressierte Familien. Die Qualitätssicherung stellt einen

Schwerpunkt der aktuellen Tätigkeiten des Supportcen­

ters dar. In den Regionen sind im Laufe der Zeit eine Rei­

he von lokalen Netzwerken entstanden, die einen wich­

tigen Teil der Aufgaben übernahmen. Ein Vergleich ver­

schiedener paralandwirtschaftlicher Dienstleistungen

in Holland zeigt, dass Soziale Landwirtschaft im Rahmen

solcher Diversifikationsstrategien äusserst erfolgreich

ist: Sie generiert die grösste Wachstumsrate und die

höchsten durchschnittlichen Erlöse pro Betrieb (Hassink

et al. 2007). Verschiedene Faktoren haben zu dieser Ent­

wicklung beigetragen. Die Sozialhilfe ist so gestaltet,

dass es heute für Menschen mit chronischen Krankhei­

ten und Behinderungen in den Niederlanden möglich

ist, die Versicherungsleistungen in Form eines persönli­

chen Budgets zu beziehen und die entsprechenden Leis­

tungen selber «einzukaufen». Verschiedene Studien so­

wie die Einschätzungen einer sich für Green Care enga­

gierenden Bank sprechen von einem beträchtlichem

Potenzial für die niederländische Green Care.

Europäische Innovationsplattformen zu Green Care

Unterschiedliche geschichtliche Wurzeln und länderspezi­

fische Besonderheiten prägen die Entwicklung von Sozia­

len Dienstleistungen in den Ländern und Regionen Euro­

pas. Die «Community of Praxis (CoP) Farming for Health»

will diese Form von Innovation in Europa verbreiten und

schafft eine Plattform für einen europaweiten Erfahrungs­

austausch sowie für Lobbying für Green Care. Sie wurde

Soziale Dienstleistungen sind vielfältig und unterschei-

den sich stark je nach Angebot und Zielgruppe. Eine rela-

tiv häufige Aktivität in der Schweiz stellt die Betreuung

von Menschen mit Behinderungen dar. Die meisten Sozi-

alen Dienstleistungen in der Schweiz werden in Zusam-

menarbeit mit einem Netzwerk erbracht; dies trifft auch

auf die Betreuung von Menschen mit Behinderungen zu.

So sucht beispielsweise das Netzwerk «Landwirtschaft

und Behinderte» (LuB) für ihre Klienten eine möglichst

optimal passende Partnerfamilie. Besuchstage und

Schnupperwochen ermöglichen ein gegenseitiges sich

Kennenlernen. Eine Probezeit folgt dieser Phase. Die be-

treute gepflegte Person lebt nun während 24 Stunden

an sieben Tagen in der Woche auf dem Hof. In der Regel

wird ein Vertrag für einen bestimmten Zeitraum abge-

schlossen. Die LuB unterstützt die Familienbetriebe in

der Folge durch verschiedene Dienstleistungen und

stellt sicher, dass in Notfällen die notwendigen Mass-

nahmen ergriffen werden. Alle 14 Tage organisiert die

LuB ein Wochenende für ihre Klientinnen und Klienten

in einem regionalen Stützpunkt. Hier habe sie die Mög-

lichkeit, Geselligkeit zu pflegen und Erfahrungen auszu-

tauschen. In der Regel wird auch ein Anlass organisiert

(z. B. eine gemeinsame Besichtigung). Für den Familien-

betrieb stellen diese Wochenenden eine Möglichkeit dar,

Zeit ohne ihre Gastperson zu verbringen. In regelmässi-

gen Abständen besucht eine Fachperson des Netzwer-

kes Familie und die betreute Person. Entwicklungsziele

und Zielerreichung der letzten Standortbestimmung

werden diskutiert und Ziele für die Folgezeit festgelegt.

Kasten 2 | Ein Beispiel: Menschen mit Behinderungen im Familienbetrieben

6 www.landbouwzorg.nl

Page 8: Heft 1 Januar 2010

2004 gegründet und umfasst Forschende, Interessenver­

treterinnen und ­vertreter sowie Personen aus der Praxis.

Stark vertreten in der CoP sind Vertreterinnen und Vertre­

ter verschiedener Therapieformen. Regelmässige Tagun­

gen dienen der Diskussion sowie der Netzwerkbildung.

Die CoP hat die Erforschung und Förderung von Green

Care in den verschiedenen Ländern zum Ziel (Hassink und

van Dijk, Hrsg. 2006; Dessein, Hrsg. 2008). Die beiden fol­

genden Aktivitäten entwickelten sich aus der CoP:

Im 6. EU­Rahmenforschungsprogramm wurde ein

Projekt zu «Social Farming SoFar»7 durchgeführt. Über­

greifende Projektziele lagen in der Förderung von Rah­

menbedingungen für soziale Landwirtschaft und dem

verbesserten Austausch zwischen Forschung und Praxis

(siehe http://sofar.unipi.it). Das Projekt wurde zwischen­

zeitlich abgeschlossen (Di Iacovo und O Conner, Hrsg.

2009).

Aus der CoP wurde auch die «Cost Action 866 Green

Care in Agriculture» im Rahmen der Ausschreibung des

7. EU­Forschungsprogramms initiiert. In dieser Cost­Ac­

tion werden drei thematische Arbeitsgruppen geführt:

• Erfassung von Effekten von Green Care (empirische

Evidenzen),

• ökonomische Bewertung dieser Leistungen und

• die Entwicklung von Policies zur Förderung von

Green Care.

Die COST866 soll insbesondere zur Bildung von For­

schungskooperationen und europäischen Forschungs­

projekten führen (Gallis, Hrsg., 2007).

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Soziale Dienstleistungen sind in der Schweiz wichtiger, als

man auf Grund des eher geringen Bekanntheitsgrads in

der Bevölkerung schliessen könnte. Rund ein Prozent aller

landwirtschaftlicher Betriebe in der Schweiz erbringt so­

ziale Dienstleistungen. Trotz dieser – im Vergleich mit an­

deren Tätigkeiten der Paralandwirtschaft – eher margi­

nalen Verbreitung, ermöglichen soziale Dienstleistungen

den Haushalten einen wichtigen Nebenerwerb.

Die unterschiedliche regionale Verbreitung von Sozia­

len Dienstleistungen weist auf lokale Entwicklungsge­

schichten und Besonderheiten, aber auch auf vorhandene

Potenziale hin. Sollte auf eine weitere Ausschöpfung die­

ses Potenzials hingearbeitet werden, ist das oberste und

wichtigstes Kriterium die Qualität der erbrachten Leistun­

gen. Es geht um das Wohl der Klientinnen und Klienten,

aber auch um jenes der betreuenden Familien. Die bereits

existierenden Netzwerke sind ein gutes Instrumentarium

hierfür. Familienbetriebe müssen aber sowohl bei Ent­

scheidungsfindung als auch bei der Wahl der Netzwerke

mit denen sie kooperieren, unterstützt werden.

Green Care wird als Forschungsgegenstand, wie

auch als Gegenstand staatlicher Politiken in vielen euro­

päischen Ländern sehr ernst genommen. In einigen Län­

dern gibt es eine intersektorale Politik zu Green Care.

Neben den Ländern mit bereits gut etablierten Sozia­

len Dienstleistungen (Belgien, England, Finnland, Nieder­

lande, Norwegen) kann in einigen Ländern ein Aufbruch

festgestellt werden (Bildung von Netzwerken, Start von

Forschungsprojekten, Lobby­Arbeit und Ähnliches) so in

Deutschland, Irland, Italien, Österreich, Schottland.

Diese Entwicklungen sowie erste Erkenntnisse aus

der Forschung von ART lassen darauf schliessen, dass das

Potenzial für Green Care auch in der Schweiz gross ist. Es

gibt in der Schweiz Familienbetriebe, die in der Lage

sind, diese Leistungen zu erbringen und es gibt eine

deutliche Nachfrage nach solchen Leistungen. Förde­

rung und Unterstützung Sozialer Dienstleistungen be­

dürfen eines besseren Wissensstandes und guter Grund­

lagen. ART will mit dem Projekt zu Sozialen Dienstleis­

tungen zur Erarbeitung dieser Grundlagen beitragen. n

8 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 4–9, 2010

Gesellschaft | Care Farming: Soziale Leistungen in der Landwirtschaft

7 Der vollständige Titel lautet: «Social Services in Multifunctional Farms SoFar». SoFar wurde im 6. EU­Rahmenforschungsprogramm als Teil der Forschungspriorität 8.1.B.1.1 – «Modernisation and Sustainability of Agriculture and Forestry, including their multifunctional role in order to ensure the sustainable development and promotion of rural areas» unterstützt. Das Projekt startete im Mai 2006.

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Care Farming: Soziale Leistungen in der Landwirtschaft | Gesellschaft

9Agrarforschung Schweiz 1 (1): 4–9, 2010

Literaturb Braastad B., 2006. COST ACTION 866 Green Care in Agriculture – Draft

Memorandum of Understanding. COST Office, Brussels.b Dessein J., Ed. 2008. Farming for Health. Proceedings of the Community

of Practice Farming for Health, November 2007, Ghent, Belgium. Erasmus-Euroset, Merelbeke (BE).

b Di Iacovo F. & O Conner D., Eds. 2009. Supporting policies for Social Farming in Europe – Progressing Multifunctionality in Responsive Rural Areas. Herausgegeben von ARSIA Ed. 37 LCD, Firenze.

b Gallis C.T., Ed. 2007. Green Care in Agriculture: Health effects, Economics and Policies. Proceedings of the 1st European COST Action 866 conference. Herausgegeben von COST Ed. University Studio Press, Thessaloniki.

b Hassink J. & van Dijk M., Eds. 2006. Farming for Health: Green Care Farming across Europe and the United States of America. Wageningen University and Research Center Ed. 13 Frontis, Wageningen.

b Hassink J., Zwartbol C., Agricola H.J., Elings M. & Thissen J.T.N.M., 2007. Current status and potential of care farms in the Netherlands. NJAS wageningen journal of life sciences 55 (1), 21 – 36.

b Schmid B., 2001. Wer ist in der Schweiz freiwillig tätig? Ergebnisse des Moduls 2000 «Unbezahlte Arbeit». Bundesamt für Statistik BFS, Neuchâtel.

Care farming: prestazioni sociali

nell’agricoltura

In Svizzera l’un per cento circa delle

aziende agricole a gestione familiare

fornisce prestazioni sociali. La Svizzera

risulta essere tra i paesi europei

precursori nel «care farming». Tra

questi servizi sociali rientrano, ad

esempio; la possibilità per i disabili di

vivere e lavorare, assistiti, all’interno

di una fattoria, l’affidamento a fami-

glie contadine di bambini con difficoltà

sociali alle spalle e la cura di anziani

presso aziende agricole a conduzione

familiare. In diversi paesi europei que-

ste attività sono inco raggiate e soste-

nute in modo mirato e diversi progetti

di ricerca sono dedicati a questo tema.

Le forme, i gruppi target e il tipo di

prestazioni sono particolarmente

variati. Anche in Svizzera le prestazioni

sociali offrono alle aziende a gestione

familiare un note vole potenziale in

termini di diversificazione. La varietà

dell’offerta e della domanda, come

pure le diverse forme di sostegno alle

aziende a gestione familiare che forni-

scono simili servizi, pone numerosi

interrogativi ai quali il progetto

di ricerca di Agroscope Reckenholz-

Tänikon ART cerca di rispondere.

Care Farming: Social Services

in Agriculture

Around one per cent of Swiss family

farms provide social services, making

Switzerland one of the leading

countries in Europe for care farming.

Among the services offered, for

example, are assisted living and super-

vised work on a farm for people with

disabilities, the placement of children

from difficult social backgrounds in

farming foster families, and the care

of the elderly on family farms. These

activities are deliberately promoted

and supported in various European

countries, and different research plans

deal with this subject. The forms,

target groups and type of services

provided are exceptionally varied. In

Switzerland as in other places, social

services offer family farms a possible

diversification strategy with great

potential. The diversity of supply and

demand as well as the different man-

ners in which family farms are sup-

ported in providing their services

prompt a whole range of questions

which are currently being examined

in an Agroscope Reckenholz-Tänikon

ART research project.

Key words: care farming, green care,

farming for health, social farming,

farm-household, pluriactivity, agricul-

tural and structural diversification.

Sum

mar

y

Ria

ssu

nto

Page 10: Heft 1 Januar 2010

E i n l e i t u n g

Auslöser für den Bericht des Bundesrates zur Weiterent­

wicklung des Direktzahlungssystems (2009) war eine

Motion der Kommission für Wirtschaft und Abgaben

des Ständerates vom 10. November 2006. Darin wurde

der Bundesrat beauftragt, bis spätestens 2009 einen Be­

richt vorzulegen, der dem Parlament eine Beurteilung

ermöglichen soll, ob das Direktzahlungssystem im Rah­

men einer nächsten Reformetappe anzupassen sei.

Agrarstützung gesunken und entkoppelt

Mit der Reform der Agrarpolitik, welche Anfang der

neunziger Jahre begann, wurde die agrarpolitische

Stützung sukzessive reduziert und entkoppelt (Abb. 1).

Die Gesamtstützung ist seit dem Beginn der Reform

von gut 8 Milliarden Franken auf heute rund 6 Milliar­

den gesunken. Betrug der Anteil der produktgebunde­

nen Stützung (Grenzschutz und Marktstützung inkl. Ex­

portsubventionen) in den Jahren 1990 / 92 noch über 80

Prozent der gesamten Stützung, so ist deren Anteil bis

2008 auf rund 50 Prozent gesunken. Klammert man den

Grenzschutz aus und betrachtet man nur die Stützung

durch Bundesmittel, so zeigt sich die Entkopplung noch

viel ausgeprägter. Während anfangs der neunziger Jah­

re von einem Bundesfranken aus dem Budget für Land­

wirtschaft und Ernährung rund 60 Rappen als Markt­

stützung ausgegeben wurde, sind es heute nur noch 15

Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems

Simon Lanz, Lukas Barth, Christian Hofer und Samuel Vogel, Bundesamt für Landwirtschaft BLW, 3003 Bern

Auskünfte: Simon Lanz, E-Mail: [email protected], Tel. +41 31 322 26 02

A g r a r w i r t s c h a f t

Mit der Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems sollen die Anliegen von Produktion und Ökologie noch besser in Einklang gebracht werden. (Foto: Julien Berberat, Fondation Rurale Interjurassienne)

10 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 10–17, 2010

Page 11: Heft 1 Januar 2010

Die Direktzahlungen sollen künftig

konsequent auf die von der Bevölkerung

gewünschten gemeinwirtschaftlichen

Leistungen der Landwirtschaft ausgerichtet

werden. In einem am 6. Mai 2009

verabschiedeten Bericht schlägt der

Bundesrat eine Weiterentwicklung

des heutigen Direktzahlungssystems

vor. Massnahmen mit unspezifischer

Zielausrichtung sollen durch zielgerichtete

Instrumente ersetzt werden. Dadurch

verbessern sich die Wirksamkeit und die

Effizienz des Direktzahlungssystems.

Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems | Agrarwirtschaft

Rappen. Gleichzeitig ist der Anteil der produktunabhän­

gigen Direktzahlungen an den Bundesausgaben von

rund 25 Prozent auf über 70 Prozent gestiegen.

Die bisherige Reform bringt Verbesserungen

Mit der konsequent verfolgten Strategie, den Grenz­

schutz und die interne Marktstützung zu reduzieren

und die Mittel in die Direktzahlungen umzulagern, wur­

den wesentliche Verbesserungen erreicht (vgl. Abb. 2):

• Der Anteil an naturnah bewirtschafteten Flächen

(Ökoausgleich, biologischer Landbau) hat stark

zugenommen und der Rückgang der Brutvogelarten

im Kulturland konnte aufgehalten werden.

• Die negativen Auswirkungen der landwirtschaft­

lichen Produktion auf die Umwelt wurden reduziert

(z.B. Stickstoff­Verluste –16 %).

• Gleichzeitig wurde die Kalorienproduktion

gesteigert (+5 %), d. h. die Ressourceneffizienz

hat deutlich zugenommen.

• Die tierfreundliche Nutztierhaltung wurde

ausgebaut.

• Insbesondere in peripheren ländlichen Regionen

leistet die Landwirtschaft weiterhin einen wesentli­

chen Beitrag zur dezentralen Besiedlung.

• Die Bauernbetriebe konnten die notwendigen

Investitionen tätigen. Die Kapitalerneuerungsrate

hat sich sogar verbessert.

Entkopplung reicht nicht aus

Die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass die

Entkopplung der Stützung zu namhaften Verbesserun­

gen geführt hat (BWL 2009). Allein die Entkopplung ist

kein Garant dafür, dass die gemeinwirtschaftlichen Leis­

tungen auch tatsächlich effizient und im gesellschaftlich

erwünschten Ausmass bereitgestellt werden. Die agrar­

politischen Ziele können nicht erreicht werden, wenn

die Direktzahlungen ausschliesslich den Charakter von

Kompensationszahlungen aufweisen und über keinen

klaren Leistungsbezug verfügen. Die OECD (2008) hält

fest, dass die Entkopplung nicht das Ende der Reform

der Ag rarpolitik sei und zusätzliche Effektivitäts­ und

Effi zienzverbesserungen durch eine bessere Zielausrich­

tung («targeting») und Feinjustierung der Instrumente

(«tailoring») erreicht werden können (vgl. Kasten 2).

Um eine möglichst hohe Wirksamkeit und Effizienz

der Agrarpolitik beziehungsweise der Direktzahlungen

zu erreichen, ist es unabdingbar, dass konkrete und

überprüfbare Ziele definiert werden und ein klarer Be­

zug zwischen den Zielen und den eingesetzten Instru­

menten hergestellt wird.

10 000

9000

8000

7000

6000

5000

4000

3000

2000

1000

0

1990

1992

1994

1996

1998

2000

2002

2004

2006

2008

produktgebundene Stützung (Grenzschutz und Marktschützung)

übrige Stützung (v.a. Direktzahlungen)

Abb. 1 | Entwicklung der Stützung der Landwirtschaft gemäss OECD (PSE) zwischen 1990 und 2008.

Quelle: oecD

11Agrarforschung Schweiz 1 (1): 10–17, 2010

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Page 12: Heft 1 Januar 2010

in, dass heute alle Direktzahlungen an die leistungsbezo­

genen Kriterien Fläche und Tierzahl gebunden sind, ob­

wohl ein Teil der heutigen Zahlungen nicht die Leis­

tungserbringung, sondern die Sicherstellung einer sozi­

alverträglichen Entwicklung bezweckt. Das führt zu

Rentenbildung und hemmt die Strukturentwicklung (vgl.

Kasten 5). Zudem sind insbesondere die tierbezogenen

Beiträge in Bezug auf ihre Green­Box­Kompatibilität im

Rahmen der WTO als kritisch zu beurteilen.

M e t h o d e

Vorschlag des Bundesrats

Aufgrund dieser Analyse erachtet der Bundesrat eine

Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems als not­

wendig. Im Bericht definiert der Bundesrat für alle ge­

meinwirtschaftlichen Leistungen gemäss Artikel 104 der

Bundesverfassung (Versorgungssicherheit, natürliche

Lebensgrundlagen, Kulturlandschaft, dezentrale Be­

siedlung und Tierwohl) sowie für die Einkommens­

sicherung konkrete und überprüfbare Ziele und macht

einen Konzeptvorschlag für ein konsequent auf diese

Ziele ausgerichtetes Direktzahlungssystem. Die zentrale

Idee des weiterentwickelten Direktzahlungssystems be­

steht darin, dass für jedes Ziel eine spezifische Massnah­

Agrarwirtschaft | Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems

Schwächen des heutigen Systems

Das bisherige Direktzahlungssystem erfüllt diese Anfor­

derungen nur teilweise. Einerseits fehlen für die ver­

schiedenen gemeinwirtschaftlichen Leistungen teilwei­

se klar definierte Ziele und andererseits ist der Zielbe­

zug der Massnahmen teilweise unklar. Während die

ökologischen Direktzahlungen einen klaren Bezug zu

den Zielen im Bereich natürliche Lebensgrundlagen und

Tierwohl aufweisen, bezwecken die allgemeinen Direkt­

zahlungen mit sehr unspezifischen Massnahmen die För­

derung der Versorgungssicherheit und der Kulturland­

schaftspflege sowie die Einkommenssicherung.

Die mangelnde Zielausrichtung hat unerwünschte

Fehlanreize zur Folge: Erstens entsteht aufgrund der Bei­

träge für die Haltung Raufutter verzehrender Nutztiere

(RGVE­Beiträge) und der Beiträge für die Tierhaltung un­

ter erschwerenden Produktionsbedingungen (TEP­Bei­

träge) ein Anreiz zur Ausdehnung der Tierhaltung. Das

führt zu einer Intensivierung mit den damit verbunde­

nen negativen Auswirkungen auf die natürlichen Le­

bensgrundlagen. Seit 2004 nehmen die Rindviehbestän­

de wieder zu (+4 %). Zweitens konkurrieren die RGVE­

Beiträge in unerwünschtem Masse die ackerbauliche

Nutzung, die bezüglich Versorgungssicherheit von zent­

raler Bedeutung ist. Ein weiterer Fehlanreiz besteht dar­

Oft wird in der politischen Diskussion argumentiert, die

Direktzahlungen seien Abgeltungen für die gemein-

wirtschaftlichen d. h. die nicht marktfähigen Leistungen

der Landwirtschaft. Mit dem Markterlös würden die

Landwirte für ihre privaten Güter wie Milch und Getrei-

de entschädigt und mit den Direktzahlungen für die

öffentlichen Güter wie Landschaft und Biodiversität.

Diese klare Trennung zwischen dem Markt für private

und jenem für öffentliche Güter ist jedoch in der Reali-

tät nicht gegeben. Die Multifunktionalität der Landwirt-

schaft zeichnet sich ja gerade durch die enge Kopplung

von privaten und öffentlichen Gütern aus. Bei der

Produktion von (privaten) landwirtschaftlichen Gütern

entstehen positive Externalitäten, die den Charakter

von öffentlichen Gütern haben (gemeinwirtschaftliche

Leistungen). Das Angebot an gemeinwirtschaftlichen

Leistungen würde bei reinen Marktbedingungen unter

der gesellschaftlichen Nachfrage liegen. Die Inlandpro-

duktion wäre deutlich tiefer und würde sich auf Gunst-

lagen konzentrieren (Hättenschwiler und Flury 2007)

mit negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild,

Kasten 1 | Welche Funktionen haben Direktzahlungen?

12 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 10–17, 2010

die Biodiversität und die dezentrale Besiedlung. Mit

den agrarpolitischen Instrumenten generell und insbe-

sondere mit den Direktzahlungen soll dieses Markt-

versagen korrigiert werden. Würden die gemeinwirt-

schaftlichen Leistungen ohne staatliches Eingreifen

erbracht, hätten sie zwar einen Wert für die Gesell-

schaft, aber es würde niemand für die Nutzung der

Leistungen bezahlen. Erst der Umstand, dass eine

Differenz zwischen privatem Angebot und gesellschaft-

licher Nachfrage besteht, macht ein staatliches Eingrei-

fen nötig. Direktzahlungen sind demnach keine Abgel-

tungen, sondern finanzielle Anreize (Finanzhilfen),

mit denen die Erbringung der gemeinwirtschaftlichen

Leistungen gefördert wird (Huber 2003). Das bedeutet

auch, dass die Höhe der Direktzahlungen nicht unab-

hängig ist von den Preisen. Bei hohen Preisen trägt der

Markt beispielsweise mehr zur Offenhaltung der Kultur-

landschaft bei als bei tiefen Preisen. Damit die gemein-

wirtschaftlichen Leistungen erbracht werden, ist somit

je nach Preisverhältnissen eine höhere oder eine tiefere

Förderung mittels Direktzahlungen nötig.

Page 13: Heft 1 Januar 2010

die natürlichen Ressourcen optimal genutzt und in heu­

tigem Ausmass Kalorien produziert werden. Diese Ziel­

setzung würde mit den Kulturlandschaftsbeiträgen al­

lein noch nicht erreicht. Mit den Beiträgen wird eine

landwirtschaftliche Produktion gefördert, die über eine

rein extensive Bewirtschaftung hinausgeht. Dazu müs­

sen Mindestanforderungen sowohl für die ackerbauli­

che Nutzung als auch für die Grünlandnutzung festge­

legt werden (z. B. Mindesttierbesatz auf Grünland). Wei­

ter gleichen Versorgungssicherheitsbeiträge produkti­

onsbedingte Erschwernisse und komparative Kosten­

nachteile der ackerbaulichen Produktion aus und tragen

zur Erhaltung von strategisch wichtigen Kulturen bei.

Die Biodiversitätsbeiträge bezwecken die Erhaltung

und Förderung der Biodiversität. Der Anreiz, qualitativ

wertvolle Flächen als Biodiversitätsförderflächen (heu­

te ökologische Ausgleichsflächen) zu bewirtschaften,

soll erhöht werden, so dass die entsprechenden Ziele

mit diesen freiwilligen Beiträgen erreicht werden kön­

nen. Die Anforderung, im ökologischen Leistungsnach­

weis (ÖLN) pro Betrieb einen Mindestanteil an Biodiver­

sitätsförderflächen auszuscheiden, kann so schrittweise

aufgehoben werden. Zudem werden einmalige Aufwer­

tungsmassnahmen und auf spezifische Zielarten ausge­

richtete Artenförderungsprogramme unterstützt. Bio­

Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems | Agrarwirtschaft

me definiert wird. Tabelle 1 gibt einen Überblick über

die Ziele und die entsprechenden Instrumente und zeigt

auf, mit welchen Indikatoren die Zielerreichung über­

prüft werden soll.

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Gemeinwirtschaftliche Leistungen

Fünf permanente Direktzahlungsinstrumente sollen die

gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft

fördern und langfristig sicherstellen:

Mit Kulturlandschaftsbeiträgen wird die Offenhal­

tung der Kulturlandschaft angestrebt. Die Offenhal­

tung wird erreicht, indem eine flächendeckende land­

wirtschaftliche Nutzung erfolgt (inkl. Sömmerungsge­

biet). Sie dient als Basis für die Erbringung der übrigen

gemeinwirtschaftlichen Leistungen. Die Höhe der Bei­

träge ist so zu bemessen, dass eine extensive Bewirt­

schaftung möglich ist. Die Beiträge werden aufgrund

der natürlichen Erschwernisse nach Zonen und Hangnei­

gung differenziert.

Mit Versorgungssicherheitsbeiträgen soll die Pro­

duktionskapazität für den Fall von Versorgungsengpäs­

sen aufrechterhalten bleiben. Die Erhaltung der Produk­

tionskapazität (Kapital, Know­how) wird erreicht, indem

13Agrarforschung Schweiz 1 (1): 10–17, 2010

Effektivität (Wirksamkeit): Eine Massnahme

gilt als effektiv, wenn die definierten Ziele

damit erreicht werden können.

Effizienz: Eine Massnahme gilt als effizient,

wenn die definierten Ziele mit möglichst

tiefen Kosten erreicht werden.

Targeting (Zielausrichtung): Eine Zahlung

ist dann als zielgerichtet zu betrachten,

wenn sie die spezifischen Soll-Werte eines

definierten Ziels verfolgt und dabei unbe-

absichtigte Transfers und negative Auswir-

kungen auf Dritte (sog. spill-overs)

minimiert (OECD 2007).

Tailoring (massschneidern): Die Höhe und

Dau er einer Zahlung soll genau so bemessen

sein, dass das definierte Ziel erreicht wird.

Anreize, die über das für die Zielerreichung

notwendige Mass hinausgehen, sind zu

vermeiden (OECD 2003).

110

105

100

95

90

85

80

75

70

Inde

x (1

990

/92

= 1

00)

1990/92 1995/97 2000/02 2005/07

Nahrungsmittelproduktion

Brutvogelgarten des Kulturlandes

N-Verluste

Abb. 2 | Entwicklung der Nahrungsmittelproduktion und der Umweltbelastung.

Kasten 2 | Begriffserklärungen

Quellen: sBV, ArT, Vogelwarte

Page 14: Heft 1 Januar 2010

Agrarwirtschaft | Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems

14 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 10–17, 2010

Tab. 1 | Leistungen, Ziele, Massnahmen und Indikatoren

Leistungen und Ziele Massnahmen Indikatoren

Sichere Versorgung der Bevölkerung

Produktionskapazität durch inländische Kalorienproduktion im heutigen Ausmass erhalten.

Versorgungssicherheitsbeiträge: • Basiskomponente:einheitlicheZahlunginallenZonenproha

landwirtschaftlicher Nutzfläche (LN).• Erschwerniskomponente:ZahlungnachZonedifferenziertprohaLN.• Ackerflächenkomponente:einheitlicheZahlungprohaoffeneAckerfläche.

Produzierte Terajoule (TJ) in der Schweiz als Massstab für das Vorhandensein von Infrastruktur.

Mindestausmass an strategisch wichtige Kulturen erhalten.

• Einzelkulturkomponente:einheitlicheZahlunginallenZonenprohaLN einer spezifischen Kultur.

Strategisch wichtige Kulturen (z. B. Ölsaaten, Zuckerrüben, Saatgut) in ha.

Genügend fruchtbaren Kultur boden erhalten.

Quantitativer Bodenschutz: • AusschlussvonFlächeninderBauzonevondenDirektzahlungen(DZ).• VerpflichtungderKantoneoderGemeindenzurMitfinanzierungderDZ

bei hohem Bodenverbrauch.• EinbindungdesquantitativenBodenschutzesindasKonzept

derLandschaftsqualitätsprojekte.

Ackerfähiger Boden in ha.

Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen

Die Landwirtschaft leistet einen wesentlichen Beitrag zur Erhal-tung und Förderung der Bio - d iversität. Teilziel 1: Artenvielfalt und Vielfalt von Lebensräumen.Teilziel 2: Genetische Vielfalt innerhalb der Arten. Teilziel 3: Funktionale Biodiversität.

Biodiversitätsbeiträge: • PermanenteZahlungfürBiodiversitätsförderflächenmitQualität

pro ha LN und im Sömmerungsgebiet.• EinmaligeZahlungfürdefinierteAufwertungsmassnahmen.• EinmaligeundpermanenteZahlungenfürdefinierteArtenförderungs­

massnahmen.• PermanenteZahlungfürfunktionaleBiodiversitätaufProduktionsflächen

(inkl. gesamtbetriebliche Ansätze wie Biolandbau oder integrierte Produktion).

BiodiversitätsförderflächenmitQualitätinha.

Inventarisierung und Sicherung von alten Sorten und Kulturarten.

Bodenfruchtbarkeit (z. B. Humusgehalt, Bodenlebewesen) auf Produktionsflächen.

Natürliche Ressourcen Boden, Wasser und Luft nachhaltig nutzen.

• BeibehaltungdesökologischenLeistungsnachweises(ÖLN)und der weiteren gesetzlichen Bestimmungen.

• WeiterführungderFörderungfreiwilligerUmweltprojekte(regional/sektoral).• BefristeteRessourceneffizienzbeiträge(national).• GeringereNebenwirkungenderpermanentenDZ­Instrumente.

Boden: Schadstoffe, Bodenerosion und Bodenverdichtung.

Wasser: Nitrat, Phosphor, Pflanzenschutz-mittel und Arzneimittel.

Klima und Luft: Treibhausgase, N-haltige Schadstoffe und Dieselruss.

Pflege der Kulturlandschaft

Die Kulturlandschaft durch eine flächendeckende Bewirtschaf-tungoffenhalten(quantitativ).

Kulturlandschaftsbeiträge: • Basiskomponente:einheitlicheZahlunginallenZonenprohaLN.• Erschwerniskomponente:ZahlungnachZoneundHanglagedifferenziert

pro ha LN.• Sömmerungskomponente:ZahlungprogesömmerterNormalstoss.

Landwirtschaftlich genutzte Fläche in ha.

Vielfältige Kulturlandschaften erhaltenundfördern(qualitativ).Die Kantone oder andere regionale Trägerschaften können nach Vorgaben des Bundes entsprechende Qualitätszielefestlegen.

Landschaftsqualitätsbeiträge: • LeistungsbezogeneZahlungenprohaVertragsflächeaufderLNund

im Sömmerungsgebiet.

Vielfältige landwirtschaftlich geprägte Kulturlandschaften.

Konkrete Definition von Zielen und Indikatoren regional durch Trägerschaft.

Dezentrale Besiedlung

Im Sinne der Subsidiarität sollen Kantone mit besiedlungs-gefährdeten Gebieten eigene Ziele bezüglich dezentraler Besiedlung festlegen.

• Basis:FörderungüberandereDirektzahlungsinstrumente• SpezifischeFörderungüberInvestitionshilfen.

Konkrete Definition von Zielen und Indikatoren regional durch Kantone.

Tierwohl

Möglichst hohe Beteiligungen bei besonders tierfreundlichen Haltungssystemen erreichen (Richtgrösse: 80 %).

Tierwohlbeiträge:• BTS:permanenteZahlungenproGVE.• RAUS:permanenteZahlungenproGVE.Höhere Investitionshilfen für BTS.

Beteiligungsrate an den Programmen:

– Besonders tierfreundliche Stallhaltungs systeme (BTS).

– Regelmässiger Auslauf im Freien (RAUS).

Einkommenssicherung

Die Erbringung der gemein-wirtschaftlichen Leistungen langfristig sicherstellen.

Steuerung über Höhe der leistungsbezogenen DZ. Kapitalerneuerungsrate.

Finanzielle Stabilität.

Soziale Notlagen aufgrund von Veränderungen der agrar-politischen Rahmenbedingungen verhindern.

Anpassungsbeiträge: • BefristetepersonengebundeneZahlungenalsDifferenzderDZ

vor und nach der Reform.

Strukturwandel (Veränderung Anzahl Betriebe und Arbeitskräfte).

Anteil Bauernhaushalte unter dem Existenzminimum.

Page 15: Heft 1 Januar 2010

diversitätsbeiträge werden auf der landwirtschaftlichen

Nutzfläche und neu auch im Sömmerungsgebiet ent­

richtet. Die Umsetzung der nationalen Inventare auf

diesen Flächen wird künftig zusammen mit dem Vollzug

der Biodiversitätsbeiträge erfolgen. Zur Erhaltung der

funktionalen Biodiversität (Bodenfruchtbarkeit, natürli­

che Schädlingsregulierung) auf der Produktionsfläche

soll der Verzicht auf den Einsatz von gewissen Pflanzen­

schutzmitteln oder Mineraldüngern gefördert werden.

Gesamtbetriebliche Ansätze, die langfristig auf solche

Produktionsmittel verzichten, können so weiterhin spe­

zifisch gefördert werden (z. B. Biolandbau oder integ­

rierte Produktion).

Landschaftsqualitätsbeiträge tragen zur Erhaltung,

Förderung und Weiterentwicklung vielfältiger Kultur­

landschaften mit ihren spezifischen regionalen Eigenhei­

ten bei (z. B. Waldweiden). Landschaftsziele werden auf

regionaler Ebene durch Trägerschaften in einem partizi­

pativen und sektorübergreifenden Prozess festgelegt.

Die Bewirtschafter schliessen mit der Trägerschaft Be­

wirtschaftungsvereinbarungen ab; diese werden vom

Bund geprüft und bewilligt. Der Bund richtet einen Ein­

heitsbeitrag an die Trägerschaft aus, die die leistungsbe­

zogene Verteilung im Projekt selber vornimmt.

Mit Tierwohlbeiträgen wird eine möglichst hohe Be­

teiligung an Programmen zur Förderung besonders tier­

freundlicher Produktionsformen angestrebt. Die be­

währten Programme besonders tierfreundliche Stallhal­

tungssysteme (BTS) und regelmässiger Auslauf im Frei­

en (RAUS) sollen weitergeführt werden. Die Beitragshö­

he richtet sich nach den einmaligen und permanenten

Mehrkosten der besonders tierfreundlichen Haltungs­

systeme, wobei die am Markt erzielbaren Mehrerlöse

berücksichtigt werden.

Die dezentrale Besiedlung wird indirekt über die

Ausrichtung der vorgeschlagenen Direktzahlungsbei­

träge gefördert. Von besonderer Bedeutung sind dies­

bezüglich die Kulturlandschafts­ und Versorgungssi­

cherheitsbeiträge, die je eine Komponente für den Aus­

gleich von natürlichen Erschwernissen enthalten. Eine

spezifische Unterstützung soll nicht über Direktzahlun­

gen, sondern über Strukturverbesserungsmassnahmen

erfolgen, da letztere besser geeignet sind, lokale Initia­

tiven zur Erhöhung der Wertschöpfung zu fördern.

Nachhaltige Ressourcennutzung

Damit die natürlichen Ressourcen nachhaltig genutzt

werden, ist der ÖLN weiterhin Voraussetzung für die

Ausrichtung von Direktzahlungen. Daneben sollen die

freiwilligen, regionalen Projekte zur Vermeidung von

negativen Externalitäten und Steigerung der Ressour­

ceneffizienz nach Artikel 62a Gewässerschutzgesetz und

Artikel 77 a und 77 b Landwirtschaftsgesetz weiterge­

führt werden. Als zentrales Element zur Reduktion bzw.

Schliessung der bestehenden Ziellücken im Umweltbe­

reich werden befristete Ressourceneffizienzbeiträge

eingeführt. Damit soll die breitflächige Einführung von

bewährten ressourcenschonenden Techniken gefördert

werden. Die Umweltwirkung muss über die Dauer der

Beitragszahlung hinaus erhalten bleiben. Eine Möglich­

keit dazu besteht darin, die Anwendung der entspre­

chenden Technik als gute landwirtschaftliche Praxis nach

Ablauf der Förderung im ÖLN zu verankern.

Der Erhaltung von fruchtbarem Kulturboden nicht

nur in qualitativer sondern auch in quantitativer Hin­

sicht kommt künftig eine zentrale Bedeutung zu. Des­

halb sollen die Direktzahlungen mit den Instrumenten

der Raumplanung verknüpft und so die Anreize zur Ver­

siegelung von landwirtschaftlich genutzten Flächen re­

duziert werden (z. B. Ausschluss von Flächen in der Bau­

zone von den Direktzahlungen).

Sozialverträgliche Entwicklung

Mit Anpassungsbeiträgen soll eine sozialverträgliche Ent­

wicklung gewährleistet werden. Sie bemessen sich nach

der Differenz zwischen den Direktzahlungen, die ein Be­

trieb vor und jenen, die er nach der Umsetzung der Re­

Abgesehen davon, dass Biobetriebe über

die verschiedenen Einzelinstrumente Direkt-

zahlungen erhalten, soll auch der gesamt-

betriebliche Ansatz des Biolandbaus weiter-

hin mit Direktzahlungen gefördert werden.

Der wesentliche Zusatznutzen der Bio-

Gesamtbetrieblichkeit liegt im Bereich der

funktionalen Biodiversität. Durch den

Verzicht auf den Einsatz von chemisch-syn-

thetischen Pflanzenschutzmitteln und Mineral-

düngern wird die Bodenfruchtbarkeit auf den

Produktionsflächen positiv beeinflusst. Das

gleiche gilt auch für andere Produktionssys-

teme, die langfristig auf den Einsatz dieser

Produktionsmittel verzichten wie beispiels-

weise die integrierte Produktion. Der Bund

soll also auch weiterhin Produktionsformen,

die besonders naturnah, umwelt- und

tierfreundlich sind, mit wirtschaftlich lohnen-

den Anreizen fördern. Biobeiträge sind

vollumfänglich in das neue Konzept integriert.

Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems | Agrarwirtschaft

15Agrarforschung Schweiz 1 (1): 10–17, 2010

Kasten 3 | Ist Bio drin?

Page 16: Heft 1 Januar 2010

form erhält. Die Beiträge sind vollständig von der Produk­

tion entkoppelt und werden personengebunden ausge­

richtet. Sie sind befristet und sollen in sozialverträglichem

Rhythmus abgebaut werden. Mit der klaren Trennung

zwischen Instrumenten zur Leistungsförderung und zur

Sicherstellung einer sozialverträglichen Entwicklung kön­

nen die strukturhemmenden Fehlanreize der heutigen

Direktzahlungen stark reduziert werden.

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Das vorgeschlagene Direktzahlungssystem bietet ge­

genüber dem aktuell geltenden folgende Vorteile:

• Dank der klaren Zielausrichtung wird die Effektivität

des Direktzahlungssystems gesteigert.

• Die Effizienz wird verbessert, so dass die definierten

Ziele besser erreicht werden als bisher.

• Die stringente Zuordnung von Leistungen, Zielen,

Massnahmen und Indikatoren erhöht die Transparenz

und damit die Steuerbarkeit durch die Politik.

• Die Kommunizierbarkeit der Direktzahlungen wird

erhöht. Sowohl die Steuerzahlenden als auch die

Bäuerinnen und Bauern verstehen besser, weshalb

Direktzahlungen ausgerichtet werden.

• Strukturelle Fehlanreize des heutigen Systems

werden mit der klaren Trennung von leistungs­ und

transferorientierten Zahlungen (Anpassungsbeiträ­

ge) eliminiert. Dadurch steigt die Flächenmobilität

und die Wettbewerbsfähigkeit verbessert sich.

• Die Green­Box­Tauglichkeit des Direktzahlungs­

systems wird verbessert. Zudem liegt der Vorschlag

in der Stossrichtung der agrarpolitischen Weiterent­

wicklung in der EU.

Die stärkere Zielorientierung birgt gleichzeitig die

Gefahr eines höheren Vollzugsaufwands. Dem Aspekt

des Vollzugs ist daher bei der Umsetzung des Konzepts

besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Weiteres Vorgehen

Der Bericht und das vorgeschlagene Konzept werden

gegenwärtig in den zuständigen parlamentarischen

Kommissionen diskutiert. Am 16. Oktober 2009 hat die

Kommission des Ständerats eine Motion eingereicht, die

den Bundesrat beauftragt, den Konzeptvorschlag zu

konkretisieren und dem Parlament bis Ende 2011 eine

Botschaft zur Änderung des Landwirtschaftsgesetzes zu

unterbreiten (Motion 09.3973). n

Agrarwirtschaft | Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems

16 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 10–17, 2010

Internationale Vergleiche zeigen, dass die Schweizer

Landwirtschaft weiterhin über ein Potenzial zur

Steigerung der Effizienz und zur Senkung der Kosten

verfügt (Schmid 2009). Mit der Agrarpolitik sollen die

Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass diese

Verbesserungspotenziale genutzt werden. Im Konzept

ist dazu vorgesehen, die Förderung der gemeinwirt-

schaftlichen Leistungen klar von der Sicherstellung

einer sozialverträglichen Entwicklung zu entkoppeln.

Dies geschieht über die Ein führung der Anpassungs-

beiträge. Diese sollen schrittweise reduziert und die

frei werdenden Mittel im Zuge weiterer Marktöffnun-

gen zu den anderen, leistungsbezogenen Instrumen-

ten umgelagert werden. Der Bundesrat beabsichtigt,

die Landwirtschaft auch künftig mit Mitteln in der

heutigen Grössenordnung zu unterstützen.

Kasten 4 | Effizienzverbesserungspotenziale und Anpassungsbeiträge

Page 17: Heft 1 Januar 2010

Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems | Agrarwirtschaft

Ulteriore sviluppo del sistema

dei pagamenti diretti

In futuro, i pagamenti diretti saranno

orientati in maniera più coerente verso

le prestazioni d’interesse pubblico

fornite dall’agricoltura e auspicate

dalla popolazione. In un rapporto

varato il 6 maggio 2009 il Consiglio

federale propone uno sviluppo dell'at-

tuale sistema dei pagamenti diretti.

Le misure senza finalità specifiche

saranno sostituite da nuovi strumenti

mirati con conseguente miglioramento

dell’efficacia e dell’efficienza del

sistema.

Development of the

Swiss Direct Payments System

In the future, direct payments shall

target consistently the public services

provided by agriculture as requested

by society. In its report of 6th May

2009, the Federal Council proposed a

modification of the current system of

direct payments. Measures without

specific aims are to be replaced by

targeted tools. Thus the effectiveness

and efficiency of the direct payments

system will be improved.

Key words: agricultural policy,

multifunctionality, direct payments,

targeting, reform.

Ria

ssu

nto

Literaturb Bundesrat, 2009. Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems, Bern.b BLW, 2009. Die Schweizer Landwirtschaft im Aufbruch. Das neue

Landwirtschaftsgesetz – eine Bilanz nach zehn Jahren, Bern.b Hättenschwiler P. & Flury C., 2007. Beitrag der Landwirtschaft

zur Ernährungssicherung. Agrarforschung 14 (11 – 12), 554 – 559.b Huber A. J., 2003. Direktzahlungen sind Subventionen.

Blätter für Agrarrecht 37.

b Mann S., 2008. Was hat es auf sich mit der Flächenmobilität? Agrarforschung 15 (9), 464 – 469.

b OECD, 2003. Multifunctionality – The Policy Implications. Paris.b OECD, 2007. Policy Design Characteristics for Effective Targeting: Paris.b OECD, 2008. Synthesis Report: Policy Design and Implementation. Paris.b Schmid D., 2009. Schweiz – Baden-Württemberg:

Ein Produktivitätsvergleich. Agrarforschung 16 (4) 52 – 57.

Haupteinflussfaktor für die Flächenmobilität ist gemäss

Mann (2008) die Gesamtstützungshöhe der Landwirt-

schaft (Grenzschutz, Marktstützung, Direktzahlungen),

also die Frage, wie interessant es ist, eine Hektare Land

zu bewirtschaften. Jeglicher Stützungsabbau fördert

daher die Flächenmobilität. Die heutigen Direktzahlun-

gen werden überwiegend flächenbezogen ausgerichtet.

Aufgrund der Förderlimite bei den RGVE- und den TEP-

Beiträgen sind über 90 Prozent der heutigen Direktzah-

lungen flächengebunden. Die Flächenbindung nimmt

mit dem Vorschlag des Bundesrates nicht zu. Teilweise

wird die Einführung einer Zahlung pro Standardarbeits-

kraft (SAK) gefordert. Damit würden die Mittel jedoch

verstärkt in arbeitsintensive Betriebszweige (Spezial-

kulturen, Milch) fliessen. Die Konkurrenz um Flächen

innerhalb dieser so vermehrt gestützten Betriebszwei-

ge würde zunehmen, so dass sich die Flächenmobilität

nicht verbessert. Wichtiger als das Bezugskriterium

(Fläche, Tiere, SAK) ist, dass Direktzahlungen richtig

bemessen und auf die Ziele ausgerichtet sind. Genau

das schlägt der Bundesrat mit seinem Konzept vor.

Mit der Einführung von Anpassungsbeiträgen können

zudem Fehlanreize und Renten des heutigen Systems

stark reduziert werden, was insgesamt die Flächen-

mobilität erhöht.

17Agrarforschung Schweiz 1 (1): 10–17, 2010

Kasten 5 | Wird die Flächenmobilität durch die Flächenbindung gehemmt?

Sum

mar

y

Page 18: Heft 1 Januar 2010

E i n l e i t u n g

Das in der Schweiz produzierte Kalbfleisch stammt in erster Linie von Milchkuh­Kälbern, die in spezialisier­ten Betrieben oder in Milchviehbetrieben zur Verwer­tung der Überschussmilch gemästet werden. Wegen der hohen Spezialisierung der für die Milchproduktion bestimmten Kühe ist die Schlachtkörperqualität der Tiere häufig ungenügend. Ausserdem wird bei dieser Produktionsform von Seiten der Konsumentinnen und Konsumenten manchmal wegen des erhöhten Anti­

biotikaeinsatzes Kritik laut. Aufgrund dieser Proble­matik hat die Vereinigung «Mutterkuh Schweiz» zu­sammen mit ihren Haupthandelspartnern ein Projekt zur Förderung der Kalbfleischproduktion in Betrieben mit Mutterkuhhaltung erarbeitet. Diese Produktion erlaubt es, dass die Kälber bei ihren Müttern aufwach­sen. Obwohl diese Produktionsform in Frankreich recht geläufig ist, musste sie an Schweizer Verhältnisse an­gepasst werden. Die Anpassung erfolgte anhand von Erfahrungen, die auf etwa 20 Pilotbetrieben und im Rahmen eines Versuchs von Agroscope Liebefeld­Posi­

Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung: Leistungen der Kälber

N u t z t i e r e

Diese zwei dreieinhalb Monate alten Kälber stammen vom selben Charolais-Vater. Das Kalb links hat eine F1-Mutter (Red Holstein x Limousin), dasjenige rechts eine Angus-Mutter.

18 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 18–23, 2010

Isabelle Morel und André Chassot, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, 1725 Posieux

Auskünfte: Isabelle Morel, E-Mail: [email protected], Tel. +41 26 407 71 11

Page 19: Heft 1 Januar 2010

eux ALP gesammelt wurden. Ziel des ALP­Versuches war, die Mast­ und Schlachtleistungen der Kälber je nach Kreuzungstyp zu vergleichen und den Fütte­rungsstatus der Kälber zu bewerten.

M e t h o d e

Versuchsdurchführung

Die Versuchsbedingungen des bei ALP durchgeführten

Versuchs werden in Tabelle 1 wiedergegeben.

Der Versuch hatte das Ziel, die Machbarkeit

einer Kalbfleischproduktion mit Kälbern

aus Mutterkuhhaltung unter Schweizer Bedin-

gungen zu untersuchen. Dabei wurden die Leis-

tungen der Kälber je nach Kreuzungstyp

ihrer Mütter miteinander verglichen sowie

der Fütterungsstatus der Kälber in Abhängigkeit

davon, ob sie Zugang zur Futterration

ihrer Mütter hatten oder nicht. Der Versuch

erfolgte mit 45 Kuh-Kalb-Paaren, welche

auf drei Kreuzungstypen aufgeteilt wurden

(Rasse Mutter x Rasse Vater): Angus x Charolais

(AN), F1 (=Red Holstein x Limousin) x Charolais

(F1) und Limousin x Charolais (LI). Die Tiere

wurden entweder in einem Mehrraumlaufstall

gehalten, in welchem die Kälber keinen Zugang

zu den Futterkrippen ihrer Mütter hatten oder

in einem halboffenen Einraumlaufstall, in wel-

chem die Kälber auch die Ration ihrer Mütter

verzehren konnten. Die Kälber wurden im

Durchschnitt mit einem Lebendgewicht von

249 kg im Alter von fünf Monaten und zehn

Tagen geschlachtet und hatten dabei einen mitt-

leren Tageszuwachs von 1250 g erzielt. Mehr als

90 % der Tiere wurden in Bezug auf ihre Fleischig-

keit den CH-TAX Kategorien C und H zugeordnet

bei einer mittleren Fettabdeckung von 2,3. Die

Fleischfarbe war bei 44 % der Kälber rosa und

bei den übrigen Tieren rot. Das Haltungssystem

beeinflusste den durchschnittlichen täglichen

Heu- und Getreideverzehr ebenso wie den

Tageszuwachs deutlich. Tendenzielle oder signifi-

kante Unterschiede wurden auch zwischen

den Kreuzungstypen festgestellt. Auf der

Basis dieser Mast- und Schlachtleistungsergeb-

nisse kann diese Produktionsweise als praxis-

tauglich betrachtet werden.

Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung: Leistungen der Kälber | Nutztiere

19Agrarforschung Schweiz 1 (1): 18–23, 2010

Tab. 1 | Versuchsbedingungen

Faktoren Haltungssystem (siehe Abbildung 1)GF = Mehrraumlaufstall

mit für die Kälber geschlossener Futterkrippe der Mütter

OF = Einraumlaufstall mit freiem Zugang der Kälber zur Futterkrippe der Mütter (offene Futterkrippe)

Kreuzungstypen(Rasse Mutter x Rasse Vater)AN = Angus x CharolaisF1 = F1 (RH* x Limousin)

x CharolaisLI = Limousin x

Charolais

*RH = Red Holstein

Anzahl Tiere GF = 15 Kuh-Kalb Paare; OF = 30 Kuh-Kalb Paare

AN, F1 und LI: für jeden Typ 15 Kuh-Kalb Paare

Mütter Alle mindestens in der zweiten Laktation.Ration: Mischung aus Grassilage und Heu in je nach mittlerem Laktationsstadium der Herde variierenden Anteilen, ad libitum

Kälber: Rationen Freier Zugang zu den Müttern.Heu ad libitum in Raufen an einem dafür reservierten Ort. Getreidemischung (Maisflocken: Gersteflocken, 50 : 50) ad libitum über den KFA* gegebenLeckstein für Mineralstoff- und Vitaminzufuhr

*KFA = Kraftfutterautomaten

Kälber:Gesundheit

Prophylaktische Behandlung gegen die Weissmuskelkrankheit. Je nach Hämoglobingehalt (Hb) differenzierte Eisenzufuhr (Fe) in Form einer Paste bei der Geburt und im Alter von 4 Wochen, wennHb<9g/dl(maximalbiszur4.Lebenswoche)

Schlachtungen Zeitpunkt:• MaximalesSchlachtgewichtohneAbzug,

Schätzung gemäss Lebendgewicht • Maximal6Monatealt

Versuchsparameter Heuverzehr (gruppenweise wöchentliche Erhebung), Getreideverzehr (individuelle tägliche Erhebung) und Mineralstoffe (gruppenweise Erhebung).Lebendgewicht bei der Geburt, anschliessend alle 2 Wochen sowie bei der Schlachtung.Schlachtkörperqualität:ErgebnisgemässCH­TAX Bewertung auf dem Schlachthof. Gesundheit und Vitalität: Überwachung der Eisenversorgung (Hb) und anderer Blutparameter; Kalbungsprotokolle; Protokolle veterinärmedizini-scher Behandlungen.

Abb. 1 | In einem der Haltungssysteme (GF) hatten nur die mit einem Chip ausgerüsteten Kühe Zugang zur Futterkrippe (links), wohingegen sich die Kälber im Einraumlaufstall (OF) an der Futter-krippe der Mütter bedienen konnten (rechts).

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Page 20: Heft 1 Januar 2010

20 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 18–23, 2010

1800

1600

1400

1200

1000

800

600

400

200

0

9 (5

8)

23 (7

6)

37 (9

2)

51 (1

06)

65 (1

21)

79 (1

36)

93 (1

50)

107

(169

)

121

(189

)

135

(204

)

149

(220

)

163

(230

)

177

(239

)

TZ, g

Alter, Tage (durchschnittliches Lebendgewicht, kg)

AN

F1

LI

3

2.5

2

1.5

1

0.5

0109 116 124 132 140 148 156 165 174 184 194 204 214 224 235

Get

reid

e, k

g/T

ag

Lebendgewicht, kg

GF

OF

Abb. 2 | Entwicklung des Tageszuwachses (TZ) je nach Kreuzungstyp.

Abb. 3 | Getreideverzehr in Abhängigkeit von Gewicht und Haltungssystem.

Nutztiere | Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung: Leistungen der Kälber

R e s u l t a t e

Verlauf der Abkalbungen

Die Abkalbungen erfolgten in 84 % aller Fälle ohne Hil­

fe, in 9 % der Fälle mit leichtem Zug und in 7 % der Fälle

mit mittlerem Zug. Ein einziges Kalb starb bei einer Zwil­

lingsgeburt, bei welcher der andere Zwilling überlebte.

Das mittlere Geburtsgewicht der Kälber betrug 47,2 kg,

ohne nennenswerte Unterschiede zwischen den ver­

schiedenen Kreuzungstypen.

Wachstum der Kälber

Von der Geburt bis zur Schlachtung erreichten die Käl­

ber bei einem durchschnittlichen Lebendgewicht von

249 kg einen mittleren Tageszuwachs von 1250 g in 163

Tagen (5 Monate und 10 Tage). Es wurde ein signifikan­

ter Einfluss des Haltungsystems nachgewiesen (mit Zu­

gang (OF = offene Futterkrippen) oder ohne Zugang

(GF = geschlossenen Futterkrippen) zu den Rationen der

Mütter). Das OF­System erwies sich bei einer um 13 Tage

kürzeren Mastzeit mit 1280 g Tageszuwachs gegenüber

1188 g im GF­System als vorteilhafter (P = 0.005). Hinge­

gen beeinflusste der Kreuzungstyp die Wachstumsge­

schwindigkeit nicht in signifikanter Weise, wie aus Ab­

bildung 2 hervorgeht. Die Kurven der Zuwachsentwick­

lung zeigen, dass der durchschnittliche Zuwachs wäh­

rend der ersten drei Lebenswochen zwischen 1200 und

1300 g pro Tag liegt, um anschliessend bis zum Alter von

etwas mehr als drei Monaten auf 1000 – 1100 g/T zu sin­

ken, welches durchschnittlich 80 bis 160 kg LG entspricht.

Ab dem 4. Monat (ca. 170 kg) und bis zur Schlachtung

war der Zuwachs besonders hoch (1400 – 1500 g/T).

Page 21: Heft 1 Januar 2010

Futteraufnahme

Das vorgelegte Heu entsprach gemäss Grünem Buch

(ALP, 2008) dem Typ G7 und wies einen geringen Nähr­

wert auf (in der TS: 72 g RP, 341 g RF, 4,7 MJ NEL). Sein

Eisengehalt lag bei 269 mg/kg TS. Die pro Gruppe erho­

bene Futteraufnahme wurde durch das Haltungssystem

beeinflusst: diejenigen Kälber, welche keinen Zugang

zu den Krippen ihrer Mütter hatten (GF), nahmen mit

durchschnittlich 580 g pro Kalb und Tag mehr Heu auf

als diejenigen Kälber, die auch die Ration der Kühe ver­

zehren konnten und nur 220 g Heu pro Tag aufnahmen.

Die Getreidemischung bestand aus Mais­ und Gers­

tenflocken (50 : 50). Die Mischung wies in der TS folgen­

de Gehalte auf: 107 g RP, 30 g RF, 30 g RL und 8,3 MJ NEL.

Ihr Eisengehalt betrug 26 mg/kg TS.

Mit dem KFA (Kraftfutterautomaten) liess sich die

Getreideaufnahme individuell aufzeichnen. Die Kälber

benötigten lange Zeit, bevor sie mit dem Verzehr be­

gannen. Die ersten Kälber waren bereits älter als drei

Monate, als sie tatsächlich anfingen, Getreide zu ver­

zehren. Anschliessend stieg die Aufnahme rasch an, ins­

besondere im GF­System, in welchem die durchschnittli­

che Aufnahme am Ende bei 722 g pro Kalb und Tag lag.

Der Unterschied zum OF­System (523 g/Kalb, T) ist hier

weniger ausgeprägt als in Bezug auf Heu, bleibt jedoch

signifikant (P=0,017). Der Getreideverzehr in Abhängig­

keit vom Gewicht und Haltungssystem wird in Abbil­

dung 3 wiedergegeben. Es zeigt sich, dass die beiden

Haltungssysteme sich erst ab etwa 200 kg LG deutlich

voneinander unterscheiden. Die F1­Kälber haben weni­

ger Getreide verzehrt (P=0,003) als die Kälber der bei­

den übrigen Kreuzungstypen Angus (AN) und Limousin

(LI). Der Gesamtgetreideverzehr pro Kalb beträgt wäh­

rend der gesamten Mastdauer pro Kalb durchschnittlich

100 kg mit grossen individuellen Schwankungen (min.

2 kg, max. 250 kg). Der späte Verzehrsbeginn lässt sich

zum Teil mit der Tatsache erklären, dass das Getreide

über den KFA verfüttert wurde.

Schlachtergebnisse und Schlachtkörperqualität

Das Haltungssystem hat die gemäss CH­TAX (Proviande

2005) bewertete Schlachtkörperqualität nicht beein­

flusst. Die Tatsache, dass die Kälber Zugang zur Ration

ihrer Mütter hatten, führte zu einer Erhöhung des An­

teils an rotfleischigen Kälbern (62 % gegenüber 43 %),

die jedoch nicht signifikant war.

Der Einfluss des Kreuzungstyps machte sich in erster

Linie im Hinblick auf die Fleischigkeit bemerkbar; mehr

als 70 % der LI­Kälber befanden sich in der Klasse C ge­

genüber weniger als 20 % bei der beiden übrigen Kreu­

zungstypen, die am meistens der Klasse H zugeordnet

wurden (Tab. 2). Was die Schlachtausbeute betrifft, so

liegt das Ergebnis der AN tendenziell einen Prozent­

punkt unterhalb der Ergebnisse von F1 und LI (n. s.),

wohingegen die Gruppe F1 bei Fettabdeckung und Far­

be tendenziell die besten Noten erzielte und den gröss­

ten Teil an rosafleischigen Kälbern aufwies. Darüber hi­

naus ist der Einfluss des Geschlechts auf die Parameter

«Schlachtausbeute», «Fettabdeckung» und «Farbe»

nicht zu vernachlässigen. Verglichen mit den männli­

chen erzielten die weiblichen Tiere eine um einen

%­Punkt tiefere Schlachtausbeute (55,0 vs. 56,3 %), dies

jedoch bei einer nahezu optimalen Fettabdeckung von

durchschnittlich 2.7 (75 % der Tiere mit der Note 3) ge­

genüber weniger als 2.0 im Durchschnitt bei den männ­

lichen Tieren. Ausserdem hatten die weiblichen Tiere

eine starke Tendenz (P = 0,085) rotfleischiger zu sein als

die männlichen Kälber (70 % gegenüber 43,5 %).

Eisenversorgung

Mit einem durchschnittlichen Hämoglobinwert (Hb)

von 12.8 g/dl bei der Geburt entspricht die Eisenversor­

21Agrarforschung Schweiz 1 (1): 18–23, 2010

Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung: Leistungen der Kälber | Nutztiere

1 Nicht-parametrischer Kruskal-Wallis Test; 2FleischigkeitsklassengemässCH­TAX:5=C;4=H;3=T;2=A;1=X; 3Fettgewebeklassen:optimal=3(1=ungedeckt / 5=überfett);4 Chi2-Test

Tab. 2 | Schlachtergebnisse je nach Kreuzungstyp

AN F1 LI P

LG Schlachtung, kg 249,5 248,6 249,1 0,916

Schlachtgewicht, kg 136,6 140,0 139,0 0,199

Schlachtausbeute, % 54,9 56,3 55,9 0,2711

Fleischigkeit, Note2 4,10b 4,14b 4,68a 0,0261

Fettabdeckung, Note3 2,33 2,50 2,07 0,241

Fleischfarbe, rot in %rosa in %

60,0 40,0

42,9 57,1

64,3 35,7

0,4844

Page 22: Heft 1 Januar 2010

22 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 18–23, 2010

gung den Werten der Milchrassekälber, die an der ALP

geboren werden (Morel 1996). Bei der Geburt (Abb. 4)

erhielten nur zwei Kälber eine Eisensupplementierung

von 230 mg bei Hb­Werten von 8,3 und 9 g/dl. Im Alter

von vier Wochen war der allgemeine Durchschnittswert

um 2,7 Punkte gesunken, zehn Kälber erhielten die vor­

gesehene Minimalzufuhr von 230 mg Fe und vier Käl­

bern wurden 690 mg Fe bei Hb­Werten in Höhe von

6 – 8 g/dl gegeben. Da sich die Fütterung von der kon­

ventionellen Mastkälberfütterung unterschied, stiegen

die Hämoglobinwerte ab der 4. Woche erneut an und

lagen bei der Schlachtung in einer Höhe von 12,3 g/dl

gegenüber 8 bis 9 g/dl bei konventionell gefütterten

Mastkälbern. Dadurch lässt sich auch der bei dieser Pro­

duktionsweise vorhandene hohe Anteil rotfleischiger

Kälber erklären.

Kälbergesundheit

Der Gesundheitszustand der Kälber kann während des

gesamten Versuchs als gut angesehen werden. In eini­

gen Fällen kam es zu Durchfall oder Lungenentzündung.

Im GF­Haltungssystem wurden insgesamt 42 Be­

handlungstage für 14 Kälber verzeichnet, was im Durch­

schnitt 3.0 Tagen pro Kalb entspricht. Auch im OF­Sys­

tem lag der Durchschnitt an Behandlungstagen bei 3.0

pro Kalb (87/29).

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

• Die Mast­ und Schlachtleistungen lassen sich

als gut bezeichnen.

• Der Kreuzungstyp F1 unterschied sich tendenziell

von den beiden übrigen durch eine höhere Schlacht­

leistung, eine bessere Fettabdeckung, eine günsti­

gere Fleischfarbe und das höchste durchschnittliche

Wachstum. Ausserdem verzehrten die F1­Kälber

signifikant weniger Getreide als die übrigen Kälber.

Die beste Fleischigkeit wiesen die Tiere des Typs

LI auf.

• In dem Praxisbedingungen entsprechenden OF­

System mit freiem Zugang der Kälber zur Futter­

krippe der Kühe, kam es im Vergleich zum Haltungs­

system ohne Zugang zur Futterkrippe der Kühe (GF)

zu einer signifikanten Verbesserung des Tageszu­

wachses von ca. 100 g/T sowie zu einer Reduktion der

Mastdauer von etwa 13 Tagen. Der Anteil rotfleischi­

ger Kälber ist im OF­System hingegen tendenziell

höher (62 % gegenüber 43 %).

• Im OF­System lag der Verzehr von Heu und Getreide

im Durchschnitt bei 220 bzw. 520 g/Kalb und Tag

(gegenüber durchschnittlich 580 bzw. 720 g im ande­

ren System).

• 75 % der weiblichen Kälber erzielten hinsichtlich

der Fettabdeckung die Bestnote (gegenüber

lediglich 13 % der männlichen Tiere). Die Fleischfarbe

ist jedoch bei den männlichen Tieren tendenziell

vorteilhafter.

• Auf der Grundlage dieser Ergebnisse ist das Produk­

tionssystem als praxistauglich zu bezeichnen. n

Nutztiere | Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung: Leistungen der Kälber

14

13

12

11

10

9

8Geburt 4 Wo 8 Wo 12 Wo Schlachtung*

*Schlachtung = 22 Wochen

AN

LI

F1

Abb. 4 | Entwicklung des Hämoglobingehaltes (Hb) je nach Kreuzungstyp.

Page 23: Heft 1 Januar 2010

Literaturb Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, 2008. Fütterungsempfehlungen und

Nährwerttabellen für Wiederkäuer. Zugang: http://www.alp.admin.ch/dokumentation/00611/00631/index.html?lang=de [31.07.2009]

b Morel I., 1996. Die Eisenversorgung beim Mastkalb. Agrarforschung 3 (2), 53 – 56.

bProviande,2005.CH­TAX.EinschätzungssystemfürSchlachttiereundSchlachtkörper (Rindvieh, Schafe). Proviande, Berne, 19 S.

Produzione di carne di vitello

allevato insieme alla madre:

rendimento dei vitelli

Lo scopo della prova era quello di veri-

ficare la fattibilità, nelle condizioni

svizzere di una produzione di carne

di vitello proveniente da capi allevati

insieme alla madre. Si trattava di

confrontare lo sviluppo dei vitelli, a

dipendenza del tipo genetico delle

madri e di valutarne lo stato nutrizio-

nale secondo la loro possibilità o,

impossibilità, di accedere alla razione

materna. La prova è stata condotta

con 45 coppie di animali (vacca +

vitello), suddivise in tre gruppi genetici

(razza della madre x razza del

padre): Angus x Charolaise (AN), F1

(= Red Holstein x Limousine) x Charo-

laise (F1) e Limousine x Charolaise

(LI). Gli animali sono stati allevati sia

all’interno di un sistema di stabula-

zione libera a compartimenti multipli,

dove i vitelli non avevano accesso alle

razioni materne, sia in un sistema di

stabulazione libera a compartimento

unico, dove questi potevano consuma-

re le razioni materne. I vitelli sono stati

abbattuti all’età di 5 mesi e 10 giorni,

facendo registrare un peso vivo medio

di 249 kg e una crescita giornaliera

media di 1250 g. Le categorie d’ingras-

so C e H della CH-TAX, corrispondenti

a una copertura media del 2,3, sono

state attribuite a più del 90% dei capi.

Il colore della carne è risultato roseo

nel 44% degli esemplari e rosso nel

restante 66%. Il sistema d‘allevamento

ha sensibilmente influenzato il consu-

mo medio giornaliero di fieno e cerea-

li, nonché la crescita giornaliera dei

vitelli. Tra i diversi gruppi genetici

sono pure state riscontrate differenze

tendenziali o significative. Sulla base

di questi dati zootecnici, la modalità di

produzione sembra essere applicabile

nella pratica.

Production of veal from suckled beef

calves: calf performance

The purpose of this study was to test

the feasibility of veal production from

suckled beef calves under Swiss condi-

tions. The performances of the calves

were compared as a function of the

genetic type of the mother and their

nutritional status was evaluated as

a function of their access to the

mothers’ diet. The test was carried

out with 45 «cow-calf» pairs divided

equally between three genetic types

(mother breed X father breed): Angus

X Charolais (AN), F1 (Red Holstein X

Limousin) X Charolais (F1) and Limou-

sin X Charolais (LI). The animals were

kept either in a multiple surface free

stall system where the calves did not

have access to the mothers’ mangers

or in a single surface free stall system

with access to the mothers’ ration.

On average, the calves were slaugh-

tered at a live weight of 249 kg, at 5

months and 10 days of age after an

average daily increase of 1250 g. More

than 90% of the animals were allotted

to the CH-TAX carnosity classes C and

H with an average fat tissue cover of

2.3. The meat colour was pink in 44%

of the calves and red in the remainder.

The stable system appreciably influ-

enced the average daily consumption

of hay and cereals as well as the daily

weight gain. Significant differences or

trends were also noted between the

genetic groups. On the basis of these

fattening and carcass performances,

this system of production appears to

be applicable in practice.

Key words: veal, suckled beef calves,

performance.

23Agrarforschung Schweiz 1 (1): 18–23, 2010

Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung: Leistungen der Kälber | Nutztiere

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

Page 24: Heft 1 Januar 2010

E i n l e i t u n g

Mit der 2001 verabschiedeten Ökoqualitätsverord­nung (ÖQV) hat die Schweiz auch im internationalen Vergleich Neuland beschritten. Klassische agrarökolo­gische Programme entschädigen die Landwirtin und den Landwirt dafür, dass er seinen Faktoreinsatz ein­schränkt (z. B. durch den Verzicht auf Mineraldünger) oder bestimmte Landschaftselemente bereitstellt (z. B. Hochstammbäume). Im Rahmen der ÖQV mit ihren beiden Teilen «Vernetzung» und «Qualität» wurde ein stärkerer Fokus auf ökologische Outputs gelegt. Ziel dieses Beitrags ist, im institutionellen Design dieser beiden Teile explizit Schwachpunkte zu identifizieren und auf dieser Grundlage Empfehlungen zur Optimie­rung der ÖQV zu formulieren.

Die Architektur der ÖQV

Der Impuls zur Schaffung der ÖQV ist der öffentlichen

Wahrnehmung um die Jahrtausendwende geschuldet,

man habe zwar eine Vielzahl agrarökologischer Pro­

gramme etablieren können, die Artenvielfalt sei damit

aber nicht spürbar verbessert worden (BUWAL 1998). So

entstand ein öffentlicher Druck, ein gezielt auf die Ar­

tenvielfalt ausgerichtetes und damit ergebnisorientier­

tes Instrument zu schaffen.

Für den Bereich der Flora geschah dies durch den Teil

«Qualität». Für Flächen, die in einem agrarökologischen

Programm auf Grünland angemeldet waren, wurde ein

relativ einfaches Qualitätskriterium definiert: Die Fläche

weist eine hohe Qualität auf, wenn mindestens sechs

von rund 40 Pflanzentaxa darauf zu finden sind, die ty­

pisch für artenreiches Grünland sind und die somit eine

hohe Artenvielfalt indizieren. Die Auswahl dieser Indi­

katortaxa erfolgte auf wissenschaftlicher Basis. Die Kan­

tone konnten diese direkt übernehmen oder ihren regi­

onalen Besonderheiten anpassen. Die abgeänderten

Artenlisten mussten vom Bund auf ihre Gleichwertigkeit

mit den Bundeslisten geprüft und akzeptiert werden.

Für den Bereich der Fauna wurde kein analoges Vor­

gehen gewählt, da Tiere mobiler sind als Pflanzen und ihr

Vorhandensein auf einer bestimmten Fläche ebenso ta­

ges­ wie jahreszeitenabhängig sein kann. Auch die Nach­

weisbarkeit von Tieren gestaltet sich witterungsbedingt

schwieriger als die von Pflanzen. Hier machte der Gesetz­

geber sich die Erkenntnis zunutze, dass Tiere oft ein flo­

ristisch und strukturell definiertes Habitat einer bestimm­

ten Minimalgrösse benötigen, um zu überleben. Entspre­

chend fördert der Bund die Vernetzung bestimmter flo­

ristisch und strukturell definierter Flächen, deren fauna­

schonende beziehungsweise ­fördernde Bewirtschaf­

tung (Schnitttermine, Schnittstaffelung, Mähwerkzeuge

etc.) ebenfalls vorgeschrieben wird, mit dem Ziel des Er­

halts (oder der Ansiedlung) bestimmter Arten auf diesen

Flächen. In die Vernetzungsprojekte dürfen nur Flächen

eingebracht werden, die ohnehin als ökologische Aus­

gleichsflächen im Rahmen der Direktzahlungsverord­

nung angemeldet sind. Jedem Projekt muss ein Konzept

zugrunde liegen, das den Ausgangszustand, den ge­

wünschten Zustand – konkret definiert durch faunisti­

sche und floristische Ziel­ und Leitarten (BAFU und BLW,

2008) – und einen Massnahmenplan beinhaltet. Eine wei­

tere Fördervoraussetzung ist die längerfristige Bindung

Eine Schwachstellenanalyse der Ökoqualitätsverordnung

U m w e l t

Der Enzian ist eine der Zeigerarten für biologische Qualität.(Foto: Lisa Eggenschwiler, ART)

24 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 24–29, 2010

Stefan Mann, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8356 Ettenhausen

Auskünfte: Stefan Mann, E-Mail: [email protected], Tel. +41 52 368 31 31

Page 25: Heft 1 Januar 2010

Mit einem breiten Methodenmix wurden

die beiden Teile «Qualität» und «Vernet-

zung» der Ökoqualitätsverordnung in

Hinblick auf Schwachstellen bei ihren

Transaktionskosten, ihrer institutionellen

Ausgestaltung in den Kantonen und die

mit den Programmen verbundenen

Landnutzungsänderungen untersucht.

Im Ergebnis werden für den Bereich

«Qualität» abgestufte Beitragshöhen

vorgeschlagen, für den Bereich «Vernet-

zung» ein Ersatz der fixen Hektarbeiträge

durch individuell beantragte beziehungs-

weise ausgeschriebene Projekte.

Eine Schwachstellenanalyse der Ökoqualitätsverordnung | Umwelt

der Flächen: Der Förderzeitraum erstreckt sich grundsätz­

lich über sechs Jahre, wobei die meisten Flächen nach Ab­

lauf dieser Zeitspanne erneut angemeldet werden.

Die Förderhöhe lag lange Zeit bei 500 Franken pro

Hektare und Programmteil, sodass man bei gleichzeiti­

ger Inanspruchnahme beider Programmteile auf 1000

Fr. /ha kam. Mit der Revision der Verordnung im Jahr

2008 wurden die Beiträge in der Tendenz deutlich er­

höht und bewegen sich nun in Abhängigkeit von der

Zone und Flächenart zwischen 300 Fr. /ha (für extensiv

genutzte Weiden in den Bergzonen III – IV) und 2000 Fr. /

ha (für Qualitäts­Hecken und Feldgehölze). Für Wiesen

und Ackerflächen (letztere nehmen nur an Vernet­

zungsprojekten teil) werden bis zur Bergzone II 1000 Fr. /

ha pro Programm vergütet. Ausserdem wurden für ex­

tensiv genutzte Weiden, für Waldweiden und für Reb­

flächen mit natürlicher Artenvielfalt neu Qualitätskrite­

rien definiert. Damit können auch für diese Elemente

Beiträge für die biologische Qualität ausbezahlt werden.

So lässt sich beobachten, dass die Inanspruchnahme

der Mittel für die ÖQV, die zu 80 Prozent vom Bund und

zu 20 Prozent vom Kanton beziehungsweise von den Ge­

meinden bereitgestellt werden, kontinuierlich gestiegen

ist und weiter steigt. Da der Teil «Vernetzung» von den

Kantonen mehr Vorarbeit erfordert als der Teil «Quali­

tät», sind einige Kantone erst in den letzten Jahren in

diesen Programmteil eingestiegen, sodass zu erwarten

ist, dass die Zuwächse bei der Vernetzung in den kom­

menden Jahren weiterhin die bei der Qualität überstei­

gen werden, beziehungsweise immer mehr Flächen mit

Qualität auch in Vernetzungsprojekte eingebunden sind.

M e t h o d e

Methodik der Evaluation

Grundsätzlich steht man in den Sozialwissenschaften

stets vor der Entscheidung zwischen quantitativen und

qualitativen Methoden. Während man durch quantitati­

ve Methoden Hypothesen auf den Grad ihrer Wahr­

scheinlichkeit prüfen und modellgestützte Optimierun­

gen durchführen kann, helfen qualitative Methoden,

neue Zusammenhänge sichtbar zu machen und Hypo­

thesen so überhaupt erst zu entwickeln.

Um gerade die vielen innovativen Aspekte des Pro­

gramms auf die Frage hin untersuchen zu können, an

welchen Stellen die beiden Programmteile aus instituti­

onenökonomischer Perspektive noch Optimierungspo­

tenzial für einen effizienten Erhalt der Artenvielfalt bie­

ten, war ein relativ breiter Methodenmix notwendig.

Gerade die sehr heterogenen Vernetzungsprojekte er­

schweren Standardisierungen, sodass sich hier ein ver­

tiefter Rückgriff auf qualitative Methoden anbot.

Zunächst stehen die outputbezogenen Massnahmen,

wie auch in Diskussionen mit politischen Entscheidungs­

trägern deutlich wurde, im Generalverdacht hoher

Transaktionskosten. Vatn (1998) und Vatn et al. (2002)

vertreten die These, dass sehr zielgerichtete politische

Spezialprogramme im Vergleich gerade mit Marktinter­

ventionen anteilig höhere Transaktionskosten verursa­

chen. Vor diesem theoretischen Hintergrund war es

zweckmässig, sich für beide Teile der ÖQV ein Bild über

die Höhe der anfallenden Transaktionskosten zu ma­

chen. Dabei musste bereits eine differenzierte Metho­

dik angewandt werden: Im Programmteil «Qualität»

macht es Sinn, die durchschnittlich pro Hektar anfallen­

den Transaktionskosten zu betrachten. Dagegen sind

die Vernetzungsprojekte bezüglich ihrer Grösse und ih­

res Anspruches zu heterogen, als dass sich sinnvoll allfäl­

lige Durchschnittswerte bilden liessen. Hier kommt es

stärker darauf an, in welcher Grössenordnung und an

welchen Stellen Transaktionskosten entstehen können.

Der Gestaltungsspielraum der Kantone im Pro­

grammteil «Qualität» ist gering. Im Programmteil «Ver­

netzung» geht der Freiheitsgrad der kantonalen Ver­

waltungen jedoch deutlich weiter. Hier ist zu entschei­

den, durch welche Organisationen Vernetzungsprojek­

te initiiert werden, welche Anforderungen dabei ge­

stellt werden, wer die Verträge mit den beteiligten

Landwirtinnen und Landwirten abschliesst und wer die

Kontrolle über die Vertragseinhaltung übernimmt. Ein

Vergleich der kantonalen Reglemente erbringt unter

ordnungspolitischer Perspektive Aufschlüsse über An­

reizstrukturen und Programmeffizienz.

Zuletzt ist schliesslich noch zu beantworten, welche

konkreten Auswirkungen die beiden Programme auf

die Landnutzung und Artenvielfalt haben. Diese ent­

scheidende Frage lässt sich vollständig zwar nur durch

eine Vor­Ort­Erfassung der einzelnen Arten beantwor­

25Agrarforschung Schweiz 1 (1): 24–29, 2010

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Page 26: Heft 1 Januar 2010

ten, doch einiges kann bereits aus den Anpassungen in

der landwirtschaftlichen Nutzung abgelesen werden.

Wenn sich etwa durch eine Beteiligung an den Program­

men nichts an der Art und Intensität der Landnutzung

ändern würde, so bestünde kaum Hoffnung, dass das

Programm positiv zur Erhöhung der Artenvielfalt (wenn

auch für deren Erhalt) beiträgt.

Unter diesen Gesichtspunkten ergab sich für die Eva­

luation ein sehr breiter Methodenmix, der aus einem

Vergleich der kantonalen Vorschriften in der Schrift­

form, einer Erfassung von Transaktionskosten auf den

unterschiedlichen Ebenen und Interviews bestand. Die

Interviews, die den vielleicht wichtigsten Teil der Evalu­

ation darstellten, wurden beim Bundesamt für Land­

wirtschaft, bei zehn kantonalen Verwaltungen (AI, AR,

FR, GR, JU, NE, SO, VD, VS, ZH) einem Planungsbüro und

einer koordinierenden Gemeinderätin durchgeführt.

Sie wurden einerseits transkribiert und teilweise mit der

Methode der objektiven Hermeneutik, also der vertief­

ten Analyse einzelner Textsequenzen (Oevermann 2001;

Mann und Schweiger 2009) ausgewertet. Andererseits

dienten sie gemeinsam mit den anderen Quellen auch

als Grundlage für Vergleichstabellen, die zur Auslotung

der institutionellen Bandbreite angelegt wurden.

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Transaktionskosten der Ökoqualitätsverordnung

Bereits beim Thema der Transaktionskosten ist es sehr

wichtig, zwischen den beiden Teilen der ÖQV zu unter­

scheiden. Für den Bereich der Qualität fallen Transakti­

onskosten bei der Betriebsleitung an, die sich einerseits

bei jener kantonalen Verwaltung über das Programm in­

formieren muss, welche die Anträge entgegennimmt und

schliesslich das Vorhandensein der Qualitätsindikatoren

auf den Grünlandflächen kontrolliert, sowie andererseits

in vernachlässigbarem Umfang (< 1 Promille) auch noch

bei jener Bundesverwaltung, in der sich die Inhaberin ei­

ner Teilzeitstelle mit der ÖQV beschäftigt. Durch eine

Quantifizierung dieser Transaktionskosten (Bernhard

2006) weiss man allerdings, dass ihr Anteil bei den Zah­

lungen an die Betriebsleitung im Programmteil «Quali­

tät» unter fünf Prozent beträgt und sich damit im Rah­

men der übrigen agrarökologischen Programme bewegt.

Für den bislang noch nicht auf seine Transaktionskos­

ten untersuchten Teil der Vernetzungsprojekte fallen an

den oben genannten Stellen ebenfalls Kosten an, die

jedoch aufgrund der Heterogenität der Projekte nicht

prozentual berechnet wurden. Darüber hinaus macht

der Verordnungstext noch den Einbezug anderer Stellen

notwendig, an denen Kosten anfallen. So ist beispiels­

weise Vorschrift, dass am Anfang eines jeden Vernet­

zungsprojekts ein Konzept erstellt wird, in dem der öko­

logische Ausgangszustand dargestellt und die ange­

strebte Entwicklung zu beschreiben ist. Diese Kosten

weisen ein hohes Mass an Heterogenität auf. Während

viele Konzepte für 10 000 – 20 000 Franken erstellt wer­

den, gab es auch Vernetzungskonzepte für 70 000 oder

200 000 Franken. Entsprechend unterschiedlich ist auch

der Anteil an Transaktionskosten an den jährlichen

Hektartransfers, denn dieser Anteil hängt auch deutlich

davon ab, ob das Projekt über sechs, zwölf oder mehr

Jahre läuft, und welche Flächen darin integriert werden.

Dies gilt unabhängig davon, wer diese Transaktionskos­

ten trägt, denn von lokalen Gebietskörperschaften über

die kantonale Verwaltung, das Bundesamt für Umwelt

BAFU, das Bundesamt für Landwirtschaft BLW bis hin zu

den Landwirtinnen und Landwirten selbst gibt es dort in

den einzelnen Kantonen viele Varianten von anteiligen

und teilweise auch vollständigen Finanzierungen.

Schliesslich sollte noch betont werden, dass die

Transaktionskosten kein Mass für die Effizienz eines Ver­

netzungsprojektes sind. Wahrscheinlich ist das Geld für

ein billig und schlecht geplantes Vernetzungsprojekt

aus ökologischer Sicht weniger gut investiert als Geld für

ein anspruchsvoll geplantes Vernetzungsprojekt mit ei­

nem vergleichsweise höheren Transaktionskostenanteil.

Institutionelle Ausgestaltung

Auch bezüglich der institutionellen Ausgestaltungs­

möglichkeiten sind Freiheitsgrade im Programmteil

«Qualität» sehr begrenzt. Bis auf die organisatorischen

Unterschiede, die es auch für die traditionellen Agrar­

ökomassnahmen gibt (z. B. die mögliche Delegation der

Vor­Ort­Kontrollen) beschränkt sich die Freiheit vor al­

lem auf die Definition von abweichenden Kriterien, die

gleichwertig zu jenen des Bundes sind. Darüber hinaus

Umwelt | Eine Schwachstellenanalyse der Ökoqualitätsverordnung

26 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 24–29, 2010

Abb. 1 | Institutionelle Ausgestaltung der ÖQV in Appenzell Ausserrhoden.

Eidgenössische Forschungsanstalt

Auftragsarbeitzur

Konzeption

IntegrationgeeigneterHabitate

Zahlung,Definition von

Landnutzungs- änderungen

KantonaleVerwaltung

Landwirte

Page 27: Heft 1 Januar 2010

Eine Schwachstellenanalyse der Ökoqualitätsverordnung | Umwelt

besteht noch die Freiheit, nicht an der ÖQV teilzuneh­

men. So hat sich der Kanton Genf in den ersten Jahren

(2001 – 2008) dafür entschieden, keine Vernetzungspro­

jekte nach ÖQV mitzufinanzieren. Die theoretische

Möglichkeit, nicht am Programmteil «Qualität» teilzu­

nehmen, wurde von keinem Kanton wahrgenommen.

Umso grösser ist im Vergleich mit dem Programmteil

«Qualität» der Handlungsspielraum, den die Kantone

bei der Ausgestaltung der Vernetzungsprojekte haben.

Fünf Kantone (Appenzell Inner­ und Ausserrhoden,

Thurgau, Aargau und Basel­Landschaft) entschieden

sich, ein einziges grosses Vernetzungsprojekt im Kanton

zu initiieren, und wählten damit einen klassischen Top­

down­Ansatz. Alle übrigen teilnehmenden Kantone be­

vorzugen einen Bottom­up­Ansatz, bei dem sich die

Vernetzungsprojekte höchstens mit informeller Unter­

stützung der kantonalen Verwaltung bilden.

Die Abbildungen illustrieren nicht nur die Akteurs­

struktur eines Top­down­ und Bottom­up­Ansatzes,

sondern auch jene eines eher übersichtlich gestalteten

Ansatzes und einer komplexeren institutionellen Lö­

sung. Die Abbildungen verdeutlichen in etwa das Span­

nungsfeld möglicher Lösungen, das die Kantone für sich

nutzen können. Dabei fiel nicht auf, dass die unter­

schiedlichen Entscheidungen der Kantone in irgendei­

ner Weise mit der ökologischen Situation der jeweiligen

Region zusammenhängen könnten, wohl aber mit der

politischen Konstellation. So war in Appenzell Au­

sserrhoden der Versuch, als kantonale Verwaltung ei­

nen starken Einfluss auf den Charakter des Netzwerkes

zu nehmen, stärker spürbar als in Solothurn.

Gerade in den Kantonen mit Bottom­up­Ansatz

kommt den Planungsbüros oft eine besondere Bedeu­

tung zu. In vielen Fällen sind sie es, die definieren, welche

Änderungen in der Bewirtschaftung der Flächen erfol­

gen müssen, damit sich die Betriebsleitenden für den

Beitrag qualifizieren. De facto wurde damit eine gänz­

lich neue institutionelle Konstellation geschaffen: Priva­

te Unternehmen definieren das Ausmass der öffentli­

chen Güter, das für eine vorgegebene Summe bereitge­

stellt wird. Die daraus entstehenden Gefahren relativie­

ren sich allerdings durch den Tatbestand, dass es stets die

kantonale Verwaltung ist, die den Vertrag unterzeichnet.

Änderung der Flächenbewirtschaftung

Auch bezüglich der Änderungen, die sich durch die ÖQV

in der Flächenbewirtschaftung ergeben, ist deutlich

zwischen den beiden Programmteilen zu unterscheiden.

Befragt man Landwirtinnen und Landwirte, welche Pra­

xis sie für die Flächen im Programmteil «Qualität» geän­

dert hätten, antworten sie im Regelfall, dass sie nichts

geändert hätten (Bernhard 2006). Andererseits schrän­

ken geben jene Landwirtinnen und Landwirte, die Flä­

chen in der ÖQV angemeldet haben, sehr selten ihre

Beteiligung an anderen agrarökologischen Program­

men ein oder geben diese gar auf (Mann 2008). Daraus

kann geschlussfolgert werden, dass die Zahlungen im

Rahmen des Programmteils «Qualität» quasi als eine Art

Sieb wirken: Flächen mit einer hohen Qualität (und da­

her mit zusätzlichen Zahlungen dafür) bleiben in den

agrarökologischen Programmen, für Flächen mit einer

geringeren Artenvielfalt, die daher keine Zahlungen im

27Agrarforschung Schweiz 1 (1): 24–29, 2010

Abb. 2 | Institutionelle Ausgestaltung der ÖQV in Solothurn.

ÖrtlichesPlanungsbüro

RegionaleTrägerschaft

ProjektbegleitendeArbeitsgruppe

BeauftragterLandwirt

KantonaleVerwaltung

Landwirt

Auftrag undBezahlung

KonstituierungAuftrag

Projekt-einreichnung

Projekterarbeitung,Definition von Bewirtschaftungs-anforderungen

Unterstützung

Unterstützung

Beratung,Vertragsabschluss, Koordination und Kontrolle

Auftrag undBezahlung

Bezahlung

Projekt- einreichnung

Projektgenehmigung

Page 28: Heft 1 Januar 2010

Rahmen der ÖQV erhalten, werden eher bald keine öf­

fentlichen Mittel mehr in Anspruch genommen.

Ein Problem stellt die institutionalisierte Ausgestal­

tung des «Qualitäts»­Teils jedoch für Flächen mit einem

sehr hohen Artenreichtum dar. Sind nicht sechs, sondern

zum Beispiel 15 wertgebende Taxa auf den Flächen vor­

handen, so besteht für den Bewirtschafter zunächst kei­

nerlei Anreiz, im Rahmen der Flächenbewirtschaftung

etwas für die Bewahrung der Artenvielfalt zu tun. Inso­

fern leuchtet ein, dass von vornherein nur Ökoaus­

gleichsflächen zur Teilnahme am Programmteil Qualität

berechtigt sind. Auf diese Weise wird verhindert, dass

die Bewirtschafter sehr hochwertiger Flächen so lange

intensivieren, bis tatsächlich nur noch sechs wertgeben­

de Taxa auf der Fläche vorhanden sind.

Kann nicht auch für den Programmteil «Vernetzung»

angenommen werden, dass die Zahlungen durch die

hohe ökologische Qualität der Flächen gerechtfertigt

werden? Das könnte er, wenn es hinreichend Indizien

dafür gäbe, dass die Flächen in diesem Programmteil

ebenfalls eine überdurchschnittlich hohe Qualität auf­

weisen würden. Doch anders als im Programmteil «Qua­

lität», wo die sechs oder mehr Indikatorpflanzen auf der

Fläche für sich sprechen, fehlt ein solch eindeutiger Indi­

kator für die Vernetzungsprojekte. 2007 erhielten ca.

40 % der Vernetzungsflächen auch Beiträge für Qualität.

Den Brachen, für welche keine Beiträge für Qualität aus­

bezahlt werden, wird generell ein hoher Wert attestiert

(Herzog und Walter 2005). Damit könnte der Anteil der

Vernetzungsflächen mit Qualität auf maximal 50 % ge­

schätzt werden. Zwar werden auch durch die Vernet­

zungsprojekte Flächen in den agrarökologischen Pro­

grammen gehalten, wobei es bei ca. 50 – 60 % unklar ist,

ob es sich um Flächen besonders hoher Qualität handelt.

Erfahrungsgemäss ist es sehr abhängig von den beteilig­

ten Personen, welche Qualität und Funktion – wie z. B.

Pufferwirkung entlang von Gewässern oder um Moore

und Trockenwiesen und ­weiden die ausgewählten Ver­

netzungsflächen tatsächlich haben.

Da zwischen den Flächen in Vernetzungsprojekten

und übrigen ökologischen Ausgleichsflächen in den

meisten Fällen mangels ziel­ und leitartbezogenen Er­

folgskontrollen kein qualifizierter Unterschied bezüg­

lich des ökologischen Outputs nachgewiesen werden

kann, ist nach einem Unterschied im Input, also in der

Flächenbewirtschaftung zu fragen. Diesbezüglich lassen

sich die Vernetzungsprojekte, wie die Evaluation zeigte,

grob in drei Gruppen einteilen:

• Teilweise wurden Bewirtschaftungsauflagen formu­

liert, welche die ökologische Qualität deutlich erhöh­

ten und den Landwirtinnen und Landwirten Oppor­

tunitätskosten verursachten. Häufigere Beispiele

waren gestaffelte Schnittermine oder die Errichtung

von Steinmauern.

• In anderen Vernetzungsprojekten bekam man den

Eindruck, es seien pro forma sehr wenig wirksame

Bewirtschaftungsauflagen vereinbart worden, so

etwa bestimmte Schnitthöhen, die aber wiederum

nur bei ausgewählten Mähwerken verbindlich waren.

• Es gab auch Vernetzungsprojekte, in denen mit dem

hohen ökologischen Potenzial oder der Lage

argumentiert wurde, in denen aber keine Bewirt­

schaftungsauflagen definiert sind.

Ein Schwachpunkt waren sowohl die Vollzugs­ als

auch die Erfolgskontrollen der Vernetzungsprojekte.

Die Vollzugskontrollen werden üblicherweise nicht im

Rahmen der ÖLN­Kontrollen absolviert, sondern es wer­

den andere Systeme implementiert, bei denen den Kon­

trollen in der Praxis aber meist keine sichtbare Bedeu­

tung zukommt. Und nur in einer kleinen Minderheit der

Projekte wird nach Ablauf der Projektdauer von sechs

Jahren untersucht, ob die Ziel­ und Leitarten tatsächlich

erhalten oder gefördert werden konnten.

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Die Evaluation der ÖQV hat gezeigt, dass die beiden Pro­

grammteile bezüglich ihrer institutionellen Effizienz sehr

unterschiedliche Schwachpunkte aufweisen. Beim Pro­

grammteil Qualität handelt es sich um ein ebenso inno­

vatives wie zukunftsweisendes Politikinstrument, das

mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Bewahrung ökologisch

wertvoller Habitate und durch Anreize zur extensiven

Bewirtschaftung beiträgt. Die Anreizstruktur für sehr

hochwertige Flächen wäre jedoch besser gegeben, wenn

die Zahlungen abgestuft erfolgen würden, d.h. wenn

eine gewisse Abhängigkeit zwischen der Zahlungshöhe

und der Anzahl wertgebender Arten bestünde. Bei den

Vernetzungsprojekten ist der Innovationsgrad ebenfalls

hoch, da erstmalig der Tatsache Rechnung getragen

wird, dass Habitate eine gewisse Mindestgrösse brau­

chen. Ökologen konstatieren eine Reihe gelungener Pro­

jekte, die einen wirksamen Habitatschutz bieten (Spiess

ohne Jahr). Es besteht dennoch der Verdacht, dass der

Reibungsverlust zwischen den Vorgaben des Bundes und

der Umsetzung vor Ort zu hoch ist. Kantonale Verwal­

tungen setzen zum Teil minimale Anforderungen, die

dann in einigen Gemeinden wiederum unterboten wer­

den, ein wirksames Kontrollsystem wurde nicht durch­

gängig implementiert. Es kann auf diese Weise zu Pro­

jekten kommen, welche die von der öffentlichen Hand

eingesetzten Mittel mit Sicherheit nicht wert sind.

Worin liegt nun bei den Vernetzungsprojekten der

Umwelt | Eine Schwachstellenanalyse der Ökoqualitätsverordnung

28 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 24–29, 2010

Page 29: Heft 1 Januar 2010

Eine Schwachstellenanalyse der Ökoqualitätsverordnung | Umwelt

Konstruktionsfehler? Wahrscheinlich gibt es ein allzu

grosses Spannungsfeld: Auf der einen Seite besteht bei

der Ausgestaltung der Ziele in Vernetzungsprojekten ein

grosser Spielraum. Auf der anderen Seite gibt es die Ein­

bettung in die Agrarpolitik des Bundes, die gerade bei

der Vergütung der Massnahmen dem Prinzip des «one

size fits all» folgt. Die Förderung verschiedener Ziel­ und

Leitarten erfordert jedoch unterschiedliche Massnahmen,

welche auch unterschiedliche Kosten verursachen: Um

Braunkehlchen im Engadin zu schützen, sind eventuell

andere finanzielle Mittel erforderlich, als wenn der Sil­

berscheckenfalter in Ebnat­Kappel zu bewahren ist. Um

diesen Unterschieden besser Rechnung zu tragen, ist sei­

tens der Bundesverwaltung zu prüfen, ob auch individu­

ellere finanzielle Fördermassnahmen anzubieten sind.

Eine Alternative zur bestehenden finanziellen Global­

förderung wäre beispielsweise die landesweite Aus­

schreibung von Vernetzungsprojekten zur Bewahrung

bestimmter, seltener Arten durch die Bundesverwal­

tung, vorzugsweise mit quantitativen Zieldefinitionen.

Auf diese Weise könnte auch ein Ideenwettbewerb ins

Leben gerufen werden, auf welche Weise zum Beispiel

Bodenbrüter am kostengünstigsten geschützt werden

könnten. Eine andere Variante wäre, sich das US­ameri­

kanische Conservation Reserve Enhancement Program­

me (Khanna und Ando 2009) zum Vorbild zu nehmen

und den Kantonen die Möglichkeit zu geben, beim Bund

Anträge zur Kofinanzierung von Vernetzungsprojekten

zu stellen. Solche individuelleren Institutionalisierungen

der Vernetzung würden – wenn auch um den Preis hö­

herer Transaktionskosten – gewährleisten, dass für die

Fördermittel mit grösserer Treffsicherheit eine Bewah­

rung der Artenvielfalt «eingekauft» werden kann. n

29Agrarforschung Schweiz 1 (1): 24–29, 2010

Analisi dei punti deboli dell’ordinanza

sulla qualità ecologica

Servendosi di una vasta combinazione

di metodi è stata effettuata un’analisi

delle parti «qualità» ed «interconnes-

sione» dell’ordinanza sulla qualità

ecologica, per esaminarne i punti

deboli riguardo ai costi di transazione,

all’impostazione istituzionale nei

Cantoni ed alle modifiche di destina-

zione del suolo correlate ai program-

mi. Sulla base dei risultati, per l’ambito

«qualità» è stata proposta una

graduazione dell’importo dei contribu-

ti e per l’ambito «interconnessione»

una sostituzione dei contributi fissi

all’ettaro con progetti individualmente

richiesti o pubblicati.

Critical-point analysis of the Ordinance

on Ecological Quality

Using a wide range of methods, both

parts of the Ordinance on Ecological

Quality, «Quality» and «Networking»,

were examined with respect to their

critical points regarding transaction

costs, institutional configuration in

the cantons, and land-use changes

associated with the programmes. The

results suggest graded contributions

for the «Quality» sphere and a replace-

ment of the fixed contributions per

hectare by individually submitted or

tendered projects.

Key words: biodiversity, networks,

policy evaluation, agri-environmental

programmes.

Literaturb BAFU und BLW, 2008. Umweltziele Landwirtschaft. Bern: BAFUb Bernhard S., 2006. Die Transaktions- und die technischen Kosten

desProgrammszurFörderungderbiologischenQualitätinnerhalb derÖkoqualitätsverordnung.UniversitätBern:Masterarbeit.

b Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft BUWAL, 1998. Landschaftskonzept Schweiz, Bern.

b Herzog F. & Walter T., 2005. Evaluation der Ökomassnahmen Bereich Biodiversität. Schriftenreihe der FAL 56, 208 S.

b Khanna M., Ando A.W., 2009. Science, economics and the design of agricultural conservation programmes in the US. Journal of Environmen-tal Planning and Management 52 (5) 575 – 592.

b Mann S., 2008. Lessons from a performance-based agri-environmental programme. In R.H. Theobald: Environmental Management. New York: Nova Publishers.

b Mann S. & Schweiger J., 2009. Using the Objective Hermeneutics Method for Policy Evaluation. Evaluation 15 (4) im Druck.

b Oevermann U., 2001. Zur Analyse der Struktur von sozialen Deutungsmustern.SozialerSinn1/2001,223­229.

b Spiess M. Ökologischer Ausgleich in der Schweiz – Ziele erreicht? Erste Ergebnisse der Erfolgskontrolle. Zugang:http://infonet.vogelwarte.ch/upload/71245556.pdf[9.7.2009].

b Vatn A., 1998. Input vs. Emission Taxes. Environmental Taxes in a Mass Balance and Transaction Costs Perspective. Land Economics 74 (4), 514-525.

b Vatn A., Valborg K. & Rørstad P. K., 2002. Policies for multifunctional agriculture: the trade-off between transaction costs and precision, Agricultural University of Norway, Department of economics and social sciences, Report No. 23, ISSN 0802-9210.

Ria

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Sum

mar

y

Page 30: Heft 1 Januar 2010

Die 27. Internationale Konferenz der Agrarwirtschafter

(International Association of Agricultural Economists

IAAE) fand vom 16. – 22. August 2009 in Beijing zum

Thema «The New Landscape of Global Agriculture»

statt. Die Konferenz war geprägt durch ein «dank» der

Ernährungskrise

• erneuertem Interesse am Agrar- und Ernährungs-

sektor, sowie

• der Frage, wie die Weltbevölkerung künftig

nachhaltig ernährt werden kann.

Entsprechend wurden Themen wie Ernährungssicher-

heit, Selbstversorgung, Getreidereserven, Protektio-

nismus, Agrarstützung, Biotreibstoffe, Verletzlichkeit

länd licher Haushalte, etc. diskutiert.

Ich beschränke mich im Folgenden auf ausgewählte Themenbereiche und Vorträge.

Neue Kräfte in Entwicklungsländern werden

die globalen Agrarmärkte beeinflussen

Dezio Zylbersztajn (University of São Paulo) befasst sich

mit der Rolle der institutionellen Regelungen in der

Landwirtschaft mit einem Fokus auf Brasilien. Makro­

institutionelle Anpassungen beeinflussen die Landwirt­

schaft weltweit und auch jene Brasiliens. Beispiele sind:

wirtschaftliche Reformen in China, Wandel der EU­

Agrarpolitik, WTO, die Entwicklung europäischer Nah­

rungsmittel­Standards und das internationale System

geistigen Eigentums. China ist besonders wichtig, weil

es mit der wirtschaftlichen Öffnung stark zum Welthan­

del beigetragen hat. Dies führt zu Produktionsmöglich­

keiten in Brasilien. Brasilien nutzt gemäss Zylbersztajn

nur einen kleinen Teil seines Agrarlandes und hat reich­

lich Wasser.

Nachhaltige Produktionsformen sind global gese­

hen gefordert. Die Herausforderungen in Brasiliens tro­

Die neue Landschaft einer globalen Landwirtschaft

K u r z b e r i c h t

Reislandschaft in China. (Foto: Urs Gantner, BLW)

30 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 30–33, 2010

Urs Gantner, Bundesamt für Landwirtschaft BLW, 3003 Bern

Auskünfte: Urs Gantner, E-Mail: [email protected], Tel. +41 31 322 25 74

Page 31: Heft 1 Januar 2010

pischen Wäldern sind einzigartig; das Land ist sich der

Fragilität seiner Biomasse im Amazonas und dem Cerra­

do bewusst. Zylbersztajn weist aber darauf hin, dass die

Expansion der globalen Landwirtschaft nur möglich

wurde, indem natürliche Gebiete durch die Landwirt­

schaft verdrängt wurden. Dies war in Europa, Nordame­

rika, Asien und Afrika der Fall. In Lateinamerika passiert

das Gleiche zeitlich später! Die landwirtschaftlich nutz­

bare Fläche Brasiliens wird auf 851 Millionen ha ge­

schätzt, wovon zurzeit nur auf 33 % produziert wird.

Zylbersztajn weist darauf hin, dass die Regierung Brasili­

ens sich mit Landnutzung und Umwelt befassen muss:

(1) Beschreiben und Durchsetzen der Grenzen der Ex­

pansion der Landwirtschaft, (2) Festlegen der Eigen­

tumsrechte im Amazonas.

Eine treibende Kraft globalen Wandels in der Land­

wirtschaft ist die Bioenergie. In Brasilien werden Etha­

nol (aus Zuckerrohr) sowie Biodiesel (zu 90 % aus Soja)

produziert.

Zylbersztajn betont, dass die drei treibenden Kräfte –

globale Nachfrage, Nachhaltigkeit, Bioenergie – natio­

nale wie auch globale Effekte haben und dass sie sich

gegenseitig beeinflussen. Weltweit organisierte Agrar­

systeme werden sich an neue Qualitätsstandards sowie

sozio­ökologische Anforderungen anpassen und sie

werden zu Kosten produzieren, die für Länder mit tie­

fen Einkommen kompatibel sind.

Chinas Landwirtschaft im UmbruchChinas Wirtschaft wandelt sich seit den 1978 initiierten Reformen stark. So wurden unter anderem die Märkte zumindest teilweise liberalisiert, der Wechselkurs ge­senkt und spezielle Wirtschaftszonen geschaffen, um ausländische Investoren anzuziehen. Die Reformen ha­ben dazu beigetragen, dass das Brutto­Inland­Produkt (BIP) zwischen 1979 und 2008 um fast 10 % jährlich zu­genommen hat.

Das schnelle volkswirtschaftliche Wachstum hat zu ei­

nem entsprechend dynamischen Strukturwandel in der

Wirtschaft geführt. Der Anteil der Landwirtschaft am BIP

sank von 40 % im Jahr 1970 auf 11 % im 2007. Steigende

Einkommen und die Verstädterung haben in dieser Zeit­

spanne auch starke Veränderungen beim Konsum von

landwirtschaftlichen Gütern nach sich gezogen.

Wächst die Volkswirtschaft Chinas in der Zeitspanne

2010 bis 2020 mit 6 bis 7 % jährlich, so bedeutet dies, dass

Chinas Wirtschaft 2020 rund vier Mal grösser sein wird als

im Jahr 2000. Mit dem wirtschaftlichen Wachstum ver­

liert China durch Verstädterung, Strassenbau und Indust­

rialisierung wertvolle Anbauflächen für die landwirt­

schaftliche Produktion. Dieser Entwicklung setzt China

Hightech und neue Technologien entgegen, um den Out­

Die neue Landschaft einer globalen Landwirtschaft | Kurzbericht

31Agrarforschung Schweiz 1 (1): 30–33, 2010

• 1,3 Milliarden Menschen, 21 % der Welt-

bevölkerung, 9 % der Weltackerfläche,

6 % der weltweiten Süsswasserreserven

• Wirtschaftsentwicklung: seit 2000 ca.

10 % jährliches Wirtschaftswachstum,

aber nur 4,5 % in der Landwirtschaft

• Wandel vom Nettoexporteur zum Netto-

importeur: fünftgrösster Exporteur und

viertgrösster Importeur

• Importe bei landintensiven Produkten:

Soja zur Fleischproduktion, Baumwolle

zur Textilfabrikation

• Exporte vor allem bei arbeitsintensiven

Produkten: Fisch, Früchte, Gemüse und

verarbeitete Produkte

• Selbstversorgung bei Getreide und Reis

als politisches Ziel

• Herausforderungen:

• Wachsende Einkommensdisparitäten

zwischen Stadt und Land trotz staatlicher

Gegenmassnahmen wie Steuerbefreiung

und Direktzahlungen zugunsten der

Bauern; zunehmende Gefahr sozialer

Spannungen

• Kulturlandverluste durch starke Aus-

dehnung der Siedlungsflächen (0,18 %

pro Jahr, 1 Mio. ha pro Jahr)

• Ökologische Herausforderungen:

Wasserknappheit, Bodenerosion,

Umweltbelastung

• Probleme bei der Einhaltung von Stan-

dards in der Lebensmittelsicherheit:

teils schlechte Reputation chinesischer

Produkte und Probleme beim Export

Kasten 1 | Chinas Agrarsektor in Stichworten

Page 32: Heft 1 Januar 2010

put pro Flächeneinheit weiter steigern zu können. Neben

der Förderung der Flächenproduktivität wird China vor

allem auf die Möglichkeiten und Stärken im eigenen

Land setzen und Importe dort ausweiten, wo die eigenen

Ressourcen (Land und Wasser) begrenzt sind. So kom­

men Prognosen zum Schluss, dass die Importe an Ölsaa­

ten und Futtergetreide sowie an Schweine­ und Geflügel­

fleisch zunehmen werden. Der Anteil der Eigenproduk­

tion von Ölsaaten dürfte von 70 % im Jahr 2001 auf 45 %

im 2020 sinken. Reis dagegen wird weiterhin – und ge­

mäss den Prognosen in leicht höherer Menge – exportiert

werden. China dürfte zudem vermehrt arbeitsintensive

Produkte wie Gemüse, Früchte, Fisch und verarbeitete

Agrarprodukte exportieren. Das Land wird sich schritt­

weise auf arbeitsintensive Bereiche im Agrar­ und Ernäh­

rungssektor konzentrieren, weil es hier weltweit gese­

hen komparative Vorteile hat. Der Selbstversorgungsrad

mancher Produkte wird eher abnehmen, der Anteil an

einheimischem Getreide (ausgenommen Futtergetreide)

und der Gesamtselbstversorgungsgrad werden jedoch

hoch bleiben. Insgesamt dürften Chinas Importe weiter­

hin steigen und mit der Nachfrage, insbesondere bei Öl­

saaten und Getreide, zunehmend auch deren Preise auf

den Weltmärkten beeinflussen.

Globale öffentliche Güter und Landwirtschaft

des 21. Jahrhunderts

John Quiggin (University of Queensland) befasst sich in

seinem Beitrag mit dem Thema «Landwirtschaft und

globale Klimastabilisierung». Der Bericht des Inter­

governmental Panel on Climate Change (IPCC) von 2007

zeigt auf, dass es trotz aggressiven Strategien, um die

CO2­Konzentrationen in der Atmosphäre zwischen 400

und 500 ppm (parts per million) zu stabilisieren, zu einer

Erwärmung von mindestens 2 Grad Celsius im 21. Jahr­

hundert (verglichen mit dem 20. Jh.) kommen wird. Der

IPCC­Bericht präsentiert Projektionen von 2 bis 6,4 Grad

Celsius. Der Agrarsektor wird entsprechende Anpas­

sungskosten zu verkraften haben.

Das Klima beziehungsweise die Atmosphäre ist ein

öffentliches Gut. Die Nationen dieser Erde sind gefor­

dert, entsprechende Politikmassnahmen zu entwickeln.

Um das globale Klima zu stabilisieren sind 1 bis 3 % des

globalen Einkommens jährlich nötig. Quiggin plädiert

für weltweit gleich verteilte Emissionsquoten pro Kopf,

verbunden mit einer Option, Quoten zu handeln.

Prabhu Pingali (Gates Foundation) befasst sich in sei­

nem Beitrag mit Forschung und Entwicklung sowie mit

der sich ändernden Unterstützung von Entwicklungslän­

dern. Grenzüberschreitende Agrarforschung und Tech­

32 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 30–33, 2010

Abb. 1 | Bäuerin auf dem Markt. (Foto: Urs Gantner, BLW)

Kurzbericht | Die neue Landschaft einer globalen Landwirtschaft

Page 33: Heft 1 Januar 2010

nologie waren in den letzten 50 Jahren bedeutsam um

die Agrarproduktivität in Entwicklungsländern zu erhö­

hen. Moderne Sorten von Reis, Weizen und weiteren

Grundnahrungsmitteln werden oft als Beispiele erfolg­

reicher Anwendung der globalen Wissenschaft zitiert,

um Hunger und Armut anzugehen. Die ersten For­

schungsinvestitionen wurden durch internationale Stif­

tungen – Ford und Rockefeller – getätigt. Dann folgte

eine Koalition von öffentlichen und privaten Geldgebern,

die im Rahmen des CGIAR (Consultative Group on Inter­

national Agricultural Research) sicher stellte, dass lang­

fristig im öffentlichen Interesse geforscht wurde. Sobald

das von CGIAR entwickelte Wissen öffentlich verfügbar

wurde, haben nationale öffentliche und private Instituti­

onen in Technologieanpassungen, Verteilung und Liefe­

rung investiert. Die Nachfrage nach internationalen For­

schungsergebnissen ist nach wie vor hoch. Dabei geht es

in LDC (least developed countries) vor allem darum, die

Produktivität in traditionellen Agrarsystemen zu erhö­

hen. In Entwicklungsländern hingegen werden nachhal­

tige Produktivitätszunahmen und verstärkte Wettbe­

werbsfähigkeit wichtig. In Industrieländern wird der Fo­

kus vermehrt auf die multifunktionalen Rollen der Land­

wirtschaft gelegt. Die Anpassung an den Klimawandel

wird für alle drei Produktionssysteme bedeutsamer.

Private Investitionen in landwirtschaftliche For­

schung und Entwicklung (F + E) haben in den verstärkt

marktorientierten Produktionssystemen von Entwick­

lungsländern zugenommen. Grosse multinationale Fir­

men zusammen mit nationalen Unternehmen werden

mehr und mehr zu einer Alternative zu den öffentlichen

Technologie­Transfer­Institutionen, was vor allem bei

hochwertigen Produkten wie Baumwolle, Mais, Gemü­

se, Tiere, etc. der Fall ist. Die Möglichkeit, dank geisti­

gem Eigentum (Intellectual Property Rights, IPR) und

der Entwicklung von Hybriden Gewinne aus landwirt­

schaftlicher F + E zu erzielen, hat zu einer Verschiebung

der Agrarforschung hin zum privaten Sektor geführt.

Rahmenbedingungen wie IPR, offene Grenzen und

trans parente Biosicherheitsregelungen werden zu hö­

heren Privatinvestitionen in kommerzielle Produktions­

systeme der Entwicklungsländer führen. Es gibt jedoch

Gebiete wie Sub­Saharan Africa, die nicht im Zentrum

des privaten Interesses stehen. Der private Sektor wird

kaum Forschungsinvestitionen tätigen für Lösungen un­

ter schwierigen Produktionsbedingungen wie zum Bei­

spiel Trocken­ und Hitzeregionen.

In Zukunft wird es zudem darum gehen müssen, glo­

bale F + E mit nationalen Bedürfnissen zu verbinden. Die

CGIAR soll sich auf jene Bereiche konzentrieren, bei de­

nen Marktversagen in der Bereitstellung von F + E auf­

tritt. Dies wird vor allem die Subsistenzproduktionssys­

teme in schwierigen Umweltbedingungen und bisher

vernachlässigte Kulturen wie Sorghum, Cassava, tropi­

sche Gemüse, etc. betreffen. Internationale Forschung

soll sich darauf konzentrieren, Forschungsergebnisse

mit dem Charakter öffentlicher Güter zu erarbeiten und

sie soll nationale Partner bei der lokalen Anpassung und

Verbreitung von F + E stärken. Eine stärkere Bedeutung

als bisher müssen nach Pingali «vertical funds» oder

«global programs» erhalten. Globale Programme sollen

sich auf spezifische Fragestellungen konzentrieren, die

multinationale Bedeutung haben. Voraussetzungen für

den Erfolg sind dabei klar definierte Outputs, eine ex

ante Einschätzung ihrer Wirkungen und klare Indikato­

ren, um den Fortschritt zu evaluieren und die Auswir­

kungen zu erfassen. Synergien zwischen «vertical

funds», die Innovationen generieren und «horizontal

funds» auf nationaler Ebene, die sich auf Technologie­

anpassungen, Verbreitung und Lieferung von F + E kon­

zentrieren, sind dringlich.

Zunehmender internationaler Austausch

Die Konferenz bot den Wissenschaftern eine ausgezeich­

nete Möglichkeit, ihre Forschungsarbeiten vorzustellen

und sie gab einen guten Überblick darüber, an welchen

Fragestellungen Agrarwirtschafter weltweit gesehen ar­

beiten. An der Konferenz wurden 401 «papers» vorge­

stellt. 43 Prozent der «papers» wurde durch eine interna­

tionale Autorenschaft verfasst, was auf die steigende

Vernetzung und auf den zunehmenden internationalen

Austausch in Forschung und Entwicklung hinweist. n

Die neue Landschaft einer globalen Landwirtschaft | Kurzbericht

33Agrarforschung Schweiz 1 (1): 30–33, 2010

LiteraturDas Literaturverzeichnis kann beim Autor bezogen werden.

Page 34: Heft 1 Januar 2010

Hans Wydler: Soziologe durch und durch

Publikation in der Agrarforschung Schweiz

• Care Farming: Soziale Leistung in der Landwirt-

schaft, Agrarforschung Schweiz 1 (1), 4 – 9

«Mein Traumberuf mit fünfzehn war Lehrer», erinnert

sich der Soziologe Hans Wydler. «Später weckte die Mit­

wirkung in Bürgerbewegungen und Quartierinitiativen

mein Interesse an gesellschaftlichen Entwicklungen, was

mich zur Soziologie brachte. Die AKW­Gegnerbewegung

hat mir gezeigt, dass Veränderungen bewirkt werden

können.» Hans Wydler ergänzt nachdenklich: «allerdings

kosten sie viel Kraft und Zeit. Heute interessiert mich die

Grundlagenforschung.» Sie hat ihn denn auch als Sozio­

loge zu Agroscope geführt: «Im Landwirtschaftsektor

findet zusehends ein Themenwandel statt. Die Landwirt­

schaft bewegt sich von der reinen Produktionsfunktion

weg. Die Sichtweise auf den Sektor erweitert sich um die

Aspekte Umweltpflege und dezentrale Besiedlung. Die

Gesellschaft muss zur Kenntnis nehmen, dass sich die so­

zialen Strukturen in peripheren Räumen ändern.»

Therapie- und Gesundheitsräume

«Ländliche Räume werden», so vermutet Hans Wydler,

«in Zukunft verstärkt auch Therapie­, Gesundheits­ und

Erholungsräume sein. Deshalb ist auch das Engagement

von Agroscope in diesem Bereich relevant.» Die Aussage

lässt aufhorchen. Vor zwei Jahren begann Hans Wydler

im Auftrag von ART mit dem Projekt Green Care: «Das

Projekt hat zum Ziel, soziale Dienstleistungen im ländli­

chen Raum zu etablieren. Dazu gehört zum Beispiel die

Betreuung pflegebedürftiger und behinderter Perso­

nen auf Bauernhöfen, oder die Integration verhalten­

sauffälliger Jugendlicher. Zwar existiert Care Farming –

so die englische Bezeichnung – bereits heute vielerorts

in der Landwirtschaft, aber es fehlen Strukturen, die das

Angebot gut sichtbar machen und auch die Qualitäts­

standards aus Sicht der Familienbetriebe definieren.»

Hans Wydler möchte deshalb eine Internetplattform er­

richten, einen Marktplatz, der Angebot und Nachfrage

sichtbar macht. «Es gibt viele mögliche Partner für die­

ses Projekt im Landschafts­ und Gesundheitsbereich.

Auch tiergestützte­ und Gartentherapie ist denkbar. So­

ziale Leistungen können gerade in der Landwirtschaft

sehr gut erbracht werden, denn die Arbeit lässt die Wir­

kung des Handelns direkt sichtbar werden, es gibt feste

Strukturen und doch ist eine grosse Anpassungsfähig­

keit vorhanden. Für Behinderte ist es relevant und be­

friedigend, dass das Lebensumfeld mitgestaltet und die

Sinnhaftigkeit der Arbeit erlebt werden kann.»

Öffentliches Interesse an Green Care wecken

Für die Landwirtschaft wird damit zwar kein «ökonomi­

scher Goldweg» eröffnet, aber für Betriebe, die eine Di­

versifizierung anstreben, ist es eine gute Möglichkeit

sich zu engagieren. Hans strebt eine breite Umsetzung

an: «Ziel ist, dass Green Care in der Schweiz ebenso gut

etabliert wird, wie dies bereits in zahlreichen nordischen

Ländern der Fall ist. Dort unterstützt die breite Öffent­

lichkeit die soziale Integration im ländlichen Raum.»

Städtisches Leben mitprägen

Privat sucht der alteingesessene Winterthurer auch in

der Stadt neue Wege. Dies zeigt sein aktuelles Interesse

an einem grossen genossenschaftlichen Neubauprojekt,

einem Mehrgenerationenhaus in Winterthur. Das Sied­

lungskonzept soll als Kontrapunkt zu Altersheimen das

Zusammenleben mehrer Generationen ermöglichen.

Die Architektur fördert Kontakte und Gemeinschaft, si­

chert aber auch allen Bewohnenden eine Privatsphäre.

In modernster Holzbauweise wird grösstmögliche

Wohnlichkeit mit ökologischem Energiekonzept vereint.

Dies biete ihm die Chance, mit seinen zwei erwachsenen

Töchtern, deren Kindern sowie den beiden jüngeren

Töchter unter einem Dach zu leben, die Enkel zu betreu­

en und seinen eigenen nächsten Lebensabschnitt inten­

siv zu leben.

34 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 34, 2010

Hans Wydler (Foto: Etel Keller-Doroszlai, ART)

Etel Keller-Doroszlai, Forschungsanstalt Agroscope

Reckenholz-Tänikon ART, 8356 Ettenhausen

P o r t r ä t

Page 35: Heft 1 Januar 2010

Aktuell

35Agrarforschung Schweiz 1 (1): 35–39, 2010

Nachruf Ernst R. KellerErnst Robert Keller, em. Professor für Pflanzenbau an der

ETH Zürich, ist am 14. November nach einem reich erfüll­

ten Leben kurz vor seinem 88. Geburtstag gestorben.

Nach dem Studium an der Abteilung Landwirtschaft

und zwei Auslandsaufenthalten promovierte er unter

Anleitung des späteren Bundesrates F. T. Wahlen an der

ETH. Danach wurde er Leiter der Sektion Kartoffel an

der Eidgenössischen Landwirtschaftlichen Versuchsan­

stalt in Zürich Oerlikon. 1968 berief ihn die ETH Zürich

als Professor für Pflanzenbau. Schwerpunkte seiner For­

schung waren u. a. die Optimierung des Kartoffelan­

baus, eine nachhaltige Bodennutzung und biotechnolo­

gische Methoden in der Pflanzenzüchtung.

Seine nationalen und internationalen Kontakte

wirkten sich in mannigfaltiger Weise auf die Landwirt­

schaft aber auch zugunsten junger Agronomen und Ag­

ronominnen und der landwirtschaftlichen Praxis aus.

Ernst R. Keller hat in den zwei Jahrzehnten seines Schaf­

fens an der ETH Zürich eine ganze Generation Schweizer

Pflanzenbauer und Pflanzenzüchter geprägt.

Auch nach seiner Emeritierung setzte er sich weiter

für die Belange der Landwirtschaft ein; als Herausgeber

des neuen Handbuchs des Pflanzenbaus und als immer

engagierter und dem Neuen aufgeschlossener Diskussi­

onspartner.

Die 5. Bioforschungstagung: Aktuelles zum BiorindAm 22. April 2010 findet die 5. Bioforschungstagung an

der Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld­Posieux ALP

in Posieux statt. Im Zentrum der Tagung steht das Rind­

vieh im Biolandbau. Aktuelle Forschungsresultate zum

Futterbau, zur Fütterung, zur Zucht, zur Tiergesundheit,

und zur Produktqualität werden in interessanten Vor­

trägen und Postern vorgestellt. Forschende von Agro­

scope (ACW, ART, ALP), des Fibl’s und der ETH berichten

über folgende Themen:

• Stickstoff und Futter gleichzeitig ernten: Ein Ver­

gleich von Klee­Gras­Mischungen mit Reinkulturen

• Pâture mixte: jouer sur la complémentarité entre

les espèces animales (Mischweiden: Auf die Komple­

mentarität der Tierarten setzen)

• Auswirkungen blühender Zwischenkulturen

(Buchweizen, Phazelia, Zichorien) als Futter auf

die Futteraufnahme und die Milchqualität

• Vollweide mit unterschiedlichen Kuhtypen:

Vom Futter bis zur Käsequalität

• Standortgerechte Rindviehzucht: Ergebnisse aus dem

Projekt Biozucht Graubünden; Genomweite Selektion

für funktionelle Merkmale im europäischen Projekt

LowInputBreed

• Streptococcus uberis – ein neuer Problemkeim in der

Biomilchproduktion? Eigenschaften, Verbreitung und

Bekämpfung von S. uberis als Mastitiserreger

• Tiergesundheitsplanung in Biomilchviehherden –

Strategien und innovative Methoden aus sieben

europäischen Ländern

Gemäss den Titeln werden die Vorträge in deutscher oder

französischer Sprache gehalten. Zum besseren Verständ­

nis werden die Vortragsunterlagen aber in beiden Spra­

chen erhältlich sein. Die 5. Bioforschungstagung richtet

sich an Personen aus der landwirtschaftlichen Forschung,

Lehre und Beratung, welche an Fragen des biologischen

Landbaus interessiert sind. Weiter sind interessierte Bäue­

rinnen und Bauern sowie Vertreter der landwirtschaftli­

chen Verbände und Behörden herzlich willkommen. Die

Biokoordinationsgruppe Agroscope – FiBL freut sich, sie

am 22. April 2010 in Posieux begrüssen zu dürfen.

Weitere Auskünfte:

Martin Lobsiger,

Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld–Posieux ALP

Rte de la Tioleyre 4, Postfach 64, 1725 Posieux

Tel. +41 26 407 71 11

A k t u e l l

Page 36: Heft 1 Januar 2010

Neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft und der Praxis rund ums MelkenDie Wissenschaftliche Gesellschaft der Milcherzeugerbe­

rater e. V. (WGM) organisiert jährlich eine Tagung mit ak­

tuellen Themen rund ums Melken. Dabei werden Er­

kenntnisse der Wissenschaft und Erfahrungsberichte der

Milcherzeugerberatenden vorgestellt. Im Rahmen von

drei Hauptreferaten wurden folgende Themen präsen­

tiert: mechanische und chemische Einflussfaktoren auf

die Zitzenbeschaffenheit, Hinweise zur ergonomischen

Gestaltung von Melkarbeitsplätzen sowie zur Planung

von Automatischen Melksystemen. Zudem wurden in ver­

schiedenen Workshops unter anderem über die aktuellen

DIN ISO­Normen und die Messungen unter Melkbedin­

gungen, sogenannte dynamische Messungen, diskutiert.

16. / 17. September 2009, Dresden

Pascal Savary, Bau, Tier und Arbeit, Forschungsanstalt

Agroscope Reckenholz­Tänikon ART

Aktuell

Aktuelle Forschungsergebnisse

für Beratung und Praxis:

Agrarforschung Schweiz publiziert 10-mal

im Jahr Forschungsergebnisse über

Pflanzenbau, Nutztiere, Agrarwirtschaft,

Landtechnik, Lebensmittel, Umwelt und

Gesellschaft.

Agrarforschung ist auch online verfügbar

unter: www.agrarforschungschweiz.ch

Bestellen Sie jetzt Ihre Gratisausgabe!

AGrArForSchUNG Schweiz

rechercheAGroNomiqUeSUiSSe

Talon einsenden an:Redaktion Agrarforschung Schweiz, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 PosieuxTel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00E-Mail: [email protected] | www.agrarforschungschweiz.ch

NEU

Name/Firma

Vorname

Strasse/Nr

PLZ/Ort

Beruf

E-Mail

Datum

Unterschrift

Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die zeitschrift

der landwirtschaft lichen Forschung von

Agroscope und ihren Partnern. Partner der

zeitschrift sind das Bundesamt für Landwirt-

schaft, die Schweizerische hochschule für

Landwirtschaft ShL, die Beratungszentralen

AGriDeA, die eidgenössische Technische

hochschule eTh zürich, Departement Agrar-

und Lebensmittelwissenschaften und Agro-

scope, die gleichzeitig herausgeberin der

zeitschrift ist.

Die zeitschrift erscheint auf Deutsch und

Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen

aus Forschung, industrie, Lehre, Beratung

und Politik, an kantonale und eidgenössische

Ämter und an weitere Fachinteressierte.

Page 37: Heft 1 Januar 2010

37Agrarforschung Schweiz 1 (1): 35–39, 2010

Ökonomisches Monitoring des fossilen Energieverbrauchs in der Landwirtschaft der EU

ART SchriftenreiheDie landwirtschaftliche Produktion in Europa ist unter

konstantem öffentlichem Druck; und dies nicht nur auf­

grund der hohen Direktzahlungen an den landwirt­

schaftlichen Sektor. In diesem Kontext verdienen die

negativen externen Effekte wie die Treibhausgas­Emis­

sionen aus dem Verbrauch an nichterneuerbarer Energie

besondere Aufmerksamkeit. Hierfür wird jedoch ein In­

strument für die Abschätzung des Energieverbrauchs

der landwirtschaftlichen Produktion benötigt, das me­

thodisch abgesichert, konsistent, vollständig und regio­

nal spezifisch ist. Ohne ein solches Instrument können

Fragen zum effizienten Energieverbrauch oder der

räumlich und prozessspezifisch effizienten Zuteilung

von Energiereduktionszielen nicht beantwortet werden.

Ziel der Dissertation ist es, eine modell­basierte, regi­

onal differenzierte Schätzung des Energieverbrauchs

und der Energieeffizienz der primären landwirtschaftli­

chen Produktion für die gesamte Europäische Union zu

ermöglichen und die resultierenden Treibhausgasemissi­

onen zu berechnen. In einem weiteren Schritt werden

bestehende und neue Politikinstrumente in Bezug auf

deren Energieverbrauch, die energiebezogenen Emissio­

nen und deren Wohlfahrteffekte hin analysiert. Die

energetische Beurteilung aller Verbrauchskomponenten

basiert auf der Prozessanalyse und nutzt die Ökobilanz­

methode. Es wird ein landwirtschaftliches Sektormodell

sowohl für die europaweite Darstellung wie auch für die

Analyse der politischen Instrumente eingesetzt.

Die Dissertation richtet sich unter anderem an For­

schende und politische Entscheidungsträger, die sich mit

klimarelevanten Externalitäten beschäftigen und sekto­

rale Massnahmen entwerfen und daher systematische

Hintergrundinformationen und Anregungen benötigen.

ISSN 1661­7584 ART­Schriftenreihe

ISBN 978­3­905733­14­3

Tim Kränzlein,

Forschungsanstalt Agroscope

Reckenholz­Tänikon ART

Tänikon, 8356 Ettenhausen

[email protected], www.agroscope.ch

Aktuell

N e u e P u b l i k a t i o n e n

Page 38: Heft 1 Januar 2010

38 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 35–39, 2010

Aktuell

M e d i e n m i t t e i l u n g e n

www.agroscope.ch

14.12.2009 / ACWVogelküken und Pflanzenschutzmittel: ab 2010 neue RisikoprognosenAnfang 2010 erscheint eine revidierte europäische Richt­

linie zur Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln für

Vögel. Die Schweiz wird in den nächsten Monaten die

neue Richtlinie prüfen. Gezielt sollen diejenigen Aspek­

te übernommen werden, die dazu beitragen, die eige­

nen Prognosemodelle zu optimieren und die Pflanzen­

schutzmittelprüfung weiter zu präzisieren. Ein Aspekt

wird bereits heute als sehr relevant betrachtet: Neu sol­

len Prognosen für die Wirkung von Pflanzenschutzmit­

teln auf Vogelküken möglich sein. So können nicht nur

erwachsene Vögel, sondern auch die empfindlicheren

Jungvögel besser geschützt werden.

11.12.2009 / ACWKlimatische Bedingungen und Weinlese 2009Die Weinlese begann dieses Jahr im September und

schloss generell unter ausgezeichneten Bedingungen in

der ersten Hälfte von Oktober ab. Die Oenologen haben

somit qualitativ hochstehenden Rohstoff in den Händen.

Die Bilanz der Weinlese für die Versuchsbetriebe der

Forschungsanstalt Agroscope Changins­Wädenswil ACW

in den verschiedenen Rebbaugebieten der Schweiz ist

sehr erfreulich, da die Rebe die klimatischen Bedingun­

gen während der Reife besonders gut verwertete.

08.12.2009 / ACWNeue Ansätze in der Apfelforschung – eine aromatische ZukunftDas Aussehen eines Apfels stellt ein Erstkaufkriterium

dar, doch ein schmackhaftes Aroma kann einen schlech­

ten ersten Eindruck wettmachen. Dies ermittelten Sen­

sorik­Wissenschaftler der Forschungsanstalt Agroscope

Changins­Wädenswil ACW dank eines neuen For­

schungsansatzes. Das Ziel: Konsumverhalten und Wün­

sche von Konsumentinnen und Konsumenten in die

Züchtung neuer Apfelsorten mit einbeziehen.

07.12.2009 / SNGEthik und Pferde: Sensibilisieren ohne zu beschuldigenAls Anstoss für eine weiterführende Bearbeitung orga­

nisierten das Schweizerische Nationalgestüt SNG in Zu­

sammenarbeit mit dem Obervatoire de la filière cheval

OFiChev eine Table ronde «Ethik und Pferd» mit den Zie­

len, gemeinsame Wege einer Sensibilisierung ohne Be­

schuldigungen zu finden und ein stetiges sich Hinterfra­

gen im Umgang mit Pferden zu erreichen.

03.12.2009 / ARTSoziales Netzwerk im BodenPilze sind für unsere Pflanzen von grosser Bedeutung.

Sie liefern ihnen Nährstoffe und unterstützen sie so

beim Wachstum. Nun zeigt sich, dass sie dabei einen sehr

sozialen Ansatz haben.

Nährstoffe aus dem Boden zu holen, ist für viele Pflan­

zen gar nicht so einfach. Deshalb greifen sie auf die Hilfe

von so genannten Mykorrhiza­Pilzen zurück. Diese neh­

men das fein verteilte Phosphor und den Stickstoff aus

der Erde auf und geben beide gegen „Bezahlung" an

die Pflanzenwurzeln ab.

Nun fand die Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz­

Tänikon ART heraus, dass diese Pilze offenbar eine sehr

soziale Ader haben. Denn es scheint ihnen oft egal zu

sein, wie viel Kohlenhydrat und Zucker eine Pflanze als

Gegenleistung liefert ­ die Düngergabe ist dieselbe.

01.12.2009 / ACWGenug Schweizer Apfelsaft trotz FeuerbrandIn den letzten Jahren sind zahlreiche Hochstammbäume

dem Feuerbrand zum Opfer gefallen. Deshalb drohen

Mostäpfel zur Mangelware zu werden. Die Forschungs­

anstalt Agroscope Changins­Wädenswil ACW gibt nun

gemeinsam mit den Mostereien Gegensteuer. Unter tra­

ditionellen und neu gezüchteten Hochstamm­Sorten

sucht sie jene, die nicht nur reichlich Ertrag abliefern

und gut schmeckenden Apfelsaft ergeben, sondern vor

allem auch robust gegenüber Krankheiten sind. Konsu­

mentinnen und Konsumenten sollen auch weiterhin

schmackhaften Schweizer Apfelsaft aus IP­ und Bio­An­

lagen geniessen können.

Page 39: Heft 1 Januar 2010

39Agrarforschung Schweiz 1 (1): 35–39, 2010

V e r a n s t a l t u n g e n

Februar 2010

5.2.2010Journée AgricultureAgroscope Changins­Wädenswil ACW Nyon

8. – 12.2.2010Winterbesuchswoche ART Tänikon 2010 Woche 6Agroscope Reckenholz­Tänikon ART Tänikon

22. – 26.2.2010Winterbesuchswoche ART Tänikon 2010 Woche 8Agroscope Reckenholz­Tänikon ART Tänikon

März 2010

4.3.2010Pflanzenschutztagung Gemüsebau 2010Agroscope Changins­Wädenswil ACWWädenswil

19.3.2010ART-TagungAgroscope Teckenholz­Tänikon ARTReckenholz, Zürich

April 2010

22.4.20105. BioforschungstagungForschungsanstalt Agroscope Liebefeld­Posieux ALPPosieux

30.4.20105. Jahrestagung Netzwerkpferdeforschung SchweizHaras national suisse HNS Avenches

Aktuell

N e u e I n t e r n e t l i n k s

2010: Jahr der biologischen Vielfalt

www.biodiversitaet2010.ch

Die UNO hat am 20. Dezember 2006 das Jahr 2010 zum

Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt (IJB) er­

klärt und das Sekretariat der CBD (Convention on Biolo­

gical Diversity) als Koordinierungsstelle bestimmt.

Dies ist Gelegenheit zu fragen inwiefern es uns bisher

gelungen ist, Biodiversität zu bewahren und wo die He­

rausforderungen der Zukunft liegen.

Aktivitäten der Schweiz zum Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt Die Schweiz wird sich auf nationaler und internationaler

Ebene aktiv am Internationalen Jahr der Biodiversität

beteiligen. Im Rahmen seiner Tätigkeiten zum Schutz

der Biodiversität haben der Bund und insbesondere das

BAFU den Akzent auf den Artenschutz gelegt, ein Be­

reich, in dem die Schweiz gemäss den OECD­Berichten

Defizite aufweist. Die Biodiversität wird durch das Moni­

toringprogramm des Bundes regelmässig evaluiert. Für

2009 ist ein Bericht auf nationaler Ebene und für 2010

einer über die Aktionen der Schweiz auf internationaler

Ebene geplant.

Februar 2010 / Heft 2

• Präferenzen von Schweizer Apfelkonsumenten, S. Egger ACW

• Ländervergleich der Apfel­Produktion, E. Bravin ACW

• Einfluss des Energiedefizits auf die Zusammensetzung der Milch, I. Morel ALP

• Was beeinflusst die Anbaubereitschaft transgener Pflanzen ART, J. Schweiger ART

• Listen der empfohlenen Sorten von Soja, Sonnen­blumen und Eiweisserbsen für die Ernte 2010

Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

V o r s c h a u

Eine Forscherin von Agroscope Changins-Wädenswil ACW misst mittels der Nahinfrarot-spektroskopie innere Qualitäts-eigenschaften eines Apfels. (Foto: Carole Parodi, ACW)

Page 40: Heft 1 Januar 2010

Januar - Februar 2010

Biodiversität ist Gold wert!Forschungsanstalten Agroscope

Entdecken Sie, dass Biodiversität unsere natürliche Heimat,die Grundlage allen Lebens und unsere Zukunft ist.Agroscope zeigt Lösungen auf, wie die Biodiversität optimal gefördert werden kann.

Hinter der natürlichen Vielfalt steht immer ein Genuss.Besuchen Sie unsere GeniessBar.

Agroscope forscht für Mensch, Tier und Umwelt!

Besuchen Sie den Standder schweizerischen landwirtschaftlichen Forschung!

Swiss’expo 14.-17. Januar 2010Halle 9, Stand Nr. 923, Beaulieu Lausanne

Tier & Technik 25.-28. Februar 2010Halle 1.1, Stand Nr 22, Olma Messen Hallen, St. Gallen

www.agroscope.ch

ForschungsanstaltenAgroscope Changins-Wädenswil ACW Agroscope Liebefeld-Posieux ALP Agroscope Reckenholz-Tänikon ART

Schweizerische EidgenossenschaftConfédération suisseConfederazione SvizzeraConfederaziun svizra

Vendredi 5 février 2010

Produire de la viande au pâturageJournée d’information 2010 - Station de recherche Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Changins

Objectifs de la journée• Présenter les résultats d’essais et les connaissances actuelles en

ce qui concerne la production de viande à partir d’herbe pâturée. Favoriser les échanges sur ce sujet entre les chercheurs et les différents acteurs de la filière.

Public cible• La journée s’adresse à toutes les personnes concernées par la

thématique de la production de viande au pâturage : agriculteurs, conseillers agricoles, enseignants, chercheurs, etc.

Vendredi 5 février 20109h00 à 16h15, Aula de Changins Exposition de posters sur le thème de la journéeou sur les grandes cultures

Information et inscriptionwww.agroscope.ch, rubrique « Manifestations »Inscription obligatoire jusqu’au 21 janvier 2010Agroscope Changins-Wädenswil ACWGrandes cultures et systèmes [email protected]@acw.admin.ch

Département fédéralde l'économie DFEStation de rechercheAgroscope Changins-Wädenswil ACW

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