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Villingener Hefte Von Hausierern, einer Klosterfrau aus Villingen, Flurnamen, aus den Gerichtsbüchern und von der Ziegenzucht Heimatkundlicher Arbeitskreis innerhalb der Evangelischen Kirchengemeinde Villingen, Heft 17 VILLINGER HEFTE - ein Projekt des "Heimatkundlichen Arbeitskreis" der Evanglischen Kirchengemeinde Villingen www.villingen-online.de

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Villingener Hefte

Von Hausierern, einer Klosterfrau aus Villingen,

Flurnamen, aus den Gerichtsbüchern und von der

Ziegenzucht

Heimatkundlicher Arbeitskreis innerhalb der

Evangelischen Kirchengemeinde Villingen,

Heft 17

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Villingener Hefte

„Was glänzt, ist für den Augenblick geboren. Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren“. (Goethe, Faust 1)

Heimatkundlicher Arbeitskreis innerhalb der ev. Kirchengemeinde

Villingen

U. Kammer; Wilhelm Konrad; Heinz P. Probst; Otto Rühl

Heft 17 Titelbild: Gemälde des Vogelsberger Malers Ernst Eimer (Groß Eichen) es zeigt Heinrich Vöhl, den Neffen des Malers im Alter von 6 Jahren.

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Inhaltsverzeichnis:

Vorwort. 3

I. Hausierhandel in Villingen 4

II. Klara von Villingen eine „Süster“ im Grünberger Augustiner-Kloster wird 1532 abgefunden 38

III. Villinger Flurnamen 45

IV. Von der Ziegenzucht in Villingen 56

V. Aus den Gerichtsbüchern von Villingen 1631-1684 Teil III/2 66

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Vorwort:

„Hausierer in Villingen“ ist das Leitthema dieses Heftes aus der Villingener Geschichte. Die Vielzahl derer, die damals wohl aus Not den Hausierhandel ausgeübt haben wirft ein Licht auf die Zeit. Dieses haben wir versucht darzustellen, wir haben dazu den großen hessischen Autor Georg Büchner zu Wort kommen lassen, der zusammen mit F. L. Weidig den „Landboten“ herausbrachte und damit auf die Miss-Stände in Hessen-Darmstadt hingewiesen hat. Hausieren und anderer Kleinhandel kommen immer dann auf, wenn es den Menschen nicht so gut geht, das sieht man derzeit bei unseren östlichen Nachbarn in Polen und den ehem. GUS-Staaten, auch hier versuchen die armen Menschen mit Handel das Leben zu fristen, und verkaufen oft das, was sie selber zum Leben brauchten. In Villingen wurde im 19. Jh., von dem wir hier berichten, vielfach Handel mit Landesprodukten getrieben, so ist wohl auch der Spitzname der Villingener entstanden „Die Villinger Zwiebeln“. Warum fast alle Hausierer aus Villingen mit Lampendochten handelten, konnten wir bis jetzt noch nicht aufklären, später hören wir dann vom Handel mit Blutegeln. Das zweite Leitthema ist unsere Süster (Schwester/Nonne) Klara von Villingen, die im Grünberger Kloster war und dort nach Einführung der Reformation in Hessen durch Philipp den Großmütigen (1527) abgefunden wurde. Die Beiträge aus den Gerichtsbüchern runden das Heft 17 ab. Wir hoffen, dass wir mit der Auswahl der Beiträge Ihre Zustimmung gefunden haben. Wenn Sie weitere Anregung für unsere Arbeit haben, teilen Sie uns dies bitte mit. Bei allen denen, die unserer Arbeit bisher schon auf so vielfältige Weise unterstützen möchten wir uns bedanken. Auch für die Geldspenden, von Firmen und Privatpersonen, die erst die Herausgabe der Hefte ermöglichen, bedanken wir uns; so hoffen wir, dass auch in Zukunft der günstige Abgabepreis gehalten werden kann. Villingen/Queckborn im Oktober 2006 Heimatkundlicher Arbeitskreis innerhalb der ev. Kirchengemeinde Villingen.

Der Verfasser: Heinz P. Probst

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I. Hausierhandel und Wandergewerbescheine für

Villingener Bürger in der Zeit von 1837-1887 Im Gemeindearchiv befindet sich eine Akte, die sich mit dem Wandergewerbe befasst. Es ist ganz erstaunlich, mit welchen Artikeln die Villingener damals handelten, vieles davon mag aus der Not geboren worden sein, denn sicher war es nicht leicht, „über Land“ zu ziehen und die hier aufgeführten Artikel an den Mann oder besser an die Frau zu bringen. So folgt zunächst einmal eine (auszugsweise) Aufstellung der Artikel, die aus den einzelnen Gesuchen hervorgehen, doch ist diese Aufstellung nicht vollständig, dazu verweisen wir auf die einzelnen aufgeführten Gesuche. Das Archiv enthält noch viel mehr derartige Gesuche, doch haben wir hier eine Auswahl treffen müssen, mögen also die ausgewählten Fälle stellvertretend für ähnliche stehen. Interessant ist, dass einige der Antragssteller einen „Eichschein“ brauchten, (siehe Abb. unten) weil sie offenbar die Ware „lose“ verkauften und erst beim Kunden die Menge festlegten.

Abb. Eichschein für ein „Kumpf“ und ein „Gescheid“.

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Hier nun eine Aufstellung der Artikel, mit denen u. a. im Wandergewerbe von Villingenern gehandelt wurde, jedoch sicher nicht vollständig, aus einigen Gesuchen lässt sich der gesamte Handel ohnehin nicht schlüssig erkennen (es heißt oft: „und dergleichen“).

• Bürsten • Fleckkugeln • Geschälte Hirse • Gestrickte Socken • Gurten aus Hanf • Hefen • inländische Wollhandschuhe • Inländische wollene gestrickte Strümpfe • Irden Geschirr • Kämme • Kleesaat • leinerne gestrickte Strümpfe • Löffel • Oblaten • Oel • Oelseife • Packpapier • Sämereien • Scheren • Schiefertafeln • Schnallen • Schreibwaren • Schuhwichsen • Sensen • Sicheln • Siegellack • Ungewebte baumwollene Lampendochte • Unterjacken und Wämse • Wetzsteine • Wolle • Zinngeschirr

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Der frühere Hausierhandel wird heute Reisegewerbe oder ambulantes Gewerbe genannt. Der „große Brockhaus“ definiert es als ein Gewerbe, das außerhalb der Räume einer festen Niederlassung oder ohne eine solche Niederlassung ausgeübt wird, wobei ohne vorherige Bestellung Waren oder gewerbliche Leistungen angeboten, Bestellungen aufgenommen, Waren angekauft oder Schaustellungen, Musikaufführungen und Ähnliches dargeboten werden. Die Ausübung erfordert auch heute eine sogenannte Reisegewerbekarte (§§55 ff. GewO1 in der Fassung vom 22.2. 1999).

Der Hausierhandel bzw. das Reisegewerbe profitiert aber heute von der Gewerbefreiheit, das dem Einzelnen zustehende Recht, ein Gewerbe im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zu betreiben. In Deutschland ist die Gewerbefreiheit durch Artikel 12 Grundgesetz verfassungsrechtlich geschützt und Deutschen vorbehalten, während der Grundsatz der Gewerbefreiheit in seiner einfachgesetzlichen Normierung im §1 GewO für jedermann, also auch für Ausländer, gilt. Die Gewerbefreiheit entwickelte sich unter Beseitigung des früheren Zunftzwangs aufgrund der Wirtschaftslehre des Liberalismus und wurde zuerst während der Französischen Revolution (1791) in Frankreich, seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch in anderen Staaten eingeführt, so in Deutschland im wesentlichen durch die GewO von 1869 (Gewerberecht).).

Etappen auf dem Weg zur Gewerbefreiheit. In den beiden ersten Dritteln des 19. Jahrhunderts wurde die

obrigkeitlich genossenschaftliche Gewerbeverfassung abgelöst durch eine Gewerbeordnung, die nicht mehr auf dem Prinzip der Solidarität, sondern auf dem der Konkurrenz beruhte. In Frankreich wurde die Gewerbefreiheit im Gefolge der Französischen Revolution eingeführt. Die Vielzahl der deutschen Staaten -der 1815 gegründete Deutsche Bund zählte 39 souveräne Mitglieder, wobei Österreich und Preußen ihm nur mit jeweils einem Teil ihres Staatsgebietes angehörten- erfordert es, hinsichtlich der Aufhebung des Zunftzwanges und der Einführung der Gewerbefreiheit nach Regionen zu unterscheiden. Bevor einige markante Meilensteine auf dem Weg hin zur Gewerbefreiheit erreicht werden, war also zunächst der Zunftzwang aufzuheben. So dauerte es auch in einigen Staaten noch bis in die 70er Jahre des 19. Jh., bis alle Zunftschranken beseitigt waren.

1 Gewerbe-Ordnung.

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Der Hausierhandel in Villingen setzt zu einer Zeit ein, als in Hessen-Darmstadt vieles im Umbruch begriffen war, die ersten Gesuche hierzu im Gemeindearchiv stammen aus dem Jahr 1837.

Zu diesem Zeitpunkt setzten in Hessen-Darmstadt jene große Aus-wanderungsbewegungen ein, durch die das Land allein zwischen 1841 und 1846 - dem Jahr der großen Missernte - etwa 16 500 Personen (zumeist an Nordamerika) verlor.2 Dabei haben einzelne Gemeinden die Abwandernden notgedrungen finanziell (durch Reisekostenzuschüsse) unterstützen müssen,3 zumal wenn es zu Gruppenabwanderungen kam (1842 Wernings, 1847 Pferdsbach, 1854 Seehof, 1855 Enzheim, 1856 Bleichenbach).

Für diesen Massenabzug waren, das soll einmal hervorgehoben werden, neben den teils politischen und seltener religiösen Zwängen in erster Linie rein wirtschaftliche Schwierigkeiten maßgebend, denn in Amerika winkte außer der politischen und religiösen Freiheit vor allem auch die wirtschaftliche Aufstiegsmöglichkeit. Die damals in Deutschland eingeleitete Revolutionierung der Landwirtschaft durch Erfindung und Anwendung des künstlichen Düngers, wie sie der Darmstädter Justus von Liebig als Professor in Gießen, wo er von 1824 bis 1852 ein weltberühmtes chemisches Institut unterhielt, seit 1840 propagiert hatte, kam für die Abdämmung der großen Auswanderungsbewegung des mittleren 19. Jahrhunderts in unserer Heimat leider zu spät. Bis sich diese neue Agrartechnik durchsetzte und damit die landwirtschaftliche Produktion in entscheidender Weise steigerte und sicherte und damit neue Existenz-möglichkeiten schuf, dauerte es noch Jahrzehnte.

Wie drückend die Armut und die dadurch erzwungene Auswanderung oder doch Landgängerei vor allem in den vierziger und fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts war, zeigen die Bettelfahrten aus den Vogelsbergdörfern4 teilweise bis nach England und Amerika, zu denen man besonders die jungen, kaum schulentlassenen Mädchen anhielt. Berüchtigt war der zeitweilige „Menschenhandel“, d. h. das kontraktmäßige Vermieten junger Mädchen aus den Dörfern Oberhessens in englische und amerikanische Bordelle. Das gleiche soziale Elend lag weithin dem damit eng verknüpften

2 Karl E. Demandt, in: Geschichte des Landes Hessen, Kassel, 2. Auflage 1972, S. 572f. 3 Beispiele dazu finden sich in den Gemeinderatsprotokollen und den Gemeinderechnungen von Villingen, wir haben in dieser Reihe darüber berichtet. 4 Siehe hierzu den Beitrag in Heft 5/II dieser Reihe.

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Fliegenwedel- und Blutegelhandel zugrunde5, den die vielfach jugendlichen oberhessischen Landgänger bis nach Polen, Ungarn und Kroatien trugen; oder die Tatsache, dass damals, wie Bodelschwingh bemerkte, die Pariser Straßenkehrerverbände fast durchweg aus den Landgängern der oberhessischen Armutsgebiete bestanden, denen Ludwig Bamberger 1867 eine eigene Studie gewidmet hat.6 Doch ist das neuere Urteil, dass Hessen „damals das reaktionärste und wohl auch verelendetste Gebiet Deutschlands“ war, zu scharf. Ähnliche Verhältnisse bestanden damals zu mindesten auch in Nassau. Es war der Regierung in den angrenzenden Ländern schwer, diese oft von wetterauischen und Westerwälder Unternehmern gesteuerte Form der gewerblichen Ausbeutung und sozialen Entwurzelung zu unterdrücken.7

Hand in Hand mit diesem weitverbreiteten sozialen ging das politische Elend der „Biedermeierzeit“, von dessen Wucht und Umfang wir uns nur noch schwer eine zutreffende Vorstellung machen können.

Aber in welchem Maße gerade auch die Intelligenz und die führenden Köpfe der Gießener Professoren- und Studentenschaft sowie der ihr nahestehenden Kreise in den zwanziger und dreißiger Jahren durch Relegationen und politische Prozesse und damit zusammenhängend durch Flucht und Auswanderung dezimiert worden sind, ist eine eigene Geschichte.

5 Der auch aus Villingen bekannt ist, aber besonders das Dorf Ettingshausen trat hierbei besonders hervor, der zeitweilige Pfarrer (ab 1855) in Ettingshausen, danach in Ruppertsburg (ab 1862), Wilhelm Baur hat darüber berichtet, dies wurde veröffentlicht in den Hessischen Volksbüchern, Herausgegeben von Wilhelm Diehl, 1911. In diesen Berichten wird das ganze Elend deutlich und ist für uns heute unvorstellbar. Baur berichtet aus Ettingshausen u. a.: „... in das arme Dorf, wo der Branntweindunst duftet“. An anderer Stelle: „ ... Das Dorf war heruntergekommen durch eigene Fahrlässigkeit und schlechte Beamte und Rechner...“. Er berichtet, dass die Einwohner durch das Leben „... da draußen“ sich an das Leben im Wirtshaus gewöhnt hatten, während die Frau daheim mit den Kindern sich quälte. Da die Zinsen nicht bezahlt werden konnten, kamen die verpfändeten Häuser und Äcker unter den Hammer und wurden, da es an Käufern fehlte, zu Spottpreisen losgeschlagen“. Prinz Ferdinand von Solms kaufte diese, um mit der neu gegründeten Sparkasse zu helfen, wo noch Hilfe möglich war. 6 Auch hierüber hören wir von Pfarrer Wilhelm Baur a.a.O. 7 Demandt a.a.O.

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Dass es auch damals schon ein Aufbegehren gegen die Armut und die Ausbeutung durch die staatlichen Organe gab, beweist u. a. Georg Büchner mit seiner Schrift „Der Hessische Landbote“ von dem wir hier einmal einige Ausschnitte bringen wollen:

Der hessische Landbote

Erste Botschaft

Darmstadt, im Juli 1834 Vorbericht Dieses Blatt soll dem hessischen Lande die Wahrheit melden, aber wer

die Wahrheit sagt, wird gehenkt; ja sogar der, welcher die Wahrheit liest, wird durch meineidige Richter vielleicht gestraft. Darum haben die, welchen dies Blatt zukommt, folgendes zu beobachten:

1. Sie müssen das Blatt sorgfältig außerhalb ihres Hauses vor der Polizei verwahren;

2. sie dürfen es nur an treue Freunde mitteilen; 3. denen, welchen sie nicht trauen wie sich selbst, dürfen sie es nur

heimlich hinlegen; 4. würde das Blatt dennoch bei einem gefunden, der es gelesen hat, so

muss er gestehen, dass er es eben dem Kreisrat habe bringen wollen; 5. wer das Blatt nicht gelesen hat, wenn man es bei ihm findet, der ist

natürlich ohne Schuld.

Friede den Hütten! Krieg den Palästen!

Im Jahre 1834 siehet es aus, als würde die Bibel Lügen gestraft. Es sieht aus, als hätte Gott die Bauern und Handwerker am fünften Tage und die Fürsten und Vornehmen am sechsten gemacht, und als hätte der Herr zu diesen gesagt: Herrschet über alles Getier, das auf Erden kriecht, und hätte die Bauern und Bürger zum Gewürm gezählt.

Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag, sie wohnen in schönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feiste Gesichter und reden eine eigne Sprache; das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf dem Acker. Der Bauer geht hinter dem Pflug, der Vornehme aber geht hinter ihm und dem Pflug und treibt ihn mit dem Ochsen am Pflug, er nimmt das Korn und lässt ihm die Stoppeln. Das Leben des Bauern ist ein

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langer Werktag; Fremde verzehren seine Äcker vor seinen Augen, sein Leib ist eine Schwiele, sein Schweiß ist das Salz auf dem Tische des Vornehmen.

Im Großherzogtum Hessen sind 718373 Einwohner, die geben an den Staat jährlich an 6 363 436 Gulden als

1.DirekteSteuern 2128131fl. 2. Indirekte Steuern 2478264fl. 3. Domänen 1547394 fl. 4. Regalien 46938 fI. 5. Geldstrafen 98511fI. 6. Verschiedene Quellen 64198 fI. Summe 6363 436 fI. Dieses Geld ist der Blutzehnte, der von dem Leib des Volkes genommen

wird. An 700 000 Menschen schwitzen, stöhnen und hungern dafür. Im Namen des Staates wird es erpresst, die Presser berufen sich auf die Regierung, und die Regierung sagt, das sei nötig, die Ordnung im Staat zu erhalten. Was ist denn nun das für ein gewaltiges Ding: der Staat? Wohnt eine Anzahl Menschen in einem Land, und es sind Verordnungen oder Gesetze vorhanden, nach denen jeder sich richten muss, so sagt man, sie bilden einen Staat. Der Staat also sind alle; die Ordner im Staate sind die Gesetze, durch welche das Wohl aller gesichert wird und die aus dem Wohl aller hervorgehen sollen. - Seht nun, was man in dem Großherzogtum aus dem Staat gemacht hat; seht, was es heißt, die Ordnung im Staate erhalten! 700000 Menschen bezahlen dafür 6 Millionen, d. h. sie werden dafür zu Ackergäulen und Pflugstieren gemacht, damit sie in Ordnung leben. In Ordnung leben heißt hungern und geschunden werden.

Wer sind denn die, welche diese Ordnung gemacht haben und die wachen, diese Ordnung zu erhalten? Das ist die Großherzogliche Regierung. Die Regierung wird gebildet von dem Großherzog und seinen obersten Beamten. Die andern Beamten sind Männer, die von der Regierung berufen werden, um jene Ordnung in Kraft zu erhalten. Ihre Anzahl ist Legion: Staatsräte und Regierungsräte, Landräte und Kreisräte, geistliche Räte und Schulräte, Finanzräte und Forsträte usw. mit allem ihrem Heer von Sekretären usw.. Das Volk ist ihre Herde, sie sind seine Hirten, Melker und Schinder; sie haben die Häute der Bauern an, der Raub der Armen ist in ihrem Hause; die Tränen der Witwen und Waisen sind das Schmalz auf ihren Gesichtern; sie herrschen frei und ermahnen das Volk

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zur Knechtschaft. Ihnen gebt ihr 6 000 000 fI. Abgaben; sie haben dafür die Mühe, euch zu regieren; d. h. sich von euch füttern zu lassen und euch eure Menschen- und Bürgerrechte zu rauben. Sehet, was die Ernte eures Schweißes ist!

Für das Ministerium des Innern und der Gerechtigkeitspflege werden bezahlt 1 110607 Gulden. Dafür habt ihr einen Wust von Gesetzen, zusammengehäuft aus willkürlichen Verordnungen aller Jahrhunderte, meist geschrieben in einer fremden Sprache. Der Unsinn aller vorigen Geschlechter hat sich darin auf euch vererbt, der Druck, unter dem sie erlagen, sich auf euch fortgewälzt. Das Gesetz ist das Eigentum einer unbedeutenden Klasse von Vornehmen und Gelehrten, die sich durch ihr eigenes Machwerk die Herrschaft zuspricht. Diese Gerechtigkeit ist nur ein Mittel, euch in Ordnung zu halten, damit man euch bequemer schinde; sie spricht nach Gesetzen, die ihr nicht versteht, nach Grundsätzen, von denen ihr nichts wisst, Urteile, von denen ihr nichts begreift. Unbestechlich ist sie, weil sie sich gerade teuer genug bezahlen lässt, um keine Bestechung zu brauchen. Aber die meisten ihrer Diener sind der Regierung mit Haut und Haar verkauft. Ihre Ruhestühle stehen auf einem Geldhaufen von: 461373 Gulden (so viel betragen die Ausgaben für die Gerichtshöfe und die Kriminalkosten). Die Fräcke, Stöcke und Säbel ihrer unverletzlichen Diener sind mit dem Silber von 197 502 Gulden beschlagen (so viel kostet die Polizei überhaupt, die Gendarmerie usw.), Die Justiz ist in Deutschland seit Jahrhunderten die Hure der deutschen Fürsten. Jeden Schritt zu ihr müsst ihr mit Silber pflastern, und mit Armut und Erniedrigung erkauft ihr ihre Sprüche. Denkt an das Stempelpapier, denkt an euer Bücken in den Amtsstuben und euer Wachestehen vor denselben. Denkt an die Sporteln für Schreiber und Gerichtsdiener. Ihr dürft euern Nachbarn verklagen, der euch eine Kartoffel stiehlt; aber klagt einmal über den Diebstahl, der von Staatswegen unter dem Namen von Abgaben und Steuern jeden Tag an eurem Eigentum begangen wird, damit eine Legion unnützer Beamten sich von euerem Schweiße mästen! Klagt einmal, dass ihr der Willkür einiger Fettwänste überlassen seid, und dass diese Willkür Gesetz heißt, klagt, dass ihr die Ackergäule des Staates seid, klagt über eure verlornen Menschenrechte: Wo sind die Gerichtshöfe, die eure Klagen annehmen, wo die Richter, die Recht sprächen? - Die Ketten eurer Vogelsberger Mitbürger, die man nach Rockenburg schleppte, werden euch Antwort geben.

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Und will endlich ein Richter oder ein andrer Beamter von den wenigen, welchen das Recht und das gemeine Wohl lieber ist als ihr Bauch und der Mammon, ein Volksrat und kein Volksschinder sein, so wird er von den obersten Räten des Fürsten selber geschunden.

Für das Ministerium der Finanzen 1 551 502 fl. Damit werden die Finanzräte, Obereinnehmer, Steuerboten, die Untererheber besoldet. Dafür wird der Ertrag eurer Äcker berechnet und eure Köpfe gezählt, der Boden unter euren Füßen, der Bissen zwischen euren Zähnen ist besteuert. Dafür sitzen die Herren in Fräcken beisammen, und das Volk steht nackt und gebückt vor ihnen, sie legen die Hände an seine Lenden und Schultern und rechnen aus, wie viel es noch tragen kann, und wenn sie barmherzig sind, so geschieht es nur, wie man ein Vieh schont, das man nicht so sehr angreifen will. Für das Militär wird bezahlt 914820 Gulden.

Dafür kriegen eure Söhne einen bunten Rock auf den Leib, ein Gewehr oder eine Trommel.....

So geht es weiter über mehrere Seiten, Büchner beschreibt die Situation besser, als wir Nachgeborenen es könnten, doch manchmal kommt einem beim Lesen von Georg Büchners Landbote schon der Gedanke: Was hat sich bis heute geändert?

Wer war Georg Büchner?: Ein Schriftsteller, *Goddelau (heute zu Riedstadt) 17.10.1813, + (an Typhus) Zürich 19.2.1837, Bruder von Ludwig, Arzt und Philosoph, *Darmstadt 29.3.1824; studierte 1831-33 in Straßburg, 1833-34 in Gießen Naturwissenschaften, Medizin und Philo-sophie, nahm als entschiedener Gegner der Reaktion 1834 an den politischen Kämpfen in Hessen teil, gründete in Gießen die „Gesellschaft der Menschenrechte“ und verfasste eine radikaldemokratische Kampf-schrift mit sozialistischen Anklängen, den von F. L. Weidig überarbeiteten „Hessischen Landboten“, mit dem Motto „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“. Er floh 1835 nach Straßburg und wurde 1836 in Zürich Dr. med. und Privatdozent für vergleichende Anatomie. Mit seinen Hauptwerken nimmt er als Vorläufer von Naturalismus und Expressionismus eine singuläre Stellung in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts ein. Mit scharfem Realismus und visionärer Ausdruckskraft in der Technik der Kurzszene anknüpfend an W. Shakespeare und den „Sturm und Drang“ schuf Büchner in „Dantons Tod“ (1835, Uraufführung 1902) eine Revolutionstragödie.

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Abb. Die „Staats- und Gemeindeordnung“ von 1853 enthielt Regelungen über „Hausirhandel“ im Großherzogtum Hessen, das o.a. Exemplar stammt aus dem Gemeindearchiv Villingen.

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Abb. 2 Seiten aus „Die Staats- und Gemeindeverwaltung“ von 1853.

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Kommen wir zu einigen Einzelfällen aus dem Gemeinde-

Archiv Villingen.

Abb. Gesuch des Georg Graf II. Witwe, Transkribierung folgende Seite.

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An Königliches Landrathsamt zu Marburg8

Gehorsamste Bitte der Großhzl. Bürgermeisterei Villingen

Wir haben am 10ten April des Jahres beim Königl. Landrathsamt um Ausfertigung eines Gewerbe Legitimationsscheines für die Georg Graf II. Witwe dahier, gebeten, und hat dieselbe den Betrag von 12 M eingesandt. Es ist uns bis jetzt noch keine Entscheidung geworden, und erlauben uns, dieses gehorsamst in Anregung zu bringen.

Villingen den 6ten Mai 1889

Großhzl. Bürgermeisterei Villingen

Koch

Rückantwort:

Marburg am 8. Mai 1889 K. L. zurück senden dem Erwiedern dass der fragliche Wandergewerbeschein bei der Königlichen Steuerkasse I hier zur persönlichen Abholung seitens der Witwe Graf bereit liegt, was ich der Graf zu eröffnen ersuche.

Der königliche Landrath Unterschrift NN

8 War Marburg deshalb zuständig, weil die Erlaubnis dort gelten sollte? Oder war es Schwerpunktbehörde, wie es zu Beginn des Großherzogtums überliefert ist, eine schon recht moderne Einstellung, von der heute wieder Gebrauch gemacht wird.

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Abb. Hausiererlaubnisschein, (Sammelbestellung) Transkribierung folgende Seiten.

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Abb. Hausiererlaubnisschein, (Sammelbestellung) Transkribierung nächste Seite. Transkribierung nächste Seite

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Betreff: Hausiererlaubnisschein An Großh. Bürgermeister zu Villingen

Folgenden Personen wird die polizeiliche Erlaubniß mit bezeichneten Gegenständen zu hausiren ertheilt:

1. Der Gerdraute Bommersheim mit ungewebten Lampendochten, baumwollenen Zwirn

2. Dem Georg Diehl 2ter mit baumwollenen ungewebten Lampendochten, Hirsen und Lumpensammeln.

3. Dem Johannes Graf mit baumwollenen ungewebten Lampendochten und Zwirn.

4. Dem Johann Georg Löschhorn mit baumwollenen ungewebten Lampendochten.

5. Dem Henr. Löschhorn II. Witwer mit baumwollenen ungewebten Lampendochten.

6. Dem Heinrich Pauly mit Reiserbesen 7. Dem Karl Pauly mit Besen und Lampendochten. 8. Dem Karl Rühl Gehülfe des Wiegand Rühl mit

Lampendochten, Sämereien, Bleistiften, Schreibfedern, geschälter Hirse.

9. Dem Konrad Rühl Witwer, mit Lampendochten, Sämereien, Bleistiften, Schreibfedern, geschälter Hirse.

10. Dem Johannes Rühl mit Lampendochten 11. Dem Konrad Stühler I. mit Lampendochten, Sämereien,

Nadelbüchsen, glatten inländischen Baumwollzeug, Zwirn 12. Dem Johannes Zimmer m. S. mit Lampendochten 13. Dem Gotthard Diehl mit Lampendochten, Sämereien, dürrem

Obst, Zwirn, Schreibfedern, Nadelbüchsen. Sie wollen die Interessenten hiernach bedeuten und das Erforderliche besorgen. 9/11/1854 (?)

Großh. Kreisamt Nidda Unterschrift NN

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Abb. Gesuch verschiedener Einwohner in Villingen. Transkribierung nächste Seite.

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Zu Nr. K H Hungen am 21. Februar 1845 Betreffend: Gesuch um Hausirerlaubniß verschiedener Einwohner in Villingen.

Der Großherrzoglich Hessische Kreisrath des Kreises Hungen

An Gh. Bürgermeister in Villingen

Ich benachrichtige Sie hierdurch, dass 1. Der Katharina Mattern in Villingen 2. Joh. Reinh. Zimmer 24ter, das.9 Georg Ester Ehefrau, modo 3. Peter Stracks Ehefrau Christine 3a der Gertraude Bommersheim und das. 4. dem Konrad Stühler

die nachgesuchte Erlaubniß zum Betreiben des Hausirhandels mit bezeichneten Waaren vom Ghn. Provinzial-Commissär unter dem 20ten d. M. ertheilt worden ist-

Schilling

Bekanntgemacht Villingen 9. März 1845 Der Ortsdiener

Döll Bemerkungen auf einem Gesuch: Bei dieser Gelegenheit bemerken wir Ihnen ganz Allgemein, dass sie sich jedes Mal vor Erstattung Ihrer Berichte durch Einsicht der Anlage B Seite 389 und 390 des Regierungsblattes von 1846 zu überzeugen haben ob auch wirklich mit denjenigen Gegenständen, welche die Bittsteller Ihnen angaben, hausirt werden darf beziehungsweise ob dazu unsere Erlaubniß erforderlich erscheint.

9 das.=dasselbe modo=sodann

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Abb. Gesuch der Ehefrau des Johannes Knöß und... . Transkribierung nächste Seite.

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Per 21/9/46 Zu K. H. Hungen den 21ten September 1846 Betreffend: Gesuch der Ehefrau des Johannes Knöß und derjenigen des Heinrich Rühl II. zu Villingen um Ertheilung von Hausirpatenten

Der Großherrzoglich Hessische

Kreisrath des Kreises Hungen

an Grh. Bürgermeister in Villingen

Sie erhalten hiermit die Nachricht, dass durch Entschließung Großh. Provinzial-Commissärs zu Gießen vom 18ten d. M. den Rubricantinnen die nachgesuchte Erlaubniß zum Hausirhandel mit Lampentochten, wollenem und baumwollenem Garn, Halstücher, Zwirn und dergleichen ertheilt worden ist.

In Abwesenheit des Kreisraths

Schadt (?)10, Gr.. Kreissekretär

10 evtl auch Schaat oder Schaaf, schwer leserlich.

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Abb. Gesuch des Karl Pauli.

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Zu Nr. R. KZu Nr. R. KZu Nr. R. KZu Nr. R. K. 7808 FriedbergFriedbergFriedbergFriedberg am 2ten Juni 1857

BetreffendBetreffendBetreffendBetreffend: Gesuch des Karl Pauli zu Villingen um Erlaubniß zum Betriebe des Hausirhandels

Die Großherzoglich Hessische

Regierungskommission Des Regierungsbezirks Friedberg

An Gr. Bürgermeister zu Villingen

Dem Rubrica(n)ten wird die nachgesuchte Erlaubniß zum Betriebe

des Hausirhandels mit Erdengeschirr hiermit ertheilt.

Ähnlich lautet der nicht im Original abgebildete Bescheid, den wir hier einfügen, Kopf wie oben.

Gesuch des Konrad Koch III. zu Villingen um Hausirerlaubniß Dem Rubricanten wird die Erlaubniß zum Betrieb des Hausirhandels mit Hefe (flüssiger und Presshefe) hierdurch ertheilt Sie werden daher demselben auf Verlangen das erforderliche Patent anfertigen.

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Abb. Gesuch des Johannes Kreß für sich und seine Ehefrau.

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B. 8. No. 169 24.9.1853

Nidda am 20. September 1853

Betr.: Gesuch des Johannes Kreß zu Villingen um Ertheilung der Hausirerlaubniß für sich und seine Ehefrau.

An

Gr. Bürgermeister zu Villingen Dem Johannes Kreß zu Villingen und seiner Ehefrau wird auf den Grund Ihres Berichts vom 19. d. M. die nachstehende polizeiliche Erlaubniß zum Hausiren mit folgenden Artikeln ertheilt:

1. Bleichstifte, 2. Baumwollene Zeuge, glatte inländische11 3. Dochte, ungewebte Baumwollene 4. Gerten aus Hanf 5. Nadelbüchsen. Hölzerne 6. Oblaten 7. Schreibfedern 8. Seife, gemeine weiße, auch andere ordinäre 9. Siegellack

Übrigens ist nach § 8 der Verordnung vom 6. November 1846 für jedes der Patente ein eigenes Patent auszufertigen und bekommt auch jedes besonders in Steuerkapitalsansatz. Eine Abtretung des Patents des Mannes an die Frau oder umgekehrt ist untersagt. Sie wollen dieselben hiernach bedeuten und das weitere ausführen

Gr.. Kreisamt Nidda Unterschrift

NN 11 Die Nr. 2 fehlt im Original, hier steht 2x die Nr. 1, zum besseren Verständnis haben wir jedoch durchnummeriert.

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Abb. Gesuch des Heinrich Rühl II. von Villingen um „Hausirererlaubnis“.

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Zu Nr. RK Friedberg am 21. April 1852 Betreffend: Gesuch des Heinrich Rühl II. von Villingen um Hausirerlaubniß

Die Großherzoglich Hessische

Regierungskommission des Regierungsbezirks Friedberg

an Gr. Bürgermeister zu Villingen

Dem Rubrikanten wird die nachgesuchte polizeiliche Erlaubniß zum Betriebe des Hausirhandels mit: geschälter Hirse Kleesaat Inländischem, glattem Baumwollzeug baumwollenen Dochten, Oblaten, Bleistiften, Schreibpapier, Schreibfedern, Bierhefe hiermit ertheilt

Amriez

Die. Erlaubniß zum hausiren wird noch auf Sämereien, Gurten aus Hanf, Scheren, Schnallen, Schachteln, Kämme, Bindfaden, Bürsten ausgedehnt 27.11.53 Unterschrift

NN

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Abb. zum Gesuch des Martin Lö(e)schhorn, unten ein Eichschein über ein „Mäsgen“.

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Betreff. Hausirerlaubniß

An

Großherzogliche Bürgermeisterei Villingen Dem Martin Löschhorn12 von Villingen mit seiner Tochter Juliane als Gehilfin wird die polizeiliche Erlaubniß zum Hausiren mit ungewebten baumwollenen Lampendochten13, Nadelbüchsen, Gerten aus Hanf, Schreibfedern, Oblaten und Siegellack hiermit ertheilt. Großh, Kreisamt Nidda

Abb. Hier noch einmal der bereits vorne abgebildete Eichschein über Kumpf und Gescheid14.

12 Leschhorn. 13 haben Sie einmal mitgezählt wie viel der hier dargestellten Erlaubnisse den Artikel „Lampendochte „ enthalten? 14 Kumpf = 4 Gescheid, etwa 8 bzw. 2 Liter.

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Abb. Bürokratie anno 1843.

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Copia Hungen den 11ten März 1843 A. St. C.H. 232

Gegenstand: Die Ausfertigung der Gewerbepatente

Der Großh. Hessische Steuer Commissar des Steuerbezirks Hungen an

Sämtliche Gr. Bürgermeister und Polizeicommissare des Steuerbezirks Hungen

Da ich nur solche Patente unterzeichnen kann, bei deren Ausfertigung die gesetzlichen Vorschriften beobachtet worden sind, so ersuche ich Sie, mir zukünftig in allen Fällen, in welchen es sich um die erstmalige Ausfertigung eines Patents handelt solche bei allen neu zugehenden Gewerben außer dem Patent auch noch die Commissionsurkunde zu übersenden, auf welche sich die Erlaubniß des Gewerbebetriebs gründet, sofern das Gewerbe ein solches ist, zu dessen Betrieb eine besondere Erlaubniß erforderlich ist. Zu diesen Gewerben gehören die in Art. 1 der Verordnung vom 1ten Dezember 1827 genannten, die Bauhandwerke, die sämtlichen zünftigen Gewerbe15 und das Gewerbe der Hufschmiede. Sie wollen dieses Schreiben alsbald weitersenden und den Empfang desselben bescheinigen. Hunsinger16 Abschrift 31/3/43

Zimmer

15 hier können wir sehen, dass zu diesem Zeitpunkt das Zunftwesen noch erhebliche Bedeutung hatte, bis es bald auch in Hessen aufgehoben wurde. Seit der Mitte des 13.Jahrhunderts waren die Handwerker in den Städten regelmäßig in Zünften organisiert. Bei der Zunft handelte es sich um eine Zwangsgemeinschaft von Meistern, Gesellen und Lehrlingen eines oder auch mehrerer Handwerke oder Gewerbe, die wirtschaftliche Zielsetzungen mit sozialen und kultisch-religiösen Funktionen in sich vereinigte. (Aufhebung dauerte in einzelnen Länden bis 1872) 16 dieser Steuerkommissar Hunsinger ist die Person, von welcher wir die Überlieferung des Pfingstbrauches „Fistbuben/Pfingstbuben“ (siehe Heft Nr. 7/VIII) bekamen.

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Abb. noch einmal ein Schreiben des Steuerkommissars Hunsinger vom 11.03.1843, Vorderseite.

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Copia Hungen den 11ten März 1843

Gegenstand: Die Ausfertigung der Hausirpatente. Der Großherzogl. Hessische Steuer-Commißär des Steuerbezirks

Hungen Sämtliche Gr.. Bürgermeister und Polizeicommißäre des

Steuerbezirks Hungen. Viele Gr.. Bürgermeister des Bezirks haben bisher in die Hausirpatente an die Stelle, an welche der Tag der Verfügung des Gr.. Provinzialcommißärs eingetragen werden soll, nur die Worte gesetzt „von früheren Jahren“, selbst dann, wenn sich die Hausirerlaubniß erst aus neuester Zeit herschreibt. Da dieses ein unrichtiges Verfahren ist, so ersuche ich Sie, bei Ausfertigung der Hausirpatente zukünftig immer den Tag der betreffenden Verfügung des Gr. Provinzialkommissars anzugeben, so weit dieser irgend noch angegeben werden kann, namentlich ohne Ausnahme bei allen Hausirpatenten welche sich auf neue Commissionen gründen. Nur wenn sich durchaus, weil keine Acten mehr vorhanden, der Tag oder auch nur das Jahr der fraglichen Verfügung nicht angeben läßt, läßt sich rechtfertigen, wenn die Worte, „von früheren Jahren“ beibehalten werden. Das von Ihnen geführt werdende besondere Tagebuch (man siehe Seite 10 und 32 der Zusammenstellung der im Großherzogthum Hessen bestehenden Vorschriften über den Hausirhandel) muß ja ohnedies den Tag der Ausfertigung der Hausirerlaubniß des Großh. Provinzial-Commissars enthalten. Werden Hausirpatente ausgefertigt für Hausirer welche zum Erstenmal die Hausirerlaubniß erhaltten haben, so wollen Sie jedes Mal dem Patent die Hausirerlaubniß beilegen, damit ich von solcher Einsichtnahme und (?) die richtige Ausfertigung des Patents prüfen kann. Sie wollen dieses Schreiben alsbald weiter senden und den Empfang desselben bescheinigen.

Hunsinger

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Abb. Gesuch der Katharina Mattern von 1837.

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Zu Nr. L R 2133 Hungen am 28. März 1837

Betreffend: Gesuch der Katharina Mattern von Villingen um Ertheilung eines Patents und Passes zum Hausirhandel mit Baumwollen Garn im Auslande.

Der Großherzoglich Hessische

Fürstl: u. Gräfl: Solmsische Landrath

des Bezirks Hungen an

den Bürgermeister Koch zu Villingen

Der Rubrikantin werden Sie eröffnen, daß ihr rubricirtes Gesuch durch Rescript Gr. Provinzial Commissariats vom 25t des M.

abgeschlagen worden seye.17

Knorr

17 So war das damals, eine Ablehnung des Gesuchs ohne jede Begründung und ohne alle Rechtsmittel; da alle anderen Fälle jedes Mal offensichtlich genehmigt wurden, können wir nur vermuten, dass die Ausstellung des Passes für das Ausland hier Hinderungsgrund gewesen ist, was auch immer damals noch als Ausland bezeichnet wurde, ist nicht zu erkennen, irritierend wirkt die Bezeichnung Großherzoglich Hessischer Fürstlich Gräflicher solmsischer Landrath, das kommt daher, dass den ehemaligen Standesherrn noch bestimmte Rechte verblieben waren, als das Amt Hungen zu Hessen-Darmstadt gekommen ist, siehe dazu unser Beitrag „Als wir zu Hessen-Darmstadt kamen“ Heft 4 I dieser Reihe.

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II. Klara von Villingen eine „Süster“ im Grünberger

Augustiner-Kloster wird 1532 abgefunden. In einer Urkunde (Nr. 911) von 1532 hören wie, dass im Nonnenkloster bei der Pfarrei St. Paul in der Grünberger Neustadt auch eine Klara von Villingen abgefunden wurde, als das Kloster dort nach Einführung der Reformation in Hessen aufgehoben wurde. Bei unserer Süster18 Klara steht das „von“ Villingen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für ein Adelsprädikat, sondern hatte die Bedeutung „aus“ Villingen, so sieht dies auch der Verfasser des Regesten- und Urkundenbuches Albrecht Eckardt.19 Der Urkundenbestand dieses Klosters war nicht sehr umfangreich, trotzdem erhalten wir einen guten Überblick auch zur Zeit der Auflösung. Im Jahr 1457 wird diese Klause in Grünberg erstmals urkundlich erwähnt, obwohl bereits 1304 die Neustadt genannt wird. Aus dieser Zeit hören wir auch von einem Friedhof dort und ein Friedhof ohne Kirche war für damalige Verhältnisse undenkbar. So können wir also annehmen, dass hier eine Kirche zu diesem Zeitpunkt schon bestanden hat, sie war St. Paulus geweiht. Es bestand auch eine eigene Pfarrei, die erst 1324 auf Verfügung des Landgrafen mit der Altstadtpfarrei vereinigt wurde. Zu einem uns unbekanntem Zeitpunkt hatten sich dort dann Klausnerinnen angesiedelt.20 Am Anfang waren es Franziskanerinnen der sogenannten dritten Regel.21 Aus dem Jahre 1482 ist eine päpstliche Genehmigung bekannt,22 die die Klause in ein Augustinerinnen-Kloster, unter der Aufsicht der Hirzenhainer Augustiner umwandelt.23 Im Gegensatz zu den meisten hessischen Klöstern, die Landgraf Philipp der Großmütige bereits 1527/28 aufgehoben hat, bestand das Augustinerinnen-

18 Für Schwester = Nonne, vergleiche engl. „Sister“. 19 Eckardt, Albrecht, in: Die oberhessischen Klöster, Veröffentlichung der Historischen Kommission für Hessen Bd. IX,7, dritter Bd. 1. Hälfte: Regesten und Urkunden, Marburg, 1977, Seite 647ff. 20 Probst, Heinz P. in: Die Bau- und Kunstdenkmäler in der Großgemeinde Grünberg, Heft 1 Kirchen, Schriftenreihe des Verkehrsvereins 1896 Grünberg e.V. Seite 29 ff. 21 Tertiarinnen genannt. 22 Sixtus IV. 23 Urkunde Nr. 889 vom 4. Mai 1482 in Rom ausgestellt.

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Kloster in Grünberg noch bis 1532 fort, allerdings unter der vermögensrechtlichen Aufsicht des landgräflich Grünberger Rentmeisters Hirzberger. Aber auch im Grünberger Augustinerinnen-Kloster war wie in allen hessischen Klöstern eine Inventarisierung durchgeführt worden, um das Vermögen festzustellen, die erste Inventarisierung fand 1525 statt, eine Wiederholung erfolgte im Frühjahr 1527. Das Ergebnis ist ebenfalls durch Urkunden bekannt, reich waren die Schwestern danach nicht. Diese Klosterinventarisierungen sollten zunächst nur das Vermögen der einzelnen Häuser feststellen, um daraus eine Steuer berechnen zu können und die Folgen der Bauernaufstände zu bezahlen, aber es kam ganz anders, wie wir heute wissen. Aus den vorliegenden Urkunden und Regesten24 erkennen wir, dass viele Nonnen in dieser Übergangszeit die Klöster schon „freiwillig“ verlassen hatten und sich so manches Haus von selber aufzulösen begann. Im bisherigen ehem. Klostergebäude wurde Ende 1532/Anfang 1533 das „neue Hospital“ eingerichtet.25 Die Gebäude werden in unseren Tagen gerade zum Stadtmuseum von Grünberg umgebaut (2003/04). Die dort 1740 neu errichtete Kirche heißt seitdem schon „Hospitalkirche“. Das kunsthistorisch wertvollste Ausstattungsstück dieser Kirche ist ein gotisches Kruzifix (um 1500 entstanden), wohl das ehemalige „Triumph-kreuz“26 der Kirche, es hängt heute in der Grünberger Stadtkirche.

24 Regesten [lateinisch regerere »eintragen«], knappe Zusammenfassung des Rechtsinhalts von Urkunden mit Verzeichnung des Datums, des Ortes, der Überlieferung, der Orts- und Personennamen, aber auch mit kritischen Bemerkungen (z.B. über Echtheit) und häufig erweitert durch Angaben aus anderen Quellen. Gedruckte Verzeichnisse von Urkundenauszügen sind ebenfalls Regesten. F. C. Dahlmann und G. Waitz gaben Verzeichnisse der

Regestensammlungen für Deutschland heraus. (Brockhaus) 25 Probst, a.a.O. 26 so genannt, weil es früher am Triumphbogen, das ist der Bogen am Übergang vom Langhaus für die Laien zum Chorraum für die Priester, hing, an vielen alten Kirchen sind diese Triumphkreuze noch zu bewundern. Bei uns wurden sie in aller Regel nach der Reformation entfernt, besonders da, wo das reformierte Bekenntnis eingeführt worden ist, im langgräflichen Grünberg wurde aber das lutherische Bekenntnis eingeführt, so konnte es hier die „wilde Bilderstürmerei“ überleben und

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Eine Fensterinschrift aus dieser Kirche wollen wir unseren Lesern nicht vorenthalten: „1747, Las uns die Gieldenen Stunden kauffen / dieweil des Lebens Uhrwerk geht / eh die Gewechte schnell ablaufen / dan der gezieckte Zeiger steht“.

Abb. ehem. Augustinerinnen-Kloster, später das Hospital in Grünberg (Foto HPP).

In den o.a. schon aufgeführten Regesten27 befinden sich neben den Besitzrechten und Grundstücksverkäufen bzw. Übertragungen, die noch kurz bis vor die Aufhebung des Klosters reichen, auch die Abfindungsurkunden der „Süster“; hierin ist verzeichnet, was eine jede von ihnen bekommen soll, wenn sie das Kloster verlässt.

kündet so aus einer längst vergangenen Zeit; die Grünberger sind mit Recht stolz auf dieses Kunstwerk. 27 Eckardt a.a.O.

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Aus einer dieser Urkunden vom 25. September 1528 hören wir, dass Mater und Konvent des Klosters nach Marburg geladen wurden (Gerichtstag), um über eine Abfindung für Margarethe Tebes zu entscheiden. Der Rentmeister Joh. Hirzberger berichtete dazu, dass der Konvent dem Antrag auf volle Abfindung nicht folgen konnte, da bei ihnen 30 Schwestern in der Klause lebten und unter diesen 8 schwach und „unvermoglich“ seien, die man täglich pflegen müsse. Weiter berichtet er, wenn man jetzt einer jeden gäbe, was sie ursprünglich einmal eingebracht habe, würde des Klosters

„Nahrung“ nicht ausreichen, denn ihr Einkommen sei sehr gering und ihr täglich Brot sauere Arbeit. Man machte in dem konkreten Fall den Vorschlag, der ehem. Schwester (Margarethe Tebes von Dutenhofen) nur einen Teil zurückzugeben und dass sie damit zufrieden sein solle.28 Aus weiteren Urkunden hören wir, dass wohl zuerst die vermögenden (in der Regel) adelige Schwestern abgefunden worden sind, dabei und auch später findet sich mehrmals der Vermerk: „.... die sich von ihnen gewandt und aus göttlicher Fügung in den ehelichen Stand begeben haben“.29 Abb. ehem. Opferstock im Brunnental.

28 Urkunde 907a. 29 Klöster waren damals auch ein „Mittel“, Töchter (und Söhne), die nicht die volle Mitgift bekamen, zu versorgen; so werden die Angehörigen schon dafür gesorgt haben, dass die jungen ehem. Nonnen schnell wieder versorgt waren.

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Im Jahr 1532, als das Kloster dann endgültig aufgehoben wurde ist uns jene Urkunde (911) überliefert: „Verzeichnis über das von den Süstern in das Süsternhaus Gebrachte, über Ausgaben und Gefälle des Hauses“:

Abb. Kruzifix, heute in der Stadtkirche von Grünberg, das auch an das Kloster erinnert (Foto HPP).

Hier erfahren wir, dass einige Schwestern = 450 Gulden eingebracht hatten (so Margaretha von Dutenhofen), unsere Klara von Villingen hatte dagegen nur ganze 10 Gulden eingebracht. Sie gehörte damit zu den ärmsten Schwestern, die wohl auch hier zusätzlich ihren Unterhalt durch Arbeit verdienen musste. Über dem Verzeichnis steht denn auch an dieser Stelle: „Dieses, wie nachfolgt, hat eine jede Süster und mehr nicht ins Süsternhaus gebracht“. Mit der Abfindung, die sie daraus erhalten hat, konnte sie wohl kaum ein neues Leben anfangen. Leider erfahren wir nicht, was aus unserer „Süster Klara von Villingen“ geworden ist, wie alt sie war, ob sie zu den gebrechlichen Nonnen gehörte oder ob auch sie geheiratet hat.

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Abb. Hospitalkirche von Osten, beim ehem. Augustinerinnen-Kloster in Grünberg (Foto HPP). Wir können zum Vergleich jedoch einige Urkunden heranziehen, die sich erhalten haben von einer Süster Barbara Lüncker (Luncker), sie hatte nach der gleichen Urkunde 40 Gulden, also das vierfache unserer Klara von Villingen ins Kloster eingebracht. Nach den Quittungen, die Sebastian Lüncker für seine Base30 unterzeichnete, und siegelte, bekam sie: 2 ½ Achtel Korn von dem „großen Zehnt“ aus Berstadt und 6 Achtel Korn vom „Bunerhof“ (unterschiedliche Schreibweise) in Berstadt.

30 Später (16.9.1635) nennt er seine Schwester von Marburg/von Wetzlar (?)

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Abschrift der Regesten (nach A. Eckard mit einigen Anmerkungen) Nr. 913:

1535 September 13 Sebastian Lüncker, Kanoniker zu Lich, bekundet eigenhändig, daß [seine Base] Barbara Lüncker von Marburg, [ehemalige Klosterschwester zu Grünberg], gemäß ihrem Abschied zu Grünberg 2 1/2 Achtel jährlich aus dem großen Zehnt zu Berstadt fallen hat und daß ihm der Kellner Johann Wentzel zu Bingenheim das Korn hat liefern lassen, was er, Sebastian, für dieses und alle vergangenen Jahre quittiert. - SiegIer: der Aussteller. - Datum uff montag nach unßer frauwen nativitatis Marie tag im iare 1535.

1535 September 16

Derselbe bekundet eigenhändig, daß [seine Schwester], die verstorbene Barbara Lüncker [von Wetzlar], ehemals Mater zu St. Paul in der Klause zu Grünberg, in ihrer Abfertigung laut "Brief und Siegel" 6 Achtel Korn aus dem Bunerhofe (Suner-[?]) zu Berstadt jährlich zwischen den zwei Frauentagen assumptionis [= August 15] und nativitatis [= September 8] fallen hatte, welche ihm "auferstorben" sind und er ererbt hat. Klaus, Hofmann des gen., jetzt seinem gnädigen Herrn [dem Grafen] von Nassau zustehenden Hofes, hat ihm die 6 Achtel Korn Münzenberger Maßes geliefert und bezahlt, was er für dieses und alle vergangenen Jahre quittiert. - Datum uff donnerstag nach unßer frauwenn tag nativitatis zw latin genant a. 1535, mein eigen hanschrifft [!].

1536 September 11

Derselbe quittiert dem Keller Johann Wentzel den Empfang der 6 Achtel aus dem Bunenhof und der 2 1/2 Achtel aus dem großen Zehnt zu Berstadt. - Datum uff montag nach unßer frauwen tag nativitatis Marie a. 1536.

1538 September 10

Derselbe quittiert in zwei getrennten Urkunden dem gen. Kellner die 2 1/2 Achtel für 1537 und 1538 sowie die 6 Achtel aus dem Bewnnerhof [für 1538]. Weitere Quittungen von 1539 Aug. 25 (6 Achtel) und September 15 (21/2 Achtel), 1540 Aug. 16 (6 Achtel), 1543 Aug. 21 (beides) und weiter aus jedem Jahr bis 1549 Sept. 12. Spätestens seit 1551 fiel das gesamte Korn an das Spital in Grünberg, (vgl. Urkunde Nr. 915).

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III. Die Villingener Gemarkung und ihre Flurnamen Zusammengestellt von Herrmann Heinz, Villingen und vom Verfasser mit den Erklärungen zu den einzelnen Flurnamen ergänzt Flurnamen waren die ältesten Untergliederungen unserer Gemarkung, bereits lange vor der Reformation tauchen sie als beschreibende Elemente in den Klosterarchiven auf, dagegen sind die Flurstücksnummern, wie wir sie heute kennen, wesentlich jüngeren Datum. So werden denn auch Grundstücke damals schon mit dem Flurnamen beschrieben aber zur genaueren Definition der Lage heißt es dann oft: „.... grenzt oben an Hobehenns Acker“ oder so ähnlich. Viele der Flurnamen geben durch ihre Namen schon eine Deutung ab, wie z. B. in Villingen der „Bienköppel“, das war sicher ein kleiner Hügel wo möglicherweise einmal Bienen gehalten wurden oder Wildbienen vorkamen, oder „ die Bachgärten“, das waren Gärten die am Bach lagen. Bei anderen Namen ist eine Deutung öfters schwer, vielfach sind sie aus dem Dialekt entstanden und wurden später von einem Geometer, der nicht aus dem Dorf kam, nach der Phonetik geschrieben. Als typisches Bsp. bei uns gilt der Hotzberg, wir finden seine Schreinweise in amtlichen Unterlagen, wie der topographischen Karte oder in Wanderkarten, aber auch in den Beschreibungen im Gemeinde-Archiv bis in neuere Zeit derart unterschiedlich, dass eine Rückverfolgung bis zu seinem ursprünglichen Namen kaum noch möglich wird, nämlich: „Harzberg“, „Horzberg“, „Hotzberg“, „Holzberg“, „Hirzberg“ = Berg der Hirsche, um nur einige zu nennen, die uns bis jetzt aufgefallen sind. Natürlich ist es reizvoll, den Namen der einzelnen Fluren und ihren Ursprüngen einmal nachzugehen, dieses ist auch für einige Orte im Kreis Giessen schon geschehen, doch sind die Ergebnisse so ohne weiteres nicht übertragbar. An der Uni Giessen gibt es ein Institut, dass sich als einziges Deutschlandweit mit der Flurnamenforschung beschäftigt. Trotzdem wollen wir die Aufzeichnungen von Herrmann Heinz soweit wie möglich nach den Erkenntnissen, die an anderen Orten unserer Heimat gewonnen wurden, ergänzen. Alle Erklärungen wurden dabei nach bestem Wissen gemacht, trotzdem sind aber teilweise auch andere Erklärungen möglich. Zur Worterklärung wurde außerdem das bekannte: „Deutsches Wörterbuch“ von Hermann Paul in der 9. Auflage herangezogen.

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Die nachfolgenden Flurnamen wurden nach dem Hauptwort sortiert.

Zusätze wie: alter, mittelster, die, am usw. wurden hinten an gestellt. A

Altweiher, Der Flur 12 Der ältere Weiher, vermutlich gab es damals schon einen jüngeren Weiher

Au, In der kleinen Flur 5 Au steht hier wohl für die Fluss- oder Bachaue

B Bachgärten, Die Flur 1 Gärten an dem Bach Bachgärten, Vor den

Flur 1 Wie vor

Beune, Auf der Flur 12 Beune bezeichnet einen eingefriedeten Bezirk, auch für die Ortsbefestigung gebraucht

Beuneweg, Am Flur 1 + Flur 16

Wie vor

Bienen, Zwischen den

Flur 15 Möglicherweise von den folgenden Fluren abgeleitet

Biengraben, Am Flur 5 Wohl von Bienen und Graben, siehe Vorbemerkung

Bienköppel, Am Flur 15 Wohl von Bienen und Köppel, für Hügel, nach StAD = Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, von mhd. Biunde für einbefriedendes Grundstück, außerhalb der Almende

Bienköppel, Der Flur 1 Wie vor Bienköppel, Hinter dem

Flur 1 Wie vor

Bienköppel, Vor dem

Flur 1 Wie vor

Bilzenhecke, Auf der

Flur 11 Evtl. von Bilsenkraut, könnte aber auch früher Binse geheißen haben von der Binsenpflanze (?)

Bleiche, Die große Flur 1 Von Wiese auf der die Wäsche oder Leinen gebleicht wurde

Borgelberg, Der Flur 3 Wald, vielleicht Burgberg (?) von dort einmal sichtbaren Wallanlagen, so auch

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StAD. = Hessisches Staatsarchiv Darmstadt

Borgelberg, Unter dem

Flur 2 vielleicht Burgberg, wie vor(?)

Bornweg, Am Flur 1 Weg zum Brunnen Bornwiese, In der Flur 1 Wiese mit oder am Brunnen Bornwiese, Vor der Flur 1 Wie vor Bornwiesenweg, Am

Flur 2 Wie vor

Brückengärten, Die Flur 1 Gärten an einer Brücke Buchwald, Der Flur 13 Buchenwald Burke, An der Flur 3 ? D

Dammäcker, Die Flur 5 War hier ein Damm ? Dankertswiesen, Die

Flur 9 ?

Dietrichsberg, Der Flur 5 + Flur 7

wohl nach dem Namen eines Eigentümers o.ä.

Dornbach, die Flur 8 Bach mit Dornen. E

Eichgarten, Am Flur 10 Pflanzgarten für Eichen. Eichköppel, Der Flur 5 Kleiner Berg, auf dem bevorzugt

Eichen wuchsen. Eichkoppelhohl, Auf der

Flur 5 Wie vor

Eisenkaute, Auf der Flur 1 + Flur 15

Von dem dort vorgenommenen Bergbau, siehe hierzu unseren Beitrag in dieser Reihe

Eisensteinstrauch, Am

Flur 8 Von dem dort vorgenommenen Bergbau

Eppelrod, In Flur 5 Da früher auch Äpfelrode o. ä. geschrieben, Rodung wo Äpfelbäume standen, aber auch Rodung eines NN (Eigennamens)

Eppelroder Weg, Am

Flur 5 Wie vor

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48

F

Flurscheide, Auf der

Flur 3 Grenze zwischen zwei oder mehren Fluren

Flutgraben, Am Flur 10 Nach einem sogenannten Flutgraben G

Gänsäcker, Die Flur 1 Wohl wie Gänseweide Gänsweg, Am Flur 9 Wie vor Gänsweide, Auf der Flur 9 Wie vor Gänsweide, Die Flur 15 Wie vor Gänsweide, Vor der Flur 9 Wie vor Gewann, Das freie Flur 12 Ein Ackergewann, das zehntfrei war (?) Gebrannten, Am Flur 5 Von einem Brand dort (?) Grauberg, Auf dem Flur 1 Möglicherweise von dort

vorkommender Grauwacke einer Gesteinsart

Grund, Im Flur 11 Tief liegender Geländeteil Gutmann, Am Flur 5 Gutmann wohl der Aussätzige, so auch

StAD (?) (vergl. S. 46) H

Hag links, Im Flur 3 Von eingehegtem Grundstück Hag, rechts, Im Flur 3 Wie vor Haingarten, Der Flur 1 Früher nur Hain StAD. Mit der

Ortsbefestigung in Verbindung stehend Harb, In der Flur 12 Von rau, auch für sumpfigen Boden

gebraucht Harb, Vor der Flur 12 Wie vor Härberpfad, Der Flur 11 Wie vor Hasenäcker, Die Flur 2 Von Feldhasen abgeleitet, so auch

StAD. Hefseifen, Auf dem Flur 5 (?) Heide, Auf der Flur 2 Heute noch für einen unfruchtbarer Ort

oder ähnliches. Heide, vor der Flur 2 Wie vor Heiligen Stock, Am Flur 3 Tritt oft dort auf, wo in

vorreformatorischer Zeit ein Steinkreuz oder ein Bildstock gestanden hat

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Hell, Auf der Flur 4 Mehrere Deutungen möglich, diese Flurbezeichnung kommt in vielen Orten in Oberhessen vor, soll teilweise von Hölle abgeleitet werden, damit war ein finsterer Ort gemeint. Andere Deutung (StAD) von mhd. Helde wie Halde = einen flachen Abhang bezeichnend.

Hellberg, Am Flur 1 Wie vor Hellberg, Vor dem Flur 1 Wie vor Hellberg, hintersten Flur 1 Wie vor Hellbergswiese, Über der

Flur 1 Wie vor

Hellbergswiese, Die

Flur 1 Wie vor

Hellbergswiese, An der

Flur 1 Wie vor

Hellwiese, Die hinterste

Flur 4 Wie vor

Hellwiese, Die mittelste

Flur 4 Wie vor

Hellweise, Vor der hintersten

Flur 4 Wie vor

Hellwiese, Vor der vordersten

Wie vor

Herrenbeune, An der

Flur 1 Abgrenzung des Landes, das dem Grafen/Fürsten von Solms gehörte

Herrenbeune, Die Flur 1 + Flur 16

Wie vor

Herrenwiesen, Die Flur 1 Eine Wiese, die dem Grafen gehörte Hilariuswiese, An der

Flur 12 Möglicherweise Land, das der Kirche gehörte, nach dem hl. Hilarius genannt, dessen Fest früher hier gefeiert wurde

Himmerich, Das Flur 10 soll früher „Hammerich“ geheißen haben mhd. zerfetztes Ufer (so StAD)

Hinterberg, Der Flur 7 + Flur 8

Vom Dorf aus gesehen hinter dem Berg, Wald

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Hirschsprung, Auf dem

Flur 12 Von Wild und der Jagd

Hirzbach, An der Flur 16 Hirz = Hirsch. Seit 1567 belegt, einem Bach, der vom Hirzberg kommt, vergleiche Ortsname Hirzenhain, siehe hierzu Vorbemerkung.

Hirzbach, In der Flur 16 Wie vor Hirzbachweiher, Der

Flur 16 Wie vor

Hirzbacher Weg, Am

Flur 1 Wie vor

Hirzberg, Am Flur 16 Wie vor Hirzberg, Der Flur 16 Wald, Wie vor Höchst, Im Flur 3 (?) Höhe, Vor der Flur 16 Vor einem Berg Hof, Der Flur 1 Möglicherweise vom gräflichen Hof Hof, Hinter dem Flur 1 Wie vor Höllenstrauch, Auf dem

Flur 16 Siehe Hell

Hopfengarten, Der Flur 1 Garten, wo Hopfen angebaut wurde, siehe hierzu den Beitrag in dieser Reihe „Vom Bierbrauen in Villingen)

Hundsrück, Vor dem

Flur 3 Hatte das Gelände Ähnlichkeit mit einem Hunderücken?

Hungener Weg, Am alten

Flur 11 Bedarf keiner Erklärung

I – J

Jungfrauenrod, Am Flur 15 Land, das einmal einem Nonnenkloster gehörte

K

Krummling, Auf dem (auch Krümmling)31

Flur 5 Früher wahrscheinlich „Kümmerling“. Durch Metathese d. h. Umstellung des r; von krummes Ackerstück so StAD

Kuhtrieb, Am Flur 1 Kuhweide

31 Im Gerichtsbuch von Villingen belegt, am ehem. Mühlgraben.

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L

Langenberg, Am Flur 4 Wald, von lang und Berg Langenberg Wald, Vor dem

Flur 3 von lang und Berg

Langsdorfer Weg, Am

Flur 15 Bedarf keiner Erklärung

Lerchenfang, Auf dem

Flur 5 Von der Feldlerche, einmal ein Vogelfang

Lerchenfang, Vor dem

Flur 5 Wie vor

Lochgarten, Am Flur 1 Von Loch oder Luch =Sumpf (Im Gerichtsbuch kommt eine Luchwiese vor, identisch?

Lochgarten am Mühlberg, Im

Flur 1 Wie vor

Lochwiese, An der Flur 11 Wie vor Lochwiese, Die Flur 1 Wie vor M

Mauersäcker, Die Flur 9 Viele Erklärungen möglich Marksteinbühl Flur 13 von einem Grenzstein und ahd. Buhil =

Hügel Mühlberg, Am Von der Mühle Mühlberg, Der Flur 9 +

Flur 10 Wie vor

N

Neuhege am Herrngarten, Die

Flur 6 Wald, neue Hege, Schonung

O

Oberau, In der Flur 2 Oberhalb der Bachaue Oberweide, Auf der Flur 15 Die höher gelegene Weide Olmisbrückenweg, Am

Flur 15 Ältere Belege sind in unterschiedlicher Schreibweise: olmes 1554, ulmes 1568, ulmans 1559, almans 1571, almes 1571, Oilmes 1574 wahrscheinlich von einem Personennamen abgeleitet (?)

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P

Pfingstweide, Die Flur 12 Weide, die erst zu Pfingsten zum erstenmal beweidet werden durfte, dazu unseren Beitrag in dieser Reihe „von den Pfi(ng)stbuben“

Pfingstweide, Vor der

Flur 12 Wie vor, diese spielte eine große Rolle in der Gemeinderatssitzungen

Pfingstweide am Weiher, Auf der

Flur 12 Wie vor

Pfingstweiher, Der Flur 12 Wie vor Planwiese, An der Flur 1 Planwiese, Über der

Flur 1

Platte, Auf der Flur 12 Ebener Geländeteil Plauelstück, Am Flur 16 Von Stock, siehe ebenfalls unseren

Beitrag „von den Pfi(ng)stbuben“ Plauelstück, Das Flur 14 +

16 Wald, wie vor

R Rangärten, In den Flur 1 Rennspitze, Die Flur 11 Rod, Im Flur 2 Von gerodeter Wald Rod, Das Hohe Flur 14 Wald, Von gerodeter Wald Röde, An der Flur 5 Von gerodeter Wald Röde, Die kleine Flur 9 Wald, Von gerodeter Wald Röde, Auf der kleinen

Flur 8 Von gerodeter Wald

Röde, Vor der kleinen

Flur 8 Von gerodeter Wald

Röden, Die mittelsten

Flur 5 + Flur 8

Von gerodeter Wald

Rödenweg, Am Flur 8 Von gerodeter Wald Rotäcker, Die Flur 3 Von Eisenstein rot gefärbte Äcker Ruppenwiese, An der

Flur 11 Vielleicht von ahd. „ruppen“ = raufen

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Ruppenwiese, In der

Flur 11 Vielleicht von ahd. „ruppen“ = raufen

S

Saumagen, Am Flur 5 Vielleicht gab die Form den Namen Sauweide, Die Flur 15 Erklärt sich von selbst Scheibenstützel, Am

Flur 1 (?)

Schlaghaus, Das Flur 14 Wald, von Grenze, Zollstation, Schlagbaum

Schlinke, Auf der Flur 8 Vielleicht von ahd. „slingen“, sich in Windungen bewegen

Schlinke, Bei der Flur 8 Wie vor Schlinke, Vor der Flur 8 Wie vor Schwarzenstück, Am

Flur 15 Von dunkler Erde

Seegraben, Am Flur 9 Von See Seeweg, Am Flur 2 Von See Seewiese, Über der Flur 1 Von See Seewiesen, In den Flur 1 Von See Siebenvierteläcker, Die

Flur 11 Von der besonderen Aufteilung der Äcker

Steinbühl, Auf dem Flur 5 Früher Steimel, oder Steinmehl. Von Stein und ahd. Buhil = Hügel

Steinbühl, Vor dem Flur 5 Wie vor Storchschnabel, Am

Flur 1 Hier hat deutlich sichtbar die Form der Flur den Namen bestimmt

Strochschnabel, Auf dem

Flur 1 Wie vor

Straße, Vor der alten

Flur 5 Bedarf keiner Erklärung

Stück, Am mittelsten

Flur 2 Bedarf keiner Erklärung

Stück, Ober dem Flur 5 Bedarf keiner Erklärung Stücke, Am Flur 5 Bedarf keiner Erklärung Stumpfäcker, Die Flur 3 Mehrere Erklärungen möglich

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T

Tiergarten, Beim Flur 10 Hier stand einst der fürstliche solmsische Tiergarten

Tiergartenau, An der

Flur 12 Hier stand einst der fürstliche solmsische Tiergarten

Tiegel, Im Flur 16 Von ahd. tegel hier wohl für flache Mulde, Flurname ist auch an anderen Orten vorkommend z. B. Angersbach

U

Unterau, In der Flur 10 Siehe Oberau W

Wallenberg, Auf dem

Flur 12 Wallen könnte von wallfahren kommen, in Villingen gibt es eine alte Sage, nach der dort am Wallenberg einmal ein Kloster gestanden haben soll. Aber auch Bezug zu Fluten, an diesem Berg befand sich auch eine Antauche, hierüber berichten wir an anderer Stelle. Eine weitere Erklärung könnte sich von der dort befindlichen vorgeschichtlichen Denkmälern ableiten lassen, also von Wall

Wälzgraben, Am alten

Flur 3 Von drehen(?) nach StAD= Graben in dem sich das Wild wälzt

Wälzgraben, Im Flur 3 Wie vor Wasserpfütz, Im Flur 3 Bedarf keiner Erklärung Wechselwiese Flur 15 Von Besitzer oder Nutzungswechsel Wechselwiese, Hinter der

Flur 15 Wie vor

Wehr, Am Flur 1 Bedarf wohl keiner Erklärung, könnte früher einmal von Weiherabgeleitet worden sein StAD

Weiherwiesen, Die Flur 1 Wiese am Weiher Wiesenau, In der Flur 11 Bedarf keiner Erklärung, siehe Oberau Wingerten, In den Flur 3 Auch gab es bei uns einmal Weinbau

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Winterberg, Am Flur 3 Von Berg und Winter, im Gerichtsbuch 1559 heißt es: „winder weg“ könnte auf den nach Norden ziehenden Weg hinweisen

Winterberg links, Am

Flur 4 Wie vor

Winterberg rechts, Am

Flur 4 Wie vor

Wolfsrain, Auf dem Flur 5 Von Rain d. i. ein Grenzstreifen Zwischen Äckern und der Jagd auf den Wolf abgeleitet

Z

Zäunen, Hinter den Flur 3 Von Zaun, eingefriedeter Ort Zellbrücke, Über der

Flur 9 Von der Wüstung Zelle, Celle und von der Zellmühle, Celle wird. i. d. R. mit einer kleinen klösterlichen Niederlassung i. V. gebracht (lat. Cella).

Zellenbaum, Am Flur 11 Wie vor Zellmühle, Bei der Flur 11 Wie vor Zellmühle, Die Flur 11 Wie vor Zellmühle, Unter der

Flur 11 Wie vor

Zellmühle, Vor der Flur 11 Wie vor Zwerchviertel, Im Flur 3 Zu ad. md. Quer (liegender) und vierter

Teil, Viertel, aber auch für bestimmte Gegend vergl. bspw. Stadtviertel.

StAD = Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, von diesem liegt im Gemeindearchiv eine Stellungnahme vor, leider ohne Datum. Daraus geht hervor, wie die Flurnamen in Villingen in Zukunft amtlich geschrieben werden sollten.

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IV. Die Kuh des kleinen Mannes oder von der

Ziegenzucht in Villingen und dem Ziegenzuchtverein

Aus Privatbesitz liegt uns das Protokoll- und Rechnungsbuch des Ziegenzuchtvereins Gießen e. V. für Villingen vor, aus dem wir an dieser Stelle einmal auszugsweise berichten wollen. Ziegen wurden ja auch die Kuh des kleinen Mannes genannt, das uns vorliegende Buch zeigt, welche Bedeutung die Ziegenzucht in Villingen einmal hatte, war sie doch eines der am meisten verbreiteten Haustiere. Heute sind es nur noch einige Liebhaber, die Ziegen halten und deren Milch verwerten, in einigen Haushalten werden Ziegen auch als Streicheltiere für die Kinder gehalten, das war früher einmal ganz anders, wie aus dem vorliegendem Buch zu ersehen ist.32

Zunächst auszugsweise aus dem Protokollbuch des Ziegenzuchtvereins

von 1913. Todesfälle 1913 Heute Mittag den 5. Oktober kommt Georg Bommersheim und zeigt an, dass sein Ziegenlamm Ordn. Nr. 45 Farbe weiß, welches mir am 2. Oktober bei der Aufnahme gemeldet wurde, dass es schon längere Zeit krank heute verändert (wohl verendet) sei. Versicherungssumme 10 M. Karl Schäfer

32 Haustiere, vom Menschen zur Nutzung ihrer Produkte oder Arbeitsleistungen oder aus Liebhaberei gezüchtete und gehaltene Tiere: Hund, Katze, Schwein, Rind, Schaf, Ziege, Rentier, Kamel, Lama, Wasserbüffel, Jak, Arbeitselefant, Pferd, Esel, Maultier, Kaninchen, Huhn, Ente, Pute, Perlhuhn, Gans, Taube, verschiedene Singvögel u. a. Viele Haustiere sind auf bestimmte Bereiche der Erde beschränkt, wie Kamel und Rentier, andere, besonders der Hund, fast überall verbreitet. (Domestikation) Geschichte: Den Hund als Haustier findet man bereits vor über 10000 Jahren (ältester Nachweis vor etwa 15000 Jahren), Rind und Schwein in der Jungsteinzeit, später Schaf, Ziege und Esel. Das Pferd wurde gegen Ende der jüngeren Steinzeit gezähmt, erst später gezüchtet. Seit etwa 5000 Jahren werden Taube und Huhn als Haustiere genutzt, Gans und Ente erst seit dem Altertum. (Brockhaus AG, mm 2001)

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Heute Mittag den 18. April 1913 zwischen 12 – 1 Uhr erscheint die Ehefrau des Ernst Jung und zeigt an, dass ihre Ziege Farbe weiß 4 Jahre alt, plötzlich verändert (wohl verendet)sei Versicherungssumme 10 M. Karl Schäfer, Direktor. Im Juli erscheint die Ehefrau des Christof Diehl und zeigt an, dass ihre Ziege schon längere Zeit krank sei. Die Ziege wurde vom Vorstand besichtigt und an ihrem Aufkommen wird gezweifelt. Da hat sie Johannes Pfarrer von ihren Schmerzen erlöst. Versicherungssumme 22 M. Karl Schäfer, Direktor Heute Abend den 16.Oktober erscheint Georg Sauerwein und zeigt an, das sein Ziegenlamm Ord. Nr. 34 Zeile 4 Farbe weiß welches schon bei der letzten Aufnahme krank gemeldet wurde am 7. Oktober verändert sei. Versicherungssumme 8 M. Karl Schäfer, Direktor Im Mai erscheint Georg Graf und zeigt an, dass seine Ziege nach kurzem krank sein plötzlich verändert sei Ord. Nr. 31 Farbe weiß.

Versicherungssumme 35 M. Karl Schäfer, Direktor

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Abb. ein Heft über Ziegenzucht aus dem Gemeindearchiv von 1901

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Abb. aus dem vorgenannten Heft, Entwurf zu einem Ziegenstall

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Ausgabe von 1913

Dem Buchbinder Schad für ein Kontobuch 4,- Dem Rechner für Bemühungen im Verein 3,- Dem Diener für Bestellungen der Mitglieder 1,50 Dem Karl Schäfer für Reisespesen und Porto und Papier 3,95 Dem Joh. Pfarrer Erben für Ausgaben Porto und Papier 0,34 Dem Georg Melius für eine veränderte Ziege 20,- Dem Karl Mösser für Quittungen 4,75 Für Todesfälle 105.- Ausgabe 142,54 Einnahme 143,- Einlage 21,20 Zinsen -,80 Soldiertrag 22,46 Rest von 1912 19,47

Saldoertrag 41,93 Durchgesehen und vom Vorstand unterschrieben

Wilhelm Zimmer X Hermann Stoll

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Todesfälle vom Jahr 1914 Heute morgen den 7. März erscheint Ernst Jung und gibt an, dass seine Ziege schwer erkrankt sei Ord. Nr. 32 Farbe weiß. Als ich hinkam und die Ziege besichtigte sah ich, dass keine Rettung vorhanden war darum hieß ich sie sofort abschlachten. Schäfer, Direktor Heute Abend den 16. März erscheint der Sohn des Georg Zimmer IV. und gibt an, dass ihre Ziege Ord. Nr. 13 Farbe weiß Abz. Hörner schon längere Zeit krank sei. Ich und ein Vorstandsmitglied begaben uns hin und sahen dass keine Rettung vorhanden war, Darum ließ ich sie abschlachten. Abfindungssumme 13,- M Schäfer, Direktor

Heute den 20. Mai erscheint die Frau dem Adam Jäger und gibt an, dass ihr Ziegenlamm Farbe weiß Ord. Nr. 37 plötzlich verändert sei. Versicherungssumme 8,- M.

Abb. alte Zeitungsnotiz wohl um 1919

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Gesamter Jahresbericht vom Jahr 1914

Einnahmen:

1. Mitgliedsbeiträge vom I. Quartal 75,36 2. Eintrittsgelder vom I. Quartal 3,50 3. Mitgliedsbeiträge vom II. Quartal 84,36 4. Eintrittsgelder vom II. Quartal 2,- 5. Für 2 Ziegenhäute 6,- 6. Für eine verkaufte kranke Ziege 3,75 7. Kassenbestand vom Jahr 1913 16,80 8. Erster Kassenbestand abgeliefert 3,13 9. Gesamte Einnahme Summa 194,90 10. Ausgabe dagegen 106,48 11. Bleibt Kassenbestand 88,42 12. Ausgeliehenes Kapital 77,- 13. Rückständige Beitragsgelder 6,70 14. Von Rechner Ester nicht erhaltenen Gelder 6,48 15. Demnach bleibt heutiger Kassenstand 97,24

Viehkapital vom Jahr 1914 3040,- Bücher kontrolliert und genehmigt

Der Vorstand Karl Schäfer Wilhelm Zimmer X

Eine besonders interessante Eintragung wollen wir hier noch einfügen: Im Jahr 1932, 20. März Als meine Frau heute Morgen in den Stall kam, da lag unsere Ziege da halbtot am Lämmermachen, ich ließ den Schäfer rufen, der hat ihr den Hals abgeschnitten und sie von den Schmerzen erlöst. Farbe weiß, Ord. Nr. 13 Versicherungssumme 20,-

Vorsitzender Zimmer

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Abb. oben Mitgliedskarte für Joh. Wilh. Zimmer

Abb. unten aus dem Heft: Praktische Ziegenzucht (hessischer Landschlag)

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V. Aus den Gerichtsbüchern des Obergerichtes Vilden

III/2. Teil Auch heute berichten wir aus den Gerichtsbüchern von Villingen und zwar aus dem Buch von 1631-1684, aus dem wir schon in Heft 16 berichteten, hier also die Fortsetzung. Flurschaden (aus der gleichen Verhandlung Bl.95 Rückseite) Johan Madern pringt Vor, ds Ihme Herrman Graaff auf seynem acker gewändet Unndt hette Ihme die rueben in den Booden Verderbt.

Bescheydt Daß Herrmann Graaff Johann Madern Uff die rueben getrettet Unndt schaaden damit gethann, Soll Er solchsß U.g.Herrschafft mitt 1 fl Unndt dem gericht mit seyner gerechtigkeyth Verbuesen. Heutiges Deutsch: Johan Madern bringt vor, Herrman Graf habe auf seinem (des Klägers) Acker gewendet und ihm die noch im Boden befindlichen Rüben verdorben. Bescheid Dass Herrmann Graf dem Johann Madern die Rüben getreten und damit geschädigt hat, soll er dies (...) mit 1 Gulden und (...) verbüßen.

Ein Villinger randaliert in Nonnenroth im Wirtshaus Verhandlung am 20.Mai 1652 in Villingen (Bl.97) Caspar boudron1 pringt clagendt Vor, ds Johanneß Diell Zellmüller ihme Unversehender weyse Zu Nonnrodt in seyne stubben in die Wande geschoßen, ob Er darahn recht gethan stehet Zu gerichtlicher ercanthnuß

Beschaydt Dieweyl Johannes Diehl Zellmüller eyn gespannet Rohr2 in daß Würthßhauß Zu Nonnrodt getragen Unndt darinnen geschossen, soll Er

1 Gastwirt in Nonnenroth 2 = gespanntes Gewehr

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solches U.gl.3Herrschafft mitt 1 fl Unndt dem gericht mitt seyner gerechtigkeyth Verbuesen. Heutiges Deutsch: Caspar Boudron bringt als Klage vor, der Zellmüller Johannes Diehl habe ihm unvorhergesehen in Nonnenroth in seine Stube in die Wände geschossen. Ob er das zu recht getan habe, steht dem gerichtlichem Urteil zu. Bescheid Weil der Zellmüller Johannes Diehl eine scharf geladene Flinte in das Wirtshaus in Nonnenroth gebracht und darin geschossen hat, soll er dies (...) mit 1 Gulden und (...) verbüßen. Streit bei der Flachsernte Verhandlung am Do. 25.Nov.1652 (Bl.99 ff) Uff anregen des Herrn Kellerß als gericht Schulteyßen, pringt Johannes Madern Vor, daß Er flachß rupffen wollen, da haben Johann Curth Schefers Haußgenoßen seyn mägdleyn gefragt, wan sie dan ropffen wollten, ds mägdleyn geanthwortet,morgen als den andern tage; stracks denselbigen abends hette Johann Curth Schefer noch etliche büssen(?) heymbgeführt, Unndt die scheuern bestellet, Johann Madern darüber stillgeschwiegen, Unndt Ihne hineynfahren lasen, Er aber hette seynen flacks in Johann Webers scheuern geführt, Umb deswillen, daß er mit Johann Curth Schefern keyn gezänck haben wollen, Weyl er seyne noturfft1 ferner mündlich nicht vorbringen können, Unndt schon dieselbige schrifftlich verfast gehabt, Alß Ubergab Er dieselbige schrifftlich Unndt lauthet seyne anclage folgender maasen also: Hiermitt will Ich dem gerichtt Zu erkennen geben, wie daß Johann Connradt Scheffer in dem meynigen gewalth gebraucht, Unndt alß Er seyn flackß hatt wöllen rayffe(?), hatt Er mir meyn Zu gemachtes Wande außgeschmiße, Unndt die Reffen(?) eyngemacht, Welcheß Ich in Keyne gerechtigkeyt gestehe, außgenommen ahn dem Dänne(?), Zu fahren, Unndt Zu treschen, Unndt alß Ich daß sehe, gehe Ich hinzu, Unndt sage,waß daß seyn sollte, Er sollte solches pleiben lasen, Sagte Er, waß

3 gl. = geliebten 1 = Notlage

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mich solche angehe, Er hatt daß mahlß, Er hielte Vor sich, Alß Er aber daßelbige Uff dem meynigen Zu mir gesagt, greyff Ich Zu der erden, Unndt wollte ayn scheydt nehmen, Unndt sprunget er auß der scheuren, Unndt läufft Er in seyn hauß. Unndt kombt mitt eyner hewgabel gelauffen, so schlage ich die thuer zue, So läufft Er mitt der gabbel in die thür, ds sie stecken pliebe, Unndt gesagt Der Teufel soll Ihn hohlen, Er wolle mir ds leb., nehmen, dan wan Ich Uff dem meynigen meynes lebenß nicht Sicher seyn sollte, So begehr ich, ds mir Eyn Ehrsamb gerichtt deßwegen eyn bescheydt mittheylen wollte, Uber daß, Alß Ich daß nicht haben will, so fället er Zu Unndt schläget mir in meynen Korn Eder(?) nach leyn reffen, Unndt schläget die Äh...(?), welche Vor dem Loch stehet ganz ab, So hab Ich gesagt, Ich will Zu dem Schulteyßen gehen, Unndt mich befraagen, So hatt Er gesagt, Er hette seyn beschaydt, Ich möchte hingehen, ob Eß Ihne der Schulteyß erlaubt hatt, weyß ich nichtt. Johann Curth Scheffer, Ist solicher anclaage Vorbrachter maasen nit geständig, Sondern were also Zuegangen, Er wehr hinauß gefahren Unndt hette seynen flachs hohlen wollen, Inmittelß aber habe Johann Madern, Ihm die Reffenlöcher mitt Holz Zugestelt, Alß er nuhn wieder heymb kommen, Unndt gefragt, Waß daß seyn sollte, Unndt strackß in den stall gelauffen, die thüer hinter Ihme Zu gemacht, Unndt mit eynem prügel nach seynem gesicht gestoßen, sollte mich mitt friedden laasen, Unndt Ihme ds seynige laasen schicken, oder dörffe eyn gröser Unglück darauß entstehn. Johann Madern Will seyne anclaage mitt eynem Ayde behaubten. Johann Curth Scheffer Ist desen Zufrieden, Soll aber solichen Ayde würcklich leysten, Johann Madern hatt darüeber dem gerichtt, Schultheyßen Unndt Kellern angelobt, selbigen Ayde Uff erforderen abzulegen.

Beschaydt Dieweyl Johann Connrad Scheffer gegen Johann Madern in streythsach die Handt mitt eyner gabbeln gebeßert, Soll Er solches U.gl.Herrschafft mitt 5 fl Unndt dem gericht mitt seyner gerechtigkeyth Verbüesen. Beschaydt Dieweyl Johann Madern der glaaser nach eynem scheydt gegrieffen, Unndt darmit Johann Curth Scheffern schlagen wollen, soll Er soliches U.gl.H.schafft mit 2 ½ fl Unndt dem gericht mit seyner gerechtigkeyth Verbuesen.

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Heutiges Deutsch: Auf Anregung des Herrn Kellers als Gerichtsschultheiß bringt Johannes Madern vor, er habe Flachs rupfen wollen. Da hätten Johann Curth Scheffers Hausgenossen seine Magd gefragt, wann sie rupfen wollten. Die Magd habe geantwortet, am morgigen Tag. Sogleich noch am selben Abend habe J. C. Sch. noch einige Büssen (?)33 heimgefahren und in die Scheune geschafft. Johann Madern habe habe dazu stillgeschwiegen und ihn hineinfahren lassen. Seinen eigenen Flachs habe er in Johann Webers Scheune gebracht, weil er mit J. C. Sch. keinen Streit haben wollte. Weil er seine Notlage nicht mündlich habe vorbringen können und seine Klage schon schriftlich verfasst hatte, übergab er sie schriftlich. Sie lautet folgendermaßen: Hiermit will ich dem Gericht zu erkennen geben, dass J. C. Sch. auf meinem Anwesen gewalttätig geworden ist. Als er seinen Flachs hat raufen wollen, hat er meine geschlossene Wand geöffnet und die Reffe angebracht. Hierzu ist er von mir nicht berechtigt worden außer auf die Tenne (?) zu fahren zum Dreschen. Als ich das sah, ging ich zu ihm und fragte, was das solle. Er solle das bleiben lassen. Er sagte, was mich das angehe? Er sei an der Reihe(?), darauf bestehe er (?). Als er das auf meinem Grundstück zu mir gesagt hatte, bückte ich mich, um ein Holzscheit aufzuheben. Und er sprang aus der Scheuer und lief in sein Haus. Und kommt mit einer Heugabel gelaufen. Da schlage ich die Tür zu. Er läuft mit der Gabel in die Tür, dass sie stecken blieb und hat gesagt: Der Teufel soll ihn holen. Er wolle mir das Leben nehmen. Denn wenn ich auf meinem eigenen Grund und Boden meines Lebens nicht sicher bin, so begehre ich, dass mir ein ehrsames Gericht einen Bescheid mitteilen solle. Als ich mich noch gegen sein Verhalten wehrte, schlägt er mir in meinem Korn Eder(?) nach dem Leinreff, und schlägt die Äh..(?), welche vor dem Loch steht, ganz ab. Da habe ich gesagt, ich wolle zu dem Schultheiß gehen und ihn um Rat fragen. Da hat er gesagt, er habe seinen Bescheid. Ich solle nur hingehen. Ob es ihm der Schultheiß erlaubt hat, weiß ich nicht. J. C. Sch. gesteht nicht, dass die Anklage berechtigt ist. Sondern es sei folgendermaßen zugegangen. Er sei hinausgefahren und habe seinen Flachs holen wollen. Inzwischen habe Joh. Madern ihm die Refflöcher mit Holz zugestellt. Als er wieder heimgekommen sei und gefragt habe, was das

33 vielleicht Bündel

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bedeuten solle, sei der geradeswegs in den Stall gelaufen, habe die Tür hinter sich zugemacht und mit einem Prügel nach seinem Gesicht gestoßen. Er sollte mich in Frieden lassen, und ihn das seinige gewähren lassen, oder es dürfe ein größeres Unglück daraus entstehen. Johann Madern will seine Klage mit einem Eid behaupten. J. C. Sch. erhebt keinen Einwand, doch solle er den Eid auch wirklich leisten. Johann Madern hat darüber dem Gericht, dem Schultheiß und dem Keller gelobt, selbigen Eid auf Aufforderung abzulegen.

Bescheid Weil J. C. Sch. im Streit mit J. M. seine Hand mit einer Gabel bewehrt hat, soll er dies (...) mit 5 Gulden und dem Gericht (...) verbüßen. Bescheid Weil J. M., der Kläger, nach einem Scheit gegriffen hat und den J. C. Sch. damit hat schlagen wollen, soll er das (...) mit 2 ½ Gulden (...) verbüßen. Anklage wegen Felddiebstahl (gleiche Verhandlung Bl.101 Rückseite) Herman Graff clagt wieder Johannes Dieln habe Ihme seyne rueben auf seynem acker gestohlen, ob Er darmit recht gethan, stellt Er solches Zu gerichtlicher ercanthnuß Beschaydt Dieweyl Johannes Diell Hermann Graffen die rueben Uff seynem acker gestohlen, soll Er soliches U.g.H.schafft mit 1 fl Unndt dem gericht mitt seyner gerechtigkeyth Verbuesen. Heutiges Deutsch: H. G. klagt gegen J. D., er habe ihm seine Rüben auf seinem Acker gestohlen. Ob er das zu Recht getan, stellt er gerichtlicher Erkenntnis anheim.

Bescheid Weil J. D. dem H. G. die Rüben auf seinem Acker gestohlen hat, soll er dies unserer gnädigen Herrschaft mit 1 Gulden und dem Gericht mit seiner Gerechtigkeit verbüßen. Der Verurteilte geht in die Berufung

Verhandlung am Dienstag, 7.Juni 1653 (Bl.104 Rückseite):

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Johannes Diell Zellmüller erschiene Vor gericht Unndt clagte Wie daß Ihne Herrman Graff ahm näheren gericht Vor eynen rueben dieb anbracht begehrte bewiesen Zu seyn oder Eynen wiederruff. Herrman Graff hieruff Vorgefordert Unndt gefragt, ob er Ihne Johanneß Dieln dann Uff seynem acker ertappet, Unndt Ihme rueben gestohlen, Sagte Neyn, wüste von Ihme nichts Zu sagen, sondern seyne Johannes Dieln Kinder hetten die rueben auff seynem acker gerupfft.

Beschaydt Dieweyl Herrmann Graff Uff Johannes Diel keyne diebstück anzuzeygen weyß, soondern sich Uff deselben Kinder bezogen, Unndt derowegen Johannes Diell angehalthen, ds Er im gerichtsbuch möge aufgethan Unndt bey ehren erhalten wirdt so Ist hieruff ercandt, ds ihme die beschehene anclagen Unnachtheylig seyn soll Unndt ihme niemandt deswegen ahn seynen ehren anzugreyffen, noch seynen Kindern icht(?) waß präjudiciren. Heutiges Deutsch: Der Zellmüller J. D. erschien vor Gericht und klagte, dass ihn H. G. beim vorigen Gerichtstermin als Rübendieb angezeigt habe. Er verlangte Beweise oder Widerruf. H. G. hierauf vorgeladen und befragt, ob er J. D. auf seinem Acker beim Rübendiebstahl ertappt habe, sagte nein, er wisse von ihm nichts zu sagen, sondern die Kinder des J. D. hätten die Rüben auf seinem Acker ausgerupft.

Bescheid Weil H. G. dem J. D. einen Diebstahl nicht nachweisen kann, sondern dessen Kinder beschuldigt, und deswegen J. D. beantragt, im Gerichtsbuch solle für ihn eine förmliche Ehrenerklärung abgegeben werden, ist hierauf erkannt worden, die (letzthin) geschehene Anklage dürfe ihm keine Nachteile bringen und ihm niemand die Ehre abschneiden, auch seinen Kindern nicht. Anklage wegen Diebstahl von Grommet

Verhandlung am 25.Nov.1652 (Bl.102): Veith Daniel Pfarr Schultheiß Von Vilden, clagte wegen des Capellanß (Kaplans) Zu Hungen, ds Hannß burckhardtß hausfrau, ds Er ermeltem Capellan seyn grommeth auß seyner wiesen gestohlen. Ob Er darahn recht gethann, stellt Er soliches Zu gerichtlicher ercanthnuß.

Beschaydt

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Dieweyl Hannß burckhardts hausfrau dem Capellan Von Hungen, daß Grommeth gestohlen, Soll Sie solicheß U.gl.Herrschafft mitt 5 fl Unndt dem gericht mit seyner gerechtigkeyt Verbuesen. Heutiges Deutsch: V. D. Pf., Schultheiß von Villingen, klagte im Auftrag des Kaplans von Hungen, Hannß Burckhardtß Ehefrau habe dem genannten Kaplan sein Grummet von seiner Wiese gestohlen. Ob er (sie?) damit recht getan habe, stellt er gerichtlicher Erkenntnis anheim.

Bescheid Weil H. B’s. Ehefrau dem Kaplan von Hungen das Grummet gestohlen hat, soll sie dies (...) mit 5 Gulden und (...) verbüßen. Krach bei Verteilung von Dienstbrot (gleiche Verhandlung Bl.103):

Veith Daniel Pfarr Schultheß clagt wieder Johann Jacob Meyern Wie daß Er den acker leuthen dinstbrott1 ausgetheylet, So hette Er Ihme seyn antheyll broth Vor die fueße geworffen Unndt darzu sacramenth geflucht, ob er darmitt recht gethan stellt er solches Zu gerichtlicher ercanthnuß. Jacob Meyer gesteht die anclaage, iedoch andere zusamen gespannt, so Viel broth bekommen, Er aber darahn verkürzt werde wollen, so hielte Er davor ihme so Viel alß andern gebüren möchte.

Beschaydt Demnach Johann Jacob Meyer dem Schultheisen ds leute broth Vor die fueß geworffen Unndt darbey sacramenth geflucht, Soll Er soliches U.glHerrschafft mitt 1 fl Unndt dem gericht mitt seyner gerechtigkeyt Verbuesen. Heutiges Deutsch: Der Schultheiß V. D. Pf. klagt gegen J. J. M.: Als er (der Schultheiß) den Ackerleuten (beim Frondienst) Dienstbrot ausgeteilt habe, habe der ihm seine Ration Brot vor die Füße geworfen und dazu „Sakrament“ geflucht. Ob er das zu recht getan habe, stellt er gerichtlicher Erkenntnis anheim. J.M. gesteht die Anklage ein, doch hätten andere, die (zu zweit) ein Gespann stellten, so viel Brot bekommen (wie er, der ein ganzes Gespann stellte). Dadurch sei er (ungerechtfertigt) gekürzt worden. Nach seiner Ansicht stehe ihm ebenso viel zu wie den anderen.

1 von der Gemeinde gestellte Verpflegung bei Fronarbeit für die Obrigkeit

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Bescheid Weil J. J. M. dem Schultheiß das Leute-Brot vor die Füsse geworfen und dabei „Sakrament“ geflucht hat, soll er dies (...) mit 1 Gulden (...) verbüßen. Beschimpfung des Gerichts geahndet Verhandlung am 7.Juni 1653 (Bl.105) Georg Zimmer zeygt bey gericht ahn, daß Eyn Heeb Zettul in der gemeynde gemacht worden So hette Philipß Seyberth darüeber geäfftert, Unndt gesagt sollten sich die gerichtßpersohnen schämen, daß sie derrgestalth eynem ehrlichen mann Unter augen gehen sollten, Unndt solche Unrechte Heebzettull mächten. Philipß Seyberth hierüber gehört, sagte Ja hette geredt sollten sich Unter ihre fuesen schemen, daß sie ihme mehr in den registern mächten, alß Ihme gebührete, da Er doch nichtß neueß gekaufft.

Beschaydt Dieweyl Philpß Seyberth mitt so Unhöfflichen Unndt Unbescheydenen Worthen gegen die gerichtspersohnen heraußer gefahren, soll er solches nit alleyn wiederruffen, sondern auch darbeneben es U.gl.Herrschafft mitt 1 fl Unndt dem gericht mitt ½ Virtel Weyn Verbuesen. Heutiges Deutsch: G. Z zeigt beim Gericht an, dass ein Steuerbescheid von der Gemeinde erlassen wurde. Darüber habe sich Ph. S. übel aufgeführt und gesagt, die Gerichtsmitglieder sollten sich schämen, einem ehrlichen Mann so unter die Augen zu treten, wenn sie solche ungerechten Steuerbescheide produzierten. Ph. S. wurde hierzu gehört. Er sagte, er habe geredet, sie sollten sich unter ihre Füsse schämen, ihn in ihrem Steuerregister ungerechterweise zu belasten, er habe doch nichts Neues gekauft.

Bescheid Weil Ph. S. die Gerichtsmitglieder mit solch unhöflichen und unbescheidenen Worten angegriffen hat, soll er dies nicht nur widerrufen, sondern unserer geliebten Herrschaft mit 1 Gulden und dem (...) mit ½ Viertel Wein verbüßen.

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Beschimpfung und Mißhandlung einer Respektsperson

Verhandlung am Mittw., 14.Nov.1655 in Nonnenroth (Bl.109): G. H. Löher in nahmen Unndt Von wegen seyneß Vettern H.1 Johan Philipß Schmidten, paedagogiarchen2 Zu Herborn, clagte, ds Hannß Funck Von Villden ds er ihne nit alleyn ohne Ursaach blutrüstig geschlagen eyne blawauge gemacht, eynen Zopff Haar fingerß dick, ihme außgerupffet, sonndern auch eynen Dieb, Schelmen, bernhäuter, HundsV... auch eynen bluthhundt Uf offentlicher straaßen gescholtten, Unndt den anderen tag ihne bezüchtiget alß wan er seyner Haußfrawen Unzüchtiger wayß nach dem schürztuch gegrieffen, piettet solicheß bewiesen Zu haben oder Ihne Zur gebührenden straaffe Zu Ziehen, stellt alleß zu gerichtlicher ercanthnuß, Waß er dieser 3.post.(?), halber begangen hette.

Beschaydt Dieweyl diese sach Von importanz3 oder Criminall, so wirdt dieselbige U.gl.Herrschafft Canzley zu erörtern heymbgewiesen.4 Heutiges Deutsch: G. H. L. klagte im Namen und Auftrag seines Vetters Herrn J. Ph. Schm., Schuldirektors in Herborn, dass H. F. von Villingen ihn nicht nur ohne Ursache blutig geschlagen, ein blaues Auge verpasst und ihm einen Haarzopf von Fingerdicke ausgerupft, sondern ihn auch auf offener Strasse einen Dieb, Schelm, Bärenhäuter, Hundsv(...), auch Bluthund gescholten habe, und am nächsten Tage ihn bezichtigt habe, er habe seiner Ehefrau in unzüchtiger Weise nach dem Schürzentuch gegriffen. Er bittet, dies zu beweisen oder ihn gebührend zu bestrafen. Er stellt alles gerichtlicher Erkenntnis anheim, was er begangen habe.

Bescheid Weil diese Sache von Wichtigkeit oder Kriminalität ist, wird sie an unserer geliebten Herrschaft-Kanzlei überwiesen.

1 H. Abkürzung für: Herr 2 = Schuldirektor 3 Bedeutung,Wichtigkeit 4 d.h. an die übergeordnete Instanz

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Ein Laubacher beleidigt Villingener Bürger

Verhandlung am Do.,29.Okt.1657 – ohne Ortsangabe – (Bl.115 R.): Adamb Herrmann Von Vilden clagte Wieder Henrich Petri von Laupach, ds er ihne Undt seyne fraw wegen eyneß Haußeß bewohnungen Wie eynen schelmen luegen gestrafft Undt ihne Vor seynem Hauße Ubergeben1, ob Er damit recht gethann, stellt er Zue gerichtlicher ercanthnuß. Beschaydt. Dieweyl Henrich Petri Von Laupach Adamb Herrmannen Unndt seyn fraw Vor dem Hauße Ubergeben, Unndt sie wie Schelmen luegen gestrafft, Soll er solicheß U.gl.Herrschafft mitt 10 fl Unndt dem gericht mit seyner gerechtigkeyth Verbuesen, darzu ihme Adamen eyner erstattung seyner ehren zu tun schuldig seyn. Heutiges Deutsch: A. H. aus Villingen klagte gegen H. P. aus Laubach, dass er ihn und seine Frau wegen des Bewohnens (?) eines Hauses wie einen Schelm der Lüge bezichtigt und ihn vor seinem Haus bloßgestellt (?) habe. Ob er damit recht getan habe, stellt er gerichtlicher Erkenntnis anheim. Bescheid. Weil H. P aus Laubach A. H. und seine Frau vor dem Haus bloßgestellt und sie wie Schelmen der Lüge bezichtigt hat, soll er dies (...) mit 10 Gulden und dem (...) verbüßen, ferner ihm, Adam, schuldig sein, eine Ehrenerklärung abzugeben. „Fuchsschwänzer“ Verhandlung am Mittw.,11.Mai 1659 in Nonnenroth (Bl.125): Veyth Daniel Pfarr clagte, ds er Von Georg Kalln bey versambleter gemeynde gehöret hette, Eß wehren 4 in der gemeynde, welche gleychsamb den fuchßschwanz1brauchen, Unndt Danck Verdienen wollten begehrte deßwegen solche Persohnen nahmhafft Zu machen, (Protokoll bricht leider hier ab) Heutiges Deutsch: V. D. Pf. klagte, er habe bei versammelter Gemeinde von G. K. gehört, es seien 4 in der Gemeinde, die gleichsam den Fuchsschwanz brauchten und

1 Bedeutung hier wohl = bloßgestellt, 1 bildlicher Ausdruck für Schmeichler oder Denunzianten

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damit Dank verdienen wollten. Er verlangte deswegen, diese Personen namhaft zu machen. Kirschenklauen und Beleidigung Verhandlung am Montag, 24.Okt.1659 in Villingen (Bl.129 ff) Johanneß Reull clagde, wie daß er eynen baum mitt Kirschen in seynem alten hoffe hette, So wehre Henrich Leydenerß sohn kommen Unndt hette Ihme Uff die Kirschen gestiegen, da were Johanneß Reull Haußfrau darzu kommen Unndt gesagt, welcher ihme solicheß geheysen hette, wehre solicheß nicht recht. Uber daß führet Johanneß Reul mit seyner fraue hinauß Umb Hew zue hoolen, da wehre Henrich Leydenerß sohn wieder ahn seyne seyne fraw gesezet, dieselbige zu vexiren1 mitt Ihren Kirschen Unndt gesagt, ob sie auch Kirschen hette, so hette Seyne haußfrau ihme geanthwortet, Were eyn solicheß nicht recht, daß man mir Uff die Kirschen gestiegen. Henrich leydenerß sohn Ihr geanthwortet, Sie hetten auch Apffel in ihrem garthen gehabt Unndt hette keyn ander mensch alß sie dieselben geschüttett, Johanneß reull Haußfrau ihme Zue anthworth gegeben, solicheß sagte ihr keyn ehrlicher mensche nach, dann were leydenerß sohn zugefahren Unndt seyne frauwe eyne hure gescholthen, Alß begehret Johanneß Reull uxoris nomine2 Ihne dahin anzuhalten, ds er leydener eynige Unthatt wieder seyne haußfraw erweysen möchte. Leydenerß sohn leugnet alleß waß vorbracht, hette sie keyne Hure gescholthen. Johanneß Reull will solicheß beweysen.

Beschaydt Ds Henrich Leydenerß sohn Johanneß Reuln Uff die Kirschen gestiegen, Unndt seyner Haußfrauen noch Viel Unnüze worth gegeben, Soll er solicheß Zue Verbuesen schuldig seyn. Daß Leydenerß sohn Johanneß Reuln frawen bezüchtiget, Ihme ihre Apffel geschüttet hetten Soll er ebenmesig U.gl.Herrschaft verbuesen. Unndt dem gericht mit seyner gerechtigkeyth,..... darzu schuldig seyn; derselbigen eynen wiederruff Zue thun.

1 belästigen 2 lat.: im Namen seiner Frau

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Heutiges Deutsch: J. R klagte, er habe einen Kirschbaum in seinem alten Hof. Da sei H. L’s. Sohn gekommen und sei ihm in die Kirschen gestiegen, da sei J. R’s. Frau dazu gekommen und habe gesagt, wer ihn solches geheißen habe, solches sei nicht recht. Danach fuhr J. R. mit seiner Frau aufs Feld, um Heu zu holen, da habe sich H. L’s. Sohn wieder an seine Frau herangemacht und sie mit ihren Kirschen belästigt und gesagt, ob sie auch Kirschen habe. Da habe seine Frau ihm geantwortet, es sei nicht recht, mir auf die Kirschen zu steigen. H. L’s. Sohn habe ihr geantwortet, sie hätten auch Äpfel in ihrem Garten gehabt und niemand anders als sie (die Reuls) hätten diese abgeschüttelt. J. R’s. Frau habe ihm zur Antwort gegeben, das sage ihr kein ehrlicher Mensch nach, dann sei Leydeners Sohn aufgefahren und habe seine Frau eine Hure gescholten. Deshalb verlangt J. R. im Namen seiner Frau, ihn dazu anzuhalten, dass er Leydener, wiederholte Vergehen gegen seine Frau gestehen solle. Leydeners Sohn leugnet alle Beschuldigungen, er habe sie nicht Hure gescholten. J. R. will dies beweisen.

Bescheid Dass H. L’s. Sohn dem J. R. auf die Kirschen gestiegen ist und und seiner Frau dazu noch viel beleidigende Worte gegeben hat, soll er dies zu verbüssen schuldig sein. Dass L’s. Sohn J. R.’s. Frau bezichtigt hat, sie habe L.’s. Äpfel abgeschüttelt, soll er ebenso (...) verbüßen und dem Gericht (...) und ihr seine Beschuldigungen zu widerrufen. In Heft 18 folgt der nächste Teil des Gerichtsbuch von 1631-1684

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Das Autorenteam: Heinz P. Probst, Queckborn, hat die einzelnen Beiträge des vorliegenden Heftes geschrieben, das Heft gesetzt und gestaltet.

Wilhelm Konrad, Villingen, hat die Ortschronik u. a. Urkunden in eine für uns heutige Menschen lesbare Schrift übertragen.

Otto Rühl, Villingen, hat einzelne Archivunterlagen für dieses Heft recherchiert. Er ist für den Verkauf und Versand der Hefte verantwortlich.

Dr. Ulrich Kammer, Laubach, hat für das vorliegende Heft die Gerichtsbücher transkribiert und die übrigen Texte gegengelesen, die Rechtschreibung und deren Transkribierungen noch einmal überprüft und ggf. korrigiert.

Herausgeber: Heimatkundlicher Arbeitskreis innerhalb der Evangelischen Kirchengemeinde Villingen / Nonnenroth,

Hirzbacher Weg 8, Hungen-Villingen

©Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und sonstige

Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des

Verfassers.

2006

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Es haben die Arbeit des HAKs Villingen für das Jahr 2006 mit

Geldspenden unterstützt, dafür vielen Dank

Stadtarchiv Hungen

Ortsbeirat Villingen

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