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Brauchen wir neue Wege in der Regionalpolitik? PROF. DR. JENS SÜDEKUM HEINRICH-HEINE-UNIVERSITÄT DÜSSELDORF IW KÖLN – 22.2.2018

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Brauchen wir neue Wege in der Regionalpolitik?

PROF. DR. JENS SÜDEKUM

HEINRICH-HEINE-UNIVERSITÄT DÜSSELDORF

IW KÖLN – 22.2.2018

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Regionalpolitik – Hip & trendy wie noch nie

• Gerüchte über „Ministerium für die ländliche Räume“

• Heimatministerium

• Im Koalitionsvertrag 3 Mrd. zusätzliche Ausgaben für die Förderung strukturschwacher Regionen

• BMWi-Referatsleiter: „So ein Interesse an Regionalpolitik hab ich noch nie erlebt!“

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Regionalpolitik – Hip & trendy wie noch nie

• Gerüchte über „Ministerium für die ländliche Räume“

• Heimatministerium

• Im Koalitionsvertrag 3 Mrd. zusätzliche Ausgaben für die Förderung strukturschwacher Regionen

• BMWi-Referatsleiter: „So ein Interesse an Regionalpolitik hab ich noch nie erlebt!“

Woher kommt plötzlich dieses Interesse???

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Regionalpolitik – Hip & trendy wie noch nie

• Gerüchte über „Ministerium für die ländliche Räume“

• Heimatministerium

• Im Koalitionsvertrag 3 Mrd. zusätzliche Ausgaben für die Förderung strukturschwacher Regionen

• BMWi-Referatsleiter Fisch: „So ein Interesse hab ich noch nie erlebt!“

Woher kommt plötzlich dieses Interesse???

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Aufbau des Impulsvortrag

• TheseUrbanisierungstendenzen und das Stadt-Land-Gefälle werden in Deutschland zunehmen!

• Grundfragen der Regionalpolitik„People to jobs?“ oder „Jobs to people?“

• Konkrete Implikationen für die Regionalpolitik in Deutschland„Jobs to people“ – aber wie?

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„Eine Handvoll Städte mit dem richtigen Branchenmix und einersoliden Humankapitalbasis ziehen immer mehr gute Arbeitgeber anund zahlen hohe Löhne. Die Städte am anderen Ende schlagen sichmit toten Jobs und niedrigen Löhnen herum.“

Enrico Moretti, The New Geography of Jobs, Berkeley 2013

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Lohnungleichheit auf dem deutschen ArbeitsmarktDauth, Findeisen, Moretti, Südekum (2018)

19852014

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Zunehmendes Stadt-Land-Gefälle: Die „Urban Wage Premium“Dauth, Findeisen, Moretti, Südekum (2018)

“Lohnprämie” München versus kleine Städte – 1985: ca. 30%, 2014: >50%

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Konzentration der Top-Arbeitnehmer und Top-Firmen in StädtenDauth, Findeisen, Moretti, Südekum (2018)

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Zunehmendes „Assortatives Matching“Dauth, Findeisen, Moretti, Südekum (2018)

20141985

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Ausblick in die Zukunft

1. Die regionale Wirtschaftsstruktur in Deutschland ist ausgeglichener als in anderen Ländern.

2. Regionale Unterschiede werden aber zunehmen. Tendenz zur (Re-)Urbanisierung hat bereits eingesetzt!

3. Weitere Triebfedern dieser Entwicklung:- Globalisierung- Digitalisierung- Demographischer Wandel

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• These: Urbanisierungstendenzen und das Stadt-Land-Gefälle werden in Deutschland zunehmen!

• Grundfrage der Regionalpolitik:„People to jobs?“ oder „Jobs to people?“

• Konkrete Implikationen für die Regionalpolitik in Deutschland:„Jobs to people“ – aber wie?

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„Subsidize people, not places!“ (Edward Glaeser, Harvard)

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„Subsidize people, not places!“ (Edward Glaeser, Harvard)

Was ist Regionalpolitik nicht?

• Räumliche Einkommensumverteilung

• Monetäre Transfers an Haushalte in bestimmten Regionen

Was ist Regionalpolitik?

• Dezidierter Eingriff in die räumliche Ressourcenallokation→ Wo wird produziert?

• Typischer Ansatz: Förderung der Peripherie→ „Jobs to people“

• Aber auch dezidierte Förderung von „people to jobs“→ z.B. „moving to opportunity“ (Raj Chetty)

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Allokation – Distribution – Stabilisierung (Richard Musgrave)

Allokative Begründung für Regionalpolitik

• Produziert der Markt „Überagglomeration“?

• In einem neoklassischem räumlichen Gleichgewichtsmodell ausgeschlossen

• In anderen Kontexten möglich (z.B. NÖG), aber dort oft „Unteragglomeration“

Distributive Begründung für Regionalpolitik

• Gesamtwirtschaftliches Wachstum eher durch Förderung der Zentren

• Spielart der räumlichen Umverteilung: „jobs to people“ statt Geld

• Neoklassischer Purismus: Verzerrendes Instrument! (→ „subsidize people“)

• In der Realität: Ein notwendiger & kostenträchtiger Kampf gegen Windmühlen!

→ Immobilität ist ein Fakt! „People to jobs“ immer selektiv→ Trump/Brexit: Schaffung von Perspektiven für die „Abgehängten“

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• These: Urbanisierungstendenzen und das Stadt-Land-Gefälle werden in Deutschland zunehmen!

• Grundfrage der Regionalpolitik:„People to jobs?“ oder „Jobs to people?“

• Konkrete Implikationen für die Regionalpolitik in Deutschland:„Jobs to people“ – aber wie?

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Regionalpolitik in Deutschland

• Kerninstrument: GRW (ca. 1,5 Mrd € / Jahr, ca. 50% Bund/Länder)

• Viele weitere Programme mit regionalem Fokus

• Fiskalische Transfers über LFA, Solidarpakt usw.

• Koalitionsvertrag: Zusätzliche 750 Mio./Jahr zur „ Förderung strukturschwacher Regionen“

Quelle: Karl et al. (2016)

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Regionalpolitik in Deutschland

Regionalpolitik: Ein bunter Blumenstrauß unterschiedlicher Förderinstrumente

• Direkte oder indirekte Subventionen an Firmen im Fördergebiet

• „Cluster-Politik“: Gezielte Förderung bestimmter Branchen („XY valley“)

• Ausbau der gewerbenahen Infrastruktur (z.B. Flächen, Anbindung Gewerbegebiete)

• Gezielte Ansiedlung von Behörden, (Fach-)Hochschulen, etc.

• Aufwertung von Quartieren (Gebäudesanierung, Freizeitangebote, etc.)

• Verbesserung „weicher“ Standortfaktoren (kulturelles Angebot, etc.)

• …

Zentrale Fragen

• Welche Instrumente funktionieren am besten?

• Wer profitiert konkret davon?

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Regionalpolitik in Deutschland

Regionalpolitik: Ein bunter Blumenstrauß unterschiedlicher Förderinstrumente

• Direkte oder indirekte Subventionen an Firmen im Fördergebiet

• „Cluster-Politik“: Gezielte Förderung bestimmter Branchen („XY valley“)

• Ausbau der gewerbenahen Infrastruktur (z.B. Flächen, Anbindung Gewerbegebiete)

• Gezielte Ansiedlung von Behörden, (Fach-)Hochschulen, etc.

• Aufwertung von Quartieren (Gebäudesanierung, Freizeitangebote, etc.)

• Verbesserung „weicher“ Standortfaktoren (kulturelles Angebot, etc.)

• …

Zentrale Fragen

• Welche Instrumente funktionieren am besten?

• Wer profitiert konkret davon?

• Keine Patentrezepte!

• Zu viele Anekdoten, zu wenig gesicherte Evidenzaus seriösen Evaluationsstudien

• Datenbank des “What Works?”-Center an der LSE: Kaum Projekte aus D, nur 5% Prädikat “sehr gut”

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Art des Programm Kurzbeschreibung Beurteilung

„Enterprise Zones“„Empowerment zones“„Discretionary grants“

Firmen in Förderregion erhalten direkte oder indirekte Subventionen für Investitionen, Arbeitsplatzschaffung

Schwache Lohneffekte Mitnahmeeffekte

„Cluster policies“ Gezielte Förderung bestimmter Branchen, Subventionen von F&E-Ausgaben, …

Schwache Produktivitätseffekte, Anschubfinanzierung oft unrealistisch,Gefahr aufs „falsche Pferd“ zu setzen

„Aufwertung von Quartieren“

Modernisierung des Gebäudebestands, Verschönerung des öffentlichen Raums

Positive Effekte auf Hauspreise –Förderung von Hausbesitzern

„Universitäten“„Behördenansiedlung“

Ausbau von Universitäten und Fachhochschulen sowie Behördenansiedlung außerhalb der Ballungszentren

Kleine, aber robust positive Resultate über lokale Multiplikatoreffekte

„Infrastrukturausbau“ Prioritärer Ausbau Verkehrsinfrastruktur, Schulen,Energie- und digitale Netze, Gesundheitssektor, …

Potentiell nachhaltige Verbesserung der Standortqualität

→ Bezieht sich zumeist auf Erfahrungen aus anderen Ländern

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Drei Thesen für eine Neuausrichtung der Regionalpolitik

1. Stärkerer Fokus auf Infrastruktur und öffentliche Investitionen, weniger auf direkte Subventionen und Clusterförderung.

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Drei Thesen für eine Neuausrichtung der Regionalpolitik

2. Breiter Infrastrukturbegriff! → „Wissensinfrastruktur“

Quelle: KfW (2016)

• Infrastrukturlücke ein gesamtwirtschaftliches Problem

• Regionalpolitik dabei nur eine Komponente→ prioritärer Infrastrukturausbau

• Mehrfache Dividende durch Fokus auf Digitales und (Weiter-)bildung

- Fachkräftemangel- individueller Umgang mit Strukturwandel- Erhöhte berufliche (und regionale) Mobilität- lokale Multiplikatoreffekte durch Ansiedlung

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Drei Thesen für eine Neuausrichtung der Regionalpolitik

3. Mehr „bottom-up“ als „top-down“, aber Vermeidung von Finanzierungsengpässen

Quelle: Sachverständigenrat (2013) Quelle: Junkernheinrich (2017)

• Rückgang der Infrasturinvestitionenvor allem auf kommunaler Ebene

• Besonders stark in überschuldeten Kommunen in NRW, RLP, Saarland- „Globalisierungsverlierer“ - Zielgruppe der GRW

• Durchbrechen von Abwärtsspiralen durch kommunale Entschuldung +

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