Heisser Sound. Schellen - schmied Peter Preisig steht in ......klang, Gspiel genannt. Entscheidend...

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108 109 Heisser Sound. Schellen- schmied Peter Preisig steht in seiner Werkstatt und horcht einem «Gspiel» – drei Senntumschellen, die er im Feuer geschmiedet und mit Messing veredelt hat. Appenzeller Töne. Bei Alpfahrten, beim Zäuerle und Silvesterchlausen sind Schellen und Rollen wichtiger Teil der Tradition. Peter Preisig aus Herisau AR sorgt mit Feuer und Hammer für den richtigen Klang. Text Marcel Huwyler Fotos Romeo Polcan Der Schellenschmied 1Altes Handwerk

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Heisser Sound. Schellen-schmied Peter Preisig steht

in seiner Werkstatt und horcht einem «Gspiel» – drei

Senntumschellen, die er im Feuer geschmiedet und mit Messing veredelt hat.

Appenzeller Töne. Bei Alpfahrten, beim Zäuerle und Silvesterchlausen sind Schellen und Rollen wichtiger Teil der Tradition. Peter Preisig

aus Herisau AR sorgt mit Feuer und Hammer für den richtigen Klang. Text Marcel Huwyler Fotos Romeo Polcan

Der Schellenschmied

1Altes Handwerk

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Explosiver Ort: Die Werkstatt war einst eine Pulverfabrik

E s wird laut. Wer Schellen zum Klingen bringen will, muss zuerst gehörig Krach machen. Tausende

Hammerschläge trimmen und trei-ben glühend heisse Stahlbleche in die gewünschte Form. Ist die Schelle fertig, muss sie ausprobiert werden, geschwenkt, geschwungen und ge-läutet – dann dröhnt und hallt das zünftig durch die Gegend. Also hat sich Schellenschmied Peter Preisig eine Werkstatt gesucht, wo Krach und Klang niemanden stören. Im Grenzgebiet zwischen Herisau AR und Gossau SG, Marstal heisst der Landstrich, weit abseits von Wohn-gebieten, am Ende einer Kiesstrasse, zwischen einem Weiher und dem Waldrand gelegen, da steht eine alte Fabrik mit verwitterter Schindel-fassade und einem hohen Kamin aus roten, mürben Ziegelsteinen. Der-art abgelegen kommt Preisig sehr gelegen. Hier wurde schon immer gelärmt – und zwar so gehörig, dass die Nachbarsdörfer bebten. Zwi-schen 1831 und 1872 war die Fabrik eine Pulvermühle, wo Spreng- und Schiess pulver hergestellt wurden. Ein höllisches Handwerk: Neun Mal ereigneten sich gewaltige Explo sio-nen, die halbe Fabrik flog jeweils in die Luft, und Menschen kamen zu Tode. In Anbetracht dieser inferna li -schen Vergangenheit darf Peter Prei-sigs Schellenschmiede geradezu als stilles Gewerbe bezeichnet werden.

DER KLEINE UNTERSCHIED Es gibt Schellen, und es gibt Glocken. Das ist nicht das Gleiche, auch wenn sie ähnlich aussehen. Glocken werden gegossen (meist aus Bronze), Schellen aus Stahlblech geschmiedet. Je nach Region heisst die Schelle in der Mundart auch Treichle oder Trychle. Legendär sind die Alp-fahrten im Toggenburg und Appen-zellerland, bei denen die Leitkühe aufeinander abgestimmte Schellen tragen. Aber auch im Brauchtum

spielen sie eine wichtige Rolle, ganz besonders im ausser rhodi schen Hinterland, wenn das Jahr dem Ende zugeht, an Silvester.

DIE SILVERSTERCHLÄUSE Peter Preisig (Prisig, wie man in Appenzöll sagt) ist in Herisau auf-gewachsen. Und darum mit dem Silvesterchlausen gross geworden.

Jenem Winterbrauch, bei dem kunstvoll verzierte Chläuse am 31. Dezember (Neuer Silvester) und 13. Januar (Alter Silvester) herum-ziehen. Dabei tragen einige der Chläuse Schellen (unten geöffnet), andere Rollen (abgeschlossene Kugeln mit einem Schlitz; wie auf den Deutschschweizer Jasskarten). Schellen sind geschmiedete Kunst-

Preisigs Schellenschmiede nahe Herisau war um 1850 eine

Mühle für Schiesspulver. Das Haus flog bei Explosionen

neun Mal in die Luft.

Köhler. Zweimal im Jahr macht Preisig selber

Holzkohle. Als Meiler dient ihm ein alter, um- gebauter Boiler, den er

mit Buchenholz füllt.

Brauchtum. Ein Teil der Silvesterchläuse trägt dreizehn solcher Rollen.

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werke, jede ein Unikat, Mass- und Handarbeit, und jene mit einer Messingbeschichtung (das ist das wahre Schallgeheimnis) haben einen ganz besonders reinen, glasigen, hellen Klang. Es gibt in der Schweiz keine Hand-voll Schellenschmiede mehr, die diese Art der Veredelung – das Feuer-vermessingen – beherrschen. Peter Preisig studiert und probiert seit siebzehn Jahren daran herum: Diesen Herbst nun hat er endlich den perfekten Schellenklang gefunden. «Das Faszinierende ist», sagt er, «dass aus einem Blechkübel ein so reichhaltiges Instrument entsteht.»

DIE EIGENE HOLZKOHLEPeter Preisig, 41, kernig in Tun, Humor und Dialekt, ist nicht der Grösste, aber drahtig, kräftig und hat dieses Glühen in den Augen, das Tüftlern und Pionieren eigen ist. Er trägt Bart, Schnauz, eine Dächli-

kappe und im rechten Ohrläppchen einen Ring, den Schlangenkopf, an den zu Festanlässen ein goldener Löffel, d Ohreschuefe, eingehängt wird – der traditionelle Ohrschmuck im Alpsteingebiet.Preisig heizt ein. Mit seiner gstabigen Lederschürze steht er an der grossen, offenen Feuerstelle. Das elektrische Gebläse faucht die Flammen hoch, Funken sprühen, zwischen 700 und 1200 Grad heiss wirds, wellenartig brandet einem die Hitze ent gegen. Mit einer Zange stochert der Schel-len schmied nach Stahlblechen, die im Feuer liegen und glühen; immer wieder wendet er die Blechplatten, als wären es Steaks auf dem Grill. Gute Holzkohle sei bei seiner Arbeit wichtig, erklärt Preisig. Drum stellt er das Heizmaterial hin und wieder grad selber her. Der Schellen schmied ist auch ein wenig ein Köhler. Vor der Werkstatt steht ein alter, umgebauter Boiler, den Preisig als

Kohlenmeiler benutzt. Darin schichtet er Buchenscheite auf, die dann einen halben Tag lang vor sich hinmotten und langsam verkohlen. Aus 350 Kilogramm Buchenholz gewinnt man 80 Kilo Holzkohle. Bevor Preisig mit dem Köhlern beginnt, informiert er jeweils die Polizei: «Das raucht nämlich derart dick und schwarz, dass besorgte Bürger auch schon Alarm schlugen, weil sie meinten, ein Haus brenne ab.»

ALTE KÖNNER AUS DEM TIROLPeter Preisig ist gelernter Carrosserie-spengler. Aber schon als junger Mann, während der Lehre, pröbelt er an seinen ersten Schellen herum. Er ist fasziniert von dieser Klang-kunst, aber auch besorgt, weil das Wissen und Können rund um Schellen auszusterben droht. Preisig will die Tradition weiterführen, will Schellen schmieden, wie man es seit Hunderten Jahren tat. Doch, wo gibt es noch Schellenschmiede, die ihm das beibringen können? Die Ostschweizer besorgten sich ihre Schellen schon immer ennet der Grenze, in Tirol und im Allgäu. Die Schmiede dort sind die besten. Preisig reist nach Strengen in Tirol, wo es noch wahre Meister gibt. Und tatsächlich, ein alter Könner verrät dem jungen Ostschweizer den einen oder anderen Tipp. Wieder daheim, eröffnet Peter Preisig seine erste kleine Schmiede, damals noch im Ort Waldstatt. Das war 1998. Tagsüber geht er zur Arbeit (er bildet mittlerweile Lehrlinge im Anlagen- und Apparatebau aus), nach Feier-abend, an Wochenenden und in den Ferien versucht er sich als Schellen-

Das zugeschnittene Stahlblech für eine Schelle wird in der Esse erhitzt.

Tausend Grad Hitze und Hunderte Hammerschläge

Das heisse Blech legt Preisig in eine Vertiefung, das Gsenk, und treibt es mit dem Hammer in die gewünschte Schellen-Form.

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schmied. «Ohne Verständnis meiner Familie wäre das nicht möglich ge-wesen», betont Preisig immer wieder. Das scheint ihm sehr wichtig.

MIT FEUER UND HAMMERDie Bleche glühen. Heute schmie-det Preisig Rollen. Beim Silvester-chlausen in ein paar Wochen wird ein «Rollewiib» (auch «Rolli» genannt) einen mit dreizehn Rollen gespickten Leder riemen tragen. Dreizehn Rollen, jede hat fünf- zehn Zentimeter Durchmesser, mit achtzig Stunden Arbeit rechnet Preisig; sein Werk wird er für um die 3500 Franken verkaufen. Mit einer Zange zieht er zwei runde, aufeinanderliegende Stahl-bleche aus dem Feuer und hievt sie auf einen Amboss. Dieser hat Halbkugel-artige Vertiefungen (Gsenk genannt), das Negativ der Rollenhälften. Mit Hammer-schlägen treibt Preisig die heissen Bleche in die gewünschte Form. Kühlen diese ab, erhitzt er sie wie-der in der Esse, um sie erneut mit Hammerschlägen zu traktieren. Bis zu zwanzig Mal wandern die Bleche ins Feuer, «und wohl tausend Schläge», schätzt Preisig, «brauche ich, bis eine Rolle ihre richtige Form hat». Von einem Vierkanteisen sägt er ein Stück ab, hämmert es zusam-men – das wird die Murmel, die in der Rolle drin für den Ton sorgt. Der Clou: Wäre die Murmel kugel-förmig, würde der Klang zu flach, zu perfekt – zu langweilig. Das gestauchte, würfelige Stück jedoch erzeugt den gewünschten Effekt. Peter Preisig sagt dem: «Es chrällelet so wunderbar.»

SENNTUMSCHELLENDie Königsdisziplin. Das Schmieden von Senntumschellen. Drei grosse Schellen – handgeschmiedet, feuer-vermessingt, harmonisch aufeinan-der abgestimmt – bilden einen Drei-klang, Gspiel genannt. Entscheidend ist schon die Wahl des Blechs. Preisig erklärts: «Je dicker, desto höher der Ton. Je härter, desto reichhaltiger

der Klang – aber auch umso schwieriger zu bearbeiten.» Mit einer Schablone wird das Blech in die richtige Grundform gebracht, das Schnittmuster einer Senntumschelle ähnelt einer Sanduhr. Und dann heisst es wieder erhitzen, hämmern, trimmen, erhitzen, über tausend Grad und viele tausend Hammerschläge.

Es folgt das Finale. Das Schwie-rigste, Geheimnisvollste und Kunst-vollste – das Feuervermessingen. Der Schellen schmied ist auch ein wenig Alchemist. Denn erst der Messingüberzug verleiht Senntum-schellen und Rollen die goldkupfrig leuchtende Farbe und den glasklaren, glockigen Klang. Das Messing gewinnt Preisig aus Abfällen, etwa

aus leeren Gewehrpatronen. Diese Messingteile samt Schelle werden in einen Teig eingewickelt. Dessen Zusammensetzung ist Preisigs Geheimnis. «Es verhält sich damit», sagt er und grinst, «wie mit der Kräutersulz der Appenzeller Käser: Da wird nix verraten.»Oder nur wenig: Etwa acht Zutaten sind drin, unter anderem Wasser, gemahlener

Lehm, Schamott, Sand, Grafit und die Härchen von Gerste. Die Schelle im getrockneten Lehmmantel kommt nun in einen Freiluftofen, Marke Preisig Eigenbau. Eine Rolle wird eine Stunde lang, eine Senn-tumschelle drei Stunden gebrannt. Mit einer überdimensionierten Mist- gabel wendet Preisig die glühenden Teigkugeln. Bei 950 Grad schmilzt

Rollen im Lehmmantel, das Messing stammt von alten Gewehrpatronen.

Messingteile werden zwischen Lehmmantel und

Rolle gelegt. Die Zusam-mensetzung des «Teigs»

hält Preisig streng geheim.

Preisig erhitzt eine Rolle im Ofen. Das Messing unter dem Lehm schmilzt und überzieht

die Rolle mit dem edlen Glanz.

Das Feuervermessingen grenzt an Alchemie

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das Messing, zerrinnt, verteilt sich und ummantelt die ge sam te Schelle. Ist alles abgekühlt, wird der Teig auf- gebrochen, das Kunstwerk heraus-geklaubt, poliert und, wenns sein muss, gestimmt. Bei einer Schelle kann Preisig die Öffnung etwas enger und damit den Ton wenig höher machen. Klingt der Dreiklang, wie er sollte? Um das zu prüfen, versetzt sich Preisig in Weihnachts-stimmung. Ein Gspiel hat unter anderem die ersten drei Töne von «Stille Nacht». Um ein passendes Dreier-Set zu bekommen, schmiedet er mehrere Senntumschellen, die er dann mit viel Fingerspitzen- und noch mehr Ohren gefühl unter- einander kom biniert. Und musika-lisch ist der Mann ja, als Mitglied im Schötze-Chörli Stein AR kennt er sich mit Klängen, Melodien, Zäuerli und Heimat liedern aus.

LOB VOM AMTPeter Preisigs Kunst spricht sich herum, seine Schellen und Rollen sind begehrt, seine Feuervermessing-Fertigkeit anerkannt. Das Amt für Kultur Appenzell Ausserrhoden

würdigt sein Tun in einem Schreiben: «… damit leistet Peter Preisig einen unschätzbaren Beitrag, dass diese Tradition lebendig bleibt». Am meisten aber freuen sich die Silvester- chläuse, die bald, am Jahres ende, unterwegs sind, ihr Brauchtum pflegen, tänzeln, jodeln, sich zeigen. Und mitten unter all den Chläusen wird auch Peter Preisig sein. Und

das Geläut geniessen, sein Geläut, seine Schellen, seine Rollen, hinter denen so viel Brauchtum, Arbeit, Wissen und Können stecken. Drum sind die Silvestertage für Schellen-schmied Preisig – wie Weihnachten und Ostern zusammen. CInfos und Führungen unter Tel. 079 710 66 27 oder auf www.schellenschmiede.ch

Es glänzt und läutet für Brauchtum und Vieh

Der Meister mit Senntumschellen. Sattler Jakob Mock macht die Riemen.

Schellen und Rollen. Handgeschmiedet und feuervermessingt – das macht den unvergleichlichen Klang aus.