Heizen mit Hightech - Siemens...fert wurde, lassen sich alle vier Autotüren eines Fahrzeugs...

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KM April 2013 22 www.kunststoff-magazin.de Fertigungstechnik G anz entscheidend lebt das Automo- bilinterieur von der Oberflächenge- staltung. Das geschieht typischerweise durch Aufbringen hochwertiger Kaschie- rungen auf verschiedenen Trägermate- rialien. Das Know-how dafür liegt vor allem im Beherrschen auch komplexer, dreidimensionaler Geometrien. Bei der Verarbeitung von Kunststofffolien spielt das zur Brückner-Gruppe gehörende Un- ternehmen Kiefel eine gewichtige Rolle: Anlagen zum Fügen und Formen von Folien arbeiten für Anwendungen unter anderem in der Medizintechnik, in der Kühlschrank- und Verpackungsindustrie – und eben im Automobilbau. Michael Lorenz, Leiter der Elektrokonstrukti- on Automobil bei Kiefel: „Eine unserer Stärken ist, hochwertige Materialien auf komplexe Fahrzeuggeometrien im Innen- raum aufzubringen, wie man sie in Fahr- zeugen der Premiumklasse kennt.“ Bei der Entwicklung der stets indivi- duell angepassten Anlagen zum pass- genauen Formen der dreidimensionalen Werkstücke ist vor allem die Temperatur der entscheidende Aspekt. Die Kunst- stofffolien werden als Bahnenware auf- gegeben und in automatischen Prozessen teilweise sehr stark verformt – beispiels- weise zu Innenverkleidungen von Fahr- zeugtüren. Nach dem Pressen entspre- chender Trägerstrukturen in Vakuum- formanlagen werden die hochwertigen Die Geometrie der Türinnenver- kleidungen von Pkw wird zu- sehends komplexer und mit hoch- wertigen Materialien kaschiert. Gerade bei Premium-Fahrzeugen stellt das besonders hohe Anfor- derungen an die Prozesstechnik – etwa an die Heizungssteuerung, die beim Formen der 3D-Kunst- stoffteile eine wichtige Rolle spielt. Anlagenbauer Kiefel nutzt dafür eine besonders wirtschaftliche Lösung. Heizen mit Hightech Kompakte Heizungssteuerung für Kaschieranlagen als wirtschaftliche Komplettlösung In ihren Kaschiermaschinen setzt Kiefel Quarzstrahler ein. Sie werden einzeln ange- steuert, um die präzise Temperaturverteilung zur Herstellung hochwertiger Kunststoff- Innenverkleidungen für Fahrzeugtüren zu erzielen.

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Fertigungstechnik

Ganz entscheidend lebt das Automo-bilinterieur von der Oberflächenge-

staltung. Das geschieht typischerweise durch Aufbringen hochwertiger Kaschie-rungen auf verschiedenen Trägermate-rialien. Das Know-how dafür liegt vor allem im Beherrschen auch komplexer, dreidimensionaler Geometrien. Bei der Verarbeitung von Kunststofffolien spielt das zur Brückner-Gruppe gehörende Un-ternehmen Kiefel eine gewichtige Rolle: Anlagen zum Fügen und Formen von Folien arbeiten für Anwendungen unter anderem in der Medizintechnik, in der Kühlschrank- und Verpackungsindustrie – und eben im Automobilbau. Michael Lorenz, Leiter der Elektrokonstrukti-

on Automobil bei Kiefel: „Eine unserer Stärken ist, hochwertige Materialien auf komplexe Fahrzeuggeometrien im Innen-raum aufzubringen, wie man sie in Fahr-zeugen der Premiumklasse kennt.“

Bei der Entwicklung der stets indivi-duell angepassten Anlagen zum pass-genauen Formen der dreidimensionalen Werkstücke ist vor allem die Temperatur der entscheidende Aspekt. Die Kunst-stofffolien werden als Bahnenware auf-gegeben und in automatischen Prozessen teilweise sehr stark verformt – beispiels-weise zu Innenverkleidungen von Fahr-zeugtüren. Nach dem Pressen entspre-chender Trägerstrukturen in Vakuum-formanlagen werden die hochwertigen

Die Geometrie der Türinnenver­kleidungen von Pkw wird zu­

sehends komplexer und mit hoch­wertigen Materialien kaschiert.

Gerade bei Premium­ Fahrzeugen stellt das besonders hohe Anfor­

derungen an die Prozesstechnik – etwa an die Heizungssteuerung,

die beim Formen der 3D­Kunst­stoffteile eine wichtige Rolle

spielt. Anlagenbauer Kiefel nutzt dafür eine besonders

wirtschaftliche Lösung.

Heizen mit HightechKompakte Heizungssteuerung für Kaschieranlagen als wirtschaftliche Komplettlösung

In ihren Kaschiermaschinen setzt Kiefel Quarzstrahler ein. Sie werden einzeln ange­steuert, um die präzise Temperaturverteilung zur Herstellung hochwertiger Kunststoff­Innenverkleidungen für Fahrzeugtüren zu erzielen.

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Deckmaterialien in Kaschieranlagen aufgebracht und eventuell notwendige Stanzungen im gleichen Arbeitstakt er-ledigt.

„Bei den äußerst komplexen Struk-turen und den unterschiedlichen Deck-materialien, die es heute zu bearbeiten gilt, ist viel Erfahrung gefragt“, betont Michael Lorenz. Und weil die Temperatur in der Serienproduktion qualitativ hoch-wertiger Endprodukte eine Schlüsselpo-sition einnimmt, setzt der Experte einen klaren Fokus auf die Heizungssteuerung.

Prozesstechnik mit kleinem Toleranzfenster

In einer typischen Kaschieranlage, wie sie für das Massenmodell eines deutschen Automobilherstellers nach Südafrika, Tschechien, China und in die USA gelie-fert wurde, lassen sich alle vier Autotüren eines Fahrzeugs paarweise in zwei Bear-beitungsschritten herstellen. Die Ober- und Unterwerkzeuge sitzen auf drehbar gelagerten Werkzeugträgern. Ist die Fo-lientemperatur erreicht, wird die Folie zwischen die beiden Formen gebracht und mit Vakuumunterstützung in den Werkzeugen kaschiert.

Bei einer Folien-Absoluttemperatur von etwa 170 Grad Celsius bewegt sich deren Toleranzbereich im einstelligen Be-reich. Der Verformungsprozess dauert etwa 10 bis 15 Sekunden. Dann senkt eine Wasserkühlung im Unterwerkzeug die Temperatur ab. Während dieser Zeit lassen sich die Aussparungen stanzen. In

dieser Anlage befinden sich zwei Form-hilfen und zwei Stanzwerkzeuge. Die gesamte Taktzeit beträgt rund 40 Se-kunden.

„Zum präzisen Aufheizen der Folien setzen wir in der Ober- und Unterhei-zung dieser Anlage Quarzstrahler ein“, erklärt Michael Lorenz. Diese benötigen zwar eine gewisse Aufheizzeit, belasten das Netz aber nicht mit hohen Einschalt-strömen, wie es zum Beispiel Infrarot-strahler tun. Die Temperaturregelung übernimmt eine Simatic S7. Diese über-gibt die Stellwerte an die Heizungssteu-erung Siplus HCS, die die Quarzstrahler präzise ansteuert. Ihre Vorteile gegen-über einem konventionellen Aufbau aus Einzelgeräten sind laut Michael Lorenz der erheblich geringere Montageauf-wand und spürbar weniger Platzbedarf.

Die Heizungssteuerung erfasst jede Halbwelle der Netzspannung und kann somit präzise den Stromfluss und damit die Temperatur regeln. Bei einer Netz-frequenz von 50 Hertz (100 Halbwellen pro Sekunde) kann also der Stellwert jedes Ausgangs prozentgenau gesteuert werden. „Das gibt uns die notwendige Flexibilität beim Aufheizen der Folien für besonders komplexe Verformungs-vorgänge“, kommentiert der Konstruk-tionschef.

192 Heizkanäle wirtschaftlich ansteuern

In der beschriebenen Anlage kommt die Heizungssteuerung Siplus HCS716I

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Für einen deutschen Automobilhersteller wurden mehrere weltweit eingesetzte Anlagen gebaut, in denen die Heizungs­steuerung eingesetzt ist.

Optisch anspruchsvolle Oberflächen sind auch bei stark dreidimensional geformten Geometrien im Fahrzeuginnenraum gefordert.

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zum Einsatz. Diese besteht aus einem Baugruppenträger, der mit bis zu zwölf Leistungsbaugruppen bestückt werden kann. Jede Leistungsbaugruppe ist in der Lage, maximal 14,7 Kilowatt zu steuern. Sie ist in verschiedenen Versionen mit bis zu 2,3 Kilowatt pro Ausgang verfügbar. Ein Baugruppenträger kann im Vollaus-bau maximal 192 Ausgänge mit 176 Kilowatt Gesamtleistung ansteuern. Mi-chael Lorenz ergänzt: „Dieser Typ bietet ein besonders gutes Preis-/Leistungs-Ver-hältnis, weshalb wir ihn gerne in unseren Anlagen einsetzen.“

Die hohe Zahl möglicher Ausgänge ist deshalb notwendig, weil in den Kiefel-

Anlagen jeder Quarzstrahler einzeln an-gesteuert wird. Die Kommunikation zwi-schen Baugruppenträger der Heizungs-steuerung und der übergeordneten Steuerung geschieht über Profibus DP. Bis zu vier Baugruppenträger lassen sich je Profibus modular erweitern, was die Flexibilität der Anlagen unterstützt. Hinzu kommt: Eine im Gerät hinterlegte Steuertabelle sorgt dafür, dass alle drei Phasen im Netz möglichst gleichmäßig belastet werden. Da die Heizungssteu-erung zudem immer im Nulldurchgang der Spannung schaltet, reduziert sich die Netzbelastung auf das mögliche Mini-mum.

Diagnosemöglichkeiten unterstützt die Qualität

Neben geringem Montageaufwand und der Platzeinsparung überzeugt Siplus HCS laut Kiefel zudem durch inte-grierte Diagnosefunktionen. So erkennt das System zum Beispiel Spannungs-abfall, Strahlerbruch und das Auslö-sen von Sicherungen. Fehlt eine Phase im Drehstromnetz, erkennt das die Heizungssteuerung ebenso wie einen Drehfeldfehler und sogar eine mög-liche Störung am Leistungsschalter in der Baugruppe. Zum Selbstschutz sind die Leistungsbaugruppen mit einer in-

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Die Baugruppenträger der Heizungssteu­erung sind über Profibus DP mit der über­geordneten Steuerung verbunden. Bis zu vier Träger können je Profibus Master angebunden werden.

Mit Siplus HCS und Simatic S7 gibt es die Möglichkeit, die Leistung der Quarzstrahler an Netzschwankungen anzupassen und so die für die Produktionsqualität wichtige Tempe­raturtoleranz einzuhalten.

Michael Lorenz, Leiter Elektrokonstruk­tion Automobil bei Kiefel: „Die Siemens­Steuerung lässt uns viel Spielraum bezüg­lich Regelung und Diagnose in unseren Anlagen.“

Kaschieranlage mit präziser Temperaturregelung

Um thermische Prozesse, wie sie beim Formen von Türinnenverkleidungen in Pkw benötigt werden, wirtschaft-lich und einfach umzusetzen, nutzt der Sondermaschinenbauer Kiefel aus Frei-lassing die Heizungssteuerung Siplus HCS und die Simatic S7 von Siemens. Für einen deutschen Automobilherstel-ler wurden unlängst einige weltweit eingesetzte Anlagen gebaut, in denen die Steuerung HCS716I arbeitet. Diese Variante lässt sich einfach über Profibus DP in die Anlagensteuerung integrie-ren, wobei eine S7 die Temperaturre-

gelung übernimmt. Weitere Vorteile dieser Lösung sind der geringe Monta-geaufwand gegenüber einer konventi-onellen Lösung mit Einzelgeräten sowie der geringe Platzbedarf. Ein wichtiger Grund für den komfortablen Einsatz der Geräte ist die einfache Einbindung in die Steuerungsumgebung und die umfassenden Diagnosemöglichkeiten. Denn die Geräte überwachen sich nicht nur selbst, sondern detektieren auch einzelne Quarzstrahler auf ihre Funktionsfähigkeit. Es handelt sich hier um eine leistungsfähige und flexible Standardlösung für die genaue Tem-peraturregelung in den Kiefel-Kaschier-maschinen.

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ternen Temperaturüberwachung ausge-stattet. Der Temperaturwert wird an die übergeordnete Steuerung übergeben. Überschreitet die Temperatur einen de-finierten Wert, schalten die Ausgänge automatisch ab.

„Es gibt einige Ursachen, die zur Er-reichung der Grenztemperatur der Hei-zungssteuerung führen können – etwa wenn Anwender die Schaltschrankküh-lung nicht ausreichend dimensionie-ren oder diese defekt ist“, konstatiert Michael Lorenz. „Und wie schnell ist ein Lüfter ausgefallen, der dann die Tempe-ratur im Schaltschrank ansteigen lässt.“ Die Geräte haben sich sowohl im Engi-neering als auch bezüglich der Handha-bung als komfortabel erwiesen.

Softwareunterstützung beim Engineering

Die Heizungssteuerung wird mit Hilfe einer GSD-Datei – elektronischen Gerä-testammdaten – in das Steuerungspro-

gramm eingebunden. Zur Unterstützung bei der Inbetriebnahme liefert der Her-steller Siemens ein Beispielprogramm in Form von Funktionsbausteinen und Da-tenbausteinen mit, das im Steuerungs-programm Step 7 oder TIA-Portal genutzt werden kann. Anschließend müssen nur noch die gewünschten Werte pa-rametriert werden. Über den Profibus-Anschluss an den Baugruppenträgern werden die Stell- und Diagnosewerte mit der übergeordneten Steuerung zyklisch synchronisiert. „Wir zeichnen diese im Rahmen unseres Qualitätsmanagements in einer separaten Datenbank mit auf“, sagt Michael Lorenz.

Mögliche Netzspannungsschwan-kungen können dank einheitlichem Da-tenmanagement der übergeordneten Steuerung und der Heizungssteuerung einfach ausgeglichen werden. „Es gibt Länder, in denen die festgelegten To-leranzwerte des Spannungsnetzes ver-gleichsweise hoch sind. In solchen Fällen ist diese Funktion nahezu unverzichtbar“,

so Michael Lorenz angesichts der inter-nationalen Ausrichtung von Kiefel. Der Praktiker weiß, dass die Änderung der Netzspannung massive Auswirkungen auf die Leistung der Quarzstrahler hat. Die verhalte sich nicht zwangsläufig ent-sprechend einer einfachen Linearkurve, sondern rufe erheblich stärkere Istwert-Schwankungen hervor. Sein Fazit: „Mit Hightech im Schaltschrank haben wir die Heizprozesse für qualitativ hochwertige Endprodukte bestens im Griff.“

Der Beitrag basiert auf einem Manuskript von Christian Helmrich und Josef Schneiderbauer, Siemens

Thermoformanlagen für Fahrzeugbau

Kiefel, www.kiefel.de

Steuerung Thermoformen, Kiefel

Siemens, www.siemens.de