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Das BuchEs herrscht Krieg im Norden. Der König der Union ist nicht gewillt, dem Wüten des machthungrigen Königs der Nordmänner noch länger zuzuse-hen, und so fallen Tausende Männer in die schlammigen Täler des Nordens ein. In einem unbedeutenden Tal kommt es schließlich zur entscheidenden Schlacht, bei der drei Männer um die Ehre und den Sieg kämpfen – oder was auch immer sie dafür halten.Bremer dan Gorst, in Ungnade gefallener Leibwächter des Königs der Uni-on und ehemaliger Meisterschwertkämpfer, hat sich geschworen, seine Ehre um jeden Preis auf dem Schlachtfeld wiederherzustellen, ob es nun das Blut seiner Feinde kostet oder sein eigenes. Prinz Calder interessiert sich nicht im Geringsten für so etwas wie Ehre, und noch weniger ist er am Getötetwerden interessiert. Seine Gier gilt der Macht, für die er alles tun würde – lügen, tricksen, betrügen. Kropf ist der letzte aufrechte Mann im Norden. Das hat ihm auf den Schlachtfeldern bisher lediglich geschwollene Knie und blankliegende Nerven eingebracht. Dabei will er doch einfach nur das Richtige tun, selbst wenn keiner mehr weiß, was das eigentlich ist.Drei Tage lang dauert die blutige Schlacht, und in diesen drei Tagen entschei-det sich das Schicksal des Nordlandes. Doch in einem Kampf, in dem auf beiden Seiten Verrat und Intrigen herrschen, gibt es keine Helden mehr …

»Unter den Fantasy-Autoren der neuen Generation ist Joe Abercrombie zweifellos der hellste Stern.« The Times

Erster Roman: Kriegsklingen Vierter Roman: RacheklingenZweiter Roman: Feuerklingen Fünfter Roman: HeldenklingenDritter Roman: Königsklingen

Der AutorJoe Abercrombie arbeitet als freischaffender Fernsehredakteur und Autor. Mit seinen weltweit erfolgreichen Romanen um den Barbaren, den Inqui-sitor und den Magier hat er sich auf Anhieb in die Herzen aller Fans von packender, düsterer Fantasy geschrieben und schaffte es bereits mehrmals auf die Times-Bestsellerliste. Joe Abercrombie lebt mit seiner Frau und sei-nen Kindern in Bath.

Mehr Infos über den Autor und seine Romane auf www.joeabercrombie.com

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Joe Abercrombie

Heldenklingenroman

Aus dem Englischenvon Kirsten Borchardt

Deutsche Erstausgabe

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

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Titel der OriginalausgabeTHE HEROES

Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100Das für dieses Buch verwendete

FSC®-zertifizierte Papier Super Snowbrightliefert Hellefoss AS, Hokksund, Norwegen.

Deutsche Erstausgabe 09/2011Redaktion: Werner Bauer

Copyright © 2011 by Joe AbercrombieCopyright © 2011 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Printed in Germany 2011Karten: Dave Senior

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, MünchenSatz: Greiner & Reichel, Köln

Druck und Bindung: GGP Media GmbH, PößneckISBN 978-3-453-52 523-8

www.heyne-magische-bestseller.de

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Für eveeines TAges wirsT du dAs Hier lesen und FrAgen:

»dAd, wieso die vielen Klingen?«

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scHlAcHTordnungDIE UNIONISTEN

Oberkommando

Lord Marschall Kroy  – Oberkommandeur der Heere Seiner Majestät im Norden

Oberst Felnigg – sein Stabschef, ein Mann mit auffallend we-nig Kinn

Oberst Bremer dan Gorst  – königlicher Berichterstatter im Nordkrieg und entehrter Meisterfechter, vormals bei der Ersten Wache des Königs

Rurgen und Jünger – seine ergebenen Burschen, der eine äl-ter, der andere … jünger.

Bayaz, Erster der Magi – ein kahlköpfiger Zauberer, angeblich viele hundert Jahre alt und ein einflussreicher Bevollmäch-tigter des Geschlossenen Rats, bestehend aus den engsten Beratern des Königs

Yoru Sulfur – sein Diener, Leibwächter und BuchhalterDenka und Saurizin – zwei alte Adepti der Universität von

Adua, Gelehrte, die ein Experiment für Bayaz durchführen

Jalenhorms Division

General Jalenhorm – ein alter Freund des Königs, unglaublich jung für seine Stellung, gilt als tapfer, neigt jedoch zu groben Schnitzern

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Retter – sein dreizehnjähriger SignaltrompeterOberst Vallimir  – ein ehrgeiziger Offizier des Ersten Regi-

ments der KönigstreuenOberfeldwebel Forest – ein leitender Unteroffizier im Stab des

Ersten RegimentsKorporal Tunny – ein altgedienter Kriegsgewinnler und Stan-

dartenträger des Ersten Regimentsdie Gefreiten Dotter, Klige, Werth und Lederlingen  – ah-

nungslose Rekruten, die Tunny als Meldereiter zugewiesen wurden

Oberst Wetterlant  – ein steifer Offizier des Sechsten Regi-ments

Major Culfer – sein schnell die Nerven verlierender Stellver-treter

Feldwebel Gaunt, Gefreiter Rose – Soldaten des Sechsten Re-giments

Major Popol  – befehligt das erste Bataillon des Rostod-Re-giments

Hauptmann Lasmark  – ein armer Hauptmann des Rostod-Regiments

Oberst Vinkler – ein mutiger Offizier des Dreizehnten Regi-ments

Mittericks Division

General Mitterick – ein erfahrener Soldat mit sehr viel Kinn und wenig Treue, gilt als klug, aber skrupellos

Oberst Opker – sein StabschefLeutnant Dimbik – ein wenig selbstbewusster junger Offizier

in Mittericks Stab

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Meeds Division

Lord Statthalter Meed – Amateursoldat mit Schildkrötenhals, in Friedenszeiten Statthalter von Angland, der die Nord-männer angeblich ebenso sehr hasst, wie ein Schwein den Metzger verabscheut

Oberst Harod (Hal) dan Brock – Sohn eines berüchtigten Ver-räters, dient ehrlich und beflissen in Meeds Stab

Finree dan Brock – Oberst Brocks überaus ehrgeizige Gattin, die Tochter Lord Marschall Kroys

Oberst Brint – ein einflussreicher Offizier in Meeds Stab, ein alter Freund des Königs

Aliz dan Brint – Oberst Brints naive junge FrauHauptmann Hardrick – ein Offizier in Meeds Stab, der gern

sehr enge Hosen trägt

Die Getreuen des Hundsmanns

Der Hundsmann – Oberhaupt der Nordmänner, die auf Sei-ten der Union kämpfen. Ein alter Weggefährte des Blutigen Neuners, einst ein enger Freund des Schwarzen Dow, doch längst sein erbitterter Feind

Rotkapp – Hundsmanns Stellvertreter, trägt gewöhnlich eine rote Kapuze

Hartbrot – ein namhafter Mann mit viel Erfahrung, führt ein Dutzend für den Hundsmann

Rotkrähe – einer von Hartbrots Carls

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DIE NORDMÄNNER

Auf und um Skarlings Thron

Der Schwarze Dow – der Bewahrer des Nordens, oder auch der Dieb des Nordens, je nach Sichtweise

Spaltfuß  – sein Stellvertreter  – sprich, sein oberster Leib-wächter und Arschkriecher

Ischri – seine Beraterin, eine Zauberkundige aus den Wüsten des Südens und erklärte Feindin von Bayaz

Caul Espe – ein narbiger namhafter Mann mit einem Metall-auge, den einige den Hund des Schwarzen Dow nennen

Curnden Kropf – ein namhafter Mann, der allgemein als auf-recht betrachtet wird, einst der Stellvertreter von Rudd Drei-baum, später ein enger Vertrauter von Bethod, führt nun ein Dutzend für den Schwarzen Dow

Herrlich – seine duldsame StellvertreterinWhirrun von Blei – ein berühmter Held aus dem äußersten

Norden, der den Vater der Schwerter schwingt. Auch Knack-nuss genannt, da es heißt, er habe einen Sprung in der Schüssel

Yon Cumber Fröhlich, Brack-i-Dayn, Zehenspitzen-Scorry, Agrick, Athroc und Drofd  – gehören ebenfalls zu Kropfs Dutzend

Scales Leute

Scale – Bethods ältester Sohn, inzwischen der am wenigsten einflussreiche von Dows fünf Anführern, stark wie ein Och-se, mutig wie ein Ochse und mit etwa genauso viel Hirn

Schneebleich – zählte früher zu Bethods Anführern, nun Sca-les Stellvertreter

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Hansul Weißauge – ein namhafter Mann mit einem blinden Auge, einst Bethods Herold

»Prinz« Calder – Bethods jüngster Sohn, berüchtigt für seine Feigheit und seine Ränke, augenblicklich im Exil, da er es wagte, Friedensverhandlungen vorzuschlagen

Seff – seine schwangere Frau, die Tochter von Caul ReichelGründig und Hohl – zwei Mörder, die in der Hoffnung über

Calder wachen, dadurch zu Geld zu kommen

Caul Reichels Leute

Caul Reichel – einer von Dows fünf Anführern, ein ältlicher Kämpe, für seine Ehrbarkeit berühmt, der Schwiegervater von Calder

Brydian Flut – ein namhafter Mann, zählte früher zu Kropfs Dutzend

Beck – ein junger Bauer, den es nach Ruhm auf dem Schlacht-feld dürstet, der Sohn von Schama Ohnherz

Reft, Colving, Stodder und Brait – einige andere Jungen, die zusammen mit Beck zum Heer eingezogen wurden

Glama Goldings Männer

Glama Golding – einer von Dows fünf Anführern, unerträglich eitel, führt eine Fehde gegen Cairm Eisenkopf

Sutt Brüchig – ein für seine Gier berüchtigter NordmannLeichtschlaf – ein Carl in Goldings Diensten

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Cairm Eisenkopfs Männer

Cairm Eisenkopf – einer von Dows fünf Anführern, berüchtigt für seine Sturheit, führt eine Fehde gegen Glama Golding

Irig – ein schlecht gelaunter AxtkämpferHitzkopf – ein stets fluchender Bogenschütze

Andere

Brodd Zehnweg – der treueste von Dows fünf Anführern, häss-lich wie nur irgendwas

Fremder-klopf-an – ein riesiger Wilder, besessen von der Zi-vilisation, Häuptling aller Lande östlich der Crinna

Wieder zu Schlamm geworden (sprich: tot)

Bethod  – der erste König der Nordmänner, Vater von Scale und Calder

Skarling Ohnekapp – ein legendärer Held, der einst den Nor-den im Kampf gegen die Union vereinte

Der Blutige Neuner (eigentlich Neunfinger-Logen; gilt als tot) – einst Bethods Kämpe, der meistgefürchtete Mann im Norden und kurzzeitig König der Nordmänner, bevor der Schwarze Dow ihn um die Ecke brachte

Rudd Dreibaum – der für seine Ehrbarkeit berühmte Häupt-ling von Uffrith, der gegen Bethod kämpfte und einen Zwei-kampf gegen den Blutigen Neuner verlor

Schama Ohnherz – Becks Vater, ein berühmter Kämpe, den der Blutige Neuner tötete

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vor der scHlAcHT

»unglücklich das land,das Helden nötig hat.«

berTolT brecHT

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Andere ZeiTen

Ich bin zu alt für diesen Scheiß«, brummte Kropf und verzog das Gesicht bei jedem Schritt, der ihm einen Stich durch das schlimme Knie schickte. Höchste Zeit, dass er sich zur

Ruhe setzte. Allerhöchste Zeit. Um sich mit einer Pfeife hinters Haus zu hocken und in der Gewissheit, sein Tagewerk erledigt zu haben, lächelnd aufs Wasser zu blicken, während die Son-ne unterging. Nicht, dass er ein Haus gehabt hätte. Aber wenn er einmal eins haben sollte, dann würde es ein gutes sein.

Er fand ein Schlupfloch in der eingesunkenen Mauer, und sein Herz klopfte wie der Hammer eines Zimmermanns. Vom langen Erklimmen des steilen Abhangs, dem wilden Gras, das sich um seine Stiefel krallte, und dem angriffslustigen Wind, der immer wieder versuchte, ihn umzuwerfen. Aber wenn er ehrlich war, dann klopfte es vor allem deswegen, weil er fürch-tete, oben auf der Spitze des Hügels umgebracht zu werden. Er hatte nie behauptet, besonders tapfer zu sein, und mit fort-schreitendem Alter war er immer ängstlicher geworden. Selt-same Sache, das – je weniger Jahre man noch zu verlieren hat, desto mehr hängt man an ihnen. Vielleicht wird ein Mann einfach mit einer gewissen Portion Mut geboren, und bei jeder Klemme, in die er gerät, geht ihm etwas davon abhanden.

Kropf hatte in so mancher Klemme gesteckt. Und es sah ganz danach aus, als sollte das hier die nächste werden.

Er rang kurz nach Atem, als er endlich ebenes Gelände erreichte, beugte sich vornüber und wischte die Tränen weg,

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die ihm der scharfe Wind in die Augen getrieben hatte. Die Helden ragten vor ihm in der Dunkelheit auf, dunkle Löcher im nächtlichen Himmel, in denen keine Sterne leuchteten, viermal mannshoch oder mehr. Vergessene Riesen, gestrandet auf ihrer Bergkuppe im beißenden Wind. Die stur hier Wache hielten, obwohl es nichts zu bewachen gab.

Kropf fragte sich unwillkürlich, wie viel eine dieser großen Steinplatten wohl wiegen mochte. Nur die Toten wussten, wie man einst diese verdammt riesigen Teile hier heraufgeschafft hatte. Oder wer es gewesen war. Die Toten verrieten jedoch nichts, und Kropf hatte nicht die Absicht, sich zu ihnen zu gesellen, nur um das herauszufinden.

Erst jetzt sah er den ganz schwachen Feuerschein, der die Ränder der Steine leicht rot färbte. Hörte Männerstimmen über das langgezogene Knurren des Windes schwatzen. Das machte ihm erneut bewusst, in welche Gefahr er sich begab, und eine neuerliche Welle der Angst überspülte ihn. Aber Angst ist eine gesunde Empfindung, solange sie einen zum Nachdenken bringt. Das hatte Rudd Dreibaum ihm gesagt, vor langer Zeit. Er hatte über die Sache nachgedacht, und er wusste, dass er das Richtige tat. Oder zumindest das am wenigsten Falsche. Und das ist manchmal das Beste, was man sich erhoffen kann. Es schien immer öfter der Fall zu sein, je mehr Jahre vergingen.

Also holte er tief Luft, versuchte sich daran zu erinnern, wie er sich früher gefühlt hatte, als seine Gelenke noch nicht so knackten und ihm alles scheißegal zu sein pflegte, wählte auf gut Glück eine Lücke zwischen zweien der alten, großen Stei-ne und schlenderte hindurch.

Vielleicht war das einmal ein heiliger Ort gewesen, in ural-ter Zeit, und womöglich ruhte hohe Magie in den Steinen, so dass es ein schweres Verbrechen war, uneingeladen in diesen Kreis zu treten. Aber falls sich irgendwelche alten Götter ge-

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stört fühlten, dann hatten sie wohl keine Möglichkeit, es ihm zu zeigen. Der Wind erstarb mit einem traurigen Seufzen, und das war alles. An Magie herrschte allgemein ein ziemlicher Mangel, und allzu viele geheiligte Dinge gab es auch nicht mehr. So waren die Zeiten nun einmal.

Das Licht zuckte über die Innenseiten der Helden, blasses Orange wanderte über zernarbten Stein, fleckig mit Moos be-wachsen und von alten Brombeerranken, Brennnesseln und in Saat geschossenen Gräsern umringt. Ein Monolith war in der Hälfte abgebrochen, einige weitere im Laufe der Jahrhunderte umgestürzt; sie hatten Lücken hinterlassen, die sich wie feh-lende Zähne im Grinsen eines Todesschädels ausnahmen.

Kropf zählte acht Männer, die sich eng in geflickte Umhänge, abgetragene Mäntel und zerlumpte Decken gewickelt hatten und um ihr windgeducktes Lagerfeuer saßen. Feuerschein fla-ckerte über hagere, vernarbte, stopplige und bärtige Gesichter. Funkelte auf den Rändern ihrer Schilde, den Klingen ihrer Waf-fen. Vielen Waffen. Zwar waren die Kerle größtenteils ein Gut-teil jünger, aber sie sahen kaum anders aus als Kropfs eigene Leute. Vielleicht waren sie auch kaum anders. Einen kurzen Augenblick glaubte er sogar, in einem der Männer, der ihm das Gesicht seitlich zuwandte, Jutlan zu erkennen. Ein Blitz der Er-innerung durchzuckte ihn, und ums Haar wäre ein lauter Gruß über seine Lippen gekommen. Doch dann fiel ihm wieder ein, dass Jutlan schon zwölf Jahre unter der Erde lag, und dass er selbst die Worte an seinem Grab gesprochen hatte.

Vielleicht gab es ja nur eine begrenzte Anzahl von Gesich-tern auf der Welt. Und wenn man alt genug geworden war, dann sah man halt die gebrauchten wieder.

Kropf schüttelte den Gedanken ab und hob die Hände, die Handflächen offen und ausgestreckt, wobei er sich alle Mühe geben musste, damit sie nicht zitterten. »Einen schönen Abend!«

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Die Gesichter schossen zu ihm herum. Hände griffen has-tig  zu den Waffen. Ein Mann riss einen Bogen hoch, und Kropf  fühlte, wie ihm das Herz in die Hosen rutschte, aber noch bevor der andere die Sehne ausziehen konnte, streck-te sein Nachbar den Arm aus und drückte die Waffe wieder herunter.

»Na, langsam, Rotkrähe.« Der Sprecher war ein alter, kräfti-ger Kerl mit langem, verfilztem grauem Bart, dem ein nacktes Schwert hell funkelnd und einsatzbereit über den Knien lag. Kropf schenkte ihm ein seltenes Grinsen, denn dieses Gesicht kannte er tatsächlich, und das verbesserte seine Chancen er-heblich.

Der andere hieß Hartbrot, und er war ein namhafter Mann vom alten Schlag. Kropf und er hatten über die Jahre bei ei-nigen Schlachten auf derselben Seite gestanden, bei ein paar anderen auch auf verschiedenen. Aber er hatte einen sehr an-ständigen Ruf. Ein erfahrener Kämpe, von dem man erwarten konnte, dass er über die Dinge nachdachte; keiner von denen, die erst töten und dann Fragen stellen, was heutzutage immer mehr in Mode kam. Außerdem sah es so aus, als sei er der Häuptling dieser Truppe, denn der Kerl, den er Rotkrähe ge-nannt hatte, ließ den Bogen brummend sinken, wie Kropf zu seiner Erleichterung feststellte. Wenn es nach ihm ging, würde es heute Abend keine Toten geben, und er schämte sich nicht zu sagen, dass er doppelt froh sein würde, wenn er selbst ver-schont blieb.

Doch noch lagen einige Stunden Dunkelheit vor ihm, und jede Menge Stahl.

»Bei den Toten.« Hartbrot saß so still da, als sei er ebenso aus Stein wie die Helden, aber sein Verstand machte zweifels-ohne gerade große Sprünge. »Wenn ich mich nicht sehr irre, dann ist gerade Curnden Kropf aus der Nacht gestiegen.«

»Du irrst dich nicht.« Kropf machte einige langsame Schritte

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nach vorn, die Hände noch immer hoch erhoben, und tat sein Bestes, trotz der acht unfreundlichen Augenpaare, die auf ihm lasteten, entspannt auszusehen.

»Du bist ein wenig grauer geworden, Kropf.«»Du aber auch, Hartbrot.«»Tja, du weißt ja, wie es ist. Wir haben Krieg.« Der alte

Kämpe tätschelte sich den Bauch. »Da spielen meine Nerven verrückt.«

»Im Vertrauen gesprochen, meine auch.«»Wer will schon Soldat werden?«»Verdammt harter Beruf.«»Habe gehört, dass du für den Schwarzen Dow kämpfst, du

und dein Dutzend.«»Ich versuche, so wenig zu kämpfen wie möglich, aber du

liegst richtig in der Frage, für wen wir streiten. Dow zahlt für meinen Haferbrei.«

»Ich liebe Haferbrei.« Hartbrots Augen glitten zum Feuer hinunter, und er stocherte gedankenverloren mit einem Zweig in der Glut. »Meinen zahlt heutzutage die Union.« Seine Jungs waren unruhig – Zungen fuhren schnell über Lippen, Finger kitzelten Waffen, Augen glänzten im Feuerschein. Wie Zu-schauer bei einem Duell, die gespannt die Eröffnung verfol-gen und zu erkennen versuchen, wer die Oberhand gewinnen wird. Hartbrot hob wieder den Blick. »Damit wären wir wohl auf gegnerischen Seiten.«

»Aber wollen wir zulassen, dass uns diese Kleinigkeit eine höfliche Unterhaltung verdirbt?«, fragte Kropf.

Als sei das Wörtchen »höflich« schon allein eine Beleidigung, fuhr Rotkrähe wieder auf. »Lasst uns das Arschloch doch ein-fach massakrieren!«

Hartbrot wandte sich langsam zu ihm um, das Gesicht ab-fällig verzogen. »Falls das Unmögliche geschieht und ich das Bedürfnis verspüren sollte, dich um deine Meinung zu fragen,

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Joe Abercrombie

HeldenklingenRoman

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Paperback, Broschur, 896 Seiten, 13,5 x 20,6 cm5 s/w AbbildungenISBN: 978-3-453-52523-8

Heyne

Erscheinungstermin: August 2011

Es herrscht Krieg. In einem unbedeutenden Tal entscheidet sich das Schicksal der Nordlande,und drei Männer kämpfen sich durch eine dreitägige, blutige Schlacht: Bremer dan Gorst, inUngnade gefallener Leibwächter des Königs der Union, Prinz Calder, machtbesessen und feige,sowie Curnden Craw, einer der letzten ehrlichen Barbaren. Drei Männer mit dunklen Seiten, dreinoch finsterere Tage voller Blut und Tod, und eines steht von Beginn an fest: Helden gibt es hierschon lange nicht mehr…