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HELIOS Hanseklinikum Stralsund 30 Jahre Forensische Psychiatrie und Psychotherapie Festschrift

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HELIOS Hanseklinikum Stralsund

30 Jahre Forensische Psychiatrie und PsychotherapieFestschrift

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Forensische Psychiatrie im Zeitenwandel 4

Historische Entwicklung der Forensischen Psychiatrie in Stralsund 10

Psychologen 16

Pflege 18

Sicherheit 21

Sozialarbeit 22

Ergotherapie 26

Arbeitstherapie 29

Sporttherapie 30

Tanz-, Bewegungs- und Musiktherapie 32

Schulprojekt 34

Die Forensische Instituts- ambulanz (FIA) – eine wichtige Säule der Nachsorgearbeit 36

Inhalt

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30 Jahre Maßregelvollzug am Standort Stralsund

Anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am HELIOS Hanseklinikum Stralsund schauen wir auf drei Jahrzehnte der Entwicklung zurück, gleichzeitig geht unser Blick nach vorne, um uns auf der Basis langjähriger Erfahrungen, das Bewährte erhaltend und den zukünftigen Bedürfnissen entsprechend, weiterzuentwickeln. Unser

Auftrag dient der Hilfe und Besserung der untergebrachten Menschen mit psychischen Krankheiten sowie gleichzeitig dem Schutz der Allgemeinheit vor psychisch kranken und suchtkranken Tätern, von denen noch die Gefahr erneuter schwerer Straftaten ausgeht. Wir sehen den Menschen mit psychischen Krankheiten als unantastbare Ganzheit mit seinen leiblichen, sozialen und seelischen Bezügen. Es geht um einen respekt-, vertrau-ens- und verständnisvollen Umgang auf Augenhöhe unter Berücksichtigung der

individuellen Besonderheiten mit dem Ziel, Hoffnung und Möglichkeiten zur individu-ellen Bewältigung anzubieten. Wir gehen davon aus, dass sich jeder Mensch weiterent-wickeln und positiv verändern kann.

Die Klinik eröffnete am 15. Juli 1987 zunächst in einer ehemaligen Einrichtung der allgemei-nen Psychiatrie am damaligen Bezirkskran-kenhaus Stralsund, ehe am 25. Juli 1990 das rekonstruierte ehemalige Verwahrungshaus "auf dem Berg" des Krankenhauses West bezo-gen werden konnte. Mit dem Beitritt der neuen Bundesländer zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 werden an diesem ersten Standort in Mecklenburg-Vor-pommern Maßregeln der Besserung und Sicherung vollzogen. Zwischen den Jahren 1996 bis 2000 wurde die Klinik umfassend modernisiert, räumlich erweitert und die Sicherheitsvorkehrungen deutlich erhöht.

Sicherheit gewährleistete aber auch das stets um Aktualität und Modernität bemühte Behandlungskonzept. Unter der langjährigen, erfolgreichen Leitung des vormaligen Chef-arztes, Dr. Dr. Michael Gillner, war einer der Schwerpunkte der Aufbau einer effektiven forensischen Rehabilitation und Nachsorge; hier war Stralsund in den 1990er Jahren vom Bund geförderter Modellstandort in den neuen Bundesländern. Folgerichtig erfolgte im Jahre 2001 die Errichtung einer weniger gesicherten kliniknahen Station und die

Etablierung von Trainingswohnungen im Stadtgebiet Stralsund. So entstand eine auf den Behandlungsstand der Untergebrachten abgestimmte, sehr sinnvolle und verantwor-tungsvolle, stufenweise Rehabilitationsabfol-ge, welche bis heute eine hohe zwischenfalls-freie Entlassungsquote nach langjähriger Unterbringung sichert.

Im 30. Jahr wird in Stralsund professionelle forensische Psychiatrie als multiprofessionelle Teamarbeit praktiziert, wobei der Nach-wuchsgewinnung dabei ein besonderer Stellenwert zukommt. Alle Mitarbeiter mit Leitungsfunktion innerhalb der Klinik tragen maßgeblich mit ihrem Führungsverhalten dazu bei, dass Teamarbeit und Behandlungs-prozesse gelingen können. Eine Führungs-kraft zeichnet sich durch Glaubwürdigkeit, Integrität, Wertschätzung und Authentizität aus. Engagement, Selbstverantwortung, Loyalität und Klarheit in der Kommunikation bilden die Basis für eine erfolgreiche Team-führung, Teamarbeit und Teamentwicklung. Voraussetzung für Erfolg ist, dass die grund-legenden Fachkenntnisse vorhanden sind, Interesse an Neuem sowie an Professionalisie-rung besteht und das Potenzial aller genutzt wird. Regelmäßige Supervisionen, Teamcoa-chings und Fortbildungen dienen der Quali-tätssicherung und Selbstfürsorge. Wir verste-hen sie als einen festen Bestandteil in der Teamarbeit. Regelmäßige fachübergreifende Fortbildungen dienen dazu, mit anderen

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Forensische Psychiatrie im Zeitenwandel

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In der Rückschau herauszuheben ist ebenso die mehr als 20-jährige Arbeit des Klinikbeirates als Vertreter einer kritischen Öffentlichkeit. Hier erfolgte eine Reflektion des Alltags und der Entwicklungen mit interessierten Laien aus Politik, Wirtschaft und Kirche sowie den Anwohnern der Klinik. In den vergangenen Jahren haben wir zudem die Einbeziehung der Angehörigen der Menschen mit psychischen Krankheiten stärker in den Fokus gestellt. Im Mai 2016 luden die Mitarbeiter der Klinik erstmals zu einem Angehörigentag ins Innere des Maßregelvollzuges ein und 25 Familien-mitglieder von Patienten – Eltern, Großeltern und Geschwister – haben diese Gelegenheit genutzt. Nach einer Einführung und allgemei-nen Informationen erhielten die Angehörigen Einblicke in die Wohn- sowie Lebensbereiche und verschiedene Therapieformen, um eine konkretere Vorstellung über die Abläufe in der Klinik zu bekommen. Dabei fand sich in entspannter Atmosphäre Raum für viele Fragen der Angehörigen. Der Angehörigentag soll zu einem jährlich wiederkehrenden Baustein bei den Bemühungen werden, mehr Transparenz in die „Black Box“ Maßregelvoll-zug zu bringen. Ebenso wertvoll sind aber auch die Motivationsarbeit der Angehörigen und ihre prosoziale Unterstützung bei einer zukünftigen Rehabilitation.

Neue motivierende Erfahrungen sammelten die teilnehmenden Patienten ebenso in den beiden Theaterprojekten unserer Klinik unter Leitung von Dr. Franz Triebenecker in Kopro-duktion mit dem Kreisdiakonischen Werk e.V., der Aktion Mensch und der DAMP Stiftung. Die Theaterinszenierung „DIE SIEBEN TODSÜNDEN – Marquis de Sade erzählt“ stieß 2015 durchgängig auf ein sehr positives Echo und wurde an mehreren Spielorten, so auch in Rostock aufgeführt. Im Frühjahr 2017 erfolgte die Premiere des zweiten Theaterstücks unter dem Titel „Aa-rons Schweigen“, eine Reflektion der Thema-tik der zehn Gebote. Die laufende wissen-schaftliche Begleitforschung und Vorbereitung einer Publikation zum Thema wurde durch die HELIOS Forschungsförderung ermöglicht. Theatertherapie und andere Kreativtherapien erweisen sich als selbstwertstabilisierend und effektiv beim Abbau von motivationshem-mender Stigmatisierung.

Im 30. Jahr gestalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Berufsgruppen in Stralsund heute unter ministerieller Fachaufsicht einen effizienten Maßregelvollzug entsprechend dem gesetzlichen Auftrag. Im Juli 2016 trat in Mecklenburg-Vorpommern ein neues Psy-chischkrankengesetz in Kraft. In einem

Berufsgruppen ins Gespräch zu kommen und den Blickwinkel zu erweitern. Hier besteht auch eine sehr gute gewachsene Kooperation mit den anderen psychiatrischen Kliniken am Standort Krankenhaus West.

Der therapeutische Prozess im Maßregelvoll-zug beinhaltet heute eine individuelle Be-handlung, Rehabilitation und Nachsorge der Patienten, verbunden mit einem professio-nellen Risikomanagement. Dabei waren und sind nach unserem Leitbild die Arbeit an und in der Beziehung für uns von zentraler Bedeutung, die Begegnung im Respekt vor dem Menschen, diesen in seiner Persönlich-keit ernst nehmend. Im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen die untergebrachten Menschen mit psychischen Krankheiten. Wir betrachten diese als Patienten. Es gilt, ihre sozialen Kompetenzen zu erhalten und zu fördern, unabhängig ihrer Lebensgeschichte, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Herkunft oder Religion, ihrer individuellen Delinquenz sowie ihrer momentanen sozialen Stellung. Wir respektieren im Rahmen unserer Verant-wortung die persönlichen Entscheidungen der Patienten bei ärztlichen, therapeutischen, pflegerischen, sozialtherapeutischen, ergo-, arbeits-, sport- und tanztherapeutischen Maßnahmen. Wir nehmen die Krankheitsbe-

schwerden mit ihren Folgen für den Alltag der Patienten ernst, stärken ihre Ressourcen, unterstützen sie bei der Bewältigung der Erkrankungen und fördern so ihre Rehabilita-tion in die Gesellschaft. Der Beziehungsarbeit kommt dabei eine zentrale Rolle zu.

Bedeutsam für die Rehabilitation ist gleichsam die hinreichende Vernetzung des Maßregelvoll-zugs mit den regionalen psychiatrischen Kliniken, psychosozialen Einrichtungen, freien Trägern und Nachsorgeeinrichtungen. So konnte beispielhaft vor Ort in Zusammenarbeit mit dem für Gesundheit zuständigen Ministe-rium ein Kooperationsvertrag zwischen den Stralsunder Werkstätten und der Klinik über die Rahmenbedingungen abgeschlossen werden, der forensischen Patienten mit einem eingeschränkten Leistungsvermögen die Teilhabe an einer beruflichen und sozialen Rehabilitation sicherstellt. Angesichts einer zunehmenden Zahl der Unterbringungen von Patienten mit erheblichen Leistungsdefiziten durch psychotische Erkrankungen bzw. intellektuelle Handicaps stellen die Werkstät-ten für behinderte Menschen eine maßgebliche berufliche Integrationsmöglichkeit dar, für die jedoch eine Erprobung aus der Klinik heraus aus kriminalprognostischer Hinsicht unver-zichtbar bleibt.

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Sonderabschnitt ist hier auch der Vollzug der strafrechtlichen Unterbringungen geregelt, der die Patienten befähigen soll, unter Ge-währleistung des Schutzes der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen rechtswidrigen Taten ein in die Gemeinschaft eingegliedertes Leben zu führen. Neu geregelt wurden u.a. die Beleihung von Kliniken privater Träger zur Durchführung dieser hoheitlichen Aufgabe und die persönlichen Ermächtigungen der ärztlichen Leitung, der Pflegedienstleitung und der für die Sicherheit Verantwortlichen durch einen ministeriellen Verwaltungsakt. Bedeutsam für die tägliche therapeutische Arbeit ist ebenso, dass das Gesetz in sehr eng beschränkten Einzelfällen nun die Möglich-keit zur Durchführung einer Zwangsmedika-tion in der Forensischen Psychiatrie regelt. Am 1. August 2016 ist zudem das „Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vollstreckungsvorschriften“ in Kraft getreten.

Konkretisierungen gab es vor allem hinsicht-lich einer Anhebung und Konkretisierung bei den Anordnungsvoraussetzungen nach § 63 StGB, Konkretisierungen aber auch bei den Anforderungen an die Fortdauer der Unter-

bringung über sechs und zehn Jahre hinaus. Eine Fortdauer der Unterbringung über sechs Jahre ist nun grundsätzlich nur noch möglich, wenn Taten drohen, durch die die Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren seelischen oder körperlichen Schädigung gebracht werden. Eine Fortdauer über zehn Jahre ist nur noch bei der Gefahr von Taten möglich, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Zudem regelt das Gesetz eine Erhöhung der Frequenz für externe Gutachten von fünf auf drei Jahre und für Unterbringungen ab sechs Jahren auf zwei Jahre.

In den nächsten Jahren wird abzuwarten bleiben, ob und in welchem Umfang die vom Gesetzgeber gewünschte Reduzierung der Unterbringungszahlen bzw. der Unterbrin-gungsdauer eintreten wird. Auch wenn sich der gesetzliche Rahmen und die Formen der Versorgung von Menschen mit psychischen Krankheiten und gleichzeitiger Straffälligkeit immer wieder ändern bzw. gesellschaftlich neu verhandelt werden, bleiben die Aufgaben einer angemessenen sowie effektiven Versor-gung einerseits und der Schutz der Allge-meinheit anderer seits auch in Zukunft grundsätzlich bestehen. Somit wird es her-

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nach um die Entwicklung moderner, an Leitlinien und Effizienz orientierten sowie differenzierten geschlossenen und offenen Behandlungskonzepte gehen. Eine gut vorbereitete Entlassung in einen geeigneten sozialen Entlassungsraum mit einem hilf-reichen und kontrollierenden Nachsorgekon-zept ist das Beste, was der Maßregelvollzug leisten kann.

Dr. med. Stefan OrlobChefarzt

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Das Fachgebiet Forensische Psychiatrie kann in Stralsund klinisch auf eine über 100-jährige Geschichte zurückblicken. Bereits in die Planungen für den Bau der 1912 eröffneten IV. Pommerschen Provinzial-Heilanstalt in Stralsund wurde die Errichtung eines speziell gesicherten Hauses zur Aufnahme von 50 besonders gefährlichen und kriminellen Geisteskranken, eines sogenannten Bewah-rungshauses, einbezogen. Hintergrund waren die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-derts bestehenden Schwierigkeiten bei der Unterbringung der steigenden Zahl aufgrund ärztlicher Sachverständigengutachten unzu-rechnungsfähig freigesprochener, aber als gemeingefährlich eingestufter Täter, die auf Grundlage des Polizeiverwaltungsgesetzes bis dahin auch in der Provinz Pommern in die ohnehin überbelegten öffentlichen Irrenan-stalten gelangten, in denen praktisch eine sichere Verwahrung nicht gewährleistet war.Der Klinikbau war technisch und personell durch einen hohen Sicherheitsstandard geprägt (Abb. 1). Neben einer 4,50 Meter hohen Betonmauer fanden sich im Gebäude

starke Zellen, Gitter, Alarmtüren und Alarmsi-gnale. Unter therapeutischen Gesichtspunkten wurden auch hier Arbeitsmöglichkeiten eingerichtet.

Als bedeutsam ist das Inkrafttreten des Gesetzes gegen gefährliche Gewohnheitsver-brecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung am 1. Januar 1934 als Ab-schluss einer jahrzehntelangen Diskussion um die Reform des Strafrechts zu betrachten, das die bis dahin gültigen Polizeiverwaltungsge-setze ablöste und in seinen Grundzügen in der Bundesrepublik bis heute Gültigkeit hat. Zurechnungsunfähige bzw. in ihrer Zurech-nungsfähigkeit erheblich geminderte psy-chisch kranke Rechtsbrecher konnten auf dieser Grundlage in einer Psychiatrischen Anstalt untergebracht werden, wobei neben der Einführung der Zweispurigkeit des Strafrechts insgesamt auch die Berücksichti-gung der verminderten Zurechnungsfähigkeit eine wichtige Neuerung darstellte. Unabhän-gig davon begann mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten eines der

düstersten Kapitel deutscher Psychiatriege-schichte, das seinen grausamen Höhepunkt in der Tötung von etwa 300.000 kranken und behinderten Menschen fand, wovon foren-sische Patienten als doppelt stigmatisierte Gruppe auch in Stralsund zuallererst betrof-fen waren. Im Zuge der geplanten Schließung der Anstalt zur Umnutzung als SS-Kaserne und der damit verbundenen Deportation von mehr als 1.000 Kranken gehörten Ende 1939 alle Insassen des Festen Hauses zum ersten von drei Transporten mit insgesamt 300 Patienten der Anstalt, die noch vor Anlaufen der zentralen „Aktion T4“ in einen Wald bei Groß-Piasnitz/Pia nica auf polnischem Boden von einem SS-Kommando erschossen wurden.

Erst 1953 wurde auf dem ehemaligen Anstalts-gelände wieder ein psychiatrischer Bereich eingerichtet. Eine spezielle forensisch-psychiat-

rische Abteilung gehörte zunächst nicht zur Klinik, die ab 1958 offiziell „Bezirkskrankenhaus Stralsund West“ hieß, und war in den frühen Profilierungsplänen auch nicht vorgesehen. Erst 1987 wurde im Rahmen der Fächerdifferenzie-rung eine eigenständige Klinik für Forensische Psychiatrie als eine der wenigen eigenständigen Abteilungen in der DDR eröffnet.

Bis dahin wurden die Patienten im geschlos-senen Bereich der Psychiatrischen Klinik insbesondere auf den Stationen P 4 und P 5 (Männer) und P 9 (Frauen) gemeinsam mit akut und chronisch Kranken, psychiatrischen Pflegefällen sowie zivilrechtlich Unterge-brachten gemeinsam und aufgrund der anhaltenden Überbelegung in einer ausge-sprochenen räumlichen Enge untergebracht. Mit der Strafrechtsreform in der DDR im Jahre 1968 wurde mit den §§ 15, 16 StGB (DDR) in

Historische Entwicklung der Forensischen Psychiatrie in Stralsund

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Verbindung mit § 11 des Einweisungsgesetzes der DDR eine neue Rechtsgrundlage für die strafrechtlichen Unterbringungen geschaffen.In Vorbereitung der Eröffnung einer Klinik zur eigenständigen Versorgung psychisch kranker Rechtsbrecher reisten der ärztliche Direktor des Krankenhauses und der Chefarzt der Psychiatrischen Klinik 1985 zur Hospitati-on ins sächsische Waldheim, wo bereits eine entsprechende Einrichtung existierte, deren Zustände jedoch zu deutlicher Ernüchterung führten. Im Ergebnis wurde u.a. entschieden, das ehemalige „Verwahrungshaus“ für die zukünftige Klinik für Forensische Psychiatrie zu nutzen und damit wieder seiner früheren Bestimmung zuzuführen.

Im Januar 1987 wurde der psychiatrisch und juristisch ausgebildete Dr. Dr. Michael Gillner als Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie Stralsund eingestellt und am 15. Juli 1987 offiziell durch den Kreisarzt berufen. Seine Arbeit musste er zunächst allein mit einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie noch in den bestehenden ungünstigen Strukturen mit der oben genannten inhomogenen Gruppe von 99 Patienten in einer trotz Bettenreduktion erdrückenden Enge aufnehmen (Abb. 2).

Daneben galt es, die Planungen und das Baugeschehen für das zukünftige Klinikge-bäude, dass zwischen 1988 und 1990 umfas-

send rekonstruiert wurde, zu gestalten und zu begleiten. Noch bevor das Gebäude (Abb. 3) am 25. Juli 1990 als eigenständige Klinik feierlich über geben und in Betrieb genommen werden konnte, kam es durch die politische Wende in der ehemaligen DDR zu einem gesellschaftspolitischen Wandel. Dies führte auch dazu, dass sich die inzwischen gemein-sam auf der Station P 4 untergebrachten psychisch kranken Rechtsbrecher Ende 1989 mit Beschwerden an den Stralsunder Gerech-tigkeitsausschuss wandten und vermeintliche Missstände beklagten. Die öffentlichen Überprüfungen ergaben jedoch, dass die Behandlung auch der gerichtlich unterge-brachten Patienten beanstandungsfrei war.

In der Folge kam es zu Änderungen der juristischen Rahmenbedingungen. Mit der Wie-dervereinigung galt nach dem 3. Oktober 1990 bundesdeutsches Recht, was bedeutete, dass die Maßregeln wieder eingeführt und die Täter entsprechend der Beurteilung hinsichtlich ihrer Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB nach den §§ 63 und 64 StGB, in einem psychiatrischen Krankenhaus bzw. in einer Entziehungsanstalt untergebracht wurden. Die Klinik, die seiner-zeit in zwei Stationen (23 bzw. 33 Patienten) und vier Zellen für Begutachtungsfälle geglie-dert und insbesondere mit Räumlichkeiten für Beschäftigungs- und Arbeitstherapie ausgestat-tet war, fungierte als erste und zunächst einzige Maßregelvollzugsklinik im neuen

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Bundesland Mecklenburg-Vorpommern bis später die Standorte Ueckermünde (1995; für § 63 StGB) und Rostock (2001; für § 64 StGB) hinzu kamen.

Dabei waren zunächst weiterhin psychisch und suchtkranke Rechtsbrecher gemeinsam untergebracht, auf Grund der Größe der Stationen konnte keine Differenzierung etwa nach Diagnose oder Delikt erfolgen. Die Unterbringung der Patienten auf relativ großen Stationen war nicht mehr zeitgemäß, eine Erweiterung der therapeutischen Angebote war notwendig und es bestand ein perma-nenter Aufnahmedruck. Im Zuge dessen wurde ein neues Bettenhaus (Abb. 4 und 5) gebaut, in dem die Patienten nun in Wohn-gruppen untergebracht waren, eine Werkhalle mit Tischlerei und Schlosserei entstand, Besucherräume und eine Wache. Auch der nunmehrige „Altbau“ wurde nochmals umfassend rekonstruiert. Diese Maßnahmen waren am 29. September 2000 abgeschlossen. Angesichts des anhaltenden Aufnahmedrucks waren immer wieder innovative Konzepte gefragt, wobei es wiederholt gelang, innerhalb des Bundeslandes eine Vorreiterrolle einzuneh-men. So wurden für Patienten, die keiner hohen Sicherung mehr bedurften, sogenannte „Trainingswohnungen“ als Form des offenen Maßregelvollzuges geschaffen – eine Lösung, die sich bewährte und von 1998 bis 2007 auf vier Wohnungen im Stralsunder Stadtgebiet ausgebaut wurde.

Als Zwischenschritt von der geschlossenen Unterbringung zum offenen Maßregelvoll-zug konnte 2001 eine Rehabilitationsstation vor den Mauern der Klinik in Betrieb genom-men werden (Abb. 6), die noch heute ein Alleinstellungmerkmal im Maßregelvollzug Mecklenburg-Vorpommerns darstellt. Zudem wurde mit dem Ziel einer gelingenden Rehabilitation nach der Entlassung aus der Klinik bereits 1987 eine forensische Sprech-stunde eingerichtet, die später in das von 1994 bis 1996 vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderte Modellprojekt „Forensische Nachsorge“ als Vorläufer der heutigen Forensische Institutsambulanz mündete.

Im Sommer 2013 gab Dr. Gillner, der die Klinik bis dahin maßgeblich geprägt hatte, seine Verantwortlichkeit als Klinikleiter ab. Mit Dr. Stefan Orlob als früherem Oberarzt der Klinik, der sich zwischenzeitlich freiberuf-lich als Gutachter profiliert hatte, übernahm ein mit der Entwicklung Vertrauter diese Position mit der Aussicht auf eine positive Weiterentwicklung. Die Gegenwart wird allerdings durch die Pläne des Landes Meck-lenburg-Vorpommern getrübt, den offenen Maßregelvollzug als wichtiges und bewährtes Bindeglied bei der Rehabilitation ersatzlos zu schließen, wodurch insbesondere auch Arbeitsplätze von Mitarbeitern bedroht sind. Diese Entscheidung bedeutet aber auch einen tiefen Einschnitt in die erfolgreiche fachliche

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Entwicklung, die sich am Standort Stralsund über nunmehr dreißig Jahre vollzogen hat.

Rehabilitation nach der Entlassung aus der Klinik bereits 1987 eine forensische Sprechstun-de eingerichtet, die später in das von 1994 bis 1996 vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderte Modellprojekt „Forensische Nachsorge“ als Vorläufer der heutigen Foren-sische Institutsambulanz mündete. Im Sommer 2013 gab Dr. Gillner, der die Klinik bis dahin maßgeblich geprägt hatte, seine Verantwortlich-keit als Klinikleiter ab. Mit Dr. Stefan Orlob als früherem Oberarzt der Klinik, der sich zwi-schenzeitlich freiberuflich als Gutachter profi-

liert hatte, übernahm ein mit der Entwicklung Vertrauter diese Position mit der Aussicht auf eine positive Weiterentwicklung. Die Gegenwart wird allerdings durch die Pläne des Landes Mecklenburg-Vorpommern getrübt, den offenen Maßregelvollzug als wichtiges und bewährtes Bindeglied bei der Rehabilitation zu schließen.Die Umsetzung dieser Pläne würde eine deutliche Zäsur für die bisherige erfolgreiche fachliche Entwicklung am Standort Stralsund bedeuten, so dass zu hoffen bleibt, dass alterna-tive Lösungen gestaltet werden können.

Dr. med. Jan Armbruster, Dr. med. Dr. jur. Michael Gillner

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„Die Tiefen der gesunden

menschlichen Seelenwelt,

aber im Besonderen auch

die Abgründe einer kranken

Psyche, geben uns bis heute

Rätsel auf, um deren Lösung

wir uns bemühen.“

Die Rahmenbedingungen und der Ablauf der psychotherapeutischen Behandlung unterliegen der Klinikordnung für Patienten der Foren-sischen Psychiatrie Stralsund, die nach den §§ 63 StGB in einem psychiatrischen Kranken-haus untergebracht sind. Mit dem Erstgespräch werden unsere Patienten über rechtliche und organisatorische Fragen sowie über den sich daraus ergebenden Behandlungsauftrag informiert. In unserer Klinik sind Menschen mit Schizophrenie, schizotypen und wahnhaften Störungen, mit Intelligenz-, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen und Störungen der Sexualpräferenz untergebracht. Nach einer umfangreichen diagnostischen Phase arbeiten wir auf Grundlage einer intensiven Therapiepla-nung, in die auch der Patient mit seinen Wün-schen und Zielen einbezogen wird. Mithilfe der uns zur Verfügung stehenden wissenschaftlich

begründeten und überprüften Methoden geht es um die Veränderung oder zumindest Kontrolle problematischer bzw. deliktrelevanter Verhal-tensmuster, die sowohl Einstellungen, Gefühle als auch Körperreaktionen betreffen. Das Erkennen und Aktivieren von Ressourcen ist ein wichtiger Bestandteil der therapeutischen Arbeit. Neben der Einzeltherapie bieten wir gruppentherapeutische Maßnahmen an, darunter Behandlungsprogramme für Sexual-straftäter (BPS-R), Gewaltstraftäter (BIG) und für Suchterkrankte, ein psychoedukatives Angebot für Patienten mit einer Schizophrenie-Erkrankung sowie die Dialektisch-Behaviorale Therapie für Forensik-Patienten (DBT-F), sowohl für Normalbegabte als auch für Pati-enten mit Intelligenzminderung.

Im Maßregelvollzug ist eine initiale Therapie-motivation nicht immer gegeben, oberstes Ziel der ersten Sitzungen stellt daher der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung dar. Ein wertschätzender und respektvoller Umgang ist für uns von besonderer Bedeutung. Wir sehen unsere Patienten als Menschen, nicht nur als Täter und die Wahrung und Förderung ihrer Autonomie nimmt einen hohen Stellenwert ein. Dementsprechend ist unser Ziel, den Patienten vor weiteren Straftaten zu bewahren und angepasst an seine Fähigkeiten, Fertigkeiten

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Psychologenund Bedürfnisse eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu erreichen. Die einzelnen Therapieabschnitte werden im gesamten, i.d.R. mehrjährigen Unterbringungszeitraum durch die Klinik jeweils fachbezogen supervidiert (z.B. Fallkonferenzen, gutachterliche Stellungnah-men, Lockerungskonferenzen, Behandlungs-, Vollzugs- und Eingliederungspläne).

Nach ersten erarbeiteten und genehmigten Lockerungen, werden bei Erfolg weiterführende Schritte konzipiert, die später bei weiterem positiven Verlauf der Therapie in erste „rehabili-tationsvorbereitende“ Schritte übergeleitet werden können. Unsere Patienten haben dann die Möglichkeit – quasi in einer „Selbstkontroll-phase“ – die neu erworbenen Bewältigungsstra-tegien bei erhöhten Freiheitsgraden selbststän-dig zu erproben (z.B. mit gezielten alleinigen Ausgängen oder/und externen Aufgabenstel-lungen, wie externem Arbeitstraining). In der anschließenden Phase zur Vorbereitung der erwünschten psychosozialen Integration können sie das bisher Erlernte z.B. während des betreuten Wohnens oder in einer Trainings-wohnung erproben. Verläuft auch diese Phase erfolgreich, kann die Unterbringung unter Bewährungsauflagen und Führungsaufsicht beendet werden. Voraussetzung ist aber eine effiziente Umsetzung der Behandlungsverein-barung.

Das Team des psychologischen Dienstes

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Die Pflege stellt eine der größten Berufsgrup-pen in der Forensischen Klinik dar. Unsere Mitarbeiter besitzen unterschiedliche Qualifi-kationen, welche sich zusammensetzen aus: Gesundheits-und Krankenpfleger, Kranken-pflegehelfer, Heilerzieher und Pflegehelfer.

Der Einsatz bezieht sich auf fünf Stationen mit je einem Fachkoordinator. Die Zusammenar-beit erfolgt teamorientiert, multiprofessionell und interdisziplinär. Dies sind die Grund-pfeiler unseres täglichen Handelns. Entspre-chend der Unternehmensstrategie sowie unseres Leitbildes sind alle Mitarbeiter in den Vorgaben der Sicherheit und in der Arbeit mit psychisch kranken Straftätern durch Fort- und Weiterbildung hervorragend geschult.

Dadurch werden immer mehr zusätzliche therapeutische Aufgaben übernommen. Die Ausbildung zum Co-Therapeuten hat sich bewährt, welches eine Qualitätssicherung in der Pflege und ein Ausbau der Sozial-therapie durch die Pflege darstellen.

Durch unseren gesetzlichen Auftrag des Maßregelvollzugs schaffen wir für die Pati-enten eine wichtige Voraussetzung, das Gesundheitsverhalten im Alltag positiv zu beeinflussen. Seit nunmehr 30 Jahren steht der Maßregelvollzug Stralsund im Fokus der Öffentlichkeit und ist somit einer der sensi-belsten Bereiche unseres Klinikums. In den vergangenen Jahren haben wir uns immer wieder an die Gegebenheiten, aktuellen Erfordernisse und Erkenntnisse orientiert und uns in der Arbeit mit den Patienten weiterent-wickelt.

Am Anfang waren Tätigkeiten des Pflegeper-sonals überwiegend von Sicherungsaufgaben geprägt, doch heute steht ein multiprofessio-nelles therapeutisches Team den Patienten zur Seite. Es zeigt sich eine deutliche Steige-rung der qualitativen pflegerischen Anforde-rungen an die Mitarbeiter und spiegelt sich in der Zusammenarbeit aller wieder. Das Ergebnis sind die Erfolge bei der Wiederein-gliederung unserer Patienten in die Gesell-schaft.

Wir DANKEN allen Mitarbeitern in der Pflege für ihre gute geleistete Arbeit und wünschen weiter viel Kraft bei der Umsetzung der Konzepte und vor allem viel Freude bei der Arbeit.

Carena Semmler Grit BentertPflegedirektorin Bereichsleitung Pflege

Pflege

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Sicherheit im Maßregelvollzug wird in erster Linie durch den § 61 StGB definiert – Maßre-geln der Besserung und Sicherung, wobei die Besserung letzten Endes den größten Schutz für die Bevölkerung darstellt.

Die Sicherheit im Maßregelvollzug gründet sich auf ein dreistufiges Sicherheitskonzept (baulich-technisch, personell und organisato-risch) unter der Fachaufsicht des Justizmini-steriums.

Dieses Sicherheitskonzept schafft einen sichernden, aber auch schützenden Rahmen für die Therapie der psychisch kranken Rechtsbrecher.

Thomas HennigVerantwortlicher für Sicherheit

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Sicherheit

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Eine Behandlung von psychisch kranken Straftätern im Maßregelvollzug ist ein besonderes und sensibles Gebiet. Deshalb erfolgt die Behandlung ausschließlich durch Ärzte und Psychologen. Der Sozial-arbeit kommt eher eine komplementäre Rolle zu.

Lüssi (1995) hat die Tätigkeiten der Sozialarbeit, die das Eigentliche der Sozialen Arbeit ausmachen, wie folgt beschrieben:○ Beraten○ Verhandeln○ Intervenieren○ Vertreten○ Beschaffen○ Begleiten/Betreuen

Daneben gibt es jedoch auch den Beziehungs-aspekt, also die Frage, wie beide Seiten miteinander auskommen, inwieweit sie sich gegenseitig akzeptieren und annehmen. Sie lassen sich in der Feststellung „Sozialarbeit ist (immer auch) Beziehungsarbeit“ zusam-

menfassen. Ohne eine tragfähige Beziehung zwischen Sozialarbeiterin und Patient sei demnach auch keine inhaltliche Arbeit, die die eigentliche Sozialarbeit ausmache, möglich. Die Beratung, Unterstützung, Förderung und Hilfe für Patienten bei der Gestaltung ihrer Lebenssituation sei nur dann möglich, wenn es zuvor gelungen ist, die für eine gute Zusammenarbeit notwen-dige Beziehung herzustellen.

Die Soziale Arbeit findet im Maßregelvollzug während einer Unterbringung in allen Behandlungsbereichen statt.

Diese Phasen lassen sich wie folgt unterteilen:1. Aufnahmephase2. Behandlungsphase3. Erprobungs-/Resozialisierungsphase 4. Nachsorge

Diese Phasen gehen fließend ineinander über, sind nicht starr und nehmen für jeden Patienten unterschiedliche Zeiten in An-spruch.

Der Arbeitsgegenstand der Sozialarbeit in der Aufnahmephase, also der ersten Unter-bringungsphase, ist die Erhebung der Sozial-anamnese eines jeweiligen Patienten.Während der Patient mit der Aufnahme in eine Forensische Klinik ringt, bedarf es gerade in dieser Konstellation genauester Erkennt-nisse und stabilisierender Faktoren.

Hierzu gehören:○ die Klärung des sozialen Umfeldes○ die aktuelle Lebenssituation vor der

Unterbringung○ die Klärung sozialrechtlicher Ansprüche○ Schuldenklärung○ die Kontaktaufnahme zu gesetzlichen

Betreuern und Angehörigen○ die Klärung der externen Wohnungsfrage○ die Kontaktaufnahme zum ehemaligen

Arbeitgeber ○ die Motivationsarbeit

Bereits hier beginnen sozialadministrative Tätigkeiten. Dazu zählen u.a.:○ die Beratung bei Verhandlungen

mit Gläubigern○ die Klärung familienrechtlicher Frage-

stellungen (Unterhalt, Sorgerecht)○ Herstellung und Pflege von Behörden-

kontakten ○ Klärung ausländerrechtlicher Frage-

stellungen

Durch die Unterbringung in einer Foren-sischen Psychiatrie verliert ein Patient seine bisher gültigen sozialen Bezüge und Rollen, wie z.B. als Mieter oder Arbeitnehmer. Eine der vielfältigen Aufgaben des Sozialar-beiters ist es also, die Verbindung zur bishe-rigen Lebenswelt dieses Patienten wieder herzustellen und/oder aufrecht zu erhalten. Kontakte zu wichtigen Bezugspersonen wie Angehörigen und Betreuern müssen gepflegt werden. Hier begreift sich der Sozialarbeiter auch als Schnittstelle nach „Draußen“.

Neben den praktischen Notwendigkeiten wie das Auflösen der Wohnung oder Klärung der Finanz- und Versicherungsfragen, ergeben sich wichtige diagnostische Hinweise. In einer sogenannten Sozialanamnese fasst der Sozialarbeiter Informationen aus Gesprächen, Hausbesuchen und die aus den Akten gewon-nenen Erkenntnisse über psychosoziale Entwicklungen und Fähigkeiten des Patienten zusammen. Diese Sozialanamnese enthält für die Erstellung eines Behandlungsplans wichtige Inhalte und wird auch phasenüber-greifend ständig aktualisiert.

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Sozialarbeit

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Zu den sozialadministrativen Aufgaben gehören weiterhin: ○ die Schuldenregulierung und ○ die begleitende Unterstützung im Umgang

mit Behörden und der Klinikverwaltung

In Einzelfällen kann es auch zu einem weiterführenden Kompetenztraining kommen, in dem u.a. der Umgang mit Geld geübt wird.

Neben den eigentlichen Aufgaben der Sozialarbeit in einer Forensischen Psychiatrie kommen zusätzlich berufsüber-greifende Aufgaben wie:○ Teamsitzungen ○ Gruppentherapien ○ Leitungsbesprechungen ○ Fallkonferenzen ○ Visiten und ○ gerichtliche Anhörungenhinzu.

Ist der Patient in der Phase der zunehmenden Außenorientierung, unterstützt der Sozialar-beiter, indem er Hilfestellung gibt und geeignete Kontakte und Erprobungsfelder sucht und auch anbietet. Dies wären z.B. Werkstätten, Tagesstätten oder auch die Chance einer Belastungserprobung

während eines Praktikums außerhalb des Maßregelvollzuges.

Besonders in dieser Erprobungszeit wird eine schrittweise Leistungssteigerung (oder vielleicht auch Stagnation) getestet. Sie ist für den weiteren, in naher Zukunft liegenden Übergang von der stationären Unterbringung zur Übergabe in die Forensische Nachsorge und einer späteren Entlassung von großer Bedeutung.

Der Ausgangspunkt der Sozialarbeit ist vordergründig das Individuum, aber Ziel ist die Einzelperson als Mitglied der Gesellschaft. Der Aufbau einer tragfähigen Arbeitsbezie-hung zwischen Sozialarbeiter und Patient ist die entscheidende Voraussetzung und schafft somit überhaupt erst die Grundlage, auf der sich diagnostische und therapeutische Maß-nahmen entfalten können.

Andrea Buzek, Claudia WillertMitarbeiter Sozialdienst

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Unser ergotherapeutisches Team besteht aus einer Ergotherapeutin und zwei Ergothera-peuten. Zusammen arbeiten wir auf der ersten Etage im Altbau unserer Klinik. Unser Bereich verfügt über zwei große Gruppenräume, eine gut ausgestattete Therapie- und Übungs-küche, einen Tonarbeitsraum, eine kleine Werkstatt (in der auch die Fahrräder der Sporttherapie gewartet und repariert werden) und einen kleinen Raum für das Hirnleis-tungstraining.

Während aller aufgeführten Behandlungsin-halte ist unser Fokus stets auf die Beachtung der Bedürfnisse und Ressourcen unserer Patienten gerichtet und passt sich diesen fortlaufend an.

In diesem Zusammenhang ist es uns sehr wichtig, auf die ergotherapeutische Besonder-heit der Objektbeziehungsebene durch den gezielten Einsatz von Medien hinzuweisen. Hier erfolgt der Kontaktaufbau, der Kontakt-erhalt und die Motivation des Patienten einzig und allein mittels unbelebtem Material und

dient als Vorstufe zur zwischenmenschlichen Beziehungsebene, in welcher der Patient selbst Wünsche und Bedürfnisse verbalisiert.

Unsere ergotherapeutischen Maßnahmen dienen der Wiederherstellung, Entwicklung, Verbesserung, Erhaltung oder Kompensation der krankheitsbedingt gestörten psychischen, kognitiven, sensorischen und motorischen Funktionen und Fähigkeiten. Dabei bedienen wir uns komplexen aktivierenden und hand-lungsorientierten Methoden und Verfahren, bei denen adaptierte Übungsmaterialien, funktio-nelle, spielerische, gestalterische und hand-werkliche Techniken sowie lebenspraktische Übungen zum Einsatz gebracht werden. Der ergotherapeutische Handlungsbereich erstreckt sich von der ersten Befunderhebung über die ergotherapeutische Einzel-u. Gruppenbehand-lung hinaus bis zur arbeitstherapeutischen Wiedereingliederung unserer Patienten unter Berücksichtigung individueller Fähigkeiten und Fertigkeiten. Vier Bereiche stehen neben der beruflichen Wiedereingliederung durch die externe Arbeitstherapie im Vordergrund

unserer Behandlung.1. Die motorisch-funktionelle Behandlung:dient der gezielten Therapie krankheitsbe-dingter Störungen der motorischen Funkti-onen mit und ohne Beteiligung des peri-pheren Nervensystems und den daraus resultierenden Fähigkeitsstörungen.Sie umfasst den Bereich vom Abbau patholo-gischer Haltungs- und Bewegungsmuster bis hin zum Erlernen von Ersatzfunktionen.

2. Die sensomotorisch-perzeptive Behandlung:ist ausgerichtet auf die gezielte Therapie krankheitsbedingter Störungen der sensomoto-rischen und perzeptiven Funktionen mit den daraus resultierenden Fähigkeitsstörungen. Dazu gehören insbesondere die Sensibilisie-rung einzelner Sinnesfunktionen sowie die Koordination, Umsetzung und Integration von Sinnes- und Körperwahrnehmungen

3. Das Hirnleistungstraining:verfolgt die gezielte Behandlung krankheits-bedingter Störungen der neuropsycholo-gischen Hirnfunktionen, insbesondere der

kognitiven Störungen. Inhaltlich stehen die Verbesserung und der Erhalt von Konzentrati-on, Aufmerksamkeit, Handlungsplanung und Problemlösung sowie das Erlangen von Grundarbeitsfähigkeiten im Vordergrund.

4. Die psychisch-funktionelle Behandlung:umfasst die Behandlung krankheitsbedingter Störungen der psychosozialen und sozioemo-tionalen Funktionseinschränkungen und damit verbundenen Fähigkeitseinschrän-kungen. Hierzu zählen die Verbesserung und Stabilisierung von Antrieb, Motivation, Belastbarkeit, sowie Verbesserung in der Realitätsbezogenheit und Selbstständigkeit in der Tagesstrukturierung.

Therapieergänzend obliegen dem Team der Ergotherapie die Planung und Gestaltung von Festen und jahreszeitlich angepassten Feier-lichkeiten sowie die Durchführung von Projektwochen und die Unterstützung von komplementärtherapeutischen Angeboten.

Das Team der Ergotherapie

Ergotherapie

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Das Arbeitstraining umfasst neben einer berufsgruppenübergreifenden Arbeitsdia-gnostik die Förderung von Fähigkeiten und Fertigkeiten und Belastungserprobung.

Im Verlauf des Arbeitstrainings wechselt der Patient zunehmend aus der Rolle des Behandelten in die des Handelnden über.Im gesamten Verlauf des Arbeitstrainings gilt es, in folgenden Bereichen eine Ver-besserung bzw. Wiederherstellung zu erreichen:

○ Grundarbeitsfähigkeiten (Ausdauer, Kon-zentration, Tages- und Zeitstrukturierung)

○ soziale Fähigkeiten (Kontakt-, Durchset-zungs- und Anpassungsfähigkeiten)

○ affektive Leistungen (Selbstvertrauen, Entscheidungsfähigkeit)

○ motorische Fertigkeiten (Feinmotorik und Geschicklichkeit zur Wiedergewinnung der berufs- und arbeitsplatzspezifischen Fähigkeiten)

○ physische Konditionierung (körperliche Belastbarkeit)

○ instrumentelle und individuelle Kompetenzen (z. B. Rechnen, Schreiben, Organisieren)

○ Alltagskompetenzen

Für das Erreichen dieser Ziele stehen im Arbeitstraining der Forensischen Klinik Stralsund eine Schlosserei und eine Tischlerei zur Verfügung. Dort werden unter Anleitung durch die handwerklich sehr erfahrene Mitar-beiter z.B. Räucheröfen für Hobbyangler und Berufsräucherer angefertigt, aber auch Garten-bänke und Grills gebaut. Die Aufarbeitung von Möbelstücken ist ebenso begehrt wie die Neuanfertigung von Gartenzäunen, Bilderrah-men oder Kleinmöbeln. Obwohl die Abarbei-tung von Kundenaufträgen nicht an erster Stelle steht, so birgt diese Möglichkeit doch ein besonderes Potential, die arbeitstherapeu-tischen Zielstellungen zu erreichen. Ferner führen die Patienten im Rahmen des Arbeits-trainings hausdienstliche Tätigkeiten aus und sind in der Gartenpflege aktiv.

Das Team des Arbeitstrainings

Arbeitstraining

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Die Sporttherapie in der Forensischen Psychi-atrie versteht sich als Teil des therapeutischen Gesamtkonzeptes und sie wird zu den komplementären Therapien zugeordnet.Die Sporttherapie soll Patienten helfen, körperliche, psychische oder soziale Beein-trächtigungen mit Hilfe von Sport zu über-winden. In der Hauptsache geht es dabei um die Aktivierung der Patienten und die Verbes-serung des Körpergefühls und der Körper-wahrnehmung sowie um die Erhöhung der allgemeinen Belastbarkeit. Es soll eine thera-

pieüberdauernde Verhaltensänderung erreicht werden. Dabei geht es nicht um Leistungs-sport.

Bevor überhaupt ein Insasse unserer Einrich-tung mit dem Sport beginnen kann, wird ein sogenannter BVEP (Behandlungs-, Vollzugs- und Eingliederungsplan) erstellt. In diesem Plan werden Zielstellungen für die jeweiligen Therapiebereiche erarbeitet, wobei der verantwortliche Therapeut in den meisten Fällen auch eine Empfehlung für die Sport-

therapie abgibt. Der Sporttherapeut legt nach einem Gespräch mit dem Patienten und einem kleinen sportlichen Test die Ziele und die dafür geplanten Aktivitäten fest. Die Möglich-keiten sind recht vielfältig und beinhalten verschiedene Sportarten.

Folgende Aktivitäten bietet die Sporttherapie hier an: Walken, Joggen, Radfahren, Fitness-training, Gymnastik, Rückentraining, Tisch-tennis, Fußball und kleine Spiele.

Ich, Frank Ernst, arbeite nun schon seit fast zwei Jahrzehnten in dieser Klinik und organi-siere die Sporttherapie. Als Sporttherapeut muss man dabei immer wieder große Motiva-tionsarbeit leisten, da es gerade psychisch kranken Menschen oft schwer fällt, regel-mäßig Sport zu treiben. Dabei ist es gerade das Ausdauertraining, das sich so positiv auf die verschiedenen Krankheitsbilder auswirkt. Kraft- und Fitnesstraining stärken wiederum das Selbstwertgefühl und die Körperwahr-nehmung. Stark motivationsfördernd sind zum Beispiel Gruppenaktivitäten aus dem Spielsportbereich. So fahren wir oft zu Volleyballvergleichen mit anderen Einrich-tungen, die auch mit psychisch kranken Menschen arbeiten. Wanderungen und Radtouren in der Natur sind auch sehr beliebt bei unseren Patienten. Vorausset-zungen für diese Aktivitäten ist die entspre-chende Lockerung der jeweiligen Insassen.Innerhalb der Klinik bieten wir einmal im

Jahr eine Sportprojektwoche an, bei der es eine Woche lang besondere Sportangebote (z.B. Tischtennisturnier, Volleyballturnier und kleine Spiele) gibt. Innerhalb der Klinik haben wir einen kleinen Sportplatz, der auch in der Freizeit regelmäßig von den Patienten genutzt wird. Auch besteht für unsere Patienten die Möglichkeit, in der Freizeit Tischtennis zu spielen und zweimal wöchentlich unter Anleitung des Pflegepersonals den Fitness-raum zu nutzen. Eine wichtige Rolle kommt der Sporttherapie auch in der Phase der Wiedereingliederung zu. So werden den Patienten Hilfestellungen angeboten, in der Zeit nach der Klinik aktiv zu bleiben. Es bestehen Kontakte zu Reha-Sportvereinen, an die sich die Patienten dann wenden können

Frank ErnstSporttherapeut

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Sporttherapie

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Die Tanztherapie ist eine nonverbale und ressourcenorientierte Therapieform und dient der ästhetischen Ausdrucksfähigkeit des inneren Erlebens. Der Tanz wird dabei als das Spiegelbild der menschlichen Psyche verstanden. Tanz- und Bewegungs-angebote und Methoden die zur Anwendung kommen sind:

○ Tanzimprovisation zur Erweiterung des Bewegungsrepertoires

○ Tanztechniken (Erlernen von Bewegungsmustern)

○ Nachahmung (Imitation von Bewegungsabläufen)

○ Gestaltung (Verknüpfung von Tanztech-niken und Tanzimprovisation)

○ Bewegungsspiele

Tanztherapie ermöglicht, Empfindungen und Beziehungen leichter auszudrücken, zu verarbeiten und zu definieren. Es schult die Körper- und Selbstwahrnehmung und fördert nicht nur die Kreativität, sondern vereint auch kognitive, körperliche und emotionale Prozesse. Durch die körperliche Zentrierung wird das Selbstbewusstsein zu einer eigen-ständigen Lebensgestaltung gefördert.Dadurch wird der Erwerb eigener Hand-lungskompetenzen und eine Eingliederung ins soziale Geschehen ermöglicht. Somit kann die Wahrnehmung eines eigenen Körperbildes entstehen, um eine Eigen- und Fremdwahr-nehmung zu etablieren.

Die Therapie findet sowohl im Einzel- als auch Gruppensetting statt. Dabei wird stets störungsbildspezifisch gearbeitet und an den Fertigkeiten des jeweiligen Patienten ange-knüpft. In der Regel findet eine musikalische Begleitung durch moderne Medien statt. Allerdings kann die Therapie sowohl im Stillen als auch durch live-percussion begleitet werden. Dies ist abhängig von der therapeutischen Zielsetzung. Zudem wird das Angebot wahrge-nommen, die Therapie im Freien, das heißt auf dem Hof der Klinik durchzuführen.

Einmal die Woche findet sich die Musikgrup-pe zusammen. Die Teilnahme ist freiwillig. Die Gruppe dient als Ventil zum Therapieall-tag und ermöglicht den Patienten durch ein anderes künstlerisches Medium, ihren Gedan-

ken und Gefühlen einen Ausdruck zu geben, ohne Leistungsdruck. Innerhalb der Gruppe können Musikinstrumente erkundet und das Spielen an ihnen erlernt werden. Auch der Gesang ist ein fester Bestandteil der Gruppe. Durch das freie und ungebundene Spielen in der Gruppe wird sowohl die Gruppenfähig-keit des Einzelnen erprobt als auch das Rhythmusgefühl gefördert.

Seit fast zwei Jahren findet jährlich ein Tanz-Theater-Projekt, unter freiwilliger Teilnahme, in Zusammenarbeit mit dem Theaterwissenschaftler Dr. Franz Triebenecker statt. Mittlerweile hat sich eine feste Gruppe etabliert, die Freude am Theaterspielen zeigt. Durch Auftritte innerhalb Stralsunds als auch Gastspielen in Rostock, konnten die Patienten an Selbstvertrauen dazu gewinnen und wurden in ihrem künstlerischen Handeln sowie ihrer Ausdrucksfähigkeit bestärkt.

Judith PiescheTanz- und Bewegungstherapeutin

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Tanz-, Bewegungs- und Musiktherapie

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Das Schulprojekt steht als Angebot einer schulischen Bildung bzw. dient als Weiterbil-dung und Auffrischung des im Schulunter-richt vermittelten Unterrichtstoffes für die Patienten. Vorrangig geht es darum, den Patienten während ihres stationären Aufent-halts in der Klinik eine schulische Bildung zu ermöglichen und mit ihnen zu arbeiten, um Bildungsdefizite zu erkennen, zu analysieren und abzubauen. Ziel des Projekts ist es, die Patienten für eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft zu schulen, um zu erreichen, dass sie nach ihrer Entlassung aus der Klinik einen guten Start gewinnen und dadurch besser auf das Leben in der Gesellschaft vorbereitet sind.

Einige Patienten besitzen keinen oder nur einen Teil-Schulabschluss und haben den Wunsch, eine Prüfung abzulegen, um einen qualifizierten Schulabschluss zu erlangen. Dabei liegt ihr letzter Schulgang in der Regel viele Jahre zurück, so dass sie mit viel

Geduld und Feingefühl an den regulären Schul unterricht herangeführt werden müs-sen. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die meisten Patienten über eine nur unzurei-chende schulische Bildung verfügen und deshalb individuell betreut werden müssen. Aufgrund des sehr differenzierten Bildungs-niveaus der Teilnehmer findet der Unterricht in der Regel in kleinen Gruppen oder als Einzelunterricht statt. Aktuell werden die Patienten in den Fächern Deutsch, Mathema-tik und Geographie unterrichtet.

Neben der allgemeinen Wissensvermittlung im Rahmen des Schulunterrichts, sollen die Patienten sich auch an einen geregelten Arbeitstag gewöhnen und zu der Erkenntnis gelangen, dass durch kontinuierliches Lernen und Wiederholen des Unterrichtstoffes Kenntnisse erweitert und Fertigkeiten vertieft werden können. Hierbei sollen die Patienten Lernbereitschaft entwickeln und dazu motiviert werden, sich eigene Lernziele

zu stecken, um mittelfristig ein höheres Bildungs-niveau zu erreichen. Der persönliche Erfolg im anhaltenden Lernprozess wird sie zudem bestärken, weitere Anstrengungen zu unternehmen, ihre Fertigkeiten zu verbessern und ihr eigenes Bildungsniveau zu heben.

Mit dem Lernerfolg wird sich auch langfristig ein verbessertes Sozialverhalten der Patienten einstellen, das sich positiv auf das Leistungsvermögen, die Belastbarkeit und die Ausdauer der Patienten aus-wirkt. Die Motivation und Leistungsbereitschaft werden zunehmen.

Weitere positive Kriterien können eine vermindert ausgeprägte Aggressivitätsbereitschaft und Reizbar-keit sowie eine größere Frustrationstoleranz sein. Ein nicht zu unterschätzender, positiver Faktor ist überdies die Eigen-Wahrnehmung des Patienten in Bezug auf seine eigene Wertschätzung und Persön-lichkeit – quasi mit dem Hintergrund, durch eine persönliche Anstrengung, durch Mühe und Fleiß eine Anerkennung seiner Leistung erfahren zu können. Die positive Erfahrung und der individuelle Lernerfolg des Patienten halte ich für wichtige Bausteine, den gesellschaftlichen Status des Patienten zu verbessern und gleichfalls die Chancen für eine berufliche Integration zu erhöhen.

Ulrich Schumacher Diplom-Lehrer

Schulprojekt

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Forensische Nachsorge bedeutet sowohl die langfristige Vorbereitung auf die Entlassung aus dem Maßregelvollzug als auch die ambu-lante Betreuung nach der stationären Unter-bringungszeit. Sie hat in erster Linie rückfall-präventive Bedeutung. Im Rahmen der Entlassungsvorbereitung geht es uns darum, einen sogenannten „sozialen Empfangsraum“ für unsere Patienten zu schaffen und diesen sorgfältig vorzubereiten. In diese Vorbereitung sind mehrere Berufsgruppen involviert, die Koordination obliegt in unserer Klinik zwei in der FIA tätigen Sozialpädagogen.

Ziel in dieser Phase ist es, unseren Patienten eine Probe- bzw. Beurlaubungszeit zu ermög-lichen, die sie schrittweise an die realen Bedingungen des Lebens in Freiheit heran-führt. Eine solche Erprobung kann aus dem stationären Bereich heraus erfolgen oder über Zwischenschritte durch die Umsetzung von nach außen gerichteten Aktivitäten (z.B. externe Arbeitstherapie, Besuch einer Werk-

statt für behinderte Menschen oder einer Tagesstätte, Teilnahme an einer Selbsthilfe-gruppe). Eine weitere Möglichkeit der Erpro-bung bieten unsere Trainingswohnungen im Stadtgebiet, die als „offener Vollzug“ geführt und betreut werden.

Sind Bindungen oder haltgebende Strukturen vorhanden, streben wir zunächst die Erpro-bung im vertrauten Umfeld an. Ist das nicht möglich oder hegen wir Bedenken gegen eine solche Integration, ist auch eine Entlassung in eine andere Region, verstanden als „Neustart“ möglich. Dabei favorisieren wir, wenn auch nicht ausschließlich, unser Bundesland, um die Nachbetreuung durch unsere Forensische Institutsambulanz zu sichern. Ein Probewoh-nen und nachfolgend die bedingte (zur Bewäh-rung) Entlassung kann in die eigene Häuslich-keit, die Familie, in betreute Wohnformen, aber auch in geschlossene oder vollstationäre Einrichtungen und Wohnheime erfolgen. Wichtig bei der Suche nach der geeigneten

Wohnform ist der schützende, stützende, strukturierende und stabilisierende Einfluss auf unsere Klienten, um den präventiven Anforderungen gerecht zu werden. Über die gesamte Zeit der Beurlaubung und Erprobung werden unsere Patienten engmaschig und in enger Kooperation mit unseren „Helfern“ im Sinne von Netzwerkarbeit begleitet.

Nach der bedingten Entlassung aus dem Maßregelvollzug besteht die Hauptaufgabe der forensischen Nachsorge darin, die Entlas-senen bei ihrer Verselbstständigung weiter zu unterstützen, durch Kontrollen krisenhafte Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten, um der Gefahr erneuter Straftaten entgegenzuwir-ken. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit allen am Prozess Beteiligten, insbesondere mit der Bewährungshilfe und der Führungs-aufsicht. Gemeinsame Helferkonferenzen dienen dazu, alle relevanten Informationen zusammenzutragen, notwendige Interventi-onen zu veranlassen und verbindliche Ab-sprachen zu tätigen.

In unserer Forensischen Institutsambulanz, die seit 2014 eigene Räumlichkeiten auf dem Klinikgelände bezogen hat, sind ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie als Leiter und Oberarzt, die o.g. zwei Sozialpädagogen und eine Psychologische Psychotherapeutin tätig.

Gearbeitet wird nach dem Prinzip des Case-Management: Ein Fallkoordinator übernimmt je nach Hilfebedarf (medizinisch, sozial- oder psychotherapeutisch) oder Kapazität den Entlassenen in seinen Zuständigkeitsbereich.

Durch geeignete Maßnahmen wollen wir sicherstellen, dass deliktfördernde, personelle, situative oder soziale Veränderungen erkannt werden, um im Bedarfsfall deeskalierend reagieren zu können. Dafür eignen sich stabile, professionelle Beziehungen, Kontrol-len, aufsuchende Kontakte oder sich wieder-holende Risikoeinschätzungen. Sollten konkrete Anhaltspunkte für einen drohenden Deliktrückfall vorliegen, informieren wir die zuständigen Stellen der Justiz, die gegebenen-falls mit rechtlichen Schritten reagieren (z.B. Änderung der Weisungen und Auflagen, Krisenintervention gemäß § 67h StGB, Wider-ruf der bedingten Entlassung).

Wir sehen es aber als vordergründige Aufgabe an, bedingt entlassene Patienten aus dem Maßregelvollzug bei ihrer Reintegration in die Gesellschaft zu unterstützen und zu ihrer allgemeinen Stabilisierung beizutragen, denn je besser eine Reintegration in die Gesellschaft gelingt, umso geringer ist das Risiko- bzw. Rückfallpotential.

Das Team der FIA

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Die Forensische Institutsambulanz (FIA) – eine wichtige Säule der Nachsorgearbeit

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Anfahrt

Rostocker Chaussee

LindenalleeAm Grünhufer

Jakob-Kaiser-

Straße

Graben

Sch

war

zer

Weg

Kastanienweg

RichtungProhn

RichtungRügen

RichtungMartensdorf

RichtungMartensdorf

RichtungNegast

Danziger Str.

Grünhufer Bogen

Lübecker Allee

RingMalmöer

Notizen

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Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie

Chefarzt Dr. med. Stefan Orlob

Rostocker Chaussee 70f ⋅ Haus 5

18437 Stralsund

Sekretariat Frau Holtfreter

Telefon: (03831) 45-22 00

Telefax: (03831) 45-22 05

E-Mail: [email protected]

www.helios-kliniken.de/stralsund

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