Helmuth Hübener

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    Fr Wahrheit und Gerechtigkeit

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    Diese Nachricht sollte abschreckend wirken

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    ULRICH SANDER

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    UNION VERLAG BERLIN

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    DREI FOTOS UND EINE AKTE

    Ein junges, offenes und sympathisches Gesicht blickt von dem

    Portrtfoto. Die glatten Haare sind sorgfltig gescheitelt, der Kopfist ohne Pose leicht nach rechts gedreht, die Augen schauen freundlichin die Kamera. Ein anderes Bild, offenbar bei einem Ausflug ins Grneaufgenommen, zeigt denselben Jungen in unternehmungslustigerHaltung, mit einem etwas schrg aufgesetzten Hut und umgehngtemFotoapparat, ein wenig schlaksig, gutmtig lchelnd. Und eine dritteAufnahme: Drei Jugendliche haben sich freundschaftlich gegenseitigdie Arme um die Schultern gelegt. Der Kleinste von ihnen steht - im

    Zweireiher und mit Fliege - in der Mitte: Helmuth Hbener, Verwal-tungslehrling, 16 Jahre alt, das Leben vor sich, bereit, es zu gewinnen.Drei Fotos blieben von ihm und eine Prozeakte. Sie erinnern an eineauergewhnlich mutige Tat des Widerstandes gegen den Hitler-faschismus, an das dramatische Schicksal eines jungen HamburgerChristen, der fast noch ein Kind war, als das Fallbeil seinem hoffnungs-vollen Leben ein Ende machte.

    AUS EINFACHEN VERHLTNISSEN

    Dabei hatte zunchst nichts Auergewhnliches darauf hingedeutet,da Helmuth Hbeners Name einmal nicht nur in Hamburg, sondernauch auerhalb der Stadt bekannt werden wrde. Am 8. Januar 1925in der Hafenstadt geboren, wuchs er in einfachen Verhltnissen auf.Nach dem Mdchennamen seiner Mutter hie er lange Zeit HelmuthGuddat. Seine beiden Halbbrder Hans und Gerhard aus der geschie-denen ersten Ehe der Mutter trugen den Namen Kunkel. Spter, imKrieg, heiratete die Mutter den Arbeiter Hugo Hbener, der denJngsten adoptierte.Emma Hbener mute ihre Kinder weitgehend allein groziehen, unddas zu einem groen Teil in einer wirtschaftlichen Krisenzeit. IhreBerufsttigkeit - als Arbeiterin in der Staatlichen Mnze, spter als

    (oft im Nachtdienst stehende) Krankenpflegerin - lie ihr jedochwenig Zeit fr die Kinder. So lebte Helmuth mit seinen beiden Brdernlange bei den Groeltern im Hamburger Stadtteil Hamm.Wie die Groeltern und die Mutter gehrten auch die Kinder derKirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen)

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    an, einer religisen Gemeinschaft, die sich nicht nur auf die Bibel,sondern auch auf neue Offenbarungsquellen beruft, als deren wichtig-ste das Buch Mormon gilt, eine Art Bibel der Ureinwohner Ameri-

    kas. 1830 in den USA gegrndet, hatte sich diese Kirche spter bisnach Europa ausgebreitet. Hier wurde brigens Hamburg zumAusgangspunkt ihrer intensiven Missionsttigkeit in Deutschland.1931 kam Helmuth Hbener in die Volksschule. Der eher stille Jungewar begabt und aufgeschlossen. Daher konnte er nach Beendigungdes sechsten Schuljahres zur Mittelschule berwechseln. SeinKlassenlehrer August Meins berichtete nach dem Krieg: Helmuthwar anders als die anderen Schler. Er war sehr selbstndig und ging

    seinen eigenen Weg. Dabei schlo er sich den anderen gegenbernicht ab. Er war kein Angeber. Er war ein sympathischer Junge, dersehr bescheiden war - allerdings mit einer Bescheidenheit, die fastetwas wie ein Minderwertigkeitsgefhl war. Diesen Komplex htteer selber niemals zugegeben. Dafr waren viele Grnde vorhanden:seine uneheliche Geburt, seine armen Verhltnisse usw. ... Wegenseines Wesens wurde er viel von der Klasse gehnselt; aber er nahm

    nie etwas bel und war nicht aus der Ruhe zu bringen. Seineschulischen Lieblingsgebiete seien Geographie und Geschichtegewesen, dagegen habe er die Mathematik weniger geliebt. Er hatsehr viel an sich gearbeitet und war sehr fleiig. Niemals habe ichihn zur Ordnung rufen mssen ... Er war zh, still und konsequent.Obgleich er oft eigene Wege ging, merkte man, da er groen Einfluauf Menschen ausben konnte.Helmuths Bruder Hans ergnzte: Nie konnte er verreisen. Aberer hat sehr viel fr seine Weiterbildung getan. Die verschiedenstenWissenschaften waren sein Hobby. Seine Freunde schildertenihn als einen kameradschaftlichen, Bcher, Musik und Frohsinnliebenden jungen Mann.

    DIE ERSTEN ANSTSSEInzwischen hatte sich in Deutschland das Naziregime fest

    etabliert, das alle Lebensbereiche unter seinen Einflu zu bringensuchte. Nicht nur die groen Kirchen, auch die kleineren Religions-gemeinschaften bekamen seinen Druck zu spren. Besonders diekirchliche Jugendarbeit war den Nazis ein Dorn im Auge, und soverboten sie 1934 auch die Pfadfindergruppe der Mormonen-

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    gemeinde, der Helmuth Hbener ebenso wie seine fastgleichaltrigen Freunde Karl-Heinz Schnibbe und Rudolf Wobbeangehrten. Die drei muten auerdem erleben, da die neuen

    Machthaber die gemeinschaftlichen Fortbildungskurse fr die jungenAngehrigen der Kirche, an denen sie ebenfalls teilnahmen,behinderten. Es durfte nicht mehr fr sie geworben werden; ihreZusammenknfte wurden von Nazis durch Steinwrfe gegen dieFensterscheiben gestrt. Mglicherweise waren diese Ereignisse dererste Grund fr Helmuth Hbener, von seiner anfnglichen Be-geisterung fr das Naziregime zumindest teilweise Abstriche zumachen. Verbrgt ist, da er seine Emprung uerte, als seine Reli-

    gionsgemeinschaft ihre Rume fr jdische Mitbrger sperrte. Wirhatten eine Schwester in der Kirche namens Schwartz. Sie war Halb- jdin, und als der Druck der Nazis auf die Kirchen und dieantisemitische Hetze immer strker wurden, mute dieKirchenleitung Schwester Schwartz bitten, nicht mehr in die Kirchezu kommen, berichtete Maria Sommerfeldt, die Mutter einesFreundes von Helmuth Hbener, spter. Helmuth war sehr emprt

    ber diesen Vorfall und sagte es ganz deutlich. Er dachte sehr gerecht.Marie Schwartz und ihr Halbbruder Salomon, ein jdischerKonvertit, waren den Verfolgungen der Nazis ausgesetzt; SalomonSchwartz starb vermutlich im KZ Theresienstadt.1938 trat Helmuth Hbener dem Deutschen Jungvolk, der Nazi-jugendorganisation fr die Zehn- bis Vierzehnjhrigen, bei. Spter kamer in die Hitler-Jugend. Hier stieen ihn der Zwang, der Drill und diegeforderte bedingungslose Unterordnung unter geistlose Kommandiererab. Mit seinen Freunden wute er sich einig in dieser Abneigung, wurdedoch Karl-Heinz Schnibbe bereits 1939 wegen Befehlsverweigerungaus der faschistischen Jugendorganisation ausgeschlossen. Doch nochwar ihre ablehnende Haltung sicher vor allem gefhlsmig begrndet.

    WAS HITLER MACHT, IST UNCHRISTLICHEinen nachhaltigen Einflu auf das Denken und die politische

    Urteilsfhigkeit des jungen Christen bte ohne Zweifel eine Gruppejugendlicher in Hamburg-Altona in den Jahren 1940 und 1941 aus.Helmuth Hbener hatte sie im Schwimmbad kennengelernt, wo siesich zu politischen Gesprchen trafen. Ihr Kopf war der Bau-schlosser Josef Wieczorek. Vor 1933 hatte er der kommunisti-

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    schen Kinderorganisation Rote Pioniere angehrt. Mutig lehnteer es ab, der HJ beizutreten. Sein Vater, Jupp Wieczorek, leistetebis zur Verhaftung 1935 illegale politische Arbeit. Zweimal konnte

    Josef Wieczorek ihn im Zuchthaus Vechta besuchen. Bei einemunbeaufsichtigten Treffen auf einer Auenarbeitsstelle der HftlingeAnfang 1941 berichtete er dem Vater ber die politische Ttigkeitder Altonaer Jugendlichen, denen sich inzwischen auch HelmuthHbener angeschlossen hatte.Der Kreis traf sich in der Wohnung der Familie Wieczorek und imGartenhaus des mit der Mutter bekannten Rechtsanwalts Dr. Hornin Hamburg-Bahrenfeld zum Abhren auslndischer Sender,

    diskutierte ber das Gehrte und verbreitete es gesprchsweise weiter.Hier erfuhr Helmuth Hbener von dem Schicksal zahlreicher Anti-faschisten, die in Zuchthuser und Konzentrationslager geworfenworden waren. Er erkannte, so merkte die Mutter Josef Wieczoreks,da - wenn er auch Christ ist - das nicht christlich ist, was Hitler jetzt macht.Im Februar 1941 wurde Josef Wieczorek eingezogen und im Mai mit

    seiner Wehrmachtseinheit nach Tilsit (heute: Sowjetsk) verlegt. WenigeTage vor dem berfall auf die Sowjetunion schrieb er seinen Eltern:Wir sind hier nun schon tagelang an der Grenze, und ich sitze obenim Baum und fotografiere. Unsere russischen Brder spielen Fuball,und wir werden hier gedrillt Tag und Nacht. Wo soll das hinfhren?Auf Postkarten lie Josef Wieczorek Gre an die Jungs bestellenund versicherte, er werde nicht auf seine sowjetischen Brderschieen. Im September 1941 schrieb er dann nach Hause: Es wirdaber allerhchste Zeit, da der Krieg zu Ende geht. Kurze Zeitspter fiel er bei der Einschlieung Leningrads.

    WARNUNGEN AUF STREUZETTELNAm 1. April 1941 nahm Helmuth Hbener bei der HamburgerSozialbehrde seine Lehre fr den gehobenen Verwaltungsdienst auf.Wie in der Schule zeigte er sich auch hier anstellig. Gleichzeitig wurde

    sein politisches Interesse immer wacher. Der Krieg und alles, wasdamit zusammenhing, beschftigten ihn stark.Bis zum Frhjahr 1941 hatte der deutsche Faschismus in einemberfallartigen Eroberungsfeldzug sterreich, die Tschechoslowakei,Polen, Dnemark und Norwegen, die Niederlande, Belgien,

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    Luxemburg und Frankreich, Jugoslawien und Griechenland unter seineGewalt gebracht. Nun holte er zum entscheidenden Schlag aus, umden ersten sozialistischen Staat niederzuwerfen, seine Hegemonie

    auf dem europischen Kontinent zu sichern und den Griff nach derWeltherrschaft zu ermglichen. Der Siegestaumel der Nazis ri vieleDeutsche mit. Nur wenige bewahrten einen klaren Kopf und einenkritischen Blick. Einer von ihnen war der junge Helmuth Hbener.Im Mrz 1941, nach der Einberufung Josef Wieczoreks, fing er selbstan, am Radioempfnger die deutschsprachigen Nachrichtensendungendes britischen Rundfunks (BBC) abzuhren. Obgleich er fr die Nazisschwrmte - er tat dies bis zu seiner Verhaftung, um sich zu tarnen -,

    begann er bald, ber alles in seiner Umwelt nachzudenken, erklrtesein Bruder Hans Kunkel. Er las die Zeitung und informierte sich -soweit man dies bei der deutschen Presse berhaupt noch Informationnennen konnte. Mit dem Radioapparat unseres Bruders Gerhard, deran der Front war, hrte Helmuth den britischen Rundfunk ab. Er verglichdie deutsche Presse mit den auslndischen Rundfunkmeldungen. ImRathaus hatte er die Mglichkeit, Bcher im Staatsarchiv zu lesen, die

    es in anderen Bchereien schon lange nicht mehr gab. Er las Bcher berdie USA, ber die Sowjetunion und andere Lnder. Er lernte also diesogenannten Feindmchte kennen, und er studierte ihre Strke. Undobgleich es mit dem Krieg der Nazis gut zu gehen schien, wies er nach,da auf die Dauer der Sieg ber einen solchen Feind nicht mglich ist,allein schon aus wirtschaftlichen Grnden.Karl-Heinz Schnibbe umri die Absicht Helmuth Hbeners so: Ersah sehr frh den Betrug, auf welchem das Reich aufgebaut war, undsein Standpunkt war der, da alle die Wahrheit wissen mssen, wiees um Deutschland steht.Doch nach dem Angriff auf die UdSSR erschien dem jungen Christensein Wirkungskreis zu klein. Er wollte mehr, als nur in gelegentlichenGesprchen der verlogenen Goebbels-Propaganda entgegenzutreten.Er begann, wichtige Meldungen des britischen Senders zu notierenund danach mit Durchschlgen abzuschreiben. Dazu benutzte er eine

    Schreibmaschine seiner Kirche. Denn inzwischen war er ehrenamtlicherSekretr ihres Hamburger Gemeindeprsidenten, Arthur Zander,geworden, hatte Protokolle anzufertigen und Briefe zu schreiben,letztere vor allem an Gemeindemitglieder, die als Soldaten an derFront standen.

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    Nachts tippte Helmuth Hbener in der groelterlichen Wohnungnun Streuzettel im Postkartenformat. Sie enthielten knappeKriegsnachrichten und Aufforderungen, gegen das verbrecherische

    Regime der Nazis anzugehen. Hitler hat die alleinige Schuld!Durch den uneingeschrnkten Luftkrieg wurden bisher mehrerehunderttausend wehrlose Zivilpersonen gettet, hie es da. Oderihr Verfasser enthllte, da in der UdSSR bisher anderthalbMillionen Soldaten gefallen seien. Und er appellierte: Niedermit Hitler - Volksverfhrer, Volksverderber, Volksverrter - Niedermit Hitler!Insgesamt neun verschiedene solcher Zettel lagen spter der Gestapo

    vor, zusammen schtzungsweise 60 Exemplare. Helmuth Hbenersteckte sie Bekannten zu, warf sie in Briefksten, zweckte sie anAnschlagtafeln und verschickte sie mit der Post.

    ... UND DANN HAT HITLER SICH AUSKALKULIERT

    Bald mobilisierte Helmuth Hbener auch seine beiden Freunde aus

    der Kirche, den Malergesellen Karl-Heinz Schnibbe und denSchlosserlehrling Rudolf Wobbe. Sie halfen, Flugbltter zu verbreiten,die ab August 1941 entstanden.Anfnglich ungefhr alle zwei Wochen, spter in rascherer Folge schriebund kopierte Helmuth Hbener nmlich lngere Flugbltter. FranzAhrens, ein erfahrener kommunistischer Widerstandskmpfer, wertetespter die Leistung der jungen Leute: Was die Gruppe im Jahre 1941tat, als der Hitlersche Kriegswagen zur Sonne aufzusteigen schien, isteinfach unfabar. Nur wer selbst in der Widerstandsbewegung ttigwar, kann ermessen, was es bedeutet, mehr als 35 Aufklrungsschriften... in wenigen Monaten zu verfassen, zu vervielfltigen und zuvertreiben.Zumindest ebenso bemerkenswert war ihr Inhalt. So zitierte HelmuthHbener in einem Flugblatt Hitlers Buch Mein Kampf, und zwarden Hinweis auf die deutschen Propagandalgen im ersten Weltkrieg.

    Daran anknpfend, enthllte er die neuerliche Desinformation der Bevl-kerung durch die Naziberichterstattung ber den Kriegsverlauf, indemer die im Londoner Rundfunk gehrten Zahlen ber verlorene britischeSchiffe den Angaben des OKW-Berichts gegenberstellte. Der Vergleichergab fr Goebbels und die anderen Propaganda-Gren: Sie lgen, lgen,

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    lgen, und sind schon derart in Lgen verstrickt, da sie kaum nochmerken, da Tatsachen ihren Schwindeleien mit einem Schlag denStempel der Unwahrheit aufdrcken knnen. Am Schlu stand die

    Aufforderung, die Sendungen des britischen Rundfunks zu hren.Weitere von ihm verfate Schriften schilderten, was es mit dem Flugdes Hitler-Stellvertreters He nach Grobritannien auf sich hatte,und charakterisierten den grosprecherischen Oberbefehlshaber derdeutschen Luftwaffe sowie die angebliche Wirkung ihrer Terror-angriffe auf die britische Bevlkerung. Ein anderes Blatt beschftigtesich mit der Hitler-Jugend, stellte ihre Fhrung blo und rief dieJugend zum Ungehorsam auf. Ihm schlo sich ein kritischer Bericht

    ber den Jugendarrest an. Diese Flugschrift begann mit den Worten:Deutsche Jungen! Kennt ihr das Land ohne Freiheit, das Land desTerrors und der Tyrannei? Nun, ihr wit es wohl und gut, nur ihrmgt es nicht aussprechen. Man hat euch schon soweit unterdrckt,da ihr aus Furcht vor der Strafe es nicht wagt. Ja, ihr habt recht;Deutschland ist es, das Hitlerdeutschland.Stimme der Heimat war ein Text betitelt, der die Kirchenpolitik

    des Regimes anprangerte. Offenbar richtete er sich an Frontsoldaten.Fhrerrede hie ein anderer, der auf Hitlers Verheiungen reagierte.Auch mit der Kriegswirtschaft beschftigte sich Helmuth Hbener inzwei Flugblttern. Das eine ma das beschrnkte deutsche Potentialan dem der Alliierten, das als unerschpflich erschien. Das andereerluterte, da die Treibstoffquellen der Verbndeten ihnen den Sieggarantierten. Auf die gering eingeschtzte Kampfkraft des faschis-tischen Italien ging eine Schrift ein, auf dessen Kolonialpolitik einezweite.An die Adresse der deutschen Soldaten richtete der junge LehrlingEnde November/Anfang Dezember 1941 Flugschriften, die ber denbritischen Vorsto in Nordafrika und die kritische Lage an der deutsch-sowjetischen Front informierten. Die dortige Situation lie nach seinenWorten erkennen, da der Nimbus der Unbesiegbarkeit Hitler-deutschlands bald zerstrt sei. Die Soldaten wurden auch ber die

    Zwangsabgaben unter der Parole Eisernes Sparen unterrichtet, dieallmonatlich der deutsche Arbeiter von seinem ohnehin schon kargenLohn abknappen mu, damit mehr Kanonen, Tanks und Flugzeugezur weiteren Unterjochung Europas und der Welt hergestellt werdenknnen.

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    Dann wandte sich der junge Antifaschist Ostasien und dem Pazifikzu. In einem Flugblatt bezweifelte er die Siegeschancen Japans, dasmit seinem berfall auf eine amerikanische Militrbasis in den zweiten

    Weltkrieg eingetreten war.In den ersten 35 Tagen des Jahres 1942 fertigte er schlielich sechsFlugschriften an, die sich alle in erster Linie mit dem Krieg gegen dieUdSSR beschftigten. Das eine Blatt gab eine von britischen Sendernverbreitete angebliche Weihnachtsbotschaft des ehemaligen Stell-vertreters Hitlers wieder und verwies auf Gestapo-Methoden, selbstmiliebige deutsche Militrs heimlich umzubringen. Vor allein aberstellte es klar, da die Sowjetunion entgegen den Nazibehauptungen

    versichert hatte, keine Angriffsabsichten zu hegen. Dem mysterisenTod von zwei deutschen Generalen und einem Fliegeroberst wandtesich nochmals ein zweites Flugblatt zu. Es analysierte auerdem diemilitrische Lage in Nordafrika und an der deutsch-sowjetischenFront und rief dazu auf, durch den Sturz Hitlers den Krieg zu beenden.Ein drittes trug den Titel Ich habe alles mit einkalkuliert. Es befatesich mit der Wintersachensammlung fr die deutschen Soldaten an

    der Ostfront, deren Ergebnisse fr den Verfasser erstmals auch Anlawaren, sich an satirischen Knittelversen zu versuchen.In seinem siebenstrophigen Gedicht hie es:

    Wir stehen im Kampfe, stehn an seiner Wende,Drum gebt alle viel fr die Wollsachenspende!So bettelte Goebbels und glaubte auch nun,Man wrde es auch seinem Wunsche nach tun.

    Man wrde still alles vergebenUnd htte selbst nichts zum Leben ...

    Ja, Hitler ist schuld, da das Volk mu berappenVon seinem Vorrat, dem ohnhin schon knappen.Fr Hitlers Irrtum zahlt das Volk nun die Kosten,Was hilfts, Ruland bleibt ein verlorener Posten.Da Stalin sein Heer jetzt zum Siege hinfhrt,

    Das hatte der Fhrer nicht einkalkuliert!

    Im Jahr einundvierzig wird alles gebrochen,So hatte der Fhrer dereinst keck versprochen.Jetzt trgt der Soldat fr den Irrtum die Leiden,

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    Helmuth Hbener im Jahre 1941

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    Josef Wieczorek - Auch er wurde ein Opfer des Krieges

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    Die drei Freunde:Helmuth Hbener (Mitte) mit Rudolf Wobbe (links) und Karl-Heinz

    Schnibbe

    Auf den nchsten Seiten: Ein Flugblatt des jungen MormonenBericht der Hamburger Gestapo

    Aus der Anklageschrift des faschistischen Oberreichsanwalts

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    Das Urteil

    Rechte Seite: Ablehnung der GnadengesucheDie Hinrichtung ist beschlossene Sache

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    Whrend Hitler verspricht: Dies Jahr wird entscheiden!Es wird sich entscheiden, wenn alles sich rhrt!(Und dann hat auch Hitler sich auskalkuliert!)

    Wenn alles sich rhrt - dieser Appell zum aktiven Widerstandrichtete sich in den unmittelbar folgenden Zeilen an die Arbeiter undSoldaten. Er warnte sie: Der Fhrer hat euch fr 1942 die Ent-scheidung versprochen, und er wird kein Mittel scheuen, seinVersprechen diesmal zu halten. Zu Tausenden wird er euch ins Feuerschicken, um das von ihm begonnene Verbrechen auch zu beenden.Zu Tausenden werden eure Frauen und Kinder zu Witwen und Waisen

    gemacht. Zugleich verwies das Flugblatt ein weiteres Mal auf dieStrke der Alliierten.Eine vierte Schrift war berschrieben: 1942 - das Jahr der Ent-scheidung. Es sagte die Niederlage voraus und forderte das deutscheVolk erneut auf, das Naziregime zu beseitigen. Ein fnftes Blatt galtden militrischen Ereignissen im Dezember 1941 und Januar 1942,insbesondere der sowjetischen Winteroffensive, mit der die Rote

    Armee erstmals die Blitzkriegsstrategie der faschistischen Wehrmachtvereitelte und die Eindringlinge um ber 300 Kilometer zurckwarf.Diese erste groe militrische Niederlage der Nazis war schlielichnoch einmal das Thema der sechsten Schrift. Unter der berschrift3. Oktober - 3. Februar stand da zu lesen: Vier Monate sind esher, einhundertundzwanzig Tage, seit der Fhrer in seiner letztenRede grospurig verkndete: Der Feldzug im Osten ist bereitsentschieden! Er hatte weit gefehlt ... Wohl liegt nun berall Eis und

    Schnee, aber der deutsche Vormarsch oder, besser gesagt, die letzteendgltige Vernichtungsschlacht hat noch keine weiteren Fortschrittegemacht. Im Gegenteil! berall dort, wo im Herbst die deutschenSoldaten unter Verschlei an Menschen und Material rtliche Gewinneerzielten, wehen heute schon wieder die Siegeszeichen der Russen.Die deutschen Soldaten sind geschlagen!

    DER KREIS WIRD GRSSERHelmuth Hbener tarnte die meisten seiner Flugbltter mitunverfnglich klingenden berschriften. Zudem forderte er dazuauf, sie abzuschreiben und weiterzuverbreiten, wodurch eine grereWirkung erzielt und ihr Ursprung verschleiert werden konnte. Ge-

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    rade zu einer Zeit, da die Kriegsmaschinerie der Nazis erstmals insStocken kam, war es besonders dringlich, der Goebbels-Propaganda,die diese Entwicklung zu verschleiern trachtete, zu widersprechen.

    Vor allem konnten nun aktuelle Flugblattexte wie diese auf mehrResonanz rechnen.Wahrscheinlich aus solchen berlegungen gewann der junge Mormoneum die Jahreswende 1941/42 den gleichaltrigen Gerhard Dwer, derebenfalls Lehrling bei der Hamburger Sozialverwaltung war, alsMitstreiter. Dieser stellte spter fest: Mein Freund Hbener (fate)mehrere Freunde zu einer Widerstandsgruppe zusammen, um aus-lndische Sender abzuhren. Das Gehrte wurde mitstenographiert

    und dann vervielfltigt, was damals ausschlielich mit der Schreib-maschine gemacht wurde - eine ungeheure Arbeit. Die so entstandenenFlugbltter wurden vielfach in Form von Kettenbriefen verteilt, undzwar zuerst im engeren und ueren Bekanntenkreis. Als wir uns etwasmehr eingearbeitet hatten, gingen wir dazu ber, in greren MengenFlugbltter zu verteilen. Wir beklebten die Anschlagsulen, hefteten dieFlugbltter an die Anschlagtafeln der NSDAP, warfen sie in Briefksten

    oder steckten sie den Gsten auf Veranstaltungen, Festlichkeiten undTanzvergngen in die Manteltaschen. In der Hauptsache hatten wir dieStadtteile Hamm, Hammerbrook und Rothenburgsort dazu ausersehen.Der Kreis wurde immer grer, auch fanden wir immer neue Leute, diemit uns arbeiteten.Sicher meinte Gerhard Dwer damit seine Freunde, die Brder Horst undKurt Zumsande, sowie deren Bekannten Karl Horst Pipo. Sie erhielteneinige der Flugbltter und konnten von Helmuth Hbener mit etwasOptimismus als eine neue Teilgruppe angesehen werden, die in Hamburg-Altona wirken sollte. Allerdings gibt es auch gegenteilige Berichte. So hatRudolf Wobbe betont: Mit dem Anhnger finden war es eigentlich nichtso gut bestellt, denn alle schimpften wohl, aber zur Sache sich bekennenwollte keiner, von Mitmachen schon gar nicht zu reden ... Innerhalb unsererGlaubensgemeinschaft hatte diese Bewegung keine Kreise gezogen, dennnur ein uns ungefhr im Alter Gleichgestellter, Karl-Heinz Schnibbe, und ein

    lterer, Heinrich Worbs, standen zu uns. Sonst waren wir allein ... Auchversuchten wir Kontakt mit anderen revolutionren Kreisen zu bekommen,was leider erfolglos blieb, weil Vorsicht geboten war und in der Zeit dasDenunziantentum in Blte stand.Daher blieb es wohl fraglich, ob hhere Auflagen und eine wei-

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    tere Verbreitung der Flugschriften mglich waren. Die entsprechendenAussagen von Gerhard Dwer sind deshalb sicher nur als Absichts-erklrungen zu werten: Um unserer Arbeit eine grere Wirkung zu

    verschaffen, hatten wir eine Druckerei in Kiel gefunden, die die Flug-bltter in groen Mengen herstellen wollte; selbstverstndlich in heim-licher Nachtarbeit zweier Angestellter. Dagegen besttigte RudolfWobbe, da sie planten, die illegalen Schriften in grerem Mae anFrontsoldaten zu schicken.Hbener hatte des weiteren vor, seine Flugbltter unter Kriegsgefange-nen und auslndischen Zwangsarbeitern zu verbreiten. Er trat etwaMitte Januar 1942 an einen Kollegen, den Verwaltungslehrling Werner

    Kranz, mit der Bitte heran, zwei Texte ins Franzsische zu bersetzen.Das aber sollte der Gruppe zum Verhngnis werden. Als HelmuthHbener und Gerhard Dwer am 20. Januar im Bro ihrem Alters-gefhrten ein Blatt bergeben wollten, beobachtete sie der Nazi-Betriebsobmann Heinrich Mohns. Er schpfte Verdacht, drang aufWerner Kranz ein und zeigte die beiden anderen an.

    VERHAFTUNG UND FOLTER

    Am 5. Februar 1942 nahmen Polizeibeamte Helmuth Hbener undGerhard Dwer im Gebude der Hamburger Sozialverwaltung fest.Sie brachten beide in das Gestapo-Gefngnis Hamburg-Fuhlsbttel.Was dort geschah, spiegelte sich im Entsetzen der Gromutter desjungen Christen wider, das eine Bekannte, die bereits genannte FrauSommerfeldt, erlebte: Jeden Freitag haben wir zusammen die Kirchegereinigt. Eines Tages kam ich zur Arbeit, als ich seine Gromutterbemerkte. Sie kniete vor dem Podest und hatte die Hnde erhoben -sie betete und flehte laut zu Gott. Ich trat hinter sie, doch sie bemerktemich nicht. Dann versuchte ich, sie zu beruhigen: Was ist denn los?-Es ist etwas Furchtbares passiert, sprudelte es aus ihr heraus. Unddann erzhlte sie mir alles genau. Man habe Helmuth durch die Gestapoauf seinem Arbeitsplatz verhaftet. Nach einigen Tagen hatte die

    Geheimpolizei ihn noch einmal in die Wohnung der Gromuttergebracht. Er war furchtbar zugerichtet, und die Gromutter hatteentsetzt aufgeschrien, als sie ihn sah. Sie wollte ihn etwas fragen,warum bist du verhaftet, was ist geschehen? Helmuth wollte gernmit ihr sprechen, doch die Beamten rissen ihn fort. Kein Wort

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    durfte gewechselt werden. Helmuth mute alles vorzeigen, was erbesa. Seinen Radioapparat beschlagnahmten sie, seine Schreib-maschine ebenfalls. Man fand noch Papier und einige Flugbltter bei

    ihm. Dann wurde er wieder abgefhrt.Bei der Haussuchung entdeckte die Gestapo den Text fr ein weiteresFlugblatt. Er war noch in die Schreibmaschine eingespannt. Werhetzt wen? stand darber, und er handelte von der Aggressivitt undden Eroberungsgelsten des japanischen Militarismus. HelmuthHbener zitierte dafr Belege aus einem 1919 erschienenen japani-schen Buch: auf Australien, China, Indien und Sibirien zielende Kriegs-plne.

    Am 10. Februar wurde Karl-Heinz Schnibbe, am 18. Februar RudolfWobbe verhaftet. Um seine Freunde zu decken, nahm HelmuthHbener bei den Verhren alles auf sich. Schnibbe bezeugte sptervoller Dankbarkeit: Helmuth war mein ehrlicher, treuer Freund.Seiner Standhaftigkeit trotz Qual und Schlgen kann ich es verdanken,da ich heute noch am Leben bin.Bei der Gestapo konnte man sich nicht vorstellen, da ein 17jhriger

    eine solche Widerstandsgruppe geleitet und Flugbltter mit derartigemInhalt in grerer Zahl verfat hatte. Sie vermutete, Helmuth Hbenerund seine Freunde gehrten zu einer Widerstandsorganisation vonlteren, erfahrenen Antifaschisten. Um die Namen seiner Hinter-mnner herauszubekommen, folterte sie den Lehrling. Die Aufzeich-nungen des vernehmenden Kriminalsekretrs lassen das zwischenden Zeilen erkennen: Erst nach lngerem Vorhalten und eindrck-lichem Ermahnen war Hbener zu bewegen, ein Gestndnis ber denUmfang seiner zersetzenden Ttigkeit abzulegen.Auch fhrte man die Jugendlichen auf dem Weg zu den Vernehmungenan solchen Zellen vorbei, aus denen Schreie von Gefolterten zu hrenwaren. Schlielich sperrte man zu Rudolf Wobbe einen kriminellenHftling in die Zelle. Er erstattete der Staatsanwaltschaft ber jedeuerung Wobbes Bericht.

    VERHANDLUNG UND URTEILDie Tat Helmuth Hbeners und seiner Freunde wurde vomHamburger Generalstaatsanwalt als so gefhrlich angesehen, daer die Ermittlungsakte dem Oberreichsanwalt beim berchtigtenVolksgerichtshof in Berlin, Ernst Lautz, bersandte. Dieser warf

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    in seiner vom 28. Mai 1942 datierten Anklageschrift dem jungenHbener vor allem vor, das hochverrterische Unternehmen, mitGewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung zu ndern,

    vorbereitet zu haben, wobei die Tat auf Beeinflussung der Massendurch Herstellung und Verbreitung von Schriften gerichtet war. Dabeibestand diese angebliche Verfassung aus der Notverordnung vom 28.Februar 1933, die die politischen Rechte aufhob, und dem sogenanntenErmchtigungsgesetz vom 23. Mrz 1933, das der Regierung dieMglichkeit gab, ohne ein Parlament Gesetze zu erlassen, die von derVerfassung abwichen. Lngst hatte also das Naziregime die Verfassungzerrissen, was es nicht daran hinderte, sich notfalls auf sie zu berufen.

    Am 11. August 1942 fand vor dem 3. Senat des Volksgerichtshofes inBerlin die siebenstndige nichtffentliche Gerichtsverhandlung gegenHelmuth Hbener und seine Freunde statt. Sie wurde mit einemIntelligenztest erffnet, bei dem die Angeklagten Fragen ber die NSDAPund das Parteiprogramm sowie ber ihre Einstellung zu diesem Pro-gramm beantworten muten. Helmuth Hbener, als einziger in Fesselnvorgefhrt, wurde gefragt, warum er und seine Freunde gerade in

    Hamburger Arbeitervierteln ihre Flugbltter verbreitet htten; schlielichsei Hamburg noch immer ablehnend gegenber der NSDAP eingestellt.Er betonte, da er das Christentum hher stelle als die Nazipartei undihre Ideologie. Er habe seit langem den Betrug erkannt, auf dem dasNazireich aufgebaut sei. Deshalb sei er bemht gewesen, mitzuhelfen,da alle Menschen die Wahrheit erfhren. Hbener verhehlte nicht, daer zum Sturz des faschistischen Regimes beitragen wollte. Zu diesemZweck habe er beabsichtigt, die Widerstandsgruppe zu einerOrganisation weiterzuentwickeln. Glauben Sie denn wirklich daran,da Deutschland diesen Krieg gewinnen kann? fragte er.Der Staatsanwalt forderte die Todesstrafe, zumindest aber einelebenslngliche Haftstrafe fr Helmuth Hbener, sieben Jahre Gefngnisfr Rudolf Wobbe und Haftstrafen von unbestimmter, wenigstens jedochzweijhriger Dauer fr Karl-Heinz Schnibbe und Gerhard Dwer. RudolfWobbe berichtete spter ber die Verhandlung: Dann kamen unsere

    Verteidiger zu Wort, welche uns vom Gericht zugeteilt worden waren.Dieselben versuchten, auf unsere Jugend hinweisend, beim GerichtMilde zu erreichen. Ich hatte bei der ganzen Verhandlung das Gefhl,als wenn dies alles eine abgekartete Sache war, denn die Verteidigungwar nicht sonderlich eifrig, um etwas fr uns zu erreichen.

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    Nach kurzer Beratung wurde durch den Vizeprsidenten des Volks-gerichtshofes, Karl Engert, das Urteil verkndet, das zum Teil nochweit ber die Antrge der Staatsanwaltschaft hinausging. Helmuth

    Hbener wurde wegen Abhrens eines Auslandssenders undVerbreitung der abgehrten Nachrichten in Verbindung mit Vorbereitungzum Hochverrat und landesverrterischer Feindbegnstigung zum Todeund zum Verlust der brgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit verurteilt,Rudolf Wobbe wegen Abhrens eines Auslandssenders und Vorbereitungzum Hochverrat zu zehn Jahren Gefngnis, Karl-Heinz Schnibbe wegenAbhrens eines Auslandssenders und Verbreitung auslndischerRundfunknachrichten zu fnf Jahren Gefngnis und Gerhard Dwer

    wegen Verbreitung auslndischer Rundfunknachrichten zu vier JahrenGefngnis. Helmuth Hbener rief den Richtern nach der Urteils-verkndung zu: Wartet, ihr kommt auch noch dran!In der Urteilsbegrndung wurde seine weit ber dem Durchschnittvon Jungen seines Alters stehende Intelligenz als besonders belastendgewertet. Seine Leistungen in der Schule und in der Lehre htten ihn alseinen Menschen ausgewiesen, der einer erwachsenen Person gleich-

    zuachten sei. Das gleiche Bild, so hie es weiter, gibt der Inhalt derFlugschriften, die von Hbener in Anlehnung an die Nachrichten verfatworden sind. Auch hier wrde niemand, selbst wenn er wte, da derInhalt nach Aufzeichnungen verfat worden ist, vermuten, da sie voneinem erst 16- und 17jhrigen Jungen verfat worden sind. Auch dieberprfung seines allgemeinen Wissens, seiner politischen Kenntnisseund seiner Urteilsfhigkeit sowie sein Auftreten vor Gericht und seinGehaben ergaben durchweg das Bild eines geistig lngst der Jugendlichkeitentwachsenen frhreifen jungen Mannes. ... Damit war der Angeklagtewie ein Erwachsener zu bestrafen, folgerte das Gericht. Die Todesstrafesei auch deshalb notwendig, weil die Gruppe die Flugbltter in einemArbeiterviertel einer Stadt verbreitet hat, in der zufolge der schwerenLuftangriffe, denen diese ausgesetzt ist, die Gefahr einer zersetzendenWirkung besonders gro ist, zumal nach den Bekundungen desKriminalbeamten Mssener auch heute noch nicht davon gesprochen

    werden kann, da der Marxismus in Hamburg vllig ausgerottet ist.Rudolf Wobbe unterstrich spter die Unerbittlichkeit der Nazirichter:Um ein Haar wre auch fr mich die Todesstrafe ausgesprochenworden; nur der Umstand meiner auerordentlichen Jugend, ich warbei der Tatbegehung 15 Jahre, bewahrte mich davor.

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    Mit 17 Jahren und sieben Monaten war Helmuth Hbener nebenCarlo Schnhaar, dem etwa 17jhrigen Sohn eines 1934 ermordetenKommunisten, der als Angehriger einer franzsischen Partisanen-

    einheit im April 1942 von einem deutschen Militrgericht zum Todeverurteilt und hingerichtet wurde, der jngste deutsche Antifaschist,den die faschistische Justiz aufs Schafott schickte. Nur wenig lterwaren beispielsweise die 19jhrige Liane Berkowitz, die dem BerlinerWiderstandskreis um Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack an-gehrte und die man im August 1942 hinrichtete, die gleichaltrigenWalter Klingenbeck, ein Katholik, der auslndische Rundfunkstationenabgehrt und selbst einen Sender gebaut hatte und der ebenfalls im

    August 1942 ein Opfer der Blutrichter wurde, oder Egon Schier, denein Militrgericht wegen antifaschistischer Aufklrungsarbeit in derWehrmacht zum Tode verurteilte und im Februar 1945 hinrichtenlie.Auch auf sie und andere blutjunge Antifaschisten trifft in gewisserWeise zu, was Stephan Hermlin in seiner Wrdigung HelmuthHbeners schrieb: Es gibt Zeiten und Menschen, wo Kinder nicht

    mehr Streiche aushecken, sondern es mit einem Staat aufnehmen.Kein Erwachsener hat sie beraten, keinem haben sie sich anvertrauenknnen, denn allzuviele von den lteren fanden im Jahre 1941 denKrieg lohnend.

    GNADENLOSHelmuth Hbener und sein Vater versuchten, die Vollstreckung desTodesurteils zu verhindern, indem sie Gnadengesuche einreichten.Auch seine Dienststelle, immerhin eine Behrde, legte einen Gnaden-antrag vor. Selbst die Hamburger Hitler-Jugend, die Hbener brigensam 10. September 1942 ausschlo, wie auch die Gestapo befrchtetenunliebsame Diskussionen in der Bevlkerung wegen der Hinrichtungeines 17jhrigen und befrworteten einen Gnadenerweis. Sogar dasGeheime Staatspolizeiamt in der Berliner Prinz-Albrecht-Straeuntersttzte - gewi nicht aus humanitren Erwgungen - die Gnaden-

    gesuche, indem es Geltungsbedrfnis und Gromannssucht alsangebliche Motive fr Hbeners Handlungsweise anfhrte.Die Reichsjugendfhrung und die Kanzlei des Fhrers der NSDAPtraten jedoch gegen die Argumente der Hamburger Hitler-Jugend undder Gestapo auf. Sie wollten ein Exempel statuiert wissen.

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    gingen auch die letzten Briefe Helmuth Hbeners an seine Mutterund seine Gromutter verloren. Nur seine letzten Zeilen an FrauMaria Sommerfeldt, die ihn immer wie einen Sohn behandelt hatte,

    sind erhalten geblieben. Sie wurden wenige Stunden vor seinerHinrichtung geschrieben. Darin gab er seiner Gewiheit Ausdruck,den richtigen Weg gewhlt zu haben. Gott, dem er dankbar dafr sei,da dieses qualvolle Leben heute abend zu Ende gehe, wisse, da ernichts Unrechtes getan habe. Er werde der wahre Richter in dieserSache sein.

    DISKUSSION UM SEIN VERMCHTNIS

    So blieben nicht nur drei Fotos von Helmuth Hbener und eine Akteber ihn, geblieben ist auch sein Vermchtnis. Es mahnt die jungeGeneration von heute, nicht zuletzt junge Christen, sich mutig,engagiert und gerechtigkeitsliebend den brennenden Problemen unsererZeit zu stellen. Und es wirkt auch in der Kirche fort, der HelmuthHbener angehrte. Sie sah und sieht sich durch das Beispiel desbrigens nach seiner Verhaftung zeitweilig von seiner Gemeinde aus-

    geschlossenen tapferen Mormonen herausgefordert, ber den rechtenGlaubensvollzug in der Gesellschaft nachzudenken. Diese Heraus-forderung wirkt bis in das Zentrum der Kirche Jesu Christi der Heiligender Letzten Tage hinein, bis nach Salt Lake City (USA), wo unlngstdie Auffhrung eines neuen Theaterstcks ber Helmuth Hbenerkontroverse Diskussionen ber die Tat des jungen Hamburgers undihr Verhltnis zu wichtigen Glaubenslehren der Mormonen auslste.Dabei wurde auch die Ansicht geuert, man sollte diese Dinge nichtwieder aufrhren. Ein Professor namens Douglas Tobler, der sich mitHbeners Schicksal beschftigt hat, zitierte die nach seiner Ansichtfalsche Auffassung, Hbener und seine Freunde htten versuchensollen, mit dem Regime auszukommen; das war alles, was sie tunkonnten. Hbeners Freunde Rudolf Wobbe und Karl-HeinzSchnibbe, die den Krieg berlebt haben und heute in Salt Lake Citywohnen, haben dem jedoch ebenso entschieden widersprochen wie

    der Biograph Tobler. Mit den Nazis auszukommen, so betonten sie,htte gegen die Forderung ihrer Kirche verstoen, fr Wahrheit undGerechtigkeit einzustehen.

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    QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

    Die Unterlagen der Nazijustiz befinden sich im Institut fr Marxis-

    mus-Leninismus beim ZK der SED, Zentrales Parteiarchiv, Akte NJ-1125. Zuerst berichtete ber den jungen Christen Franz Ahrens(Hrsg.), Helmuth Hbener. Vorbild, Opfer, Verpflichtung, Hamburg1946, wobei er auch das Urteil abdruckte; dann Stephan Hermlin in:Die erste Reihe, Berlin 1951 (Neudruck 1975), weiter Karl-HeinzJahnke in: Entscheidungen. Jugend im Widerstand 1933-1945, Frank-furt (Main) 1970, und Ulrich Sander, Helmuth Hbener, Hamburg1980. Die Erinnerungen von Rudolf Wobbe sind zu finden in: Klaus

    Drobisch und Gerhard Fischer (Hrsg.), Ihr Gewissen gebot es. Christenim Widerstand gegen den Hitlerfaschismus, Berlin 1980, Flugblattextevon Helmuth Hbener in: Dies. (Hrsg.), Widerstand aus Glauben.Christen in der Auseinandersetzung mit dem Hitlerfaschismus, Berlin1985.Die vorliegende Biographie fut auf Recherchen und Schilderungenvon Ulrich Sander, besonders auf: Helmuth-Hbener-Gruppe, in:

    Ursel Hochmuth und Gertrud Meyer, Streiflichter aus dem HamburgerWiderstand 1933-1945, Frankfurt (Main) 1969 (Neudruck 1980).Ihre Bearbeitung erfolgte mit Zustimmung des Autors durch KlausDrobisch. Der letzte Brief Helmuth Hbeners an Frau Sommerfeldtwird wiedergegeben nach: Alan F. Keele und Douglas F. Tobler, TheFuhrers New Clothes: Helmuth Hubener and the Mormons in theThird Reich, in: Sunstone, Number 6, Salt Lake City, November-December 1980.

    DATEN ZUM LEBENSWEG

    192 5 8. Januar in Hamburg geboren1938 Mitglied des faschistischen Jungvolks1941 Ehrenamtlicher Sekretr des Hamburger Gemeindeprsidenten

    der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage - April

    Aufnahme der Verwaltungslehre - Sommer Beginn derHerstellung und Verbreitung mehrerer Streuzettel mitantifaschistischen Losungen, danach von wenigstens 21verschiedenen Flugblttern

    1942 5. Februar Verhaftung - 11. August Todesurteil - 27. OktoberHinrichtung in Berlin-Pltzensee

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    IN DER REIHE CHRIST IN DER WELTERSCHIENEN ZULETZT:

    Ben Chavis von Horst GustPhilip A. Pottervon Johannes Althausen (2. Aufl.)Paul Braune von Karl Hennig (2. Aufl.)Simon Kimbangu von Heinrich LothJoseph Wirth von Gnter WirthJosef Streb von Franz Gerth (2. Aufl.)Oscar Arnulfo Romero von Horst GustPapst Paul VI. von Helmut LckWerner Schmauch von Manfred PungeMartin Niemllervon Carl Ordnung (2. Aufl.) Dietrich Bonhoeffervon Carl-Jrgen Kaltenborn (3. Aufl.)Jochen Kleppervon Gnter Wirth (2.. Aufl.)Rudolf Mauersbergervon Ingo Zimmermann (3. Aufl.)Albert Schweitzervon Rudolf Grabs (7. Aufl.) Albrecht Schnherrvon Lutz Borgmann

    Nathan Sderblom von Siegfried KrgelKatholikos Vasken I. von Gerhard BassarakMaksymilian Kolbe von Gisela Reller (3. Aufl.)Alfred Delp S. J. von Helmut LckDesmond Tutu von Elisabeth AdlerMartin Luther King von Gnter Wirth (7. Aufl.)Paul Schneidervon Walter Feurich (2. Aufl.)Wilhelm Elfes von Gnter WirthMutter Teresa von Egbert Brock (2. Aufl.)

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    REIHE CHRIST IN DER WELT

    UNION VERLAG BERLIN